e-Portfolio von Michael Lausberg
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= Romane III =

Rowohlt Verlag, Hamburg 2017, ISBN: 978-3-455-00052-8

Romane Teil 3

Im Folgenden sollen einige aktuelle Romane in deutscher Sprache von verschiedenen Verlagen vorgestellt werden, die es wert sind, besprochen zu werden.

Agatha Christie Die Autobiographie, Atlantik, Hamburg 2017, ISBN: 978-3-455-00052-8

Schon in früher Kindheit begann Agatha Christies (1891-1976) Interesse an Kriminalromanen. Zusammen mit ihrer älteren Schwester las sie begeistert die Sherlock-Holmes-Romane. Mit dem Schreiben eigener Krimis begann sie aber erst im Alter von 26 Jahren. Durch ihren Dienst als Apothekenhelferin in einem Kriegslazarett hatte sie mit Medikamenten und Giften zu tun. Das beflügelte ihre Phantasie und sie begann einen ersten Krimi um einen Giftmord. Ihre erste Krimiveröffentlichung kam 1921 auf den Markt. Die 1920er Jahre gelten heute als das "Golden Age", das goldene Zeitalter des Krimis. Agatha Christie war eine von vielen Autorinnen ihrer Zeit wie Dorothy Sayers und Margery Allingham. Mit ihrem siebten Roman "The Murder of Roger Ackroyd" gelang ihr 1926 der große Durchbruch. Danach entwickelte sie sich zur Königin des Rätselkrimis, die internationalen Ruhm während ihres Lebens genoss.

Nun erscheint ihre Autobiographie, geschrieben von ihr selbst, in deutscher Sprache. Sie begann mit ihrer Autobiographie im Jahre 1950 und endete damit im Jahre 1965. Dass ein bekannter und ruhmreicher Star seine eigene Biographie schreibt, ist durchaus ungewöhnlich. Als Agatha Christi begann, war sie 60 Jahre alt, so dass vermutet werden kann, für sich persönlich eine Art Lebensüberblick zu verfassen.

Zu ihrem Vorgehen schreibt sie: „Wenn ich es recht bedenke, ist Autographie ein viel zu großartiges Wort. Es erweckt die Vorstellung einer zielbewussten Erforschung des eigenen Lebens. Es setzt die Aufzählung von Namen, Zeitpunkten und Orten in ordentlicher chronologischer Folge voraus. Ich aber habe nur vor, in einen Glückstopf zu greifen und eine Handvoll ganz verschiedener Erinnerungen herauszuziehen.“ (S. 13)

In der Biographie lernt man verschiedene Stationen ihres privaten Lebens und auch Hintergründe über ihre Werke kennen. Außerdem kommt eine charakterstarke Persönlichkeit zum Vorschein, die sich der in der damaligen Zeit herrschende Männerwelt durchsetzen musste und dies mit typisch englischem Charme auch schaffte. Für alle Agatha-Christie-Fans ein absolutes Muss!

Marie N’Diaye: Die Chefin. Roman einer Köchin, Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, ISBN 9783518427675, 333 Seiten, 22,00 EUR

Marie N’Diaye, einer der besten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Frankreichs mit senegalesischen Wurzeln, schaffte ihren internationalen Durchbruch mit dem Roma Trois femmes puissantes (Drei starke Frauen) über persönlichkeitsstarke Grenzgängerinnen, für den Sie den 2009 den Prix Concourt als erste dunkelhäutige Frau erhielt. Ein Jahr später bekamm die den Internationalen Literaturpreis- Haus der Kulturen der Welt zusammen mit Claudia Kalscheuer, die Übersetzerin ihres Werkes ins Deutsche.

In ihrem neuen Roman geht es um eine begnadete Köchin, die sich aus bescheidenenen Verhältnissen hochgearbeitet hat und ein Restaurant in Bordeaux „La Bonne Heure“ aufmacht, das sogar mit einem Stern ausgezeichnet wird. Im gesamten Roman wird der Name der Frau nicht genannt. Der Erzähler des Romans, langjähriger Mitarbeiter der Chefin und ihr in unerfüllter heimlicher Liebe verbunden, schildert die Biographie der fantastischen Köchin und auch aus seiner Sicht fantastischen Frau. Er berichtet von ihrem Leben, ihrem Charakter, ihrer Ausbildung, der Kunst der Kochkomposition, dem privaten wie öffentlichen Umgang, manche Fragen des Lesers sollen jedoch gewollt unbeantwortet bleiben. Ihre ganze Liebe gilt jedenfalls der Kochkunst, daneben gibt es nichts anderes. Kurz nach dem Tod der Verehrten macht er sich daran, eben ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, die nun der Leser teilen darf.

Dabei erfährt man im Laufe des Romans auch mehr über den Ich-Erzähler und Liebhaber. In die leidenschaftliche Zuneigung mischt sich auch Bewunderung für ihr Talent. Dies kommt vor allem zum Ausdruck, als der Ich-Erzähler die zubereiteten Speisen im ihrem Restaurant aufgezählt werden: Flusskrebspastete, Lammhirnkrapfen mit Sardellensoße, Kalbsklößchen, im Ofen gebackener Thunfisch oder Rinderbraten mit Lavendelhonig. Bei der Begegnung mit dieser so begnadeten Frau, die er tagtäglich um sich hat und auch doch nicht, muss er dieser Situation etwas Positives abgewinnen: er schildert deshalb ausführlich die (angeblichen) Vorzüge unerfüllter Liebe. Er hebt hervor, dass er viel Zeit mit seiner Chefin allein, und zwar beim Ausprobieren neuer Gerichte verbringt. Zu keinem anderen Menschen hat seine Chefin eine solche Nähe. Keiner kennt sie auch so gut wie er.

Eine hintergründige Botschaft hat der Ich-Erzähler auch noch für die Leser: Er suggeriert, dass die schöpferische Kraft eines Menschen, egal auf welchem künstlerischem Gebiet im Kern unerklärbar bleibt.

Diese biographische Entdeckungsreise, die von einem leidenschaftlichen Liebhaber erzählt wird, ist abwechslungsreich und trotz des Sujets der unerfüllten Liebe sogar manchmal komisch. NDiaye beschreibt wieder mal eine starke Frau, die es beruflich zu einer Spitzenköchin bringt, und ein aus ihrer Sicht erfülltes Leben führt. Der Leser merkt aber schnell, dass doch etwas fehlt, nämlich die Wahrnehmung der restlichen Welt neben ihrer Arbeit. Die Einengung des Lebens in einen einzigen Bereich (Arbeit) versagt der Hauptprotagonistin andere Freuden wie Liebe, Familie, Hobby und menschliche Beziehungen.

Ilona Jerger: Und Marx stand still in Darwins Garten. Roman, Ullstein Verlag, Berlin 2017, ISBN: 978-3-550-06189-7

In England im Jahre 1881 wohnen zwei berühmte Männer nur 20 Meilen voneinander entfernt, die den Lauf der Weltgeschichte verändert haben. Charles Darwin gilt wegen seiner wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler. Zusammen mit Friedrich Engels wurde Karl Marx zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus. Zu einem persönlichen Treffen oder gar zu einem fruchtbaren Austausch der beiden Denker kam es trotz der geringen Entfernung jedoch nie. Es ist nachgewiesen, dass Marx Darwins Buch „Über die Entstehung der Arten“ gelesen hat. 1873 schickte Marx einen Abdruck seines Werkes „Das Kapital“ mit einer wertschätzenden Widmung an Darwin, der jedoch dieses Werk nie gelesen hat. Mehr Verbindungen der beiden völlig unterschiedlichen Charaktere gab es nicht.

