e-Portfolio von Michael Lausberg
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= Wissenschaft Teil 2 =

Droemer-Knaur Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-426-21401-5

Wissenschaft Teil 2

Im Folgenden werden aktuelle deutschsprachige Bücher, die sich im Allgemeinen mit dem Thema Wissenschaft befassen, besprochen. Hier werden die verschiedensten Zweige der Wissenschaft behandelt.

Bernhard Moestl: Handeln wie ein Shaolin, Droemer-Knaur Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-426-21401-5

Der Autor Bernhard Moestl hatte schon früh seine Faszination für die asiatische Philosophie und Kampfkunst entdeckt. Bei seinen Aufenthalten im Shaolin-Kloster in der chinesischen Provinz Henan lebte er mit den Mönchen und studierte ihre Lehren und Weisheiten. Shaolin ist der Name eines buddhistischen Mönchsordens in China und seiner Mitglieder. Es ist berühmt für seinen Kampfkunststil besser bekannt als „Shaolin Kung Fu“. Das Kloster gilt außerdem als die Geburtsstätte des historischen Chan-Buddhismus, des Vorläufers des Zen-Buddhismus. Heute ist Moestl als Autor, internationaler Vortragsredner sowie Unternehmenscoach tätig.

In seinem Erfolgsbuch „Denken wie ein Shaolin“ erklärt er anhand von sieben Schritten den Weg zu emotionaler Selbstbestimmung und zur Kontrolle von negativen Gefühlen wie Angst oder Frust.

Dieses Buch ist als Fortsetzung seines Bestsellers „Denken wie ein Shaolin“ gedacht und behandelt Handlungsmodelle der Shaolin, die Alltagsblockaden auflösen und positive Veränderungen für ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen sollen. In einer Form von Verhaltenstherapie zeigt in acht Schritten, wie man lernt, Veränderungen nicht als Gefahr zu begreifen und Dinge entschlossen anzupacken. Zukunftsängste macht er als Hemmnisindikator für notwendige Veränderungen aus.

Dabei geht es darum zu akzeptieren, dass man sich als Mensch weiter entwickelt und nicht statisch ist. Notwendige Entwicklungsprozesse, die durch Mutlosigkeit nicht angepackt werden, sollen beschleunigt werden. Das Buch ist sowohl ein Lebensratgeber als auch eine Art Mutmacher, durch den Willen zur persönlichen Veränderung sich weiterzuentwickeln und Ziele anzugehen, die bisher ein Traum geblieben sind.

Dass die althergebrachten Weisheiten aus dem fernen China auch heute noch ihre Gültigkeit haben, beweist dieses Buch. Auf unsere Zeit und heutigen Wertvorstellungen bezogen stellt der Autor eine Anleitung fürs Selbstcoaching vor, die für jeden verständlich sind in die eigene Lebenspraxis übernommen werden können und zu einer erweiterten Selbstbestimmung führen.

Hanns Zischler: Kafka geht in Kino, Galiani, Berlin 2017, ISBN: 978-3-86971-105-8

Der Schriftsteller und Fotograph Hanns Zischler ging über Jahrzehnte anhand der Texte und seinen Tagebüchern Kafkas der Frage nach, welche Kinofilme, Szenen und Schauspieler den leidenschaftlichen Kinogänger nachhaltig beschäftigten und ihm Anregungen für seine weltberühmten Bücher gaben. Zischler durchforstete Archive nach Fotos, Programmzettel und Plakaten und durchsuchte Bibliotheken nach Filmkritiken und –titeln.

Hanns Zischlers Essay Kafka geht ins Kino aus dem Jahre 1996 war ein großer Erfolg und wurde in viele Sprachen übersetzt. Dies war ein neuer Beitrag zur Kafka-Forschung, der international Aufsehen erregte.

Nun erscheint jetzt eine neue erweiterte Ausgabe von Kafka geht ins Kino mit einer Vielzahl neuer Funde, die hier präsentiert werden. Im Grußwort der Kulturstiftung des Bundes heißt es: „Das Kino birgt keinen Generalschlüssel zu Kafkas Literatur. (Dieser Schlüssel existiert nicht.) Es bietet aber wichtige außerliterarische Referenzen für ein Schreiben, das seinen Erzählstoff und einzelne Augenblicke immer wieder schlaglichtartig – beinahe kinematographisch- erhellt, während übergeordnete Sinnzusammenhänge ins Dunkle tauchen.“ (S. 9) Hier werden erstmals die Filme Flugschau von Brescia (1909) oder den zionistischen Propagandafilm Shiwath Zion (1920) vorgestellt.

Dank der Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum München und der Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes gibt es als Bonbon zusätzlich eine DVD, die die Filme zeigt, die Franz Kafka damals sah.

Die Kleinarbeit und der Zeitaufwand Zischlers ist immer wieder bewundernswert, auf diesem Wege hat er ein neues Verständnis für Kafka und seine Schriften hervorgebracht. Gleichzeitig ist das Buch eine Episode der frühen Kinogeschichte mit seinen Stummfilmen, deren Anschaffung sich lohnt.

Alexander Betts/Paul Collier: Gestrandet. Warum unsere Flüchtlingspolitik allen schadet – und was jetzt zu tun ist, Siedler Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-8275-0090-8

Dieses Buch versteht sich als Anregungen für die aktuelle Flüchtlingspolitik und ist von Leuten geschrieben, die in der Theorie und Praxis leitende Positionen in Migrationsfragen einnehmen. Alexander Betts ist Professor für „Zwangsmigration“ und internationale Angelegenheiten an der Universität Oxford. Paul Collier ist Professor für Ökonomie und Direktor des Zentrums für das Studium afrikanischer Volkswirtschaften an der Universität Oxford.

Die Autoren analysieren viele Praxisbeispiele, die Hauptthese ihres Traktats lautet: „Die Grundvoraussetzung vor allem ist die Schaffung einer Win-win-Situation, die sowohl den nördlichen Geldgebern als auch den südlichen Gastgebern entgegenkommt. (…) Die Staaten im Norden wollen in erster Linie die Notwendigkeit für Flüchtlinge verringern, aus ihren Zufluchtsländern weiterzuziehen, und in zweiter Linie möchten sie langfristig weniger Mittel für humanitäre Hilfe aufwenden. Die Asylländer im Süden wollen die wahrgenommene Bedrohung der Sicherheit verringern, die von der Anwesenheit großer Zahlen von Flüchtlingen in städtischen Regionen ausgeht, und Entwicklungschancen für ihre eigenen Städte schaffen.“ (S. 204)

Dabei übersehen die Autoren allerdings, dass letzten Endes das kapitalistische System für die ungleichen Entwicklungschancen zwischen Nord und Süd verantwortlich ist, afrikanische Länder von großen westlichen und asiatischer Tycoons und Firmen ihrer Bodenschätze beraubt werden und somit die Ungleichheit eine logische Folge der neoimperialistischen Politik ist. Weiterhin fehlt in der Analyse der Klimawandel, der für viele Flucht- und Migrationsbewegungen verantwortlich ist, und die Konsequenzen daraus für die Politik der Weltmächte.

Allerdings ist der Vorschlag, Sonderwirtschaftszonen für Flüchtlinge einzurichten und die damit verknüpfte Forderung, dass reiche Länder die Nachbarstaaten der Krisenländer politisch und wirtschaftlich unterstützen müssten, unter Umständen diskutabel.

Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern zu dem sehr komplexen Thema Flüchtlingspolitik, die hilflos die Grenzen dichtmachen und mit rassistischen Stereotypen arbeiten, ist dieses Buch einigermaßen seriös und sachlich geschrieben, mit konstruktiven Thesen, mit denen man sich auseinandersetzen kann. Manche Leser werden die Thesen ablehnen, manche werden zustimmen, andere verteufeln. Festzuhalten bleibt: Es lohnt sich, dieses Buch argumentativ für sich zu nutzen. Die Mühe und die Zeit, sich mit der Lektüre auseinanderzusetzen, lohnen sich. Da das Buch eine Vielzahl von Lösungsansätzen bietet, muss sich letztlich der Leser eine eigene Meinung bilden.

