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Das jüdische Leben in Russland

Erst die Westausdehnung des Russischen Reiches mit den dortigen zahlreichen jüdischen Gemeinden bedeutete die Etablierung des Antisemitismus in Russland.[1] Im Russischen Reich gab es anfangs im Gegensatz zu den westeuropäischen Städten kaum jüdische Gemeinden. Dennoch übernahm die orthodoxe Staatskirche neben antikatholischer Polemik den traditionellen Antijudaismus der Patristik, die mittelalterliche Ikonenmalerei enthielt auch antijüdische Motive.

Der erste russische Pogrom fand im Zuge der Erhebung Wladimirs (1113-1125) in Kiew statt. Es kam zu Plünderungen jüdischer Häuser und der Ausweisung der Juden aus der Stadt. Antijüdisches Verhalten war schon vorher, besonders durch den später heilig gesprochenen Mönch Feodosij aus dem Kiewer Höhlenkloster mit seiner eigenwilligen Askese eingeläutet worden: Er mahnte seine Gläubigen, sie sollte mit allen und jedem friedlich zusammen leben, außer mit den Juden.

Nach der Einnahme Kiews 1240 durch die Tartaren, verlagerte sich der Schwerpunkt des russischen Staatswesen Richtung Nordosten nach Moskau und allmählich mit ihm die kirchliche Tradition, einschließlich der antijüdischen Polemik.[2] Obwohl es im Moskauer Staat kaum Juden gab, ereiferten sich Mönche mit judenfeindlichen Texten. Überliefert ist der Text eines Gläubigen, der 1488 sein „Sendschreiben gegen die Juden und Häretiker“ verfasste. in dem er auch die gekürzte Fassung einer Predigt des Metropoliten Ilarion (um 1040-50) einfügte.

Ein religiös motivierter Antijudaismus war bereits in der Antike verbreitet, machte sich vor allem im Mittelalter bemerkbar und fand seinen Ausdruck in der Errichtung von Ghettos, Kennzeichnungen ("Judenfleck"), Zwangstaufen und Verfolgungen.[3] Nie erloschen ist der seit Beginn der frühen Neuzeit erhobene Vorwurf, der Jude sei von Natur aus ein Geldmensch, ein "Wucherer" und "Blutsauger". Dabei ist es nicht schwer zu erklären, dass Juden seit dem Mittelalter aus der wirtschaftlichen Gesellschaft des "christlichen" Kaufmannsstandes systematisch herausgedrängt und ihnen "unehrliche" Berufe zugewiesen wurden. Wirtschaftliche Judenfeindschaft ist eine Folgeerscheinung der gesellschaftlichen Ausgrenzung und fordert die Beschneidung jüdischen Einflusses in der Wirtschaft. Der kulturelle Antisemitismus wendet sich gegen die Beschäftigung von Juden mit nichtjüdischem Kultur- und Gedankengut und ihre Beteiligung an kulturtragenden Institutionen.[4]

Im Großfürstentum Moskau, dem Kerngebiet des künftigen Russischen Reiches, waren Juden nicht geduldet. Diese feindliche Einstellung gegenüber Juden stand im Zusammenhang mit der allgemeinen Feindlichkeit gegenüber fremden Personen oder Gruppen, die als Häretiker und Agenten im Dienste feindlicher Staaten angesehen wurden.

In der folgenden Zeit wurde russisches Gebiet von jüdischen Händlern aus Polen und Litauen entweder im Besitz einer Bewilligung oder illegal betreten, wobei sie sich ab und zu in Grenzorten niederließen.

Im Zuge des russischen Imperialismus nach Westen wurden die Juden in Polen oft als Katholikenfreunde betrachtet und grausam verfolgt, so 1563 durch Iwan IV in Polask. Der russische Herrscher ließ nicht nur Juden aus seinem Land verbannen, sondern sie bei verschiedenen Anlässen verfolgen und ermorden. Am 15.2.1563 bei der Eroberung der Stadt Polask ließ er die Juden der Stadt in der Duena ertränken. Die Juden wurden seither als „das Andere“ betrachtet, sei es von der Religion oder später durch ihre angeblichen homogenen Eigenschaften.[5]

Der ukrainische Aufstand von 1648 richtete sich zwar gegen die Herrschaft des polnischen Adels in den ukrainischen Gebieten Polens-Litauens, doch ein großer Teil seiner Opfer waren Juden, die oft in einer prekären Vermittlerposition zwischen polnischen Herrschern und ukrainischen Bauern standen. Jüdische Opfer werden auf eine Zahl zwischen 10.000 und 200.000 geschätzt. Während der Aufstand in der ukrainischen Geschichtsschreibung als Akt des nationalen Heldentums gilt, sieht die jüdische Geschichtsschreibung darin den ersten Vorläufer der großen neuzeitlichen Judenmorde.

1738 wurde der Jude Baruch ben Leib verhaftet und beschuldigt, den Offizier Alexander Wosnizyn zum Judentum bekehrt zu haben. Beide wurden in Sankt Petersburg auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1742 befahl die Kaiserin Elisabeth Petrowna die Vertreibung der wenigen in ihrem Reich lebenden Juden. Als der Senat versuchte, ihren Ausschaffungsbefehl zu widerrufen und darauf hinwies, dass der Handel in Russland und der Staat dadurch in Mitleidenschaft gezogen würden, entgegnete die Kaiserin: „Ich will keinen Nutzen von den Feinden Christi.“[6]

Durch die Türkenkriege und drei Teilungen Polens im 18. Jahrhundert gelangten zahlreiche Judengemeinden in den eroberten Gebieten unter russische Herrschaft. Auf der Krim und an der Schwarzmeerküste, die 1768 im Laufe des 5. Russischen Türkenkrieges von den Türken erobert wurden, übten die Behörden keinerlei Zwangsmaßnahmen gegen die dort lebenden Juden aus und ermöglichten sogar stillschweigend die Ansiedlung neuer Gemeinden.

Unmittelbar nach der Eroberung der polnischen Gebiete begann die russische Regierung, die Frage, wie man mit den dort lebenden Juden verfahren sollte, als „Judenfrage“ anzusehen, und plante dieses Problem entweder durch die rückhaltlose Assimilation in die russische Gesellschaft oder durch Ausweisung zu lösen. Im Jahre 1790 verbot Katharina II Juden nach anfänglicher Toleranz den Kaufmannsberuf und erlegte ihnen doppelte Steuern auf, um die Moskauer Kaufleute vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen. Gleichwohl mussten sich die leibeigenen Bauern häufig beim jüdischen Kleinbürgertum verschulden, um die hohen Auflagen ihrer Grundherren auszugleichen. Die Juden wurden 1790 auf Drängen der Kaufmanns- und Kleinbürgerschaft von Katharina II aus dem Kaufmannsstand ausgeschlossen und in Ansiedlungsrayons an der Westgrenze des russischen Reiches verbannt und mit doppelter Steuerzahlung belegt.[7]

Die Juden, welche in den von Russland eroberten Gebieten wohnten, waren eine gesonderte soziale Gruppe. Wie in Polen-Litauen bildeten sie im Wesentlichen den Mittelstand zwischen der Aristokratie und den Großgrundbesitzern einerseits und den Massen der versklavten Bauern andererseits. Viele Juden waren als Pächter von Dörfern, Mühlen, Wäldern und Gasthöfen tätig oder auch als Händler und Hausierer. Es gab auch Handwerker, die für Grundbesitzer und Bauern arbeiteten. Es wird geschätzt, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts je 30 % der russischen Juden im Gastgewerbe und im Handel arbeiteten, 15 % als Handwerker und 21 % keine feste Beschäftigung hatten. Die restlichen 4 % waren im religiösen Bereich und in der Landwirtschaft tätig.[8]

Die wirtschaftliche Situation der Juden verschlechterte sich mehr und mehr, als ihr Recht auf Niederlassung auf den Ansiedlungsrayon im Westen Russlands beschränkt wurde. Der schnelle Bevölkerungszuwachs und die daraus folgende Proletarisierung trugen ebenfalls zur Verarmung bei. Die weitgehende Autonomie der jüdischen Gemeinden wurde zunächst von der Regierung anerkannt. Das jüdische Erziehungssystem, aufgebaut auf Cheder und Talmudhochschulen, wurde beibehalten.

Die Gemeinden im Westen Russlands, die zu Ende des 18. Jahrhunderts unter russische Herrschaft gerieten, waren schwer verschuldet. Neben den allgemeinen wirtschaftlichen Problemen erwiesen sich Sondersteuern, wie die Fleischsteuer für den Verzehr von koscherem Fleisch und die Kerzensteuer für rituell vorgeschriebene Kerzen am Sabbat und an Feiertagen, für Mittellose als schwere Last. Viele Juden verließen die Kleinstädte und siedelten sich in Dörfern oder auf den Gütern von Adligen an. Hinzu kam der Konflikt zwischen Chassidim und ihren Gegnern, den Mitnagdim, in den die russische Regierung hineingezogen wurde. Nach Beschwerden und Verleumdungen wurde der chassidische Rabbi Schneur Salman 1798 verhaftet und nach St. Petersburg zum Verhör gebracht. Die zahlreichen „Höfe“ der Chassidim, darunter diejenigen der Chabad-Bewegung, und die Jeschiwot der Mitnagdim, d.h. der Anhänger des Gaons von Wilna, mit Schwerpunkt in Woloschin, bildeten gemeinsam eine besonders ausgeprägte Form der jüdischen Kultur.

Das Zarenreich stand seit 1772 vor der großen Herausforderung, die Juden, deren Anteil an der russischen Bevölkerung sich mit der Okkupation des polnischen Gebietes stark erhöhte, in die eigene Bevölkerung möglichst reibungslos zu integrieren.[9] Als problematisch erwies sich dabei die Tatsache, dass die sozio- ökonomische Struktur der Juden, die weitestgehend im Handel und im Handwerk beschäftigt waren, schwer in die sozio-ökonomische Struktur Russlands zu integrieren war. Denn im Zarenreich lag der wirtschaftliche Schwerpunkt im Bereich der Landwirtschaft. Der Bereich des Handels war fast ausschließlich dem Adel vorbehalten. Es gab kein aufstrebendes Bürgertum in Russland, wie in anderen europäischen Staaten, in das die Juden hätten integriert werden können. Somit war auch nicht die Möglichkeit einer ähnlichen Emanzipation der Juden, wie sie vor allem in den westeuropäischen Gesellschaften im 19.Jahrhundert anzutreffen war, gegeben.

1772 erließ die Zarin Katharina II. ein Manifest, das die Gleichstellung der Juden beinhaltete. Der Besitz der Juden und ihre Religion blieben unangetastet. Das Ziel der Politik Katharinas II. war die zunehmende Integration der Juden in das russische Ständegefüge, um mit ihrem wirtschaftlichen Potential die Modernisierung des Reiches zu beschleunigen. Die Politik der Zarin zielte also darauf ab, die Juden langfristig zu assimilieren, ohne ihre Religion und Kultur zu unterdrücken, und sie nicht auszugrenzen. Hierin lag eine große Chance, mögliche antisemitische Vorurteile abzubauen.

Es kam aber anders. Denn mit der Okkupation des polnischen Territoriums wurden auch polnische antijüdische Vorurteile, die sich im Laufe von Jahrhunderten in Polen bildeten, von der russischen Gesellschaft übernommen. Besonders große Ressentiments gegenüber den Juden hatten die Moskauer Kaufleute, die in den Juden eine neue und gefährliche Konkurrenz sahen. Auf deren Petition ging auch das sogenannte Ansiedlungsrayon von 1804 zurück, das erst nach der Februarrevolution von 1917 abgeschafft wurde. Es besagte, daß die Juden sich nicht außerhalb eines Territoriums ansiedeln durften, welches aus den ehemaligen polnischen Gebieten, der linksufrigen Ukraine und Neurußland bestand. Bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts verschärften sich diese antisemitischen Tendenzen. Sie waren jedoch nicht rassistisch, sondern vor allem wirtschaftlich und religiös motiviert.

Ein Dekret aus dem Jahre 1791 bestätigte das Recht der Juden auf Niederlassung in den von Polen eroberten Gebieten und gestattete ihre Ansiedlung in den unbewohnten Steppen der Schwarzmeerküste, die am Ende des 18. Jahrhunderts von den Türken erobert worden waren, sowie in den Gouvernements Tschernigow und Poltawa rechts des Dnepr.[10] So entstand der Ansiedlungsrayon, der seine abschließende Form mit der Eroberung von Bessarabien im Jahre 1812 und der Bildung von „Kongresspolen“ 1815 erhielt. Er erstreckte sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und umfasste 25 Gouvernements, wobei die Juden ein Neuntel der Gesamtbevölkerung ausmachten. Die Ansiedlung von Juden wurde auch in Kurland und im Verlauf des 19. Jahrhunderts im Kaukasus und im russischen Zentralasien gestattet.

Das erste Jüdische Statut wurde 1804 erlassen. Es gestattete die Aufnahme von Juden in sämtliche Grund-, Mittel- und Hochschulen in Russland und erlaubte auch die Errichtung von jüdischen Schulen, solange die Unterrichtssprache Russisch, Polnisch oder Deutsch war. Im selben Statut wurde die Niederlassung von Juden und ihre Tätigkeit als Pächter in Dörfern sowie der Ausschank von alkoholischen Getränken an Bauern verboten. Damit sahen sich Tausende von jüdischen Familien ihrer Lebensgrundlage beraubt. Die Ausweisung aus den Dörfern wurde für einige Jahre aufgeschoben, 1822 in den weißrussischen Dörfern jedoch systematisch durchgeführt.

1825 kam es in Odessa zu Ausschreitungen gegen Juden, die sich 1841 und 1871 wiederholten und als Vorboten der Pogrome von 1881-1882 gesehen werden.[11] Sie waren vorwiegend von kirchlicher Seite geschürt, wie jene Ritualmord-Vorwürfe die in Welizh (Gouverment Witebsk) 1823/24 und Sartow 1857, die alle wegen nicht erwiesener Schuld zu Freisprüchen führten. Die auf dem Land verbreitete Judenverachtung spiegelt sich auch in der damaligen Literatur, etwa in Turgenews Buch „Aufzeichungen eines Jägers“ aus dem Jahre 1852. Der kirchliche Antijudaismus unter dem Moskauer Metropolit Platon Lewschin; 1737-1812 und dem Erzbischof Lawrentij (1776-1838) wurde fortgesetzt.

Der auf Katharina II folgende Zar Nikolaus I. (1796–1855) betrieb eine harte antijüdische Politik: 1835 begrenzte er den Hauptwohnsitz der Juden im Russischen Reich auf den „Ansiedlungsrayon“, dieser umfasste 15 Gouvernements des Kernreichs und zehn weitere im Königreich Polen. Dieses Diktat der Zwangsumsiedlungen bedeutete eine Trennung von der einfachen russischen Bevölkerung und einen schwerwiegenden Eingriff des Staates in das Leben der jüdischen Bevölkerung. Die orthodoxe Staatskirche begrüßte diese Ghettoisierung als Chance zur konzentrierteren Mission der Juden, die als „Ungläubige“ galten; der konservative russische Adel und das Großbürgertum sahen darin eine willkommene Abwehr des parlamentarischen „Virus“ aus Westeuropa und die Ausschaltung von ökonomischen Konkurrenten.[12]

Die Regierungszeit von Nikolaus I. bildet in der Geschichte des russischen Judentums ein dunkles Kapitel. Der Zar suchte die „Judenfrage“ durch Zwang und Unterdrückung zu lösen. 1827 führte er das Kantonistensystem ein, das die aufgezwungene Aushebung jüdischer Jugendlicher zwischen 12 und 25 Jahren in die russische Armee vorsah. Unter 18-Jährige wurden auf besondere Militärschulen geschickt, die auch von Soldatensöhnen besucht wurden. Dieses Gesetz war für die litauischen und ukrainischen Gemeinden ein schwerer Schlag; auf die Bevölkerung der „polnischen“ Provinzen wurde es nicht angewandt. Da der jahrelange Militärdienst verhasst war, waren die für die Musterung Verantwortlichen gezwungen, Presser einzustellen, um die Jugendlichen aufzugreifen. Die Wehrpflicht der russischen Juden brachte ihnen in anderen Bereichen keine Erleichterungen. Sie wurden weiterhin aus den Dörfern sowie aus Kiew ausgewiesen, und 1843 wurden neue jüdische Ansiedlungen in einer Distanz von 50 Werst zur russischen Grenze untersagt. Andererseits förderte die Regierung landwirtschaftliche jüdische Ansiedlungen und befreite Landwirte von der Wehrpflicht. In Südrussland und weiteren Gebieten des Ansiedlungsrayons entstanden zahlreiche jüdische Siedlungen auf Ländereien in Staats- und Privatbesitz.

