e-Portfolio von Michael Lausberg
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= Psychologie und Lebenshilfe =

EHP Verlag, Gevelsberg 2017, ISBN: 978-3-89797-103-5

Psychologie und Lebenshilfe

Hier sollen die wichtigsten Neuerscheinungen von verschiedenen Verlagen im Bereich Psychologie und Lebenshilfe sowie Entspannung vorgestellt werden.

Frank M. Staemmler: Kontakt und Verbundenheit. Relationalität in der Gestalttherapie, EHP Verlag, Gevelsberg 2017, ISBN: 978-3-89797-103-5

Der Autor ist Mitbegründer des Zentrums für Gestalttherapie und stellt sich in diesem Buch der Frage nach der Art des menschlichen Austausches in der Psychotherapie und deren Wirkung auf die Therapie.

Die Gestalttherapie ist eine Form der Psychoanalyse. Im Mittelpunkt der gestalttherapeutischen Methode steht die Entwicklung und Verfeinerung der Bewusstheit aller gerade vorhandenen und zugänglichen Gefühle, Gedanken, Empfindungen und Verhaltensweisen des Klienten, um automatisierte, unbewusste Verhaltensmuster dem Bewusstsein und damit der Entscheidungsmöglichkeit des Klienten zugänglich zu machen.

In Staemmlers Erläuterung wird vor allem die Beziehung zwischen Analytiker und Patient beleuchtet. Dies wird als Konzeptualisierung der psychoanalytischen Beziehungssituation verstanden. Diese ist in der modernen Psychoanalyse eine analytische Haltung, bei der die Beziehung zwischen Analytiker und Analysand (bzw. Patient) zwar als asymmetrisch definiert wird (weil die Verantwortung für den therapeutischen Prozess mehr beim Analytiker liegt), aber auch als wechselseitig. Somit ist der analytische Prozess weniger von Deutungen durch ein Subjekt (der „wissende“ Analytiker) gegenüber einem Objekt (der „unwissende“ Analysand / Patient) bestimmt, sondern bringt in der Begegnung zweier Subjekte ein intersubjektives Feld hervor, das gemeinsam analysiert wird. Dabei arbeitet er verschiedene Arten von Unterstützungssystemen heraus, die sich für die Patienten vorteilhaft auswirken können.

Er plädiert dafür, dass „wir als Gestalttherapeuten die Dimension der Gemeinschaft in unserer Arbeit stärker berücksichtigen müssen, wenn wir uns entscheiden, den starken relationalen Ansatz in unserer therapeutischen Arbeit ernst zu nehmen“, da die Patienten nicht nur Empfänger von Unterstützung sind, sondern „Mitwirkende, die einen aktiven und substantiellen Beitrag zu etwas Gemeinsamen leisten, das anderen und schließlich ihnen selbst zugutekommt.“ (S. 253)

Der Autor versteht die Beziehung in der Gestalttherapie nicht als autoritäre Dienstleistung, die der Analysand dem Patienten entgegenbringt, sondern als eine gemeinsame Form des Arbeitens, die zweifelsohne die Motivation des Patienten erhöht und ihn in keine Abhängigkeit zum Therapeuten bringt. Dieses Buch hat starken Bezug zu soziologischen und philosophischen Theorien, ist also schwer zu lesen, aber leistet einen Beitrag zur Demokratisierung der Beziehung zwischen Analysand und Patient nicht nur in der Gestalttherapie.

Carmen Bender u.a.: Praxisbuch Psychotherapie-Richtlinie und Psychotherapie-Vereinbarung. Gesundheitswesen in der Praxis, medhochzwei Verlag, Heidelberg 2017, ISBN: 978-3-86216-354-0

Die Psychotherapierichtlinien haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in inhaltlicher Weise und hinsichtlich der leistungs- und sozialrechtlichen Ausgestaltung immer weiter verändert. Vor allem das zum 1.1.1999 in Kraft getretene Psych ThG führte zu einer wesentlichen Neuordnung des Rahmens der Tätigkeit für Psychotherapeuten. Das Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PsychThG) regelt seit 1999 in Deutschland die Ausübung der Psychotherapie durch nichtärztliche Psychotherapeuten, d. h. Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Bis zur Einführung des PsychThG durften in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur Ärzte Psychotherapie durchführen. Diplom-Psychologen konnten jedoch im sogenannten Delegationsverfahren tätig werden. Voraussetzung dafür war eine Weiterbildung in einem anerkannten und zugelassenen Verfahren der Psychotherapie und ein delegierender Arzt. Entsprechend fand psychologische Psychotherapie vorwiegend im Delegationsverfahren statt und das bedeutete, dass die Verantwortung beim delegierenden Arzt verblieb. Einzige Ausnahme war das Verfahren der Techniker-Krankenkasse („TK-Stempel“), bei der schon vor Einführung des PsychThG eine Behandlung ohne delegierenden Arzt und direkte Abrechnung durch Psychologen möglich war.

In dem Versorgungsstärkungsgesetz aus dem Jahre 2016 wurden eine bessere Erreichbarkeit psychotherapeutischer Praxen, neue Behandlungsmodule und die Bedeutung der probatorischen Sitzungen neu definiert. Dieses Praxisbuch beschreibt nun die mit den neuen Regelungen einhergehenden Veränderungen. Sechs Autoren und Autorinnen aus den Bereichen der Gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben sich an dieser praxisnahen Übersichtsdarstellung beteiligt.

Zunächst werden die neuen Richtlinien der psychotherapeutischen Versorgungsangebote dargestellt, dann folgt der Bereich der psychotherapeutischen Leistungen bei Kindern und Jugendlichen. Weiterhin geht es um formale Voraussetzungen zur Durchführung einer Psychotherapie, Definitionen und rechtliche Fragen sowie die psychosomatische Grundversorgung. Zum Schluss geht es um Statistiken zur Psychotherapie in der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Dieses gut strukturierte Praxishandbuch ist vor allem für Therapeuten, Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Gesetzlichen Krankenkassen und für psychisch Kranke und deren Angehörigen geschrieben worden, die sich über die neuen Reformen und über die noch fehlenden näher informieren wollen. Die Sprache hätte etwas allgemeinverständlicher sein können, aber dennoch findet jeder Interessent schnell und praktisch Antworten, was neue Regelungen und Rahmenbedingungen der psychotherapeutischen Versorgung angeht.

Claudia de Laporte: Homöopathie bei psychischen Erkrankungen, 2. Auflage, Verlag Homöopathie + Symbol, Berlin 2016, ISBN: 978-3-937095-30-1

Dieses Praxishandbuch führt den homöopathischen Charakter in die Grundlagen der Psychologie ein. Nach der erfolgreichen ersten Auflage wurde nun in der zweiten das Buch durch die Rubrik seelische Traumatisierung erweitert.

Im Vorwort beschreibt die Autorin die Vorteile der Behandlung psychischer Krankheiten durch homöopathische Hilfen. Im ersten Teil geht es eher in die Theorie, nämlich die Entstehung, Diagnose und Differenzialdiagnose von Neurosen, die bei psychischen Erkrankungen oft anzutreffen sind. Dann geht es im zweiten Teil um die Behandlung von psychischen Erkrankungen durch Homöopathie. Dezidiert werden die dafür notwendigen Schritte beschrieben: Fallaufnahme, Wahrnehmung des Gemütszustands, die Wahl der anzuwendenden Mittel sowie der Verlauf der Behandlung. Im dritten Teil werden die häufigsten Gemütskrankheiten in der homöopathischen Praxis vorgestellt: Angst, Depression, reaktive Störungen, Selbstmordgedanken, Zwangsneurosen, Konversionsneurosen, seelische Traumata. Anhand eines konkreten Fallbeispiels wird der Umgang mit solchen Symptomen in der Praxis gezeigt. Im Anhang finden sich 34 Repertorisationstafeln zu verschiedenen Krankheitsformen wie Selbstwert, Aggression, Angst oder Psychostatus.

Das Buch will sowohl Psychotherapeuten als auch Homöopathen ansprechen, jeweils aus dem anderen Gebiet Anregungen und Unterstützung für die eigene Arbeit zu finden. Dabei werden thematisch sortierte Rubriken angeboten, so dass Fachleute jederzeit in der Lage sind, die Symptome mit Hilfe von homöopathischen Maßnahmen mit zu behandeln. Die praktische Seite hätte noch einige Fallbeispiele mehr gebraucht, um die Unsicherheit der Fachleute bei der Erstanwendung etwas zu minimieren. Sonst ist das Buch ein guter Einstieg in die Verbesserung der Bekämpfung psychischer Krankheiten durch Homöopathie.