Andreas Winroth: Die Wikinger. Das Zeitalter des Nordens, Klett-Cotta, Stuttgart 2016, 368 Seiten, ISBN: 978-3-608-94927-8

Anders Winroth, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Yale University, legt ein aktuelles Werk über die Welt und Lebensrealität der Wikinger vor, worin die neuesten Forschungsergebnisse enthalten sind. Das Buch will gegen den gängigen Mythos des barbarischen, mordlustigen, kulturlosen sowie plündernden Wikingers angehen und stellt stattdessen andere Facetten der Wikingerzeit wie ihre Religion, Kunst und Literatur dar. Winroth weist weiterhin auf die Entdeckerlust der Wikinger und ihre friedlichen Handelsbeziehungen mit anderen Ländern hin, die charakteristisch für ihren Alltag waren.

Wikinger ist der Name, den die überfallenen Menschen den gespenstischen und gefürchteten Kriegern aus dem hohen Norden gaben. Die Mittel- und Südeuropäer empfanden die wie aus dem Nichts auftauchenden Horden aus dem Norden als schreckliche Heimsuchung. Doch die Wikinger waren kein einheitliches Volk, keine ethnische Gruppe. Die Bezeichnung „Wikinger“ ist ein Schmelztiegel für verschiedene Völker aus dem Norden, die vom neunten Jahrhundert an plötzlich auf dem europäischen Kontinent in Erscheinung traten. Den Menschen in Mitteleuropa war damals gleichgültig, wer sie da genau überfiel. Für sie waren die weit übers Meer gereisten "Barbaren" alle unterschiedslos schrecklich, eben alles "Wikinger". Die Wikinger waren in Skandinavien beheimatet, sie stammten aus Norwegen, Dänemark und Schweden und fanden sich zu losen Gefolgschaften zusammen, um in Mittel- und Südeuropa Beute zu machen, Siedlungsräume zu finden und schnell reich zu werden.

Die Wikingerzeit war geprägt durch ein großräumiges Netzwerk von Freundschaften. Dies umfasste einerseits persönliche, durch rituellen Austausch von Geschenken begründete Verbindungen mit gegenseitigen Verpflichtungen, die Bindung des Einzelnen an die Sippe und die Vorfahren. Anders Winroth schreibt: „Alles fing mit den großen Festgelagen in den Hallen der norwegischen Häuptlinge an. Von hier gingen die Raubzüge der Wikinger aus: Sie wurzelten in den Treuebeziehungen und Freundschaften, die beim Essen, Trinken und Schenken entstanden.“ (S. 15) Die Konfrontation mit dem Christentum wurde durch allmählichen Wandel von kleineren Herrschaften zu stärkeren Zentralgewalten vorbereitet. Der Fortschritt im Schiffbau und die damit verbundene Mobilität sowohl im Krieg als auch beim Handel führten zu Reichtum und kultureller Blüte.

Bei Kriegszügen sind diejenigen Züge, die in privater Initiative zur eigenen Bereicherung geführt wurden, zu unterscheiden von denen, die ein politisches Ziel hatten und daher von Herrschern oder deren Konkurrenten geführt wurden. Ihnen ist gemeinsam, dass sich der Krieg durch Plünderungen bzw. Kriegsbeute finanzierte. Diese Kriege hörten keineswegs mit dem Jahr 1066 auf. Magnus Berrføtt führte noch zwischen 1098 und 1103 Kriege gegen die Orkneys, die Insel Man und Irland, bei denen Plünderungen den Krieg finanzierten und nach Möglichkeit einen Überschuss erbringen sollten. Sweyn Asleifsson, eine Figur der Orkneyinga saga, fiel 1171 bei einem Wikingerzug gegen Dublin. Das letzte Mal soll von Wikingern die Rede gewesen sein, als die Birkebeiner 1209 als Wikinger nach Schottland gezogen seien. Es handelte sich aber nur um Einzelunternehmen, die das gesellschaftliche Lebensgefühl nicht mehr dominierten.

Die Wikinger verfügten über ein markantes frühmittelalterliches Schriftsystem, das in Nordeuropa verbreitet war: „Diese skandinavischen Runen waren eine Weiterentwicklung von Schriften aus dem Mittelmeerraum, die dergestalt angewendet wurden, dass damit Inschriften vor allem in Holz, aber auch in Stein gemacht werden konnten. In ganz Skandinavien sind Tausende Runeninschriften erhalten, am berühmtesten sind die auf den Tausenden beschriebener Steine, die überall in der nordischen Landschaft herumstehen.“ (S. 286)

In der skandinavischen Geschichtsschreibung folgt auf die Wikingerzeit das „christliche Mittelalter“. Ihr voraus geht in Schweden die Vendelzeit, in Dänemark die „Germanische Eisenzeit“. Diejenigen Autoren, die neben der kriegerischen Existenz auch den Handel und das Kunsthandwerk dem Wikingerbegriff zuordnen, sehen weniger enge Grenzen und verlegen die Anfänge bereits in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts und das Ende erst auf die Zeit nach 1100. Andere lehnen dies ab: Damit würde das prägende Charakteristikum der zeitgenössischen Wahrnehmung, die sich im Wikingerbegriff bis in die Gegenwart erhalten hat, verschleiert; der Begriff verliere seine Brauchbarkeit. Die Wikingerzeit lief im Wesentlichen mit der karolingischen und ottonischen Zeit Kontinentaleuropas parallel.

Das Buch gibt tiefe Einblicke in die Welt der Wikinger und bietet ein differenziertes Bild der verschiedenen Ethnien in Nordeuropa, die unter dem Begriff „Wikinger“ subsumiert wurden. Ihre Leistungen im Kunst, frühmittelalterliche Literatur und Aufbau eines strategischen Handelsnetzwerks lassen das Bild des destruktiven plündernden Wikinger verblassen. Das Buch ist nicht nur für historisch und kulturell Interessierte geeignet, sondern auch für Menschen, die in eine andere, neue Welt eintauchen wollen.

Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biographie, C.H. Beck, München 2017, 1083 Seiten, ISBN 978-3-406-69748-7

Maria Theresia war die bedeutendste Herrscherin des aufgeklärten Absolutismus und eine der berühmtesten Habsburgerinnen. Sie übernahm nach dem Tod ihres Vaters Karl VI. die Regierung und setzte zahlreiche langlebige Reformen durch. Dabei zeigte sich die strenggläubige Katholikin gegenüber Angehörigen anderer Konfessionen wenig tolerant. Ihrem Gatten Franz I. Stephan gebar sie 16 Kinder, sie wurde deshalb in der Folge zu einer symbolträchtigen Mutterfigur hochstilisiert.

Die umfangreiche Biographie ist dem 300ten Geburtstag Maria Theresias am 13.5.2017 gewidmet. Stollberg-Rilinger war mit dem Werk Gewinnerin des "Preis der Leipziger Buchmesse 2017" in der Kategorie Sachbuch/Essayistik. Laut der Autorin „vereinte allein Maria Theresia weise Regentschaft, treue Gattenliebe, untadelige Sitten und blühende Fruchtbarkeit in einer Person“. (S. XV) Sie charakterisiert die Kaiserin als in aller Hinsicht außergewöhnliche Frau, eine „Matriarchin von äußerstem Pflichtbewusstsein, die sich selbst ebenso wie ihre Familie und ihre Untertanen einem strengen Regiment unterwarf.“

Kaiserin Maria Theresia nahm das Geschäft des Regierens als ihre persönliche Aufgabe derart ernst und mit äußerster Akribie betrieb. Barbara Stollberg-Rilinger beschreibt die Verhältnisse am Habsburger Hof, in der Stadt Wien, im Heiligen Römischen Reich und in den vielen Ländern lebendig werden, aus denen sich die Monarchie zusammensetzte. Die Kriege wie der Erbfolgekrieg (1740 - 1748) oder der Siebenjährige Krieg (1756 - 1763) gegen den preußischen Herrscher Friedrich den Großen von Preußen werden anschaulich beschrieben.

Ihr wichtigster Verdienst war ihre Reformpolitik Noch während der Kriege richtete Maria Theresia ihr Augenmerk auf innere Reformen. Ihre weitreichenden Änderungen wurden unter dem Namen „Theresianische Staatsreform“ bekannt. Dies gilt etwa für eine von den Ständen losgelöste Verwaltung, für die Militärreform und für die Bildungspolitik. Getragen war die Politik vom Geist des aufgeklärten Absolutismus. Ein roter Faden ihrer Reformpolitik war, dass an Stelle der überkommenen und zersplitterten ständischen Einrichtungen ein zentraler, absolutistisch regierter Staatsapparat treten sollte. Tatsächlich wurden die Bedeutung der Stände und das Mitspracherecht des Adels in den Erbländern während ihrer Regierungszeit immer weiter zurückgedrängt und beschränkte sich schließlich im Wesentlichen auf die grundherrlichen Rechte.