In den 1840er Jahren begann sich die Regierung mit der Erziehungsfrage zu befassen. Da die Juden von der 1804 im Jüdischen Statut angebotenen Möglichkeit der Ausbildung in allgemeinen Schulen keinen Gebrauch gemacht hatten, beschloss die Regierung den Aufbau von besonderen Schulen. Diese Schulen sollten durch eine Sondersteuer („Kerzensteuer“) finanziert werden, welche die Juden zu bezahlen hatten. Als einleitende Maßnahme sandte die Regierung Max Lilienthal, einen deutschen Rabbiner und Direktor der Jüdischen Schule in Riga, auf eine Erkundungsreise durch den Ansiedlungsrayon. 1844 wurde in einem Erlass die Errichtung dieser Schulen angeordnet, deren Lehrer sowohl Christen als auch Juden sein sollten. Als Lilienthal erkannte, dass die wahre Absicht der Regierung darin bestand, die jüdischen Schüler dem Christentum nahezubringen und ihre schädlichen, vom Talmud beeinflussten Glaubensvorstellungen auszurotten, wie in geheimen Zusatzanweisungen vermerkt war, floh er aus Russland. Ein Netzwerk von Schulen wurde von der Regierung errichtet, deren Lehrer aus Anhängern der jüdischen Aufklärung bestanden und vom Rabbinerseminar in Vilnius und dem Rabbinerseminar Schytomyr geleitet wurden.

Die nächste Phase des Programms von Nikolaus I. war die Einteilung der Juden in zwei Gruppen: „Nützliche“ und „Nutzlose“. Zu den „Nützlichen“ gehörten wohlhabende Kaufleute, Handwerker und Landwirte. Die restliche jüdische Bevölkerung, Kleinhändler und Mittellose galten als „nutzlos“ und sahen sich von der zwangsweisen Einziehung in die Armee bedroht, wo sie eine handwerkliche oder landwirtschaftliche Ausbildung erhalten sollten. Dieses Projekt stieß auf Ablehnung russischer Politiker und führte zu Interventionen westeuropäischer Juden. 1846 reiste Moses Montefiore zu diesem Zweck von England nach Russland. Der Befehl zur Klassifizierung der Juden in diese Kategorien wurde 1851 ausgestellt. Durch den Krimkrieg wurde zwar die Anwendung verzögert, die Quoten für die zwangsweise militärische Aushebung jedoch ums Dreifache vergrößert.

Der rassistische Antisemitismus, der durch die Rezeption des französischen „Denkers“ Gobineau in ganz Europa ausgelöst wurde, spielte in Russland im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten eher eine untergeordnete Rolle. Gobineau ging von einem gemeinsamen Ursprung aller „Menschenrassen“ in der Schöpfung aus.[13] Doch ihre Verbreitung über die gesamte Erde und die Anpassung an unterschiedliche Lebensräume habe zu einer Ungleichheit der „Rassen“ geführt. Zivilisatorisch hochstehende Fähigkeiten besitze allein die „weiße Rasse“, insbesondere die „Arier“. Ihre Neigung zu Eroberung und Bevölkerungsvermehrung führe aber zu einer zunehmenden Mischung mit den als kulturunfähig titulierten „schwarzen und gelben Rassen“, was eine Nivellierung und Kulturlosigkeit zur Folge hätte.

Diese seit dem Mittelalter bekannten Sprachbilder der Entmenschlichung passten die Antisemiten der wissenschaftlichen Sprache der Bakteriologie, Mimikry-Theorie und Rassenlehre an. Juden wurden immer mehr nicht nur mit Blutsaugern, Krebsgeschwüren, Schmarotzern, Seuchen, Ungeziefer, Volksschädlingen, wuchernden Schlingpflanzen usw. verglichen, sondern identifiziert. Stand im mittelalterlichen Aberglauben hinter ihnen der Teufel, also eine letztlich unbesiegbare dämonische Macht, so wurde es mit dem medizinisch-technischen Fortschritt denkbar, sich dieser „menschlichen Viren“ radikal zu entledigen.[14]

Houston Stewart Chamberlain übernahm in seinem Werk „Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts“ aus dem Jahre 1899 von Gobineau die Deutung der Weltgeschichte mit Hilfe des "Rassenprinzips", das er jedoch allein auf den Antagonismus von Ariern und Juden zuspitzte.[15] Die „arisch- germanischen Völker“ wären die einzige kulturschöpferische „Rasse“, während die Juden als „Gegenrasse“ das Prinzip der Zersetzung verkörperten. Laut Chamberlain löse Rassenmischung kulturellen Verfall und politischen Machtverlust aus. Chamberlain listete historiographische und ethnologische „Belege“ auf, die den Niedergang großer Reiche von der Völkerwanderung bis in die Gegenwart aus einer Steigerung des semitischen Blutanteils erklären.[16]

Das verschloss Juden jede Möglichkeit, sich sozial zu integrieren. Denn auch getaufte Juden blieben nun Juden, die von Vorfahren mit jüdischer Religion abstammten, egal ob und wie lange ihre Vorfahren schon Christen waren. Damit war die Religionszugehörigkeit für Antisemiten nur noch als pseudobiologisches Merkmal wichtig, das Judesein zum unentrinnbaren Schicksal machte. Die Juden zugeordneten negativen Erbanlagen erschienen durch keinerlei Erziehung, Bildung, Integration und Emanzipation veränderbar. So wurde ihre völlige Vertreibung oder Vernichtung in ganz Europa als einzig realistische „Lösung der Judenfrage“ nahegelegt.

Der Rassismus untermauerte auch sonst die Ablehnung fremder Völker nach außen und ethnischer oder anderer Minderheiten nach innen. So wuchs parallel zum Antisemitismus in ganz Europa der Hass auf Minderheiten.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gewann die jüdische Aufklärungsbewegung Haskala im russischen Judentum an Einfluss. Sie manifestierte sich zunächst in verschiedenen Großstädten (Odessa, Warschau und Riga). Innerhalb der Bewegung gab es verschiedenste Strömungen: die Polen mosaischen Glaubens sowie nihilistische und sozialistische Zirkel in Russland setzten sich für weitestgehende Assimilation ein, während andere, darunter Peretz Smolenskin, auf der Suche nach einer nationalen jüdischen Identität waren. Wortführer der Haskala in Russland war der Schriftsteller Isaak Bär Levinsohn. Weitere führende russische Maskilim (Anhänger der Haskala) waren Abraham Mapu, Begründer des modernen hebräischen Romans, und der Dichter Jehuda Leib Gordon (1831–1892). Die Maskilim standen zunächst der jiddischen Sprache ablehnend gegenüber und wollten sie durch Russisch ersetzen, doch einige unter ihnen, wie Mendele Moicher Sforim, schufen später eine bedeutende weltliche jiddische Literatur.

Gegenüber der europäischen Aufklärung setzte die Haskala, die jüdische Aufklärungsbewegung zeitverzögert ein.[17] Intellektuell, politisch, kulturell, sozial und religiös galt es, denn Vorsprung der europäischen Aufklärung zu kompensieren. Staatliche Maßnahmen, wie die Auflösung der Ghettosituation z. B. in Preußen und Österreich und auch Russland erhöhten den sozialen und zeitlichen Druck auf die jüdische Bevölkerung um ein Zusätzliches. Die teilweise Öffnung der Ghettos und die damit verbundene Forderung der Anpassung an die christliche Majoritätsgesellschaft zum allgemeinen Wohl des Staates, ließen die sozialen und kulturellen Gegensätze vollends zur Geltung kommen. Der Blick nach Amerika und Frankreich verdeutlichte, dass der Traum von der Emanzipation der Juden hin zu gleichberechtigten Staatsbürgern nunmehr nicht allein dem Traum und einem entfernten Bedürfnis verhaftet bleiben sollte, sondern zur realen Möglichkeit avancierte. Wollte die jüdische Bevölkerung den Anschluss an die allgemeine kulturelle Entwicklung nicht verpassen, so musste die Möglichkeit der Aufklärung und der gesellschaftlichen Emanzipation der Juden die unmittelbare Notwendigkeit selbiger nach sich ziehen.[18]

Nach dem Siebenjährigen Krieg 1756- 1763 setzte sich die aufklärerischen Tendenzen vor allem bei wohlhabenden Juden durch und entwickelte sich zu einer eigenständigen Bewegung. Das Neue bestand in der Tatsache, dass die jüdischen Gelehrten sich keineswegs, wie zu früheren Zeiten, damit begnügten, Selbstaufklärung zu betreiben, sondern das jüdische Volk im Ganzen als Gegenstand der Aufklärung betrachteten. Einzelne aufgeklärte Juden gab es bereits vor der Haskala. Exemplarisch verweise ich auf Uriel da Costa, Baruch Spinoza und Moses Chajim Luzzatto, die im 17. und frühen 18. Jahrhundert in den Niederlanden und Italien gewirkt hatten.[19]

Während des 18. Jahrhunderts war die jüdische Gesellschaft in einer kulturellen Krise. Sie fiel auseinander, was mit dem Autoritätsverlust der Rabbiner einherging. Um die Probleme zu lösen, entstanden unterschiedliche Bewegungen, insbesondere die Haskala. Eine erste gesetzliche Anerkennung ihres Anliegens der rechtlichen Gleichstellung der Juden erfuhr die Haskala zuerst in Frankreich durch die „Assemblée constituante“, die am 27. September 1791 den Juden die volle Staatsbürgerschaft zusprach.

Die Hauptziele richteten sich auf Säkularisierung, also Trennung von Religion und Staat, und Öffnung in die christliche Mehrheitsgesellschaft durch Herstellung persönlicher wie institutioneller Kontakte und Heranführung an jüdische Glaubenslehren.[20] Dabei entwickelte sich eine Spannung zwischen der erstrebten Erneuerung des Judentums und der Konfrontation mit der jüdischen Orthodoxie.[21]

Das mittelalterliche elitäre Vernunftmodell erfuhr mit der Haskala einen radikalen Bruch.[22] Vernunft, als menschliches Spezifikum, wurde nun allen Menschen zugewiesen und nicht einer Elite überlassen. Auch für die Juden bedeutete dies, dass ihre mangelnde Aufklärung keineswegs auf den Mangel an Vernunft zurückzuführen sei, sondern an den schlechten äußeren Bedingungen, der Diskriminierung, der fehlenden profanen Bildung und Erziehung sowie an der starren religiösen Tradition festgemacht werden muss. Dementsprechend galt die jüdische Aufklärung allen Juden.[23]

Der jüdische Aufklärer (Bezeichnung: Maskil ab 1783) zeichnete sich durch seine Aktivitäten (Publizität, öffentliche Meinungsäußerungen, Teilnahme an den Diskussionsrunden, materielle und finanzielle Förderung), aber auch durch sein Bildungsniveau (zumeist Universitätsabschluss) aus.[24] Unter den Juden des Mittelstandes und der unteren Klassen war die Haskala nicht so verbreitet, es blieb vornehmlich ein Projekt des Großbürgertums, was auch daran lag, dass diese Schicht über die notwendigen Kenntnisse des Lesens und Schreibens verfügten und auch die Zeit fanden, dieses Projekt mit Leben zu füllen. Gebildete Juden verfügten überdies über Verbindungen zu anderen Aufklärern aus der Mehrheitsgesellschaft, die meist der Haskala und ihren Zielen wohlgesonnen waren.

Mit der bürgerlichen Revolution in Frankreich 1789 und den folgenden Entwicklungen verband sich einerseits die erhoffte Emanzipation der jüdischen Bevölkerung in rechtlicher und kultureller Hinsicht, gleichzeitig entstand eine moderne Judenfeindlichkeit.[25]

Die 1861 erfolgte „Bauernbefreiung“ unter Alexander II: (1855 bis 1881) gestattete ehemals leibeigenen Bauern den Landerwerb, was Gebildeten und Begüterten – darunter relativ vielen Juden – eher zugutekam. Dies vergrößerte den Neid und Judenhass der einfachen Bevölkerung noch.[26] Diese Vorurteile wurden im kulturellen Leben verstärkt, wie durch Dostojewski in seinem einflussreichen „Tagebuch eines Schriftstellers“ aus dem Jahre 1877. Darin heißt es: „Da kam nun der Befreier und befreite das autochthone Volk – und was nun: Wer stürzte sich als Erster darauf als ein Opfer, wer benutzte vorzugsweise seine Laster, wer umwand es mit seinem ewigwährenden goldenen Gewerbe, wer ersetzte sogleich, wo er nur konnte und gelegen kam, die abgeschafften Gutsherren? Mit dem Unterschied, dass die Gutsherren, wenn sie die Leute auch stark ausgebeutet hatten, dennoch bestrebt waren, ihre Bauern nicht zugrunde zu richten, meinetwegen um ihrer selbst willen, um ihre Arbeitskraft nicht zu erschöpfen; aber den Hebräer kümmert die Erschöpfung der russischen Kraft nicht, er nahm das Seine und ging.“[27]

Gegenüber den Juden verfolgte Alexander II. zwar ebenfalls das Ziel ihrer Assimilation in die russische Gesellschaft, hob jedoch einige der härtesten Beschlüsse seines Vaters (darunter auch das Kantonistensystem) auf und verlieh einigen ausgewählten Gruppen von „nützlichen“ Juden das Recht zur Niederlassung in ganz Russland. Dazu zählten wohlhabende Kaufleute (1859), Universitätsabsolventen (1861), diplomierte Handwerker (1865) sowie medizinisches Personal einschließlich Krankenschwestern und Hebammen. Die jüdischen Gemeinden außerhalb des Ansiedlungsrayons, besonders in St. Petersburg und Moskau, breiteten sich schnell aus und begannen einen bedeutenden Einfluss auf das russische Judentum auszuüben.

1874 wurde in Russland eine allgemeine vierjährige Wehrpflicht eingeführt. Da jüdische Jugendliche mit einem russischen Sekundarschulabschluss Erleichterungen erhielten, besuchten zahlreiche Juden russische Schulen.[28] Hingegen konnten Juden nicht zu Offizieren befördert werden. Im April 1880 gründeten fünf Philanthropen, gestützt auf ein Edikt von Zar Alexander II., die spätere internationale Organisation ORT als wohltätige „Gesellschaft für handwerkliche und landwirtschaftliche Arbeit“, zur Förderung der Berufsausbildung von Juden in Russland. Bis zur Oktoberrevolution 1917 bestand ORT nur im Russischen Reich.

