e-Portfolio von Michael Lausberg
Besucherzäler

= Wissenschaft =

Rowohlt Verlag, Hamburg 2017, ISBN: 978-3-7774-2942-7

Wissenschaft

Im Folgenden werden aktuelle deutschsprachige Bücher, die sich im Allgemeinen mit dem Thema Wissenschaft befassen, besprochen. Hier werden die verschiedensten Zweige der Wissenschaft behandelt.

Roland Krischel (Hrsg.) unter Mitarbeit vom Michel Hochmann und Cécile Maisonneuve: Tintoretto. A Star was born, Hirmer Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-7774-2942-7

Tintoretto (eigentlich Jacopo Robusti 1518/19-1594) gilt neben Tizian (um 1488–1576) und Veronese (1528–1588) als einer der Hauptvertreter der venezianischen Malerei des italienischen Cinquecento im 16. Jahrhunderts. Getreu seinem Wahlspruch „von Michelangelo die Zeichnung, von Tizian die Farbe“ entwickelt er seinen eigenen Stil, wobei er versucht, die Vorzüge der venezianischen Schule mit florentinischen Stilmerkmalen zu verbinden.

Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung „Tintoretto. A Star was born“, die vom 6.10.2017-28.1.2018 im Kölner Wallraf-Richartz-Museum und vom 6.3.2018-1.7.2018 im Musée de Luxembourg in Paris zu sehen ist.

Dort geht es vor allem um die Auseinandersetzungen mit Tintorettos Frühwerk (1537-1555), seine künstlerischen Einflüsse und sein biographischer Werdegang. Je nach Auslegung historischer Dokumente nähert sich bald der 500te Geburtstag Tintorettos. Deshalb widmete Köln ihm eine Ausstellung über seine frühere Schaffensperiode, die sich durch „seinen teils noch suchenden Charakter, seine Experimentierfreude und thematische Vielfalt“ (S. 8) auszeichnet.

Sieben Essays, die sich mit einzelnen Phasen des jungen Tintoretto, seine Beziehung zum Manierismus und die Rahmenbedingungen in Venedig Mitte des 16. Jahrhunderts beschäftigen, bringen ein tieferes Verständnis des jungen Künstlers zu Tage und auch einige neue Forschungsergebnisse. Die Abbildung seiner Werke sind in verschiedene Unterthemen (ins Auge springen, Schönheit und Schrecken, Kulissenzauber, die dritte Dimension, Tintoretto und sein Double, blickende Bilder, Femmes Fatales) unterteilt. Im Anhang befindet sich eine umfassende Übersicht der Literatur zu Tintoretto, seinem Werk und der Epoche seines Schaffens.

Dem selbst gestellten Anspruch, das neue Standardwerk für die Frühphase des jungen Tintoretto im deutschsprachigen Raum zu sein, wird das Buch zum großen Teil gerecht. Tintorettos thematische Vielfalt und die Einflüsse seiner Malerei werden sehr gut herausgearbeitet und präsentiert. Ob nun Tintoretto ein Star im postmodernen Sinne war, erscheint etwas weit hergeholt. Das Werk macht auf jeden Fall Appetit auf den Besuch der Ausstellung, um die Frühphase des jungen Künstlers mit eigenen Augen und Sinnen zu erleben.

Tom Cabot: So tickt die Wissenschaft. Weltwissen in Grafiken und Zahlen, Frederking & Thaler, München 2017, ISBN: 978-3-95416-206-2

Das Wort Wissenschaft im Titel ist verwirrend: Hier wird Wissenschaft als Naturwissenschaft verstanden, verschiedene Bereiche wie Neurowissenschaft, Astronomie, Biologie und Geologie werden in farbigen Infographiken dargestellt. Vom Urknall bis zur künstlichen Intelligenz wird die Entwicklung der Grundlagen unseres heutigen Denkens vermittelt: „Im Zeitraum von 5000 Jahren, streng genommen vor allem in den vergangenen 200 Jahren, haben die Menschen nicht nur Mittel gefunden, um das gesamte erkennbare Universum und seine Geschichte begrifflich zu erfassen. Sie begannen auch, das daraus resultierende Modell dazu zu verwenden, sich das gesamte irdische System zu unterwerfen und – wie es aussieht- unwiderruflich zu verändern.“ (S. 15) Die Entstehung der Natur und des Lebens, physische und chemische Prozesse nehmen einen Schwerpunkt des Buches ein.

Die hier dargelegten komplexen Grundlagen der Geschichte der Wissenschaft werden in vier verschiedene Kategorien (das Universum, die Erde, das Leben, der Mensch) mit einzelnen Unterpunkten unterteilt. Mit etwas erläuternden Text, Graphiken und Zahlen geht der Leser auf eine Entdeckungsreise der Wissenschaft, die spannend dargestellt ist.

Das Buch eignet sich für Leser, die Interesse an naturwissenschaftlichen Prozessen und ein wenig Vorwissen mitbringen. Wissenschaft wird hier verständlich dargestellt und grundlegende Fragen der Menschheit und der Erde dem Leser nähergebracht. Was das Buch besonders macht, sind die graphischen Darstellungen der einzelnen Themen, wo zum Teil atemberaubende Bilder zu bestaunen sind. Das Buch hat ein hohes Anspruchsniveau, ist aber nicht in der üblichen Wissenschaftssprache geschrieben, sondern für jeden verständlich dargestellt.

Hanns Jürgen Küsters (Hrsg.): Konrad Adenauer – Der Vater, die Macht und das Erbe. Das Tagebuch des Monsignore Paul Adenauer 1961-1966, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2017, ISBN: 978-3-506-78673-9

2015 ist durch Zufall eine neue Quelle mit persönlichen Informationen in die Person Konrad Adenauers in seinen letzten Amtsjahren als Bundeskanzler aufgetaucht. Das Tagebuch seines Sohnes Paul über die Zeit zwischen 1961-1966 im Haus Adenauer wurde gefunden und nun nach wissenschaftlicher Auswertung von Hanns Jürgen Küsters, Mitglied des Beirats der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus und Professor für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Bonn, herausgegeben. Es gibt einen intimen Einblick über die späte Zeit der Kanzlerschaft Konrad Adenauers, die von Fehlschlägen, gesundheitlicher Überanstrengung und seine Sorge um sein politisches Erbe geprägt war. Adenauer, der erst mit 73 Jahren Kanzler wurde, blieb 14 Jahre im Amt und hatte damit nach Helmut Kohl die zweitlängste Amtszeit aller deutschen Bundeskanzler.

