e-Portfolio von Michael Lausberg
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Die arabische Welt

Die Entwicklung des Osmanischen Reiches

Im Gegensatz zu Indien wirkte sich der Angriff der Mongolen im Westen oder in Kleinasien nicht ganz so verheerend auf die muslimische Gemeinschaft aus. Während in Spanien der islamische Machtbereich mehr und mehr durch die christlichen Königreiche eingeschnürt wurde, vollzog sich in Anatolien der Aufstieg der türkischen Osmanen, denen es gelang, den muslimischen Glauben tief nach Europa hineinzutragen und den bereits während der arabisch-islamischen Expansion des 7. und 8. Jahrhunderts unternommenen Versuch der Eroberung des Byzantinischen Reiches mit seiner Hauptstadt Konstantinopel erfolgreich zu vollziehen.

Die Osmanen leiteten ihre Herkunft von dem mittelasiatischen Stamm Qajy ab, der 1254 infolge der mongolischen Ausbreitung in Kleinasien eingewandert sein soll. Zunächst in Nordwestanatolien wohnend, erfolgte die Gründung und Ausweitung des osmanischen Staates unter Osman I (1299-1326) und seinem Sohn Orchan (1326-1369). Nach Süden und Südwesten ausgreifend, überschritten die Osmanen 1354 zum ersten Mal die Meerengen und ließen sich in Gallipolli nieder. Der rasche Verfall der Herrschaft der Ilkhane in Anatolien begünstigte in den folgenden Jahrzehnten den Anstieg der osmanischen Macht, die nach einer Heeresreform weit in das Gebiet der Balkanhalbinsel vorstoßen konnten. Nach zahlreichen militärischen Unternehmungen (1385 Eroberung von Sofia, 1386 von Nisch, 1389 Sieg auf dem Amselfeld, 1396 Vernichtung einer Kreuzzugsheeres unter dem ungarischen König Sigismund bei Nikopolis) wa das auf Konstantinopel und seine nähere Umgebung zusammengeschrumpfte Byzantinische Reich von den Osmanen umklammert. Jedoch wurde die Eroberung von Byzanz durch den nach Anatolien zielenden Vorstoß Timurs hinausgeschoben. Am 20.7.1402 wurden die osmanischen Truppen beim heutigen Ankara vernichtend von den mongolischen Truppen geschlagen, wodurch das Osmanische Reich in eine gefährliche innere Krise und in eine Phase heftiger Machtkämpfe gestürzt wurde, die erst mit dem 1421 zur Herrschaft gelangenden Sultan Murad II überwunden werden konnten.

Unter Murad II begann auch wieder die osmanische Ausbreitung auf dem Balkan, die nach Anfangserfolgen (Einnahme Salonikis 1430) schwere Rückschläge brachte (Niederlage gegen ein Heer der Kreuzritter bei Jalowatz 1443). Nach dem erneuten Sieg auf dem Amselfeld 1448 waren die Grundlagen zur Eroberung Konstantinopels gelegt, die unter Sultan Mehmed II. in Angriff genommen wurde: Mit dem Fall Konstantinopels am 29.5.1453 erschien eine vorderasiatische islamische Macht am europäischen Horizont, die innerhalb der nächsten Jahrhunderte tief in das europäische Geschehen eingreifen wird. Konstantinopel wurde zur Hauptstadt des neuen Osmanischen Reiches, das in Istanbul umbenannt wurde. Mehmed II. setzte seine Expansion in Europa und Asien fort. Von 1454 bis 1563 drang er weiter auf den Balkan vor und annektierte Serbien und besetzte den Peloponnes. Die osmanischen Aktivitäten führten zum zweiten osmanischen-venezianischen Krieg (1463-1479). Mehmed II. setzte auch in anderen Gebieten seine Eroberungspolitik fort: er annektierte alle genuesischen Handelskolonien am Schwarzen Meer, Bosnien und Quraman und dehnte damit die osmanische Herrschaft bis zum Euphrat aus. Als Uzun Hasan von der turkmenischen Dynastie der „Weißen Schafe“ in Anatolien einfiel, wobei ein koordinierter Angriff verabredet worden war, konnte Mehmed II. nur unter Schwierigkeiten die Situation in den Griff kriegen. 1473 konnte er schließlich Uzun Hasan bei Baskent in die Flucht schlagen.