Die Teilnahme zahlreicher Juden am Aufbau des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens – wie der Musiker Anton Rubinstein, der Bildhauer Mark Antokolski und der Maler Isaak Lweitan – führte in der russischen Öffentlichkeit sofort zu scharfen Reaktionen. Zu den führenden Gegnern des Judentums gehörten bedeutende Vertreter der slawophilen Bewegung, wie Konstantin Aksakow und Fjodor Dostojewski. Die Juden wurden beschuldigt, einen „Staat im Staat“ zu errichten und die russischen Massen auszubeuten; auch die Rituallegende die 1817 von Alexander I. gesetzlich verboten worden war, wurde 1878 wieder in Rang und Geltung gesetzt. Das Hauptargument der Hassprediger war jedoch, die Juden seien fremde Eindringlinge im russischen Leben, die wirtschaftliche und kulturelle Positionen unter ihre Kontrolle brächten und einen zersetzenden Einfluss hätten. In vielen Zeitungen, darunter der führenden Nowoge wremja („Neue Zeit“), erschienen agitatorische Artikel. Die antijüdische Bewegung gewann besonders nach dem Balkankrieg von 1877 bis 1878, der in ganz Russland zu einem Anwachsen des slawophilen Nationalismus führte, neu an Bedeutung.

Seine Ermordung am 1. März 1881 aber löste eine Pogromwelle aus: Staatlich lancierte Gerüchte lasteten den Mord und die schlechte Versorgungslage der jüdischen Minderheit an, um den Unzufriedenen ein Ventil für das Ausbleiben einer vom Zaren versprochenen Landreform zu öffnen. In den Folgemonaten verwüsteten und plünderten arbeitslose verarmte Bauern, die sich dabei auf einen angeblichen Zaren-Befehl beriefen, über 100 jüdische Gemeinden vor allem in der Ukraine. Die Behörden blieben untätig, und die christliche Stadtbevölkerung duldete die Übergriffe. Nur wenige orthodoxe Kleriker versuchten, die Bauern von den Exzessen abzubringen.[29]

Mehrere Ritualmord-Anschuldigungen folgten, wie jener von Kutajsi in Georgien 1879 und der Kiewer-Prozess, bekannt geworden als der Fall Mendel Bejlis, der 1913 ebenfalls in einem Freispruch endete.[30] In der Regierungszeit Alexander III. (1881-94) und Nikolaus II. (1894-1917) kam es zu mehreren Pogromwellen. Waren es vorwiegend die arbeitslosen Scharen großrussischer Bauern, als hauptsächliche Träger dieser Pogrome, so darf auch die beachtliche Mitwirkung der Gesamtbevölkerung und vornehmlich die groß angelegte Plünderung durch kleinrussische Bauern nicht übersehen werden.

Es erfolgten erste große Fluchtwellen nach Westeuropa und schließlich nach Amerika. Während und nach dem Russisch-Japanischen Krieg hatten Juden erneut Erniedrigungen und Ausschreitungen zu erdulden.

Zar Alexander III. (1881-1894) verordnete dann am 3. Mai 1882 die so genannten Maigesetze, die die Juden an freier Berufswahl und Gewerbefreiheit hinderten und vielfach in noch größere Armut stürzten. Der Prozentanteil jüdischer Gymnasiasten wurde auf 10 % beschränkt. Sie lösten die erste Alija (Einwanderungswelle) von Juden nach Palästina aus. In dieser Zeit begannen einige Intellektuelle gegen die judenfeindlichen Staatsmaßnahmen zu protestieren, darunter Odessas Erzbischof Nikanor.[31] Auch der Religionsphilosoph Wladimir Sergejewitsch Solowjow, der eine toleranten Haltung in religiösen und politischen Fragen vertrat, setzte sich neben der Wiedervereinigung von orthodoxer und katholischer Kirche für nachhaltige gegenseitige Achtung von Juden und Christen ein, wie in seiner Schrift „Das Judentum und die christliche Frage“ aus dem Jahre 1884. Er fand die rückhaltlose Zustimmung von Leo Tolstoi, der seinen Einfluss zu einer Liberalisierung des gesellschaftlichen Lebens in Russland geltend machte.[32]

Tolstoi entwickelte im Laufe seines Lebens eine Abneigung gegenüber der rituellen Form der Religiosität wie es in der russisch-orthodoxen Kirche damals üblich war und jeglicher Autorität des Staates und seiner Institutionen.[33] Seine ideologischen Überzeugungen orientierten sich am Urchristentum, das die starren Regeln und Dogmen der russisch-orthodoxen Kirche ablehnte. Das Urchristentum bezeichnet die Anfangsjahre des Christentums, die vom Jesus von Nazareth bis zur Abfassung der letzten urchristlichen Schriften reicht (30 – ca. 100). Tolstoi orientierte sich besonders an der Jerusalemer Urgemeinde und die als normatives Wort Gottes im Neuen Testament gesammelten Schriften und am Gebot der Nächstenliebe.[34] Ausgangspunkt für seine Kritik an Gesellschaft und Kirche war die "Bergpredigt" aus dem Neuen Testament. In seinem Werk „Das Himmelreich in Euch“ aus dem Jahre 1893 entwickelte er seine grundlegenden christlichen Überzeugungen und deren politischen und gesellschaftlichen Folgen. Er übersetzte ebenfalls die Evangelien erneut ins Russische.

Gerade in der russisch-orthodoxen Priesterschaft griff die judenfeindliche Hetze um sich. Bildungsrückstand und traditionelle Verbindung von staatlicher Despotie und Kirche trugen dazu bei. Religiöse Toleranz war für viele Gottesfürchtige ein Fremdwort. So fand die Ritualmordanklage im 19. Jahrhundert gerade in Russland prominente Fürsprecher und Popularität.[35]

Der Hass auf Juden ist auch mit der schlimmen wirtschaftlichen und sozialen Situation der Bauern und anderer sozialer Gruppen im russischen Reich zu erklären. Juden wurden zum Sündenbock für das Versagen der zaristischen Regierung erklärt, was den zaristischen Behörden nur recht war. Ein großer Teil der russischen Bauern lebte Mitte des 19. Jahrhunderts in Armut. Die Bevölkerung war deutlich angewachsen, die Höfe wurden geteilt, damit sanken Betriebsgröße und Ausstattung mit Betriebsmitteln. Seit dem gescheiterten Dekabristen-Aufstand 1825[36] nahm der Reformdruck im Reich immer mehr zu. Die Forderung nach Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft war nicht nur in der Intelligenzia populär, sondern auch unter Staatsbeamt_innen und Aristokrat_innen. Nach der Niederlage im Krim-Krieg waren die Reformen unaufschiebbar geworden und am 2. März 1861 wurde schließlich das Manifest über die Aufhebung der Leibeigenschaft unterzeichnet.[37] Dem Manifest folgte ein Gesetz, das die Landzuteilung an die Bauern regelte. Die Landanteile waren aber zu klein und wurden mit übergroßen Lasten belegt, da die Bauern die Entschädigung, die der Staat den Grundbesitzer_innen gezahlt hatte, innerhalb von 49 Jahren an ihn zurückzahlen mussten. Als Ergebnis der Bauernbefreiung von 1861 verschärfte sich die ökonomische Lage der Bauern zusehends, was sich in den immer wiederkehrenden Hungersnöten zeigte. Die ehemals direkte Abhängigkeit der Bauern von ihren Grundbesitzern wandelte sich in eine neue mittelbare Abhängigkeit aufgrund drückender Schuldenlast.[38]

Aus diesen Gründen setzte sich die Verelendung bei den Bauern weiter fort. Rosenstock-Huessy stellte fest: „Die Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 in Rußland imitiert die Zerstörung des Feudalstaates von 1789. Der Zarbefreier hat damit nicht den Feudalstaat zerstört, sondern nur die französische Revolution verhaßt gemacht. Denn diese Idee von 1789 sah in Rußland so aus, daß die Bauern persönlich frei wurden, ohne zu wissen wohin. Auch wenn man sie viele Jahre beim Militär hielt, so war das doch noch kein genügender Abfluß. (...)Den Bauern hat der Zarbefreier begehrlich, haltlos, landgierig, böse gemacht. Die Aufhebung der Leibeigenschaft von 1861 war eine Mißhandlung des Bauern (...) Die Bauern haben seit 1861 hartnäckig darauf gewartet, daß der Zar ihnen das Land geben werde. Viele kauften durch Jahre keine Parzelle, weil sie darauf warteten. Der Zar mußte wiederholt erklären lassen, dergleichen sei nicht zu erwarten. Ein Minister, der das erklärte, beging wenig später Selbstmord. Die Bauern behaupteten, der Zorn des Zaren habe ihn getroffen. Der Bauer ist also seit der `Freiheit` in Gärung. Die Freiheit ist der Fluch dieses Bauern. Also wird er gegen diese Freiheit Revolution machen. Er wird nach Ordnung verlangen. Wirtschaftsordnung, Gesellschaftsordnung lautet der Ruf der russischen Revolution, weil 'Freiheit' für ihn nur Unordnung war."[39]

Der Widerstand gegen das despotische Zarenregime entwickelte sich in Russland ab den 1840er Jahren mit den Schriften von Alexander Herzen. Die Teilnahme von jüdischen Intellektuellen am Widerstand gegen das Zarentum wurde schnell vom russischen Staat antijüdisch interpretiert und auf die gesamte Bevölkerungsgruppe übertragen. 1878 entwickelte sich eine russische „Propaganda der Tat“ nach Vera Sassulitschs Anschlag auf General Trepov, dem Gouverneur der russischen Hauptstadt.[40] Durch diese Tat wurde eine Heldin der Narodniki und der radikalen Teile der russischen Gesellschaft.[41] Der militante Kampf entwickelte sich in mehreren Stadien. Er begann als sporadischer Widerstand gegen Verhaftungen und als Reaktion gegen einzelne Polizeioffiziere, die gefangene Revolutionäre misshandelt hatten. In einzelnen Fällen wurden Spione, die die revolutionären Zellen infiltriert hatten, hingerichtet. Das allererste Manifest, das eine neue Ära der revolutionären Aktion ankündigte, war Serge Krvschinskis „Tod und Tod“[42], in dem er die Gründe für seine Teilnahme an der Ermordung General Mesenzovs, dem Leiter der „Dritten Abteilung, der zaristischen politischen Polizei darlegte. Sein Manifest erschien im August 1878.

Im November erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift Semlja i Volja, in der Karvschinski einen Leitartikel schrieb, in dem es hieß, dass die werktätigen Massen nicht mit Hilfe terroristischer Aktionen befreit werden könnten. Nur die Volksmassen selbst könnten eine Revolution herbeirufen und das System zerstören – gegen eine Klasse könne sich nur eine andere Klasse auflehnen. Die Terroristen seien lediglich die militärische Vorhut der revolutionären Bewegung. Die These von der Selbstinitiave der Massen, die in den organisatorischen Konzeptionen der russischen Anarchisten eine zentrale Rolle spielt, geht vor allem auf Proudhon zurück: „Die Gesellschaft allein, die von Intelligenz durchdrungene Masse kann sich selbst revolutionieren, weil nur sie selbst die Spontanität vernünftig entwickeln, das Geheimnis ihrer Bestimmung und ihres Ursprungs erklären und ausdrücken, ihren Glauben und ihre Philosophie verändern kann.“[43]

Aus der Spaltung der Semlja i volja ging die Narodnaja Wolja (Volkswille) hervor, die die Revolution ins Volk tragen wollte.[44] Diese Organisation hatte auch einige jüdischstämmige Mitglieder. Die Ziele der Narodnaja Wolja waren der Sturz des zaristischen Systems, freie und allgemeine Wahlen, Volksvertreter und Meinungs-, Presse- und Gewissensfreiheit und eine republikanische Verfassung. Mitglieder der Organisation führten das Sprengstoffattentat am 13. März 1881, dem Zar Alexander II. in Sankt Petersburg getötet wurde.[45]

Die judenfeindliche Politik unter Alexander III. wurde auch unter dessen Nachfolger Nikolaus II. fortgeführt. Als Reaktion auf die anwachsende revolutionäre Bewegung, in der jüdische Jugendliche eine zunehmende Rolle spielten, ließ die Regierung in der Presse, die strengen Zensurbestimmungen unterworfen war, hemmungslose antisemitische Propaganda verbreiten. In der Regierungszeit von Nikolaus II. fanden wiederum zahlreiche Pogrome statt: während Pessach 1903 in Kischinjow, und 1906 in Bialystok und Siedlce. Die Errichtung der kaiserlichen Duma nach dem Petersburg Blutsonntag brachte keine Verbesserung der Situation. Zwar waren in der ersten Duma von 1906 12 jüdische Abgeordnete vertreten. Sie standen jedoch mächtigen rechtsgerichteten Parteien wie dem „Bund des russischen Volkes“ und damit verbündeten Gruppierungen gegenüber, welche öffentlich die Eliminierung des russischen Judentums forderten.

Seit 1881 kam die Gleichsetzung des Judentums mit revolutionären Umtrieben hinzu, die wegen der Bildung einer jüdischen sozialistischen Partei und des relativ hohen Anteils von Juden in der russischen Sozialdemokratie plausibel wirkte. Die reaktionären Elemente vereinten sich in Gruppen wie dem „Erzengel-Michael-Bund“, die unter orthodoxen Priestern viel Zulauf hatten. Diese Kreise produzierten und veröffentlichten die Hetzschrift Protokolle der Weisen von Zion.

Die "Protokolle der Weisen von Zion" sind die weitverbreitetsten und hartnäckigsten Dokumente des modernen Antisemitismus.[46] Nicht nur in rechtsextremen Kreisen dienen sie als das Beweisdokument für das vermeintliche Streben der Juden nach der Weltherrschaft. Antisemiten sämtlicher politischer und religiöser Richtungen beziehen sich auf die Protokolle.

Der Text war und ist nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil er für Menschen reaktionärer Denkweise eine einfache und griffige Welterklärung bietet, die sämtliche unerwünschte Erscheinungen der Moderne auf einen Verursacher zurückführt.[47] Kern der Verschwörungslegende bildet eine geheime jüdische Verbindung, deren Ziel es sein soll, die traditionellen gesellschaftlichen Strukturen mit Hilfe von Demokratie, Liberalismus und Kapitalismus – im Zweifelsfall auch Sozialismus – zu zerstören und auf diese Weise die Weltherrschaft anzustreben.

Der Text, der erstmals am Anfang des 20. Jahrhunderts auftauchte – eine erste russischsprachige Ausgabe erschien 1903 im Zarenreich –, ist in 24 Abschnitte gegliedert, die jeweils das Protokoll einer Versammlung der "Weisen von Zion" darstellen sollen. In den Reden der beteiligten jüdischen Führer geht es – inhaltlich eher unstrukturiert - um die angeblichen Pläne des Weltjudentums, die Weltherrschaft zu übernehmen.[48] Dabei sollen Liberalismus und Demokratie, aber auch Finanzpolitik, eine jüdisch kontrollierte Presse und erforderlichenfalls Terror dazu dienen, die bestehenden Nationalstaaten zu destabilisieren. Am Ende sollen sich die Völker freiwillig in die Hände einer jüdischen Diktatur begeben, die dann umgehend alle Freiheiten, für die sich die Juden zuvor eingesetzt hätten, wieder rückgängig machen würde.[49] Die Darstellung als angebliches Protokoll soll dabei die Glaubwürdigkeit erhöhen. Zudem wird an mehreren Stellen auf die aktuelle Politik in Russland am Ende des 19. Jahrhunderts angespielt.

Die Echtheit des Dokuments wurde dennoch von Beginn an angezweifelt. Bereits 1921 erschien in der Times eine Artikelserie, in der die "Protokolle" als Fälschung entlarvt wurden. Von 1933 bis 1935 befasste sich ein Schweizer Gericht mit der Entstehungsgeschichte des Dokuments und stellte fest, dass der Text dem Genre der "Schundliteratur" zuzurechnen sei und es sich um ein Plagiat handelte.[50] Zweifelsfrei wurden die Quellen und die Schöpfer der "Protokolle" ermittelt. Bedient hatten sich die Schöpfer der "Protokolle" zum Beispiel aus den historisch-politischen Romanen von Hermann Ottomar Friedrich Goedsche, einem Redakteur der konservativen preußischen Kreuzzeitung, der unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe Romane veröffentlichte.