Die Autorin Ilona Jerger erzählt nun die fiktive Geschichte eines Treffens der beiden Geistesgrößen zum Dinner, wo sie sich über verschiedene gesellschaftliche Probleme und ihre eigene Arbeit austauschen. Ihr fiktiver Disput bleibt nicht in Themen der Vergangenheit stecken, sondern sprechen auch zeitgemäße Themen an, die zur Auseinandersetzung für den Leser dienen sollen. Dabei kommt es überraschenderweise auch zu Gemeinsamkeiten der beiden Denker.

Gleichzeitig werden biographische Portraits der beiden großen Männer auf wissenschaftlicher Grundlage gezeichnet und ihre Charaktere dem Leser nähergebracht. Der Reiz des Romans liegt in der Vermischung von Fiktion und realistischen Gegebenheiten, wobei doch der fiktionale Disput zwischen Darwin und Marx im Mittelpunkt steht. Der Disput über Fragen mit aktuellem Hintergrund bringt den Leser weiter und lernt gleichzeitig zwei spannende Persönlichkeiten der Weltgeschichte kennen.

Carsten Jensen: Der erste Stein, Knaus Verlag, München 2017, Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 640 Seiten, 15,0 x 22,7 cm, ISBN: 978-3-8135-0741-6 € 26,00 [D]

Carsten Jensen ist einer der profiliertesten politischen Journalisten Dänemarks, Literaturkritiker und Buchautor. Der Roman wurde in Dänemark mit literarischen Preisen bedacht und wurde nun von Ulrich Sonnenberg ins Deutsche übersetzt. Für die Recherche des Romas „Der erste Stein“ verbrachte er längere Zeit in Afghanistan und lernte dort den Alltag aus verschiedenen Sichtpunkten kennenlernen. Jensen ist ein überzeugter Kritiker des Militäreinsätze des Westens in Afghanistan, was auch in diesem Roman deutlich wird.

Jensen schildert in seinem pazifistischen Roman die Komplexität des Krieges und der darin verwickelten Personen: Die Banalität des Bösen, Trauer, Hoffnungslosigkeit, monotone Tage, alltägliche Gewalt Mordlust und die gesamten psychische Bandbreite von Gefühlen der Hauptprotagonisten.

Die Handlung spielt im seit Jahrzehnten umkämpften Afghanistan. In einem dortigen Militärcamp sind die Soldaten und Soldatinnen des 3. Zuges der dänischen Einheit in Afghanistan stationiert. Deren Charaktere, besonders die Soldatin Hannah und der Anführer Rasmus Schroder werden ausführlich vorgestellt. Die motivierte Truppe verbringt die ersten Tage monoton mit Warten und ist von Langeweile geplagt. Dann sterben durch eine Landmine zwei Menschen, was eine beeindruckende und bewegende Schilderung des Krieges und des Vorgehens beim Einsatz. Die immer wieder aufflackernde Gewalt gerät schließlich außer Kontrolle und die Grausamkeit des Krieges wird plastisch geschildert. Die Abgründe der menschlichen Psyche wie Liebe, Tod und Freundschaft zeigen sich, als Schroder seine Kameraden und Kameradinnen verrät. Was mit einem Menschen geschieht, wenn er solchen extremen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist und was mit einem Menschen, wenn man tatsächlich einen anderen Menschen tötet, passiert, wird hier in schonungsloser Brutalität deutlich.

Von verschiedenen Standpunkten aus lernt man in diesem Buch Innenansichten über den Afghanistan- Krieg kennen. Es gibt tiefere Einblicke in ein Land, das seit Jahrzehnten von Krieg und Gewalt bestimmt ist. Die detaillierten Beschreibungen von Verletzungen und Verstümmelung der Soldaten und andere Szenen schockieren, sind aber auch ein Zeichen einer authentischen Reportage. Jensens umfangreiche Recherchen im Vorfeld des Romans in Afghanistan tragen hier Früchte.

Das Buch lebt von der Aktualität des Genres und die immer wieder entflammte Diskussion des Pro und Contras von westlichen Militäreinsätzen in Krisengebieten. Es ist keine leichte Unterhaltungslektüre, sondern zeigt die Schonungslosigkeit und Brutalität des Krieges. Was jedoch etwas fehlt, ist die Sicht auf die Zivilbevölkerung, die immer am meisten unter einem Krieg und seinen Folgen leidet.

Deborah Feldman: Überbitten, Secession Verlag für Literatur, Zürich 2017, ISBN: 978-3-906910-00-0

Deborah Feldman ihrem autobiografischen Debütroman Unorthodox beschrieb sie ihre Kindheit und Jugend in einer traditionalistischen jüdischen Glaubensgemeinschaft im New Yorker Stadtteil Williamsburg. In Unorthodox beschreibt Feldman, dass sie schon als junges Mädchen unter strengen Kleidungsvorschriften litt. Kontakte zu Nicht-Juden waren verpönt, es gab zunächst nicht einmal ein Radio im Haus, um sich von amerikanischer Popkultur und Nachrichten abzuschirmen. Für Mädchen und Frauen galten besonders während der Menstruation strenge Vorschriften bezüglich der rituellen Unreinheit des weiblichen Körpers. Das Buch war in den USA sehr erfolgreich und wurde millionenfach verkauft, 2016 erschien es in deutscher Sprache.

Ihr neues Werk ist als eine Art Fortsetzungsroman von Unorthodox zu verstehen, in denen sie autobiographisch die inneren und äußeren Entwicklungen der Jahre beschreibt, wo sie ihre chassidische Gemeinde in New York verlässt und auf der Suche nach einem selbstbestimmten Leben für sich und ihren Sohn nach Europa reist und dort in Berlin eine neue Heimat findet.

Nach der Lektüre vieler Klassiker der europäischen Literatur wechselt sie ihren Lebensmittelpunkt und zieht nach Europa, um sich dort auf Spurensuche ihrer vertrauten Großmutter zu begeben, die den Holocaust überlebt hat: „Ich spürte die magnetische Wirkung des europäischen Kontinents, jenes Raumes, den meine Gemeinschaft zu verbrannter Erde erklärt hatte, und ich bereiste ihn, um diesen großen Mythos, der über meine Kindheit schwebte, aus nächster Nähe zu betrachten. Aber wo ich erwartete, auf Ödnis zu stoßen, fand ich im Gegenteil eine Vielzahl von Arten vor.“ (S. 14f) Ihre Großmutter war die einzige, bei der sie sich während ihrer Kindheit in Williamsburg vertraut und verstanden fühlte: „Ihre Liebe zur Harmonie war es, die mich lehrte, wie die unvereinbaren Teile meines Selbst zusammenzubringen waren. (S. 16)

In dem Roman geht es besonders um ihre persönliche innere und äußere Entwicklung, die sie in Europa durchlief und es sie schließlich in das Land der Täter verschlug. Genauer in die Stadt, die Hitler in seinen Wahnideen als künftige Welthauptstadt Germania auserkoren hatte. In Europa habe sie sich endlich als Persönlichkeit gefunden: „Inzwischen sind genau sieben Jahre seit meiner Flucht vergangen, und jenen beiden Persönlichkeiten, die sich Seite an Seite und doch getrennt voneinander entwickelt hatten, war es schließlich erlaubt, sich zu verflechten, und damit ging das erste wirkliche Gefühl für ein vollständiges Selbst einher, hier in dieser alten und neuen Welt.“ (S. 15)

Deborah Feldmann zeigt sich als charakterstarke Persönlichkeit, die ihre Träume verfolgt und ihrem Sohn ein tolerantes und undogmatisches Umfeld bieten will. Das Buch ist spannend und fesselnd geschrieben und nur zu empfehlen. Es steht ihrem ersten Roman Unorthodox in nichts nach.

