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Gustave Courbet: Der „Vater des Realismus

Als „Vater des Realismus“ ist Gustave Courbet in die Kunstgeschichte eingegangen. Der gänzlich sozialistisch motivierte französische Maler prägte als Erster den Begriff des Realismus. Courbet sprach er sich bewusst gegen den allgegenwärtigen und kunstbeherrschenden Idealismus aus und proklamierte für sich selbst, dass er nur noch das darstellen werde, was er sehen und anfassen kann. In seiner Thematik war Courbet nicht so eingeschränkt wie Millet, da auch Landschaften und Porträts zu seinen Bildmotiven gehörten. Die Arbeit als zentrales Thema des Realismus war jedoch auch bei Courbet von erheblicher Relevanz.

Die sichtbare Wirklichkeit möglichst naturgetreu abzubilden war auch das Ziel Courbets. Er äußerte sich in einem Brief aus dem Jahre 1861 über den Realismus und die von ihm abgelehnte Historienmalerei folgendermaßen: „Ich halte auch dafür, daß die Malerei ihrem Wesen nach eine konkrete Kunst ist und einzig in der Darstellung der wirklichen und vorhandenen Dinge bestehen kann.“

Courbet stammte aus einer ländlichen Gegend in Lothringen und blieb seiner Herkunft thematisch treu. Im Jahre 1839 zog er nach Paris, wo er auch an Salonausstellungen teilnahm. Zunehmend gerieten seine Werke dort jedoch in die Kritik. Courbet schuf ein Selbstportrait, in dem er hemdsärmelig durch ein Feld marschiert, er zeigte die Dorfbewohner seines Heimatortes Ornans bei einem Begräbnis und bezeichnete das Werk, sich über die etablierten Gattungsgrenzen hinwegsetzend, als Historienbild, wobei es eigentlich als Genrebild hätte eingeordnet werden müssen. An der Akademie galt das Malen von realistischen Bildern als schlichtes Abmalen ohne größeren Wert. Der Skandal war vorprogrammiert, umso mehr, als Courbet gerne auf monumentalen Leinwänden arbeitete.

Gustave Courbet, der die realistische Kunst als Selbstbehauptung der Persönlichkeit gegen die akademische Tradition verstand, und sich über seine Vorreiterrolle hinsichtlich dieser Einstellung bewusst war, formulierte dazu: „Der Kernpunkt des Realismus ist die Verneinung des Ideals (…) Bis heute hat dies noch kein Künstler entschieden zu äußern gewagt (…) Indem ich das Ideal so wie alles ablehne, was daraus folgt, gelange ich zur vollen Selbstbefreiung des Individuums bis hin zur Verwirklichung der Demokratie.“. Courbet sieht also die Kunst als Selbstverwirklichung des Individuums, das sich von dogmatischen, hierarchischen Gefügen und einem institutionalisierten Regulativ abgrenzt, und dabei auf ein selbstgewisses Originalgenie setzt. Darüber hinaus wird seine Forderung deutlich - die Kunst mit demokratischen Aufgabenstellungen zu füllen.

Das Schöne, das durch romantisierende Bestrebungen für Courbet vergeblich dargestellt wird, weil es nicht wahr, nicht real gegeben ist, findet er in der Wirklichkeit der Natur mit ihren verschiedensten Erscheinungsformen. Wenn dabei in der Kunst eine Einbildungskraft eine Rolle spiele, dann nur in dem Maße „den vollständigsten Ausdruck einer vorhandenen Sache zu finden, niemals aber darin, diese Sache selbst zu setzen oder zu erschaffen.“ Demnach ist das Schöne, das die Natur hervorzubringen vermag, höher zu bewerten als alle Konventionen, denen ein Künstler verpflichtet zu sein glaubt. Wie die Wahrheit ist das Schöne abhängig von der Zeit, in der man lebt, und vom Individuum, das Kraft seines Wahrnehmungsvermögens, seiner Auffassungsgabe imstande ist, es zu begreifen.

Durch die unmittelbare Gegenwart motiviert, solle das Ergebnis des künstlerischen Schaffensprozesses sich wieder in diese Gegenwart einfügen: „Imstande zu sein, die Sitten, die Vorstellungen, das Gesicht meiner Epoche nach meinem Dafürhalten zu übertragen, nicht nur Maler, sondern auch ein Mensch zu sein – mit einem Wort, lebendige Kunst zu machen, das ist mein Ziel.“ Diese Auffassung Courbets, dass der Künstler in erster Linie ein gewöhnlicher Mensch und kein herausgehobenes Sonderwesen sein solle, stand diametral zur damals verbreiteten Kunstauffassung. Der Ansatz der Individualität des Künstlers, und in diesem Zusammenhang die Ablehnung jeglicher Lehrunterweisung in der Kunst, findet sich an anderer Stelle wider, wo Courbet jegliche Lehrtätigkeit in einem Atelier ablehnt: „Da ich glaube, dass jeder Künstler sein eigener Meister sein muß, kann ich nicht daran denken, mich zum Lehrer aufzuwerfen , (…) denn ich lehne den Kunstunterricht ab.“

Das 1849 entstandene Werk Die Steinklopfer, das der Maler 1851 in Paris ausstellte, kann als richtungsweisendes Werk für seinen Realismus angesehen werden. Die zwei, unter der prallen Sonne, schuftenden Arbeiter in einem Steinbruch, darunter ein Kind und ein alter Mann, lösten in der Kunstöffentlichkeit Entrüstung aus. Einige Besucher versuchten gar, das auffällig großformatige Bild zu beschädigen. Die Anstrengung und Ärmlichkeit und nicht zuletzt die Belastung der Schwachen der Bevölkerung waren Aspekte, die Courbet in seinem Werk verband und in dieser Form dem bourgeoisen Kunstpublikum präsentierte. Das Unverständnis, das Courbet in Paris entgegengebracht wurde, nahm ein Jahrzehnt später in Deutschland einen analogen Verlauf. Auf der Münchner Internationalen Kunstausstellung von 1869 kritisierte die Kunstkritik Courbets Steinklopfer umfassend und warf ihm die „Verherrlichung des Arbeiterstandes“ vor. Die Frage, ob diese Arbeiter überhaupt ein Recht auf Bildwürdigkeit hätten, stand in Frankreich und später auch in Deutschland im Mittelpunkt der Diskussion. Die Ausstellungsbesucher waren derartig drastische Schilderungen und Darstellungen nicht gewohnt, was in erster Linie den vorherrschenden idealisierenden und euphemistischen Bildern geschuldet war. Durch diese Konditionierung des Kunstpublikums überrascht es auch nicht, dass die Wirklichkeit der Realisten nicht anerkannt wurde, sondern vielmehr der Eindruck und der Vorwurf entstanden, sie würden gesellschaftliche Zustände dramatisieren und die abgebildeten Menschen absichtlich hässlich malen.

Sein Gemälde Der Ursprung der Welt aus dem Jahre 1866 war skandalträchtig für die damalige Zeit. Das Bild zeigt eine Nahsicht der behaarten Vulva einer liegenden, nackten Frau mit gespreizten Schenkeln. Der Rest des Körpers ist, mit Ausnahme des Bauches und einer Brust mit Brustwarze, nicht abgebildet. Die naturalistische Darstellung des unverhüllten weiblichen Geschlechts im Zentrum des Bildes wird durch die weichen Linien des seidenartigen Stoffes, der den Körper der Frau zum Teil verhüllt, noch unterstrichen. Der braune Bildhintergrund steht im Kontrast zu der hellen, gleichsam glänzenden menschlichen Haut im Bildvordergrund.

Gustave Courbet malte „Der Ursprung der Welt“ 1866 als Auftragsarbeit für den türkischen Diplomaten und Kunstsammler Halil Şerif Paşa, auch als Khalil Bey bekannt, der neben anderen Aktbildern Courbets auch „Das türkische Bad“ von Jean-Auguste-Dominique Ingres besaß. Unklar ist, wer die Abgebildete war. Hierfür kommt neben der Geliebten von Khalil Bey vor allem Joanna Hiffernan in Frage, welche Courbet mehrfach als Aktmodell zur Verfügung stand. Während Khalil Bey die anderen Aktbilder seiner Sammlung in seinem Salon auch Besuchern zeigte, hielt er das Bild „Der Ursprung der Welt“ vor Gästen verborgen. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten musste Khalil Bey 1868 seine Kunstsammlung versteigern.

„Der Ursprung der Welt“ ging zunächst an den Antiquitätenhändler Antoine de la Narde. Als Edmond de Goncourt das Bild 1889 in dessen Laden entdeckte, war es hinter einer Abdeckung aus Holz versteckt, die mit dem 1874–1877 entstandenen Bild „Le château de Blonay“ dekoriert war. Der Holzrahmen dieser Darstellung einer Schneelandschaft mit Kirche ließ sich nur mit einem Schlüssel öffnen, wodurch das Bild „Der Ursprung der Welt“ dahinter neugierigen Blicken verborgen blieb.

Der ungarische Sammler Baron Ferenc von Hatvany kaufte das Bild „Der Ursprung der Welt“ 1910 von der Pariser Galerie Bernheim-Jeune und brachte es nach Budapest. Dort verblieb es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Familie lagerte Hatvany 1942 die wertvollsten Bilder seiner Kunstsammlung in verschiedenen Budapester Banktresoren ein. Das Bild „Der Ursprung der Welt“ deponierte er unter dem Namen seines nichtjüdischen Sekretärs János Horváth, wodurch es von den deutschen Besatzern unentdeckt blieb. Nachdem 1945 russische Truppen die Banktresore geöffnet hatten, gelangte „Der Ursprung der Welt“ zunächst auf den Budapester Schwarzmarkt. Von einem Händler gelang es Hatvany 1946, das Bild für 10.000 Forint zurückzuerwerben. Da er das Bild bei seiner Emigration nach Paris 1947 nicht mitnehmen konnte, schmuggelte es kurze Zeit später Claire Spiess nach Frankreich, die Frau seines Neffen. Hier zeigte Hatvany das Bild 1949 dem Kunsthändler Fritz Nathan.

1955 kaufte der Psychoanalytiker Jacques Lacan das Original aus unbekannter Privathand. Er und seine Frau, die Schauspielerin Sylvia Bataille, hängten es in ihrem Landhaus in Guitrancourt auf. Aber auch dort wurde es den Blicken der Öffentlichkeit entzogen: Lacan bat seinen Schwager André Masson, ihm einen verschiebbaren Doppelrahmen dafür zu bauen, der vorn ein anderes Gemälde zeigte. Masson malte daraufhin eine Landschaft, die exakt der Linienführung des Originals folgte. Um den Surrealismus dieser Version zu verstärken, trug es denselben Namen („L’Origine du monde“). Erst mit Lacans Tod 1981 tauchte das Bild wieder auf und gelangte zunächst wieder nach Frankreich. Im Brooklyn Museum in New York City wurde es 1988 erstmals öffentlich präsentiert. Seit 1995 ist es im Musée d’Orsay in Paris ausgestellt.

„Der Ursprung der Welt“ als Bildbezeichnung verweist auf die Doppelnatur des weiblichen Geschlechtsorgans: einerseits als Objekt der sexuellen Begierde und Eingang der Vereinigung, andererseits als Ausgang der Geburt, von wo aus jedes Kind zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt. Insofern ist der Unterleib der Frau der Ursprungsort des Menschen, der jegliche Welterfahrung erst möglich macht. In diesem übertragenen Sinn stellt das Bild den „Ursprung“ alles Existierens, Wahrnehmens und Gestaltens der menschlichen Welt dar. Der Titel wurde vielfach als metaphysische Anspielung aufgefasst. Der Mensch ist in dieser Perspektive der Ursprung der geordneten „Welt“ (monde), im Gegensatz zu der wilden Ursprünglichkeit der „Erde“ (terre). Ist der Mensch Daseinsgrund eines die „Erde“ transzendierenden und beherrschenden Netzes von sozialen Ordnungen und Ortungen, so ist der weibliche Schoß im Wortsinn der „Ursprung der Welt“.

Die „Polarität von Welt und Erde“ diente der deutschen Mystik als Manifestation des Gegensatzes von „Geistig-Seelischem“ und „Physisch-Materiellem“. Die Welt gründet sich auf die Erde und die Erde durchragt die Welt. Der Begriff „Welt“ steht dabei für die „Unverborgenheit des Seienden“ (Aletheia). „Erde“ ist das „zu nichts gedrängte Hervorkommen“ des „ständig Sichverschließenden und Bergenden“. Diesen „Streit zwischen Welt und Erde“, den Martin Heidegger 1936 als „Ursprung des Kunstwerks“ bezeichnen sollte, scheint hier bereits angelegt. Die „Welt“ gilt als Daseinsgrund von „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“, der Mensch erscheint somit als deren „Ursprung“. Auch auf die Unverborgenheit des Seienden und Werdenden im Sinne der Aletheia (griech. Wahrheit) könnte die Explizitheit der Darstellung anspielen. Solche verborgenen Motive und Referenzen waren es, die Courbet interessant für die Psychoanalyse machten. Der Doppelcharakter des „Ursprungs“ – einerseits als Ziel aller Sehnsucht, andererseits als Beginn des Lebens.

Die Enthüllung des weiblichen Schoßes als Ursprung der Welt lässt sich in mehrere Richtungen ausdeuten: Bild und Titel können als Erinnerung an den Urzustand vor dem „Sündenfall“, als Adam und Eva nackt waren, ohne sich dafür zu schämen, aufgefasst werden. Nach dieser Lesart will Courbet dem Betrachter den Sinn seiner Menschlichkeit, sein triebhaftes Angewiesensein auf den Anderen, wieder nahebringen. Die Vulva als Enthüllung des Ursprungs aller Dinge kann wiederum große Verehrung für die unverstellte Sexualität ausdrücken. In direkter Schlichtheit wird der Betrachter auf das Wesentliche hingewiesen: Der Zustand vor allem Wissen, aller Reflexion, vor aller Entzweiung und Fremdheit scheint in der sexuellen Vereinigung mit dem dargebotenen Körper zum Greifen nahe. Die Persönlichkeit der Frau – ihr „Gesicht“ – bleibt dem Auge jedoch entzogen. Das Bild wirkt daher wie eine Einladung zum reinen Geschlechtsakt.

„Idealistischer“ Titel und „realistisches“ Bildmotiv stehen unverkennbar in Spannung zueinander. Bei jeder möglichen Deutung – das weibliche Geschlecht als Ort der Lust, Ausgangspunkt des Lebens oder Hinweis auf den Zustand paradiesischer Unschuld – ist der „Ursprung der Welt“ entgegen seiner vordergründigen Enthüllung kein unmittelbar greifbares Objekt. Das Bild zeigt nicht das, was der Titel verspricht: Es ist sinnlich, emotionserregend, konkret in Bezug auf seinen Gegenstand. Es beabsichtigt keine Veranschaulichung eines Begriffs oder einer allgemeinen Abstraktion. Das Spannungsverhältnis zwischen Titel und Gegenstand soll eventuell von der Skandalwirkung des Bildes ablenken und diese mildern: Dann hätte der Titel „verhüllende“ Funktion entgegen dem „enthüllenden“ Inhalt. Andererseits kann die Spannung zwischen Bildtitel und Bildinhalt dessen skandalisierende Wirkung noch verstärken: Der Titel enthält einen universalen Anspruch, lässt eine philosophische oder religiöse Reflexion auf die Gesamtheit der Natur erwarten und regt diese an. Der Inhalt konfrontiert den Betrachter dann tatsächlich mit der Natur: aber eben seiner eigenen, unmittelbaren „Fleischeslust“ und sinnlichen Welterfahrung.

