Die Frage nach der Wirklichkeit ist seit dem ersten Menschengeschlecht eine der meist gestellten philosophischen Fragen. Eine wichtige Rolle in der Diskussion um den Status der Wirklichkeit spielt die Frage, inwieweit die Wirklichkeit menschlicher Erkenntnis zugänglich ist und ob dieser Zugang bloß relativ zu den vorhandenen Begriffen und technischen Möglichkeiten steht. Hierfür kann man die Realismusdebatte in der modernen Teilchenphysik anführen: Sie dreht sich darum, ob die von bestätigten physikalischen Theorien angenommenen Elementarteilchen, aus denen die Wirklichkeit aufgebaut sein soll, im ontologischen Sinne wirklich sind, auch wenn sie prinzipiell nicht direkt durch die Sinnesorgane wahrgenommen werden können, sondern ihre Existenz nur indirekt über Messungen und Modelle bestätigt werden kann.
Carlo Rovelli, einer der renommierten physikalischen Forscher unserer Zeit, legt nun ein Buch vor, um die Grenzen unseres Verstehens zu erweitern. Dies ist „kein Buch über Gewissheiten, sondern eines über das Abenteuer einer Reise, die ins Unbekannte führt.“ (S. 9)
Er zeichnet ein neues Bild der Welt von einem physikalischen Universum ohne Zeit, einer Raumzeit, die aus Schleifen und Körnchen besteht und in der Unendlichkeit nicht existiert. Rovelli ist der Meinung, dass „ (…) sich die gegenwärtigen Veränderungen der Begriffe von Raum und Zeit nur dann verständlich erläutern ließen, wenn man die Geschichte von Anfang an erzählt: beginnend mit Demokrit über den ganzen Weg bis hin zu den Raumquanten.“ (S. 7) Die Quantengravitation ist eine derzeit noch in der Entwicklung befindliche Theorie, welche die Quantenphysik und die allgemeine Relativitätstheorie, also die beiden großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts, vereinigen soll. Während die allgemeine Relativitätstheorie nur eine der vier Elementarkräfte des Universums beschreibt, nämlich die Gravitation, behandelt die Quantentheorie die anderen drei Elementarkräfte (elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und starke Wechselwirkung). Die Vereinigung dieser beiden Theorien ist unter anderem wegen ihrer Überschneidungen, aber auch wegen abweichender wissenschaftsphilosophischer Konsequenzen notwendig.