Das immer in dem Roman durchdringende Thema ist die Versöhnung. Ihre Versöhnung mit einem Deutschland, das in ihrer chassidischen Community als Übel schlechthin galt. Dies mag ein Gefühl sein, das viele Juden heutzutage haben, wenn es um das Thema Holocaust geht. Eine kleine radikale Minderheit in Deutschland sieht das allerdings anders: Sie vertritt nach wie vor antisemitische Positionen und werden den Juden ewig den Holocaust vorwerfen.

Ein Blick in die Realität zeigt: Für viele Juden in Berlin ist Antisemitismus jeder Spielart Alltäglichkeit. Mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust müssen jüdische Einrichtungen in Berlin wie das Jüdische Museum immer noch aus Angst vor Anschlägen von bewaffneten Kommandos der Polizei geschützt werden. Ein Blick in die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre oder in bestimmte Meinungsumfragen genügt, um zu verstehen, dass eine kleine radikale Minderheit in der BRD nichts aus dem Holocaust gelernt hat. Nicht nur Björn Höcke.

Donna Leon: Stille Wasser, Diogenes Verlag 2017, ISBN-13: 978-3257069884

Der Held in Donna Leons Kriminalromanen ist der intelligente, aber eher unscheinbare venezianische Commissario Guido Brunetti. Seine Frau Paola ist die Tochter eines Grafen aus der Familie Falier, eine der ältesten Familien Venedigs. Dessen ruhiges und beschauliches Leben mit seiner Familie kontrastiert oft mit abscheulichen Verbrechen, die Brunetti natürlich immer aufklärt. Nicht nur den spannenden Fällen ist es zu verdanken, dass Donna Leons Krimi-Serie so erfolgreich ist. Auch die Marotten des liebenswürdigen und kultivierten Brunetti und immer wieder auftauchenden Charaktere aus seinem beruflichen Umfeld machen den Erfolg aus. Die Autorin nimmt als eine Art zweite oder dritte Handlungsstränge in ihren Romanen aktuelle Themen aus Sicht der Venezianer auf, z.B. Bestechung in Behörden, Umweltskandale, Umgang mit Asylanten, oder sexueller Missbrauch von Kindern. Auch in diesem Roman neben die Themen Stadtverschmutzung durch zu viele Touristen und die Umweltzerstörung einen breiten Raum ein.

In diesem Roman geht es darum, dass der erholungsbedürftige und krankgeschriebene Brunetti eigentlich in einer Villa von Verwandten seiner Frau Paola in der Lagune von Venedig schonen soll. Dort stößt er auf den Hausverwalter, einem alten Freund seines Vaters, und verbringt mit ihm viel Zeit. Der Hausverwalter beschäftigt sich zusammen mit einer Biologin mit dem Bienensterben in der Lagune. Als dann der Verwalter spurlos verschwindet, ermittelt Brunetti diesmal also nicht im staatlichen Auftrag, sondern aus freundschaftlicher Motivation. Dieser Fall ist wiederum spannend geschrieben und sehr verzwickt und wieder mit dem (vertrauten) Ende, dass die Verbrecher wieder ohne Strafe davonkommen. Mehr sollte nun wirklich nicht verraten werden.

Ein kurzweiliges Leseerlebnis wie auch bei den anderen Büchern mit Kommissar Brunetti.

Karl Ove Knausgärd: Kämpfen. Luchterhand Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-630-87415-9

Karl Ove Knausgärd ist der bekannteste norwegische Autor der Moderne. 2009 veröffentlichte Knausgård die ersten drei seines sechs Bände umfassenden, autobiografisch angelegten Romanzyklus Min Kamp (Mein Kampf). Das Erscheinen des ersten Bandes, der die schwierige Beziehung zu seinem Vater thematisiert und dabei „in einer regelrechten Gedankenflut“ essayistische Passagen mit Kindheits- und Jugenderinnerungen verbindet, sorgte in Norwegen für großes Aufsehen und löste heftige Diskussionen aus. Die Bände vier und fünf erschienen 2010, der sechste und letzte Band wurde 2011 veröffentlicht. 2011 kam der erste Band unter dem Titel Sterben auf Deutsch heraus. Der Abschlussband Kämpfen erschien im Mai 2017.

Knausgärd schreibt über den Tod seines Vaters, seine Liebschaften, Träume oder Kindheitserinnerungen Er „kämpft“ mit dem Alltag und vor allem mit jenen Menschen, die seit 2009 öffentlich zu Figuren seiner Romane geworden sind. Sozusagen als Nebenschauplatz seiner autobiographischen Darstellung geht es um ideengeschichtliche Probleme und die philosophische Deutung der Wirklichkeit angelehnt an Homer und Celan. Sein Erklärung für den Namen „Min Kamp“, „Mein Kampf“, den Knausgårds sechsbändiges Projekt im Original trägt, ist jedoch unappetitlich: „Hitlers Kindheit und Jugend ähneln meiner eigenen, seine Liebe aus der Distanz, sein verzweifelter Wunsch , etwas Großes zu werden, um sich selbst zu erhöhen, die Liebe zu seiner Mutter, der Hass auf den Vater, sein Gebrauch der Kunst als Ort der Ich-Auslöschung und der großen Gefühle.“ Der Selbstvergleich mit Hitler soll wohl eher als Provokation seiner Umwelt verstanden werden, aber dies wertet den größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte nur auf.

Die Lektüre des Romans ist sehr schleppend, fast 1300 Seiten sind ein zu großes Volumen. Entweder liest man den Roman in Etappen, andernfalls verliert man schnell die Lust daran. Es ist ein hintergründig geschriebener Roman, der zum Nachdenken anregt. Aber es ist kein Werk, das das Zeug zum epochemachenden Roman hat.

Leonhard Horowski: Das Europa der Könige. Macht und Spiel an den Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts,3. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2017, 39,95 € , ISBN, 978-3-498-02835-0

Der Autor des Buches, Leonhard Horowski, promovierte über eine Arbeit zum Hof von Versailles. Er arbeitet im universitären Kontext und schreibt noch an seiner Habilitation über brandenburgische-preußische Staatsminister. Nebenbei arbeitete er als historischer Experte für Dokumentarserie wie „Mätressen. Die Geheime Macht der Frauen“ (2005) und „Die Deutschen“ (2010).