Der Schockeffekt ist vom Maler beabsichtigt: Courbet sah sein ganzes Wirken als Protest gegen überkommene künstlerische Konvention und Dogmatismus. Er suchte diese mit seinen Bildern zu sprengen. Gerade als reine Pornographie hätte das Bild diese Wirkung kaum erzielt. Courbet hat sein Bild so gemalt, dass den Betrachtern gleichfalls ein Blick begegnet. Die halb geöffnete Vulva erblickt den Blick des Betrachtenden, sie blinzelt ihn an. Die Konfrontation mit der konkreten Realität der menschlichen Sexualität ist das offensichtliche Thema des Bildes. Es galt schon zu Lebzeiten Courbets als Wendepunkt in der Geschichte der Malerei und machte nicht nur wegen des anstößigen Motivs in den Pariser Salons die Runde. Danach wurde es – auch weil es niemand mehr zu Gesicht bekam – zu einem Mythos. Die Geschichte seines Verstecktwerdens zeigt, dass es die Tabugrenzen der Kunst verschob.

Auch seit seiner Wiederentdeckung und erstmaligen Ausstellung rief das Bild teilweise heftige Reaktionen hervor. In Feuilletons und Debatten wurde immer wieder der Vorwurf der Pornographie laut: Die Grenzen der Kunst schienen hier überschritten worden zu sein. Die unverhüllte Darstellung der Vulva löst auch heute noch heftige Reaktionen beim Publikum aus. Im Musée d’Orsay wurde deswegen ein Wachmann mit der permanenten Bewachung nur dieses Kunstwerkes beauftragt. So gehören Bildmotiv und das, was unsichtbar-sichtbar außerhalb des Rahmens stattfindet, untrennbar zusammen: Das unverhüllte Geschlecht und die Verhüllung, mit der es umgeben wurde, aber auch die erneute Enthüllung ohne die vorherige Abdeckung zeigen die Aussagekraft des Bildes und gehören zu seiner Wirkung.

Ein Bild mit einem ähnlichen Motiv, das allerdings nicht so heftige öffentliche Diskussionen auslöste, war Die Frau in den Wellen. Courbet zeigt dem Bild Die Frau in den Wellen eine junge Frau, wiedergegeben als Halbakt, badend im Meer. Der Körper fällt zur rechten Seite hin. Sie hat sehr helle, durchscheinende Haut. Die welligen rotbraunen Haare hat die Frau am Hinterkopf hochgesteckt, während ihr ein paar wellige Strähnen ins Gesicht fallen. Die hoch erhobenen Arme kreuzen sich über dem Kopf. Das Wasser scheint um ihren Körper etwas heller, hier treffen die kleinen Wellen des graublauen Wassers auf den Körper und werden durch die vermehrte Sauerstoffeinbettung schaumiger. Die Stimmung wirkt düster, da die Sonne kurz vor dem Untergang steht, am Horizont der rechten Bildhälfte ist der letzte Rest der Abendröte erkennbar, zudem ein weit entfernt fahrendes Boot. Auf der linken Seite ist im Hintergrund ein hoher, die gesamte Seite einnehmender Felsen zu erkennen.

Das Bild gehört zu einer Serie von Aktbildern, die Courbet in den Jahren zwischen 1864 und 1868 schuf, bekanntestes Werk aus der Reihe ist heute Der Ursprung der Welt. Ausgelöst wurde Courbets Vorliebe für Akte durch den Erfolg Alexandre Cabanels mit seinem Bild Die Geburt der Venus, den er beim Pariser Salon 1863 erreichte, zudem durch weitere Erfolge von Aktbildern weiterer Akademiemitglieder. Bei Die Frau in den Wellen ist wie in dieser Zeit sehr häufig Joanna Hiffernan das Modell. Das Bild zeichnet sich einerseits durch großen Realismus aus, andererseits rückt es Thema und Ort auf eine mythologische Ebene. Die Badende wirkt wie die aus dem Schaum geborene Göttin Venus, auch das weit entfernt fahrende Boot hebt das Bild in eine mystische Ebene. Durch den Realismus untergräbt Courbet die Vorstellungen der Zeit und handelt den eigentlichen Sehgewohnheiten zuwider. Die wie echt wirkende Haut und die Wiedergabe von Achselhaar entspricht nicht der Tradition, aus der das Motiv eigentlich kommt und in der es dennoch unverkennbar steht.

Waren auch die Venusdarstellungen anderer Maler kaum mehr züchtig verhüllt, ist Courbets Badende eine unverkennbar freizügige Aktdarstellung, die gewollt sinnlich wirken und durchaus auch provozieren sollte. Ebenfalls 1868 zeigt Courbet ein ähnliches Motiv, bei dem er sein Modell in ähnlicher Pose, aber als liegenden Ganzkörperakt darstellt. Courbet verkaufte das Gemälde 1873 an den Kunsthändler Paul Durand-Ruel, der es 1875 an den Bariton Jean-Baptiste Faure weiter veräußerte. Durand-Ruel erwarb das Bild im Januar 1893 von Faure zurück und verkaufte es noch im selben Monat an den amerikanischen Zuckerfabrikanten Henry Osborne Havemeyer und seine Frau Louisine W. Havemeyer.

Als zwei der von ihm für die Weltausstellung in Paris vorgesehenen Bilder von der Jury abgewiesen wurden, veranstaltete Courbet parallel zum großen Ereignis seine eigene Ausstellung. Unter dem Titel Le Réalisme zeigte er in einem Schuppen nahe des Ausstellungsgeländes seine monumentalen Werke, darunter das Gemälde Das Atelier des Malers. Dieses Bild versah er mit dem aussagekräftigen Titel: „Das Innere meines Ateliers, eine wirkliche Allegorie, die sieben Jahre meines Lebens als Maler darstellt“. Auf dem Bild sind auf dreieinhalb mal sechs Metern sind in einem großen Raum Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten versammelt. Courbet bezeichnete dies mit den Worten: „Die Welt, die zu mir kommt, um sich malen zu lassen.“. Im Zentrum des Bildes sitzt der Künstler vor einer großen Leinwand, auf der er eine Landschaft verewigt hatte. Trotz vieler Kritik wurde Courbet zugleich Anerkennung entgegen gebracht: Emil Zola lobte seinen Stil und verglich den Künstler gar mit Größen wie Veronese, Rembrandt und Tizian. Schließlich wurde Courbet entgegen vielerlei Kritik für sein Werk ausgezeichnet. Auch Wilhelm Leibl, ein Münchner Akademieschüler, war von Courbets Schilderung begeistert. Leibl selbst war mit seinem naturalistischen „Bildnis der Frau Gedon“ aufgefallen. Aus dem Treffen der beiden Künstler entstand eine Sympathie aufgrund ähnlicher Kunstauffassungen. Courbets Darstellungsstil nahm Einfluss auf die künstlerische Entwicklung Leibls, der seine Karriere schließlich in Paris fortsetzte.

Nach Courbets Ausstellung setzte sich die Bezeichnung Realismus für die ungeschönte Wiedergabe der Wirklichkeit durch. Courbets Kunstauffassung schlägt sich in folgendem Zitat nieder: „Sie (die Kunst, M.L.) ist eine ganz und gar körperliche Sprache, die sich anstelle von Worten aus allen sichtbaren Dingen zusammensetzt; ein abstraktes, nicht sichtbares, nicht vorhandenes Ding hat im Bereich der Malerei nichts zu suchen.“

Die spätromantische Epoche in der Kunst war Ausgangspunkt für die Kunst des Realismus.

Die französische Romantik beginnt in etwa 1820 mit seinen bekanntesten Hauptvertretern Théodore Géricault und Eugène Delacroix. Während die deutsche sowie die englische Gedankenmalerei nichts für sie waren, bevorzugten diese eher die dramatischen und historischen Ereignisse wie Bildelemente. In ihren Bildern spiegelten sich politisch brisante Themen wieder. Hauptanlass war oftmals auch die Französische Revolution, welche auch in Delacroix wohl bekanntestem Bild „die Freiheit führt das Volk“ aus dem Jahre 1830 zum Thema wird. In ihr wird die menschliche Passion dramatisch dargestellt, der Mut etwa zu bewegen und sich nicht kampflos geschlagen zu geben. Doch nicht nur Delacroix Bilder erregten großes politisches Aufsehen, sondern auch die Bilder von Géricault, nicht zuletzt „mit seinem in unruhigen Hell-Dunkel-Kontrasten gehaltenen Gemälde „Das Floß der Medusa“ aus dem Jahre 1817/19. Auf diesem werden die Konsequenzen eines Schiffsunglücks an der westafrikanischen Küste geschildert, bei welchem die Menschen Schmerzens-, Hunger- und Todeskämpfe erleiden müssen.

Die englische Romantik ähnelt technisch dem später entstehenden Impressionismus. Vor allem die Landschaftsmalerei machte diese Art Romantik besonders bekannt. Bereits in den Landschaftsgemälden von Joshua Reynolds sind die romantischen Anklänge eines charakteristischen Naturerlebnises, wie oben bereits geschildert, auffindbar. Der wohl bekannteste Romantiker dieser Zeit ist William Turner. Seine „revolutionäre, in ihrer gestischen Handschrift gar abstrakt anmutende Landschaften, in denen er eine virtuose Lichtführung und Farbwahl demonstrierte, sind Ausdruck symbolischer Inhalte, die Natur wird zum Träger von Seelenzuständen“. Mehr als die friedliche Natur interessierte Turner die dramatische Landschaftskulisse im Spiel der Elemente, so dass aufgetürmte Wolkenmassen, strömender Regen, Sturm, Sonnenaufgänge und peitschende Wellen den Betrachter in den Bann ziehen. Dies lässt sich vor allem in seinem großartigen Werk „Regen, Dampf und Geschwindigkeit -Die große westliche Eisenbahn” erkennen. Er gilt mit seinen Werken als „einer der originellsten Künstler der Neuzeit.“ Mit seiner Malart gilt er als Vorreiter des Impressionismus sowie des Expressionismus, in denen die Themen Landschaften mit dem Spiel von Licht und Tageszeiten, Wolkenszenarien mit aufgelösten verwischten Konturen wieder aufgegriffen wird.

Generell ist zu betonen, dass die Romantik unter der inneren Abkehr von der Aufklärung und des Klassizismus’ beginnt. Denn die hochgepriesenen Worte von ‚Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‘, welche in der Französischen Revolution ihren Ursprung hatten, wurden nicht erfüllt. Die Künstler und Künstlerinnen reagierten darauf, indem sie sich mehr in sich selbst zurückzogen. Das Ich, welches schon im Klassizismus wichtig wurde, wird in der Romantik zum Mittelpunkt der Kunst. So prägten sich die einzelnen Stimmungen und Gefühle unterschiedlich aus.

Während sich, wie bereits erwähnt, die französische Romantik eher der Heroisierung des Leidens in ihren historischen Gemälden widmete, beschäftigen sich die Engländer und Deutschen sehr stark mit der Landschaft und Natur, bei denen die Natur als Symbol für Freiheit und Grenzenlosigkeit anzusehen ist. Über die Stimmungsbilder hinaus wurden auch sehr viele Menschen, vor allem aber in einsamer Natur, Portraits aus Alltagsszenen heraus gemalt, bei welchen gewöhnliche Personen abgebildet wurden, gemalt. Volkstümliche Themen, wie Religion und Märchen sind ebenfalls vertreten.

Auch dem Licht des „siècle de la lumière“ wurde, wie Schlegel es formulierte, die Nacht entgegengestellt: „Der Sonnenschein ist die Vernunft als Sittlichkeit- auf das tätige Leben angewandt, wo wir an die Bedingungen der Wirklichkeit gebunden sind. Die Nacht aber umhüllt uns mit einem wohltätigen Schleier und eröffnet uns dagegen durch die Gestirne die Aussicht in die Räume der Möglichkeit; Sie ist die Zeit der Träume.“ Künstlerisch durchbrach die Romantik vor allem das Prinzip der Nachahmung. In der klassizistischen Landschaftsmalerei konzentrierte man sich auf die Nachahmung von Werken Nikolas Poussins oder Claude Lorraine. Doch das Sehnen nach dem Ideal der Schönheit, dass durch das Kopieren alter Meister zu finden erhofft wurde, blieb auf diesem Wege unerfüllt. Nicht die Wissenschaft ermöglicht schöne Bilder, sondern der Künstler selbst ist der Urheber dieses bewussten Schaffensprozesses. Kunst wird zu einer Institution, der Selbstständigkeit zugeschrieben wird und deren Schöpfer die Vorstellung eines Genies erfüllen. Schlegel spricht von der romantischen Strömung als „ästhetische Revolution“.

Die Künstler der Romantik entnehmen den Stil aus verschiedenen Epochen -man bedient sich sowohl klassizistischen als auch mittelalterlichen-romanischen und gotischen Formengutes- der Vergangenheit, denen er sich durch „Wahlverwandschaft“ verbunden bzw. zugehörig fühlt. So ist die Romantik eine Erneuerung vieler Stile, nicht eines bestimmten. Malerei und Literatur stehen in besonders innigem gegenseitigen Austausch, hier kommen die neuen Inhalte romantischen Denkens und Empfindens am deutlichsten zum Ausdruck. Beide sind national-chauvinistisch geprägt wie in keiner anderen Epoche zuvor. Die Romantik steht in einem Spannungsfeld, sie ist reaktionär und zugleich weltoffen, ihr Geist beeinflusst die Kunst bis zur heutigen Zeit. Im Namen der Natur huldigt der Romantiker, dem was ihn begeistert: Freiheit, Macht, Liebe, Gewalt, den Griechen, dem Mittelalter, etc. - der Gefühlskult wird immer um seiner selbst willen betrieben. Die romantischen Künstler werden folgendermaßen klassifiziert: - die norddeutschen Romantiker (Philipp Otto Runge(1777-1810), Caspar David Friedrich(1774-1840), Carl Gustav Carus(1789-1869), Georg Friedrich Kersting(1785-1847))

Die Romantiker sind Entdecker der menschlichen Abgründe, stehen „auf der Kippe“, sind mit Tod und Chaos wohlvertraut. Charakteristisch ist eine Auseinandersetzung mit der Nachtseite der Natur, mit Traum, Somnambulismus und Psychosomatik. (Nach Novalis kann man jede Krankheit Seelenkrankheit nennen.) Die Romantik ist eine Zeit der innigsten Freundschaften, es herrscht ein Verlangen nach Gemeinschaft. Wandern ist ein romantisches Zauberwort und seligmachend. Als Topoi dient der Wald als Symbol von Innerlichkeit und geheimen Schauer. Dämmernder Wald und schattige Felsenschlucht sind Lieblingspanoramen der Romantik. Ebenso die Jagd, das (brennende) Schloß, der Eremit (Pilger, Mönch), das Gewitter, die Mondnacht, das Fenster als Motiv der Sehnsucht und dem Verlangen nach Weite, außerdem die die Endzeit symbolisierende Feuersbrunst.