In einer Einführung wird auf die näheren Umstände des Fundes und den weiteren Weg bis hin zur Veröffentlichung eingegangen. Dann beschreibt Küsters die Verbindung von Paul und Konrad Adenauer in einem langen Essay, bevor dann das Tagebuch mit Querverweisen abgedruckt wird. Im Anhang findet sich neben einem umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis ein Sach- und Personenregister.

Paul Adenauer beschreibt darin „die bitterste Phase der Kanzlerschaft seines Vaters“ geprägt vom Kampf um seine Nachfolge und sein politisches Erbe. (S. 10)

Adenauer bemühte sich nach Kräften, Erhard als seinen Nachfolger zu verhindern. Seiner Meinung nach hatte Erhard nicht genug Führungsqualitäten, außerdem hatte er keine Hausmacht in der CDU. Später als Kanzler versuchte Erhard mit Appellen direkt an das Volk zu regieren, ohne auf vermittelnde und interessengeleitete Akteure wie Parteien oder Verbände Rücksicht nehmen zu wollen. Sein Führungsstil war an den Idealen der Aufklärung orientiert, setzte auf die rationale Einsichtskraft des Bürgers zu vernünftigen Entscheidungen und hatte wenig Sinn für das politische Tagesgeschäft und den dauernden Zwang zu Kompromissen. In der pluralistischen Demokratie rieb er sich innerhalb weniger Jahre auf, ohne als Kanzler sonderliche Erfolge zu erzielen. Adenauer unternahm aber nichts, einen besseren Kandidaten aufzubauen. Die zwischenzeitlichen Favoriten Adenauers, die Bundesminister Franz Etzel, Heinrich Krone und Gerhard Schröder, bekamen nie genug Unterstützung von ihm, als dass sie wirklich ernsthafte Herausforderer des populären Erhard hätten werden können.

Nach der darauf folgenden Wahl im September 1961, als die Unionsparteien die absolute Mehrheit verloren, gelang es ihm, gegen den Willen der FDP sowie Teilen der CDU/CSU nochmals zum Kanzler gewählt zu werden. Dafür versprach er, rechtzeitig vor der nächsten Wahl zurückzutreten, um einem Nachfolger Platz zu machen – einen verbindlichen Termin zu nennen weigerte er sich. Die Spiegel-Affäre brachte ihn schließlich dazu, sich auf den Herbst 1963 festzulegen. Adenauers Verabschiedung durch die Bundeswehr fand am 12. Oktober 1963 auf dem Fliegerhorst Wunstorf statt.

Seine letzten Jahre als Kanzler wurden durch seinen hartnäckigen Kampf, so lange wie möglich im Amt zu bleiben, und durch den – vergeblichen – Versuch, die Wahl Ludwig Erhards als Nachfolger zu verhindern, überschattet. In dieser Zeit passierten Fehlschläge, die beim größten Teil der Deutschen auf Unverständnis und Kritik stießen. Sein Versuch, ein vom Bund kontrolliertes Deutschland-Fernsehen als Konkurrenz zu der von den Ländern kontrollierten ARD aufzubauen, scheiterte am 1. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das ZDF hatte nur wenig mit Adenauers ursprünglichen Plänen zu tun. Als er nach dem Bau der Berliner Mauer zwei Wochen abwartete, bevor er nach Berlin reiste, erntete er Unverständnis, ebenso mit seiner deutlichen Kritik am damaligen Berliner Bürgermeister Willy Brandt. Die Spiegel-Affäre am Ende seiner Kanzlerschaft erregte öffentliches Aufsehen.

Wie Adenauer mit diesen schweren letzten Jahren im Amt umging und die Zeit danach erlebte, wie er fühlte und dachte, wird anhand von diesem Tagebuch seines Sohnes deutlich. Es ist eine wichtige Chronik der frühen Bundesrepublik, mag man über Adenauer und seine Politik denken, was man will. An diesem intimen Dokument kann kein Forscher über die frühe Bundesrepublik vorbei, ist aber auch für politisch Interessierte interessant, die sich über die Person Konrad Adenauer informieren wollen.

Das lange 19. Jahrhundert und die Durchsetzung des Kapitalismus

Zwei einschneidende Ereignisse, die Französische Revolution 1789 und der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 umrahmen „das lange 19 Jahrhundert“, wie es der Universalhistoriker nennt. Nun erscheint erstmals die Hobsbawm-Trilogie diesen Themenkomplex in einer Gesamtausgabe.

Eric Hobsbawm (1917-2012) war ein weltweit angesehener britischer Historiker mit sozial- und wirtschaftshistorischen Schwerpunkten. Der marxistisch orientierte Intellektuelle machte sich durch seine Werke über die Geschichte der Arbeiterbewegung verdient. Sein eigenes Engagement in der Kommunistischen Partei führte er auch nach den Enthüllungen stalinistischer Verbrechen 1956 oder dem sowjetischen Einmarsch in der ČSSR 1968 fort. Er vertrat eher einen eurokommunistischen Kurs und engagierte sich in verschiedenen Zeitschriften und anderen Projekten.

Unter dem langen 19. Jahrhundert versteht man nach Eric Hobsbawm die Phase von 1789 bis 1914. In der Französischen Revolution hatte das Bürgertum die Monarchie gestürzt und die Vorherrschaft des Adels durchbrochen. Das Ende des langen 19. Jahrhunderts ergibt sich durch die politischen Umbrüche im Gefolge des Ersten Weltkriegs, die sich in einer Demokratisierung und Mitbestimmung niederschlugen. Das 19. Jahrhundert wurde geprägt von der Industrialisierung, des demografischen Wandels (Auswanderung, Binnenwanderung und Verstädterung sind Massenphänomene), der Durchsetzung des nationalstaatlichen Prinzips sowie der Verbürgerlichung der Gesellschaft. An Wissenschaft und Bildung konnten breitere Schichten, vor allem Frauen, partizipieren.

In diesem Zusammenhang wird das 20. Jahrhunderts als „kurz“ charakterisiert. Die Zeit bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 den Voraussetzungen des 19. Jahrhundert sehr ähnlich war. Die zentralen Ereignisse während des Krieges (russische Revolution 1917) oder nach dessen Ende (Revolutionen in Deutschland und Österreich 1918) brachten eine neue Gesellschafts- und Weltordnung hervor. Die Befreiung von der Monarchie in mehreren europäischen Ländern hatte eine politische Neuordnung von Teilen Mittel- und Osteuropas und des Balkans zur Folge.