Durch die Eroberung Anatoliens 1474 unter Besatzung der Gebiete von Kleinarmenien und Kilikien kam es zu Kontakten mit dem Mamelukenreich in Ägypten und Syrien. Nach der Bereinigung der Lage im Osten konnte sich Mehmed wieder Europa zuwenden. 1479 musste schließlich Venedig, die stärkste Seemacht im Mittelmeer in einen Frieden einwilligen. Weitere Vorstöße im Westen (Angriff auf Rhodos, der jedoch von den Rittern der Johanniter abgewehrt werden konnte, Eroberung Otrantos in Süditalien) wurden durch den Tod Mehmeds II. Anfang 1481 beendet. Mehmed II. war es jedoch gelungen, ein gewaltiges Reich zu errichten, das zu einem bedeutenden Machtfaktor für die nächsten Jahrhunderte werden und immer wieder in die europäischen Geschicke eingreifen sollte. Unter Mehmed II. und seinen Nachfolgern wurde das Prinzip der Unteilbarkeit der Herrschaft im Osmanenreich eingeführt, wodurch alle Mitglieder der herrschenden Klasse dem Willen des Sultans unterworfen wurden. Ein eindeutiges Thronfolgerecht sicherte die konstante Entwicklung der Herrschaft des Sultans ab.

Unter Bayezid II. (1481-1512) wurden die Eroberungen Mehmeds II. abgesichert, und das Osmanische Reich wurde auch von innen stabilisiert. Zunächst musste Bayezid II. die bis 1495 dauernde Revolte seines Bruders bekämpfen, die dieser 1483-1495 ziemlich erfolglos vom Exil aus durchführen musste. Gleichzeitig ging Bayezid II. systematisch an die Konsolidierung des Osmanischen Reiches, nach außen hin betrieb er eine gemäßigte Eroberungspolitik, Er besetzte die Herzegowina 1483 und eroberte die Häfen Kilia und Akkerman 1484. Ein neuer osmanisch-venezianischer Krieg von 1499-1503, in dem sich eine europäische Koalition abzuzeichnen begann, verlief unentschieden, jedoch konnte sich das Osmanenreich als Seemacht im östlichen Mittelmeer etablieren und Venedig völlig ausschalten. In der europäischen Diplomatie stellte das Osmanische Reich von nun an als Großmacht im Mittelmeer einen nicht mehr auszuschließenden Machtfaktor dar. Im Osten erwuchs derweil dem Osmanenreich durch die politisch-religiöse Gemeinschaft der Safaviden, die der Scheich Safi-ud-Dib von Ardabil (1252-1334) gegründet hatte und die sich mit turkmenischen Stämmen verbündeten, eine neue Gefahr. Nach der Sicherung des Friedens in Europa 1502/03 konnte Bayezid II. gegen den Safaviden Ismail I. (1502-1524) vorgehen und ihn nach Aserbaidschan abdrängen, von wo aus dieser seine Herrschaft über den gesamten Iran ausdehnen konnte. Die stabile Herrschaft Bayezids II. kam am Ende seiner Regierung infolge von Thronstreitigkeiten ins Wanken. 1512 konnte sich sein Sohn Selim durch eine Revolte durchsetzen und Bayezid II. musste abdanken.