Das Lebenswerk Philipp Otto Runges (1770-1810) ist der Bilderzyklus „Vier Zeiten“ an dem er von 1802 bis zu seinem Tod arbeitet. Für Runge sind Bilder Symbole unserer Gedanken über große Kräfte in der Welt: z. B. ist der Morgen die grenzenlose Erleuchtung des Universums. Genien als Allegorien der Erneuerung und Pflanzen sind Symbole der Natur: In allen Blumen und Gewächsen und in allen Naturerscheinungen sehen die Menschen sich und ihre Eigenschaften und Leidenschaften. In jedem von ihnen stecken ein gewisser menschlicher Geist und eine menschliche Empfindung. Die Natur verwandelt sich in ein Gleichnis. Die Landschaft wird bei Runge im Gegensatz zur heroischen Landschaft Josef Anton Kochs oder der Stimmungslandschaft Caspar David Friedrichs oder der Landschaftsidylle Ludwig Richters zur Sichtbarmachung des Universums. In jeder Blume, jedem Stein ist eine geheime Chiffre verborgen - Runge entwickelt eine Zeichensprache, die er selbst Hieroglyphik nannte. Wie es bei Novalis in seinem Heinrich von Ofterdingen die blaue Blume als Gegenstand der Suche und der Sehnsucht, Mittelpunkt von Träumen und Anlass zum Aufbruch, gibt, so gibt es bei Runge die Lichtlilie als zentrales Motiv. Verdeutlicht und gesteigert wird der geistige Gehalt des Bildes („Der kleine Morgen“) durch das dem Symbol der Lichtlilie hinzugefügte Kind als Sinnbild des absoluten Beginns. Ludwig Tieck, ein Freund Runges nennt die Kunst in „Franz Sternbalds Wanderungen“ (1798), „Gestaltung aus der Seele und der Empfindung, die wiederum auf die Seele und die Empfindung zurückwirke“.

Caspar David Friedrich (1774-1840) ist mit Runge Mittelpunkt des „Dresdener Kreises“, Dresden war zu dieser Zeit ein Zentrum der romantischen Bewegung. Caspar David Friedrich wird am 5. September 1774 als Sohn des Seifensieders Adolf Gottlieb Friedrich und seiner Ehefrau Sophie Dorothea Friedrich, geb. Bechly, in Greifswald als sechstes Kind geboren. Nach seinem Studium an der Kopenhagener Kunstakademie zieht Caspar David Friedrich 1798 nach Dresden. Dort lernt er viele Romantiker kennen und unternimmt reisen nach Rügen und zum Harz, aus deren Eindrücken er später seinen Landschaftsbilder malt. Caspar David Friedrich lernt 1810 Goethe kennen. Caspar David Friedrich wird aufgrund seines Gemäldes „Zwei Männer am Meer“ 1817 in Verdacht gezogen „sich zu der national-republikanischen Opposition den Demagogen, zu bekennen.“ Im Jahre 1820 führen Caspar David Friedrich und der romantische Maler Johan Christian Clausen Dahl, ein gemeinsames Atelier. Am 7. Mai 1840 stirbt der 66-jährige Caspar David Friedrich aufgrund eines Schlaganfalls.

Caspar David Friedrich zählt zu den bedeutendsten Landschaftsmaler der Epoche der Romantik. Seine Vorliebe für die Landschaftsmalerei lässt sich zu seinem früheren Zeichenlehrer Quistorp in Greifswald zurückführen, da sein Lehrer ihn auf die Naturschönheiten hinwies. Seine künstlerische Karriere hat er auch Goethe zu verdanken, der ihn gefördert hatte. So wurden seine Bilder im Jahre 1805 das erste Mal einem Publikum vorgestellt, das sich im Jahre 1820 Nikolaus I. Pawlowitsch, dem Kaiser von Russland anschloss. Durch den Kaiser wurde sein Leben gesichert, da er zu sei­nen wichtigsten Auftragsgeber zählte, der von seiner Malweise sehr begeistert war. Seine Landschaftsbilder hat er oft realistisch und gefühlsvoll dargestellt. Das deutsche Volk war von der Bedeutung seiner Bilder und von ihm selbst sehr angetan, was ihn finanzi­ell aufbesserte, da eine hohe Nachfrage für seine Werke herrschte. Mit seinem Malstil prägte Caspar David Friedrich nicht nur die Epoche der Romantik, sondern auch die darauf folgenden Kunstepochen.

Einer seiner Vorlieben war es, die Personen von hinten als „Rückenbilder“ darzustellen. Außerdem war in Caspar David Friedrichs Gemälden die Verwendung von vertikaler und horizontaler Linien üblich. Zum Beispiel ragte ein Baum oder die Masten eines Segelschiffes ein Bildelement raus und stellten somit „eine Verbindung von Diesseits und Jenseits her“ Eine weitere Vorliebe Caspar David Friedrichs lag darin, eine unsichtbare Lichtquelle zu malen, die man selber erahnen muss. beispielsweise malte er nie direkt die Sonne, sondern „eine indirekte Lichtquelle, die geheimnisvoll wirken“ sollte. Wenn eine symmetrische Komposition vorliegt, hat Caspar David Friedrich oft den Vordergrund verdunkelt, damit das Gegenständliche zurückgedrängt wird und dadurch der Blick in die Tiefe gelenkt wird. In seinen Bildern nimmt der Himmel einen großen Teil des Bildes ein und das Wesentliche liegt darin, „...dass das Entscheidende ge­rade hinter dem Sichtbaren liegt.“

Das Öl Gemälde „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich wurde zwischen 1808 und 1810 gemalt und ist ca. 110 x 171 cm groß. Das Gemälde wurde im Herbst 1810 in einer Ausstellung in Berlin präsentiert und hängt heute im Schloss Charlottenburg in Berlin. Zu sehen ist ein kleiner Mönch, der an einer Klippe am Meer steht und mit seiner rechten Hand sein Kinn berührt. Der Mönch wurde als „Rückenfigur“ gemalt, doch schaut er nicht direkt auf das Meer, sondern er blickt eher halb nach rechts. Das Bild wurde in der Zentralperspektive gemalt und eine Horizontale durchkreuzt das Gemälde. Das Bild ist nicht nach einem Vorder-, Mittel- und Hintergrund gegliedert, sondern horizontal, was den Kosmos noch dominanter wirken lässt. Ein Fünftel des Bildes zeigt die Erde an und fast vier Fünftel des Bildes zeigen den Himmel an. „Der Mönch am Meer“ wurde in der Zentralperspektive gemalt und der Mönch ist in seiner ganzen Umgebung „das einzige vertikale Element im Bild, aber er ist zu klein, um die Horizontale zu überblicken.“. Friedrichs undeutlich gezeichneter kleiner Mönch ist nicht die bildhafte Darstellung eines einsamen Menschen, sondern er betont nur den Blick des Betrachters. Caspar David Friedrich arbeitete mehr als zwei Jahre an seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“, das früher auch unter dem Titel „Seelandschaft mit Kapuziner“ bekannt war, und dabei wurde es mehrfach völlig umgearbeitet. Zum Beispiel waren zuvor neben dem Mönch links und rechts zwei Segelschiffe und ein Mond, sowie ein Morgenstern vorhanden. Diese Veränderung, die Caspar David Friedrich durchgeführt hat, sagt aus, dass er sein Gemälde reduzieren wollte, damit die Ge­genständlichkeit des Bildes zurück genommen wird.

Caspar David Friedrich verwendete in seinen Bildern immer Rückenbilder, wie zum Beispiel in seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“. In der Malerei zur Zeit Caspar Da­vid Friedrichs war es ungewöhnlich Personen von hinten darzustellen, doch er verwendete diese Art und sie wurde zu seiner Vorliebe und sind ein „Zeichen“ für die Kunst Caspar David Friedrichs. Bei den Rückenbildern wird der Betrachter oft „aufgefordert, sich in das Bild hineinzuversetzen“, wie zum Beispiel im Gemälde „Frau in der Morgensonne“, wo eine Frau von hinten abgebildet wurde und ins Licht blickt. Da wird der Betrachter aufgefordert, sich in die Frau hineinzuversetzen und selber die Lichtquelle zu sehen. Auch in dem Gemälde „Frau am Fenster“ von 1822 hat Caspar David Friedrich eine Frau von hinten abgebildet, die seine eigene Frau darstellt. Hier kommt es wieder zu Stande, dass der Betrachter sich in die Person hineinversetzten muss, um zu sehen, was seine Frau (Christiane Caroline, geb. Bommer) sieht. Eine weitere wichtige und typische Rolle in der Epoche der Romantik spielt die Bedeutung der Fenster. Zentrale Aussagen dazu sind: „ Zugang nach draußen, Verbindung zum Außer persönlichen und Ausdruck des Wunsches nach innerer Befreiung und nach dem Erlebnis freier Natur“ Eine weitere Rolle spielt die Geborgenheit und Häus­lichkeit. Das Motiv des Fensters kommt nicht nur in der Kunst vor, sondern auch in vielen Texten der Epoche der Romantik.

Er stellte die Forderung auf, der Maler soll nicht bloß malen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Themen Friedrichs sind die Unendlichkeit, die Einsamkeit, die Zurückgezogenheit und der Tod. Carl Gustav Carus schrieb in seinen Briefen über die Landschaftsmalerei, die Aufgabe ist „die Darstellung einer gewissen Stimmung des Gemütslebens“ durch die Nachbildung einer entsprechenden Stimmung des Naturlebens. Die Landschaft wird zum „Erdlebenbild“, dessen Wirkung eine Stille Andacht, eine Läuterung und Reinigung sein soll. Das Ich soll verschwinden, ein Nichts werden, Gott soll alles sein.

Bei Caspar David Friedrich haben alle dargestellten Personen und Gegenstände, auch die gewählten Tages- und Jahreszeiten symbolhaften Charakter. Viele Symbole entstammen der allgemein geläufigen Metaphorik, der christlichen Lehre und dem Aberglauben des Volkes. Dies wird in der Symbolik des Bildes „Hafen von Greifswald“ deutlich. Das Boot ist das Sinnbild für das am Ziel des Lebens angelangte Lebensschiff Der Fischer ist der Repräsentant des naturverbundenen tätigen Daseins Das Fischernetz bedeutet, zum Trocknen aufgehängt, die Ruhe des Todes nach der Tätigkeit des Lebens. Der Hafen ist Sinnbild für die Geborgenheit im Tod Der Mond ist das Symbol für Christus. Das im Hafen liegende Schiff versinnbildlicht das Lebensende, den Tod. Der Sonnenuntergang symbolisiert das Ende des Lebens Die Stadt, die man in der Ferne sieht, ist das Sinnbild für das Paradies, das himmlische Jerusalem.

1806 bildet sich eine Protestgruppe von Studenten der Wiener Akademie. Ihr Protest richtet sich gegen die überkommenen Unterrichtsmethoden, das Kopieren von Gemälden alter Meister oder abzeichnen von Gipsabdrücken antiker Plastiken. Sie gründen den Lukasbund, genannt nach dem hl. Lukas, dem Patron der Maler und ziehen nach Ausschluss vom weiteren Besuch der Akademie 1810 nach Rom in das von Napoleon säkularisierte Kloster Sant Isidoro auf dem Monte Pincio. Ihre Überzeugung gipfelt darin, dass die Kunst in Deutschland völlig heruntergekommen ist, es fehlt ihr an Herz, Seele und Empfindung, sie bedarf einer Erneuerung auf den Grundpfeilern von Religion und Nationalität. Ihr Ziel war die Schaffung einer religiös-patriotischen Kunst. Um auf möglichst weite Teile des Volkes zu wirken, sollen Freskenzyklen nach dem Vorbild Giottos und Raffaels mit biblischen Motiven entstehen. Wahrhaft reine Werke sollen hervorgebracht werden.

Peter Cornelius malt mit dem „Jüngsten Gericht“ das größte Fresko des 19ten Jahrhunderts, von ihm stammen eine Freskendekoration in der Ludwigskirche sowie Fresken in der Glyptothek. 1825 wird ihm die Leitung der Kunstakademie München angetragen, 1846 wird er Akademiedirektor in Dresden. Julius Schnorr von Carolsfeld bezeichnet seine Kunst als die Frucht einer jahrelangen Vertiefung in das romantische Heldenwesen. Er wird 1827 von Ludwig I an die Münchner Akademie geholt: 5 Säle der Residenz sollen mit Szenen aus der Nibelungensage dekoriert werden.

In der Spätromantik etwa ab 1830 schrumpfen kosmische Ideen oft zu heimeligen Idyllen zusammen, der Biedermeier kündigt sich an. Die Spätromantik ist nicht mehr getragen von den ursprünglichen Ideen der Freiheit d. Individuums und der unendlichen Natur. Adrian Ludwig Richter (1803-1884) ist weitgehend literarisch orientiert, seine Landschaften sind zumeist beschränkt auf den Ausdruck eines harmonischen Verwobenseins von Mensch und Natur. Richter will im Gegensatz zu Friedrich, der seine Landschaften „mit Zeichen, Hieroglyphen und Gedanken überfrachtet“, die Natur ihre eigene Sprache sprechen lassen. „Jedes Ding spricht aus sich selbst, der Geist, die Sprache liegt in jeder Form und Farbe.“ Landschaften sind bei Richter Idyllen, wie zum Beispiel das Werk „Genoveva in der Waldeinsamkeit“. Die Anregung zu diesem Bild bezog Richter durch Tiecks Trauerspiel: „Leben und Tod der heiligen Genoveva“ aus dem Jahre 1799. Später malt Richter vorwiegend Buchillustrationen: Das ABC-Buch für große und kleine Kinder, Märchenbücher von Beckstein, Musäus und den Gebrüdern Grimm.

Moritz von Schwind (1804-1871) setzte die von der Romantik wiederentdeckte Welt der Volks und Heldendichtung, der Märchen und Sagen in Bilder um. Schon als 18jähriger illustrierte er Ritter- und Heldensagen sowie die Märchen aus 1001 Nacht. Für manche Märchengestalten, wie z. B. den Rübezahl, hat er überhaupt erst eine Vorstellung geschaffen, in der sie bis heute ihre volkstümliche Geltung besitzt. Durch Verbindung mit Peter Cornelius erhält er einen Freskenauftrag im Tieck- Saal der Münchner Residenz, 1847 erhält er eine Professur an der Münchner Akademie.

Die romantische Malerei und Literatur in Italien oder in Frankreich beeinflusste jedoch die Werke einiger Mitglieder der „Macchiaioli“. Der wichtigste Vertreter der italienischen Romantik war Alessandro Manzoni (1785–1873). Ebenfalls zur Romantik gezählt wird der Lyriker Giacomo Leopardi (1798–1837). Seine an die Antike angelehnten, formstrengen Gedichte sind von einer tiefen melancholischen Grundstimmung durchzogen. In Gegensatz zur Romantik Manzonis stand Giosuè Carducci (1835–1907), er orientierte sich an klassischen Stoffen und Formen. Carducci erhielt als erster Italiener 1906 den Nobelpreis für Literatur. Ein weiterer wichtiger Vertreter der Lyrik war Giovanni Pascoli (1855–1912). Der Sizilianer Giovanni Verga (1840–1922) begann mit dem Zeitgeschmack entgegenkommenden Romanen, die von exzentrischen Protagonisten bevölkert waren, und wandte sich erst dann zum Verismus (verismo). Dieser fordert eine einfache, wahre Sprache und Thematik.