Sebastian Hesse: Sieben. Geschichten vom Glauben. Mit einem Nachwort von Geseko von Lüpke, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2017, 144 S., geb., 220 × 260 mm, s/w-Abb., ISBN: 978-3-95462-919-0

Zwischen 2010 und 2016 ist der Fotograf und Autor Sebastian Hesse ist für dieses Buch durch mehrere Kulturkreise gereist, um durch Begegnungen mit verschiedenen Glaubensrichtungen in allen Teilen der Welt das „Numinose“ zu erleben.

Der Religionswissenschaftler Rudolf Otto (1869–1937) beschreibt 1917 die Erfahrung des Heiligen als eine Erfahrung der Kraft und Ergriffenheit, eine Erfahrung der göttlichen Gewalt und des Ausgeliefertseins, eine Erfahrung des Schreckens, der Nichtigkeit und Ohnmacht. Für diese spezifisch bewegende Erfahrung Gottes bzw. des Heiligen verwendet er den Begriff numinos. Numinoses hat für Otto nichts Menschliches, nichts womit der Mensch sich verwandt erleben könnte, nichts, was dem Menschen in irgendeiner Form bekannt ist, nichts, was er selber erzeugen oder hervorbringen könnte. Dies ist eine Macht oder Kraft, die auf die Natur und den Menschen einwirkt, so wie Schicksal, Fruchtbarkeit, Wachstum, Macht, Tod. Wesen des Heiligen oder Numinosen ist ein Gefühl von einer ebenso geheimnisvollen, anziehenden wie fesselnden und überwältigenden Kraft oder Macht, die den Menschen erzittern, erbeben, erschauern lässt, in ihm Ehrfurcht erzeugt (mysterium tremendum) und ihn zugleich verzaubert wie behext, besessen macht, beglückt, verzückt, entrückt, in Ekstase versetzt (mysterium fascinosum). Für ihn ist das Numen außerhalb der menschlichen Realität und steht für die Sphäre des Heiligen. Es kann deshalb weder bewiesen noch widerlegt werden.

Der bekannte Psychologe C. G. Jung verwendet die Begriffe des Numens, des Numinosen, des Numinosums oder der Numinosität wie auch die des Mysterium fascinosum und tremendum in diesem Sinne in seiner Auseinandersetzung mit der Wirkung des Archetypischen und mit der Psychologie der Religionen sowie mit Phänomenen der Suggestibilität, etwa in Massenbewegungen oder in Synchronizitätserfahrungen.

Dies führte Hesse zu verschiedene Zielen: zu Druiden in Großbritannien bei der Mistelernte, auf den Heiligen Berg Croagh Patrick in Irland und der Mönchsrepublik Athos in Griechenland, zu bei Prozessionen der Semana Santa in Südspanien, islamischen Mystikern in Anatolien und Indien, zum Austausch mit einem Lebenden Buddha in Tibet und zu einem buddhistischen Kloster in Shanghai.

Diese Reisen waren seine „sehr persönliche Sinnsuche in unserer zunehmend entzauberten Welt. (…) Bald schon beschäftigte mich die Frage, ob Menschen, die aufrichtig an etwas glauben, das größer ist als sie selbst, mit ihrem Dasein zufriedener sind als rein materialistische Konsumenten.“ (S.7) In diesem Buch fasst er seine Eindrücke in kurzen Texten zusammen und präsentiert ausdrucksstarke Bilder aus einer etwas anderen Welt. Er möchte damit seine spirituellen Erfahrungen mit den Lesern teilen und mahnt an, dass materieller Wohlstand nicht gleichbedeutend mit Glück und Zufriedenheit ist.

Ihm gelingt es ganz gut, seine Botschaft rüberzubringen, vor allem durch seine etwas archaisch anmutenden Bilder. Für Menschen, die ähnlich denken wie er, sind seine spirituellen Beschreibungen seiner Reisen ein spezielles Leseerlebnis, das nachdenklich über den Sinn des Lebens macht.

Haemin Sunim: Die schönen Dinge siehst du nur, wenn du langsam gehst, Scorpio Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-95803-134-0

Ab den 1960er Jahren wuchs das Interesse im Bereich der experimentellen Psychologie an Formen der Bewusstseinserweiterung, unter anderem durch Meditation, und erste EEG-Studien bei Meditierenden wurden durchgeführt. Inzwischen wird das Prinzip der Achtsamkeit im Rahmen der Therapie oder Prävention einer Vielzahl verschiedener psychischer und körperlicher Störungen bzw. Probleme eingesetzt. Auch erfährt Achtsamkeit als Thema zunehmende Bedeutung in der interdisziplinär angelegten Ratgeberliteratur zur Stressbewältigung.

Zu diesem Thema bringt der Lehrer des Zen-Buddhismus in Südkorea, Haemin Sunim, ein Buch heraus, das vor allem als Unterstützung für die Herausforderungen des Lebens gedacht ist. Er will die Weisheit des Buddhismus auf die heutige moderne Zeit übertragen. Die sinnlose Hast in allen Lebensbereichen ist ein Zeichen modernen Lebens. Dem Streben der Berufswelt nach Komplexität, Effektivität, Hast, Hektik, schneller, höher, weiter und mehr wird die Entschleunigung entgegengesetzt. Dabei geht es nicht um Langsamkeit als Selbstzweck, sondern um angemessene Geschwindigkeiten und Veränderungen in einem umfassenden Sinn: im Umgang mit sich selbst, mit den Mitmenschen und mit der umgebenden Natur. Die schnelllebige Welt bietet wenig Beständigkeit und Zeit zum Durchatmen. Zeit wird zum kostbaren Gut. Steigende Anforderungen im Beruf und vielzählige Aufgaben des Alltags, bei gleichzeitig immer neuen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung: In der Konsequenz möchte man entschleunigen und wünscht sich mehr Zeit für sich, ihre Familie und Freunde.

Das Buch ist in acht Kapitel unterteilt, die jeweils verschiedene Lebensaspekte wie Liebe, Zukunft oder Leidenschaften behandeln und zeigt, wie Achtsamkeit und Langsamkeit bei all diesen Fragen helfen kann. (S. 15) Auch der Umgang mit negativen Emotionen wird veranschaulicht. In drei Jahren wurden über 3 Millionen Exemplare des Buches verkauft und das Werk in viele verschiedene Sprachen übersetzt. Das bedeutet, dass der Autor mit seinen lebensphilosophischen Ratschlägen wie auch der Buddhismus allgemein einen Nerv der heutigen Zeit trifft. Das Buch verhilft zu einem bewussteren Umgang mit sich selbst und zeigt auf, dass man schöne Dinge mehr genießen kann, wenn man sie bewusst wahrnimmt und schätzt.

Sarah Bakewell: Das Café der Existenzialisten. Aus dem Englischen v. Rita Seuß; Verlag C. H. Beck, München 2016; 448 S., 24,95 €

Sarah Bakewell, die heute als Schriftstellerin in London lebt, fühlte sich in den 1970er wie viele ihrer Generation von den Ideen Sartres und anderer existentialistischer Vertreter angezogen. Sartres Werke waren der Grund für die Wahl des Studiums der Philosophie und für ihren existenzialistischen Lebensstil. Ihre abgebrochene Dissertation über Heidegger half ihr bei der ausführlichen Berichterstattung über den Existentialismus und seiner Vertreter und Vertreterinnen., Nach vier Jahrzehnten Abstand sieht sie heute die existenzialistischen Werke als eine Antwort auf die drängenden Fragen der Gegenwart. „Wenn man liest, was Sartre über Freiheit, Beauvoir über die subtilen Mechanismen der Unterdrückung, Kierkegaard über Angst, Albert Camus über die Revolte, Heidegger über die Technik und Merleau-Ponty über Kognitionswissenschaften zu sagen hat, beschleicht einen oft das Gefühl, die neuesten Nachrichten zu lesen.“

Die Existenzphilosophie war eine bedeutende philosophische Strömung im 20. Jahrhundert. Besonders großen Einfluss gerade über den speziell philosophischen Bereich hinaus hatte sie in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg. Als Existentialisten gelten diejenigen Philosophen, die die Fragen der menschlichen Existenz in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen. nicht die Fragen nach dem Sein, der Welt, nach dem Allgemeinen, nicht einmal vorrangig nach dem allgemein menschlichen, sondern nach der Existenz und den Handlungsoptionen, eventuell Handlungsmaximen, Lebenseinstellung und Lebensführung des jeweiligen einzelnen Individuums. Die Philosophen, die gemeinhin Existenzphilosophen oder Existentialisten genannt werden, haben eine ähnliche Vorstellung von menschlicher Existenz und menschlichen Problemen,

Als Vertreter der deutschen Existenzphilosophie werden besonders Heidegger und Jaspers genannt als Vertreter des französischen Existentialismus Sartre, Camus, Merleau-Ponty und Marcel. Gerade die in der Philosophie verbreitete Verallgemeinerung, die Suche nach Wesenszügen, nach Allgemeinbegriffen wird in der Existenzphilosophie kritisch gesehen, bzw. abgelehnt. Existenz sei immer konkret. Existenz bedeutet hier das persönliche, individuelle, einmalige, subjektive Sein eines Menschen. Existenz ist Freiheit in einer Situation und Geworfenheit in eine Situation. Der Mensch hat sich die Situation, in der er ist, in der Regel nicht ausgesucht und er ist in der Regel frei in seinen Entscheidungen. Er hat verschiedene Möglichkeit des Handelns. Der Mensch sei kein unveränderliches statisches Wesen, Existenz sei etwas dynamisches, sei Aufgabe und Vollzug. Im Verlaufe ihrer freien Entscheidungen könnten die Menschen allerdings zu einer unwahren, uneigentlichen Existenz kommen.