Das Werk „Das Europa der Könige“ ist ein Beitrag zur europäischen Sozial- und Kulturgeschichte, aber kein genuin (trockenes) wissenschaftlichen Werk. Es ist ebenfalls ein Abenteuerroman, in denen sich die ineinandergreifenden Lebensläufe der Akteure und der die Ereignisse, in dem sie stehen und handeln, zu erzählerischen Momentaufnahmen verdichten.

In dem Buch geht es um die Macht und das Spiel an den Höfen der Könige und Adeligen „anderthalb Jahrhunderte zwischen 1642 und 1799“ (S. 10) Es wird der Versuch unternommen, „eine fast vergessene Welt zugleich erklären und erzählen, indem man zwanzig über eine lange Zeitspanne verteilte Momente schildert und zusieht, wie die zu ihnen gehörenden Lebensläufe zusammenlaufen.“ (S. 11) Den permanenten Zustand der Intrigen an den Höfen beschreibt Horowski folgendermaßen: „Macht ist ein Schachspiel auf einem riesigen Brett; sie funktioniert nur durch Netzwerke und wird von Eliten betrieben, die gar nicht anders können, als von Anfang an möglichst viele Schachfiguren im Auge zu behalten.“ (S. 12)

Er zeichnet ein schillerndes Porträt des Adels und Könige in jener Epoche, die die Grundlagen für das Scheitern des dynastischen Denkens an sich gescheitert ist. Die meisten von ihnen hätten damals sich aber nicht in den schlimmsten Albträumen gedacht, dass bald die Französische Revolution die Monarchie auf den Müllhaufen der Geschichte bringen wird. Dieses Buch wurde auch geschrieben, „um uns daran zu erinnern, wie wenig selbstverständlich unsere Selbstverständlichkeiten sind.“ (S.13) Damit meint Horowski die heute existierende Pressefreiheit, Demokratie, Wahlrecht, formale Gleichheit und die Menschenrechte.

Mit einer Portion Ironie und Humor erzählt Horowski Anekdoten über Könige und Adelige im barocken Zeitalter, die auch durch Quellen belegt sind. Könige und Adel werden persönlich mit ihren Stärken und Schwächen dargestellt. Diese eigene Welt abgeschottet von den gemeinen Untertanen mit ihren Riten, Traditionen und ungeschriebenen Gesetzen ist für die heutigen Leser jedoch nur schwer nachzuvollziehen und scheint eher ein Märchen aus alten Zeit zu sein. Romantische Prinzessinnen, machiavellistische Könige, philisterhafte Adelige, alle Charaktere sind dort vertreten. Dynastisches Denken prägt diese Epoche im Netz der Beziehungen der Herrscher und der Möchtegern-Herrscher entscheidend. Somit ist das Buch auch ein Stück Mentalitäts- und Geistesgeschichte.

Im Anhang findet man den Nachweis der verwendeten Quellen und wissenschaftliche Literatur zur Vertiefungsmöglichkeit in ein bestimmtes Thema sowie ein Namensregister und Stammtafeln zu den Herrscherdynastien.

Es ist eine Geschichte der Mächtigen und der Unterdrücker der eigenen Untertanen, die für den Pomp an den europäischen Höfen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Leider ist dies in manchen Ländern der Welt immer noch der Fall. Machtpolitik im Sinne Machiavellis und strategischer Imperialismus ist in der Gegenwart auch nicht ausgestorben, leider. Gerade darin liegt die Aktualität des Buches. Auf den ersten Blick wirken mehr als 1100 Seiten Literatur etwas abschreckend. Aber das Lesen lohnt sich, wobei historische Vorkenntnisse nicht schlecht wären für das Verständnis.

Julian Barnes: Der Lärm der Zeit, Kiwi Verlag, Köln 2017, ISBN: 978-3-462-04888-9

Schostakowitsch ist neben Igor Strawinski, Sergei Prokofjew, Sergei Rachmaninow und Alexander Skrjabin der bedeutendste Komponist Russlands im 20. Jahrhundert und war außerordentlich produktiv und vielseitig. Er schrieb dem Regime von Josef Stalin Hymnen und blieb gleichzeitig auf Distanz zum stalinistischen System, welches ihn zunehmend drangsalierte.

Zu Schostakowitschs Werke und über sein Leben im stalinistischen Staatssozialismus ist schon viel veröffentlich worden. Monographien, Filme und Theaterstücke vor allem nach seinem Tod 2007. Schostakowitsch ist eine spezielle Person der Zeitgeschichte, an dessen Leben sich die Geschichte der UdSSR vor allem unter Stalin widerspiegelt. Julian Barnes konzentriert sich in seinem Buch nicht auf die künstlerischen Leistungen, er interessiert sich mehr für die Persönlichkeit, die Entwicklung und die Haltung des Komponisten im Stalinismus der 1930er Jahre.

Die Geschichte spielt in Leningrad im Mai 1937, wo Schostakowitsch jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Wohnung darauf wartet, dass Stalins Helfer kommen und ihn verhaftet. Die ständige Ungewissheit, von den Launen Stalins abhängig zu sein und niemals frei in seinen Entscheidungen zu sein, prägte auch seine Persönlichkeit, die Julian Barnes hier trefflich darstellt. Dieses Schicksal teilte er mit unzähligen Künstlern seiner Zeit: Überwachung, Repression und eine Fremdbestimmung waren trauriger Alltag. Schostakowitschs Schicksal war aber noch eines der „besseren“, er war im Gegensatz vieler andere Künstler in der UdSSR noch am Leben, er war nicht von seiner Familie getrennt und nicht im Gefängnis oder auf der Flucht. Die Unterdrückung seiner Kreativität und die künstlerische Ausnutzung seiner Popularität für das System ist traurig, aber kein Grund ihn durchgängig als Opfer des Systems zu sehen. Er war auch jemand, der aus Angst und Opportunismus eng mit dem System Stalin verbunden war. Nach der Uraufführung wurde die 5. Sinfonie offiziell als die Rückkehr des verlorenen Sohnes in die linientreue Kulturpolitik dargestellt. Das Werk wurde ein großer internationaler Erfolg, lange Zeit wurde das Marschfinale als Verherrlichung des Regimes angesehen.

Das Buch von Barnes ist eher ein zeitgeschichtliches Psychogramm eines spannenden Menschen als ein Sachbuch. Neue Erkenntnisse zu Schostakowitschs Biographie sind hier nicht enthalten, es ist spannungsgeladen und gefühlsbetont, fesselnd zu lesen. Dass Barnes in diesem etwas zu knapp gehaltenen Roman, die komponierten Werke Schostakowitschs außer Acht lässt, ist die große Schwäche des Buches. Sein Leben war bestimmt von der Musik, seine Werke untrennbar verbunden mit seiner psychischen Verfassung und seiner Lebensumstände. Insgesamt gesehen ist es eine Melange zwischen Krimi und fesselndem Roman, der (in seinen Verkaufszahlen) davon profitiert, dass in der Türkei und anderswo unliebsame Künstler eingesperrt, unterdrückt oder zum „Dienst“ für das diktatorische System Erdogan missbraucht werden.