Während des Risorgemento entwickelte eine Reihe von Künstlern, die hauptsächlich aus der Toskana stammten, eine besondere Technik der Malerei. Der Name dieser Künstlergruppe „Macchiaioli“ leitet sich vom italienischen Wort „macchia (Fleck) her. Als Erneuerer der Malerei stellten sie sich gegen die strenge akademische Auffassung von der Kunst und wandten sich von den traditionellen allegorischen oder historischen Themen ab, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so beliebt bei den Trägern der Kunst waren. Sie konzentrierten sich bei ihrer Suche nach Motiven auf die Natur und die einfache Bevölkerung. Sorgfältig beobachteten sie das Spiel von Licht und Schatten auf realen Objekten und malten mit tragbarer Staffelei und Farbkästen bei gutem Wetter unter freiem Himmel.

Die wichtigsten Vertreter dieser künstlerischen Richtung waren Giovanni Fattori, Silvestro Lega, Telemaco Signori, Rafaello Semesi, Vito d’Ancona, Vincenzo Cabianca und Giovanni Boldoni. Ihr Wirken konzentrierte sich hauptsächlich auf die Jahre zwischen 1860 und 1880. Diese Art der impressionistischen Freilichtmalerei stieß bei der Mehrheit der zeitgenössischen Kunstkritiker auf Unverständnis und Ablehnung und sie wurden von den großen Kunstausstellungen ausgeschlossen. Trotzdem führten die „Macchiaoli“ ihre Studien unter großer Opferbereitschaft weiter.

Jeder der Künstler der Gruppe entwickelte eigene stilistische Charakteristika, obwohl sie alle derselben Stilrichtung angehörten. Gemeinsam ist ihnen die Art, wie sie ihre Bilder aus fleckenartigen Farbflächen mit starken Kontrasten zwischen hellen und dunklen Bereichen aufbauen. Intergrale Bestandteile der Bildkomposition wie Personen, Tiere, Bäume usw. heben sich dadurch stark vom Hintergrund ab. Die Figuren erscheinen schematisiert, die Details der Bilder werden auf das Wesentliche reduziert.

Die bervorzugten Motive der „Macchiaoli“ waren die ländliche Toskana, das einfache Leben der Bauern, alltägliche Straßenszenen und Soldaten. Giovanni Fattori (1825-1908) gilt als Wegbereiter der „Macchiaoli“. In seinen Bildern beschreibt er die raue Schönheit der Toskana, das Leben der Viehhüter und Pferde in freier Wildbahn vor dem Karren, besonders in seinem Werk Römische Pferdekarren aus dem Jahre 1873. Dort bildet die Komposition des Bildes ein langes Rechteck, das bevorzugte Format des Malers. Die Mauer, ein weiteres typisches Element der Kompositionen Fattoris, ist in stark verkürzter Perspektive dargestellt und erscheint sehr lang. Vor diesem hellen Hintergrund heben sich die Karren mit den davor gespannten Pferden deutlich ab. Die hellen und dunklen Silhouetten, die harten Kontraste vermitteln dem Betrachter den Eindruck, es müsse sich um die heißeste Jahreszeit handeln. Der Schatten erscheint im Bild dementsprechend kurz, und auch der Wanderer hat sich in der Mittagshitze zur Rast niedergesetzt. Es handelt sich dabei um ein sehr realistisches Bild mit sozialkritischem Inhalt.

Fattori hat auch das Leben der Soldaten genau beobachtet und vielfach dokumentiert. 1859 erhielt er den Auftrag, einige Episoden aus dem 2. Befreiungskrieg zu malen. Ab diesem Zeitpunkt beschäftigte sich der Künstler immer häufiger mit der Thematik von kriegerischen Auseinandersetzungen und dem Motiv des Soldaten. Im 3. Befreiungskrieg hatte er ausreichend Gelegenheit, Motive und Inhalte für seine Bilder zu sammeln. Der Maler entwarf seine Skizzen vor Ort, die Spannung, die er dabei empfand, kommt in den flackernden Farbflecken und dem vibrierendem Licht zum Ausdruck. In seinem Gemälde Die weiße Mauer schneidet die lange Mauer schräg durch die Komposition und ist aufgrund der reflektierenden Wirkung des Lichts dominierendes Element der Bildgestaltung.

Silvestro Lega (1826-1895) hatte sich die Toskana zur Wahlheimat erkoren. Seine bevorzugten Motive waren Portraits und Menschen in der freien Natur. Er baute seine Formen auf Farbflächen auf und verzichtete dabei auf Konturen. Stattdessen modellieren Farbtonabstufungen und Kontraste die Umrisse der dargestellten Personen. Dies ist besonders in seinem Werk Frau mit rosa Schal aus dem Jahre 1870 zu beobachten. Die Figur der Frau baut Lega aus raschen Pinselstrichen auf, wobei unwesentliche Details vernachlässigt werden. In hellen, sanften Farben wird die Anmut der Frau besonders zum Ausdruck gebracht.

Sein wohl wichtigstes Werk ist Der sterbende Francesco Mazzini sterbende aus dem Jahre 1873. Franscesco Mazzini war ein italienischer Freiheitskämpfer des Risorgimento, der dem Konzept einer nationalen italienischen Republik anhing. Mazzinis politisches Ziel war das Selbstbestimmungsrecht der europäischen Völker und insbesondere die Unabhängigkeit und Einigung der italienischen Staaten, die damals in das spanisch-bourbonische Königreich beider Sizilien, das österreichische Königreich Lombardo-Venetien, den päpstlichen Kirchenstaat und das Königreich Sardinien-Piemont geteilt waren. Mazzini strebte die italienische Einigung in einer Republik an, die er nur durch die revolutionäre Erhebung des Volkes und die Vertreibung der fremden Besatzungsmächte als möglich erachtete.

Am 15. April 1834 schloss Mazzini in Bern mit August Breidenstein und seinem Bruder Friedrich Breidenstein die sog. „Verbrüderungsacte“. Zu den von Mazzini initiierten Verbindungen Junges Italien und Junges Polen kam Breidensteins Junges Deutschland. Unter dem Motto Freiheit – Gleichheit – Humanität entstand der Geheimbund Junges Europa. der anstelle des Europas der Fürsten und Könige ein demokratisches Europa der Völker anstrebte.

In der Revolution von 1848/49 scheiterte Mazzini mit seinen Ideen in Mailand. Wenig später ging er nach Rom, wo sich seit Mitte 1848 die revolutionären Unruhen zugespitzt hatten. Nach der Ermordung des päpstlichen Ministerpräsidenten Pellegrino Rossi durch revolutionäre Rebellen am 15. November 1848 sah sich Papst Pius IX. am 23./24. November zur Flucht aus Rom veranlasst und setzte sich nach Gaeta an der Küste Neapel-Siziliens ab. Am 9. Februar 1849 rief Mazzini die Republik im Kirchenstaat aus und war an führender Stelle als einer der Triumviren 1849 zusammen mit Carlo Armellini und dem Freimaurer Aurelio Saffi an der kurzlebigen Römischen Republik beteiligt. Nach deren gewaltsamen Niederschlagung durch französisches Militär am 3. Juli 1849 ging er erneut nach London. Er befasste sich im Exil mit der Theorie der Befreiung und Einigung anderer europäischer Staaten und gründete mit Kossuth, Ledru-Rollin und Ruge den Comitato europeo, der die Errichtung einer europäischen Republik zum Ziel hatte.

Zu Beginn des Sardinischen Krieges im Mai 1859 stellte Mazzini sich gegen das Bündnis Sardiniens mit Frankreich, weil König Viktor Emanuel II. Frankreich für seine Unterstützung die Abtretung Savoyens und Nizzas zugesagt hatte. Mazzini unterstützte im Mai 1860 Giuseppe Garibaldis Expedition zur Befreiung Siziliens mit dem sogenannten „Zug der Tausend“ und legte ihm nahe, auch Rom und Venedig zu befreien.

Die vom Ministerpräsidenten Sardinien-Piemonts Camillo Cavour geführte Einigung Italiens nach 1859, die sich auf die Zusammenarbeit des piemontesischen Königshauses, die Nationalbewegung und das Bündnis mit Frankreich stützte, lehnte er jedoch ab. Er wollte die nationale Frage auf demokratischem Wege von unten lösen.

Im September 1860 rückten piemontesische Truppen in den Provinzen des Kirchenstaats ein. Bei Castelfidardo in der Nähe von Ancona unterlag die päpstliche Armee; der unter französischem Schutz stehende restliche Kirchenstaat mit Latium und seiner Hauptstadt Rom blieb unangetastet. Nach diesem Sieg stießen die unter dem Befehl von König Viktor Emanuel II. stehenden piemontesischen Truppen weiter nach Süden vor, bis sie sich mit der Freischärlerarmee Garibaldis vereinigten.

Garibaldi trat von seinem Machtanspruch zurück, nachdem sich die Bevölkerung beider Sizilien, wie schon diejenige Norditaliens im März desselben Jahres, bei einem Plebiszit am 21. Oktober 1860 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatte. Am 26. Oktober 1860 fand in Teano bei Neapel das legendäre Treffen zwischen Viktor Emanuel II. und Garibaldi statt, bei dem letzterer den piemontesischen Monarchen als „König von Italien“ begrüßte. Im März 1861 wurde schließlich in Turin die neue italienische Monarchie unter König Viktor Emanuel ausgerufen. Camillo Benso Graf von Cavour wurde erster Ministerpräsident Italiens, als der er bis zu seinem Tod am 6. Juni 1861 noch knapp drei Monate im Amt blieb. Vorläufiger Regierungssitz wurde die bisherige sardinisch-piemontesische Hauptstadt Turin. 1864 wechselte dieser Status nach Florenz, der Hauptstadt der Toskana.

Das neue Italien wurde letztlich „von oben“ durchgesetzt, auch wenn die vorhergehenden Revolutionen vom Volk getragen worden waren. Die Hoffnungen der Republikaner auf eine verfassunggebende Nationalversammlung erfüllten sich nicht. Schrittweise wurde die sardinisch-piemontesische Verfassung von 1848 auf Italien übertragen, mit der eine konstitutionelle Monarchie festgelegt wurde. Die politische Repräsentation war wegen eines hohen Zensuswahlrechts mit nur 1,9 % wahlberechtigter Bevölkerung auf eine kleine konservativ-liberale Oberschicht beschränkt. Das Wahlrecht wurde später zwar ausgeweitet, blieb aber dennoch nur einer Minderheit vorbehalten. Es sollte bis 1912 dauern, bis ein nahezu allgemeines Wahlrecht in Italien eingeführt wurde. Die fortschrittlichen liberalen Parlamentarier Marco Minghetti und Luigi Carlo Farini scheiterten mit ihrem Plan, autonome Regionen zur Basis des neuen Italien zu machen. Unter Bettino Ricasoli, dem Nachfolger Cavours, erhielt Italien eine zentralistische Verwaltung und wurde ähnlich wie Frankreich in Provinzen gegliedert.

Die europäischen Großmächte Frankreich, Preußen (Friedrich Wilhelm IV.) und Großbritannien (Victoria) erkannten den neuen Staat Italien an. Protest gegen die diplomatische Anerkennung kam von Österreich und dem Kirchenstaat, die zu Recht weitere Ansprüche Italiens auf ihre Hoheitsgebiete bzw. Teile davon befürchteten. Vorerst noch nicht zu Italien gehörten Venetien im Nordosten, das weiterhin unter der habsburgischen Herrschaft Österreichs stand (bis 1866), sowie der Restkirchenstaat mit Rom, in dem (bis 1870) französische Schutztruppen stationiert waren.

1870 kehrte Mazzini nach Pisa zurück. Obwohl, bezogen auf seine politischen (demokratischen) Ziele, in seiner Zeit am Ende erfolglos, trugen Mazzinis Ideen und Aktivitäten, mit denen er relativ große Teile des Kleinbürgertums, der Handwerker und Arbeiter als revolutionäre Kraft mobilisieren konnte, wesentlich zur Einigung der italienischen Nation bei.

Telemaco Signorini nahm am Zweiten Unabhängigkeitskrieg von Giuseppe Garibaldi 1859 teil und malte dabei fünf Schlachtengemälder, die ihm Aufmerksamkeit verschafften. 1861 war er das erste Mal in Paris, wo er Jean-Baptiste Camille Corot kennenlernte und sich für die Bilder von Gustave Courbet begeisterte. 1862 gründete er in einem Vorort von Florenz die Schule von Pergentina. Auf späteren Besuchen in Paris (1868, 1872) befreundete er sich mit Edgar Degas, der besonders sein Bild der Geisteskranken in San Bonifazio bewunderte. Er wurde ein führendes Mitglied der Macchiaioli und auch literarisch deren Sprachrohr neben Adriano Cecioni und dem Kunstkritiker Diego Martelli. Signorini stellte regelmäßig nicht nur in Florenz, sondern auch in Turin, Neapel, Wien, Venedig und anderen Orten aus. 1881 reiste er nach Großbritannien und Schottland zum Malen (ebenso 1883/84 und 1878). Er reiste auch viel in Italien und der Schweiz. 1883 erhielt er ein Angebot, Professor an der Florentiner Akademie zu werden, was er ablehnte. Er lehrte aber ab 1892 am Instituto Superiore di Belle Arti in Florenz.

Giovanni Boldoni machte sich vor allem als Portraitmaler einen Namen. Er studierte sechs Jahre (1862–1868) an der Florentiner Akademie und entwickelte nach seinem Studium einen Hang zur Freilichtmalerei. Auf den Pfaden der Freilichtmaler und Impressionisten immer fortschrittlich gehend, bildete er sich seine nervöse, skizzenhafte, sprühende Technik, die er auch dem Genre und der Landschaft, später immer mehr der Porträtmalerei dienstbar machte, zu der ihn sein scharfer Blick für das Individuelle eines Gesichts oder einer Figur besonders befähigte. Nach einem längeren Aufenthalt in London – ließ Boldini sich im Jahre 1872 in Paris nieder. Innerhalb kürzester Zeit machte er Bekanntschaft mit den bekannten Künstlern der Stadt, unter anderem James McNeill Whistler, John Singer Sargent, Robert de Montesquiou, Philip Alexius de László und Paul César Helleu. Mit Edgar Degas verband ihn bald eine enge Freundschaft. Boldini etablierte sich in den 1880er Jahren als erfolgreicher Maler der Boulevard-Porträts der Reichen und Schönen. Auf der Exposition Universelle (1889) übernahm Giovanni Boldini die kommissarische Leitung der italienischen Sektion der Ausstellung und wurde ein Jahr darauf zum Offizier de la Légion d'Honneur erhoben. 1895 erhielt er auf der Großen Berliner Kunstausstellung eine kleine Goldmedaille.

Das Jahr 1848 als Anfang des Bürgerlich Realismus festzulegen, lässt sich mit dem Beginn weitreichender sozio-ökonomischen Veränderung eben in diesem Jahr begründen. Die Pariser Februarrevolution weckte die revolutionäre Begeisterung im deutschen Bürgertum, welches sich auch tätlich zusammen mit der Unterschicht gegen die Einschränkung politischer Grundrechte und einer einheitlichen Nationalstaatlichkeit einzusetzen versuchte. Zwar scheiterten die Bewegungen zunächst, es konnte sich unter diesen Umständen aber auch eine völlig neue Art der politischen Öffentlichkeit formieren.