Das 19. Jahrhundert kann mit Recht den Charakter einer eigenen Epoche beanspruchen. Innerhalb dieser Zeit konnten sich die Industrialisierung und die kapitalistische Wirtschaftsform vor allem in Europa und Nordamerika durchsetzen. Der Imperialismus und die Kolonisierung mit all ihren Massenmorden zeigte die direkte und indirekte Dominanz Europas in der Welt auf. Innerhalb der sich industrialisierenden Gesellschaften veränderten sich die Lebensweisen teilweise dramatisch. Der soziale Wandel zerstörte hergebrachte Verhaltens- und Denkweisen. Arbeitslosigkeit führte zur Landflucht, so dass die Städte wuchsen. Dies aber nicht nur in quantitativer Hinsicht, sondern mit der Urbanisierung begann sich eine spezifisch neuzeitliche städtische Lebensweise durchzusetzen.

Was bei ihm etwas in den Hintergrund tritt, ist die Ausbreitung des Rassismus im 19. Jahrhundert in Wort und Tat als Grundbestandteil des Imperialismus, bevor er im 20. Jahrhundert zum singulären Menschheitsverbrechen der Geschichte, dem Holocaust, führte. Hobsbawms herausragendes Werk ist aufgrund der Verbindung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik im globalen Zusammenhang eine der besten Darstellungen des 19. Jahrhunderts. Seine tiefgreifende Analyse des Ausbruchs des Kapitalismus und seine Folgen sind viel mehr wert als viele vom Spezialistentum geprägte Monographien. Sonst unzusammenhängend dargestellte Bereiche wie Kultur, Kunst oder Demographie werden in ein Gesamtkunstwerk integriert, das sehr lesenswert ist.

Eric Hobsbawn: Das lange 19. Jahrhundert. Mit einem Vorwort von Sir Richard J. Evans. Band 1: Europäische Revolutionen, 1749-1848; Band 2: Die Blütezeit des Kapitals, 1848-1875; Band 3. Das imperiale Zeitalter, 1875-1914, Darmstadt 2017, WBG, ISBN: 9783806236415

Sarah Perry: Die Schlange von Essex. Roman. Übersetzung aus dem Englischen von Eva Bonné, München 2017, Eichborn Verlag, ISBN: 978-3-8479-0030-6, 24 Euro

Die Autorin Sarah Perry wurde 1979 in Essex geboren und macht diesen Ort auch zum Mittelpunkt ihres Romans, der 2017 den britischen Buchpreis in der Kategorie Roman gewann und nun ins Deutsche übersetzt wurde.

Die Autorin möchte das viktorianische England anders interpretieren, als eine enge, spießige formelle Gesellschaftsordnung und den entsprechenden Charakteren. Hier kommen eigenwillige Charaktere vor mit allen ihren Fehlern, Schwächen und Gefühlen. Ihre Eigenwilligkeit wird liebenswert präsentiert, so dass sich der Leser sehr gut damit identifizieren kann.

Die Hauptfigur ist Cora Seaborne, die nach dem Tod ihres Mannes, zusammen mit ihrem Sohn Francis 1893in den Küstenort Aldwinter zieht. Sie kann sich nach ihrer einengenden Ehe endlich wieder selbst verwirklichen und stellt eine Frau nach der Suche ihrer eigenen Identität dar. Mit ihrem großen Herrenmantel begibt sie sich auf die Spuren Charles Darwins und auf der Suche nach der Schlange von Essex.

Dort lernt sie den Pfarrer William Ransome kennen: Die Unterschiedlichkeit der beiden Charaktere sorgt für eine seltsame Verbundenheit und innige Vertrautheit, so dass man die inneren Sehnsüchte, Wünsche und Fragen der beiden mitbekommt. Weltanschauliche Fragen wie nach Gott und der Wissenschaft werden durch den Mund der beiden diskutiert.

Als am Neujahrsfeld ein Ertrunkener gefunden wurde, kommen der Mythos der Schlange und ihre magischen Verdrehungen wieder zum Vorschein.

Die Schlange, die zuletzt die Ortschaft mit ihren ledrigen Flügeln und schnappenden Schnäbeln 1669 terrorisiert hat, kommt zurück. Die Bewohner reagieren hysterisch, Hufeisen werden in den Zweigen eines Baumes aufgehängt und das rationale Denken tritt zurück. Die Schlange taucht immer wieder als Legende auf und für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht wird.

Die Aufmachung des Buches mit einer expressionistischen Schlange sorgt schon für Neugier. Die Lektüre ist auch kurzweilig, die Geschehnisse werden aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Die Schlange als Mythos einer abergläubischen Dorfbevölkerung sorgt für Spannung, aber der eigentliche Mittelpunkt sind die vorgestellten Charaktere, Antihelden mit großem Charme.

Herfried Münkler: Der Dreissigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618-1648, Rowohlt, Berlin 2017, ISBN: 978-3-87134-813-6

Herfried Münkler ist Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin und lehrt dort als Schwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte. Neben seinen Arbeiten über Machiavelli gelten die Werke Die neuen Kriege (2002) und Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten (2005) als herausragende Standardwerke.

Nun legt er zum 400ten Jahrestag des Ausbruchs des 30jährigen Krieges ein sehr umfangreiches Werk über den Krieg, die Folgen und die heutige Aktualität vor. Dieser erste europäischen Krieg, der zum großen Teil auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ausgetragen wurde, war lange Zeit „das große Trauma der Deutschen“, bis es von den beiden Weltkriegen abgelöst wurde. (S. 11)

Er beschreibt die Hintergründe des Ausbruchs des Krieges und seinen Auslöser: den Prager Fenstersturz: In Böhmen eskalieren diese Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und den katholischen Machthabern im Frühjahr 1618. Böhmen ist zu 90 Prozent protestantisch und der Adel will die ungeliebte katholische Herrschaft sowieso loswerden. Als dann die habsburgische Landesherrschaft die Religionsfreiheit der Protestanten, die im sogenannten Majestätsbrief zugesichert ist, rückgängig macht, ist das der Funkenschlag, der den Krieg auslöst. Die Adligen demütigen den böhmischen König Ferdinand II., der gleichzeitig habsburgischer Kaiser ist, indem sie seine Statthalter samt Sekretär aus dem Fenster werfen.

Dann geht er auf die zunehmende Europäisierung des Krieges und deren Verlauf ein, in dem sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits entluden. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre dynastischen Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus.

Die Folgen für die Bevölkerung des Gebietes des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren verheerend. Die Kriegshandlungen selbst, aber auch die durch sie verursachten Hungersnöte und Seuchen verwüsteten und entvölkerten ganze Landstriche. In Teilen Süddeutschlands etwa überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung. Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige vom Krieg betroffene Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich von deren Folgen zu erholen.