Gestützt auf zahllose, mitunter kaum bekannte Quellen werden das Verhältnis zu Ehe, Sexualität und Schwangerschaft, die Erziehung ihrer vielen Kinder, die Divertissements bei Hofe, die erbitterten Konflikte mit dem Sohn und Mitregenten Joseph II. Ihre Religionspolitik der ultrakatholischen Kaiserin wird eher kritisch betrachtet.

Die Monographie überzeugt sowohl durch die unermüdliche Auswertung von Quellen als auch durch die profunde wissenschaftliche Aufarbeitung einer der wichtigsten Personen des aufgeklärten Absolutismus. 1083 Seiten sind am Anfang für viele Leser abschreckend, aber die Lektüre lohnt sich, auch wenn sie manchmal etwas zu detailliert ist.

Douglas Abrams: Dalai Lama und Desmond Tutu. Das Buch der Freude, Lotos Verlag, 7. Auflage, München 2016, ISBN: 978-3-7787-8265-1

Das Buch ist ganz auf die beiden „Brüder im Geiste“ Desmond Tutu und den Dalai Lama zugeschnitten. Die beiden Friedensnobelpreisträger vertreten hie eine Anleitung für ein friedliches erfülltes Leben und interreligiöser Toleranz. Der Dalai Lama wird im tibetischen Buddhismus als Bodhisattva verstanden, als erleuchtetes Wesen, das aus Mitgefühl reinkarnierte, das heißt: bewusst wieder in die menschliche Existenz eintrat. Obwohl Erleuchtete den Kreislauf der Wiedergeburt verlassen können, geloben Bodhisattvas, ihre Wiedergeburt freiwillig auf sich zu nehmen, um das Leid anderer fühlender Wesen zu mindern. Angenommen wird, dass diese Wiedergeburt aufgefunden werden könne, wofür von der Ordensführung häufig mehrere aus hochrangigen Mönchen bestehende Findungskommissionen autorisiert werden.

Desmond Mpilo Tutu ist anglikanischer Erzbischof und Friedensnobelpreisträger.

Da die südafrikanische Regierung per Gesetz verordnete, dass schwarze Kinder eine schlechtere Ausbildung erhalten sollten als weiße, gab Desmond Tutu den Lehrerberuf auf und wurde 1961 anglikanischer Priester. 1984 wurde Desmond Tutu für sein Engagement gegen die Apartheid der Friedensnobelpreis verliehen. 1985 wurde er Bischof von Johannesburg und 1986 Erzbischof des Erzbistums Kapstadt. 1996 wurde Njongonkulu Ndungane Tutus Nachfolger als Erzbischof von Kapstadt und Primas der Church of the Province of Southern Africa.

Mit seiner Wahl zum Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats konnte Tutu denn auch mit Zustimmung fast aller Kirchen seine Arbeit gegen die Apartheid fortführen. Die Ausstrahlung, die von dem Mann ausging, vor allem sein unerschütterlicher Glaube eines gewaltlosen Wandels, zog nun mehr und mehr weiße Südafrikaner in seinen Bann. Tutu predigte ständig von einer Aussöhnung zwischen den beiden Bevölkerungsschichten.

Mehr und mehr wurde Tutu zu einer Symbolfigur der Schwarzen und sowohl als Gesprächs- wie auch Verhandlungspartner von Seiten der Regierung akzeptiert. Sein Ziel hat Desmond Tutu erreicht. Seit 1995 ist er Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika.

Sie versuchen, der Hoffnungslosigkeit vieler Menschen in einer weltweiten Krise entgegenzutreten und Freude und Glück im Leben zu vermitteln: „Nicht düsteres Schicksal bestimmt unsere Zukunft – wir bestimmen sie selbst. Tag für Tag, in jedem Augenblick können wir nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch die Lebensqualität anderer Menschen auf unserem Planeten formen und erneuern. Wir verfügen über diese Macht. Freude und Glück lassen sich nicht erlangen, indem man eigenen Zielen und Erfolgen nachläuft. Auch in Reichtum und Ruhm sind sie nicht zu finden, sondern nur im Geist und im Herzen der Menschen, und wir hoffen, dass jeder dort Freude und Glück findet.“ (S. 9)

Die Anleitung zur Entstehung von Freude und Glück für jeden Menschen beginnt mit der Erörterung des Wesens der Freude, dann werden Hindernisse und negative Gefühle wie Wut, Kummer und Leid vorgestellt. Darauf folgen die acht Säulen der Freude, die den wahren Wert des Lebens ausmachen. Zum Schluss folgen praktische Übungen auf dem Weg zur Freude am Leben.

Das Buch der beiden Friedennobelpreisträger macht Mut. Mut dem Leben mit Freude entgegenzutreten. In einer Zeit der ethischen Krise und der Leere der kapitalistischen Warengesellschaft findet man dort positive Anregungen, wie jeder einzelne seinem Leben einen Sinn gibt und auch einen allgemeinen ethischen Konsens findet, wie eine Welt harmonisch gestaltet werden kann.

Ilona Jerger: Und Marx stand still in Darwins Garten. Roman, Ullstein Verlag, Berlin 2017, ISBN: 978-3-550-06189-7

In England im Jahre 1881 wohnen zwei berühmte Männer nur 20 Meilen voneinander entfernt, die den Lauf der Weltgeschichte verändert haben. Charles Darwin gilt wegen seiner wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler. Zusammen mit Friedrich Engels wurde Karl Marx zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus. Zu einem persönlichen Treffen oder gar zu einem fruchtbaren Austausch der beiden Denker kam es trotz der geringen Entfernung jedoch nie. Es ist nachgewiesen, dass Marx Darwins Buch „Über die Entstehung der Arten“ gelesen hat. 1873 schickte Marx einen Abdruck seines Werkes „Das Kapital“ mit einer wertschätzenden Widmung an Darwin, der jedoch dieses Werk nie gelesen hat. Mehr Verbindungen der beiden völlig unterschiedlichen Charaktere gab es nicht.

Die Autorin Ilona Jerger erzählt nun die fiktive Geschichte eines Treffens der beiden Geistesgrößen zum Dinner, wo sie sich über verschiedene gesellschaftliche Probleme und ihre eigene Arbeit austauschen. Ihr fiktiver Disput bleibt nicht in Themen der Vergangenheit stecken, sondern sprechen auch zeitgemäße Themen an, die zur Auseinandersetzung für den Leser dienen sollen. Dabei kommt es überraschenderweise auch zu Gemeinsamkeiten der beiden Denker.

Gleichzeitig werden biographische Portraits der beiden großen Männer auf wissenschaftlicher Grundlage gezeichnet und ihre Charaktere dem Leser nähergebracht. Der Reiz des Romans liegt in der Vermischung von Fiktion und realistischen Gegebenheiten, wobei doch der fiktionale Disput zwischen Darwin und Marx im Mittelpunkt steht. Der Disput über Fragen mit aktuellem Hintergrund bringt den Leser weiter und lernt gleichzeitig zwei spannende Persönlichkeiten der Weltgeschichte kennen.

Lars Gejl: Die Watvögel Europas, Haupt Verlag, Bern 2017, ISBN: 978-3-258-08021-5

Watvögel sind weltweit anzutreffen, sogar in den kalten Regionen in Polnähe. Viele leben in Wassernähe an Meeresküsten, Seen, Flüssen und in Sümpfen, aber auch in trockenen Regionen wie Halbwüsten, Steppen und Hochgebirgen. Fast alle Arten sind Zugvögel. Ihre Nahrung ist hauptsächlich tierisch; dabei schreiten die Watvögel durch seichtes Wasser und über Schlammflächen und stochern mit dem Schnabel im Boden.