Dem bürgerlichen Mittelstand muss eine enorme Gewichtung im Hinblick auf seine wirtschaftliche und auch soziale Stärke im 19. Jahrhundert schließlich und endlich zugestanden werden. Durch die mit dem Wirtschaftswachstum einhergehenden Landflucht stieg der Anteil der Angestellten und Beamten, sowohl in staatlichen als auch nicht nichtstaatlichen Bereichen enorm an. Der Begriff des Bürgers gehört inzwischen stärker aufgefächert: so zählen eben nicht nur eben genannte, sondern auch gehobene Handwerker oder sonst wie Selbstständige zu jener Bevölkerungsgruppe. Der wirtschaftliche Aufschwung ist bezeichnend für die Zeit zwischen 1850 und 1873 – wir befinden uns mitten in der Industriellen Revolution.Als wesentlich für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kann zudem die ständig zunehmende Mobilität, sowohl im räumlichen als auch sozialen Sinne, gelten. Die Droschke wird von der Eisenbahn abgelöst, die Schifffahrt erfährt Fortschritte durch die Dampfturbine – Europa wird für den Einzelnen erschließbarer.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Literaturlandschaft in Deutschland geprägt von der Vormärzliteratur. In der Folge der Märzrevolution von 1848 wurden die verschiedenen literarischen Bewegungen jener Zeit einem Wandel unterworfen. Die Revolution führte zum Rücktritt des Staatskanzlers Metternich, der Ausarbeitung einer deutschen Verfassung und der Lockerung der Zensur und des Spitzelwesens. Letztlich erwies sich die Revolution jedoch als ein „Sturm im Wasserglas“, da die Forderungen des liberalen Bürgertums, das die Revolution hauptsächlich trug, nur ansatzweise erfüllt wurden. Die Ideen von staatlicher Einheit und politischer Freiheit blieben unerfüllt.

Der Wandel von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu einer nüchternen Betrachtung der Gegenwart lässt sich auch im frühen Marxismus erkennen. Marx war als Schüler Hegels vom deutschen Idealismus beeinflusst. Von dort kommt seine Vorstellung eines zielgerichteten Verlaufs der Geschichte. Gleichzeitig war er Materialist und wollte nur die ökonomische Entwicklung als Grundlage der Geschichte anerkennen.

Zeitgenössische Theoretiker des Realismus gruppierten sich um Zeitschriften und veröffentlichten ihre Ansichten über die momentane Situation in der Literatur. Die Meinungsführerschaft in den 50er Jahren lag bei den „Grenzboten“ und dort vor allem bei Julian Schmidt. Er entwickelte mit seinen Kollegen die Programmatik der neuen Literatur. Dabei spielen die Begriffe „Realidealismus“, „Poetischer Realismus“ und „Bürgerlicher Realismus“ eine entscheidende Rolle, denn der Realismusbegriff war durch die ästhetische Tradition zu belastet, als dass er in unproblematischer Weise das Selbstverständnis einer Literaturbewegung hätte kennzeichnen können. Theodor Fontane weist als einer der Hauptvertreter des Realismus „das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten“ ab. Er definiert den Realismus als „die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst“. Wichtige literarische Formen im Realismus sind die Dorfgeschichten, das Dinggedicht, der Gesellschaftsroman, der historische Roman und der Entwicklungsroman. Eine besondere Rolle spielte der Roman an sich.

Zu Beginn lehnte sich der Realismus an die Philosophie von Ludwig Feuerbach an, dessen Religionskritik nicht in einen resignativen Nihilismus mündete, sondern stattdessen die Hinwendung zur Diesseitigkeit propagierte. Der Mensch solle das Göttliche in sich erkennen und in diesem Sinne sein Leben leben und gleichzeitig für andere Menschen tätig sein (Homo homini deus est „Der Mensch ist dem Menschen ein Gott“). Der technische Fortschritt durch die Industrielle Revolution und der daraus entstehende Fortschrittsglaube verstärkten diese optimistische Haltung. Spätere Vertreter des Realismus waren hingegen von einem starken Pessimismus beeinflusst. Die sich infolge der Industrialisierung verschärfenden sozialen Probleme erschütterten das Vertrauen in den technischen Fortschritt nachhaltig. Die Erkenntnisse bedeutender Naturwissenschaftler wie Charles Darwin verschafften der Geisteshaltung des Determinismus Zulauf. Das menschliche Individuum sei ein Produkt der Evolution und seine Handlungen würden von physiologischen Prozessen in seinem Körper bestimmt. Die besondere Tragik dieser sinnlosen Existenz bestehe darin, dass der Mensch diesem Fatalismus ausgeliefert sei und sich ihm stellen müsse, wohl wissend, dass er den Kampf im Moment seines Todes letztlich verlieren werde. Diese Art der Betrachtung negiert jegliche Transzendenz im menschlichen Leben.

Der Grundgedanke des Realismus ist die Reflektion der Wirklichkeit durch Kunst und Literatur. Das heißt, der Realismus gibt die Welt nicht nach einem Idealbild wieder, sondern wie sie tatsächlich ist. Der Realismus lässt sich in ,,Poetischen Realismus“ und ,,Bürgerlichen Realismus“ aufteilen. Poetischer Realismus bedeutet Konflikte in der Wirklichkeit lyrisch zu entschärfen. Bei dem bürgerlichen Realismus wird häufig der Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft thematisiert. Dies soll keine Kritik an der Gesellschaft bzw. am Milieu sein, sondern eine Ästhetisierung und damit eine Verklärung. Es ist die Abgrenzung von der Idealistischen Epoche (insbesondere von der Romantik).

Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Literatur vom Vormärz geprägt und dem damit verbunden politisch-historischen Maßstab. Die folgenden Erscheinungen wurden unter dem Blickwinkel ihres Zusteuerns auf die Märzrevolution im Jahre 1848 gesehen. 1850 folgte das ,,Junge Deutschland“, welches sich aus Gruppierungen von Autoren im poetischen und bürgerlichen Realismus zusammensetzte. Dem Menschen steht im Realismus, sein persönliches Schicksal und seine individuelle Eigenart im Hinblick auf die soziale Umgebung im Vordergrund. Die Kraft des Materiellen war in dieser Zeit sehr hoch. Zugleich entsteht die Fragwürdigkeit, ob eine Welt in der die bloße Materie zählt (Nihilismus) wirklich erstrebenswert sei. Im Zuge der naturwissenschaftlich-technischen Orientierung und bedeutenden Erfindungen setzt sich ein Glaube an die Wissenschaft durch.

Ausgehend von der französischen Februarrevolution, bildete die bürgerliche Revolution im März 1848 das große Ereignis der Jahrhundertmitte, mit dem die Forderungen nach bürgerlichen Freiheiten, einer geschriebene Verfassung und der Einrichtung eines gesamtdeutschen Parlaments verbunden waren. Am 18. Mai trat in der Frankfurter Paulskirche eine frei gewählte Nationalversammlung zusammen. Deren Arbeit wurde aber durch die Spaltung zwischen Liberalen, die nur eine politische Veränderung anstrebten, und Republikanern, die sich auch für eine Änderung der sozialen Verhältnisse einsetzten, erschwert. Als schließlich im März 1849 eine neue Verfassung verkündet wurde, lehnte der preußische König Friedrich Wilhelm IV die von der Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone als gesamtdeutsches Staatsoberhaupt ab. Damit waren die Bestrebungen, einen einheitlichen Nationalstaat zu schaffen, gescheitert. Die Fürsten übernahmen als Landesherren wieder die gewohnte Macht. Viele enttäuschte Bürger zogen sich aus der Politik zurück und wandten sich ihrem Privatleben zu. Erst nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) gegen den "Erbfeind" Frankreich kam es am 18.01.1871 im Spiegelsaal von Versailles unter dem Jubel der deutschen Bevölkerung zur Gründung des "Deutschen Kaiserreichs". Damit war im Herzen Europas eine neue Großmacht entstanden, die durch ihre militärische Stärke und ihre Hinwendung zu Nationalismus und Imperialismus das europäische Gleichgewicht zu erschüttern drohte.

Etwa seit Ende der napoleonischen Befreiungskriege und der folgenden Zeit der Restauration entwickelte sich die Kunst des Biedermeier. Die teils spießbürgerlich wirkende Malerei knüpfte an romantische Ideale an, umfasste nunmehr aber auch die begrenzte Welt des Alltagsmenschen. Diese Genrebilder zeigten primär das häusliche Leben und eine kleinbürgerliche Idylle. Das Thema der Arbeit wurde bis auf wenige Ausnahmen weiterhin gemieden. Lediglich landwirtschaftliche Darstellungen, innerhalb einer verklärten Bauernmalerei, streiften diese Thematik. Hier wurde eine bäuerliche Atmosphäre hergestellt, in der die Familie, als Indikator für eine harmonische Häuslichkeit, eine besondere Stellung einnahm. Das Milieu des Bauerntums ist in diesen Bildern zwar präsent, die damit verbundene Arbeit wird bis auf wenige Ausnahmen nicht thematisiert. Den klassisch-historisch inspirierten Werken als auch den romantischen Bildern sowie der Genremalerei des Biedermeiers war jedoch trotz der Unterschiede gemein, dass sie nur selten die Wirklichkeit wiedergaben. Der Idealismus herrschte als grundsätzliches Bindeglied vor und ist somit charakteristisch für diese Zeit. Es ist nicht verwunderlich, dass sich allmählich zu diesem Idealismus eine Gegenbewegung bildete - in Anbetracht der vergangenen Epochen, die in der Regel als Reaktionen auf vorherige Stilperioden auftraten, erscheint es evident, dass sich ebenso eine Erwiderung zum Idealismus finden musste.

Als Ausgangspunkt für das Schaffen der Realisten muss ein genau bestimmtes Geschichts-und Wirklichkeitsbild betrachtet werden. Danach ist jede Kunst realistisch, ,,die zunächst darauf ausgeht, die Dinge in ihrer wesenhaften Realität zu geben, Welt und Menschen, Natur und Leben so darzustellen, wie sie sich ihrem Wesen und ihrer Idee, ihrer Seele und ihren Charakter nach offenbaren,..." (Sigisbert Meier: Der Realismus als Prinzip der schönen Künste, S.9) Der Realismus mit seiner objektiven Darstellung des Zeitgenössischen ist ferner gekennzeichnet durch Gottferne (Atheismus), Entfremdung und Zusammenhangslosigkeit, die sich in allegorischer, satirischer oder grotesker Darstellungsweise widerspiegeln. In der realistischen Literatur geht es nicht um Versöhnung oder Einheit, sondern vielmehr um deren Versagen und um den endgültigen Verlust von Gott, Idee oder Sinn, an deren Stelle das Nichts getreten ist. Für den Realisten ist der Mensch deshalb ein Narr, der verloren ist in der bösen Welt; das Leben bedeutet ständig neue Desorientierung. Der Realismus ist didaktisch, lehrhaft und reformierend und will die historische Wirklichkeit sittlich und ästhetisch interpretieren bzw. künstlerisch bewältigen.

Mit dem Realismus war keine neue Epoche entstanden, vielmehr wurde die Aufmerksamkeit für eine Wirklichkeitsanschauung gesucht, was bedeutet, dass dieser Kunststil „weder rein inhaltlich, noch rein formal zu fassen“ ist.[44] Die Intentionen eines realistischen Werks ist nicht immer eindeutig zu ermitteln. Einerseits kann die Wirklichkeitsdarstellung lediglich deskriptiv ohne politischen Hintergedanken sein. Andererseits können realistische Bilder gesellschaftskritische und sozialistische Intentionen in sich vereinen, indem sie durch die Veranschaulichung von gesellschaftlichen Missständen oder den Hinweis auf problematische Lebensbedingungen soziale Ungerechtigkeiten anprangern. Dadurch kann bei dem Betrachter Mitgefühl evoziert, aber auch gleichzeitig bewusst Anklage erhoben werden. Diese Vielfalt der Intentionen führte damals und auch noch heute oftmals zu Missverständnissen bei der Einordnung der Künstler.

In Frankreich boten die Romane der 1830er und 1840er Jahre von Stendhal (1783–1843) und Honoré de Balzac (1799–1850) zwar realistische Schauplätze, Handlungen und Charakterisierungen, standen aber noch unter der romantischen Perspektive einsamer Helden, großer Handlungen und tieferer Symbolik. Der eigentliche Durchbruch zum Realismus gelang Gustave Flaubert (1821–1880) mit seinem Roman Madame Bovary (1857), der Alltagsgeschichte der Desillusionierung einer an romantischen Idealen orientierten Ehefrau in der Provinz, die im Ehebruch und Selbstmord endet. Flaubert schrieb in einem Brief 1852: „In mir stecken buchstäblich zwei Menschen: der eine liebt Großmäuligkeit, Lyrisches, die großen Adlerflüge wohlklingender Sätze; der andere wühlt und gräbt nach dem Wahren, so gut er kann, will das kleine Faktum ebenso gewaltig wie das große zeigen, möchte den Lesenden die wiedergegebenen Dinge beinahe materiell spüren lassen“.

Die Prinzipien von Flauberts Realismus sind: umfassende dokumentarische Vorarbeiten, Zurücktreten des Autors (sog. impassibilité) hinter die Fakten und Geschehnisse (die aber so ausgewählt, angeordnet und behandelt sind, dass gleichwohl des Autors meist pessimistische Sicht erkennbar bleibt), strenger Kult der Sprachform (Gegengewicht zur langweiligen Mittelmäßigkeit des Alltagslebens).

Ab 1860 entstand als Steigerung des Realismus der Naturalismus, dessen wichtigster Vertreter Émile Zola (1840–1902) wurde, der neben seinen Rougon-Macquart-Romanen (1871–1893), einer zwanzigbändigen Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich (d. h. Frankreich unter Louis Napoleon 1852–1870) auch Literaturtheoretisches schrieb. „Unser Held ist nicht der reine Geist, der abstrakte Mensch des 18. Jahrhunderts, sondern er ist das physiologische Objekt unserer jetzigen Wissenschaft, ein Wesen, das aus Organen zusammengesetzt ist und das von einem Milieu zeugt, von dem es jeden Moment durchdrungen wird. (…) Alle seine Sinne wirken auf seine Seele ein; in jeder ihrer Bewegungen wird diese vorangetrieben oder zurückgehalten durch das Sehen, das Riechen, Hören, den Geschmack, den Tastsinn. Die Vorstellung einer unabhängigen Seele, die ganz im Leeren funktioniert, ist falsch - das ist die psychologische Mechanik, und nicht mehr das Leben. (1881) Der Naturalismus in der Literatur ist (…) die Rückkehr zur Natur des Menschen, die direkte Beobachtung, die genaue Anatomie, die Feststellung und Wiedergabe dessen, was ist.“ (1882).