Bestimmte Bewusstseinszustände, Erfahrungen, persönliche Gestimmtheiten etc. ließen sich mit Wörtern schlecht oder gar nicht beschreiben und vermitteln. Der einzelne Mensch müsse solche Erlebnisse selbst haben, um verstehen zu können, was sie sind, was sie bedeuten. Existenz im Sinne der Existenzphilosophie haben nur Menschen, können nur Menschen haben. Menschliches Sein unterscheide sich fundamental von allem anderen Sein. Existenz sei ein letztes nicht hintergehbares Sein, welches durch Faktizität, Endlichkeit, Geschichtlichkeit/Zeitlichkeit, Freiheit und Möglichkeit bestimmt sei, sich verlieren oder finden, sich entwerfen und wählen könne, bzw. müsse. Diese Existenz sei rational weder erfassbar noch erklärbar. Durch Gefühle wie Angst, Ekel, Absurdität, Langeweile, durch Grenzsituationen wie Tod, Schuld, Kampf, Verzweiflung, Scheitern, Schicksalsschläge erführe man, was Existenz ist.

Sie schildert darin die Anfänge der existentialistischen Bewegung bis zum Tode Sartres 1980, als das existenzialistische Zeitalter vorbei war und der Poststrukturalismus tonangebend wurde. Bakewell nimmt in ihrer existenzialistischer Gruppenbiografie zwei Denker besonders heraus: Jean-Paul Sartre und Martin Heidegger, die „beiden Giganten unserer Geschichte“. (S. 360) Der junge Husserl-Schüler Martin Heidegger entwickelte Idee vom Sein, in das der Mensch ungeschützt eintaucht, was von Sartre übernommen wurde. Bakewell hebt aber lobenswerterweise auch Heideggers Verbindung mit nationalsozialistischem Gedankengut hervor.

Außerdem zeigt sie sich von dem Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty angetan, der in enger Verbindung mit Sartre und Simone de Beauvoir stand. Merleau-Pontys Philosophie lässt die Phänomenologie in einen intensiven Dialog mit den Denkstilen des Strukturalismus, der Gestalttheorie, Psychologie und verschiedenen philosophischen Denktraditionen eintreten. Der Schwerpunkt seiner äußerst vielfältigen und weit ausspannenden denkerischen Arbeiten ist dabei die Rolle des Leibes, als den der Mensch sich selbst und die Welt erfährt.

Der Grund, warum die Existentialisten heute wieder Aktualität besitzen, liegt für Bakewell an folgenden Punkten: „Sie führen uns die Schwierigkeiten unserer Existenz und das oft erschreckende menschliche Verhalten vor Augen, zeigen uns jedoch auch, was für immense Möglichkeiten in uns liegen. Sie stellen beharrlich die Frage nach der Freiheit und dem Sein, die wir ebenso beharrlich zu vergessen suchen. Wir müssen uns die Existentialisten keineswegs als exemplarische Persönlichkeiten zum Vorbild nehmen. Aber sie sind aufregende Denker, und deshalb lohnt sich die Auseinandersetzung mit ihnen.“ (S. 359f)

Die Entscheidung der Autorin, eine Gruppenbiographie zu verwenden, ist gewagt, die existentialistischen Denker unterscheiden sich dann aber zum Teil beträchtlich. Die Person und das Werk Albert Camus‘ kommen außerdem bei Bakewell etwas zu kurz. Dieses auf die Aktualität bezogene philosophische Sachbuch wird in Anekdoten verpackt und unterscheidet sich von so mancher abgehobenen wissenschaftlichen Abhandlung. Philosophie wird populärwissenschaftlich dargestellt, so erreicht das Buch breitere Leserkreise und gibt Antworten auf die drängenden Probleme unserer Zeit. Sehr zu empfehlen.

Stavros Mentzos: Lehrbuch der Psychodynamik. Die Funktion der Dysfunktionalität psychischer Störungen, 8. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, ISBN: 978-3-525-40123-1

Der Psychiater und Psychoanalytiker Stavros Mentzos beklagt, dass die Dynamik psychischer Störungen, die Summe der zum Teil unbewussten und komplizierten Prozesse, die sich hinter der Oberfläche der psychischen Störungen verbergen, nur zum Teil von der modernen Psychotherapie aufgegriffen wird. Er geht davon aus, dass psychische Störungen nicht nur „unlustvolle, das Wohlbefinden beeinträchtigende, schmerzvolle, ängstigende, zur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung oder Disorientierung und Desintegration führende Prozesse, sondern auch Verhaltens- und Erlebnismuster mit einer je eigenen aktiven Dynamik und, in einem gewissen Sinne, auch einer Funktion. Sie sind nicht nur passiv erlittene, sondern auch aktiv – wenn auch meistens unbewusst – mobilisierte Reaktionen, Strategien, Mechanismen, so dass man vielfach paradoxerweise von einer Funktion innerhalb einer Dysfunktionalität sprechen kann.“ (S. 14)

Dieses Lehrbuch der funktionsbezogenen Dysfunktionalität beinhaltet psychodynamische Erklärungsversuche zu verschiedenen psychischen Störungen wie Phobien, Manien, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen. Im ersten Teil des Buches werden allgemeine Überlegungen dargestellt und bestimmte Begriffe der Psychodynamik erläutert. Im zweiten Teil werden dann die einzelnen Störungen als funktionales Gebilde geschildert (Hysterie, Zwangsneurose, Phobie, Depression usw.). Im dritten abschließenden Teil erfolgen die Erläuterung und die Begründung der eingeführten neuen Konzepte und Theorien, bevor der gesamte Inhalt des Buches nochmals in 11 Thesen zusammengefasst wird.

Mentzos schreibt ein fundiertes, klar gegliedertes Lehrbuch, das die Psychodynamik als wesentlichen Teil der Psychotherapie begreift und auch einfordert. Die Funktion innerhalb einer Dysfunktionalität wird noch immer unterschätzt, vor allem von Patienten. Das Lehrbuch richtet sich an alle Studenten der Psychologie, Ärzte und Psychoanalytiker sowie an Patienten und ihre Angehörigen. Für das Buch benötigt man etwas Fachwissen, aber es ist doch benutzerfreundlich und verständlich geschrieben.

Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Suhrkamp Verlag, 6. Auflage, Berlin 2017, ISBN: 978-3-518-58626-6

Seit 2005 ist Hartmut Rosa Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 2006 erhielt er den Forschungspreis für Grundlagenforschung des Landes Thüringen. Rosa ist seit 2011 Sprecher der Kollegforschergruppe „Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung (Postwachstumsgesellschaft)“ an der Universität Jena.

In seiner Habilitationsschrift „Soziale Beschleunigung. Die Veränderung der Temporalstrukturen“. Behauptet er, dass Beschleunigung sich in der rasanten Entwicklung der Technik im 19./20. Jahrhundert und der sozialen Beschleunigung der Menschen zeige. Die Geschichte der Moderne sei gleichzeitig die Geschichte von Beschleunigung. Laut Rosa führt die Vielzahl der Möglichkeiten dazu, dass ein Mensch die ihm gegebenen Möglichkeiten nicht mehr im Laufe seines Lebens ausschöpfen kann.

Rosa kritisiert, dass es keine Glückssoziologie oder Soziologie des guten Lebens innerhalb der Soziologie bislang gab. Mit diesem Buch will es damit einen Anfang machen. Dabei kreisen seine Überlegungen um den Begriff der Resonanz. Resonanz bedeutet in der Systemtheorie Niklas Luhmanns eine Übertragungsmöglichkeit (für Prozesse) zwischen miteinander verbundenen Systemen bzw. von direkt benachbarten Systembestandteilen innerhalb eines Systems aufgrund der Gleichartigkeit beider.

