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Besucherzäler

Philip Plickert (Hrsg.): Merkel

Eine kritische Bilanz

FinanzBuch Verlag 2017, ISBN 978-3-95972-065-6, Seitenzahl 256 Seiten, gebunden, Preis 19,99 Euro

Dieser Sammelband versammelt eine namhafte intellektuelle Elite des politischen Konservatismus, die Merkel aufgrund ihres angeblichen „Linkstrendes“ und ihres „autoritären machtpolitischen Stils“ kritisieren. Die Autoren sind allesamt Personen aus dem demokratischen konservativen Spektrum, eine Ausnahme bildet nur der rechte Hetzer Thilo Sarrazin. Dabei ist der rechte Flügel der CDU/CSU, darunter auch einige Parteigenossen Merkels, sowie Wirtschaftslobbyisten und wissenschaftliche ökonomische Vertreter überrepräsentativ vertreten. Herausgeber ist der FAZ-Redakteur und Lehrbeauftragte an den Universitäten Frankfurt/Main und Siegen, Philip Plickert.

Dass die in Migrationsfragen liberal und tolerant denkenden Rafael Seligmann und Roland Tichy in demselben Sammelband auftauchen wie der rassistische Hetzer und Klassist Thilo Sarrazin verwundert sehr.

Die Hoffnung der Autoren und des Herausgebers besteht darin, dass dieses Buch eine breite öffentliche Debatte über den Kurs der deutschen Regierung und mögliche Alternativen anstößt. (S. 17)

In der Einleitung wird gleich klar, in welche Richtung die Kritik an der Person Merkel geht: „Es ist eine differenzierte, ehrliche Analyse ihres Wirkens. (…) Durch abrupte Kehrtwenden und die Verschiebung der Union weit nach links hat Merkel zur Entfremdung weiter Teile des klassischen Bürgertums von der Union beigetragen. Die vorliegende Merkel-Bilanz ist somit auch ein Dokument der Enttäuschung der konservativen und liberalen Kreise über ihre Kanzlerin.“ (S.8) Ihr wird außerdem vorgeworfen „Europa, Deutschland und ihre Partei gespalten“ (S. 9) Merkels Wirtschaftspolitik wird relativiert und ihr sogar planwirtschaftliches Denken vorgeworfen: Das „Beschäftigungswunder“ ist größtenteils den Reformen ihres Vorgängers, der Agenda 2010 Gerhard Schröders , zu verdanken, der dafür mit dem Amtsverlust bezahlte. (…) Hinzu kommt die lockere Geldpolitik der EZB. Die Nullzins- und inzwischen sogar Negativzinspolitik gibt der Konjunktur einen Extraschub, den Sparern aber bringt sie jedes Jahr Milliarden-Einbußen. (S. 10)

Sarrazin hetzt in einem Artikel gespickt mit rassistischen Verallgemeinerungen gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung:: „Für noch schwerwiegender als die finanziellen Kosten halte ich die sozialen Kosten und langfristigen Risiken einer millionenfachen Einwanderung aus islamischen Ländern.“ (S.13)

Zu Merkels bleibendes Erbe zähle die Verschiebung des Parteienspektrums: „(…) Doch auf Dauer hat Merkel damit viel Platz rechts neben der Union gelassen (…). In diese Repräsentationslücke ist die AfD als neue Konkurrenz von rechts vorgedrungen. Nun rächt sich, dass Merkel den rechten Flügel der Union verdorren ließ. Viele enttäuschte CDU-Mitglieder gehörten zu den AfD-Mitbegründern. (…)“

Diese Kritik greift jedoch zu kurz: Dass Wahlen in der politischen „Mitte“ gewonnen werden, ist spätestens seit dem Triumph Gerhard Schröders mehr als offensichtlich. Die CDU hat zwar Wähler des völkisch geprägten Konservatismus verloren, aber gleichzeitig vorherige sozialdemokratische, grüne und liberale Wähler dauerhaft an sich binden können. Dieses einfache Erfolgsrezept ist ein wesentlicher Grund neben der Schwäche der SPD für ihre lange Kanzlerschaft und den damit verbundenen Erfolgen für ihre Partei.

Der konservative Historiker Ralf Georg Reuth, der schon über Merkels Leben in der DDR forschte, bezweifelt, dass die Kanzlerin tiefe Grundüberzeugungen habe; sie sei vielmehr eine extrem wendige Frau, die Politik als kalkuliertes Machtspiel betreibt. (S. 16)

Insgesamt gesehen wird Merkels Politik in verheerender Weise kritisiert: „Lässt man die Merkel-Jahre Revue passieren, findet man reihenweise planlose, undurchdachte Entscheidungen und abrupte, opportunistische Wenden- mit gravierenden Konsequenzen für Deutschlands gesellschaftliche Stabilität und Wohlstand. (…) Vielmehr hat Merkel in entscheidenden Phasen –in der Euro-Krise, bei der Energiewende und in der Asylkrise- ohne Plan gehandelt. (…) Bei der Energiewende hat sie sich von Ängsten in Medien und Bevölkerung leiten lassen. Und nicht zuletzt bei der Migrationskrise hat sie kopflos gehandelt und ganz Europa ein gewaltiges Problem aufgeladen.“ (S. 8)

Merkels Politik ist natürlich zu kritisieren, keine Frage. Aber da sind zunächst das soziale Ungleichgewicht in der BRD, die Wohnungsmarktpolitik, die radikale Verschärfung der Asylgesetze und die ökologische halbherzige Wende zu nennen.

Dass dieses Buch kurz vor der Bundestagswahl auftaucht, ist kein Zufall. Merkel soll somit unter Druck gesetzt werden, in Zukunft ihre Politik konservativer und (noch) wirtschaftsfreundlicher zu gestalten. Der sich zurückgesetzt fühlende rechte Flügel der CDU/CSU rebelliert und will sich mehr öffentlichkeitswirksam mehr Gehör verschaffen in der Hoffnung, dass sich somit Wähler von der AfD zurückgewinnen lassen.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 978-3-95972-065-6 .