Der 1648 geschlossene Westfälische Frieden war ein Kompromiss zwischen allen beteiligten Parteien, der möglich wurde, weil durch die totale Erschöpfung der Ressourcen und die allgemeine Kriegsmüdigkeit keine Seite durch die Fortführung des Krieges etwas gewinnen konnte. Das umfangreiche Regelwerk umfasst neben einem revidierten Religionsfrieden auch weitgehende Regelungen der Verfassungsverhältnisse des Reiches, die auf einen Ausgleich zwischen Kaiser und Reichsständen bedacht sind. Damit wurde der Friedensvertrag neben der Goldenen Bulle zum wichtigsten Dokument der Reichsverfassung. Viele der in ihm festgelegten politischen Kompromisse wirken noch bis in die Gegenwart fort. In der Forschung wird der Westfälische Friede als historischer Beitrag zu einer europäischen Friedensordnung gleichberechtigter Staaten und als Beitrag zum friedlichen Miteinander der Konfessionen gewertet.

Im Schlusskapitel wird die Frage behandelt, ob und inwiefern „wir aus der Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg lernen können, um die politischen Herausforderungen unserer Gegenwart besser zu bewältigen.“ (S. 37) Die erfolgte analytische Beschreibung gilt für Münkler als „ferner Spiegel“ (S. 820) für die Klärung gegenwärtiger und zukünftiger kriegerischer Herausforderungen. Er greift dabei auf Methoden der jüngeren Kriegsursachenforschung zurück, die eine politikwissenschaftliche Analogiebildung zwischen historischen und gegenwärtigen Kriegen herstellen will. So sieht er Kriege im Vorderen Orient und in Nordafrika als „neuen Dreißigjährigen Krieg“ an.

Diese Methode ist sehr umstritten, da sich in den 500 Jahren logischerweise nicht nur die Kommunikationsmittel innerhalb eines Krieges, sondern auch die Waffen, Bedrohungsszenarien, Interventionsmöglichkeiten einer unabhängigen Institution usw. verändert haben. Eine weltweite operierende Friedensbewegung wie heute gab es nicht. Einzelne Analogiemerkmale gibt es immer, aber daraus gesichertes Wissen für die Gegenwart und Zukunft abzuleiten, ist zu weit hergeholt. Das einzige, was man aus der Geschichte der Kriege lernen kann, ist: Nie wieder!

Wenn man also diesen Versuch der Analogie außen vor lässt, ist das Buch auf höchsten wissenschaftlichen Niveau geschrieben, wenngleich die Vorgeschichte noch etwas ausführlicher darstellen könnte und stattdessen einige Exkurse im Verlaufe des Krieges hätte weglassen können. Das Buch Münklers wird sicherlich das neue Standardwerk zum 30jährigen Krieg werden.

Schröter, J./Jacobi, C. (Hrsg.): Jesus Handbuch, Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN: 978-3-16-153853-7, 49,90 Euro

Das Jesus Handbuch befasst sich mit den Deutungen der Person Jesu in der Geschichte des Christentums von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. In dem Handbuch behandeln internationale Wissenschaftler und Theologen das Themenfeld aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Es gibt nicht den Königsweg zur endgültigen Beurteilung des Wirkens Jesu, verschiedene Interpretationen stehen dabei ohne Wertung nebeneinander. Es bietet also einen Einblick „in die aktuellen Entwicklungen und Ergebnisse der Jesusforschung und ordnet diese zugleich in ein geschichtshermeneutisches reflektiertes Paradigma der Beschäftigung mit der Person Jesu ein.“ (S. VI).

Nach einer Einleitung der beiden Herausgeber folgen im ersten Hauptkapitel verschiedene Abhandlungen der historisch-kritischen Jesusforschung. Dann geht es um die Auswertung des historischen Materials (literarische Zeugnisse, archäologische, numismatische Quellen). Dann kommt es im nächsten Kapitel zu Traktaten zum Leben und Wirken (Handeln, Reden, Lehren, Ethos). Im abschließenden Kapitel werden die frühen Spuren von Wirkungen und Rezeptionen Jesu vorgestellt. Im Register werden antike Personen und Orte, die eventuell unbekannt sind, näher präsentiert.

Die Gestaltung des Umschlags ist leider schlicht und farblos, dieses Buch hätte einen professionelleren lebendigeren Blickfang verdient. Dieses Buch bietet wissenschaftlich gesicherte Deutungsversuche des Lebens und Wirkens Jesu auf dem Niveau des aktuellsten internationalen Forschungsstandes. Vor allem das mehr als 50seitige Literaturverzeichnis zeigt dies nachdrücklich. Die vielfältigen Zugänge sind kein Nachteil, es macht dieses komplexe Unternehmen eher spannend zu lesen. Viele interessante Deutungsversuche können zum Teil miteinander verglichen werden, der Leser wird dabei zum eigenständigen Denken angeregt. Der stolze Preis lohnt sich allerdings: Experten bieten Wissenschaft auf hohem Niveau, die nicht langweilig dargestellt wird.

Andreas Ruß: Arzneimittel pocket 2018, Björn Bruckmeier Verlag, Grünwald 2017, 23. Auflage, ISBN: 978-3-89862-788-7

Der inzwischen in der 23. Auflage erscheinende Arzneimittel pocket wurde wieder aktualisiert und überarbeitet. Er enthält die wichtigsten neu zugelassenen Wirkstoffe mit den Handelsnamen. Das Tabellenformat des Arzneimittel pocket liefert den Lesern wichtige Informationen für die individuelle Pharmakotherapie. Er enthält aktuelle Hinweise mit über 1.400 Wirkstoffen mit über 3.700 Handelsnamen.

Angefangen über Notfallmedikamente werden die verschiedenen medizinischen Wissenschaftsbereiche vorgestellt. Außerdem gibt es einen lexikalischen Index mit Wirkstoffangaben zu allen Handelsnamen. Markiert sind dopingrelevante Arzneimittel und für ältere Menschen potentiell inadäquate Medikamente. Die speziell für Ärzte oder medizinisches Assistenzpersonal zusammengestellte Liste der Neuzulassungen 2016/2017 ist dabei vom besonderen Interesse. Im Anhang gibt es noch wichtige Zusatzinformationen zur Betäubungsmittelverordnung, eine Liste der von der WADA verbotenen Wirkstoffe für Dopingvergehen, Internetlinks zur Arzneimitteltherapie oder eine alphabetische Liste, um dort schnell das Gesuchte nachschlagen zu können. Dies ist auch als iOS- und Android-App erhältlich.

Dieser aktualisierte Arzneimittel pocket ist besonders für Ärzte in Klinik und Praxis, medizinisches Assistenzpersonal in Krankenhäusern sowie Medizinstudenten oder verwandte Berufsgruppen in der klinisch-praktischen Medizin. Der verantwortungsvolle Umgang von Medikamenten wird durch den Pocketguide noch weiter verbessert. Für Leute, die schnell im Arbeitsalltag eine bestimmte Sorte von Medikamenten oder Wirkstoffe nachschlagen müssen, ist er bestens geeignet. Das gut zum Mitnehmen geeignete Buch ist sehr umfangreich, detailliert und liefert präzise schnelle Informationen zu allen wünschenswerten Themen. Das Buch ist vor allem für den täglichen Gebrauch zu empfehlen.