Sultan Selim I. (1512-1520) gelang es, durch die Vernichtung seiner Gegner seine Macht zu stärken und dann seine imperialen Ziele uneingeschränkt zu verfolgen. Zunächst wandte er sich gegen die Safaviden, die den schiitischen Islam zur Staatsreligion erhoben hatten und damit die Vormachtsstellung der Osmanen in der islamischen Welt gefährdeten. In einem Feldzug 1514 drang Selim weit in den Iran vor, geriet jedoch in große Versorgungsschwierigkeiten, was wiederum zu einer Janitscharen-Revolte führte, die Selim jedoch niederschlagen konnte. In einer offenen Feldschlacht bei Tschaldiran am 23.8.1514 konnten die osmanischen Truppen schließlich die Safaviden bezwingen, was jedoch nicht zum Zusammenbruch des Safaridenreiches führte. Selim konnte ganz Ostanatolien unterwerfen und sich nun dem Mamelukenreich zuwenden. In der Schlacht von Marsch Dabiq konnte das Heer der Mameluken vernichtend geschlagen werden. Syrien und Ägypten fielen dem Osmanischen Reich zu, das sich in seiner Ausbreitung verdoppelte. Mit der Eroberung islamischer Kernländer fiel den Osmanen das geistige, administrative und künstlerische Erbe der islamischen Kultur anheim, das ihnen bisher nur durch die Seldschuken zugekommen war. Mit dem Niedergang des Mamelukenreiches wurde das politische Vakuum, das seit dem Verfall des Reiches der Abbasiden im Vorderen Orient bestanden hatte, durch eine stabile Ordnung ausgefüllt. Mit der Verschiebung des Zentrums des Islam nach Westen vertiefte sich jedoch auch die Spaltung der islamischen Welt, da der Iran einen anderen, vom Osmanenreich unabhängigen Weg ging.

Nachfolger Selims wurde sein Sohn Süleyman II. (1520-1566), für den sein Vater alle Grundlagen einer stabilen Herrschaft gelegt hatte, so dass dieser die Eroberungspolitik Selims ungebrochen fortsetzen konnte. Er sah sich dabei im Westen dem Reich der Habsburger, im Osten dem der Safaviden gegenüber. Die osmanischen Angriffe zielten von 1520 an zunächst auf das unabhängige ungarische Königreich unter Ludwig II. (1516-1526), dessen Schicksal in der Schlacht von Móhacs 1526 besiegelt wurde. Teile Ungarn, das aufgrund von Aufständen in Anatolien von den Osmanen nicht vollständig besetzt werden konnte, wurde unter osmanische Herrschaft gestellt, blieben aber in einem halbautonomen Zustand unter dem habsburgfeindlichen Siebenbürger König Johann Zápolya. 1528 konnte Erzherzog Ferdinand, der zum König von Ungarn gewählt worden war, Teile Mittelungarns besetzen, doch der Vorstoß Süleymans führte ihn bis vor Wien, das von den Habsburgern jedoch gehalten werden konnte. Die Belagerung Wiens sicherte Süleyman die Beherrschung Ungarns, die Angst vor dem türkischen Vormarsch bewirkte in Europa zumindest vorübergehend den Nürnberger Religionsfrieden von 1532 zwischen Protestanten und Katholiken. Ein weiterer osmanischer Feldzug 1532 gegen Österreich führte zu einem den erreichten osmanischen Herrschaftszustand in Europa bestätigenden Frieden. Ferdinand gab seine Ansprüche in Ungarn auf und erkannte Zápolya als osmanischen Vasallen an, dafür wurde Ferdinands Herrschaft in Nordungarn durch Süleyman bestätigt. Der Tod Zápolyas 1541 löste neue Streitigkeiten aus, Ungarn wurde zu einem Teil des osmanischen Reiches, was die Habsburger 1547 in einem Vertrag bestätigten. Nunmehr grenzten die beiden Großmächte unmittelbar aneinander, was zu fortwährenden Grenzkonflikten führte. Die osmanische Expansion nach Mitteleuropa kam jedoch vorläufig zu einem Stillstand.