In diesem Buch des Naturfotografen Lars Gejl werden die 82 regelmäßig oder sporadisch vorkommende Watvogelarten in Europa vorgestellt: „ Dieses Werk, mit Beschreibungen und Illustrationen der Watvögel Europas sowie Erläuterungen zu ihrer Naturgeschichte, soll allen Vogelbeobachtern ein fundiertes Wissen und das Werkzeug zur sicheren Bestimmung der Vögel geben.“ (S. 9) Die Originalausgabe des Buches erschien 2015 in Dänemark, jetzt liegt es in deutscher Übersetzung vor. Übersichtsseiten mit Verwechslungsarten und 189 Silhouetten erleichtern das Bestimmen.

Im ersten Teil geht es um eine grundlegende ornithologische Bestimmung der Watvögel zu Jahreszug, Brutbiologie, Topographie, Gefieder und Mauser, typische Federzeichnungen, Silhouetten sowie Gesamterscheinungsbild. Im zweiten Teil werden Vergleichstafeln von Watvogelgattungen vorgestellt, das sich viele kleine und mittelgroße Watvögel sehr ähnlich sehen. Weiterhin werden fünf Abbildungen von Vogelschwärmen im Freiland, so wie man sie durch das Fernglas beobachten kann, präsentiert. Danach folgt die Beschreibung der Arten von Austernfischer bis zum Wilsonwassertreter mit allen wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen. 670 Bilder der Watvögel, die von verschiedenen Naturfotografen gemacht wurden, sorgen für einen hervorragenden visuellen Eindruck.

Als zusätzliches Bonbon gibt es 44 QR-Codes, die mit dem Smartphone gescannt werden können, zu Tonaufnahmen der jeweiligen Art.

Dieses große Nachschlagewerk und Bestimmungsbuch eignet sich hervorragend für Ornithologen, die an den Watvögeln interessiert sind. Durch die Vergleichstafeln können die Vögel mit etwas Übung gut auseinandergehalten werden. Durch die 44 QR-Codes präsentiert sich das Buch auch auf dem neuesten Stand der Technik und kann als Lektüre nur empfohlen werden.

Juli Zeh: Leere Herzen, Luchterhand Literaturverlag, München 2017, ISBN: 978-3-630-87523-1

Nach ihren erfolgreichen Gesellschaftsromanen legt Julia Zeh mit diesem Werk eine Dystopie mit spannendem Verlauf vor. Sie entwirft ein fiktives, zukunftspessimistisches Szenario von einer Gesellschaft, die sich zum Negativen entwickelt, und stellt somit einen Gegenentwurf zur positiv verbrämten Utopie dar. Sie möchte mit Hilfe eines pessimistischen Zukunftsbildes auf bedenkliche Entwicklungen der Gegenwart aufmerksam machen und vor deren Folgen warnen.

Die Handlung spielt in einer Kleinstadt, die Hauptfigur Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi haben mit der „Brücke“ ein Unternehmen gegründet, das auf den ersten Blick wie eine Therapieeinrichtung für Suizidgefährdete wirkt, in Wahrheit aber einen völlig neuen Geschäftszweig mit dem Tod sich entdeckt hat. Als sie mächtige Konkurrenz bekommen, tun die beiden alles, um diese auszuschalten, wissen aber nicht, dass ihr Leben in Gefahr ist.

In der fiktiven dystopischen Gesellschaft benutzt die Autorin Elemente aus dem Hier und Jetzt, die dem Leser aus seinem eigenen Erfahrungshorizont bekannt sind. Wenn der Leser die Muster oder Trends identifizieren kann, die unsere heutige Gesellschaft potentiell in das fiktive Dystopia führen könnten, wird die Beschäftigung mit der Fiktion zu einer fesselnden und wirkungsvollen Erfahrung. In diesem Sinne nutzt Juli Zeh die Dystopie wirksam, um ihre eigene Besorgnis über gesellschaftliche Trends zum Ausdruck zu bringen. „Da. So seid ihr“ heißt es auf einer Seite nach dem Titel.

Das Werk liefert einen von vielen möglichen Zugängen zu einer unglaublich bedrückenden Zukunftsvision der BRD und den darin vorherrschenden Verhältnissen. Anhand der Darstellerin Britta und ihren inneren Monologen sieht man, dass sie in einer Welt lebt, wo das Herz leer ist und keine positiven Werte und Träume mehr entwickelt. Eine unmenschliche Welt, die gruselig erscheint und von kaltem Egoismus und Pragmatismus beherrscht wird. Ohne direkt darauf hinzuweisen, ist es eine Kritik an der kapitalistischen und utilitaristischen Gesellschaft, die mit Spannung aufbereitet wird.

Es gibt sicherlich besser geschriebene Dystopien oder Gesellschaftskritik im Allgemeinen, trotzdem ist es ein gutes nachdenklich machendes und spannendes Buch.

Marcel Hulspas: Mohammed. Revolution aus der Wüste, Theiss Verlag, Darmstadt 2017, ISBN: 978-3-8062-3489-3

Dieses Buch zeichnet das Leben und Wirken des Propheten Mohammed auf wissenschaftlicher Grundlage nach und will damit auch einen Einblick in die Welt des frühen Islam geben.

Abgesehen von einigen bedeutungslosen Kulten Südarabiens bestand die Religion der Araber vor dem Wirken von Mohammed aus einem Glauben an viele Götter (Polytheismus), durchsetzt von der Vorstellung einer beseelten Natur (Animismus) und der Verehrung lebloser Dinge (Fetischismus). Die Araber verehrten eine Gruppe unterschiedlicher Gottheiten, von denen jedoch keine ein personaler Gott war, auch eine Rangfolge war nicht ausgebildet. Sterngötter waren feststellbar, ebenso ein männlicher Mondgott. Heilige Steine wurden mit dem Blut von Tier- und Menschenopfern besprengt, umschritten und geküsst. Verstorbenen wurden Totenopfer (Haare) gewidmet, Bäume wurden mit Gräbern behängt. Unter dem Schutz eines verbindlichen Religionsfriedens fanden Wallfahrten zu den mit Märkten verbundenen Festen statt. Die Teilnahme am Kult verlangte Opfer und Enthaltsamkeiten. Der Stadtstaat Mekka, der am Schnittpunkt mehrerer Karawanenwege lag, war Kulturmittelpunkt, die Kaaba mit je einem weißen und einem schwarzen Stein und der Brunnen Zamzam waren die religiösen Zentren. In der Kaaba befanden sich vier Götterstatuen. Im Wesen kaum von ihnen unterschieden traten neben den Göttern die Dämonen (Dschinn). Diesem Heidentum standen jüdische Einflüsse und seit dem 4. Jahrhundert eine christliche Mission gegenüber.

Mohammed, der zum Stamm der Banu Haschim gehörte, wurde ca. 570 in Mekka geboren. Noch vor seinem sechsten Lebensjahr wurde er Vollwaise. Er fand Aufnahme im Haus seines Großvaters Abdalmuttalib, nach dessen Tod erzog ihn sein Onkel Abu Talib. Seinen Onkel, einen Karawanenführer, begleitet Mohammed auf dessen Handelsreisen. Mit ca. 25 Jahren heiratete er die angeblich 20 Jahre ältere Kaufmannswitwe Chadidscha. Nach Chadidschas Tod heiratete Mohammed noch 13 Frauen, wofür soziale Überlegungen und politisches Kalkül ausschlaggebend gewesen sein mögen, denn es waren Witwen ehemaliger Freunde. Nachdem sich Mohammed etwa mit 40 Jahren seiner Sendung bewusst geworden war, schaffte er sich schon seit seinem ersten Auftreten ca. 610 viele Feinde in Mekka. Die alteingesessenen Kaufleute Mekkas profitierten von Kult und Prozessionen zu den Idolen der Stadt ihrer Stadt und waren an Neuerungen nicht interessiert. Als Betrüger und Schwindler beschimpft, war Mohammed großem Druck ausgesetzt. Zu ihrem Schutz bewegte Mohammed ca. 615 etwa 100 Männer und Frauen zur Auswanderung in das christliche Abessinien, nur mit seinen engsten Vertrauten blieb er in Mekka. Die Ablehnung Mohammeds schlug in offene Verfolgung um, nachdem seine wichtigsten Stützen, Chadidscha und Abu Talib 619 starben. Angesichts der Zuspitzung seiner Lage hatte Mohammed schon 621 Verbindungen zu seinen etwa 200 Anhängern in der Stadt Yatrib aufgenommen. Im September 622 flüchtete er aus Mekka. Diese Flucht (hidschra) setzte als äußeres Zeichen den Beginn des Islam fest und ist Ausgangspunkt für die islamische Zeitrechnung. Damit ist der göttliche Prophet zu einem irdischen Politiker geworden.