David Eagleman: The Brain. Die Geschichte von Dir, Pantheon, München 2017, ISBN: 978-3-570-55288-9

Das Forschungsfeld der Neurowissenschaften ist die Rolle von Nervensystemen jeder Art beim gesamten Vollzug der Lebens¬vorgänge von biologischen Organismen. Im Einzelnen geht es in den Neurowissenschaften um die Analyse von Aufbau und Funktionsweise der zentralen Einheiten aller Nervensysteme, den Neuronen und anderen Zelltypen wie insbesondere Gliazellen. Untersucht werden die Eigenheiten und die Auswirkungen der Vernetzung dieser Zellen zu neuronalen Netzwerken in komplexen Nervensystemen. Forschungsrichtungen der Neurowissenschaften, die sich hauptsächlich mit der Untersuchung von Aufbau und Leistungen des Gehirns von Primaten (d. h. Menschen und Menschenaffen) befassen, werden in der Umgangssprache oftmals unter der Bezeichnung Hirn- oder Gehirnforschung zusammengefasst.

In diesem Buch werden die Ergebnisse der Neurowissenschaft ganz konkret auf den Menschen übertragen. Es befasst sich mit dem Zusammenhang von dem menschlichen Bewusstsein und dem Gehirn. Das Buch soll helfen, unser Denken und Fühlen besser zu verstehen und zu deuten. David Eagleman ist einer der angesehensten und bekanntesten Hirnforscher unserer Zeit und forscht insbesondere über die Sphären der menschlichen Wahrnehmung. Dieses Buch „setzt keine Vorkenntnisse voraus-nur Neugierde und die Lust an der Selbsterforschung.“ (S. 8)

Im Buch werden die Funktionen des Gehirns erklärt und die sechs Kapitel bauen aufeinander auf. Es werden nicht nur die Funktionen des Gehirns für den einzelnen Menschen erklärt, sondern auch Beziehungen der Menschen untereinander auf neurologischer Ebene. Für jedes Kapitel gibt es im Anhang eine Literaturliste und ein Glossar mit den verwendeten Fachbegriffen. Weiterhin gibt es kurze Informationsseiten, die verschiedenen Themen nochmals kurz zusammen.

David Eagleman unternimmt den Versuch, das komplexe wissenschaftliche Themengebiet der Neurowissenschaft für jeden verständlich aufzubereiten und für das Thema Gehirnforschung und Bewusstsein des Menschen zu interessieren. Dies ist ihm auch gelungen. Ohne Vorkenntnisse kann jeder Interessierte sich und die Funktionsweise des Gehirns entdecken. Dies ist kein wissenschaftliches Fachbuch, sondern eher ein populärwissenschaftlicher Einführungsband mit einer flüssigen und verständlichen Sprache, so dass es für den normalen Leser zu empfehlen ist.

Mary Beard: SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms, S. Fischer Verlag, 2. Auflage, Frankfurt/Main 2016, ISBN: 978-3-10-002230-1

Mary Beard zählt zu den Althistorikerinnen, die eine alternative Sichtweise auf die Antike in der Öffentlichkeit vertritt und widerspricht dem Vorurteil einer Spezies von trockenen und realitätsfremden Altertumswissenschaftlern. Mary Beard arbeitet zu verschiedenen Aspekten der antiken römischen, aber auch griechischen Geschichte und Kultur wie Sozialgeschichte, Religion, Sexualität und Gender und auch zur Kunst- und Literaturgeschichte sowie zur Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Dabei berücksichtigt sie auch Hilfs- und Randdisziplinen wie die Epigraphik und die Museumsgeschichte. Sie bemerkt: „Allerdings bin ich zunehmend davon überzeugt, dass wir eine Menge – über uns wie auch über der Vergangenheit – lernen können, indem wir uns mit der Geschichte der Römer, ihrer Poesie und Prosa, ihren Kontroversen und Argumenten auseinandersetzen.“ (S. 573) Die Geschichte Roms zu schildern, sei eine große Herausforderung: „Mein Hauptaugenmerk wird sich auf die Stadt Rom und das Italien der Römerzeit richten, ich werde mich aber auch bemühen, Rom von außen zu betrachten, also aus Sicht derjenigen, die als Soldaten, Rebellen oder ehrgeizige Kollaborateure in den weiter entfernten Regionen des Römischen Reiches lebten. (…) Das antike Rom vom 21. Jahrhundert aus zu erforschen, hat etwas von einem Seiltanz, von einem äußerst heiklen Balanceakt.“ (S. 19) Die Geschichte des alten Roms ist auch unsere Geschichte, sie sind die Wurzeln der heutigen westlicher Kultur. Sie zu ignorieren, wäre fatal, zum Beispiel ist die heutige politische Geographie aus der Raumordnung des antiken Roms hervorgegangen.

Mary Beard schafft, es mit außergewöhnlichen und aktuellen Zugängen zur Antike eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft zu schlagen. Ihr Konzept, Antike als unterhaltsames und spannendes Sujet für die heutige Zeit zu inszenieren, ist ungewöhnlich für die konservative Zunft der Althistoriker. So ist dieses Buch kein trockenes wissenschaftliches Sujet, sondern eine spannende Erlebniswelt des alten Roms, aus heutiger Zeit gesehen.

Zoë Lescaze, Walton Ford; Paläo-Art: Darstellungen der Urgeschichte, Hardcover mit 4 Ausklappseiten, 28 x 37,4 cm, Taschen Verlag 2017, 292 Seiten, ISBN 978-3-8365-6584-4

Paläo-Art ist jede originale künstlerische Arbeit, die den Versuch startet, das prähistorische Leben nach dem gegenwärtigen Wissen und der wissenschaftlichen Beweise im Augenblick der Erstellung des Kunstwerkes zu rekonstruieren oder darzustellen. Dies können sowohl Darstellungen von fossilen Überresten oder Darstellungen der Lebewesen oder ihrer Ökosysteme sein. Diese Art von Kunst ist häufig „in Naturkundemuseen und Universitäten zu finden und begegnet uns dort in riesigen Wandbildern in mit Fossilien gefüllten Hallen, als Anschauungsmodell in Form von Gemälden und Skulpturen oder einfach als glanzvolles Schmuckelement. Paläo-Kunst wird außerdem für Lehrbücher, Enzyklopädien, populärwissenschaftliche Magazine, für mit Schokolade bestückte Grußkarten oder für Kinderbücher geschaffen. Die Grenzen zwischen Unterhaltung und Wissenschaft, Kitsch und Gelehrsamkeit verschwimmen oft.“ (S. 11f)