Die Qualität eines menschlichen Lebens lässt sich laut Rosa nicht in der Währung von Ressourcen, Optionen und Glücksmomenten angeben, stattdessen müssen wir den Blick auf die Beziehung zur Welt richten: „Ob Leben gelingt oder misslingt, hängt davon ab, auf welche Weise Welt (passiv) erfahren oder (aktiv) angeeignet oder anverwandelt wird und werden kann.“ (S. 53)

Dabei kritisiert er die Steigerungslogik der Moderne, die Ursache und Folge einer gestörten Weltbeziehung ist. Zentral für gelingende Weltverhältnisse ist der Grad der Verbundenheit mit und der Offenheit gegenüber anderen Menschen und Dingen: „Die jeweilige Weltbeziehung lässt sich nicht über die Art der Tätigkeiten oder die Objektbereiche per se bestimmen, sondern nur über eine Analyse der jeweiligen Welthaltung und Welterfahren. Ob es nun zur Ausbildung und Aufrechterhaltung konstitutiver Resonanzachsen kommt oder nicht, hängt zur Ersten von den (körperlichen, biographischen, emotionalen, psychischen und sozialen) Dispositionen des Subjekts, zum Zweiten von der institutionellen, kulturellen und kontextuellen sowie auch von der physischen Konfiguration der jeweiligen Weltausschnitte und zum Dritten von der Art der Beziehung zwischen diesen beiden ab.“ (S. 35)

Weltbeziehungen sind historisch und kulturell variable Gesamtkonfigurationen wie die kulturelle und soziale Ein- und Ausrichtung der Welt. In diesem Zusammenhang untersucht Rosa dabei konkrete Handlungssphären wie etwa Familie und Politik.

Mit diesem Werk wurde ein neuer Forschungsgegenstand der Soziologie, nämlich die Soziologie des guten Lebens, vorangetrieben. Hartmut Rosa gebührt das Verdienst, die Frage nach Glück und Zufriedenheit in einer postmateriellen Gesellschaft soziologisch zu beleuchten und dies nicht nur der Psychologie oder der Esoterik zu überlassen. Dies ist jedoch eine Lektüre, die aufgrund der wissenschaftlichen Herangehensweise und der dafür benötigten Vorkenntnisse es schwer haben wird, eine gewisse Breitenwirkung zu erzielen.

Tilmann Borghardt/Wolfgang Erhardt: Buddhistische Psychologie. Grundlagen und Praxis, Arkana Verlag, München 2016, ISBN: 978-3-442-341176-4

Der Buddhismus hat weltweit je nach Quelle zwischen 230 und 500 Millionen Anhänger und ist damit die viertgrößte Religion der Erde nach Christentum, Islam und Hinduismus. Der Buddhismus ist hauptsächlich in Süd-, Südost- und Ostasien verbreitet, findet aber auch in westlichen Ländern immer mehr Anhänger. Die Buddhisten berufen sich auf die Lehren des Siddhartha Gautama, der in Nordindien lebte, im 6. und möglicherweise noch im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. „Buddha“ (wörtlich „Erwachter“) ist ein Ehrentitel, der sich auf ein Erlebnis bezieht, das als Bodhi („Erwachen“) bezeichnet wird. Gemeint ist damit nach der buddhistischen Lehre eine fundamentale und befreiende Einsicht in die Grundtatsachen allen Lebens, aus der sich die Überwindung des leidhaften Daseins ergibt. Diese Erkenntnis nach dem Vorbild des historischen Buddhas durch Befolgung seiner Lehren zu erlangen, ist das Ziel der buddhistischen Praxis.

Der Psychoanalytiker Wolfgang Erhardt und der buddhistische Meditationslehrer Tilmann Borghardt haben auf der Grundlage dieser Weisheiten eine Synthese zwischen buddhistischer Geistesschulung und westlich fundierter Psychotherapie entwickelt. In einem Gastbeitrag schildert Astrid Schillings ihre Methode des „Focusing“, eine Achtsamkeitsübung im buddhistischen Kontext. Das Ziel des Buches liegt darin, „von konkreten Nutzen auf den individuellen Wegen der Heilung zu sein und Arbeit mit emotionalen Mustern in den Kontext eines Weges des umfassenden Erwachens zu stellen.“ (S. 17)

Zunächst wird in wesentlichen Zügen das gemeinsame Anliegen von Psychotherapie und buddhistischer Weisheit und die Grundzüge einer essentiellen Psychotherapie vorgestellt. Dann geht es um die buddhistische Geistesschulung in der Psychotherapie, während im zweiten Teil die Psychotherapie auf der Grundlage der buddhistischen Geistesschulung erörtert wird. Das Arbeiten mit der innerspsychischen Dynamik der Persönlichkeit auch anhand von Fallbeispielen dem Leser näher gebracht. Außerdem werden grundlegende Ansätze einer Paartherapie auf diesen Grundlagen vorgestellt. Im Anhang gibt es einige Informationen über die Essentielle Psychotherapie (EPT) und die Möglichkeiten der Fortbildung für Interessenten.

Das Buch richtet sich sowohl an Psychotherapeuten, die solche Wege für ihre eigene Praxis im Umgang mit Patienten anwenden wollen, als auch an Hilfesuchende, die ohne konkrete Vorkenntnisse der buddhistischen Theorie und Praxis für die Stabilisierung der Psyche nutzen wollen. Das Buch bietet dabei hilfreiche praktische Übungen, die leicht angewendet werden können. Trotzdem kann das Buch für Hilfesuchende nur als Unterstützung dienen, der Gang zu einem Psychotherapeuten des Vertrauens kann es nicht ersetzen.

Stuart Shanker: Das überreizte Kind. Wie Eltern ihr Kind besser verstehen und zu inneren Balance führen, Mosaik Verlag, München 2016, ISBN: 978-3-442-39267-4

Der Autor Stuart Shanker ist Professor für Psychologie und Philosophie in Toronto und ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet der frühkindlichen Entwicklung. Shanker ist der führende Vertreter der Canadian Self-Regulation (Selbstregulierung), worum es in diesem Buch auch geht. Selbstregulierung ist eine Methode die Eltern hilft, zu erkennen, wann ihrem Kind zu viel Stress ausgesetzt ist, die Stressfaktoren zu finden und sie dann zu reduzieren. Dann kann dem Kind spielerisch beigebracht werden, sich selbst zu helfen und Selbstregulierungsstrategien zu entwickeln: „Bei dem Konzept der Selbstregulierung geht es um erstaunliche Veränderungen in Bezug auf Stimmung, Konzentration, die Fähigkeiten, Freundschaften einzugehen, Einfühlungsvermögen und die Entwicklung der Tugenden und Werte, die für das langfristige Wohlergehen ihres Kindes wichtig sind.“ (S. 15)

Für ihn sind „problematische“ Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen Indikatoren für zu viel Stress. Die Selbstregulierung fängt damit an, dass die Eltern ihre eigenen Stressfaktoren identifizieren und reduzieren und die Interaktion mit dem Kind zu suchen. Bei der angewandten Methode der Selbstregulierung sollen Kinder ihre innere Balance wiederfinden werden und ihre schulischen Leistungen steigern. Neben diesen Mustern sollen auch Entspannungstechniken wie Yoga für Kinder geeignet sein. Die unterschiedlichen Übungen, sogenannte asanas, fördern auf sanfte Weise Beweglichkeit und Dehnbarkeit und enthalten gleichzeitig Ruhemomente, um dem Körpergefühl nachzuspüren.

Die Methode der Selbstregulierung stockt bei dem Punkt, wo dem Kind beigebracht werden soll, Selbstregulationsstrategien zu entwickeln. Die Frage stellt sich, ob damit nicht das Kind überfordert wird. Dies alles klingt doch sehr theoretisch und es ist schwer zu glauben, dass diese Methode auf jedes Kind anwendbar ist.

Hannolore Hoger: Bilder aus meinem Leben. Ohne Liebe trauern die Sterne, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017, ISBN: 978-3-498-03034-6, 19, 90 Euro

Hannelore Hoger gehört zu den profiliertesten deutschen Charakterdarstellerinnen. Ihre Palette ist sehr vielseitig: Ihre Spezialität sind geradlinige und starke, oft resolute Frauen, die jedoch meist auch sensibel, einfühlsam und humorvoll sind.