Während der Auseinandersetzungen mit Habsburg begann Süleyman zugleich auch seine Stellung zur See im Mittelmeer auszubauen, wo Karl V. nach dem Niedergang der venezianischen Seemacht im Zusammengehen mit Genua eine starke Flotte unter dem Kommando von Andrea Doria aufgebaut hatte. Nach der Eroberung von Rhodos durch Süleyman verlegte Karl V. den Johanniterorden auf Malta 1530 und mit der Eroberung von Tunis gewann er eine neue Flottenbasis im Westen. Aktivitäten Andrea Dorias auf dem Peloponnes zwangen Süleyman dazu, den eine Piratenflotte befehlenden und Algier beherrschenden türkischen Kapitän Chayreddin Barbarossa als Großadmiral in seine Dienste zu stellen. Algier wurde dem Osmanischen Reich angegliedert und Chayreddin baute eine mächtige Flotte auf, die in der Seeschlacht von Prevesa vor der albanischen Küste über die Flotte Andreas Dorias 1540 einen Sieg davontragen konnte. Venedig musste daraufhin in einen Frieden mit dem Osmanischen Reich einwilligen, durch den er seine letzten Besitzungen auf dem Peloponnes, in Dalmatien und auf den Ägäischen Inseln aufgeben musste und endgültig seine einstige Machtstellung im Mittelmeer einbüsste. Süleyman aber hatte mit dem Seesieg von Prevesa seine Herrschaft im östlichen Mittelmeer gesichert und konnte nun auch zur See expansiv vorgehen; 1543 wurde zusammen mit der französischen Flotte Nizza erobert. Auch unter dem Nachfolger Chayreddins, Turgud Re’is (1485-1565) blieb die osmanische Seeherrschaft unangefochten.

Im Osten konnte Süleyman Wirren im Iran unter dem minderjährigen Sohn Ismails, Tahmasp (1524-1576) ausnutzen, in drei Feldzügen versuchte er das Safavidenreich zu schwächen. Die Safaviden wichen jedoch einer offenen Feldschlacht aus und Nachschubprobleme ließen Süleyman immer wieder die Herrschaft über gewonnene Gebiete verlieren. Im Frieden von Amasya 1555 gewann Süleyman schließlich den Irak und die turkmenischen Fürstentümer Ostanatoliens, gab aber Ansprüche auf Aserbaidschan und den südöstlichen Kaukasus auf. In Arabien konnten Aden 1530, Suakin 1542 und Massaua 1557 hinzugewonnen werden. Süleyman baute Flottenbasen am Roten Meer und am Persischen Golf aus, wodurch die Portugiesen zurückgedrängt werden konnten. Dies alles führte zur Belebung der alten Handelsstraßen, was dem Osmanischen Reich wichtige Einkünfte sicherte, obwohl die lange zuvor erfolgte Entdeckung des Seewegs um Afrika herum das ursprüngliche Handelsvolumen nie mehr erreichen ließe.

Nach Süleyman geriet das Osmanische Reich in eine Phase des Niedergangs, die auf die wachsende Machtlosigkeit der Sultane zurückzuführen war. Bereits unter Süleyman wurde zur Entlastung des Sultans das Amt des Großwesirs geschaffen. Korruption und Nepotismus breiteten sich zunehmend aus und zerstörten die Institutionen des Reiches. Unter Selim II. (1566-1574) begann sich der Niedergang der osmanischen Macht abzuzeichnen; um stärkeren Einfluss zu gewinnen, versuchten Selim II. und sein Nachfolger, das Amt des Großwesirs zu schwächen, indem ein häufiger Wechsel der Inhaber vollzogen wurde, Trotz der bereits unter Süleyman eingeleiteten inneren Schwächen des Reiches war es nach außen noch stark genug, um auch während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die erreichte Machtstellung zu halten, obwohl das osmanische Militär erste Niederlagen hinnehmen musste. 1571 wurde die osmanische Flotte in der Seeschlacht bei Lepanto von der Liga vernichtend geschlagen. Sie konnte jedoch rasch wiederaufgebaut werden und die Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer zurückerobern.

Unter Murad III. (1574-1595) dauerten die inneren Zerfallserscheinungen im Osmanischen Reich an, nach der Ermordung des Großwesirs Mehmed Soqullu gewannen der Harem und dann die führenden Janitscharenoffiziere immer mehr an Einfluss. Administrative, soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten nahmen zu, dennoch betrieb auch Murad III. eine Eroberungspolitik, die vor allem der Expansion des Fürstentums Moskau unter Iwan IV. entgegenwirken sollte. Die Wirren nach dem Tode von Schah Tahmasp 1576 im Iran ausnützend, konnte Murad III. den Kaukasus und Aserbaidschan 1578 erobern und so das Reich auf den Höhepunkt seiner territorialen Ausdehnung führen. Noch unter Murad III. kam es zu einem erneuten österreichisch-osmanischen Krieg 1593, der nach der Einnahme von Teilen Zentralungarns und Rumäniens durch die Österreicher in der Schlacht von Keresztes 1596 eine Wendung erfuhr, so dass die Habsburger in den Friedensvertrag von Zsitva Torok 1606 einwilligen mussten, der die osmanische Herrschaft über Ungarn und Rumänien wieder festigte.