Die populären Godzilla oder King Kong Filme oder Streifen wie Der letzte Dinosaurier, Giganten der Vorzeit oder Planet der Monster aus den späten 1970er Jahren haben die Wiederentdeckung des prähistorischen Lebens der Moderne geschaffen. Aber schon seit 1830 gab es Unmengen von Künstlern, die von dieser Materie fasziniert waren und Visionen von Dinosauriern, Höhlenmenschen und prähistorischen Tieren schufen. Dieses Buch von Walton Ford und Zoe Lescaze zeichnet die Geschichte der Paläo-Kunst von 1830 bis heute nach. Dabei geht es um das Verständnis der prähistorischen Welt von Wandgemälden bis in das digitale Zeitalter, wo die Kunstwerke auch viel über die Künstler und Künstlerinnen selbst und deren jeweilige Zeit verraten. Dieser Band zeigt auf, wie sehr Zeitgeist, gesellschaftliche Verhältnisse und individuelle künstlerische Präferenzen das Bild der Urzeit bestimmten.

Er beginnt mit einem allgemeinen Essay über Paläokunstwerke in der Kunstgeschichte und geht dann auf einzelnen Künstler in den verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte ein.

Dieser Band ist nicht nur sehr unterhaltsam und auch manchmal zum Schmunzeln, sondern er zeigt auch auf, wie viele unterschiedliche Vorstellungen über die prähistorische Zeit zwischen 1830 bis heute existierten. Die Paläo-Kunst verbindet die Naturgeschichte und die bildende Kunst, Einflüsse aus der Romantik, Impressionismus, Fauvismus, Art Nouveau und andere kunsthistorischen Bewegungen bieten faszinierende Bilder und Zeichnungen. Daher ist das Buch nicht nur für Kunstliebhaber, sondern auch für Freunde der Naturwissenschaft zu empfehlen.

Witte, P./Wolffgang, H.M. (Hrsg.): Lehrbuch des Zollrechts der Europäischen Union, 8. Auflage, nwb Verlag, ISNB: 978-3-482-43548, 49, 90 Euro

Die Zollunion ist ein einheitlicher Handelsraum, in dem alle Waren frei verkehren können, unabhängig davon, ob sie in der EU hergestellt oder aus Nicht-EU-Ländern eingeführt werden. Ein finnisches Mobiltelefon kann ohne jegliche Zollgebühren oder Zollkontrollen nach Ungarn versandt werden. Dennoch erfüllt der Zoll in der EU allein aufgrund der unvorstellbaren Mengen an Waren, die in die EU eingeführt werden, weiterhin eine ganz wichtige Rolle.

Zu den Aufgaben des Zolls gehören:

• Durchsetzung von Rechtsvorschriften zum Schutz der Umwelt und zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit (z. B. Verweigerung der Einfuhr kontaminierter Nahrungsmittel oder mutmaßlich gefährlicher elektrischer Geräte)

• Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Ausfuhren sensibler Technologie, die zur Herstellung nuklearer oder chemischer Waffen verwendet werden könnte

• Bekämpfung von Nachahmungen und Markenpiraterie im Interesse von Gesundheit und Sicherheit, aber auch zum Erhalt von Arbeitsplätzen bei den Herstellern legaler Waren

• Kontrolle von hohe Bargeldsummen oder Wertpapiere mit sich führenden Reisenden auf Geldwäsche oder Steuerhinterziehung

• Unterstützung von Polizei und Einwanderungsbehörden im Kampf gegen Menschenhandel, Drogen- und Waffenschmuggel und Pornografie, die häufig im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität und Terrorismus stehen

Die vorliegende achte Auflage des bewährten Lehrbuches beruht der Reform der Leitsätze, die sich aus einer veränderten Wirtschaftlichkeit ergeben haben. Dies beruht auf den Vorschriften, die zum 1. Mai 2016 in Kraft getreten sind, und der Delegierten Verordnung und der Durchführungsverordnung. Die Autoren sind erfahrene Dozenten aus Wissenschaft und Forschung an renommierten Universitäten. Ihr Anliegen ist es, das Zollrecht der EU systematisch und zusammenhängend zu erfassen: „Den Lernenden soll das Zollrecht verständlich und in sich geschlossen aufbereitet und vermittelt werden. Den Praktikern kann das Werk eine wertvolle Hilfe sein, sich einen schnellen Überblick über das geltende Recht zu verschaffen.“ (S. V) Um eine Übersichtlichkeit der erfassten Rechtsbereiche zu gewährleisten, haben die Herausgeber einen aktualisierten Kodex-Bogen dem Buch beigefügt.

Im ersten Kapitel geht es um eine allgemeine Einführung in das Europäische Zollrecht, dann folgt eine Erläuterung des allgemeinen Zollrechtes. Anschließend werden die Erfassung des Warenverkehrs, das Zollverfahren, die Grundlagen der Abgabeerhebungen und die Einfuhrumsatzsteuer besprochen. Am Ende eines jeden Kapitels sind Übungsfragen vorhanden, die den Lernenden eine Übersicht des jeweiligen Leistungsstandes bietet. Abschließend gibt es ein Glossar, wo die wichtigsten Begriffe nochmals nachgeschlagen werden können.

Dieses aktualisierte Standardwerk bringt das Wissen über Zollrecht und Einfuhrbestimmungen anschaulich auf den Punkt. Das trotz der komplexen Materie Buch ist sowohl für Zollbeamte, Großunternehmen wie auch interessierte Laien interessant und verständlich geschrieben und aufgebaut.

Wolf Singer/Matthieu Ricard: Jenseits des Selbst. Dialoge zwischen einem Hirnforscher und einem buddhistischen Mönch, Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, ISBN: 978-3-528-42571-8

In diesem philosophisch angehauchten Buch geht es um die Dialoge der beiden Protagonisten Wolf Singer und Matthieu Ricard über existentielle menschliche Fragen wie Liebe, Gefühle, Realität, freier Wille, Gerechtigkeit und Bewusstsein.

Wolf Singer 1981 1981 Mitglied der Max-Plack-Gesellschaft und Direktor der Abteilung für Neurophysiologie am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt/Main. Hier gründete er im Jahre 2004 das Frankfurt Institute for Advanced Studies FIAS) sowie das Brain Imaging Center (BIC). Sein Spezialgebiet war die Aufklärung neuronalen Prozesse bei sogenannten höheren kognitiven Leistungen wie etwa bei der visuellen Wahrnehmung, beim Erinnern oder bei anderen Denkleistungen.