Ihr Vater war Schauspieler und Hauptkoordinator am Ohnsorg-Theater in Hamburg, so dass sie dadurch schon früh Bühnenerfahrung machte. 1975 wurde Hoger von der Zeitschrift „Theater heute“ zur Schauspielerin des Jahres gewählt. Seit den Achtzigern auch als Theaterregisseurin tätig, inszenierte sie unter anderem Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“ am Staatstheater Darmstadt und Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen" am "Theater in der Josefstadt" in Wien. Seit 1986 ist Hoger freischaffende Schauspielerin und Regisseurin. Den Kinogängern bekannt wurde Hannelore Hoger durch ihre Zusammenarbeit mit Alexander Kluge. In "Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos" spielte sie 1968 mit der reformorientierten aber scheiternden Zirkusartistin Leni ihre erste Hauptrolle für Kluge.

Sie ist auch bekannt für ihr soziales Engagement und ihr Eintreten gegen Rassismus. In der TV- Filmreihe „Die Bertinis" (1988) brillierte sie in der Rolle der Lea Bertini, die als jüdische Klavierlehrerin in das Visier der Nationalsozialisten gerät und mit ihrer Familie im Hamburg des Zweiten Weltkrieges ums Überleben kämpfen muss.

Sie spielt seit 1993 die Rolle der erfahrene Kommissarin Bella Block in der gleichnamigen Krimiserie, die in unregelmäßigen Abständen im ZDF läuft. 1994 bekam sie für diese Rolle den Adolf - Grimme - Preis in Gold, 1998 die Goldene Kamera als "Beliebteste deutsche Kommissarin". Bevor sie Bella Block spielte, hatte sie auch Auftritte in anderen Krimiserien, darunter unter anderem in „Tatort", „Derrick" und „Der Alte". Im Historienfilm „Henri 4" (2010) von Jo Baier ist Hoger in der Rolle der machtbesessenen Katherina de Medici zu sehen.

Dies ist die erste intimere Erzählung aus ihren reichhaltigen Leben. Hannelore Hoger, die nach eigenen Angaben „eine vom Leben Beschenkte“, (S. 279) berichtet über Ähnlichkeiten ihres Charakters mit der Person Bella Block, ihre Träume, Persönlichkeit und ihre Vorstellung vom Leben. Viele persönliche Dinge gibt sie in dem Buch preis, auch erstmals ihre in den letzten Jahren gemalten Bilder. Sie erzählt über ihre Zusammenarbeit mit den Regisseuren Alexander Kluge und Peter Zadek und ihr Verhältnis zu anderen Schauspielerkollegen.

Über ihre Mutter Johanna und ihre Tochter Nina möchte sie in diesem Buch jedoch nicht viel preisgeben, dabei ist ihr die Familie wichtig: „Meine Situation war nicht ideal. Den Schutz hat mir meine Familie gegeben, denn ohne meine großartigen Eltern und Geschwister hätte ich nie die Situation vermutlich nicht gemeistert.“ (S. 279)

Sie erscheint als selbstbewusste, emotionale, gereifte Persönlichkeit, die viele Facetten besitzt. Für sie ist „Liebe etwas Unausgesprochenes. Eine ungreifbare Empathie. Zärtlichkeit. Ein schönes Haus eben mit Gärten und Wegen und Bäumen und Tieren. Wie das Paradies, und das kann man nur fühlen, falls man ihm verblüfft begegnen sollte.“ (S. 278)

Dieses locker geschriebene Buch bietet intimere Einblicke in ihr Leben und ihre starke Persönlichkeit. Für jeden Fan der beliebten Schauspielerin zu empfehlen.

Jan-Philipp Sendker: Das Geheimnis des alten Mönchs. Märchen und Fabeln aus Burma, Blessing Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-89667-581-1

Burma (Myanmar) ist ein Staat in Südostasien und grenzt an Thailand, Laos, die Volksrepublik China, Indien, Bangladesch und den Golf von Bengalen. Das Land stand seit 1962 unter einer Militärherrschaft, bis diese am 4. Februar 2011 einen zivilen Präsidenten als Staatsoberhaupt einsetzte. Suu Kyi war von 1988 bis 2011 Generalsekretärin der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) und ist seit 2011 Vorsitzende der Partei. Suu Kyi, die als herausragende Vertreterin im Freiheitskampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit gilt, wurde Regierungschefin, Ministerin des Büros des Präsidenten und Außenministerin von Myanmar.

Die am weitesten verbreitete Religion in Myanmar ist der Buddhismus. Einige der berühmtesten buddhistischen Kunstwerke (Statuen) im asiatischen Raum befinden sich hier. In der buddhistischen Volksreligion ist der Geisterglaube an die Nats weit verbreitet. Nats haben menschliche Züge, Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse, sind gut, hilfreich oder böse und gehässig, vor allem aber mächtig. Sie können, wenn erzürnt, großes Unheil bringen. Während der ihnen gewidmeten Feste werden sie durch Nat-Gadaw, weibliche Medien (häufig auch Transvestiten) in Trance und Tanz verkörpert.

Die Märchen aus Südostasien sind geprägt von der Denkweise und der Spiritualität der Buddhisten. Im Mittelpunkt asiatischer Märchen stehen nicht selten Tiere, für uns vielleicht überraschend oft der Hase, aber natürlich auch Elefant, Tiger oder Affe. In einem Sammelwerk hat der Journalist und Erfolgsautor Jan-Philipp Sendker zusammen mit seinem Sohn Jonathan und Lorie Karnath einige von ihnen zusammengetragen und herausgegeben.

Sendker war von 1990 bis 1995 Amerika- und von 1995 bis 1999 Asienkorrespondent des Sterns. Nach einem weiteren Amerikaaufenthalt kehrte er nach Deutschland zurück. Er lebt als freier Autor mit seiner Familie in Potsdam. Mit seinen Romanen über Burma Das Herzenhören. Das Flüstern der Schatten, Drachenspiele und Herzenstimmen schaffte er seinen internationalen Durchbruch als Autor. Er fühlt sich wie viele andere Touristen auch von der Freundlichkeit, der sagenhaften Geschichte und der Traditionen Burmas und seiner Einwohner angezogen.

Auf seinen Reisen durch Burma wurde er auch immer wieder von alten Märchen und Sagen angezogen. Burmesische Märchen unterscheiden sich in ihrer Art sehr von den uns bekannten Geschichten wie Brüder Grimm, manche müssen einem westlichen Außenstehenden, der sich nicht in der burmesischen Tradition des Buddhismus auskennt, fremd und unverständlich klingen.

Die meisten der hier abgedruckten Märchen und Sagen wurden jahrhundertelang mündlich tradiert und sind nur einige Seiten lang. Sie handeln von Tieren, Königen und ganz normalen Menschen. Sie handeln von Lügen, Geistern, Liebe, Trauer, Angst, Dankbarkeit, Hoffnung und Mitmenschlichkeit Ihr Ende hat immer eine tiefergehende Botschaft: Lebensweisheit und moralische Werte wurde in Burma auch mit diesen Gedichten und ihren Verfassern gleichgesetzt. Die Tiere, die auf dem Gebiet des heutigen Burma und in der Umgebung leben, unterscheiden sich natürlich von den deutschen Märchen und Sagen. Die Tiere besitzen aber immer auch wiederkehrende Eigenschaften in den bekannten deutschen Märchen und Sagen. Die buddhistische Lehre nimmt selbstverständlich einen wichtigen Platz ein, so wie bei „Die Macht des Karma“ (S. 158ff). Lebensweisheiten und moralische Werte findet man aber auch in allen Märchen und Sagen der Welt, dies deutet Jan-Philipp Sendker als universelles Motiv.

Die hier ausgesprochenen Weisheiten oder Lebenseinstellungen können gut auf das eigene, westliche Leben übertragen werden und eignen sich nicht nur zum Vorlesen für Kinder. Gerade Erwachsene können viel aus diesem gut recherchierten Buch für ihr eigenes Leben mitnehmen. In ihnen steckt mehr geistiger Inhalt als in jeder Rede Donald Trumps.

Bernd Kolb: Atman. Mit einem Vorwort von Jane Goodall, Terra magica, München 2017, ISBN: 978-3-7243-1057-0

Den früheren Unternehmer des Jahres in der BRD, Bernd Kolb, füllte die Konsumgesellschaft des Westens nicht mehr aus. Er änderte sein Leben, um nach der „Quelle der Weisheit“ zu suchen. 2012 startete er eine Reise zu verschiedenen Regionen und Kulturen Asiens, um dort nach alten Weisheitstraditionen zu suchen, die in der heutigen Zeit nur noch selten existieren. Er startete in Bali, ging nach über Sumatra nach Kambodscha, Thailand, Burma, Bangladesch und letztlich nach Nepal. Angezogen von der Lektüre Siddharthas von Hermann Hesse suchte er nach Atman, einem Ausdruck aus der alten indischen Philosophie. Im Zeitalter der Upanishaden (750–500 v. Chr.) werden die Weltenseele Brahman und das individuelle Selbst, Atman, als Wesenseinheit begriffen, die das wahre Wesen der Welt repräsentiert. Dieses Eine werde im Kosmos als Brahman, im Einzelnen als Atman erkennbar. Als Ziel des Lebens gilt es hier, die Einheit von Atman und Brahman zu erkennen. Atman sei ständig existent und nie von der kosmischen Kraft, dem Brahman, getrennt, es verändere sich nicht. Die Upanishaden beschäftigen sich mit dem Wesen des Brahmans, der universellen Weltenseele, von dem Atman eine Reflexion in jedem Wesen ist, die innerste Essenz eines jeden Individuums. Brahman – und damit auch Atman – ist unvergänglich, unsterblich, unendlich, ewig.