Goedsche war bestrebt, seiner Leserschaft eine antiliberale Überzeugung in einem geschlossenen Weltbild zu vermitteln.[51] Seine Bücher wären längst in Vergessenheit geraten, wäre da nicht eine Szene in seinem Roman "Biarritz" (1868). Sie spielt auf dem berühmten Prager Judenfriedhof. Alle hundert Jahre, so der Roman, treffen sich hier die Vertreter der zwölf jüdischen Stämme, um über den Stand der Welteroberung zu beraten. Der Autor führt an dieser Stelle die wesentlichen politischen und ökonomischen Entwicklungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die organisierten Aktivitäten der jüdischen Minderheit zurück. Damit leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Popularität der Denkfigur einer jüdischen Weltverschwörung und lieferte eine literarische Schablone, auf die andere Autoren zurückgreifen konnten.[52] Die besagte Szene wurde seit 1881 auch in eigener Form als "Rede eines Oberrabbiners in geheimer Versammlung" veröffentlicht und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Entlarvung als Fälschung konnte die Verbreitung des Textes kaum aufhalten. Als die Feststellung, es handele sich um "Schundliteratur", zwei Jahre später durch eine Berufungsinstanz in der Schweiz wieder aufgehoben wurde, feierten Antisemiten das Verfahren als Bestätigung für die Echtheit des Textes. Angesichts der propagandistischen Wirkung der "Protokolle der Weisen von Zion" ist ihre Echtheit aber von zweitrangiger Bedeutung, auch, weil Beweise, dass es sich um eine Fälschung handelte, als Lügen der jüdischen Medienmacht abgetan und so selbst zum Bestandteil der Verbreitung wurden.[53]

1903 erschienen erstmals die Protokolle der Weisen von Zion als Flugschriften auf Russisch, um die Bevölkerung zu Pogromen gegen Juden aufzuhetzen.[54] Die zweite große Pogromwelle wurde wahrscheinlich von solchen Gruppen organisiert. Sie begann am Osterfest 1903 in Kischinjow und griff rasch auf Gomel, dann Hunderte weiterer Orte über. Der gesetzlich vorgeschriebene Eingriff des Militärs unterblieb, und die Regierung stellte die Pogrome als angeblich „spontane Racheakte“ der christlichen Bevölkerung an jüdischen Revolutionären hin. Das wiederholte sich während der ersten russischen Revolution 1905.

1905 gab Sergej A. Nilus sie als Anhang in seinen Büchern heraus; der Text stammte vom zaristischen Geheimdienst Ochrana und fasste dessen antisemitische Motive zusammen. Im Anschluss an ältere russische und französische Vorläufer und Vorlagen stellte das Pamphlet eine Verbindung zwischen Sozialismus, Kapitalismus, Freimaurerei und Zionismus her. Es führte neuzeitliche Revolutionen wie in Frankreich 1789, Kriege und andere negativ gedeutete Ereignisse auf eine angebliche Geheimelite des monolithisch verstandenen Judentums zurück, die eine angebliche jüdische Weltherrschaft zum Schaden aller übrigen Völker anstrebe.[55] Damit begründete es auch die Vorstellung eines jüdischen Bolschewismus Die deutsche Übersetzung und Veröffentlichung von 1920 schaffte die Voraussetzung dafür, dass diese Verschwörungstheorie in der Weimarer Republik und besonders im Nationalsozialismus als „tödliches Mobilisierungs- und Manipulationsinstrument“ fungieren konnte.

Eine ganz neue und grausame Qualität bekam der russische Antisemitismus in den Jahren zwischen 1881 und 1906. Diese Phase der Geschichte der russischen Juden kann man als die Zeit der Pogrome bezeichnen.

Bei der Suche nach den Gründen für diese Pogrome muss zwischen zwei Phasen dieser Pogromwellen unterschieden werden.

Die erste Pogromwelle, etwa 250 Pogrome, ereignete sich zwischen 1881 und 1884. Als deren Auslöser gilt die Ermordung des Zaren Alexander II. im Jahre 1881, welche das Resultat einer vermeintlichen jüdischen Verschwörung, die der Bevölkerung in einer antisemitischen Kampagne vorgetäuscht wurde, gewesen sei. Epizentrum des ersten Pogroms war das Gouvernement Cherson. Insbesondere von 1881 bis 1882, vereinzelt noch bis 1884, kam es zu gewalttätigen Übergriffen. In zahlreichen Städten des südlichen Russlands brachen Pogrome aus: 1881 in Jelisawethrad und Kiew, 1882 in Balta, 1883 in Jekaterinoslaw, Krywyi Rih, Nowomoskowsk usw. und 1884 in Nischni Nowgorod. Jüdische Häuser, Geschäfte, vor allem aber Wirtshäuser wurden geplündert. Es kam zu Vergewaltigungen und Morden, deren Zahl nur zu schätzen ist. Aronson geht allein für 1881 von 40 Todesopfern und 225 Vergewaltigungen aus. Nach Irwin Michael Aronsons Untersuchungen waren die Pogrome von 1881 bis 1884, entgegen vorherrschender Meinung, von der zaristischen Staatsmacht weder initiiert noch gewollt. Vielmehr war die Regierung äußerst beunruhigt, denn sie verstand die Vorkommnisse als Teil des revolutionären Plans. Das schließt die Duldung oder Mitwirkung einzelner lokaler Behörden nicht aus.

Die Tatsache, dass die russische Intelligentzia den Aufrührern Gleichgültigkeit oder auch Sympathie entgegenbrachte, schockierte zahlreiche Juden, besonders die Maskilim. Unter dem neuen Zaren Alexander III: wurden Provinzkommissionen ernannt, um die Ursachen der Pogrome zu ergründen. Im Wesentlichen kamen diese Kommissionen zu dem Schluss, dass die Ursache der Pogrome in der „jüdischen Ausbeutung“ läge. Aufgrund dieser Ergebnisse wurden im Mai 1882 die Zeitweiligen Gesetze erlassen, welche den Juden verboten, sich außerhalb von Städten und Kleinstädten niederzulassen. Als Reaktion darauf kam es zu einem Ansturm von jüdischen Schülern auf Mittel- und Hochschulen, worauf in einem neuen Gesetz 1886 der Anteil jüdischer Studenten in Sekundarschulen und Universitäten innerhalb des Ansiedlungsrayons auf 10 % und außerhalb auf 3–5 % beschränkt wurde. Dieser Numerus clausus trug viel zur Radikalisierung der jüdischen Jugend in Russland bei. 1884 kamen die Pogrome zu einem Ende, doch administrative Schikanen blieben weiterhin an der Tagesordnung. 1891 begann die systematische Vertreibung der meisten Juden aus Moskau. Von Konstantin Pobedonoszew, dem persönlichen Berater von Zar Alexander III., ist folgender Ausspruch überliefert: „Ein Drittel (der russischen Juden) wird sterben, ein Drittel wird auswandern, und das letzte Drittel wird im russischen Volk völlig assimiliert werden.“[56]

Die Ursachen dieses verbreiteten Antisemitismus auf einen Faktor zu reduzieren ist sicherlich verkehrt. Ein wichtiger Faktor war die Tatsache, dass der exklusive Nationalismus im Europa und auch im Russland des 19.Jahrhunderts, vor allem ab den 1870er Jahren, einen verstärkten Fremdenhass und somit auch Antisemitismus mit sich brachte. Es wird als weitere Ursache für die Pogrome angeführt, dass sich große Teile der russischen Bevölkerung, bedingt durch die beschleunigte Industrialisierung und Modernisierung, in einer ökonomisch schwierigen Lage befanden. Dies wurde auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Juden zurückgeführt. Die große Anzahl an Wanderarbeitern, die sich an diesen Pogromen beteiligten, scheint diese These zu bestätigen. Denn die wirtschaftliche Situation der Wanderarbeiter war zu dieser Zeit sehr schlecht. Der wirtschaftlich bedingte Antisemitismus verschärfte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so stark, dass er sich, ergänzt durch weitere Ursachen, in Form von gewalttätigen Ausschreitungen gegen die Juden entlud. Dass die russische Regierung diese Pogrome angezettelt hat, was in der älteren Historiographie häufig behauptet wurde, scheint ausgeschlossen. Ein potentielles Ausufern dieser Ausschreitungen wäre eine zu große Gefahr für die Regierung selbst gewesen.[57]

Bei der zweiten Pogromwelle zwischen 1903 und 1906, etwa 600 Pogrome, schließt auch die revisionistische Historiographie, die den Verschwörungstheorien der älteren Historiographie ablehnend gegenübersteht, eine teilweise Verstrickung lokaler Behörden nicht aus. Diese Ausschreitungen waren wesentlich blutiger als die Pogrome 20 Jahre zuvor. Sie hatten einen urbaneren Charakter. Träger der Pogrome war nun vor allem die städtische Mittel- und Unterschicht. Neben den Ursachen, vor allem der wirtschaftlich schlechten Situation, die bereits bei der ersten Pogromwelle erwähnt wurden, spielte bei den Pogromen von 1903 bis 1906 die Tatsache, dass sich unverhältnismäßig (im Vergleich zum Anteil an der Bevölkerung) viele Juden in sozialrevolutionären Parteien organisierten, eine wichtige Rolle. Die Ursache dafür lag vor allem in den wirtschaftlichen Beschränkungen der Juden, die zur Folge hatten, dass diese, trotz ihres Bildungsstandes, nicht in die Wirtschaft integriert werden konnten und somit zunehmend verarmten. Juden und linke Gruppierungen sowie Parteien wurden infolgedessen sehr häufig als identisch angesehen, was zur Folge hatte, dass sich zu den vielen Vorurteilen gegenüber den Juden nun auch das des Revolutionärs gesellte. „Im ‚Juden‘ waren die Feinde der traditionellen, agrarischen und autokratischen russischen Gesellschaft in einer Gestalt vereinigt.“[58]

Mit dem Abebben der Pogrome verbesserte sich die Lage der russischen Juden nicht wesentlich. Die bestehenden Einschränkungen blieben bestehen. Antisemitische Agitationen blieben an der Tagesordnung, vor allem vor Duma-Wahlen (seit 1905), um die „jüdische Linke“ zu diskreditieren. Die Gesellschaft des Zarenreiches war geprägt von Gegensätzen. Und in dieser angespannten innenpolitischen Lage war Russland, sowie der restliche Teil Europas in den Ersten Weltkrieg involviert.

Ein weiteres großes Pogrom fand Ostern 1903 unter der Agitation der nationalistischen „Schwarzen Hundert“ in Kischinew statt, schwappte im selben Jahr nach Gomel über. Unterschwellig flammte es immer wieder weiter, bis die Pogrome 1905 Hunderte von Ortschaften erfasste. Sie verliefen weitaus blutiger als jene der vorangegangenen Jahre (1881-1882). Der damalige Innenminister W.K. Plewe (1846-1904) stellte diese Pogrome als Racheakte der christlich-patriotischen russischen Menschheit gegen die jüdischen Revolutionäre hin.[59]

Die Pogrome und restriktiven Erlasse sowie der administrative Druck führten zu einer Massenauswanderung. Zwischen 1881 und 1914 verließen etwa 2 Millionen Juden Russland, viele unter ihnen emigrierten in die USA. Zwar nahm infolge der hohen Geburtenrate die jüdische Bevölkerung Russlands nicht ab, ihre wirtschaftliche Situation verbesserte sich jedoch, insbesondere auch durch die finanzielle Unterstützung durch Emigranten aus dem Ausland. Zur Regelung dieser massenhaften Auswanderung wurden verschiedene Projekte unternommen. Das bedeutendste Vorhaben stammte vom jüdischen Philanthropen Maurice de Hirsch, welcher 1891 mit der russischen Regierung eine Vereinbarung zur Übersiedlung von 3 Millionen Juden innerhalb von 25 Jahren nach Argentinien traf und zu diesem Zweck die Jewish Colonization Association (ICA) gründete. Das Argentinien-Projekt kam zwar nicht zur Ausführung, doch ICA konnte landwirtschaftliche Ansiedlungsprojekte von Juden sowohl in den Auswanderungsländern als auch in Russland selbst fördern. Ein weiteres Projekt für auswanderungswillige russische Juden, das ebenfalls nicht zur Ausführung kam, war das Britische Uganda-Programm.

Die wirtschaftliche Situation im Land verschlechterte sich aufgrund einer Rezession zusehends.[60] Die Arbeitslosigkeit in den Industriezentren stieg rasch, da Staatsaufträge ausblieben, und es gab Schwierigkeiten in der Landwirtschaft, da die Exportmärkte zusammenbrachen. Die als Folge der Kriege und der wirtschaftlichen Krise schärfer zutage tretenden sozialen Missstände führten zu wachsendem Unmut in weiten Kreisen. Durch die Initiative des jungen orthodoxen Priesters Gapon wurde Anfang 1904 ein neuer Versuch einer staatlich geförderten Arbeiterorganisation in Petersburg unternommen.[61] Diese radikalisierte sich im Gleichschritt mit der übrigen Opposition im Laufe des Jahres. Auch Gapon solidarisierte sich mit den gewerkschaftlichen Forderungen dieser Arbeiter. Als Angehörige seiner Organisation um die Jahreswende von den Putilow-Werken, dem größten Rüstungsbetrieb der Hauptstadt, entlassen wurden, gingen die Arbeiter unter der Leitung des Priesters zum Streik über.

Gapon entwarf eine Petition an den Zaren Nikolaus II. mit einem Ersuchen von ökonomischen und politischen Reformen.[62] Ikonen, Fahnen mit christlichen Embleme und sogar Bilder des Zaren und seiner Frau tragend, sangen die Arbeiter die Hymne Gott behüte den Zaren. Der Marsch der unbewaffneten Arbeiter auf das Winterpalais traf die Regierung nicht unvorbereitet. Diese deutete ihren verzweifelten Marsch als nicht genehmigte Demonstration. Bereits vor dem Narwa-Tor wurde sie von Soldaten aufgehalten, die auch auf die Menschenmenge schossen. Am Nachmittag kam es erneut zu Zusammenstößen rund um das Winterpalais, bei denen die Armee erneut auf die Bevölkerung schoss. An diesem „Petersburger Blutsonntag“ zerriss die Bande zwischen dem Zaren und dem einfachen Volke endgültig. Während sich die Streiks im gesamten Reich ausbreiteten, erklärten in der Hauptstadt alle Schichten der Bevölkerung ihre Solidarität in einer großen Welle einhelligen Protests.[63]

Unter diesem Druck unterzeichnete der Zar das Oktobermanifest. Hierin wurden staatsbürgerlichen Grundrechte garantiert, die Beschränkungen des Wahlrechts für die einzuberufende Duma im Wesentlichen aufgehoben und erklärt, dass kein Gesetz ohne Zustimmung der Duma erlassen werden konnte und die Volksvertreter die Legalität aller administrativen Maßnahmen effektiv kontrollieren können würden.[64] Für die Duma wurde das allgemeine Wahlrecht allerdings lediglich für männliche Bürger in Aussicht gestellt. Das Manifest gewährte zudem bürgerliche Grundrechte: Persönlichkeitsrechte, Religions- und Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit. Das Oktobermanifest ist damit Vorläufer der ersten russischen Verfassung.[65] In den Augen des Bürgertums, aber auch vieler einfacher Leute, war mit den Zusagen des Manifests das Ziel der Auflehnung erreicht. In der praktischen Politik veränderte das Manifest des Zaren jedoch nicht viel. Er hielt weiterhin große Macht über die Duma und blockierte diese vielfach durch sein Vetorecht.