Christoph Hein: Trutz. Roman. Suhrkamp, Berlin 2017, ISBN: 978-3-518-42585-5

Bekannt geworden ist Christoph Hein durch seine sehr erfolgreiche Novelle Der fremde Freund, die 1982 in der DDR veröffentlicht wurde. Sein erfolgreichstes Stück Die Wahre Geschichte des Ah Q wurde 1983 publiziert. Als Übersetzer bearbeitete er Werke von Jean Racine und Molière. Von 1998 bis 2000 war Christoph Hein erster Präsident des gesamtdeutschen PEN-Clubs, dessen Ehrenpräsident er seit Mai 2014 ist. Er war bis Juli 2006 Mitherausgeber der Wochenzeitung Freitag.

In seinem neuen großen Roman geht es um biographische Portraits auf, die Diktatur und Willkür in Form der Diktatur unter Stalin ausgesetzt sind. Rainer Trutz ist Schriftsteller, Waldemar Gejm ist Professor für Mathematik und Linguistik an der Lomonossow-Universität, der seit Jahren in der Stalin-Diktatur ein neues Forschungsgebiet entwickelt: das der Mnemotechnik, der Lehre von Ursprung und Funktion der Erinnerung. Beide werden samt ihrer Familien dann durch das politische System umgebracht. Nur die beiden Söhne, Maykl Trutz und Rem Gejm, überleben und begegnen sich Jahrzehnte später, im wiederhergestellten Deutschland und machen fast dieselben Erfahrungen wie ihre Väter. Es handelt sich um einen generationsübergreifenden Roman, der den Versuch unternimmt, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden.

Dieses Werk Heins, als Jahrhundertroman konzipiert, hält jedoch nicht den Erwartungen stand. Es ist ein eher schon ausreichend diskutiertes Themenspektrum, das nicht fesselnd ist und eher langweilig wirkt. Aus diesem Grund ist die Lektüre des Romans eher nicht zu empfehlen.

Rezension des Romans von Peter Prange: Unsere wunderbaren Jahre. Ein deutsches Märchen, Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016, 22,99 Euro

Für den freien Schriftsteller Peter Prange bedeutete die Familiengeschichte „Das Bernstein-Amulett“, die 2004 als Zweiteiler für die ARD verfilmt wurde, den internationalen Durchbruch als Romanautor. Sein bisher bekanntestes Werk ist die „Weltenbauer-Trilogie“, die aus den drei historischen Romanen „Die Principessa“ (2003), „Die Philosophin“ (2003) und „Die Rebellin“ (2005) besteht. Neben Romanen schreibt Prange auch Sach- und Drehbücher. Seine Werke wurden in insgesamt 19 Sprachen übersetzt und haben eine Gesamtauflage von mehr als 2 Millionen Exemplaren.

Der Roman „Unsere wunderbaren Jahre“ bedeutet für Prange „das persönlichste Buch, das ich je geschrieben habe und vermutlich auch je schreiben werde.“ (S. 971) Dieser eigentlich fiktive Roman beinhaltet auch reale Begebenheiten aus dem Leben des Schriftstellers. So spielen er selbst und sein Vater kleinere Nebenrollen in den Geschichten.

In dem Roman setzt kurz vor der Teilung Deutschlands ein und schildert die Geschichte der beiden deutschen Staaten über die Vereinigung 1990 bis zum Jahre 2002 hinaus anhand einer Familie und ihrer Mitglieder. Dies ist die Unternehmerfamilie Wolf aus dem sauerländischen Altena, der Heimatstadt des Schriftstellers. so erfahren auch die Figuren dieses Romans ein bewegtes Auf und Ab in ihrem Leben. Die Generationen der Familie Wolf bzw. ihre guten und schlechten Lebensphasen sind der Hauptgegenstand des Buches. Nebenbei treten eigene zeithistorische Ereignisse in den Vordergrund, wie die Auseinandersetzung zwischen Nazis und Kommunisten während eines Schützenfestes. Anhand der charakterlich völlig verschiedenen Mitglieder der Familie Wolf sind deren Entwicklungsphasen für den Leser spannend nachzuverfolgen. Die Unterteilung des voluminösen Romans in verschiedene Bücher und Teile hilft dabei, die jeweiligen historischen Ereignisse nachzuvollziehen und einen roten Faden zu finden.

„Was wir wurden, was wir sind“, „Ihre Schicksale sind gleichzeitig dramatische Familiengeschichte und episches Zeitporträt von 1948 bis 2001“ „Es ist der Roman der Bundesrepublik. Es ist unsere Geschichte“ „Der große Deutschland-Roman aus der Zeit, als die D-Mark unsere Währung war.“ So pathetisch überhöht und mit kitschigem patriotischem Gestus überschwemmt wird der Roman auf der Coverrückseite angepriesen. Durch diese Aufmachung soll sich jeder Deutsche als möglicher Käufer des Buches angesprochen fühlen.

Durch den mehrfachen Gebrauch von Kollektivausdrücken wie „unsere Geschichte“, „unsere Währung“ usw. wird ein Zusammengehörigkeitsgefühl suggeriert, das nur zu einem Teil wirklich existiert. Menschen leben zwar in einem Land zusammen und erleben auf übergeordneten Ebene gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Höhen und Tiefen, aber jedes Mitglied hat seine persönliche und einzigartige Geschichte, die niemals kollektiviert werden kann.

Aus diesem Grunde kann auch der Versuch, die Lebensgeschichte von einer Familie von 1948 bis 2001 als Beispiel für die Entwicklung der Menschen aus zwei deutschen Staaten nur fehlschlagen. Zeithistorischer Patriotismus und ewige Verweise auf nostalgische Erinnerungen sollen im potentiellen Leser die eigene Lebensgeschichte nochmal erlebbar machen. Ein netter Versuch, der auch nicht wirklich rüberkommt.

In der Huffington Post wird Prange mit Lobeshymnen überschüttet: „‘Unsere wunderbaren Jahre‘ ist ein wunderbarer Roman, welcher mit vielen Einzelschicksalen die Geschichte Deutschlands zur Zeit der Trennung beleuchtet. Dieser Romanstoff wird Filmproduzenten herausfordern, ihn zu verfilmen und mindestens in einem Mehrteiler auf den Fernsehschirm zu bringen. Die Teilung und die Wiedervereinigung Deutschland anhand einer einzigen Familie zu schildern, ist ein Muss für jeden ehrlich interessierten Leser. Geschichte als spannende Unterhaltung erlebbar zu machen, kann kaum besser gelingen.“

Diese Elogen sind jedoch kaum nachzuvollziehen. Es handelt sich um zwar spannend geschriebenen, aber doch durchschnittlichen zeitgeschichtlichen Roman, der kaum Potential für eine Ausstrahlung im Fernsehen haben dürfte. Nach den anderen Werken aus der Feder von Peter Prange eher eine Enttäuschung.