Freund und Schüler Zolas war Guy de Maupassant (1850–1893), der vor allem Novellen schrieb. Er beschränkte sich auf das selektive Konzept einer ausgewählten und (dadurch) expressiven Wahrheit: „Der Realist, wenn er ein (guter) Handwerker ist, versucht nicht, uns die banale Photographie des Lebens zu geben, sondern uns eine Vision zu liefern, die vollständiger, ergreifender, beweiskräftiger als die Wirklichkeit selbst ist.“ Die theoretische Begründung dieses Naturalismus lieferte der Literaturhistoriker Hippolyte Taine (1823–1893, nach und mit Auguste Comte Vertreter des sog. Positivismus, der nur erfahrungsmässig-wissenschaftliche Tatsachen, nichts Übersinnliches oder Spekulatives anerkennt). Er erklärte das literarische Schaffen aus den es bestimmenden (daher der Name Determinismus) Faktoren Ethnie (Volk; angeborene psychische Veranlagung), Milieu (geographisch-soziale Umgebung) und Zeit (historische Situation, Augenblick der Niederschrift).

Auguste Comtes Versuch, den Positivismus zur wissenschaftlich fundierten Weltkultur auszubauen, wurde eines der großen utopistischen Projekte des 19. Jahrhunderts. Comte entwarf ein Geschichtsmodell, nach dem sich die von ihm vertretene Philosophie mit historischer Notwendigkeit durchsetzen musste. Die Menschheitsentwicklung durchschritt historisch notwendige Entwicklungsstadien von den ersten religiösen Kulten über den Monotheismus zu einer von den Wissenschaften bestimmten Kultur („Dreistadientheorie / théorie des trois états“: theologische, metaphysische und positive Epoche). Der Motor der historischen Entwicklung war nicht ein Klassenkonflikt, der in eine Weltrevolution mündete, und in der die Arbeiterklasse die Herrschaft übernahm, sondern die schlichte Ausbreitung der zukünftigen Gesellschaft mit dem wissenschaftlichen Fortschritt. Die Menschheit selbst geriet in diesem Prozess in das Zentrum des Interesses.

Die Soziologie würde –als von Comte begründete Wissenschaft – alles Handeln bestimmen, und das menschliche Zusammenleben zum größten Nutzen der Menschheit organisieren. Daher bezeichnete er sie auch als die „Königin der Wissenschaften“. Mitgefühl und Altruismus, Achtung vor menschlichen Leistungen würden im Zentrum des Zusammenlebens in der zukünftigen Gesellschaft stehen.

Mit dem Aufbau der Religion des Positivismus sollte der historischen Entwicklung zum Durchbruch verholfen werden. Deren Organisation und die Dogmatik orientierte sich am Aufbau des Katholizismus. Die Huldigung der Menschheit in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft wurde zu einem Kultus ausgestattet, dem eine eigene Priesterschaft zum Durchbruch verhelfen sollte. Die Unsterblichkeit wurde als „Unsterblichkeit im Gedächtnis der Menschheit“ sozialisiert. Der positivistische Kalender trug dem wiederum Rechnung durch sein dreizehnmonatiges Jahr, das symbolisch die Weltgeschichte durchmisst. Die einzelnen 28-tägigen Monate nehmen die jüdische und die christliche Tradition auf, wie die Wissenschaftsgeschichte und die politischen Traditionen Europas. Monatsrepräsentanten sind unter anderem Moses, Archimedes und Friedrich II. von Preußen. Die einzelnen Tage sind, einem Heiligenkalender gleich, den „größten Individuen gewidmet, die zum Fortschritt der Menschheit beitrugen“. Die übergreifende These, dass die Welt sich über die Religion und den Aufbau von Staaten, und Wissenschaften in die Zukunft entwickelte, erlaubte die Würdigung und die Integration der überwundenen religiösen und staatlichen Organisationsformen.

Positivistische Gesellschaften wurden gegründet. Sonntägliche Treffen mit Zeremonien standen auf dem Programm, und erweckten Misstrauen und Spott. Die Bewegung zeichnete sich durch den Ordnungsfanatismus und die Detailversessenheit ihres Gründers aus, ebenso wie durch eine prekäre Annäherung an genau das System, das sie ersetzen sollte, und durch möglichst lückenlose Übernahme von Organisationsformen und Techniken ersetzen wollte: Die katholische Religion, die gerade im naturwissenschaftsfreundlichen angelsächsischen Sprachraum nicht als Traditionsangebot in Frage kam. Eine spezielle Verehrung der Frau prägte den Positivismus. Für Comte, der seinen persönlichen Leidensweg am Ende in der Verehrung einer Frau fand, war die Frau „das emotional höher entwickelte Wesen“, das durch die ausgeprägtere Fähigkeit zum Mitgefühl prädestiniert war, die Kernaufgabe in der Familie wahrzunehmen.

Nach einem Staatsstreich wurde Louis Napoleon, ein Neffe Bonapartes, 1852 als Napoleon III. zum Kaiser in Frankreich ausgerufen. Während des von ihm eingeleiteten Zweiten Kaiserreichs blieben an der Kunstakademie alte Traditionen vorherrschend. Die künstlerischen Vorgaben von Akademie und Salon erstreckten sich sowohl auf die Bildthemen als auch die jeweils passende Technik. Historienbilder galten dort als hohe Kunst, als adäquate Malweise der neoklassizistische Stil Davids und Ingres‘.

Doch es existierten auch Gegenbewegungen zur offiziellen konservativen Salonkunst, die vor allem der Repräsentation des Staates diente. Im kleinen Ort Barbizon, südlich von Paris am Rande des Waldes von Fontainebleau gelegen, fand ab den 1830er Jahren ein Kreis von Malern zusammen, der andere Motive und Darstellungsweisen als die althergebrachten favorisierte. Zur Schule von Barbizon, wie dieses Malerkollektiv bald genannt wurde, gehörten Künstler wie Jean-Baptiste Camille Corot und Jean-Francois Millet. Weit entfernt von der industrialisierten Großstadt Paris rückten die Maler dort das Studium der Natur in das Zentrum ihres Schaffens. Die Künstler in Barbizon malten nicht nur Wälder und Felder, sie zogen auch oft in die Natur, um dort im Freien zu malen. Die Landschaftsmalerei erlebte in dieser Zeit einen Aufschwung.

Inmitten einer Zeit folgenreicher gesellschaftlicher Umwälzungen wurde Jean Baptiste Camille Corot am 17. Juli 1796 in Paris geboren. Schon während der Schulzeit nutzte er jede frei Minute für seine eigentliche Leidenschaft, das Malen und Zeichnen, entschied sich jedoch erst im Alter von sechsundzwanzig Jahren zu einem Leben für die Kunst. Eine von den Eltern gewährte Jahresrente von eintausendfünfhundert Francs gab ihm die finanzielle Sicherheit dazu und bewahrte ihn vor einem Existenzkampf, wie er zahlreichen seiner Künstlerkollegen auferlegt war.

Sein erster Lehrer, der gleichaltrige, hochbegabte Achille Etna Michallon (1796-1822), hatte 1817 als erster den Rom-Preis der Académie des Beaux-Arts für das Landschaftsfach errungen. Nach Michallons frühem Tod setzte Corot seine Studien bei Jean-Victor Bertin fort, der gleich Michallon ein Vertreter der klassischen französischen Landschaftsschule in der Nachfolge von Nicolas Poussin war. Diese folgte bekanntlich dem Grundprinzip, ausgewählte Partien realer Landschaft, deren Darstellung ein intensives Naturstudium voraussetzte, zu einer Ideallandschaft zu komponieren, die dann den Schauplatz für mythologische oder religiöse Szenen abgeben konnte. Corot unterbrach sein Studium häufig, unternahm ausgedehnte Streifzüge in die Natur, suchte in der Umgebung von Paris und Rouen, im Wald von Fontainebleau und im lieblichen Ville d’Avray, wo die Familie ein Landhaus besaß, nach Motiven. Früh wurde seine deutliche Neigung zur Landschaftsmalerei offenbar. Über seine Studienzeit urteilte er ganz lapidar: „Zuerst war ich Schüler von Michallon. Nachdem ich ihn verloren hatte, trat ich ins Atelier von Victor Bertin ein. Dann warf ich mich ganz allein auf die Natur, und das ist alles.“

Corot, von Herkunft und Denken weit mehr ein Mann der Tradition als der Neuerung, hielt es zunächst auch auf seinem Ausbildungsweg mit den tradierten Gepflogenheiten; seit Dürer war die Studienreise nach Italien mehr und mehr zum festen Bestandteil künstlerischer Ausbildung geworden. So reiste auch Corot im Herbst 1825 aus Paris ab und traf im Dezember in Rom ein. Dort, wo seit 1666 als Niederlassung der Académie des Beaux Arts die Académie de France à Rome als Lehrstätte und Hort der offiziellen französischen Kunst bestand, begegnete er vor allem Landschaftern der neoklassizistischen Richtung, wie Guillaume Bodinier oder Francois Edouard Bertin. Anders, als viele Berufsgenossen vor ihm, zog es Corot nicht zu den Meisterwerken antiker oder klassischer Kunst. Er fand während der drei Jahre (1825-28) seines Rom-Aufenthalts nicht einmal den Weg in die Sixtina vor Michelangelos gigantische Fresken. Er sah sie erst während seines dritten Italien-Aufenthalts 1843. Ihm bot die Landschaft alles, was er zum Malen nötig hatte: das unmittelbare Naturerlebnis mit seiner unerschöpflichen Vielfalt und Wandelbarkeit im Spiel von Licht, Luft und Farbe. In jenen Jahren in Rom schuf er das Fundament seines Lebenswerks. „So überzeugter Realist ist Corot kaum je wieder gewesen… Manches der allerersten Zeit grenzt an das Topographische“

Mit nahezu vedutenhafter Detailtreue erschießt sich sein Blick auf das Forum Romanum (1826, Paris, Louvre) dem Betrachter. Diese für sein Frühwerk so charakteristische Art des genauen Aufzeichnens (in einer Tagebuchnotiz gegen Ende seines ersten Rom-Aufenthalts formulierte er sein Credo: „Il ne faut laisser d’indécision dans aucun chose…“) soll bei den klassisch geschulten und technisch versierten Stipendiaten der Académie de France spöttische Heiterkeit ausgelöst haben. Im Café Greco, Roms Künstlertreff, witzelte man über seinen Fleiß. Hingegen erkannte Théodore Caruelle d’Aligny (1798-1871), ein früherer Atelierkamerad aus der Zeit bei Bertin, Corots Talent; nun wurde der Jüngere dem Älteren zum Mentor. Gemeinsam arbeiteten sie dort, wo auch die deutschen, englischen und dänischen Malerkollegen bevorzugt ihre Studien trieben, in der römischen Campagna, in Olevano, La Cervara, Subiaco, Civita Castellana. „So unzählig sind die Motive in der Umgegend Roms und verblüffend mannigfach… es war, als suchte er möglichst viele Formen in sich aufzunehmen, um daraus nachher eine Einheit zu bilden. Tatsächlich hat er aus mancher Landschaft der ersten römischen Zeit ein viertel Jahrhundert später die Szene zauberischer Feste geschaffen“ , zum Beispiel aus jener Parklandschaft mit Kolosseum im Hintergrund, sein im Salon von 1851 so erfolgreiches Gemälde Morgenfrühe. Tanz der Nymphen, mit dem er einen Bildtypus schuf, der ganze Fälscherwerkstätten in Frankreich und Südrussland angesichts einer überaus regen Publikumsnachfrage florieren ließ.

„C’est comme un Corot!“ Dieser Ausruf als Ausdruck tiefen Ergriffenseins oder gar Entzückens stammt von Pablo Picasso. Bernhard Geiser beschrieb so beschrieb er die Szene, die ihn hervorgerufen hatte: „… Picasso nahm auf einem schmalen Steinsockel Platz und schaute unverwandt über den Fluss nach der Altstadt. Es lag noch kein Schnee auf den Dächern, aber an den Bäumen und Sträuchern hatte sich Frost angesetzt. Ein dünner Nebel lagerte in geringer Höhe über den hochragenden Häuserzeilen und umwob ganz leicht die Spitze der Kathedrale. Schon versuchten wärmende Sonnenstrahlen den weißen Schleier zu durchdringen und auf einmal standen die flusswärts gelegenen Häuserfronten in einem milden, zauberhaften Licht. Picasso war wie gebannt. „C’est comme un Corot!“, entfuhr es seinem Munde. Nun wusste ich, dass ihm Bern gefiel.“

Corots unbestrittener Rang als Meister der Stimmungs-Landschaft in der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts rührt zweifellos von Bildern dieser Art her, die weniger durch die Wahl eines bestimmten, pittoresken Landschaftsausschnitts, sondern vor allen durch den ganz eigentümlichen atmosphärischen Reiz anrühren, der von ihnen ausgeht. Sie begründeten seine etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts wachsende Beliebtheit. Viele mögen instinktiv Corots eigener Empfehlung zum Umgang mit seinen Bildern gefolgt sein, wenn er sagt: „Um in meine Malerei hineinzukommen, muss man wenigstens Geduld haben zu warten, bis sich der Nebel verzieht. Man kommt nur langsam hinein, aber wenn man einmal drin ist, muss einem wohl sein, denn meine Freunde bleiben alle drin.“ (3)

Der unnachahmlichste und zugleich am meisten imitierte Landschafter des 19. Jahrhunderts in Frankreich (die Zahl der Fälschungen geht in die Tausende!), den George Besson neben Eugène Delacroix, Honore Daumier, Gustave Courbet und anderen zu den Wegbereitern der modernen Kunst zählte, war ein künstlerischer Außenseiter, er stand quer zu allen Richtungen, war „so unabhängig, wie es kaum jemand in seinem Jahrhundert gab, Cézanne inbegriffen.“ Anders als beispielsweise bei Courbet oder Daumier fehlen in Corots Werk durchweg deutliche Zeitbezüge; er scheint, unberührt von den bewegenden historischen Ereignissen und auch von den heftigen Kunstkämpfen seiner Zeit, gestützt durch sein Lebensmotto „Confiance et Conscience“, seinen eigenen Weg gesucht und gefunden zu haben. Für die Entwicklung der Landschaftsmalerei sind Corots empfindungsreiche, wahrheitsgetreue, den Licht- und Farbwerten nachspürenden Naturstudien von bleibender Bedeutung – die Impressionisten verdanken ihm nicht wenig. In seiner Salonkritik von 1845 bemerkte Baudelaire: „A la tête de l’école moderne du paysage se place Monsieur Corot“ und betont zugleich, dass Corots Einfluss in der Landschaftsmalerei der jüngeren Generation sichtbar sei.

Eine der Wirklichkeit verschriebene Auffassung von der landwirtschaftlichen Arbeit ist in den Bildern des Franzosen Jean-François Millets entstanden. Auf dem Pariser Salon von 1848 debütierte er mit seinem ersten Bauernbild, dem Kornschwinger. In drastischer Gegenwehr zu den verklärten Ausführungen der Bauernromantik gab er zu verstehen: „...es soll nur niemand glauben, dass man mich zwingen kann, den Bauerntypus zu idealisieren.“ Millet wusste, wovon er sprach, denn als Sohn eines Bauern kannte er das alltägliche beschwerliche Bauernleben nur allzu gut. Idealisierende, dieses Dasein verklärende Darstellungen wollte er nicht vertreten und sind dementsprechend bei ihm auch nicht anzutreffen. Die gebeugte Haltung und der betont gekrümmte Rücken, die die Arbeit der Menschen mit sich bringt, wirken in seinen Bildern beinah paradigmatisch und durchziehen sein gesamtes Œuvre.