Auch im Osten wuchs mit dem Aufstieg von Schah Abbas I. (1587-1629) und dem Wiedererstarken des Safavidenreiches eine neue Gefahr heran. Osman II (1618-1622) und Murad IV. (1623-1640) versuchten dem durch Reformen, die das Osmanenreich wieder stabilisieren sollten, zu begegnen, und ihre Reformbemühungen wurden unter Mehmed IV. (1648-1687) durch die Dynastie der Köprülü-Großwesire fortgesetzt. 1603 konnte Schah Abbas I. den Kaukasus und Aserbaidschan einnehmen. 1624 erfolgte die Eroberung des mittleren Irak, doch ermöglichte es das Reformwerk Murads IV., der iranischen Bedrohung zu begegnen. 1638 konnte der Irak zurückgewonnen werden, und im Vertrag von Qasr-i-Schirin von 1639 wurde die moderne iranisch-türkische Grenze festgelegt. 1645 brach anlässlich des Versuchs der Osmanen, Kreta zu erobern, ein neuer Krieg mit Venedig aus, der bis 1669 dauerte und Anfangserfolge Venedigs brachte, bis Reformen Mehmed Köprülüs zum Erfolg führten. Nach 24jähriger Belagerung konnte Kreta 1669 erobert werden.

Die durchgeführten Reformen waren jedoch immer nur augenblicklicher Natur, sie beseitigten aktuelle Missstände, konnten aber die überlebten osmanischen Institutionen nicht erneuern, so dass das Osmanische Reich auf die Dauer nicht mit dem Fortschritt der aufsteigenden europäischen Nationalstaaten mithalten konnte. Dennoch marschierte der Großwesir Quara Mustafa Pascha 1681 wiederum in Mitteleuropa ein und belagerte Wien. Dank dem Eingreifen des polnischen Königs Johan III. konnte Wien gehalten werden und es bildete sich eine europäische Koalition, die gegen das Osmanische reich vorging. Der Krieg gegen die Armeen der katholischen Liga von 1683 bis 1699 endete im Frieden von Karlowitz, der für das Osmanische Reich eine Schwächung bedeutete.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich die Lage des Osmanischen Reiches grundlegend verändert. In den Kampf gegen die Osmanen war neben Habsburg und Venedig noch Russland getreten, das während der Regierungszeit Mustafas II. (1695-1703) Asow eroberte. Russland ging es bei seinem Kriegseintritt darum, durch das Schwarze Meer und die Dardanellen ins Mittelmeer vorzustoßen. Die Niederlage bei Zenta im Jahre 1697 führte schließlich zum Frieden mit den Habsburgern in Karlowitz 1699 und 1700 zum Frieden von Konstantinopel mit Russland, dem das Gebiet bis an den Dnjestr und die Festung Asow zugesprochen wurde, mit der es einen ersten Stützpunkt am Schwarzen Meer erhielt. Die Friedensschlüsse um die Wende zum 18. Jahrhundert zeigten deutlich den Machtverfall des Osmanischen Reiches auf: Im Südosten Europas hat es seine hegemoniale Stellung eingebüßt, der Druck nach Mitteleuropa ließ nach, Österreich konnte sich auf Kosten des Osmanenreiches erheblich nach Südosten ausdehnen. In den 109 Jahren zwischen der zweiten Belagerung von Wien und dem Frieden von Jassy im Jahre 1792, in denen das Osmanische Reich 41 Jahre lang in Kriege verwickelt war, ging es für nun darum, den Bestand des Reiches zu wahren und die Verfallsperiode zu überdauern. Als Verbündeter Habsburgs in dem Kampf gegen die Türken fungierte jetzt das an die Stelle Polens getretene Russland, das ans Mittelmeer vorzustoßen versuchte. Das Osmanische reich wurde dadurch während des 18. Jahrhunderts in die europäische Machtpolitik verstrickt. Die Gegner Habsburgs und Russland, insbesondere Schweden und Frankreich unterstützten die Osmanen, die Niederlande und England, denen es um die Absicherung ihrer vom Sultan gewährten Handelsprivilegien in der Levante ging, verhielten sich neutral. Sie waren nur darum bemüht, eine Kontrolle des Osmanischen Reiches durch irgendeinen europäischen Staat zu verhindern, da dies ihm ein deutliches Übergewicht in der europäischen Machtkonstellation bedeutete.