The American Nightmare

Rezension des Buches von Imbolo Mbue: Das geträumte Land, Kiepenhauer&Witsch, 2. Auflage, Köln 2017

Imbolo Mbue, eine US-Autorin mit Wurzeln im westafrikanischen Kamerun, landete mit ihrem ersten Roman „Das geträumte Land“ einen Bestseller. Der Roman handelt in New York, dort prallen die Klassengegensätze aufeinander: die Familie eines Investment-Bankers bei Lehman Brothers und die eines bitterarmen afrikanischen Einwanderers. Mbue kennt aus eigener Erfahrung die Situation die Einwanderer aus Afrika in das geniun kapitalistische Land, wo Alltagsrassismus und soziale Not den Alltag bestimmt. Viele Immigranten in den USA kamen und kommen mit übersteigerten Hoffnungen, Teil des „American Dreams“ zu werden.

Hier schildert sie die soziale Situation der Familie Jonga, die mit großen Hoffnungen auf ein besseres Leben aus Kamerun in die USA ausgewandert sind, aber einen nur provisorischem Aufenthaltsstatus besitzen und in einer Absteige in Harlem wohnen. Auf der sozialen Leiter ganz oben steht die Familie des Investmentbankers Edwards, die im reichen Manhattan Upper East Side wohnen und ein luxuriöses Leben führen. Dass dieses Leben nicht glücklich macht, illustriert Mbue in Person von Mrs. Edwards, die sich furchtbar langweilt und kein erfülltes Leben führt.

Die Lebenswege der Edwards und der Jongas berühren sich, als Vater Jende Jonga einen hoffnungsvollen Job als Fahrer des Bankmanagers Edwards bekommt. Durch diesen Job bekommt Jende auch die Privatangelegenheiten der Edwards mit. Seine Frau Neni ist mit Haushalt, Job, Studium und einer neuen Schwangerschaft überlastet. Sie arbeitet ohne Vertrag als Kindermädchen bei den Edwards und bekommt so auch Kontakt zur Familie. Ihr Antrieb ist der Mythos des „amerikanischen Traumes“, durch individuelles Vorwärtskommen reich und glücklich zu werden.

Dieser Mythos wird dann durch Krisensymptome erschüttert. Edwards verliert seinen hochbezahlten Job an der Wall Street und daraufhin Jende den Job bei Edwards. Der Lehman-Kollaps lässt bei beiden Familien die Fundamente einstürzen. Die Folgen bei der Familie Jonga sind aber gravierender: Die Einwanderungsbehörde lehnt Jendes Asylantrag ab, er verliert Arbeitserlaubnis und Bleiberecht. Die drohende Abschiebung beginnt die Familie zu zerreißen. Neni Jonga nimmt in ihrer verzweifelten Lage fast alle Möglichkeiten, um nicht ausgewiesen zu werden und ihrem Sohn doch noch eine Ausbildung in den USA zu ermöglichen. Alle Bemühungen und ihre Bereitschaft, fürs Bleiberecht auch die miesesten Arbeiten zu verrichten, sind vergeblich. Daraus klingt eine Kritik am utilitaristischen Einwanderungsgesetz heraus, inhumane Gesetze sorgen für menschliche Tragödien, die meist unbemerkt in der Öffentlichkeit ablaufen.

Der Roman enthält durchgängig eine Kritik am Mythos des American Dreams. Gemäß dieser konstruierten Vorstellung kann jeder Mensch durch harte Arbeit und unabhängig von seinem derzeitigen Wohlstand in der Zukunft einen höheren Lebensstandard erreichen. Die Werte individuelle Freiheit, Eigenverantwortung, Wettkampf, Chancengleichheit, harte Arbeit und Erfolg können als Hauptelemente des „American Dream“ bezeichnet werden. Der sprichwörtliche Ausdruck „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ veranschaulicht diese Vorstellung in einem bündigen Bild.

Der Grundgedanke des „American Dreams“ findet sich bereits in der Unabhängigkeitserklärung. Nur so könne eines der elementarsten Rechte des Menschen gewährleistet werden, das Streben nach Glück (pursuit of happiness). Der „amerikanische Traum“ gründet auf der Vorstellung, die USA seien eine Meritokratie und Leistungsgesellschaft. Von den europäischen Wurzeln losgelöst waren die damaligen Siedler ganz auf sich selbst und ihre eigene Leistungsbereitschaft gestellt. Den Begriff „American Dream“ prägte der amerikanischen Schriftsteller James Truslow Adams in seinem Buch The Epic of America im Jahre 1931. Der „American Dream“ wurde sehr rasch zu einer feststehenden Formel, weil die Idee längst verbreitet war. In seinem kritischen Roman To Have and Have Not aus dem Jahre 1937 schuf Ernest Hemingway bildete den Gegenbegriff des „American Nightmare“.

Dieser Mythos des „American Dreams“ lässt viele Einwohner der USA heute noch glauben, dass die einzelne Person selbst durch seine Leistungsbereitschaft entscheidet, ob er/sie zu Reichtum und Ansehen kommt. Dass dieser kapitalistische Individualismus zu Entsolidarisierung und oberflächlichem Glück führt, bleibt unhinterfragt. Die Bildungschancen sind nicht für alle gleich, da diese von dem Vermögen der Eltern noch stärker abhängt als in der BRD.

Aktuelle Studien über zeigen hingegen, dass der erreichbare soziale Status eines Menschen in den USA sehr viel stärker von seiner Herkunftsfamilie und deren Klassenzugehörigkeit abhängt, als dies zum Beispiel im heutigen Westeuropa der Fall ist. Als Ursache dieser mangelhaften Chancengleichheit wird die stark gestiegene ökonomische Ungleichheit angeführt. Die Klasse der „Working Poor“ zeigt, dass trotz harter Arbeit und mehrerer Jobs gleichzeitig ein Leben in Wohlstand möglich ist.

Imbolo Mbue lässt den „American Dream“ der Einwandererfamilie Jonga scheitern und zeigt damit die schonungslose Realität des Lebens in den USA. Die sehr restriktiven Einwanderungsgesetze und Klassengegensätze werden ebenfalls kritisiert, Bezüge zur aktuellen Gegenwart gibt es genug. Ein Buch, das nachdenklich und wütend macht. Als Lektüre aber zu empfehlen.

Marlon James: Eine kurze Geschichte von sieben Morden (aus dem Englischen übersetzt Guntrud Argo, Robert Brack, Michael Kellner, Stephan Kleiner, Kristian Lutze), Heyne Verlag, München 2017, 858 Seiten, 27,99 Euro

In seinem 2014 veröffentlichten dritten Roman A Brief History of Seven Killings (dt. Titel: Eine kurze Geschichte von sieben Morden), der in den Slums seiner Heimat Kingston spielt, erzählt Marlon James die fiktiven Geschichte um den tatsächlich geschehenen Mordanschlag auf den jamaikanischen Sänger Bob Marley im Dezember 1976. Die Filme von Tarantino kommen dem Leser schon nach wenigen Seiten ins Gedächtnis. James selbst verweist aber auf David Cronenberg (A history of violence, Eastern Promises) als Vorbild für seine Werke, in denen auch explizit Gewalt und Sex einen hohen Anteil einnehmen.