In der Folgezeit überwand Mohammed alle Widerstände in Yatrib und seiner Umgebung. Er versöhnte die seit jeher verfeindeten Stämme und brachte sie auf seine Seite. Allmählich entstand in und um Yatrib jene religiöse, soziale und politische Ordnung, die Mohammed aus seiner Offenbarung entwickelte. Gegen die Bewohner von Mekka führten die Bundesgenossen Mohammeds mehrere Kriege, bis ihnen 629 die erste Wallfahrt zur Kaaba gestattet wurde. 630 überrannte Mohammed mit Beduinentruppen Mekka, das kapitulierte. Nach diesem entscheidenden Sieg war gerade allen nichtbekehrten Stämmen der Kampf angesagt worden, als Mohammed am 8.6.632 in Yatrib unerwartet an Fieber verstarb. Die Zufluchtsstätte Yatrib erhielt den Ehrentitel „Stadt des Propheten“ (Madinat an-Nabi) und wurde nur noch Medina genannt.

Seit etwa 610 erlebte Mohammed in Träumen und Visionen Offenbarungen. In der Einsamkeit einer Höhle des Berges Hira bei Mekka, wo er den Ramadan (9. Monat des Mondkalenders) mit Fasten und Askese verbrachte, breitete der Engel Gabriel ein seidenes Tuch vor ihm aus und befahl ihm zu lesen. Auf sein Zögern hin wurde Mohammed vom Engel bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Auf die dritte Aufforderung hin las Mohammed den vorgelegten Text. Es war der Beginn der 96. Sure. Die erste Offenbarung endete mit der Bekanntgabe: „O Mohammed, du bist der Gesandte Gottes“ (rasul allah). Bis zu seinem Lebensende hielten diese Mitteilungen an. Der Inhalt dieser Offenbarungen wurde erst nach dem Tode Mohammeds unter Kalif Osman um 650 im Koran niedergeschrieben. Sein Text bestand aus 114 Abschnitten (sura), jede Sure setzte sich aus Versen in Reimprosa zusammen. Zur Identifizierung haben die einzelnen Suren später Titelüberschriften erhalten. Die Anordnung erfolgte mit Ausnahme der Sure 1 „Die Eröffnende“ nach Textlänge und nicht nach Entstehungsalter. Es lassen sich vom Inhalt her Entstehungsperioden unterscheiden, drei Abschnitte entstanden in Mekka und einer in Medina. Die Offenbarungen aus Mekka hatten den Zweck, die Ungläubigen zum Bekenntnis des einen Gottes (Allah) zu bewegen, sie schilderten daher die Höllenqualen der Sünder und das Glück im Paradies der Gläubigen. Während der medinischen Verkündigungen war Mohammed schon ein anerkannter weltlicher und geistlicher Anführer, weshalb diese besonders Gesetzesvorschriften für Gläubige beinhalten.

Der Koran geht zurück auf ein im Himmel bewahrtes Urexemplar (umm al-kitab), das bis in die Rechtschreibung mit dem Text der Offenbarung übereinstimmen soll. Daher darf nichts geändert werden, selbst eine Übersetzung verfälscht nach strenggläubiger Auffassung bereits den göttlichen Charakter des Buches. Eine große Bedeutung kommt such der Sammlung von mündlichen Mitteilungen (hadit) und Handlungen des Propheten zu. Der Hadit besteht aus den eigentlichen Texten sowie aus einer Überlieferungskette. Ein natürliches Interesse an Taten und Aussprüchen Mohammeds sowie an deren verbindlicher Auslegung bewirkte schon bald nach seinem Tode deren schriftliche Fixierung.

Mohammed nannte das von ihm organisierte neue Religionssystem „Islam“, d.h. „Die Ergebung in den Willen Gottes“. Die Gläubigen nennen sich selbst Mosleme (Muslime). Die Annahme des Islam vollzieht sich durch das Aussprechen des Glaubensbekenntnisses. Die religiöse Haltung der Muslime ist bestimmt von der Abhängigkeit vom Willen des einzigen, allmächtigen und allwissenden Schöpfergottes Allah und der der daraus resultierenden eigenen Ohnmacht (Fatalismus). Als Glaubensinhalte nennt der Koran den Glauben an Allah, an das Jüngste Gericht, die Engel, die Offenbarung der Schrift auch an die früheren Propheten (Altes und Neues Testament) und den Glauben an die Gesandten Gottes (z.B. Abraham) und an der Propheten Mohammed. Starke jüdische und christliche Gedanken haben so die Vorstellungswelt des Korans geprägt.

Nach Angaben des Hadit hat Mohammed fünf religiöse Grundpflichten als „Säulen des Glaubens“ (arkan-ad-din) genannt, die als Kriterien der Zugehörigkeit zum monotheistischen Galuben an Allah gelten. Die erste Grundpflicht ist das Glaubensbekenntnis (schahada): „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet.“

Das tägliche Gebet (salat) ist als höchste islamische Pflicht an bestimmte Vorschriften (Körperhaltungen, Texte, Tageszeiten, Reinheit, rituelle Waschungen, Benutzung der arabischen Sprache) gebunden. Zu genau festgesetzten Zeiten haben die Muslime fünf Gebete zu verrichten: das Morgengebet vor Sonnenaufgang, das Mittagsgebet, das Nachmittagsgebet, das Frühabendgebet und das Spätabendgebet. Der Moscheebesuch ist Pflicht an den religiösen Festtagen und am Freitag, dem Paralleltag zum christlichen Sonntag und jüdischen Sabbat.

Das freiwillige Fasten (saum) sowie Fasten als Teil der Buße ist im Islam wichtiger Bestandteil der Sündentilgung und der Askese. Das Fasten umfasst völlige Enthaltsamkeit von Speise, Trank und Geschlechtsverkehr von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Auch das Rauchen und Mundausspülen zur Erfrischung sind untersagt. Im Monat Ramadan ist das allgemeine Fasten für jeden erwachsenen Muslim verbindlich. Für Alte, Kranke, Reisende und Schwangere sieht das Gesetz Erleichterungen vor. Wird das Fasten aus subjektiven Gründen (Reise, Schwangerschaft) unterbrochen, so muss es individuell nachgeholt werden. Akustische Zeichen (Trommel, Trompete) wecken den Gläubigen vor Sonnenaufgang zur Frühmahlzeit, ein Kanonenschuss am Abend gibt das Zeichen für das „Fastenbrechen“.

Nach den Vorschriften des Korans (Sure 9,60) ist jeder volljährige, gesunde und freie Muslim zur Armensteuer (zakat) verpflichtet. Sie wird auf landwirtschaftliche Ernährungsprodukte, Obst und Vieh, vom Staat eingezogen. Edelmetalle und Kaufmannswaren werden nur dann besteuert, wenn sie ein Jahr gelagert worden sind. Ihre Besteuerung bleibt der Ehrlichkeit der Besitzer überlassen. Der Steuerertrag ist für Arme, Schuldner, Sklaven, Reisende und freiwillige Glaubenskämpfer, aber auch für Steuereintreiber bestimmt.

Nach dem Gebot des Korans (Sure 3,97) ist jeder volljährige Muslim zu mindestens einer Wallfahrt nach Mekka verpflichtet (hadsch), die ihn das Tragen des Ehrentitels „Hadschi“ (Pilger) berechtigt. Die gesamte Wallfahrt ist aber an einen Weihezustand gebunden. Er umfasst spezielle Pilgertracht und eine Reihe von verboten (Kämmen, Jagd, Benutzung von kosmetischen Artikeln, Geschlechtsverkehr). In Mekka und Medina haben die Pilger eine Fülle von rituellen, fest vorgeschriebene Weihehandlungen zu verrichten. Die Wallfahrt selbst und die religiösen Bräuche sind altarabischer Herkunft, doch hat ihnen Mohammed einen neuen Sinn gegeben. Die Bewegung von Pilgermassen, die Rolle Mekkas als Kommunikationszentrum, die Doppelfunktion der Handelsstraßen als Pilgerwege, das religiöse Gemeinschaftsgefühl, die Erweiterung des Lebenskreises sowie Gedanken- und Erfahrungsaustausch haben die Pilgerfahrt unter religiösen, politischen, geistesgeschichtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einer wichtigen Einrichtung in der islamischen Welt werden lassen.