Den Auftakt zu den kriegerischen Verwicklungen der Türken im 18. Jahrhundert bildete die erneute Auseinandersetzung mit Russland unter der Regierung Achmeds III (1703-1730). Karl XII. von Schweden war 1709 nach seiner Niederlage bei Poltawa gegen die Russen auf osmanisches Gebiet geflüchtet, wo ihm Achmed III. Asyl gewährte. Von 1709 bis 1714 hielt sich Karl XII. in Demotika in dem Bestreben auf, den Sultan zu einem Krieg gegen Russland zu bewegen. Durch den Hospodar der Moldau, Demetrios Kantemir, ließ sich Peter der Große dazu verleiten, in die Türkei vorzustoßen. Er musste aber nach seiner Kapitulation im Jahre 1711 in den Frieden am Pruth einwilligen, durch den es dem Sultan gelang, verloren gegangene Gebiete wieder zurück zu gewinnen. Als Folge des Verrates des Hospodars Demetrios erlangten die schon im 17. Jahrhunderts aufsteigenden griechischen Fanarioten stärkeren Einfluss. Nach Beendigung des Krieges mit Russland kam es schon wenige Jahre später zu erneuten Auseinandersetzungen mit Venedig und Österreich (1714.1718). 1716 konnte Prinz Eugen von Savoyen die Türken bei Peterwardein besiegen und 1717 Belgrad erobern. Unter dem Eindruck dieser Erfolge gab es den Frieden von Passarowitz 1718, in dem Venedig endgültig auf den Peloponnes verzichtete, der habsburgische Kaiser jedoch den Banat von Temesvár, die Kleine Walachei und einen Teil von Serbien erringen konnte.

In den folgenden Jahren versuchte Achmed III., dem geistigen Leben mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Er ließ fünf Bibliotheken bauen, eine Wasserleitung vom Nordende des Goldenen Horns nach Istanbul anlegen und eine Porzellanfabrik errichten. Infolge der allgemeinen Kriegsmüdigkeit des Landes wandte sich die osmanische Öffentlichkeit eine Zeit lang von der Politik ab und mehr geistigen Dingen zu. Es setzte eine Welle der Europäisierung ein, die ihre Kulmination in der von 1717 bis 1730 währenden „Tulpenzeit“ erfuhr. Ihren Namen erhielt diese Periode von der sich im Osmanischen Reich entwickelnden Tulpenzucht. Europäische Einflüsse machten sich jetzt auch in der Baukunst bemerkbar, neben der Übernahme technischer Errungenschaften Europas wirkte sich die Europäisierung auch in der Ausbildung einer Diplomatie und in der Anpassung der türkischen Politik an die europäischen Kabinette aus.

Die friedliche Regierungsperiode Achmeds III. endete schließlich mit dessen Ermordung. Die mit dem Untergang der Safaviden einhergehenden Wirren in Persien, die Peter dem Großen eine Ausweitung Russlands bis Gilan erlaubten, warfen bereits ihre Schatten auf das Osmanische Reich, das 1723 bis 1733 militärische Unternehmungen in Persien durchführte. 1730 wurde Achmed durch einen Volksaufstand gestürzt und sein Neffe Machmud I (1730-1754) wurde sein Nachfolger. Unter seiner Regierung, während der die Janitscharen jahrelang eine Willkürherrschaft ausübten, kam es wieder zu Konflikten an der europäischen und persischen Front. Die Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern wurden allmählich durch Kämpfe mit Russland abgelöst. In dem von 1736 bis 1739 dauernden österreichisch-russischen Koalitionskrieg erwiesen sich die Türken den militärisch geschwächten Österreichern gegenüber als ebenbürtig. Im Frieden von Belgrad 1739 verlor Habsburg die Gewinne von 1718 mit Ausnahme des Banats von Temesvár, während die Russen Asow erneut erhielten. Im Osten des Osmanischen Reiches hatte in der Zwischenzeit der turkmenische Heerführer Schah Nadir die iranische Macht wiederhergestellt und Mesopotamien und Gebiete östlich von Anatolien zurück gewonnen. Die lang andauernden Kämpfe zwischen den Osmanen und Nadir fanden schließlich mit der Niederlage bei Eriwan 1746 und der Ermordung Nadirs ihr Ende. In den nach seinem Tode ausbrechenden Wirren konnte das Osmanische reich die Grenze von Qasr-i-Schirin behaupten.