Der Titel ist völlig irreführend. In dem Buch kommen mehr als sieben Morde vor, die auch noch zum Teil ausführlich und blutrünstig beschrieben werden. Der Mittelpunkt des Romans stellt keinen Mord dar, sondern der gescheiterten Mordversuch an Bob Marley am 3.10.1976, wo sieben Täter in dessen Haus eindringen und ihn selbst durch Schüsse nur leicht verletzen, dagegen seine Frau und seinen Manager schwer. Da dieser Mordversuch niemals aufgeklärt wurde, kann James bei der Schilderung der Geschehnisse und der Folgen seiner Phantasie freien Lauf lassen. Man merkt bei der Lektüre des Romans, dass er eine große Vorliebe für das Fantasy-Genre, darunter die Gormenghast-Romane hat.

Obwohl für jeden ersichtlich ist, dass Bob Marley eine der Hauptrollen im Roman spielt, erwähnt ihn James nicht namentlich im Buch und spricht nur von dem „Sänger“. Der Grund dafür bleibt wie vieles in dem Buch rätselhaft.

Ein breiter Teil des Romans beleuchtet die Verhältnisse Jamaikas der 1970er Jahre. Kriminelle einflussreiche Syndikate in verschiedenen Stadtvierteln Kingstons bekriegen sich gegenseitig. Mit Hilfe der Verbrechersyndikate kämpfen die regierende PNP und die rechte JLP um die politische Macht in Jamaika, was auf Kosten der einfachen Bevölkerung stattfindet. CIA-Agenten sorgen für ein wenig Spionage-Atmosphäre, ein Reporter des berühmten Musikmagazins „Rolling-Stone“ wird von den Tätern des Marley-Attentats verfolgt, weil sie um ihre Anonymität fürchten. Die oben genannten Personen erzählen aus ihrer subjektiven Perspektive, was vor dem Mordversuch und noch lange Zeit danach passiert. Dabei kommt es zu einer Abwechslung untereinander, so dass manche Situationen auf den ersten Blick unverständlich sind.

Dann tritt Marley wieder in den Vordergrund. Beim One Love Peace-Friedenkonzert 1978 sorgt er für einen Händedruck der Vorsitzenden der beiden politischen Lager Jamaikas, was die innenpolitische Situation bis zu seinem Krebstod 1981 entkrampfte. Danach kommen dieselben Verhältnisse wie vor dem Händedruck wieder, was Bob Marley als Friedensbotschafter letztlich scheitern lässt.

Dann kommt es zu einem abrupten Wechsel in der Handlung: War vorher Jamaika und vor allem Kingston der Schauplatz der Ereignisse, spielt der Roman zwischen 1985 und 1991 in Miami und New York, wo die jamaikanischen Syndikate inzwischen den Crack-Handel der Hauptstadt kontrollieren. Dabei werden sie immer wieder von der Vergangenheit der 1970er Jahre in Kingston eingeholt.

A Brief History of Seven Killings gilt als das bisher beste Buch von Marlon James. 2015 bekam er dafür neben dem Anisfield-Wolf Book Award auch den American Book Award. Als erster jamaikanischer Schriftsteller erhielt er den britischen Man Booker Prize. Der US-amerikanische Fernsehprogrammanbieter HBO sicherte sich an dem Buch die Rechte für eine Fernsehserie.

Dieser dicke Roman mit vielen Erzählperspektiven und Genres ist spannend geschrieben und daher leicht zu lesen. Die vielen Perspektivwechsel machen es allerdings mitunter schwer selbst einem geübten Leser schwer, dem Geschehen einen Sinn zuzuordnen. Wer bisher Jamaika mit Sonne, Palmen, Joints und Musik verbunden hat, bekommt ein düster gezeichnetes realistischeres Bild der 1970er Jahre auf der Insel geboten, wo Gewalt, Macht und Korruption alltäglich ist. James‘ unangemessen detailreiche Schilderungen von Gewalt, Mord und Prostitution können auch Leser abschrecken und stumpfsinnig werden lassen. Der nicht nachzuvollziehende Titel des Buches könnte Ironie sein, dann aber eine schlechte.

Langweilig ist der Roman sicher nicht, die verschiedenen Handlungsstränge und wechselnden Erzählorte sorgen schon allein dafür. Sein Schreibstil ist allerdings nur für Liebhaber von Tarantino-Stücken als komisch oder anspruchsvoll einzuschätzen. Tiefsinnig ist der Roman nur in der Kritik der Verhältnisse Jamaikas der 1970er Jahre. Ein bahnbrechender, außergewöhnlicher Roman ist A Brief History of Seven Killings sicher nicht. Nur bedingt zu empfehlen!

Rezension des Buches von Thomas Melle: Die Welt im Rücken, rowohlt-verlag, Berlin 2016, 348 Seiten

Der Schriftsteller Thomas Melle feierte 2011 mit seinem Roman Sickster einen ersten Erfolg. Er wurde für den Deutschen Buchpreis 2011 nominiert. Sein 2014 erschienener Roman 3000 Euro stand 2014 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Nun gab er 2016 das Werk „Die Welt im Rücken“ heraus, das sich ebenfalls zu einem literarischen Highlight entwickelte. Das Werk gelangte auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Eine Dramatisierung des Werkes wurde im März 2017 vom Wiener Burgtheater zur Uraufführung gebracht.

Thomas Melle leidet seit Jahren an einer manisch-depressiven Erkrankung (bipolare Störung). In diesem autobiographischen Werk erzählt er von seinen Befindlichkeiten, dem Umgang mit der Krankheit, seine emotionale Berg- und Talfahrt und den Zustand der Besserung.

Bipolare Störungen oder manisch-depressive Erkrankungen zeichnen sich durch ausgeprägte Schwankungen im Antrieb, im Denken und in der Stimmungslage einer Person aus. So durchleben Menschen mit Bipolaren Störungen depressive Phasen und Phasen euphorischer oder ungewöhnlich gereizter Stimmung. Letztere gehen mit einem deutlich gesteigerten Antrieb einher. Sind diese Phasen schwach ausgeprägt, spricht man von hypomanen, in voller Ausprägung von manischen Episoden. Bei schweren Manien kommen Symptome (Krankheitszeichen) einer Psychose hinzu, zum Beispiel Größenwahn oder Verfolgungswahn. Genau diese Emotionen werden ungeschminkt erzählt. Er betritt damit Neuland: erstens die literarische Verfassung eines Krankheitsberichtes in autobiographischer radikalster Form und die Popularisierung der bipolaren Störung weit über Fachkräfte und Betroffene und deren Angehörige hinaus. Sein Werk wird anderen Menschen den Weg ebnen, mit der eigenen Krankheit offensiver umzugehen, ein Mutmacher für andere Betroffene.

Seine emotionale Zerrissenheit und der tiefe Einblick in seine Persönlichkeitsstruktur fesseln den Leser und setzt selbst Emotionen ob negativer oder positiver Art frei und regt zum Nachdenken über sich selbst, seine Umwelt und das Leben an sich an. Es ist eine selten dagewesene Form des Selbstoutings, rhetorisch brillant beschrieben. Ganz egal, wie man über dieses Buch und seinen Verfasser denkt: Das Werk lässt niemanden kalt.