Millet ließ sich in den 1840er Jahren in Barbizon nieder und malte einfach das, was ihn dort umgab. Sein Bild Die Ährenleserinnen zeigte eine alte Sitte: Den Armen war es gestattet, nach der Ernte die auf den Feldern verbliebenen Rest aufzusammeln. Millets traurige Schilderungen des Alltags auf dem Land und die Gegensätze zwischen Arm und Reich stießen in der Fachwelt der Kunst auf viel Kritik. Als Thema für ein Ölbild kamen Bauern nach Meinung der meisten elitären Experten höchstens in der Genremalerei in Frage. Die Darstellung von einfacher Arbeit ins Zentrum eines Gemäldes zu rücken und zudem die einfachen Tätigkeiten der bäuerlichen Bevölkerung, verstieß in Frankreich gegen alle Konventionen.

Dem Bewirtschaften der Felder, insbesondere dem Einholen der Ernte, gestand Millet, gerade nach seinem Umzug nach Barbizon im Jahr 1850, eine spezielle Bedeutung in seinen Bildern zu. Diese Verbindung des arbeitenden Menschen zur Natur wird in der Forschungsliteratur oftmals als eine „heilige Beziehung“ betitelt und gleichzeitig wird versucht, die dem Bild inhärente Religiosität zu ermitteln. Auch noch lange nach Millets Lebzeiten kann den 1857 entstandenen Ährenleserinnen der „Rang eines tief verehrten Heiligenbildes“ abgelesen werden. Im Laufe der Geschichte hat sich dieses Werk zum Arbeitsbild par excellence entwickelt. Die Menschen finden bei ihm besondere Beachtung und werden von Millet durch die Komposition, die Mimik und einer teils heroischen Darstellung überhöht. Exemplarisch sind hier Der Sämann von 1850 als auch der Mann mit der Haue von 1863 zu nennen. In Letzterem hat Millet die Anstrengung der Arbeit, die schon mit Schmerzen verbunden scheint - die Haltung des Mannes ist erstarrt und sein Gesicht verzerrt - wohl am deutlichsten herausgestellt, was zur Folge hatte, dass die öffentliche Kritik vernichtend ausfiel. Dass diese Art der Malerei politische Tendenzen offenbaren und sie ihm den Vorwurf einbringen würde, Sozialist zu sein, war sich Millet durchaus bewusst. An seiner künstlerischen Ausrichtung änderte dieses jedoch nichts. Dem Milletschen Bildtypus folgten, wenn auch in teils abgeschwächter Form einige französische Maler wie Jules Breton, Jules Bastien-Lepage und Léon L’Hermitte.

Paul Delaroche zeigte 1824 zeigte im Salon die Bilder «St Vincent de Paule, Préchant devant La Cour de Louis XIII, pour les Enfans Abandonées» und «Jeanne d'Arc, malade, est interrogée dans sa prison par le cardinal de Winchester», die große Anerkennung fanden und ihn mit einem Schlag bekannt machten. In den folgenden Jahren stellte er La mort d'Elisabeth Ire (Der Tod Elisabeths), Les Enfants d’Édouard (Die Kinder König Eduards), Charles Ier insulté par les soldats de Cromwell (Karl I., von den Soldaten Cromwells verhöhnt), Cromwell au cercueil de Charles Ier d'Angleterre (Cromwell in Betrachtung von Karls I. Leichnam), La mort de Lady Jane Grey (Die Hinrichtung der Jane Grey), L'Assassinat du duc de Guise (Die Ermordung des Herzog von Guise) und weitere großformatige Gemälde aus, die Ereignisse vorwiegend der englischen und französischen Geschichte in dramatischer Überhöhung zeigten, oft emotional aufgeladen durch Blick, Mimik und Gestik der Protagonisten. Seine offenkundige Bevorzugung von Hinrichtungsthemen Hochadliger wurde von Zeitgenossen teilweise auch verspottet.

Im Kontext der damaligen Situation aber, noch stark unter dem Einfluss der traumatischen Ereignisse der Französischen Revolution, der Napoleonischen Kriege und der fortgesetzten Umstürze stehend, verstand sein Publikum die Motive als Sinnbilder der aktuellen politischen Unsicherheit. Ein thematischer Einfluss waren auch die Werke Lord Byrons. 1832 folgte er als mit 35 Jahren jüngstes Mitglied auf den Sitz des verstorbenen Charles Meynier an der Académie des Beaux-Arts. Bald darauf begann er an der École des beaux-arts zu unterrichten. 1837 begann er mit der Arbeit an einem monumentalen Wandgemälde von 27 Meter Länge im Halbrund des Prüfungssaales der École des beaux-arts, in dem auch die Preisverleihungen stattfanden. In der Art von Raffaels Schule von Athen stellte er 75 Maler, Bildhauer und Architekten aller Epochen, die damals als Kanon der bildenden Künste angesehen wurden, gruppenweise in Gespräche vertieft, dar. Dabei zeigte er sie anachronistisch, in der für ihre jeweilige Zeit typischen Kleidung. In der Mitte des Freskos befinden sich Allegorien der Künste und der Kunstepochen. Das Werk beendete Delaroche 1841. 1838 und 1843 unternahm er erneut Reisen nach Italien. 1849 bereiste er Deutschland. Er befand sich in seinen letzten Lebensjahren auf dem Gipfel des Ruhms, 1853 wurde er in einer italienischen Kritik als der bedeutendste der lebenden Maler eingeschätzt.

Paul Delaroches Arbeiten zeigten noch klar den klassizistischen plastischen Ansatz seiner Lehrmeister, aber auch deutliche Einflüsse der Romantik. Sein Pinselstrich ist im Gegensatz zu etwa Delacroix kaum auszumachen, die Konturen sind betont. Delaroche arbeitete sehr akurat, er bereitete seine Arbeiten intensiv vor, zum Beispiel indem er an Wachsmodellen den Schattenwurf überprüfte. Bei der Wahl der Motive ging es nicht unbedingt um die historische Genauigkeit, sondern um geeignete Szenen für die intensive Darstellung der Emotionen. Meist bildete er den Moment unmittelbar vor oder nach einem Ereignis ab. Zum Teil konstruierte er Situationen, wie bei dem Verhör der Jeanne d'Arc durch den Kardinal von Winchester, das es so gar nicht gegeben hatte. Auch die Hinrichtungsszene von Jane Grey im Tower ist ahistorisch, sie fand in Wirklichkeit unter freiem Himmel statt. In seinen letzten Lebensjahren wand er sich zunehmend religiösen Themen und Portraits, auch seiner Familienmitglieder, zu. Zu den von ihm porträtierten Persönlichkeiten gehörten die Politiker und Schriftsteller François Guizot, Alphonse de Lamartine, Charles de Rémusat, Narcisse-Achille de Salvandy und Adolphe Thiers.

Der Maler Thomas Couture gewann Anfang der 1840er Jahre hohes Ansehen, da er die Eleganz der Zeichnung, die der klassischen französischen Schule eigen war, mit einem erhöhten Reiz der Farbe und Schwung der Darstellung zu verbinden wusste; man stand nicht an, ihn als französischen Veronese zu bezeichnen und an sein Auftreten die Hoffnung auf die Entstehung einer großen koloristischen Schule zu knüpfen. Sein Hauptwerk Die Römer der Verfallszeit, das im Salon von 1847 einen Triumph feierte wie kaum je das Werk eines französischen Malers zuvor, wirke ebenso sehr durch die großartige Bravour der Zeichnung wie durch das Kolorit, dessen gedämpfte Glut mit dem Stoff des Bildes harmoniert. Diesem Bild gingen noch einige andere Werke des Meisters voraus, die dieselben Ideen und Vorzüge, wenn auch noch nicht in gleicher Entfaltung, zeigen; so Der junge Venezianer nach einer Orgie, Der verlorene Sohn, Die Liebe zum Gold (gemalt 1844, im Museum von Toulouse) und Der Triumph der Kurtisane.

Sehr bekannt wurde 1855 Der Falkner; doch habe Couture nach seinen Römern der Verfallszeit nichts Bedeutenderes mehr geleistet. Seine Wandmalereien in der Pfarrkirche St-Eustache de Paris, dem Leben der Maria entnommen, seien inhaltlos und manieriert. Dagegen veranlasste seine virtuose Technik einen großen Zulauf von Schülern, auch aus Deutschland, sodass er besonders in den 1850er Jahren ein sehr gefragter Meister war. Zu seinen Schüler gehörten Puvis de Chavannes, William Morris Hunt, Anselm Feuerbach, Édouard Manet, Marcellin Desboutin und der spätere Journalist und Politiker Antonin Proust.

Im Vergleich zu der progressiven Hinwendung zur realistischen Abbildung in Frankreich, kann die Kunstentwicklung in Deutschland gar als reaktionär bezeichnet werden. Hier stellten noch vornehmlich akademisch ausgebildeten Künstler aus und der rigorose Realismus einer solchen Courbetschen Bildsprache schien zunächst noch nicht aufzukommen. Während die Künste zu Beginn des Jahrhunderts noch Gegenstand aristokratischen Interesses waren, wurde der Kunstbetrieb jedoch in dessen Verlauf einem Wandel unterzogen, der diesen drastisch modifizieren sollte. Besonderen Anteil an dieser Entwicklung hatte die aufstrebende Schicht des Bürgertums, die Interesse am Kunstleben zeigte und an diesem partizipieren wollte. Dieses Interesse hatte die Gründung einer Reihe von Kunstzeitschriften sowie die Entstehung zahlreicher Künstlerbiografien und Kunstabhandlungen zur Folge. Neben der intellektuellen Wissbegierde entwickelte sich auch der Wunsch, eigene Kunst zu besitzen, sodass ein durchaus solventes Publikum verstärkt auf den Kunstmarkt drängte. Um Künstler und Kunstinteressenten zusammenzubringen und Kontakte zwischen ihnen herzustellen, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Kunstvereine gegründet sowie mehrere permanente Ausstellungen ins Leben gerufen.

Die Genremalerei als Ausläufer der Biedermeierkunst erhielt dabei besonderen Zulauf, wobei das ländliche Motiv in seiner Bedeutung über dem städtischen angesiedelt war. Die Stadt, die im 19. Jahrhundert Schauplatz der großen Umbrüche geworden war, litt unter den Folgen der einsetzenden Industrialisierung - mit Armut, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Verschmutzung sind nur einige der sozialen Folgen genannt. Das Leben auf dem Land schien indes von diesen Veränderungen noch weitgehend unangetastet. Die nostalgische „Bauernmalerei“ hatte sich zu einem beliebten Sujet etablieren können, das sich gut verkaufte, ungeachtet der Tatsache, dass diese überwiegend idealisierten bis hin zu phantastischen Darstellungen bäuerlicher Landidylle nicht der Realität entsprachen.

In den Bildern der Bauernromantik existierten weder schwere Arbeit noch eine sichtbare Armut. Die Alltagstätigkeiten, die Feldbewirtschaftung oder Viehhaltung wurden nur selten zum expliziten Bildthema. Dass aus diesem einseitigen Kunstinteresse eine Anpassung der Maler an die Käuferschaft resultierte, ist selbstredend. Motive, Darstellungsweise und nicht zuletzt ein handliches Bildformat waren alsbald auf die Bedürfnisse der Interessenten ausgerichtet. Die Prämisse L’ art pour L’ art konnte das nunmehr verfolgte Motto „Angebot auf Nachfrage“ nicht verdrängen, sodass sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Ausstellungen zu wahren Verkaufsschauen entwickelten. Gegen die öffentliche Meinung und den gängigen Kunstgeschmack konnten nur jene Künstler agieren, die es sich finanziell leisten konnten, unabhängig von den Tendenzen des Kunstmarkts zu bestehen.

Trotz dieser festgefahrenen Situation auf dem Kunstmarkt hatte sich - im Bezug auf das Arbeitsbild - eine neue Tendenz herausgebildet. Während das Genre und das romantisierende Landschaftsbild die fortwährende Industrialisierung bewusst ausklammerten, dokumentierte das Industriebild eben diesen Fortschritt und entwickelte sich parallel dazu, obgleich Industriemerkmale zunächst nur fragmentarisch auftraten. Rauchende Schornsteine sowie Fabrikanlagen nahmen lediglich innerhalb von Landschaftsdarstellungen eine Nebenrolle ein.

Mit der Zeit richtete sich der Fokus aber auch auf die Produktionsstätten an sich. Industriebilder entstanden vor allem als Auftragsarbeiten für große Industriebarone. Namentlich hervorzuheben ist hier der Lokomotivfabrikant Albert Borsig, dessen Fabrik zahlreich gemalt wurde und die daraus entstehenden Bilder exemplarisch für die Entwicklung von Industriebildern dienen können: Bereits 1847 malte Carl Eduard Biermann Borsigs Maschinenbau-Anstalt zu Berlin Die Fabrik ist hier zwar als solche porträtiert, die Arbeit, die in dieser stattfindet, ist aber nur sporadisch auszumachen, beziehungsweise unterschwellig durch rauchende Schlote angedeutet. Ein Jahr später schuf Paul Habelmann für die Leipziger Illustrierte Zeitung eine Bildreportage über die Fabrik. In den Graphiken des Künstlers sind nun auch die Fabrikhallen von innen zu sehen und die zahlreichen Arbeiter bei den Tätigkeiten des Gießens oder Schmiedens dokumentiert.

Die Arbeiter im Detail sind im groß angelegten Gemäldezyklus zur Geschichte der Lokomotive zu sehen, die Paul Meyerheim von 1873 bis 1876 malte. Die Männer in Meyerheims Darstellungen strotzen vor körperlicher Kraft und Energie, was einen Kontrast zu den Werken französischer Realisten darstellt, in denen die Arbeiter von Schmerz und Anstrengung gezeichnet sind. Im Gegensatz zu sozialrealistischen Werken appellieren sie nicht an das Mitgefühl des Betrachters, sondern machen auf den Fortschritt einer Firma oder einer Technologie aufmerksam. Im Eisenwalzwerk von Adolf Menzel wird dieser zusätzlich noch durch das monumentale Format des Gemäldes unterstützt. Industriebilder sind als repräsentative Werke zu betrachten, da sie die Macht der industriellen Auftraggeber als auch den Fortschritt des jungen Kaiserreichs nach 1871 zeigen sollten. Ungeachtet dessen können aber auch diese Arbeitsbilder als realistisch betrachtet werden, obwohl die industrielle Wirklichkeit hier als Fortschritt und Weiterentwicklung positiv konnotiert ist.

Die Genremalerei als Ausläufer der Biedermeierkunst erhielt dabei besonderen Zulauf, wobei das ländliche Motiv in seiner Bedeutung über dem städtischen angesiedelt war. Die Stadt, die im 19. Jahrhundert Schauplatz der großen Umbrüche geworden war, litt unter den Folgen der einsetzenden Industrialisierung - mit Armut, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Verschmutzung sind nur einige der sozialen Folgen genannt. Das Leben auf dem Land schien indes von diesen Veränderungen noch weitgehend unangetastet. Die nostalgische „Bauernmalerei“ hatte sich zu einem beliebten Sujet etablieren können, das sich gut verkaufte, ungeachtet der Tatsache, dass diese überwiegend idealisierten bis hin zu phantastischen Darstellungen bäuerlicher Landidylle nicht der Realität entsprachen.