Das 1905 vorgelegte Oktobermanifest war ein taktisches Zugeständnis an die revolutionären Unruhen und Streikbewegungen, wurde aber von Anfang an von den bolschewistischen Kräften und anderen sozialistischen Organisationen im Land sehr kritisch gesehen. Der Zar wollte vor allem eine innenpolitische Atempause erreichen. In dem Manifest hieß es: „Wir rufen alle treuen Söhne Rußlands auf, ihrer Pflicht gegen das Vaterland eingedenk zu sein, zur Beendigung der unerhörten Wirrsal zu helfen und mit Uns alle Kräfte zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung des Friedens auf dem Heimatboden anzuspannen.“[66]

Die zaristische Regierung hatte einen Pyrrhus-Sieg errungen. Zunächst konnte sie den revolutionären Kampf noch unterdrücken, es schien aber nur eine Frage der Zeit zu sein, wann die russische Monarchie zusammenbrechen würde.

Als sich der Zar seiner militärischen und politischen Macht wieder sicher war, nahm er die im Oktobermanifest erreichten Zugeständnisse wieder zurück.[67] Mit der Auflösung der 2. Staatsduma und der Einführung eines neuen Wahlrechts durch Nikolaus II. im Juni 1907, wodurch die Vorherrschaft konservativer Kräfte im Parlament sichergestellt wurde, wurden die erreichten Reformen weitgehend entkräftet.

Die Geschwindigkeit der industriellen Entwicklung ab den 1890er Jahren führte zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüchen.[68] Als Motoren der Industrialisierung galten neben dem Bau der Sibirischen Eisenbahn, die Kapitalbildung über ein Bank- und Kreditwesen, Kapital aus dem Ausland sowie eine protektionistische Außenpolitik. In den Städten St. Petersburg und Moskau sowie im Ural und der südlichen Ukraine entstanden Industriezentren. Diese Modernisierung des Russischen Reiches und Anpassung an westeuropäische Entwicklungen, die mit wachsender Mobilität einherging, stand die sich nur langsam ändernde sozio-ethnische Struktur des Vielvölkerreichs gegenüber. Die sozialen und nationalen Fragen trugen zur Instabilität des Reiches bei.[69] Es gelang dem Zaren nicht, die Wurzel der aufkommenden Nationalkonflikte und der Unzufriedenheit der breiten Bevölkerungsmasse zu bekämpfen. Er hielt immer noch an einem auf die orthodoxe Kirche gestütztes Reich, das militärische Stärke gegenüber dem Ausland und seinen imperialen Gebieten demonstrieren sollte, fest und ignorierte die realen offenen Problemfelder.[70]

Mit der Wendung der russischen Gesellschaft zur kapitalistischen Ordnung wurde die Reform der inneren Verhältnisse noch dringlicher. Eine wirtschaftende Mittelschicht war am Entstehen, die ihren Anteil an der Verfügung über die Staatseinnahmen und die Mitverantwortung für die öffentlichen Angelegenheiten erstrebte.[71] Dieses neue Bürgertum hatte sich verhältnismäßig rasch entwickelt, erwuchs aber nur zu einem geringen Teil aus einem Stande selbstständiger Handwerker mit eigenen Traditionen der Selbstverwaltung. Diese Mittelschichten waren zwar noch nicht in ein gemeinsames politisches Bewusstsein integriert, doch die Intelligenzia hat ihnen die Forderungen des Tages vermittelt. Politische Freiheit war für den wirtschaftenden Stand weder ein abstraktes noch moralisches Ziel, sondern meinte konkret Freiheit der materiellen Entfaltung und Besteuerung. Waren diese Ansprüche erfüllt, so konnte der Mittelstand durchaus als stabilisierender Faktor des öffentlichen Lebens wirken. Zarenhof und die höhere Beamtenschaft verstanden nicht, dass der Industrialisierung als staatlicher Politik eine neue politische Struktur entsprechen musste.[72]

Nach der russischen Revolution 1905 wurden die antijüdischen Gesetze weiter verschärft und blieben bis zur Februarrevolution 1917 in Kraft. So war der russische Antisemitismus, gestützt auf den ländlichen Antijudaismus, eine kaum verhohlene halboffizielle Maßnahme zur Verhinderung der Sozialrevolution. In diesen Jahrzehnten erfolgte die zweite und dritte Alijah von Juden nach Palästina.

Bei Kriegsbeginn 1914 stand die Mehrheit der russischen Bauern hinter der Zarenregierung, die im Bündnis mit Großbritannien und Frankreich stand. Der für Russland ungünstige Kriegsverlauf und die schlechte Versorgung der Zivilbevölkerung führten jedoch bald zu einem Stimmungsumschwung. Die Protestbereitschaft wuchs, zumal Zar Nikolaus II., der seit August 1915 den militärischen Oberbefehl führte, geforderte Reformen ablehnte und stattdessen die polizeiliche Überwachung der Bevölkerung ausweitete.

Die bürgerliche Februarrevolution unter Kerenski brachte allen Minderheiten, auch den Juden, 1917 die rechtliche Gleichstellung.[73] 140 antijüdische Gesetze wurden aufgehoben. Die durch den Rücktritt entstandene neue Machtsituation überraschte die bürgerlichen Parteien. Die Duma setzte eine Provisorische Regierung zunächst unter Ministerpräsident Lwow und dann unter Kerenski ein. Eine erste Amtshandlung war die Verkündung von Grundrechten. Aus der Revolutionsbewegung entstanden parallel dazu Arbeiter- und Soldatenräte, die aus Menschewiki, Bolschewiki und Sozialrevolutionären bestanden. Die Kommunisten und Sozialrevolutionäre führten unter der Losung Alle Macht den Sowjets die Revolution weiter und verhinderten die Bildung einer bürgerlichen parlamentarischen Demokratie.

Beide Organe kooperierten und konkurrierten im Folgenden miteinander, ohne wirklich die volle Macht zu übernehmen.[74] Währenddessen ereignete sich in der Provinz eine regelrechte Bauernrevolution, der die Provisorische Regierung machtlos gegenüberstand. Dabei organisierten sogenannte Bauernkomitees die Zwangsenteignung der Gutsbesitzer. Die von seinen Anhängern umjubelte Rückkehr Lenins nach Russland am 3. April 1917 veränderte die Situation. Sein politisches Programm umfasste neben der sofortigen Beendigung des Krieges vor allem keinerlei weitere Unterstützung der provisorischen bürgerlichen Regierung, da er diese für kapitalistisch und unfähig hielt. Besonders die Beendigung des Krieges wurde zum Streitthema der Verantwortlichen.[75]

Die neun Monate nach der Februarrevolution 1917 bildeten in der Geschichte des russischen Judentums eine kurze Blütezeit.[76] Am 16. März 1917 hob die provisorische Regierung als eine ihrer ersten Maßnahmen sämtliche Beschränkungen gegen Juden auf und erteilte ihnen gleichzeitig die Möglichkeit, in der Verwaltung tätig zu sein, als Anwälte zu praktizieren und in der Armee aufzusteigen. Die russischen Juden beteiligten sich aktiv an der Revolution und nahmen am politischen Leben teil, das im ganzen Land aufblühte. Auch die zionistische Bewegung verzeichnete unter den russischen Juden großen Zulauf. Im Mai 1917 wurde die siebte Konferenz der russischen Zionisten in Petrograd abgehalten, an der 140.000 Mitglieder vertreten waren. In vielen russischen Städten bildeten sich Jugendgruppen unter dem Namen Hechalutz („Der Pionier“), die sich auf die Alija nach Palästina vorbereiteten. Im November 1917 wurde die Nachricht der Unterzeichnung der Balfour- Deklaration mit Begeisterung aufgenommen.

Mit dem militärischen Umsturz durch die Oktoberrevolution in der Nacht zum 25. Oktober/ 7. November 1917 wurde die Provisorische Regierung von den marxistisch-kommunistischen Bolschewiki unter Wladimir Iljitsch Lenin gestürzt. Lenin proklamierte die Sozialistische Sowjetrepublik. Sie wurde von dem Politbüro der KP und dem Rat der Volkskommissare – dem Pendant zu einer bürgerlichen Regierung– unter seiner Führung geleitet. Die Duma wurde durch den Kongress der Volksdeputierten ersetzt, der gegenüber der Parteiführung und den Räten jedoch machtlos war.

Insgesamt machte der Anteil der nationalen Parteien etwa 22 Prozent der Stimmen aus.[77] Als sich die Konstituante, die am 18. Januar (alt.: 5. Januar) zusammentrat, weigerte, ihre Kompetenzen auf die Sowjetmacht zu übertragen, ließ Lenin sie mit Waffengewalt auflösen. Den darauf folgenden massiven Protest zigtausender Demonstranten, die "Alle Macht der Konstituierenden Versammlung" forderten, ließ die Sowjetregierung mit allen Mitteln unterdrücken. Mit dem Argument, die "Konterrevolution" zu bekämpfen, wurden noch 1917 die Pressefreiheit eingeschränkt, Arbeitermilizen bewaffnet und die berüchtigte politische Polizei Tscheka gegründet.[78]

Das Deutsche Kaiserreich hatte die Rückkehr Lenins nach Petrograd unterstützt, weil es auf den Zusammenbruch des Zarenreichs und einen schnellen Separatfrieden an der Ostfront setzte. Die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk (22. 12. 1917 - 10. 2. 1918, alt.: 9. 12. 1917 - 28. 1. 1918) scheiterten aber zunächst, sodass die deutschen Truppen eine erneute Offensive starteten und nun fast ohne Widerstand weit bis an die Narwa, nach Pskow und Kiew vordrangen. Mit dem von Lenin am 3. März 1918 akzeptierten "Diktatfrieden" verlor Sowjetrussland fast 30 Prozent seiner Vorkriegsbevölkerung und 18 Gouvernements.[79]

Als Ende 1918 die Mittelmächte aus der Ukraine abzogen, kam es zu jahrelangen Kämpfen zwischen der Roten Armee, den "Weißen", den Streitkräften der frisch ausgerufenen Ukrainischen Volksrepublik unter dem Kosaken Symon Petljura (1879-1926) und dem Anarchisten Nestor Machno (1888-1934), der bis zu 50.000 Mann anführte, die ihre eigene Vorstellung von der Agrarrevolution mit der Waffe verteidigten: das Land den Bauern, Handelsfreiheit und frei gewählte Sowjets "ohne Moskauer und Juden".[80]

Doch im Russischen Bürgerkrieg nach der bolschewistischen Oktoberrevolution kam es zu den bislang schwersten Pogromwellen in den von den „weißen“ Konterrevolutionären besetzten Gebieten. Dabei starben – vor allem in der Ukraine – etwa 60.000 Juden.[81] Zwischen 1917 und 1921 fanden rund 1.500 Pogrome in Weißrussland und der Ukraine statt, bei denen mehr 150.000 Juden umkamen.

Erst in der letzten Phase der Machtausübung Stalins wurde der ruhig gestellte Antisemitismus wieder virulent. Dieser Prozess wurde auch in den anderen moskauhörigen sozialistischen Staaten weiterverbreitet.

Stalin und die „Ärzteverschwörung“

Die Ausschaltung unabhängiger Sozialisten bzw. Kommunisten in den von der UdSSR dominierten Ländern Osteuropas führte dort zur Alleinherrschaft der stalinistischen Kräfte. 1948 kam es zum Bruch mit Marschall Tito, der einen Partisanenkampf gegen die nationalsozialistische deutsche und die faschistische italienische Besatzung im Zweiten Weltkrieg angeführt und die Föderative Volksrepublik Jugoslawien als einen von der Sowjetunion unabhängigen sozialistischen Staat etabliert hatte.[82]

Die zunächst wohlwollende Haltung der Sowjetunion gegenüber dem Staat Israel wandelte sich im Zuge dessen Annäherung an die westliche Staatengemeinschaft. Im Januar 1948 kam Solomon Michoels, der Vorsitzende des Jüdischen Antifaschistischen Komitees, unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall in Minsk ums Leben. Zur selben Zeit wurden sämtliche jüdischen kulturellen Einrichtungen in der Sowjetunion aufgelöst. Im November 1949 wurde das antifaschistische Komitee aufgelöst und seine Mitglieder verhaftet. Sowjetische Zeitungen führten eine aggressive Kampagne gegen „wurzellose Kosmopoliten“, mit denen in aller Regel Juden gemeint waren.[83] 25 führende Mitglieder des antifaschistischen Komitees wurden der Zusammenarbeit mit dem Zionismus und dem US-amerikanischen Imperialismus angeklagt, wobei das „Krim-Projekt“ als „imperialistische Verschwörung“ zur Abspaltung der Krim von der UdSSR dargestellt wurde.[84]

Stalins Selbstverherrlichung nahm in seinen letzten Lebensjahren pathologische Formen an, als der vom Verfolgungswahn Besessene seinen nächsten Mitarbeitern Misstrauen bezeugte, ihre Beseitigung plante und in Einzelfällen auch anordnete.[85] Unschuldige Mitarbeiter wurden als „Feinde“ behandelt und loyale Kommunisten wurden unter falschen Anschuldigungen zu Tausenden hingerichtet. Den extremsten Ausdruck politischer Entfremdung begegnet man in Stalins Staatsverständnis, wonach ein sozialistischer Staat als Folge „der kapitalistischen Umkreisung (…) seinen Staat, die Staatsorgane, die Organe des Abwehrdienstes, die Armee nicht schwächen darf, sondern sie mit allen Mitteln stärken muss, wenn dieses Land nicht durch die kapitalistische Umkreisung zertrümmert werden will.“[86] Diese Paranoia, von westlichen, feindlichen Spionen umgeben zu sein, führte zu Stalins „Säuberungsaktionen“ innerhalb der Partei und seiner Umgebung. Unter diesen Massenmorden fiel auch die sogenannte Ärzteverschwörung, die auch eindeutig antisemitischen Charakter aufweist.

Die Ärzteverschwörung war eine angebliche Verschwörung von Medizinern vor allem jüdischer Herkunft, um die oberste sowjetische Politik- und Militärführung zu vergiften. Ihre „Aufdeckung“ führte zu zahlreichen Verhaftungen und Hinrichtungen.[87] Dabei handelte es sich um eine vorgeschobene, von Stalin und einigen Gefolgsleuten fabrizierte Verdächtigung. Die Affäre ist auch als Ausdruck des auch zur Zeit des Sowjetkommunismus weit verbreiteten Antisemitismus zu sehen.

Im Zuge des sich zuspitzenden Kalten Krieges sah Stalin zunehmend in jüdischen Menschen in hochrangigen Positionen angebliche „imperialistische Agenten“. In einer Sitzung des Politbüros am 1.Dezember 1952 erklärte Stalin: „Jeder jüdische Nationalist ist ein Agent des amerikanischen Geheimdienstes. Die jüdischen Nationalisten glauben, ihre Nation sei von den USA gerettet worden (dort kann man reich, bourgeois usw. werden.). Sie glauben, den Amerikanern gegenüber eine Schuld zu tragen. Unter den Ärzten gibt es viele jüdische Nationalisten.“[88]

Unter den Opfern waren Solomon Michoels, Schauspieler und Direktor am Staatlichen Jüdischen Theater Moskau und Vorsitzender des Jüdischen Antifaschistischen Komitees, der auf Stalins Befehl im Januar 1948 umgebracht wurde, und als „wohlbekannter jüdischer bourgeoiser Nationalist“ bezeichnet wurde, Dr. Boris Schimeljowitsch, ein ehemaliger Oberster Chirurg der Roten Armee und Direktor des Botkin-Krankenhauses, Miron Wowsi, Stalins Leibarzt und ein Bruder Michoels’, Jakow Etinger, ein weltbekannter Kardiologe, A. Feldman, HNO-Arzt, A. Grinschtein , Neuropathologe, Boris Kogan, Therapeut, Michail Kogan, I. Jegorow und Wladimir Winogradow. Bis auf zwei waren alle von ihnen Juden.[89] Am 12. Februar wurde die Moskauer Ärztin Maria Weizmann, Schwester des ersten israelischen Präsidenten Chain Weizmann, der 1952 verstorben war, verhaftet.[90] Zu den Opfern gehörte auch sein Landsmann und getreuer Freund Sergo Ordschonikidse, den Stalin durch seine Machenschaften qualvoll in den Selbstmord trieb.