Rezension von des Buches von John Williams: Augustus, dtv-Verlag, München 2016 (übersetzt von Bernhard Robben), 24 Euro

Augustus war der erste Kaiser des römischen Reiches. Allerdings nannte er sich gar nicht Kaiser, denn formal gab es zunächst weiter eine Republik. Geboren wurde er als Gaius Octavius im Jahre 63 v. Chr., bevor er später Augustus genannt wurde. Cäsar förderte seinen Großneffen und adoptierte ihn schließlich. Nach Cäsars Tod baute Octavian seine Macht weiter aus und bildete mit Marcus Antonius und Marcus Aemilius Lepidus ein Triumvirat. Zusammen mit Marcus Antonius besiegte er Cäsars Mörder. Nach einigen Jahren nahm der Kampf um die Alleinherrschaft unter Marcus Antonius und Octavian zu. Nach bitteren Machtkämpfen konnte Octavian diese schließlich für sich entscheiden. So wurde er zum alleinigen Herrscher in Rom. Er begründete die julisch-claudische erste Kaiserdynastie Roms. Ihr gehörten nach Augustus die Kaiser Tiberius, Caligula, Claudius und Nero an. Augustus' Herrschaft bedeutete Frieden im römischen Reich (Pax Augusta), was aber ein erzwungener Friede unter dem Alleinherrscher Augustus, der jede Opposition im Zweifelfall blutig unterdrückte.

Zu einem Kennzeichen der Herrschaft des Augustus wurde eine Rückbesinnung auf althergebrachte Sitte und Moral. Im Jahr 19 v. Chr. ließ sich Augustus vom Senat die cura morum, die Sittenaufsicht übertragen. Im Jahr darauf ließ er in den Leges Iuliae etwa die Strafvorschriften für Ehebruch verschärfen und eine allgemeine Pflicht zur Ehe einführen.

John Williams (1922-1985) lehrte englische Literatur an der University of Missouri. 1963 gab er die Anthologie English Renaissance Poetry heraus. Sein dritter Roman Stoner hat Leben und Karriere eines Professors für englische Literatur an der University of Missouri zum Thema und erschien zwei Jahre später. Er war der Gründer der renommierten Literaturzeitschrift Denver Quarterly, die er von 1965 bis 1970 herausgab.

Augustus ist ein biographisch- historischer Briefroman über den Aufstieg des jungen Octavius zum Augustus, dem ersten Kaiser des römischen Reichs. Der erste Alleinherrscher im römischen Reich wird als Mensch dargestellt, allerdings ähnelt es eher eines Heldenepos eines Tyrannen, der mit Andersdenkenden nicht zimperlich umging und für eine imperialistische Unterdrückungspolitik anderer Länder steht. Eine kritischere Behandlung des Menschen Augustus‘ wäre wünschenswert gewesen.

In dem Briefroman bleibt Augustus trotz anderer Nebenhandlungen die Zentralfigur. Williams zeichnet er das Porträt eines Mannes, der in jungen Jahren die Welt verbessern wollte, aber dann sich in einen machiavellistischen Machtmenschen verwandelt, was natürlich auch mit den gesellschaftlichen Umständen zu erklären ist. Ein historischer Stoff wird spannend dargeboten mitsamt einem Versuch eines Tiefganges.

Der Briefroman Augustus ist aufgemacht wie ein klassisches Drama. Er beginnt mit einem Prolog, es folgen drei Bücher, und er endet mit einem Epilog. Die drei Bücher setzen sich aus Briefen verschiedener Korrespondenten zusammen und sind ergänzt durch unterschiedlich lange Auszüge aus Memoiren und Tagebuchnotizen, durch anonyme Briefe, Senatsprotokolle, Flugblätter und Militärbefehle, die bis auf wenige Ausnahmen fiktiv sind. Erst mit zunehmender Zahl der Textteile ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild, was den Roman spannend und unterhaltsam macht.

Das erste Buch behandelt die Machtnachfolge nach dem Mord an Caesar, die offenen Kämpfe, die Intrigen und Schachzüge der Bewerber. Es umfasst die politische Geschichte von der Ermordung Caesars bis zur Niederlage von Marcus Antonius bei Actium.

Im zweiten Buchs geht es im Wesentlichen um das Verhältnis zwischen Augustus und seiner einzigen Tochter Julia, die immer Spielball der väterlichen Macht- und Dynastiepolitik war, Affären mit wechselnden Liebhabern brachte ihr schließlich die Verbannung durch ihren Vater ein. Neben der Auseinandersetzung mit seiner Tochter geht es um seine Beziehungen zu intellektuellen Kreisen der Dichtung, Philosophie und Politik und deren Korrespondenz über verschiedene Themen.

Im dritten Buch denkt Augustus über sein Leben nach, eine Woche vor seinem Tod. In einem persönlichen Brief von Augustus an Nikolaus von Damaskus wo er sein Lebenswerk, die Errichtung des römischen Imperiums, mit dem Werk des Dichters Vergil vergleicht, der wie er auch die Welt verändern wollte. In seiner Sicht hinterlässt zwar ein befriedetes Reich, denkt aber, dass diese Verhältnisse nicht lange Bestand haben werden. Kurz vor seinem Tod gab es Frieden im römischen Reich, eine Justizreform sollte für Rechtssicherheit sorgen. Trotz dieser Verbesserungen beklagt er den Verlust der alten römischen Tugenden, was die Erinnerung an seine Herrschaft mindert. In diesem Fazit unterschlägt jedoch Williams die römischen Realitäten. Die Pax Augusta war ein erzwungener Friede unter dem Alleinherrscher Augustus, der auf Gewalt, Mord und Unterdrückung beruhte.

Der 1973 geschriebene Roman wurde zusammen mit dem Roman Chimera von John Barth mit dem National Book Award für Belletristik ausgezeichnet; das erste Mal, dass dieser Preis an zwei Autoren gleichzeitig vergeben wurde.

In der „Zeit“ wird Williams für die Wahl dieses historischen Stoffes, für die gelungene Komposition, vor allem aber für die ungewöhnliche Form dieses Romans gefeiert. Augustus spreche über „ewige Probleme (…) den Preis historischer Größe, die Einsamkeit und Melancholie der Macht, den eigentümlichen Willen, sein Schicksal zu erkennen und dieses als dessen Werkzeug zu vollstrecken. All das passiert in einem klaren, reduzierten existenzialistischen Sound“.

Das ist jedoch nur schwer nachzuvollziehen. Die entscheidende Frage des Romans, was den Menschen ausmacht, wird in einer oberflächlichen Anthropologie beantwortet. Die Fragen nach dem ethisch richtigen oder guten Leben, nach dem Sinn des Lebens überhaupt, nach dem Stellenwert von Egoismus und Altruismus, nach sozialen Anpassungszwängen und individuellen freien Willen werden nicht ausreichend angerissen, wenn der Roman einen tiefergehenden Charakter beanspruchen will.

Insgesamt gesehen hebt sich das Werk von anderen historischen Romanen oder Krimis im inhaltlichen Aufbau und in der Spannung deutlich ab. Ohne historische Vorkenntnisse ist es allerdings schwierig, dem Inhalt zu folgen. Die Frage nach dem Wesen des Menschen vor allem im dritten Kapitel bleibt etwas an der Oberfläche. Für historisch und kulturell Interessierte ist dieser Roman trotzdem zu empfehlen.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 978-3-455-00052-8 .