In der weiteren geistesgeschichtlichen Entwicklung wurden mit Atman auch andere Worte und höhere Wesen verbunden, der Bedeutungsgehalt blieb aber im Wesentlichen bestehen.

Dort machte er Bilder von „weisen Menschen“, die „noch immer unter uns sind und das wahre Glück kennen, im Hier und Jetzt zu leben.“ Die Bilder enthüllen „die Essenz des Lebens, die wahre Seele, das Atman dieser Menschen, denen er nun mit diesem Buch Unsterblichkeit verleiht. (S. 6) Er hielt mit der Kamera „den magischen Moment“ fest, der seine Begegnungen mit den speziellen Menschen innewohnte. Dabei verweist er auf das innere Glück dieser Menschen und die „Seelenverwandtschaft“ mit ihm: „Die Wirklichkeit ist einzig die des Augenblicks, ihres Seins. Die tiefe Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens macht sie zufrieden. Sie sind ‚bei sich selbst‘, ihrem ‚wahren Selbst‘, dem Atman.“ (S. 8) Für ihn ist dieses Buch „eine Meditation, eine Bilderreise in unser tiefstes Inneres, unser wahres Selbst. Atman.“ Die Abbildungen sind für ihn die bleibenden Manifestationen des Atman, was auch die Leser mit einiger Übung nachvollziehen können. So fotografiert er meistens Porträts von Menschengesichtern, die er auf seiner langen Reise begegnet ist und nach Ländern und Regionen unterteilt ist. Am Ende gibt es zu jedem Bild noch einen kleinen Einordnungstext.

Jeder Mensch sehnt sich nach Glück und Zufriedenheit. Kolbs Entschluss, dem kapitalistischen Leben zu entrinnen und nach dem wirklichen Glück zu suchen, ist aufregend und mutig. Ob diese innere Zufriedenheit, Ruhe oder Weisheit nun in der vedischen Tradition des Atman liegt, muss jeder für selbst entscheiden. Die Interpretation seiner Bilder mag auf den ersten Blick etwas Mystisches oder Esoterisches an sich haben, aber es sind außergewöhnliche Fotos von Menschen oder Ereignissen, die charakterstark sind und eine Innerlichkeit und Ruhe ausdrücken, die man selten in den westlichen Industriegesellschaften findet. Sich darauf einzulassen sollte man unbedingt, es ist ein Weg, nicht der Weg zu einem glücklichen Leben und zu innerer Zufriedenheit.

Neil Douglas-Klotz (Hrsg.): Die Erleuchtung des Schattens. Leben, Lieben und Lachen eines Sufis des 20. Jahrhunderts. Moineddin Jablonski, Verlag Heilbronn, Polling/Weinstadt 2017, ISBN: 978-3-936246-29-2

Sufismus ist eine Sammelbezeichnung für Strömungen im islamischen Kulturkreis, die asketische Tendenzen und eine spirituelle Orientierung aufweisen. Für die Ausarbeitung ihrer praktischen und theoretischen Lehren, die eine Einheit alles Existierenden annehmen, beziehen sich die Sufis auf einen „inneren Sinn“. Eine dieser Lehren ist das Sufi Ruhuniat International.

Das Sufi Ruhaniat International wurde von Murshid Samuel L. Lewis kurz vor seinem Tod 1971 gegründet. Wir sind im Strom der alten Weisheitslinie des Sufismus, der 1910 von Hazrat Inayat Khan unter dem Titel "Die Sufi-Botschaft" in den Westen gebracht wurde der geistigen Freiheit "und sein Schüler Murshid Samuel L. Lewis (Sufi Ahmed Murad Chisti). Diese Arbeit wurde von Pir Moineddin Jablonski, dem spirituellen Nachfolger von Murshid Samuel Lewis, der den Ruhaniat von 1971 bis zu seinem Tod im Jahr 2001 führte, fortgesetzt heute unter der Leitung von Pir Shabda Kahn, dem Nachfolger von Pir Moineddin.

Das Sufi Ruhaniat International ist darauf bedacht, den Einzelnen zu helfen, ihren höchsten spirituellen Zweck zu entfalten, ihr wesentliches inneres Wesen zu manifestieren und harmonisch mit anderen zu leben, mit der Hoffnung, menschliches Leiden zu lindern und diese Botschaften weiterzutragen.

In diesem Buch geht es um das Leben und Wirken von Pir Moineddin Jablonski. Jablonski, der im Westen geboren wurde, war dafür verantwortlich, dass sich dort dieser Zweig des Sufismus im Westen durchsetzen konnte und war auch mitverantwortlich für den Aufbau von Strukturen. Dieses von Neil Douglas-Klotz herausgegebene Buch besteht autobiographischen Elementen, Briefen, Gedichten, Artikeln und Interviews. Jablonski verband die traditionellen Sufi-Lehren mit den Problemen und Bedürfnissen der gegenwärtigen Welt: Rassismus, Sexismus, soziale Ungerechtigkeit, Ökologie, Zusammenhalt, Frieden. Dramatisch wird das Buch, als er kurz vor seinem Ableben durch Nierenversagen stand.

Das Buch ist sowohl eine Einführung in das spirituelle Denken des Sufi Ruhaniat International als auch die Lebensgeschichte von Jablonski aus der Feder eines Weggefährten. Auch wenn man seinen Glauben nicht teilt, liest sich das Buch vor dem Hintergrund der heutigen Probleme mit Gewinn.

Neale Donald Walsch: Ein unerwartetes Gespräch mit Gott. Das Erwachen der Menschheit, Übersetzung von Thomas Görden, Trinity Verlag 2017, ISBN-13: 978-3955502348, 20 Euro

Neale Donald Walsch hat mit seiner bekannten Trilogie „Gespräche mit Gott“ eine riesige weltweite Anhängerschaft erworben. In seinem ursprünglichen Leben leitete er einen Rundfunksender, war Pressesprecher und Gründer einer erfolgreichen Werbe- und Marketingfirma, bevor er durch eine schwere Krise zu Gott fand. Anfang der 1990er Jahre geriet Walschs Leben aus der Bahn. Ein Feuer zerstörte seinen gesamten Besitz, seine Ehe zerbrach, und er erlitt schwere Verletzungen bei einem Autounfall. In der Folge verlor er seine Arbeit, wurde obdachlos und sah sich dazu gezwungen, in einem Zelt außerhalb der Kleinstadt Ashland zu übernachten. Er sammelte Aluminiumdosen, um sie dann in einer Recyclingstation gegen Geld einzutauschen. Walsch habe daraufhin einen „wütenden Brief“ an Gott verfasst, der ihm darauf „geantwortet“ habe. So will Walsch über automatisches Schreiben seine Trilogie Gespräche mit Gott und weitere Titel wie Neue Offenbarungen direkt von Gott empfangen haben. Seitdem gründete er die „School of the New Spirituality“ und möchte via Bücher und Vorträge seine Botschaften weiterverbreiten.

Sein Dialog mit Gott besteht wie schon bei der Trilogie aus neugierigen menschlichen Fragen und weisen göttlichen Antworten. Das Themenspektrum reicht von Problemen und Fragen des individuellen und gesellschaftlichen Schicksals über Fragen nach der Beziehung des Individuums zu seinen Mitmenschen, zur Umwelt und zum Planeten Erde bis schließlich zur Erkenntnis universeller Weisheit; viele Teile, die auch schon in den früheren Gesprächen vorkamen. Neu sind die Zukunftsfragen nach einem besseren und friedlichen Zusammenleben der Menschheit und dem Umgang des Menschen mit der Natur.

Auch dieses Mal werden Anhängerinnen und Anhänger von Walschs spiritueller Botschaften Antworten auf ihre Fragen finden und neue Ermutigungen für sich selbst.