Modelle für die Organisation der Gemeinschaft der Gläubigen hat der Islam von seiner ersten Stunde an gekannt. Als „Verfassung“ oder „Gemeindeordnung“ von Medina ist jenes erste Dokument bekannt, in dem Mohammed die Pflichten der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften festgelegt und das Verhältnis der einzelnen Gruppen innerhalb der islamischen Gemeinde erstmals geregelt hat. Die „Gemeinschaft der Muslime“ ist im göttlichen Heilsplan als die beste Gemeinschaft (hair umma) vorgesehen. Ihr irdisches Abbild, die reale politische Gemeinde, muss sich als gottgewollte Idealgemeinde bewähren, indem sie gegenüber den göttlichen Geboten und Verboten gehorsam ist. Nach dem Grad dieses Gehorsams richtet sich das in Aussicht gestellte Fortleben im Paradies.

Das göttliche Gesetz (scharia) ist dann auch die Quelle der Herrschaft, der Herrscher hat nur Gott gegenüber Verantwortung, seinen Untertanen gegenüber hat er die unumschränkte Souveränität.

Dieses Buch bietet neben einer detaillierten Biographie Mohammeds auch religiöse, politische, geistesgeschichtliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte der frühen islamischen Welt. Die Monographie hebt sich wohltuend von unseriösen und islamophobischen Darstellungen ab und hält sich an die wissenschaftlichen Fakten bei der Darstellung eines der wichtigsten Ereignisse in der Welt der Spätantike.

Paul H. Köppler: Das lehrt der Buddha. Die Lehrreden-zeitgemäße Fassung, umfassende Auswahl, nach Themen geordnet, Waldhaus Verlag 2016, ISBN: 978-3-937660-09-7

Der Buddhismus hat weltweit je nach Quelle zwischen 230 und 500 Millionen Anhänger und ist damit die viertgrößte Religion der Erde nach Christentum, Islam und Hinduismus. Der Buddhismus ist hauptsächlich in Süd-, Südost- und Ostasien verbreitet, findet aber auch in westlichen Ländern immer mehr Anhänger. Die Buddhisten berufen sich auf die Lehren des Siddhartha Gautama, der in Nordindien lebte, im 6. und möglicherweise noch im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. „Buddha“ (wörtlich „Erwachter“) ist ein Ehrentitel, der sich auf ein Erlebnis bezieht, das als Bodhi („Erwachen“) bezeichnet wird. Gemeint ist damit nach der buddhistischen Lehre eine fundamentale und befreiende Einsicht in die Grundtatsachen allen Lebens, aus der sich die Überwindung des leidhaften Daseins ergibt. Diese Erkenntnis nach dem Vorbild des historischen Buddhas durch Befolgung seiner Lehren zu erlangen, ist das Ziel der buddhistischen Praxis.

Die buddhistische Praxis anderen Menschen näher zu bringen, ist das zentrale Anliegen dieses Buches. Der Autor ist Meditationslehrer und Gründer von buddhistischen Zentren in der BRD. Es ist eine neue Auflage des 2004 erschienenen Buch „So spricht Buddha“. Im Wesentlichen ist der Aufbau und die sprachliche Ausformulierung gleich geblieben, die Reden wurden nochmal sorgfältig überarbeitet und den heutigen Erkenntnissen und Gegebenheiten angepasst, so dass sie verständlich, aber nahe am Text ist: „Es wurde eine zeitgemäße Sprache gewählt, ohne Begriffe in der Pali-Sprache, einer dem Sanskrit verwandten Sprache, und ohne die oft zu findenden Wortschöpfungen.“ (S. 7)

In dem Buch liegt hier zum ersten Mal eine umfassende Sammlung der Reden in deutscher Sprache vor, die nach zentralen Themenbereichen geordnet ist: „Wir haben versucht in der Auswahl die Themen zu wählen, die Buddhas Lehre wesentlich kennzeichnen und vor allem für die heutige Zeit wichtig sind. Natürlich ist es eine subjektive Auswahl und die kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.“ (S. 8).

Zunächst werden die wesentlichen Eigenschaften der Lehre Buddhas vorgestellt, bevor das Leben Buddhas das Thema ist. Dann geht es um die Lehre des Karma, die psychischen Hindernisse auf dem Weg zum Glauben, die heilsamen Eigenschaften (Vertrauen, Tugenden) sowie die grundlegenden Methoden der Meditation. Danach geht es um die anthropologische Sichtweise der Lehre Buddhas und die Lehre der Gemeinschaft. Im Anhang werden die Quellen, die Verzeichnisse der Reden und der wichtigen Begriffe und Literaturempfehlungen.

Der Autor schafft es, die wichtigsten Reden des Pali-Kanons in einer für westliche Verhältnisse verständliche Sprache wiederzugeben. Somit erschließt sich die buddhistische Lehre auch für Einsteiger. Das Buch könnte ein Einführungswerk für Menschen darstellen, die sich für die Weisheiten Buddhas interessieren.

Souad Mekhennet: Nur wenn Du allein kommst. Eine Reporterin hinter den Fronten des Dschihad, 3. Auflage, C. H. Beck Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-406-71167-1

Souad Mekhennet ist eine deutsche Journalistin und Sachbuchautorin und arbeitet für The New York Times, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das ZDF. Nach den Anschlägen dem 11. September 2001 befasste sie sich auch persönlich mit Identitätsfragen und Deutungsmustern. Dies wurde ihr Spezialthema und seitdem berichtet sie über die Konflikte zwischen „dem Westen“ und „dem Islam“ in Europa, Nordafrika und im Nahen Osten.

Ihre Geschichte in diesem Buch handelt von der Frage, was Menschen antreibt, Teil einer Terrororganisation zu werden und viele unschuldige Menschen umzubringen. Ihre Recherchen, die sie in viele gefährliche Situationen bringen, mitten im Herz des Dschihad werden hier aufbereitet und erzählt.

Eine Gut und Böse-Konstruktion lehnt sie vehement ab: "Ich wollte wissen, was passiert ist in Hamburg, dass ein Mohammed Atta, ein Said Bahaji, ein Ziad Jarrah, die aus arabischen Staaten nach Deutschland gekommen sind, um hier zu studieren, zu Massenmördern wurden."

Dabei sieht sie nicht den zugespitzten Antagonismus zwischen der westlichen Welt und der islamischen Welt: „Es ist nicht der Kampf gegen den Westen. Es sind Gruppen, die gegen all jene kämpfen, die anders denken und anders agieren als sie es für richtig halten. Und es ist egal, ob sie Christ, Jude oder Moslem sind. Wenn sie nicht so agieren, wie diese Gruppen es wollen, dann sind sie eben ein Feind.“

Das Buch beginnt mit einem Treffen mit einem ISIS-Mitglied und den Begleiterscheinungen: „Ich sollte allein kommen. Ohne Ausweispapiere oder sonstige Dokumente; Handy, Aufnahmegerät, Uhr und Handtasche sollte ich in meinem Hotel in Antakya lassen. Erlaubt waren lediglich ein Notizbuch und ein Kugelschreiber.“ Dieses Zitat erläutert zugleich den Titel des Buches. Das Buch ist gleichzeitig auch eine Aufarbeitung ihrer eigenen Biographie: Sie berichtet ausführlich von ihrer Kindheit und Jugend in der BRD, vom Othering der Mehrheitsgesellschaft und von der Werten ihrer Eltern, die die Menschen als Charakter beurteilen und nicht welche Nationalität und Konfession sie haben. Weiterhin erzählt sie von der innigen Beziehung zu ihrer Großmutter in Marokko und ihre regelmäßigen Besuchen dort. Nach dem Abschluss ihres Politikstudiums baut sich ein Netzwerk innerhalb bekannter Medien als Journalistin auf und machte sich bald einen Namen als Expertin für den international agierenden unter dem Deckmantel des Islam agierenden Terrorismus. Sie bereist den Irak, den Nahen Osten und Afrika und trifft oft auf einen irrationalen Hass auf „den Westen“, die angeblich „den Islam“ vernichten wollen.