Matthieu Ricard ist promovierter Molekularbiologe und lebt in einem buddhistischen Kloster in Nepal. Er wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt durch das international erfolgreiche Buch Der Mönch und der Philosoph, das er zusammen mit seinem Vater veröffentlichte. Darin werden die Perspektiven der westlichen Welt und des Buddhismus gegenübergestellt, Unterschiede aufgezeigt und Gemeinsamkeiten hervorgehoben. Er ist Board Member des Mind and Life Institute, das die Kommunikation zwischen westlicher Wissenschaft und Buddhismus und ihre Zusammenarbeit fördert. Er arbeitet gegenwärtig gemeinsam mit Hirnforschung über die Wirkung von Meditation und Geistestraining auf das Gehirn.

Das Buch erfährt seinen Reiz aus dem Zusammentreffen gegensätzlicher philosophischer und wissenschaftlicher Ansätze: Hier der hochdekorierte Hirnforscher Singer aus der Neurowissenschaft, dort der Mönch Ricard, der den Buddhismus und die sprirituelle Meditation repräsentiert. Das Buch ist „das Ergebnis acht Jahre währender Gespräche, die wir nun zu unserer großen Freude mit unseren Leserinnen und Lesern teilen dürfen.“ (S. 341). Dabei kommt es aus diesen unvereinbar scheinenden Perspektiven doch zu Verbindungslinien beider Denkrichtungen. Die grundlegenden Fragen, die die Menschheit seit ihrem Entstehen beschäftigt, werden diskutiert, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der jeweiligen Ansätze herausgearbeitet und den Lesern präsentiert. Dies sind keine fertigen Lösungen, sondern sollen den Leser selbst zum Nachdenken über existentielle Fragen anregen.

Brechtken, M.: Albert Speer. Eine deutsche Karriere, Siedler Verlag, München 2017, 912 Seiten, ISBN: 978-3-8275-0040-3

Albert Speer war in der NS-Zeit als erster Architekt des Reiches verantwortlich für Großprojekte wie das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und die Umgestaltung Berlins. Er zählte zu Hitlers engsten Vertrauten, 1942 wurde er Rüstungsminister. 1946 verurteilten ihn die Alliierten im Nürnberger Prozess zu zwanzig Jahren Haft. Nach seiner Entlassung konnte Speer durch zahlreiche Interviews und Publikationen seine bei Kriegsende entworfene und weiter ausformulierte Legende in die Öffentlichkeit tragen: Er hätte von den NS-Verbrechen nichts gewusst und sei, von der Aura Hitlers verführt, in Krieg und Judenmord unbeteiligt hineingeraten.

Magnus Brechtken, stellvertretender Direktor des Münchener Instituts für Zeitgeschichte und Professor für Geschichte an der Universität München, beendet in seiner Biographie über Speer die Legendenbildung um seine Rolle im „Dritten Reich“ und seine angebliche Reue nach 1945.

Für Brechtken war „Speer war kein Rätsel, sondern ein Repräsentant. Seine Taten lagen offen zutage, ja sie sind sichtbarer als sie vieler Euthanasie-Ärzte, Geheimpolizisten und Richter, Ministerialbeamte und Generäle.“ (S. 13) Namentlich kritisiert er vor allem Joachim Fest und Wolf Jobst Siedler: „Überhaupt ist es verblüffend, dass manche Biographen Speers die vielhundertseitige Texte vorlegten, immer noch meinten, ohne den Gang in die Archive auskommen zu können.“ (S. 13)

Im postfaschistischen Deutschland entwickelte er sich zum „prominentesten, eifrigsten und erfolgreichsten Protagonisten der Ablenkungserzählung: ein Edel-Nazi mit Reue-Garantie. Das wiederum machte ihn zur idealen Projektionsfigur für die vielen kleineren und größeren ehemals Engagierten, die nun ebenfalls nichts mehr wissen wollten vom eigenen Anteil am Funktionieren der Herrschaft.“ (S. 578)

Auf den letzten Seiten befasst sich der Autor ausführlich mit dem früheren Speer-Biographen Joachim Fest und kritisiert sein wissenschaftliches Vorgehen bei der Analyse von Speers Biographie heftig, was in der Wissenschaft nicht alltäglich ist: „Gleichwohl verzögerte Fests-Speer-Biographie den öffentlichen Lernprozess, denn das Renommee des Autors verstärkte den Effekt, Speers fabeln zu wiederholen, statt über sie aufzuklären.“ (S. 560)

Carl Safina: Die Intelligenz der Tiere. Wie Tiere fühlen und denken, C.H. Beck Verlag, München 2017, ISBN: 978-3-406-70790-2

In diesem Buch schildert der Autor und Naturforscher Carl Safina das Denken und Fühlen von Tieren. Dabei steht die These, dass Tiere nonverbal mit Menschen kommunizieren, im Mittelpunkt seines Werkes: „Daher gewährt uns dieses Buch nicht nur einen Blick in das Seelenleben der Tiere, sondern schärft darüber hinaus unser Bewusstsein für ihre Bedürfnisse.“(S. 13) Die Wissenschaft vermeide laut Safina konsequent die Frage nach dem Seelenleben von Tieren: „(…) wird jungen Wissenschaftlern von Anfang an eingetrichtert, dass die Psyche eines Tieres – sollte es sie überhaupt geben- jenseits der menschlichen Erkenntnis liegt.“ (S. 11) Dagegen argumentiert Safina, dass die Trennlinie zwischen Mensch und Tier eine künstliche sei, da der Mensch selbst ein Tier sei. Das Verhalten der Menschen wirke sich direkt auf das Handeln, den Lebensraum und die Lebensdauer der Tiere aus. Das Thema des Naturschutzes und der Lebensräume der untersuchten Tiere durchdringt dabei das gesamte Buch.

Dieses Buch ist jedoch keine trockene wissenschaftliche Abhandlung über Tierarten und ihre Intelligenz, im Gegenteil. Es ist auch eine spannende Entdeckungsreise in alle Teile der Welt zu Elefanten, Killerwalen und Wölfen, wo er die Leser an seinen Erfahrungen mit dem Verhalten von Tieren teilhaben lässt. Safina erweitert auch die Perspektive der Leser: Er nimmt die Außenperspektive auf, die der Welt die uns umgibt und nicht nur die exklusiv menschliche Sicht der Welt. Ein spannendes Buch, das Parallelen zu dem Verhaltenskodex des Menschen beschreibt und zu einem Umgang mit Tieren auffordert, der nicht mehr den Mensch als das Maß aller Dinge betrachtet.