Christiane Northrup: Frauenkörper. Frauenweisheit, ZS-Verlag 2017, ISBN: 978-3-89883-605-0

Die Medizinerin Christiane Northrup, eine Expertin der Frauenheilkunde mit einem ganzheitlichen Ansatz, geht in ihrer Arbeit davon aus, dass es eine Verbindung zwischen seelischem Leiden und körperlicher Krankheit gibt. Sie schließt aus „ jahrzehntelanger ärztlicher Praxis“, dass die „Lebensumstände und die Geschichte einer Frau mit ihren gynäkologischen Störungen zusammenhängen“. Anhand von Fallbeispielen aus ihrer Praxis zeigt Northrup, wie Frauen die „Autorität über ihre eigenen Gefühle“ wiedergewinnen können. Es gebe eine ursprüngliche Fähigkeit zur Heilung und Selbstheilung, die jederzeit wieder aktiviert werden könne.

In ihrem überarbeiteten Buch „Frauenkörper, Frauenweisheit“ stellt sie nun noch mehr heraus, den „Kontakt zu unserem intuitiven Wissen und unseren Gefühlen aufzunehmen.“ Den wissenschaftlichen Methoden steht sie skeptisch gegenüber, sie beschreibt immer wieder ihren eigenen Lebensweg. Sie hätte Jahre gebraucht, um ihren eigenen Körper mit ihren Gefühlen wieder in Einklang zu bringen und sich damit, „selbst zu heilen“. Somit hat das Buch auch einen autobiographischen Touch. Dieses Buch soll aufklären und andere Frauen einen Anstoß geben, ihr Denken zu verändern. Sie bringt in diesem Zusammenhang sowohl konventionelle Behandlungsmethoden und alternative Therapien ins Spiel.

Das Buch verspricht viel, es kommt sehr stark auf die eigene Haltung zu Northrups Thesen und Behandlungsmethoden an, ob das Buch lesenswert ist.

Elli, H. Radinger: Die Weisheit der Wölfe. Was die denken, planen, füreinander sorgen – Erstaunliches über das Tier, das dem Menschen am ähnlichsten ist, Ludwig Verlag, 3. Auflage, München 2017, ISBN: 978-3-453-28093-9

Wölfe sind in Deutschland wieder heimisch. Bis zu 70 Wolfsrudel werden im Bundesgebiet vermutet. Insgesamt sind das etwa 400 Tiere, die meisten davon leben in Ostdeutschland. Sind Wölfe eine Gefahr für den Menschen oder umgekehrt?

Damit beschäftigt sich dieses Buch der Wolfsexpertin Elli H. Radinger, die vor allem die Ähnlichkeiten zwischen Wolf und Mensch herausstellt: „Ich habe das große Glück, dass mich die Wölfe an ihrem Leben teilhaben lassen, an der Jagd, der Paarung oder die Aufzucht ihren Jungen. Dabei habe ich festgestellt, dass sie uns Menschen in ihrem Verhalten sehr ähnlich sind: Sie sind fürsorgliche Familienmitglieder, autoritäre, aber gerechte Leittiere, mitfühlende Helfer, durchgeknallte Teenager oder alberne Spaßvögel.“ (S. 19)

Sie spricht über die Bedeutung der Rudel für die Wölfe, die sich liebevoll um ihre Jungen kümmern und Hierarchien aufbauen. Dann geht es um das Führungsverhalten unter Wölfen: „Führung ist also so individuell wie die Persönlichkeit, die sie ausübt. Wird allerdings ein Entscheidungsträger benötigt, weil beispielsweise eine Situation gefährlich scheint, dann sind es die Leittiere, die aufgrund ihrer Erfahrung wissen, wo es langgeht.“ (S. 49)

In Rudeln genießen ältere Wölfe großen Respekt, werden würdevoll behandelt und sind hochgeschätzte Mitglieder. Besonders bei der Jagd sind sie aufgrund ihrer Erfahrung unverzichtbar. Dann geht sie auf die Kommunikation der Wölfe ein, die dies mit ihren Augen, Ohren, der Schnauze, der Schwanzstellung, durch Markieren und Heulen machen. Sie haben wie die Menschen auch ein Verständnis für Heimat: „In der Wolfswelt geht es darum, seinen Platz im Ökosystem zu finden. Ein gutes Wolfsrevier bietet genügend Rückzugsräume und ein verlässliches Nahrungsangebot.“ (S. 99)

Außerdem geht sie noch auf die sozialen Fähigkeiten, planbares Handeln, Geduld, Ängste und ihre Überwindung ein.

Sie möchte auch das Bild vom „großen, bösen Wolf“ korrigieren: „In Europa sind in den letzten 50 Jahren neun Menschen durch Wölfe getötet worden: (…) Dennoch ist mancher überzeugt, dass der Wolf gleich hinter der nächsten Hecke auf ein unschuldiges Kind lauert, um es zu fressen. Bevor Sie Angst vor einem Wolf haben, sollten Sie lieber ihren Wagen stehen lassen, denn Sie werden vermutlich eher durch einen Autounfall als durch einen Wolf verletzt. (…) Unter den 20 Tieren, die die meisten Menschen töten, ist der Wolf nicht zu finden, dafür steht der Hund auf Platz vier und der Mensch auf dem ersten Platz. Sie sehen, es gibt größere Gefahren als Wölfe.“ (S. 227f)

Wenn man Schafe und Ziegen gut vor Wölfen schützt, z. B. durch einen Elektrozaun, kann der Mensch gut in Koexistenz mit dem Wolf leben, wie es Länder wie Rumänien oder die Balkanstaaten vormachen.

Zum Schluss gibt die Autorin noch Tipps für „Wolfsreisen“ im Yellowstone Nationalpark oder in der BRD für Wolfsliebhaber.

Insgesamt gesehen merkt man, dass die Autorin Wölfe liebt und ihre Eigenschaften in allen Varianten schätzt. Sie schafft eindrücklich, den Menschen den Wolf näher zu bringen und dass der Mensch den Wolf nicht als Todfeind sehen sollte, was sie mit Argumenten schafft. Ihre Sicht ist jedoch ein wenig kritiklos, die Sorgen von Züchtern und Bauern lassen sich nicht nur durch einen Elektrozaun korrigieren. Da macht sie es sich etwas zu leicht.

Erdmut Wizisla im Auftrag der Akademie der Künste: Benjamin und Brecht: Denken in Extremen, Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, ISBN: 978-3-518-42083-6

Bertolt Brecht, Schriftsteller und Regisseur, war einer der bedeutendsten Autoren der Arbeiterliteratur zur Zeit der Weimarer Republik, einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit und einer der einflussreichsten deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Sein Gesamtwerk umfasst mehr als 30 Theaterstücke, über 2500 Gedichte und Lieder, drei Romane, mehrere Dramen- und Romanfragmente sowie über 150 Prosaarbeiten, dazu Tagebücher und Briefe. Er gilt als Begründer des sogenannten „Epischen Theaters“.

Am 28. Februar verließ Brecht aus Angst vor den Nationalsozialisten mit seiner Familie und Freunden Berlin und flüchtete ins Ausland. Seine ersten Exilstationen waren Prag, Wien, Zürich und Paris. Auf Einladung der Schriftstellerin Karin Michaelis reiste Helene Weigel mit den Kindern nach Dänemark. Brecht stand im April 1933 auf der „Schwarzen Liste“ der Nazis deshalb wurden seine Bücher am 10. Mai 1933 verbrannt und am Tag darauf seine gesamten Werke verboten. Brecht wurde 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

In Paris richtete Brecht 1933 die Agentur DAD ein, den „Deutschen Autorendienst“. Dieser sollte emigrierten Schriftstellern Publikationsmöglichkeiten vermitteln. Zusammen mit Kurt Weill erarbeitete Brecht sein erstes Exilstück, das Ballett Die sieben Todsünden, das im Juli 1933 im Théâtre des Champs-Elysées uraufgeführt wurde. Kurz darauf erwarb Brecht ein Haus in Dänemark und verbrachte dort mit seiner Familie die nächsten fünf Jahre. 1938 entstand das Leben des Galilei. Außer Dramen schrieb Brecht auch Beiträge für mehrere Emigrantenzeitschriften in Prag, Paris und Amsterdam. Im Jahre 1939 verließ er Dänemark, lebte ein Jahr in einem Bauernhaus in Lidingö bei Stockholm und im April 1940 in Helsinki. Während des Sommeraufenthalts 1940 in Marlebäck schrieb Brecht das Stück Herr Puntila und sein Knecht Matti, das erst am 5. Juni 1948 in Zürich uraufgeführt wurde. Erst im Mai 1941 erhielt Brecht sein Einreisevisum in die USA und machte sich mit seiner Familie via Russland mit dem Schiff nach in die USA auf. Erst nach Ende des 2. Weltkrieges kehrte er nach Berlin zurück.