Ihre Herangehensweise ist einfach, aber effektiv. Sie hört den Interviewpartner zu, erst einmal ohne moralische Wertungen oder Interventionen, auch menschenverachtende Vorurteile und bahnbrechende. Das macht sie nicht unumstritten. In der Terrorhysterie des Westens sehen manche sie als Transportsubjekt der Propaganda des „islamischen Terrorismus“. Das ist natürlich Blödsinn. Souad gibt den Islamisten die Möglichkeit, dass auch ihre Sicht der Dinge gehört wird, gibt ihnen eine Stimme – und macht sich viele zum Feind (nicht nur Dschihadisten, sondern auch westliche Regierungen und Geheimdienste). Sie versucht lediglich Brücken zwischen Repräsentanten dem Islam und dem Christentum zu bauen, zwischen den arabischen Ländern und der westlichen Welt, damit der Hass nicht noch größer wird und eine Art Dialog erreicht wird, der sinnloses Blutvergießen oder Kriege verhindert.

In dem Buch spricht sie auch über die Gründe, die Menschen dazu bewegen, sich Terrororganisationen anzuschließen. Ein Unterlegenheitsgefühl und die Behandlung als Mensch zweiter Klasse sind oft zu hören. Westliche Gesellschaften, die durch ihren Rassismus Muslime ausschließen, tragen ebenso zur Radikalisierung bei. Viele Menschen, die keinen Halt im Leben haben, bekommen im islamischen Terrorismus Gemeinschaftsgefühl und klare Feindbilder an die Hand, woran man sich orientieren kann. Der Dualismus zwischen der Wir-Gruppe und der Gruppe der bösen Anderen ist nicht nur prägend für den islamischen Terrorismus. Dasselbe Bild bestimmt die Weltsicht vieler Menschen. Ob es nun im Westen das Feindbild Islam ist, beim Fußball Dortmund und Schalke, bei jeder absolutistischen oder deterministischen Weltanschauung, die das Andere als Feind markiert und damit die Eigengruppe stärkt und Identität gibt. Die Autorin will dieses dualistische Denken aufbrechen, das in der Menschheitsgeschichte schon so viel Unheil angerichtet hat und Empathie und Verständigung fördern. Terror hat nichts mit einer bestimmten Religion am Hut; wir sind alle Menschen, das verbindet uns, will sie sagen.

Ihre Botschaft ist Dialog, Verständigung, Frieden. Ihr mutiges Engagement für diese Werte muss man hochachtungsvoll hervorheben. Eine sehr mutige Frau auf dem Balanceakt mit der ständigen Gefahr, dies macht das Buch auch zu einem spannungsreichen Abenteuer für die Leser. Ihre Absage an jede Eindimensionalität in der Propaganda der westlichen Staaten oder der Protagonisten des islamisch begründeten Terrorismus und die Einnahme von multiperspektivischen Lösungsansätzen ist die Stärke des Buches. Eine ausreichende Diskussion über den antimuslimischen Rassismus in den westlichen Staaten fehlt allerdings.

Harald Kirschner: Credo. Kirche in der DDR, Mitteldeutscher Verlag, Halle an der Saale 2017, ISBN: 978-3-95462-898-8

Religionsfreiheit war in der DDR-Verfassung festgeschrieben und wurde formal auch gewährt. Dennoch unterlagen Christen verschiedenen Repressionen. Förderung religiöser Gemeinschaften von staatlicher Seite aus fand nicht statt. Es gab eine sehr strikte Trennung von Kirche und Staat. Von staatlicher Seite war das Staatssekretariat für Kirchenfragen beim Ministerrat der DDR zuständig. Nach der Gründung der DDR 1949 versuchte die Regierung aktiv und mit Repressionen, den Einfluss der Kirchen zurückzudrängen. Erst mit dem Mauerbau 1961 entspannte sich die Situation und es kam zu gegenseitigen Zugeständnissen. Dennoch blieben die Kirchen Zentren des Widerstands gegen die DDR, sodass sie im Transformationsprozess nach dem Fall der Mauer eine entscheidende Rolle spielten.

Harald Kirschner, Fotograf mit den Arbeitsschwerpunkten sozialdokumentischer Fotografie und Reportage, dokumentiert künstlerisch das christliche Leben in der DDR aus den 1970er und 1980er Jahren. Schwerpunkte sind der christliche Alltag beider Konfessionen und deren festliche Höhepunkte. Kirschner selbst ist christlich erzogen worden, was sein weiteres Leben prägte. Diese Bilder sind zurzeit in der Fotografieausstellung „Credo-Kirche in der DDR“ im Museum der Bildenden Künste Leipzig zu sehen. Dieses Buch kann als tiefergehendes Begleitbuch der Ausstellung angesehen werden.

Die fotografische Auseinandersetzung Kirschners mit dem Thema begann 1979, als der damalige Papst Johannes Paul II nach Polen reiste: „Ich habe ganz spontan beschlossen: Da fahre ich hin – zum Höhepunkt des Papst-Aufenthaltes, der großen Abschlussmesse in Krakau, (…) Das war ein tolles Erlebnis.“ (S. 147)

Zunächst wird die abgedruckte Rede von Wolfgang Thierse, ehemaliger Präsident des Bundestages, anlässlich der Eröffnung am 22.5.2016 präsentiert. Dann folgen die Bilder, die jeweils mit kurzen Beschreibungen versehen sind. Zum Abschluss erscheint noch ein Gespräch zwischen Berndt Lindner, Experte für kulturhistorische Fotografie in der DDR, mit Kirschner über die Hintergründe seiner künstlerischen Arbeit.

Das Coverbild lockt schon den Leser und macht deutlich, worum es geht: Eine Prozession mit einem am Kreuz hängenden Jesus Christus geht an einem VEB (Volkseigener Betrieb) vorbei. Der Titel des Buches ist allerdings missverständlich: Es geht sich nur um den Protestantismus und römischen Katholizismus, nicht um andere Glaubensrichtungen wie etwa Zeugen Jehovas, russisch-orthodoxe Kirche oder Menschen jüdischen Glaubens.

Diese fotografische Auseinandersetzung mit dem christlichen Leben der späten DDR ist ein lebendiger Beitrag für das zeitgeschichtliche Leben und Denken. Es lockt zum Besuch der Ausstellung, nicht nur für Christen, sondern auch für interessierten Atheisten.

Peter H. Wilson: Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Theiss Verlag, Darmstadt 2017, ISBN: 978-3-8062-3628-6

Peter H. Wilson, Fachmann für deutsche Geschichte und Militärgeschichte. ist Inhaber den Chichele-Lehrstuhl für Kriegsgeschichte am All Souls College der University of Oxford und legt ein monumentales Werk über den Dreißigjährigen Krieg zum angehenden 500ten Jahrestag des Prager Fenstersturzes 1618.

Das Buch geht von drei zentralen Thesen aus: Da in anderen Darstellungen einzelne Facetten des Dreißigjährigen Krieges herausgegriffen wurden, will Wilson die unterschiedlichen Aspekte wieder miteinander verknüpfen. Die zweite These lautet, dass der Dreißigjährige Krieg „nur insofern ein Religionskrieg“ war, „als der Glaube in der Frühen Neuzeit das leitende Prinzip in allen Bereichen öffentlichen oder privaten Handels lieferte.“ (S. 25) Weiterhin betont er als dritte These, dass der Krieg keineswegs unvermeidlich war.

Im ersten Teil liefert Wilson die Begründung für diese These. Er beschreibt die Hintergründe des Ausbruchs des Krieges und seinen Auslöser: den Prager Fenstersturz: In Böhmen eskalieren diese Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und den katholischen Machthabern im Frühjahr 1618. Böhmen ist zu 90 Prozent protestantisch und der Adel will die ungeliebte katholische Herrschaft sowieso loswerden. Als dann die habsburgische Landesherrschaft die Religionsfreiheit der Protestanten, die im sogenannten Majestätsbrief zugesichert ist, rückgängig macht, ist das der Funkenschlag, der den Krieg auslöst. Die Adligen demütigen den böhmischen König Ferdinand II., der gleichzeitig habsburgischer Kaiser ist, indem sie seine Statthalter samt Sekretär aus dem Fenster werfen.