In den Bildern der Bauernromantik existierten weder schwere Arbeit noch eine sichtbare Armut. Die Alltagstätigkeiten, die Feldbewirtschaftung oder Viehhaltung wurden nur selten zum expliziten Bildthema. Dass aus diesem einseitigen Kunstinteresse eine Anpassung der Maler an die Käuferschaft resultierte, ist selbstredend. Motive, Darstellungsweise und nicht zuletzt ein handliches Bildformat waren alsbald auf die Bedürfnisse der Interessenten ausgerichtet. Die Prämisse L’ art pour L’ art konnte das nunmehr verfolgte Motto „Angebot auf Nachfrage“ nicht verdrängen, sodass sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Ausstellungen zu wahren Verkaufsschauen entwickelten. Gegen die öffentliche Meinung und den gängigen Kunstgeschmack konnten nur jene Künstler agieren, die es sich finanziell leisten konnten, unabhängig von den Tendenzen des Kunstmarkts zu bestehen.

Trotz dieser festgefahrenen Situation auf dem Kunstmarkt hatte sich - im Bezug auf das Arbeitsbild - eine neue Tendenz herausgebildet. Während das Genre und das romantisierende Landschaftsbild die fortwährende Industrialisierung bewusst ausklammerten, dokumentierte das Industriebild eben diesen Fortschritt und entwickelte sich parallel dazu, obgleich Industriemerkmale zunächst nur fragmentarisch auftraten. Rauchende Schornsteine sowie Fabrikanlagen nahmen lediglich innerhalb von Landschaftsdarstellungen eine Nebenrolle ein.

Mit der Zeit richtete sich der Fokus aber auch auf die Produktionsstätten an sich. Industriebilder entstanden vor allem als Auftragsarbeiten für große Industriebarone. Namentlich hervorzuheben ist hier der Lokomotivfabrikant Albert Borsig, dessen Fabrik zahlreich gemalt wurde und die daraus entstehenden Bilder exemplarisch für die Entwicklung von Industriebildern dienen können: Bereits 1847 malte Carl Eduard Biermann Borsigs Maschinenbau-Anstalt zu Berlin Die Fabrik ist hier zwar als solche porträtiert, die Arbeit, die in dieser stattfindet, ist aber nur sporadisch auszumachen, beziehungsweise unterschwellig durch rauchende Schlote angedeutet. Ein Jahr später schuf Paul Habelmann für die Leipziger Illustrierte Zeitung eine Bildreportage über die Fabrik. In den Graphiken des Künstlers sind nun auch die Fabrikhallen von innen zu sehen und die zahlreichen Arbeiter bei den Tätigkeiten des Gießens oder Schmiedens dokumentiert.

Die Arbeiter im Detail sind im groß angelegten Gemäldezyklus zur Geschichte der Lokomotive zu sehen, die Paul Meyerheim von 1873 bis 1876 malte. Die Männer in Meyerheims Darstellungen strotzen vor körperlicher Kraft und Energie, was einen Kontrast zu den Werken französischer Realisten darstellt, in denen die Arbeiter von Schmerz und Anstrengung gezeichnet sind. Im Gegensatz zu sozialrealistischen Werken appellieren sie nicht an das Mitgefühl des Betrachters, sondern machen auf den Fortschritt einer Firma oder einer Technologie aufmerksam. Im Eisenwalzwerk von Adolf Menzel wird dieser zusätzlich noch durch das monumentale Format des Gemäldes unterstützt. Industriebilder sind als repräsentative Werke zu betrachten, da sie die Macht der industriellen Auftraggeber als auch den Fortschritt des jungen Kaiserreichs nach 1871 zeigen sollten. Ungeachtet dessen können aber auch diese Arbeitsbilder als realistisch betrachtet werden, obwohl die industrielle Wirklichkeit hier als Fortschritt und Weiterentwicklung positiv konnotiert ist.

Der wichtigste Maler des Realismus in Deutschland war Adoph Menzel. Themen der Gegenwart nehmen in Adolph Menzels Werk einen breiten Raum ein. Er malte die Menschen, unter denen er sich bewegte, also Angehörige des Bürger- und, ab 1861, des Großbürgertums. Dabei gab er wieder, was er sah. In Abkehr von dieser objektivierenden Darstellungsweise lassen sich auf seinen Bildern der besseren Gesellschaft allenfalls hin und wieder gewisse karikaturhafte Züge feststellen. So auf dem bekannten Ballsouper (dargestellt ist eine Festveranstaltung am kaiserlichen Hof): Der Offizier im Vordergrund versucht mit wenig Erfolg, im Stehen Messer und Gabel zu handhaben und dabei gleichzeitig Teller, Glas und Hut zu halten.

Völlig frei von Ironie sind dagegen Menzels Darstellungen von Handwerkern und Arbeitern. Sie drücken den Respekt aus, den der Maler vor ernsthafter, gut gemachter Arbeit gleich welcher Art empfand. In diese Kategorie gehört Das Eisenwalzwerk (1872–1875). Bei dem Bild handelt es sich um eine Auftragsarbeit, jedoch hatte Menzel das Motiv selbst gewählt. Das Eisenwalzwerk gilt als die erste größere Industriedarstellung in Deutschland. Zur Vorbereitung des Bildes reiste Menzel ins schlesische Königshütte, in die damals –nach dem Ruhrgebiet– modernste Industrieregion Deutschlands. In einem dortigen Walzwerk fertigte er etwa hundert Detailzeichnungen an, die als Grundlage für das spätere Gemälde dienten. Dargestellt ist die Herstellung von Eisenbahnschienen. Menzel zeigt aber nicht nur den Produktionsprozess selbst. Vorne rechts verzehren Arbeiter das Essen, das eine junge Frau (die als einzige Figur den Blick zum Betrachter gewendet hat) gebracht hat. Links sieht man sich waschende Arbeiter, und im linken Hintergrund den Ingenieur oder Werksleiter (mit rundem Hut), der die Arbeiter und den Produktionsablauf überwacht.

Schon bald nach seiner Fertigstellung erhielt das Bild den Beinamen Moderne Cyclopen. Cyclopen sind in der griechischen Sage die Gehilfen des Schmiedegottes, die im Inneren der Vulkane Blitze sowie die Waffen der Götter schmieden. Offenbar hielt man eine mythologische Überhöhung für notwendig, um dem Publikum das neuartige Thema schmackhaft zu machen. Die Zeitgenossen begriffen das Gemälde, entsprechend der Fortschrittsgläubigkeit der Epoche, als ein Sinnbild für die unbegrenzten Möglichkeiten der modernen Technik. Später ist es gern als eine Anklage gegen die elende Situation der Arbeiterschaft interpretiert worden. Dagegen spricht, dass Menzels Arbeiter als selbstbewusste Individuen erscheinen, die stolz sind auf ihre Fähigkeiten und den Wert ihrer geleisteten Arbeit. Zur Entstehungszeit des Bildes steckte der soziale Gedanke noch in den Anfängen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Menzel heimlich mit den Ideen der entstehenden Arbeiterbewegung sympathisiert hat. Er malte, was er sah, und das waren in diesem Fall eben auch die harten Arbeitsbedingungen in der Industrie.

Für Menzel war die realitätsgetreue Darstellung auch kleinster Details ein wichtiges Anliegen. Darüber hinaus weist aber besonders das Werk seiner reiferen Jahre eine Reihe von charakteristischen Stilmerkmalen auf. Vielleicht war Menzels Streben nach größtmöglicher Wirklichkeitstreue ein Grund für die Detailfülle, die viele vor allem seiner späteren Bilder auszeichnet: Pariser Wochentag (1869), Piazza d’Erbe in Verona (1882–1884), Brunnenpromenade in Kissingen (1890), Frühstücksbuffet der Feinbäckerei in Kissingen (1893). Jedoch verbindet in diesen Bildern die verwirrende Menge der Personen und der Einzelheiten sich nicht zu einem harmonischen Ganzen; jedes Element bleibt autonom, wodurch der Eindruck des Chaotischen ebenso erzeugt wird wie der der Isolation und der in verschiedenste Richtungen strebenden Dynamik. Auch weisen die Bilder kein Zentrum auf, das den Blick und die Aufmerksamkeit des Betrachters festhalten könnte. Diese Malweise zeigt die „Unmöglichkeit, die Welt als harmonische Einheit zu erfassen“. Der Eindruck der Isolation wird verstärkt dadurch, dass die Personen auf diesen Bildern meist nicht nur in keiner kompositorischen, sondern auch in keiner Handlungsbeziehung zueinander stehen: Sie blicken aneinander vorbei, kein Gespräch findet statt, jeder ist mit seinen eigenen Dingen beschäftigt.

Darüber hinaus wählte Adolph Menzel gern Bildausschnitte, die wie zufällig wirken und dadurch an die Schnappschüsse eines Fotografen erinnern, in Wirklichkeit aber sorgfältig arrangiert sind. Auf diesen Bildern werden Gegenstände und Menschen manchmal fast gewaltsam von den Bildrändern abgeschnitten. Ein Beispiel ist die Brunnenpromenade in Kissingen: Das Gemälde zeigt im Vordergrund eine Hand, die einen an der Leine ziehenden Hund hält; der dazugehörige Arm aber und der Rest der Person sind dem Bildrand zum Opfer gefallen.

Dem folgte dann die Periode des Impressionismus.

Am 29.4.1874 schrieb der Kunstkritiker Jules Castanary in der Zeitung Le Siecle folgendes: „Sie sind Impressionisten in dem Sinn, daß sie nicht eine Landschaft wiedergeben, sondern die von ihr hervorgerufenen Sinneswahrnehmung.“ Dabei bezog er sich auf eine Ausstellung der Künstler Camille Pissarro, Claude Monet, Alfred Sisley, Auguste Renoir und Berthe Morisot. Erst zwei Jahre zuvor hatte Monet der künstlerischen Richtung zu ihrem Namen verholfen. Auf einer Ausstellung nach dem Titel eines Werkes gefragt, das eine Hafenansicht im Nebel zeigte, antwortete der Maler, es handele sich einfach um eine Impression, einen Sinneseindruck.

Nicht nur an dem einfachen Motiv, auch an der Technik und insbesondere an der Skizzenhaftigkeit des Werkes störten sich Publikum und Kunstkritiker. Zusammen mit diesem Bild stellte Monet im Jahre 1874 den Boulevard des Capucines aus, von dem zwei Fassungen existieren. Mit einzelnen Pinselstrichen sind Häuser, Bäume und Menschen wiedergegeben. Eine eindeutige Perspektive ist nicht erkennbar, ebenso wenig sind die dargestellten Figuren durch Konturen abgegrenzt. Zwei Herren mit Zylinder, die auf einem Balkon stehen, verschwinden größtenteils am rechten Bildrand. Formen und Bildraum lösen sich nur durch farbliche Kontraste aus der Fläche. Monets Anliegen war es dabei, den flüchtigen Eindruck des Lichtes und das Farbenspiel in der Natur zu einer bestimmten Tageszeit wiederzugeben. In kurzen Pinselzügen trug er reine, ungemischte Farbe auf die Leinwand auf. Dabei griff er zurück auf wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen der Beobachter in der freien Natur weniger eine einzelne Gegenstandsfarbe ausmacht als ein Gemisch von Farbtönen, die sich erst im Auge zu Flächen formen.

In skizzenhafter Malweise die Stimmung eines kurzen Moments zu zeigen, was allerdings nicht nur Monets Anliegen. Schon Mitte der 1860er Jahre malten Frédéric Bazille, Auguste Renoir und Alfred Sisley zusammen mit Monet im Wald von Fontainebleau Landschaften, in denen sie den Wechsel des Lichts festhielten. Die Aufwertung der Landschaftsmalerei trug dazu bei, dass sich das Malen in freier Natur größerer Beliebtheit erfreute. Monet zeigte in seinen Bilderserien auch die verschiedenen Stimmungen, die durch die Brechungen des Lichts entstanden. Seine gewählten Motive waren vielfältig: die Kathedrale von Rouen, Seerosen oder ein einfacher Heuschober. Einige Bilder von Monets Künstlerkollegen zeigen ihn beim Malen in der freien Natur, etwa in seinem Garten in Giverny, wo auch die Seerosen-Bilder entstanden.

Die impressionistischen Künstler haben aber nicht ausschließlich unter freiem Himmel gemalt. Diese Möglichkeit der Ölmalerei unter freiem Himmel bot sich überhaupt erst durch eine technische Neuerung: Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die Künstler Ölfarben in Tuben kaufen und waren nicht mehr auf das aufwendige Mischen von Bindemitteln und Pigmenten angewiesen.

Für die Impressionisten war jede Veränderung der Lichtstimmung von Bedeutung, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Wetterlage ergaben jeweils neue Ansichten desselben Motivs und deren Wiedergabe war vor allem eine Frage der Farben. 1890/91 entstand eine Serie mit einem im ländlichen Gebiet alltäglichen Motiv, dem aufgetürmten Heu auf den Wiesen. In Claude Monets Gemälde Heuhaufen im Spätsommer herrscht ein goldgelben Grundton mit bläulichem Schatten vor. In seinem anderen Werk Verschneite Heuhufen im Winter verwendet er kalte Farbtöne, doch auch der von der blassen Wintersonne beleuchtete Schnee hat blaue Schatten.

Die Metropole Paris übte auch eine große Faszination für die Künstler des Impressionismus aus und bot ihnen zugleich unzählige Motive und Studienobjekte. Auguste Renoir liebte es, gesellschaftliche Anlässe wie Ballabende und Volksfeste darzustellen, während das Treiben auf den Straßen und Boulevards, flanierende Menschen und Passanten sowie die Lichter der Großstadt, das Thema zahlreicher Studien Camille Pissarros wie in dem Bild Boulevard Montmartre bei Nacht aus dem Jahre 1897 war.

Die Seine-Landschaft mit ihrem langen und gewundenen Flussverlauf, bot den impressionistischen Künstlern die Möglichkeit, das Spiel der Farben und die Reflexe des Wassers in allen Variationen zu studieren. Monet mal 1869 das Gemälde La Grenouillere, das dafür als Beispiel dienen kann. Die Pariser Bevölkerung liebte es, die Sonntage im Freien zu verbringen, in öffentlichen Parks und Gärten oder bei den zu jener Zeit sehr beliebten Regatten. Die impressionistischen Maler bannten einfach das auf die Leinwand, was sie sahen. Sie fanden bei diesen Anlässen unzählige Motive und Sujets für ihre Bilder.

Das Interesse der Impressionisten galt neben dem Licht, der Landschaft und der Atmosphäre auch den Szenen aus dem Alltag und den diversen Vergnügen im gesellschaftlichen Leben. Edgar Degas bevorzugte in seinen Werken als Hauptmotiv die menschliche Figur in Bewegung und stellte sie vor allem in Innenräumen dar. Das klassische Ballett erfreute sich auch in Paris zu jener Zeit großer Beliebtheit. Degas malte daher unzählige Schülerinnen in duftigen weißen Kostümen auf der Bühne oder während des Tanzunterrichtes. Das Werk Tanzstunde aus dem Jahre 1879 gibt dies beeindruckend wieder. Eine weitere Leidenschaft der Pariser Bevölkerung war der Gesellschaftstanz. Ballabende und Volksfeste verzeichneten einen unerwartet großen Zulauf. Sie sind das Thema dreier großer Gemälde von Renoir, wo glückliche und heitere Menschen dargestellt werden.