Carlo Rovelli: Die Wirklichkeit, die nicht so scheint, wie sie scheint, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016, ISBN 9783498058067

Die Frage nach der Wirklichkeit ist seit dem ersten Menschengeschlecht eine der meist gestellten philosophischen Fragen. Eine wichtige Rolle in der Diskussion um den Status der Wirklichkeit spielt die Frage, inwieweit die Wirklichkeit menschlicher Erkenntnis zugänglich ist und ob dieser Zugang bloß relativ zu den vorhandenen Begriffen und technischen Möglichkeiten steht. Hierfür kann man die Realismusdebatte in der modernen Teilchenphysik anführen: Sie dreht sich darum, ob die von bestätigten physikalischen Theorien angenommenen Elementarteilchen, aus denen die Wirklichkeit aufgebaut sein soll, im ontologischen Sinne wirklich sind, auch wenn sie prinzipiell nicht direkt durch die Sinnesorgane wahrgenommen werden können, sondern ihre Existenz nur indirekt über Messungen und Modelle bestätigt werden kann.

Carlo Rovelli, einer der renommierten physikalischen Forscher unserer Zeit, legt nun ein Buch vor, um die Grenzen unseres Verstehens zu erweitern. Dies ist „kein Buch über Gewissheiten, sondern eines über das Abenteuer einer Reise, die ins Unbekannte führt.“ (S. 9)

Er zeichnet ein neues Bild der Welt von einem physikalischen Universum ohne Zeit, einer Raumzeit, die aus Schleifen und Körnchen besteht und in der Unendlichkeit nicht existiert. Rovelli ist der Meinung, dass „ (…) sich die gegenwärtigen Veränderungen der Begriffe von Raum und Zeit nur dann verständlich erläutern ließen, wenn man die Geschichte von Anfang an erzählt: beginnend mit Demokrit über den ganzen Weg bis hin zu den Raumquanten.“ (S. 7) Die Quantengravitation ist eine derzeit noch in der Entwicklung befindliche Theorie, welche die Quantenphysik und die allgemeine Relativitätstheorie, also die beiden großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts, vereinigen soll. Während die allgemeine Relativitätstheorie nur eine der vier Elementarkräfte des Universums beschreibt, nämlich die Gravitation, behandelt die Quantentheorie die anderen drei Elementarkräfte (elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und starke Wechselwirkung). Die Vereinigung dieser beiden Theorien ist unter anderem wegen ihrer Überschneidungen, aber auch wegen abweichender wissenschaftsphilosophischer Konsequenzen notwendig.

Dies ist ein Buch einer physikalischen Herangehensweise an das vielschichtige Thema der Wirklichkeit. Um das Thema jedoch vollständig zu erfassen, sind auch andere Ansätze notwendig. Konstruktivistische und andere ideologischen Betrachtungen führen zu einer ganzheitlichen Diskussion über den Begriff der Wirklichkeit bzw. der Realität. Somit ist das Buch nur ein Beitrag zu einem komplexen Thema, das sich zu lesen lohnt. Es ist jedoch weder der Durchbruch in existenzialistischen Fragen, noch kein „neues Welt-Bild“, wie in der Beschreibung abgedruckt. Es ist ein wichtiger Beitrag zu einer spannenden Diskussion über den Status der Wirklichkeit, mehr nicht.

Joe Sartore: Artenreich. Eine Hommage an die Vielfalt, National Geographic Buchverlag, München 2017, ISBN: 978-3-86690-639-6

In vielen Fällen haben Tiere seit dem Beginn der Industrialisierung vor ca. 170 Jahren und des fortschreitenden Klimawandels durch die Schuld des Menschen ihren natürlichen Lebensraum verloren. In vielen anderen ist die Jagd, die Wilderei und der illegale Handel mit Jungtieren der Grund. Wenn es nur noch wenige Tiere einer Art gibt, besteht praktisch keine Chance mehr für das Überleben der Art. Selbst wenn sich die wenigen Tiere vermehren, kann das Erbgut nicht mehr gut durchgemischt werden. Die Folge sind Erbkrankheiten, das das Aussterben der Art sicher werden lässt.

Dieser Bildband setzt sich nachdrücklich für den Stopp dieser Entwicklung und die Bewahrung der Artenvielfalt ein. Mehr als 400 Tierporträts enthält dieses Buch, um die Vielfältigkeit und Schönheit der Tierwelt abzubilden. Der Hauptprotagonist dieses Buches ist Joel Sartore, Fotograf, Journalist, Autor und Naturschützer. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet er an dem Projekt »Photo Ark«: der fotografischen Dokumentation der Artenvielfalt unseres Planeten, d.h. »jede einzelne der rund 12.000 in Gefangenschaft, das heißt in menschlicher Obhut, lebenden Spezies der Erde abzulichten«. Damit möchte er dazu beitragen, den Niedergang der weltweiten Biodiversität aufzuhalten oder zumindest einzudämmen. Er ist Mitglied der International League of Conservation Photographers und der National Geographic Society.

Im Kampf für die Artenvielfalt bekommt Sartore Unterstützung von prominenter Seite. Harrison Ford ist für das Vorwort des Buches verantwortlich. Danach folgen zwei Essays von Douglas H. Chadwick und Joe Sartore über das Artensterben und die Möglichkeiten des Menschen, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Die Bilder der Tiere sind in verschiedene Themengebiete unterteilt: Im Kapitel 1 „Spiegel“ geht es um das Band, das uns Menschen über die Arten hinweg mit den Tieren verbindet. Im zweiten Kapitel „Partner“ geht es darum, dass die Tiere wie Menschen Partnerschaften, ob kurzlebig oder länger, eingehen und Nachwuchs zur Welt bringen. Im Kapitel „Gegensätze“ wird gezeigt, dass sich wie beim Menschen auch unterschiedliche Tierarten gegenseitig anziehen können. Danach werden in dem Kapitel „Kuriositäten“ individuelle unverwechselbare Tiere gezeigt. Im letzten Kapitel „Hoffnung“ werden Arten vorgestellt, die mal am Rande des Aussterbens standen und heute von der Obhut des Menschen profitieren. Im Anhang findet man ein Verzeichnis der abgebildeten Tiere mitsamt dem Ort, wo das Bild entstanden ist.

Der Bildband ist ein sehr gelungener Beitrag und eine Hommage an die Artenvielfalt. Phantastische Bilder von selten gewordenen Tieren sind zu bestaunen, von denen niemand weiß, wie lange es die Art noch gibt. In den einzelnen Kapiteln soll veranschaulicht werden, dass Tiere dem Menschen sehr ähnlich sind und Mitgefühl und Empathie wecken, was sehr gut gelungen ist. Die Freunde am Engagement für die Rettung der Vielfalt der Tiere wird auf jeden Fall geweckt, es fehlen allerdings Hinweise auf speziellere Literatur über das Artensterben und seriöse Tierschutzgruppen oder ähnliches, wo man sich engagieren oder spenden könnte.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 978-3-7774-2942-7 .