Stalins ehemaliger Vertrauter, Nicolai Wosnessenski, wurde am 1. März 1949 aus dem Politbüro ohne nähere Begründung ausgeschlossen und bald darauf inhaftiert. Im September 1950 fand die Verhandlung gegen ihn und andere Parteifunktionäre statt, denen vorgeworfen wurde, einen Kampf gegen die Partei und ihr ZK zu führen. Er sowie der Sekretär des Zentralkomitees für Angelegenheiten der Staatssicherheit Alexei Kusnezow, der Vorsitzende des Ministerrats der Russischen RSFSR Michail Rodionow, der Erste Sekretär der Leningrader Partei Pjotr Popkow und viele andere hohe Parteifunktionäre verloren ihr Leben.

Im Zuge der angeblichen Verschwörung wurden Juden reihenweise aus dem Staatsdienst entlassen, verhaftet, in Lager geschickt oder hingerichtet.[91] Dies wurde von Schauprozessen und antisemitischer Propaganda in den staatlichen Massenmedien begleitet. Viele sowjetische Juden verloren ihre angesehene berufliche Stellung. Stellten 1947 die Juden noch 18 Prozent der sowjetischen Berufstätigen mit akademischer Ausbildung, so schrumpfte diese Zahl bis 1970 auf nur noch 7 Prozent.

Artikel des Schriftsteller Ilja Ehrenburg, zweifacher Stalinpreisträger war, wurden plötzlich nicht mehr gedruckt und auf einer Massenversammlung wurde − wahrheitswidrig − die Verhaftung des „Kosmopoliten Ehrenburg“ bekanntgegeben. Ehrenburg richtete daraufhin einen Brief an Stalin mit der Bitte um „Beendigung der Ungewissheit“. Tatsächlich wurden daraufhin seine Artikel wieder publiziert.

Juden und ihre Kultur wurde von den sowjetischen Behörden unterdrückt, und sogar das Wort Jude verschwand aus den Medien.[92] Diese als Antizionismus ausgegebenen Maßnahmen sollten nur den antisemitischen Charakter verschleiern, die Bezeichnung „Jude“ war kurz nach dem Holocaust wieder ein Grund, seines Lebens nicht mehr sicher zu sein.

Die stalinistische Verfolgung wurde bald auch von seinen treuen Vasallen außerhalb von Moskau durchgeführt. In der Ukraine beispielsweise wurde eine angeblich vom Endokrinologen Wiktor Kogan-Jasny, der erste, der in der UdSSR Diabetis mellitus mit Insulin behandelt und damit tausende Leben gerettet hatte, angeführte Ärzteverschwörung aufgedeckt. 36 Verschwörer wurden dort verhaftet.

Der Rajk-Prozess in Ungarn und der Fall Merker in der DDR

Die Verfolgung, Verurteilung und Ermordung von Juden als „imperialistische Agenten“ breitete sich in den moskauhörigen sozialistischen Staaten Osteuropas aus. Auch in Ungarn sollte der Staatsapparat von angeblichen Antistalinisten gesäubert werden.[93]

Im Mai /Anfang Juni 1948 wurde der ungarische Staatspräsident Rákosi nach Moskau beordert, wo er von Beria die Anordnung erhielt, an der Spitze der ungarischen kommunistischen Partei eine „titoistische“ Verschwörung zu entlarven und die potenziellen Titoisten zu beseitigen. Rákosi und Beria einigten sich auf den damaligen Außenminister Laszlo Rajk als „Hauptverschwörer“.[94]

Lászlo Rajk war 1946-1948 ungarischer Innenminister, dann bis zu seiner Verhaftung am 30.05.1949 Außenminister. Er war überzeugter Kommunist und Anhänger Stalins. Rajk war an der Zerschlagung der bürgerlichen ungarischen Parteien und der Verhaftung ihrer Anführer als Innenminister maßgeblich beteiligt. Im Mai/Anfang Juni 1948 wurde der ungarische Kommunist Mátyás Rákosi nach Moskau beordert, wo er von Beria die Anordnung erhielt, an der Spitze der ungarischen kommunistischen Partei eine „titoistische“ Verschwörung zu entlarven und die potentiellen Gegner zu beseitigen. Rákosi und Beria einigten sich auf Rajk als Hauptverschwörer.

Es wurden Listen mit angeblichen Verschwörern abgefasst, die zunächst Freunde und Kollegen Rajks im Innenministerium und in der Polizei aufführten. Hinzu kamen ehemalige Mitkämpfer Rajks aus den internationalen Brigaden des Bürgerkrieges.

Ausgewählte Mitglieder der ungarischen Intelligenz, die eine Zulassung als Anwalt besaßen, wurden ernannt, um Rajk zu verteidigen und den Charakter eines Schauprozesses zu verschleiern.[95]

Rajk leugnete zu Beginn alle Vorwürfe, aber seine Genossen János Kádár, seinerzeit Innenminister, und Mihály Farkas, die ihn verhörten, überzeugten ihn, dass das Ziel des Prozesses nur die Einschüchterung der gemeinsamen imperialistischen Feinde sei und keine Todesstrafe verhängt würde. Rajk gestand daraufhin alle Vorwürfe ein, so wie es seine Genossen gefordert hatten. Sein Geständnis wurde aber von der ungarischen Staatssicherheit (AVH) aufgenommen und kurz darauf im ungarischen Radio gesendet. Als ein verschlüsseltes Signal an seine Familie hatte Rajk ein falsches Geburtsdatum genannt.

Am 16. September begann der zwei Wochen dauernde Prozess gegen Rajk und sieben weitere Angeklagte. Die Anklage lautete auf „Titoismus“ und Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten. Im Verlauf dieser Schauprozesse lieferten die Beschuldigten ihre „Geständnisse“. Rajk und ein anderer Angeklagter wurden zum Tode verurteilt, die übrigen zu lebenslangen und hohen Zuchthausstrafen. In der Folge kam es zu umfangreichen Verhaftungen von „Rajkisten“.

Dazu gehörte György Palffy, ehemaliger Offizier der ungarischen Armee, 1940 zu den Kommunisten übergetreten, der 1945 zum Leiter der Militärpolitischen Abteilung des Verteidigungsministeriums ernannt wurde. Tibor Szönyi war vorher Leiter der Kaderabteilung der KP und Hauptrepräsentant der aus dem Westen zurückgekehrten Kommunisten. Andras Szalai war ehemaliger ungarischer Untergrundkämpfer, der Ende 1943 verhaftet wurde. Bela Korondy hatte während des 2. Weltkrieges Teilnahme am bewaffneten Widerstand teilgenommen, war 1945 der Kommunistischen Partei beigetreten und bekleidete hoher Posten im Verteidigungs- und später im Innenministerium.

Am 27.03.1956 veröffentlichte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Ungarns eine offizielle Erklärung, die Rajk rehabilitierte.[96] Eine Überprüfung des Verfahrens habe dessen Unrechtmäßigkeit ergeben, da die Geständnisse von Rajk und zweier seiner Mitangeklagten durch Folter erpresst worden seien. Danach wurde angeordnet, die Leichen der Hingerichteten, die in einem Wald bei Budapest verscharrt worden waren, würdig zu begraben.[97]

Im Jahre 1951 wurde auch János Kádár der angeblichen Unterstützung Titos angeklagt und verhaftet. Ein letzter Geheimprozess 1953 sollte die Ermordung des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg durch zionistische Verschwörer „beweisen“. Nach dem Tod Stalins schloss sich ab Juni 1953 unter Ministerpräsident Imre Nagy eine Periode vorsichtiger Liberalisierung an. Mit der Entmachtung Nagys 1955 durch die weitgehend unverändert gebliebene Parteispitze ging eine Restauration einher.

Viele jüdische Heimkehrer spielten in politischen und kulturellen Angelegenheiten in der DDR. eine wichtige Rolle. Neben Paul Merker etwa Albert Norden und Hermann Axen, die Mitglieder des SED-Politbüros wurden, Alexander Abusch (Kulturminister 1961), Klaus Gysi (Kulturminister 1966–1973), die Schriftsteller Stephan Hermlin, Stefan Heym, Anna Seghers, Arnold Zweig und der Philosoph Ernst Bloch.[98]

Die stalinistische Säuberungswelle in den eigenen Reihen erfasste nach dem Rajk-Prozess in Ungarn auch bald die DDR. Das prominenteste Opfer war wohl das jüdische Mitglied des Politbüros, Paul Merker, der in einem Geheimprozess am 29/30.03.1955 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Paul Merker war ab Februar 1937 Mitglied des Sekretariats des ZK der KPD, das von Paris aus für die Anleitung der Partei in allen Emigrationsländern zuständig war. Da nach der großen Verhaftungswelle von 1935 zunächst kein neues Führungszentrum in Deutschland gebildet worden war, fungierte das Sekretariat de facto auch als Inlandsleitung. Nach dem Weggang Walter Ulbrichts leitete Merker das Sekretariat kurzzeitig allein, ab Juli 1938 zusammen mit Franz Dahlem. Unmittelbar nach Kriegsbeginn forderte das Sekretariat die illegal lebenden kommunistischen Emigranten in der Absicht, sie zu legalisieren, zur Registrierung bei den französischen Behörden auf.

Merker war bis Februar 1941 in Le Vernet, danach in Les Milles interniert. In Les Milles hatte er die Möglichkeit, das Lager tagsüber zu verlassen. Am Abend des 1. Juli 1941 wurde er darüber informiert, dass die Auslieferung an die Gestapo drohe. Daraufhin ging Merker zusammen mit Walter Janka, Otto Wahls und Georg Stibi in den Untergrund. 1942 gelang ihm die Flucht von Marseille nach Mexiko.

1946 kehrte Merker aus seinem Exil in Mexiko nach Deutschland zurück, wo er Mitglied des Parteivorstandes, des Zentralsekretariats und des Politbüros der SED, Abgeordneter des Brandenburger Landtages, seit 1948 Mitglied des Volksrates und der (provisorischen) Volkskammer und 1949-1950 Staatssekretär im DDR-Landwirtschaftsministerium war. Als Begründung wurden ein mangelndes Vertrauen zur Sowjetunion und die Zusammenarbeit mit „amerikanischen Imperialisten“ angeführt. Seine persönlichen Kontakte zu Noel Field machten ihn schließlich aus der Sicht der SED zu einem Agenten der USA. [99] Ausgangspunkt aller Differenzen und Verleumdungen gegen Paul Merker war ein Beitrag, den Merker gleich nach seiner Ankunft in Mexiko im Oktober 1942 unter dem Titel „Hitlers Antisemitismus und wir“ veröffentlicht hatte. [100] Erstmals wurden in diesem Beitrag eines wichtigen kommunistischen Funktionärs die Rassentheorien und ihr Antisemitismus der Nationalsozialisten nicht als bloßes Nebenprodukt abgetan, wie es in der sowjetischen Ideologie ständig geschah, sondern ins Zentrum der Analyse gestellt.

Die sich aus bruchstückhaften Nachrichten verdichtende Gewissheit eines systematischen Massenmordes an den Juden Europas veranlasste Merker den Emigranten und Überlebenden für die Zeit nach dem Krieg Unterstützung zu gewähren. Diese Unterstützung bestand in der Wiederherstellung der Staatsangehörigkeit, die Finanzierung ihrer Rückkehr durch den deutschen Staat oder die Unterstützung ihrer Übersiedlung in ein anderes Land, falls sie nicht nach Deutschland zurückkehren wollten. Dabei ging es Merker schon um Palästina; er trat dafür ein, die Juden in der ganzen Welt als eine Nation anzusehen, die das Recht hat, sich einen eigenen Staat zu schaffen. Außerdem sprach er sich für eine Wiedergutmachung der zugefügten wirtschaftlichen Schäden aus, unabhängig davon, ob sie nach Deutschland zurückkehrten oder nicht.

Als Merker nach Ende des 2. Weltkrieges in die SBZ zurückkehrte, traf er bereits auf einen abgeschlossenen Block der Rückkehrer aus Moskau, die schon ihre Machtpositionen innehatten und in ihm einen Rivalen witterten. Die Rückkehr ins ZK und Politbüro war ihm aber nicht zu verwehren. Die ersten Differenzen begannen, als Merker sich mehrfach mit Beiträgen zugunsten einer Politik der gezielten Rückgewinnung jüdischer Emigranten für den Neuaufbau und einer partnerschaftlichen Einstellung zum entstehenden Staat Israel aussprach. [101] Am 27.08.1950 wurde Paul Merker aus der SED ausgeschlossen.

Während die öffentlichen Verhandlungen im Rajk-Prozess noch liefen, wurde der zweite Schauprozess bereits vorbereitet. Dabei verlagerte sich der Schwerpunkt der Anschuldigungen vom Titoismus bzw. Imperialismus auf den Zionismus.

Im Frühjahr 1951 befahl der sowjetische Geheimdienstleiter Lawrenti Berija, die Vorwürfe gegen leitende Funktionäre der KPTsch durch die „jüdisch-zionistische Stoßrichtung“ zu ergänzen und auch auf Spitzenfunktionäre auszuweiten. [102] Der Generalsekretär der Partei, Rudolf Slánský, wurde am 08.09.1951 entlassen und erhielt den Posten eines stellvertretenden Ministerpräsidenten. [103] Slánský, wurde nun zum Anführer einer „titoischtisch-trotzkistisch-zionistischen“ Verschwörung gegen Partei und Regierung gemacht. Kurz nach Slánskýs Verhaftung im November 1951 wurden zahlreiche jüdische Partei- und Staatsfunktionäre sowie vier israelische Diplomaten und Geschäftsleute festgenommen. Nachdem die Angeklagten im Vorfeld schon „Geständnisse“ abgelegt hatten, fand der große Schauprozess vom 20-27.11.1952 in Prag statt. Die Motivation für die Anklage gegen Slánský dürfte einerseits darin zu sehen sein, dass sich sein Konkurrent innerhalb der kommunistischen Partei, Gottwald, eines Rivalen entledigen wollte, andererseits spielten auch antisemitische Motive eine wichtige Rolle, da Slánský jüdischer Abstammung war. In der Anklageschrift wurde extra hervorgehoben, dass 11 der 14 Angeklagten Juden seien. Diesem Hauptprozess folgten zahlreiche Nebenprozesse. Die Beschuldigten wurden verdächtigt, über Noel Field, die jüdische Hilfsorganisation JOINT und Israel in Verbindung zum amerikanischen Geheimdienst gestanden zu haben. Aus ihrer jüdischen Herkunft wurde ein „kleinbürgerlicher Charakter und ein Hang zu bürgerlichem Nationalismus, Zionismus, Kosmopolitismus und Trotzkismus“ abgeleitet. [104] Die nichtjüdischen Angeklagten wurden als „Lakaien des Zionismus“ betrachtet. Das Urteil lautete für die 14 Beschuldigten elfmal auf Todesstrafe und dreimal auf lebenslängliches Zuchthaus. Am 8. September 1963 wurde Slánský juristisch rehabilitiert (ebenso auch Mordechai Oren, ein Mitglied der israelischen Mapam, der nach Abbüßung von drei Jahren einer zehnjährigen Gefängnisstrafe begnadigt und nach Israel repatriiert worden war), 1968 auch durch die Partei. [105]

Zu den Verhandlungen des Slánský-Prozesses, die vor einer sorgsam ausgewählten „Öffentlichkeit“ stattfanden, entsandte das SED-Organ „Neues Deutschland“ einen Sonderkorrespondenten nach Prag.