Im zweiten Teil folgt eine Chronologie der Kriegsereignisse. Dabei geht er auf die zunehmende Europäisierung des Krieges und deren Verlauf ein, in dem sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits entluden. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre dynastischen Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus.

Die anderen Kapitel beleuchten die politischen Folgen des Krieges und das Leid in der ganz normalen Bevölkerung. Die Folgen für die Bevölkerung des Gebietes des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren verheerend. Die Kriegshandlungen selbst, aber auch die durch sie verursachten Hungersnöte und Seuchen verwüsteten und entvölkerten ganze Landstriche. In Teilen Süddeutschlands etwa überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung. Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige vom Krieg betroffene Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich von deren Folgen zu erholen.

Der 1648 geschlossene Westfälische Frieden war ein Kompromiss zwischen allen beteiligten Parteien, der möglich wurde, weil durch die totale Erschöpfung der Ressourcen und die allgemeine Kriegsmüdigkeit keine Seite durch die Fortführung des Krieges etwas gewinnen konnte. Das umfangreiche Regelwerk umfasst neben einem revidierten Religionsfrieden auch weitgehende Regelungen der Verfassungsverhältnisse des Reiches, die auf einen Ausgleich zwischen Kaiser und Reichsständen bedacht sind. Damit wurde der Friedensvertrag neben der Goldenen Bulle zum wichtigsten Dokument der Reichsverfassung.

Insgesamt gesehen lässt das Buch zur Vorgeschichte, der Chronologie und den Folgen keine Wünsche offen. Hervorzuheben sind die Angaben im Anhang über Karten und Schlachtenpläne, das Personenregister und das umfassende Literaturverzeichnis. Das Buch ist sicherlich neben dem Werk von Herfried Münkler ein neues Standardwerk über den Dreißigjährigen Krieg und seine Folgen.

Schuhmacher, D.: Saudi-Arabien, Olms Verlag, Hildesheim 2017, ISBN: 978-3-487-08601-9

Die Autorin will in diesem Buch zeigen, dass es in Saudi-Arabien „eine ganz andere Welt“ gebe, „als die, die in den westlichen Medien vermittelt wird.“ (S. 7) Sie beruft sich dabei auf ihre persönlichen Erfahrungen und vor allem das Reformprogramm „Vision 2030“ des jungen Kronprinzen Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al-Saud. Zentraler Punkt dieses Reformprogramms in der Geschichte des 1932 gegründeten Königreichs ist, die Abhängigkeit vom Erdöl zu beenden. So soll der Anteil von Öl und Gas am Bruttoinlandsprodukt Saudi-Arabiens von heute 47 Prozent auf 11 Prozent im Jahr 2030 gesenkt werden. Mit Investitionen von 109 Milliarden Dollar will Saudi-Arabien Weltmarktführer bei Photovoltaik werden; mindestens ein Viertel der Elektrizität soll aus Sonnenenergie gewonnen werden. Teil des Plans ist, den Anteil der Frauen an der Erwerbsbevölkerung erheblich zu erhöhen.

Dabei stehen Kultur, Kunst, Frauen, das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben und Landeskunde im Mittelpunkt, um das Land aus einem facettenreicheren Blickwinkel zu beschreiben. Sie präsentiert die verschiedenen Provinzen Saudi-Arabiens mit ihren kulturellen Schätzen und religiösen Heiligtümern, was ihr auch eindrucksvoll gelingt.

Dabei trifft sie aber nicht die bittere Realität vieler dort lebender Menschen. Wenn man rechtliche und geistige Maßstäbe der westlichen kapitalistischen Demokratien ansetzt, ist Saudi-Arabien alles andere als ein gelobtes Land.

Im Jahresbericht Saudi-Arabien 2017 von Amnesty International steht folgendes: „Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2016 weiterhin empfindlich ein. Regierungskritiker, Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, wurden aufgrund vage formulierter Anklagen festgenommen und inhaftiert. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren nach wie vor an der Tagesordnung, insbesondere bei Verhören. Gerichte ließen noch immer "Geständnisse" als Beweismittel zu, die unter Folter erpresst worden waren, und verurteilten Angeklagte in unfairen Prozessen. Frauen wurden durch Gesetze und im Alltag diskriminiert und waren nicht ausreichend gegen sexualisierte Gewalt und andere Gewalttaten geschützt.“

Reporter ohne Grenzen schreibt unter anderem über die Pressefreiheit des Landes: „Das Königreich betrachtet Medien als Propaganda- und Erziehungsinstrument; Zensur ist in Saudi-Arabien alltäglich. Verboten sind etwa Kritik an Religionsführern und ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren. Lange Haftstrafen, Veröffentlichungs- und Reiseverbote sind häufig. Bestraft werden beispielsweise Berichte über die Proteste der schiitischen Minderheit oder Kritik an der Diskriminierung von Frauen. Bei Gotteslästerung – die sehr weit ausgelegt wird – droht die Todesstrafe. Rund 400.000 Internetseiten sind gesperrt.“

Die Organisation Human Rights (Schweiz) sieht die politische und rechtliche Lage in Saudi-Arabien als desaströs ein: „Das Königreich Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie und richtet sein Rechtssystem auf der Grundlage der Scharia aus. Gewaltlose politische Oppositionelle werden oftmals ohne Anklage und Gerichtsverfahren inhaftiert; bei Männern wird die Prügelstrafe angewendet und die Todesstrafe gilt noch immer. Die Gefängnisse sind überfüllt und Berichte von Folter und Misshandlungen häufig.Geständnisse, die unter Folter erpresst wurden, werden weiterhin zugelassen. Die Polizei löst friedliche Demonstrationen gewaltsam auf, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist stark eingeschränkt, das Internet untersteht staatlicher Kontrolle. Menschenrechtsverteidiger/-innen werden willkürlich inhaftiert und schikaniert. In Saudi-Arabien gelten Gesetze, die Kritik an der Regierung und andere friedliche Protestaktionen faktisch mit Terrorismus gleichsetzen. Es existieren kaum politische Rechte und gesetzliche Möglichkeiten, das Regime zu ändern. Die Regierung handelt intransparent und ist durchzogen von Korruption. Seit 2016 ist das Land zunehmend mit wirtschaftlichen Problemen konfrontiert, welche sich zusätzlich negativ auf die Menschenrechte auswirken. Die Rechte von Frauen, Kindern und Personen ohne Staatsbürgerschaft sind stark eingeschränkt. Frauen unterliegen per Gesetz einer männlichen Vormundschaft und dürfen ohne seine Erlaubnis nicht reisen, einen Pass besitzen oder sich gewissen medizinischen Behandlungen unterziehen. Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel gehören zu den vordinglichsten Problemen. Über 9 Millionen Gastarbeiter/innen sind im Niedriglohnsektor unter prekären Arbeitsbedingungen angestellt. Ihre Aufenthaltsbewilligung ist an den Arbeitgeber geknüpft und Fälle von Zwangsarbeit sind bekannt. Aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation sind zudem tausende Arbeitsmigranten/-innen entlassen und sich selbst überlassen worden. Diskriminierung aufgrund der Herkunft, des Geschlechts oder der Religion stehen auf der Tagesordnung. Die schiitische Minderheit leidet unter massiven Schikanen und Unterdrückung. Seit 2015 beteiligt sich das Land an einem Militäreinsatz im Jemen, bei dem es zu schweren Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht kam, darunter auch Kriegsverbrechen. Der Krieg im Jemen und die Hinrichtung eines prominenten schiitischen Geistlichen Anfangs 2016 haben den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten neu angeheizt und heftige Proteste ausgelöst.“

Diese Liste der Kritik an den Zuständen lässt sich beliebig erweitern. Scharfe internationale Kritik und die Unterstützung von wenigstens halbwegs demokratischen und fortschrittlichen Strömungen des Landes ist nötig, um dort menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Waffenlieferungen an die autokratische Regierung müssen sofort unterbunden werden. Saudi-Arabiens zarte Pflanze der Liberalisierung des Landes weckt Hoffnung, aber was allein zählt sind Taten und keine Ankündigungen. Daher ist das Buch zu unkritisch geschrieben und verschleiert damit die humanitäre Lage vieler Menschen in einer absoluten Monarchie.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 978-3-426-21401-5 .