Der Philosoph und Soziologe Walter Benjamin hinterlässt einen großes philosophisches Werk, indem er versuchte, rationale Wissenschaft, linke Politik und Mystik zu verbinden. Seine jüdischen Wurzeln führten ihn früh zur Kabbala. Er war eng befreundet mit Gershom Scholem, Ernst Bloch, Bertolt Brecht, Hannah Arendt, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und vielen anderen heute bekannten Philosophen und Schriftsteller.

Die „Machtergreifung“ der Nazis zwang Benjamin, im September 1933 nach Paris ins Exil zu gehen. Hier traf er auch Hannah Arendt, die den fast mittellosen Benjamin unterstützte. Von beiden ist ein reger Briefwechsel überliefert. Finanzieren konnte sich Benjamin fast ausschließlich durch ein schmales Mitarbeitergehalt, das ihm das inzwischen nach New York emigrierte, von Max Horkheimer geleitete Institut für Sozialforschung überwies. In den Pariser Exiljahren arbeitete Benjamin vor allem an seinem Fragment gebliebenen Passagen-Werk. Außerdem verfasste er den Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit 1936 in der Zeitschrift für Sozialforschung veröffentlicht, und Studien zu Baudelaire.

Von 1937 bis 1939 war Benjamin Mitglied des von Georges Bataille, Michel Leiris und roger Caillois gegründeten College de Sociologue sowie Batailles Geheimgesellschaft Acéphale, obgleich er den Bestrebungen des Collège, den Faschismus mit seinen eigenen Mitteln zu bekämpfen, kritisch gegenüberstand. Ein geplanter Vortrag Benjamins über die Mode konnte wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr stattfinden. Benjamin wurde für drei Monate mit anderen deutschen Flüchtlingen im Lager Vernuche bei Nevers interniert.

Nach der Rückkehr aus der Haft im November 1939 schrieb Benjamin seinen letzten Text, die Thesen „Über den Begriff der Geschichte“. Benjamin flüchtete nach Lourdes, von wo er zunächst weiter nach Marseille reiste, bevor er im September 1940 den Versuch unternahm, nach Spanien zu gelangen und von dort über Portugal mit seinem USA-Visum auszureisen. Im spanischen Grenzort Portbou, wo er trotz erfolgter Grenzüberschreitung die Auslieferung an die Deutschen noch immer befürchtete, nahm er sich in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 das Leben.

In einer Ausstellung der Akademie der Künste in Berlin vom 26.10.2017 bis 28.1.2018 geht es um die Beziehung zwischen Walter Benjamin, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die Höhen und Tiefen dieser spannenden Annäherung zweier Denker in der Weimarer Republik, die im Exil intensiv fortgesetzt wurde. Dabei liest sich „diese Begegnung dieser im Grunde unvereinbaren Charaktere wie ein Versuch, sich in die Extreme zu begeben, ohne den anderen aus den Augen zu verlieren. Es war ein äußerst spannungsvolles Gespräch, das in Berlin begann, vermutlich im Spätherbst 1924, seinen ersten Höhepunkt im Mai 1929 ebendort erlebte, zu gemeinsamen Vorhaben führte und nach der Vertreibung 1933 immer wieder aufgelegt wurde. Das Exil erzwang eine Konzentration, und es ermöglichte – bedingt durch die langen gemeinsamen Sommer – eine Freundschaft, die stärker war, als die Differenz von Prägung, Arbeitsweise und Mentalität.“ (S. 8) Die tiefe Trauer Brechts über den Selbstmord des Freundes belegt die gewachsene Beziehung.

Ihre Diskussionen über Kunst, Philosophie und Politik sind auch heute noch Gegenstand von Kontroversen, haben also eine aktuelle Dimension.

In verschiedenen Clustern sind in diesem Buch zur laufenden Ausstellung von jeweils unterschiedlichen Autoren Benjamin und Brecht im Gespräch zu erleben. Die Dialoge gehen zurück auf Protokolle von Gesprächen und werden manchmal recht frei interpretiert. Daneben geben es noch Stellungnahmen von Freunden und Gegnern und ein Überblick über die Rezeption des Austausches der beiden Denker.

In diesem Buch gibt es aber mehr zu entdecken als den Austausch über weltanschauliche Fragen und die Freundschaft der beiden verschiedenen Denker. Es liefert zugleich ein Psychogramm von Brecht und Benjamin und ist weiterhin ein zeithistorisches Dokument vor allem für die Vertreibung durch die Nazis und des Lebens im Exil. Auch für die Brechtforschung sowie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Benjamin ist das Buch ein Gewinn. Das Buch macht auch Appetit auf die Ausstellung, in der die Liaison der beiden Denker noch vertieft wird.

Matthias Beier: Eugen Drewermann. Die Biographie, Patmos Verlag, Ostfildern 2017, ISBN: 978-3-8436-0601-1

Eugen Drewermann studierte katholische Theologie in Paderborn, Philosophie in Münster und Psychoanalyse in Göttingen. 1966 wurde er zum Priester geweiht. Ab 1972 war er Studentenseelsorger in Paderborn und ab 1974 als Subsidiar in der Gemeinde St. Georg tätig. Von 1979 bis 1991 lehrte Drewermann als Privatdozent für systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Paderborn.

Der Konflikt zwischen Drewermann und der katholischen Kirche schwelte schon seit den 1980er Jahren. Nach Ansicht der katholischen Bischöfe leugnete der Paderborner Theologe entscheidende Wahrheiten des christlichen Glaubens, etwa die Jungfrauengeburt oder dass Jesus die Sakramente in der von der Kirche verkündeten Form eingesetzt habe. Drewermann seinerseits wirft der Kirche vor, sie sei in dogmatischen Formeln erstarrt. Die Institution verdecke die heilende Botschaft des Evangeliums und schreibe den Gläubigen eine lebensfremde Moral vor. Heftige Debatten löste Drewermann auch mit seinem 1989 erschienenen Buch "Kleriker" aus, in dem er "ekklesiogene Neurosen" des Priester- und Mönchsstandes aufzudecken versuchte.

1991 entzog der damalige Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt dem früheren Studentenseelsorger in der Pader-Stadt nach zwölfjähriger Lehrtätigkeit die Lehrerlaubnis. 1992 erhielt Drewermann zunächst ein Predigtverbot, wenig später wurde er vom Priesteramt suspendiert.

Nun legt Matthias Beier eine umfangreiche Biographie Drewermanns vor. Beier promovierte schon über Eugen Drewermann und ist wohl einer der besten Kenner des streitbaren Theologen. Für seine Arbeit über Drewermann wurde er vom Desmond Tutu Center for Peace, Reconciliation, and Global Justice mit der Fellow Auszeichnung geehrt.

Beier schildert die verschiedenen Lebensstationen Drewermanns und vor allem seinen Streit mit konservativen Würdenträgern der katholischen Kirche, was schließlich in seinen Kirchenaustritt mündete. Er hebt Drewermanns Leidenschaft für den Frieden hervor, inspiriert von Mahatma Gandhis Lehre des gewaltlosen Widerstandes. Drewermann entwickelt „eine Auslegung von Glauben, ja im Menschsein schlechthin, das sowohl geistig, geistlich, psychologisch und sozial gewaltlos ist. Darin liegt der Hauptbeitrag Drewermanns für eine Kultur des Friedens.“ (S. 483)

Für ihn hat die Lehre Drewermanns allgemeingültigen Charakter: „ Obwohl Drewermann diese Arbeit mit Bezug zur katholischen Kirche (…) entwickelt hat, ist der Grundsatz der Analyse von angstgetriebenen verabsolutierenden Machtstrukturen in modifizierter Weise auf alle möglichen religiösen wie säkularen Konflikte übertragbar. Dies macht die kulturelle Schwelle aus, die Drewermanns Werk menschheitlich überschreitet. Wenn Drewermanns psychologische Aufklärung geistiger Gewalttätigkeit ernst genommen statt verschwiegen wird, so wird Angst im Namen von ‚Gott‘ und im säkularen Bereich, im Namen vom „Guten“ von Ethik, nicht länger benutzt werden dürfen, um Menschen zu Mitläufern und Mittätern aller Art zu machen, sei es in Religionen, in Wirtschaftssystemen oder in politischen Systemen.“ (S. 483f)

Diese Biographie ist eine Hommage an einen Kritiker der verkrusteten Ideologie der katholischen Kirche. Drewermann wird als Pazifist, humanistischer Theologen und Kapitalismuskritiker gewürdigt, dessen Lebenswerk nicht in Vergessenheit geraten soll. Eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Wesen eines der wichtigsten Kirchenreformers der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 978-3-89797-103-5 .