Am 25.11.1952 befasste sich das Politbüro der SED erstmals mit dem Slánský-Prozess und beauftragte den Staatssicherheitsdienst, die Untersuchungen darüber durchzuführen. Am 03.12.1952 wurde Paul Merker verhaftet. Die von Walter Ulbricht, Hermann Matern und Hans Jendretzky ausgearbeiteten „Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slánský“ wurden am 20.12.1952 vom Politbüro genehmigt und in überarbeiteter Fassung am 04.01.1953 in dem SED-Organ „Neues Deutschland“ veröffentlicht. Dieser Text besaß dieselben antisemitischen Stereotype wie beim Slánský-Prozess. Als Feindbild diente die „jüdische Rasse“, die durch ein Zerrbild des Zionismus ersetzt wurde. Sogar das schematische Bild vom „zersetzenden Charakter des Judentums“ wurde verwendet. Die zionistische Bewegung handle entgegen den „Zielen der Humanität und wahrhafter Menschlichkeit“, sie sei vom „USA-Imperialismus beherrscht, gelenkt und befehligt und diene ausschließlich seinen Interessen und den Interessen der jüdischen Kapitalisten“.[106] Bei den „zionistisch-imperialistischen Slánský-Banditen, die in der Deutschen Demokratischen Republik schon lange eine systematische Hetze und Wühlarbeit“ leisteten, handele es sich um „Todfeinde des deutschen Volkes“. [107] Zugleich wurde vor dem Zionismus als Vorposten der imperialistischen USA gewarnt:[108] „Unter jüdisch-nationalistischer Flagge segelnd, getarnt als zionistische Organisation und als Diplomaten der amerikanischen Vasallenregierung Israels, verrichteten diese amerikanischen Agenten ihr Handwerk. Aus dem Prager Prozeß enthüllten ‚Morgenthau-Acheson-Plan’ geht eindeutig hervor, daß der amerikanische Imperialismus über den Staat Israel seine Spionage- und Diversantentätigkeit mit Hilfe zionistischer Organisationen in den volksdemokratischen Ländern organisiert und durchführt.“ Nun spitzte sich der Text zu und Paul Merker wurde namentlich erwähnt: [109] „Nach seiner Rückkehr nach Deutschland setzte Merker seine Dienste für die zionistische Agentur fort; zusammen mit Zuckermann forderte er alle Genossen jüdischer Abstammung auf, in die jüdische Gemeinde einzutreten, angeblich, damit sie in den Genuß von Care-Paketen der amerikanischen Agenten-Zentrale Joint kommen sollten, in Wirklichkeit, damit sie auf diese Weise dieser imperialistischen Agentur verpflichtet würden.“

Wiedergutmachungsforderungen wurden in dem Text als „Verschiebung von deutschem Volksvermögen“ bezeichnet. [110] Diese völkische Argumentation spitze sich in der folgenden These zu, wo der von den Nationalsozialisten durchgeführte Raub von Privat- und Gemeindeeigentum als wenig bedauerliche Enteignung von jüdischem Vermögen dargestellt wurde: „Merker fälschte die aus den deutschen und ausländischen Arbeitern herausgepressten Maximalprofite der Monopolkapitalisten in angebliches Eigentum des jüdischen Volkes um. In Wirklichkeit sind bei der ‚Arisierung’ dieses Kapitals nur die Profite ‚jüdischer’ Monopolkapitalisten in die Hände ‚arischer’ Monopolkapitalisten übergewechselt.“ [111]

In einem Geheimprozess wurde Merker am 29/30.03.1955 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Mit seiner Aburteilung konnten sich Ulbricht und seine Anhänger als bedingungslose Unterstützer Stalinscher Politik ausgeben. Aus den Unterlagen sowohl der Staatsicherheit als auch der ZPKK geht hervor, dass die Anschuldigungen lange nach dem Tode Stalins noch starke antisemitische Komponenten enthielten. [112] Aus dem Abschlussbericht der Justizkommission des SED-ZK vom 11.08.1954 geht hervor, Merker umgebe „sich mit einem Kreis Agenten imperialistischer Geheimdienste und zweifelhafter Elemente sowie jüdischer Kapitalisten, die ihn wegen seiner parteifeindlichen und zionistischen Haltung verehrten.“ [113]

Auch gegen andere führende Funktionäre richtete sich derselbe Verdacht wie gegen Merker.

Am 6.1.1953 musste sich Julius Meyer vor der Zentralen Parteikontrollkommission (ZPKK) in einem fünfstündigen Gespräch mit deren stellvertretenden Vorsitzenden Günter Tenner verantworten. Er sollte Auskunft über das American Joint Distribution Committee, die Westkontakte der Jüdischen Gemeinde, deren Haltung zum Zionismus und zum Slansky-Prozeß geben. Am nächsten Tag kam es zu einem weiteren Verhör mit Otto Geschke, dem Vorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Meyer lehnte es jedoch ab, ohne vorherige Absprache mit der Gemeinde Auskünfte zu geben und Stellung zu den genannten Themen zu nehmen. Es kam somit am 8.1. zu einer erneuten Vorladung, bei der Meyer im Namen der Gemeinde den Slansky-Prozeß billigen, den Antisemitismus in der DDR und der sozialistischen Staatengemeinschaft insgesamt verneinen und Israel als faschistischen Staat bezeichnen sollte. Meyer lehnte das jedoch ab und floh am 13./14.2. in den Westen.

Franz Dahlem wurde ab März 1953 des „Defätismus“, des „Kapitulantentums“ und der Zusammenarbeit mit dem französischen und amerikanischen Geheimdienst beschuldigt, er rückte neben Merker zum Hauptschuldigen auf.

Alexander Abusch verlor ebenfalls wegen seiner journalistischen Tätigkeit während seines Exils in Mexiko sein Parteiamt, gegen ihn wurde ein Schauprozess vorbereitet. Auch Gerhart Eisler und Erich Jungmann mussten ihre Partei- und Staatsämter ruhen lassen, sie wurden aber nicht verhaftet. Weitere Opfer waren das Ehepaar Baender, jüdischer Herkunft und aus dem lateinamerikanischen Exil in die SBZ zurückgekehrt, die Juden Leo Bauer und Bruno Goldhammer und Erica Wallach, die wegen Kontakten zu Noel Field zunächst zum Tode verurteilt und dann zu langen Jahren Zwangsarbeit in Sibirien schuldig gesprochen wurde. [114]

Nachdem der neu entstandene Staat Israel mit dem Westen Bündnisse abgeschlossen hatte, löste die sowjetische Regierung 1948 das Jüdische Antifaschistische Komitee auf und setzte eine antisemitische Kampagne gegen „wurzellose Kosmopoliten“ in Gang. [115]

In einer Sitzung des Politbüros am 01.12.1952 erklärte Stalin:[116] „Jeder jüdische Nationalist ist ein Agent des amerikanischen Geheimdienstes. Die jüdischen Nationalisten glauben, ihre Nation sei von den USA gerettet worden. Sie glauben, den Amerikanern gegenüber eine Schuld zu tragen. Unter den Ärzten gibt es viele jüdische Nationalisten.“

Am 13.1.1953 wurden einige der angesehensten und bekanntesten Ärzte – darunter der Direktor des Staatlichen Jüdischen Theaters, Solomon Michoels sowie der ehemalige Oberster Chirurg der Roten Armee, Dr. Boris Schimeljowitsch – beschuldigt, an einer Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, die sich zum Ziel gesetzt habe, die oberste sowjetische Politik- und Militärführung zu vergiften. Die Prawda, das Zentralorgan der KPdSU, berichtete von den Anschuldigungen mit der Schlagzeile „Bösartige Spione und Mörder unter der Maske Akademischer Ärzte“:[117] „Die Mehrheit dieser Terroristengruppe (…) wurden von amerikanischen Geheimdiensten gekauft. Sie wurden von einer Zweigstelle der Amerikanischen Geheimdienste, einer internationalen jüdischen bourgeois-nationalistischen Organisation namens American Jewish Joint Distribution Committee (Joint) angeworben. Das schmutzige Gesicht dieser zionistischen Spionageorganisation, die ihre bösartigen Handlungen hinter der Maske der Wohltätigkeit versteckte, ist nun vollständig zum Vorschein gekommen. Die Demaskierung einer Bande von Gift verabreichenden Ärzten stellt einen schweren Schlag gegen die internationale jüdisch-zionistische Organisation dar.“

Anfänglich erfolgten 37 Verhaftungen, die schon bald in die Hunderte wuchsen. Sowjetische Juden wurden reihenweise entlassen, verhaftet, in Lager geschickt und hingerichtet. Dies wurde von Schauprozessen und antisemitischer Propaganda in den sowjetischen Massenmedien begleitet. [118]

Am 09.02.1953 ereignete sich auf dem Gelände der sowjetischen Botschaft in Israel eine Explosion und am 11.02 brach die UdSSR ihre diplomatischen Beziehungen mit dem jüdischen Staat ab. Am 12.02. wurde Maria Weizmann, Ärztin in Moskau und Schwester des ersten israelischen Präsidenten Chaim Weizmann verhaftet, was die Spannungen zwischen beiden Ländern noch verschärfte. [119]

Außerhalb von Moskau gab es ähnliche Anschuldigungen. In der Ukraine wurde eine angeblich vom jüdischen Arzt Viktor Kogan-Jasnij angeführte Ärzteverschwörung aufgedeckt und 36 Personen verhaftet.

Kurz nach dem Tod Stalins am 05.03.1953 gab die neue Führung zu, dass die Vorwürfe von Stalin und seinen Getreuen erfunden worden waren. Der Fall wurde am 31.03. vom Leiter des NKWD und Innenminister Beria niedergeschlagen. Am 03.04 sprach das Präsidium der KPdSU die Verhafteten offiziell frei. Dem obersten Untersuchungsbeamten des NKWD, Michail Rjumin, wurde vorgeworfen, für die Erfindung der Verschwörung verantwortlich zu sein, er wurde verhaftet und hingerichtet.

Als am 14.01.1953 Meldungen über die Verhaftung jüdischer Ärzte in Moskau veröffentlicht wurden, riefen tief besorgt über diese Entwicklung am 14. und 15.01. 1953 der amerikanische Rabbiner Peter Levinson und Heinz Galinski die Juden in der DDR auf, in den Westen zu fliehen. Mehr als 500 Personen, meist Mitglieder der jüdischen Gemeinden, verließen die DDR. Unter ihnen befanden sich der Volkskammerabgeordnete sowie erster Präsident der Jüdischen Gemeinde in der DDR, Julius Meyer, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Leipzig, Helmut Lohser, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Dresden, Leon Löwenkopf sowie der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Erfurt, Günter Singer. Aber auch nicht in der Gemeinde tätige Personen jüdischer Herkunft wie Leo Zuckermann, Staatssekretär in der Präsidialkanzlei Wilhelm Piecks, flüchteten aus der DDR.

Nach dem Tod Stalins am 05.03.1953 und die am 04.04. darauf folgende in der „Prawda“ veröffentlichte Rehabilitierung der in Moskau angeklagten Ärzte entspannte sich die Lage.

Paul Merker wurde im Jahre 1956 aus dem Gefängnis entlassen, juristisch, aber nicht politisch rehabilitiert. Seit 1957 arbeitete er als Lektor im Verlag „Volk und Welt“. Im Jahre 1969 wurde Merker posthum mit dem „Vaterländischen Verdienstorden“ ausgezeichnet und an der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt.

Der Schauprozess gegen Abusch kam nicht zustande. Nachdem er sich offiziell von Merker distanziert hatte, kehrte er in die Politik zurück und bekleidete von 1958-1961 das Amt des Kultusministers der DDR. Franz Dahlem wurde voll rehabilitiert und wieder in das ZK, nicht aber in das Politbüro aufgenommen. Die zur Zwangsarbeit nach Sibirien verbannten Personen wurden 1955 nach Moskau und 1956 in die DDR zurückgeholt; Erica Wallach und Leo Bauer flüchteten von dort in den Westen. [120]

Der SED war es damit gelungen, die vermeintlichen Dissidenten aus dem Weg zu räumen.[121] Die in hoher Zahl jüdischen Parteimitglieder waren ihrer Funktionen enthoben oder aus der Nomenklatura gestrichen, ihre Posten standen jetzt opportunistischen Genossen offen. Die in ihren Ämtern verbliebenen jüdischen Politiker waren eingeschüchtert, sie sollten in Zukunft jeden Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit durch übertriebene Treue zur SED-Regierung beweisen.

Die Ereignisse der Jahre 1952/53 bildeten die Spitze antisemitischer und antizionistischer Stimmungen und Vorkommnisse in der Geschichte der DDR. [122]

Genauso wie in den anderen kommunistischen Staaten Osteuropas bediente sich die politische Führung des Antisemitismus, um eigene Machtpositionen zu festigen und kritische Personen zum Schweigen zu bringen. Dabei handelte es sich nicht um einen rassistisch begründeten Antisemitismus wie z.B. bei den Nationalsozialisten, sondern um einen strategisch-politischen Antisemitismus. Erschreckend ist, dass nur wenige Jahre nach dem Holocaust in einem deutschen Staat, der sich als antifaschistisch verstand, Antisemitismus vorübergehend Bestandteil offizieller Politik und Teil der politischen Kultur wurde.