Unter Murad III. (1574-1595) dauerten die inneren Zerfallserscheinungen im Osmanischen Reich an, nach der Ermordung des Großwesirs Mehmed Soqullu gewannen der Harem und dann die führenden Janitscharenoffiziere immer mehr an Einfluss. Administrative, soziale und wirtschaftliche Schwierigkeiten nahmen zu, dennoch betrieb auch Murad III. eine Eroberungspolitik, die vor allem der Expansion des Fürstentums Moskau unter Iwan IV. entgegenwirken sollte. Die Wirren nach dem Tode von Schah Tahmasp 1576 im Iran ausnützend, konnte Murad III. den Kaukasus und Aserbaidschan 1578 erobern und so das Reich auf den Höhepunkt seiner territorialen Ausdehnung führen. Noch unter Murad III. kam es zu einem erneuten österreichisch-osmanischen Krieg 1593, der nach der Einnahme von Teilen Zentralungarns und Rumäniens durch die Österreicher in der Schlacht von Keresztes 1596 eine Wendung erfuhr, so dass die Habsburger in den Friedensvertrag von Zsitva Torok 1606 einwilligen mussten, der die osmanische Herrschaft über Ungarn und Rumänien wieder festigte.

Auch im Osten wuchs mit dem Aufstieg von Schah Abbas I. (1587-1629) und dem Wiedererstarken des Safavidenreiches eine neue Gefahr heran. Osman II (1618-1622) und Murad IV. (1623-1640) versuchten dem durch Reformen, die das Osmanenreich wieder stabilisieren sollten, zu begegnen, und ihre Reformbemühungen wurden unter Mehmed IV. (1648-1687) durch die Dynastie der Köprülü-Großwesire fortgesetzt. 1603 konnte Schah Abbas I. den Kaukasus und Aserbaidschan einnehmen. 1624 erfolgte die Eroberung des mittleren Irak, doch ermöglichte es das Reformwerk Murads IV., der iranischen Bedrohung zu begegnen. 1638 konnte der Irak zurückgewonnen werden, und im Vertrag von Qasr-i-Schirin von 1639 wurde die moderne iranisch-türkische Grenze festgelegt. 1645 brach anlässlich des Versuchs der Osmanen, Kreta zu erobern, ein neuer Krieg mit Venedig aus, der bis 1669 dauerte und Anfangserfolge Venedigs brachte, bis Reformen Mehmed Köprülüs zum Erfolg führten. Nach 24jähriger Belagerung konnte Kreta 1669 erobert werden.