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Fußnoten

  1.  ↑ Salzborn, S.:: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich, Frankfurt am Main 2010, S. 148
  2.  ↑ Hösch, E.: Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums, Stuttgart 1996, S. 52
  3.  ↑ Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 274
  4.  ↑ Hösch, E.: Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums, Stuttgart 1996, S. 67
  5.  ↑ Poliakov, L.: Geschichte des Antisemitismus. Band 7: Zwischen Assimilation und jüdischer Weltverschwörung, Frankfurt am Main 1988, S. 34
  6.  ↑ Kappeler, A. (Hrsg.): Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte; Bd. 63), Wiesbaden 2004, S. 102
  7.  ↑ Schoeps, J. H./ Schlör, J. Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen, Augsburg 2000, S. 101
  8.  ↑ Hösch, E.: Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums, Stuttgart 1996, S. 96
  9.  ↑ Kappeler, A. (Hrsg.): Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte; Bd. 63), Wiesbaden 2004, S. 117
  10.  ↑ Hösch, E.: Geschichte Rußlands vom Kiever Reich bis zum Zerfall des Sowjetimperiums, Stuttgart 1996, S. 99
  11.  ↑ Strauss, H.A./ Kampe, N. (Hrsg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust, Frankfurt am Main 1988, S. 49f
  12.  ↑ Salzborn, S.:: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne. Sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich, Frankfurt am Main 2010, S. 142
  13.  ↑ Young, E:J.: Gobineau und der Rassismus. Eine Kritik der anthropologischen Geschichtstheorie, Meisenheim am Glan 1968, S. 15.
  14.  ↑ Aly, G.: Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 bis 1933, Frankfurt am Main 2011, S. 32
  15.  ↑ Ebd., S. 73.
  16.  ↑ Hartwich, W.-D.: Richard Wagners ästhetische Herrschaftsform. Zur Soziologie der „Bayreuther Idee“, in: Faber, R./Holste, C. (Hrsg.): Kreise-Gruppen-Bünde, Würzburg 2000, S. 307-328, hier S. 321
  17.  ↑ Graetz, M.: Jüdische Aufklärung, in: Breuer,M. Graetz, M.: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Band 1, Tradition und Aufklärung 1600–1780, München 2000, S. 251-351, hier S. 253
  18.  ↑ Feiner, S.: Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Revolution. Hildesheim / Zürich / New York 2007, S. 76
  19.  ↑ Kappeler, A. (Hrsg.): Die Geschichte Russlands im 16. und 17. Jahrhundert aus der Perspektive seiner Regionen (Forschungen zur osteuropäischen Geschichte; Bd. 63), Wiesbaden 2004, S. 187
  20.  ↑ Lauer, G.: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer kleinen Aufklärung, Göttingen 2008, S. 47
  21.  ↑ Feiner, S.: Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Revolution. Hildesheim / Zürich / New York 2007, S. 28
  22.  ↑ Graetz, M.: Jüdische Aufklärung, in: Breuer,M. Graetz, M.: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Band 1, Tradition und Aufklärung 1600–1780, München 2000, S. 251-351, hier S. 265
  23.  ↑ Gründer, K./Rotenstreich, N.: Aufklärung und Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht, Tübingen 1990, S. 34
  24.  ↑ Lauer, G.: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer kleinen Aufklärung, Göttingen 2008, S. 89
  25.  ↑ Grüner, F.: Patrioten und Kosmopoliten – Juden im Sowjetstaat 1941–1953. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2008, S. 42
  26.  ↑ Poliakov, L.: Geschichte des Antisemitismus. Band 6: Emanzipation und Rassenwahn, Bodenheim 1991, S. 118
  27.  ↑ Ley, M.: Kleine Geschichte des Antisemitismus, München 2003, S. 142
  28.  ↑ Grüner, F.: Patrioten und Kosmopoliten – Juden im Sowjetstaat 1941–1953. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2008, S. 62
  29.  ↑ Kappeler, A.: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. (Beck'sche Reihe; 1447). 2. Auflage. Beck Verlag, München 2008, S. 102
  30.  ↑ Schoeps, J. H./ Schlör, J. Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen, Augsburg 2000, S. 103
  31.  ↑ Strauss, H.A./ Kampe, N. (Hrsg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust, Frankfurt am Main 1988, S. 42
  32.  ↑ Ley, M.: Kleine Geschichte des Antisemitismus, München 2003, S. 143
  33.  ↑ Kleinschmidt, A.: Drei Jahrhunderte russischer Geschichte. Überblick der russischen Geschichte seit der Thronbesteigung der Romanow bis heute (1598–1898), London 2011, S. 97
  34.  ↑ Es gibt nur sehr wenige nichtchristliche Quellen über dieser Phase des frühen Christentums. Kurze Notizen zu Einzelereignissen finden sich bei Flavius Josephus, Tacitus und Sueton. Eine wichtige Quelle ist dann der Briefwechsel zwischen Plinius d.J und dem römischen Kaiser Trajan, der einen Blick auf die Ausbreitung des Christentums am Beginn des 2. Jh. in Pontus und Bithynien (Nordkleinasien) und die römischen Gegenmaßnahmen gestattet.
  35.  ↑ Poliakov, L.: Geschichte des Antisemitismus. Band 6: Emanzipation und Rassenwahn, Bodenheim 1991, S. 124
  36.  ↑ '''Die Dekabristen waren vor allem Offiziere der russischen Armee, die am 14. Dezember 1825 in Sankt Petersburg den Eid auf den neuen Zaren Nikolaus I. verweigerten. Damit bekundeten sie ihren Protest gegen das autokratische Zarenregime, gegen Leibeigenschaft, Polizeiwillkür und Zensur. Die Offiziere dienten in Petersburger Garderegimentern, waren westlich gebildet und verfolgten liberale Ideen. Ihre Anführer wurden gehängt, einige degradiert und rund 600 nach Sibirien verbannt und zu Zwangsarbeit verurteilt. Die Dekabristen waren die erste bewusst gegen die zaristische Autokratie gerichtete revolutionäre Bewegung.'''
  37.  ↑ '''Zühlke, R.: Alexander II. Der „Zar-Befreier“, in: Die Großen der Welt, Bd. 4, Zeitalter der Aufklärung, Leipzig u. a. 2005, S. 581–589, hier S. 582'''
  38.  ↑ '''Gerschenkron, A.: Agrarian Politics and Industrialization. Russia 1861-1917, in: The Cambridge Economic History of Europe, VI.2, S. 706-800, Cambridge 1966, S. 732'''
  39.  ↑ Zitiert aus http://www.kommunistische-debatte.de/geschichte/su1993_2.html
  40.  ↑ Schmidt, C.: Russische Geschichte 1547–1917, 2. Auflage, München 2009, S. 189
  41.  ↑ Geierhos, W.: Vera Zasulic und die russische revolutionäre Bewegung, München/Wien 1977, S. 93
  42.  ↑ Hildermeier, M.: Geschichte Russlands: Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution, München 2013, S. 177
  43.  ↑ Proudhon, P.J.: Bekenntnisse eines Revolutionärs, Reinbek 1969, S. 21
  44.  ↑ http://universal_lexikon.deacademic.com/276651/Narodnaja_Wolja
  45.  ↑ von Borcke, A.: Gewalt und Terror im revolutionären Narodničestvo. Die Partei Narodnaja volja (1879–1883). Zur Entstehung und Typologie des politischen Terrors im Rußland des 19. Jahrhunderts, Köln 1979, S. 65
  46.  ↑ Uebelhart, M.: Eine endlos plagiierte Fälschung und ihre Hehler. Carl Albert Loosli und die „Protokolle der Weisen von Zion“. In: Jochen Bung, Malte-Christian Gruber, Sebastian Kühn (Hrsg.): Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere Strategien aus zweiter Hand, Berlin 2011, S. 55–72, hier S. 56
  47.  ↑ Sammons, J. L. (Hrsg.): Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung. Text und Kommentar. 6. Auflage, Göttingen 2011 , S. 37
  48.  ↑ Tarach, T.: Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. Mit einem Geleitwort von Henryk M. Broder. 3. überarbeitete Auflage, Freiburg (Breisgau) 2010, S. 48
  49.  ↑ Uebelhart, M.: Eine endlos plagiierte Fälschung und ihre Hehler. Carl Albert Loosli und die „Protokolle der Weisen von Zion“. In: Jochen Bung, Malte-Christian Gruber, Sebastian Kühn (Hrsg.): Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere Strategien aus zweiter Hand, Berlin 2011, S. 55–72, hier S. 67
  50.  ↑ Sammons, J. L. (Hrsg.): Die Protokolle der Weisen von Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung. Text und Kommentar. 6. Auflage, Göttingen 2011 , S. 68
  51.  ↑ Tarach, T.: Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. Mit einem Geleitwort von Henryk M. Broder. 3. überarbeitete Auflage, Freiburg (Breisgau) 2010, S. 110
  52.  ↑ Strauss, H.A./ Kampe, N. (Hrsg.): Antisemitismus. Von der Judenfeindschaft zum Holocaust, Frankfurt am Main 1988, S. 72
  53.  ↑ Katz, J.: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933, München 1989
  54.  ↑ Lehr, S. Antisemitismus: Religiöse Motive im sozialen Vorurteil, München 1974, S. 92
  55.  ↑ Poliakov, L.: Geschichte des Antisemitismus. Band 7: Zwischen Assimilation und jüdischer Weltverschwörung, Frankfurt am Main 1988, S. 143
  56.  ↑ Kappeler, A.: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. (Beck'sche Reihe; 1447). 2. Auflage. Beck Verlag, München 2008, S. 126
  57.  ↑ Hildermeier, M.: Geschichte Russlands: Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution, München 2013, S. 136
  58.  ↑ Kappeler, A.: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. (Beck'sche Reihe; 1447). 2. Auflage. Beck Verlag, München 2008, S. 128
  59.  ↑ Schoeps, J. H./ Schlör, J. Bilder der Judenfeindschaft. Antisemitismus, Vorurteile und Mythen, Augsburg 2000, S. 104
  60.  ↑ Kappeler, A.: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. (Beck'sche Reihe; 1447). 2. Auflage. Beck Verlag, München 2008, S. 138
  61.  ↑ Harcave, S.: The Russian Revolution of 1905, London 1970, S. 16ff
  62.  ↑ Ebd., S. 35ff
  63.  ↑ Ebd., S. 52ff
  64.  ↑ Ebd., S. 95
  65.  ↑ http://geschichte-wissen.de/blog/die-russische-revolution-von-1905-und-1917/ (Stand 20.9.2015)
  66.  ↑ Zitiert aus Scheibert, P. (Hrsg.), Die russischen politischen Parteien von 1905 bis 1917. Ein Dokumentationsband, Darmstadt 1972, S. 29f
  67.  ↑ Meiser, Das russische Reich, a.a.O., S. 83f
  68.  ↑ Stökl, G.: Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 4. Auflage Stuttgart 1983, S. 538ff.
  69.  ↑ Wittram, R.: Das russische Imperium und sein Gestaltwandel. Vortrag vom 27. September 1958. In: Historische Zeitschrift (HZ), Bd. 187, 1959, S. 568–593, hier S. 592
  70.  ↑ Hildermeier, M.: Geschichte Russlands: Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution, München 2013, S. 174
  71.  ↑ de Grünwald, C.: An den Wurzeln der Revolution. Alexander II. und seine Zeit, Wien u. a. 1965, S. 92f.
  72.  ↑ v. Rimscha: Geschichte Russlands, a.a.O., S. 485f.
  73.  ↑ Katz, J.: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933, München 1989, S. 89
  74.  ↑ Kleinschmidt, A.: Drei Jahrhunderte russischer Geschichte. Überblick der russischen Geschichte seit der Thronbesteigung der Romanow bis heute (1598–1898), London 2011, S. 109
  75.  ↑ Kappeler, A.: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. (Beck'sche Reihe; 1447). 2. Auflage. Beck Verlag, München 2008, S. 187
  76.  ↑ Hildermeier, M.: Geschichte Russlands: Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution, München 2013, S. 190
  77.  ↑ Grüner, F.: Patrioten und Kosmopoliten – Juden im Sowjetstaat 1941–1953. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2008, S. 76
  78.  ↑ Meyer, G. (Hrsg.): Das politische und gesellschaftliche System der UdSSR. Köln 1985, S. 66
  79.  ↑ Kleinschmidt, A.: Drei Jahrhunderte russischer Geschichte. Überblick der russischen Geschichte seit der Thronbesteigung der Romanow bis heute (1598–1898), London 2011, S. 152
  80.  ↑ Caspart, W.: Gorbatschow als Partner des Westens. Geschichte – Sozialphilosophie – politische Psychologie, Frankfurt am Main 2001,.S. 67
  81.  ↑ Lehr, S. Antisemitismus: Religiöse Motive im sozialen Vorurteil, München 1974, S. 103
  82.  ↑ Rubel, M.: Stalin, 7. Auflage, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 37ff
  83.  ↑ Kellmann, K.:: Stalin. Eine Biographie, Darmstadt 2005, S. 53
  84.  ↑ Lustiger, A.: Rotbuch: Stalin und die Juden Die tragische Geschichte des Jüdischen Antifaschistischen Komitees und der sowjetischen Juden, Berlin 1998, S. 66
  85.  ↑ Pirker, T.: Die sowjetischen Schauprozesse 1936-1953, München 1963, S. 105ff
  86.  ↑ Zitiert aus Rubel, M.: Stalin, 7. Auflage, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 113ff
  87.  ↑ Kellmann, K.:: Stalin. Eine Biographie, Darmstadt 2005, S. 54
  88.  ↑ Kotkin, S.: Stalin: Volume I: Paradoxes of Power, 1878–1928, New York 2014, S. 89
  89.  ↑ Lustiger, A.: Rotbuch: Stalin und die Juden Die tragische Geschichte des Jüdischen Antifaschistischen Komitees und der sowjetischen Juden, Berlin 1998, S. 72
  90.  ↑ Kotkin, S.: Stalin: Volume I: Paradoxes of Power, 1878–1928, New York 2014, S. 138
  91.  ↑ Kellmann, K.:: Stalin. Eine Biographie, Darmstadt 2005, S. 76
  92.  ↑ Utam, A. B.: Stalin. The man and his era, New York 1973, S. 252
  93.  ↑ Szász, B.: "Freiwillige an den Galgen. Die Geschichte eines Schauprozesses". Nördlingen 1986, S. 42
  94.  ↑ Hagenberg, K.: Sozialgeschichte Ungarns, Berlin 1996, S. 145
  95.  ↑ Hodos, G. H.: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948–1954. Berlin 1990, S. 34
  96.  ↑ Szász, B.: "Freiwillige an den Galgen. Die Geschichte eines Schauprozesses". Nördlingen 1986, S. 90
  97.  ↑ Hodos, G. H.: Schauprozesse. Stalinistische Säuberungen in Osteuropa 1948–1954. Berlin 1990, S. 122
  98.  ↑ Offenberg, „Seid vorsichtig gegen die Machthaber“. Die jüdischen Gemeinden in der SBZ und in der DDR 1945-1990, Freiburg 1999, S. 89
  99.  ↑ Kießling, W.: Paul Merker und die Juden, in antiFA, 5/1990, Berlin 1990, S. 10-13, hier: S. 11
  100.  ↑ Helmes, K.: Paul Merker in Mexiko, Bonn 1972, S. 13
  101.  ↑ Thomson, J.E.: Jews, Zionism and Israel. The story of the Jews in the German Democratic Republic since 1945, Washington 1978, S. 63
  102.  ↑ Offenberg, „Seid vorsichtig gegen die Machthaber“. Die jüdischen Gemeinden in der SBZ und in der DDR 1945-1990, a.a.O., S. 80
  103.  ↑ Slánská, J.: Bericht über meinen Mann. Die Affäre Slánský, Wien 1969, S. 15
  104.  ↑ Offenberg, „Seid vorsichtig gegen die Machthaber“, a.a.O., S. 81
  105.  ↑ London, A.: Ich gestehe. Der Prozess um Rudolf Slansky, Hamburg 1982, S. 140
  106.  ↑ ZK der SED (Hrsg.): Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slánský, in: Einheit. Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus, 8. Jg., Heft 2, Februar 1953, S. 202-209, hier: S. 205
  107.  ↑ Ebd., S. 203
  108.  ↑ Ebd., S. 205
  109.  ↑ Ebd., S. 209
  110.  ↑ Ebd., S. 207
  111.  ↑ Ebd., S. 208
  112.  ↑ Herf, J.: Antisemitismus in der DDR. Geheime Dokumente zum Fall Paul Merker aus SED und MfS-Archiven, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte,42,(1994), S. 635-667, hier S. 636f
  113.  ↑ SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/369
  114.  ↑ Frei, B.: Sozialismus und Antisemitismus, Wien 1978, S. 34f
  115.  ↑ Brent, J./Naumov, V.: Stalin’s Last Crime: The Plot Against the Jewish Doctors 1948-1953, New York 2003, S. 23f
  116.  ↑ Zitiert aus Ebd., S. 46
  117.  ↑ Prawda vom 13.01.1953
  118.  ↑ Brent/Naumov, Stalin’s Last Crime: The Plot Against the Jewish Doctors 1948-1953, a.a.O., S. 106ff
  119.  ↑ Schwarz, S. M.: Arbeiterklasse und Arbeiterpolitik in der Sowjetunion, Köln 1982, S. 162
  120.  ↑ Herf, Antisemitismus in der DDR. Geheime Dokumente zum Fall Paul Merker aus SED und MfS-Archiven, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, a.a.O. S. 640
  121.  ↑ Happe, G.: Rechtslehre in der DDR, Bochum 1994, S. 73
  122.  ↑ Timm, A.: Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zum Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997, S. 125