Die durchgeführten Reformen waren jedoch immer nur augenblicklicher Natur, sie beseitigten aktuelle Missstände, konnten aber die überlebten osmanischen Institutionen nicht erneuern, so dass das Osmanische Reich auf die Dauer nicht mit dem Fortschritt der aufsteigenden europäischen Nationalstaaten mithalten konnte. Dennoch marschierte der Großwesir Quara Mustafa Pascha 1681 wiederum in Mitteleuropa ein und belagerte Wien. Dank dem Eingreifen des polnischen Königs Johan III. konnte Wien gehalten werden und es bildete sich eine europäische Koalition, die gegen das Osmanische reich vorging. Der Krieg gegen die Armeen der katholischen Liga von 1683 bis 1699 endete im Frieden von Karlowitz, der für das Osmanische Reich eine Schwächung bedeutete.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich die Lage des Osmanischen Reiches grundlegend verändert. In den Kampf gegen die Osmanen war neben Habsburg und Venedig noch Russland getreten, das während der Regierungszeit Mustafas II. (1695-1703) Asow eroberte. Russland ging es bei seinem Kriegseintritt darum, durch das Schwarze Meer und die Dardanellen ins Mittelmeer vorzustoßen. Die Niederlage bei Zenta im Jahre 1697 führte schließlich zum Frieden mit den Habsburgern in Karlowitz 1699 und 1700 zum Frieden von Konstantinopel mit Russland, dem das Gebiet bis an den Dnjestr und die Festung Asow zugesprochen wurde, mit der es einen ersten Stützpunkt am Schwarzen Meer erhielt. Die Friedensschlüsse um die Wende zum 18. Jahrhundert zeigten deutlich den Machtverfall des Osmanischen Reiches auf: Im Südosten Europas hat es seine hegemoniale Stellung eingebüßt, der Druck nach Mitteleuropa ließ nach, Österreich konnte sich auf Kosten des Osmanenreiches erheblich nach Südosten ausdehnen. In den 109 Jahren zwischen der zweiten Belagerung von Wien und dem Frieden von Jassy im Jahre 1792, in denen das Osmanische Reich 41 Jahre lang in Kriege verwickelt war, ging es für nun darum, den Bestand des Reiches zu wahren und die Verfallsperiode zu überdauern. Als Verbündeter Habsburgs in dem Kampf gegen die Türken fungierte jetzt das an die Stelle Polens getretene Russland, das ans Mittelmeer vorzustoßen versuchte. Das Osmanische reich wurde dadurch während des 18. Jahrhunderts in die europäische Machtpolitik verstrickt. Die Gegner Habsburgs und Russland, insbesondere Schweden und Frankreich unterstützten die Osmanen, die Niederlande und England, denen es um die Absicherung ihrer vom Sultan gewährten Handelsprivilegien in der Levante ging, verhielten sich neutral. Sie waren nur darum bemüht, eine Kontrolle des Osmanischen Reiches durch irgendeinen europäischen Staat zu verhindern, da dies ihm ein deutliches Übergewicht in der europäischen Machtkonstellation bedeutete.

Den Auftakt zu den kriegerischen Verwicklungen der Türken im 18. Jahrhundert bildete die erneute Auseinandersetzung mit Russland unter der Regierung Achmeds III (1703-1730). Karl XII. von Schweden war 1709 nach seiner Niederlage bei Poltawa gegen die Russen auf osmanisches Gebiet geflüchtet, wo ihm Achmed III. Asyl gewährte. Von 1709 bis 1714 hielt sich Karl XII. in Demotika in dem Bestreben auf, den Sultan zu einem Krieg gegen Russland zu bewegen. Durch den Hospodar der Moldau, Demetrios Kantemir, ließ sich Peter der Große dazu verleiten, in die Türkei vorzustoßen. Er musste aber nach seiner Kapitulation im Jahre 1711 in den Frieden am Pruth einwilligen, durch den es dem Sultan gelang, verloren gegangene Gebiete wieder zurück zu gewinnen. Als Folge des Verrates des Hospodars Demetrios erlangten die schon im 17. Jahrhunderts aufsteigenden griechischen Fanarioten stärkeren Einfluss. Nach Beendigung des Krieges mit Russland kam es schon wenige Jahre später zu erneuten Auseinandersetzungen mit Venedig und Österreich (1714.1718). 1716 konnte Prinz Eugen von Savoyen die Türken bei Peterwardein besiegen und 1717 Belgrad erobern. Unter dem Eindruck dieser Erfolge gab es den Frieden von Passarowitz 1718, in dem Venedig endgültig auf den Peloponnes verzichtete, der habsburgische Kaiser jedoch den Banat von Temesvár, die Kleine Walachei und einen Teil von Serbien erringen konnte.

In den folgenden Jahren versuchte Achmed III., dem geistigen Leben mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Er ließ fünf Bibliotheken bauen, eine Wasserleitung vom Nordende des Goldenen Horns nach Istanbul anlegen und eine Porzellanfabrik errichten. Infolge der allgemeinen Kriegsmüdigkeit des Landes wandte sich die osmanische Öffentlichkeit eine Zeit lang von der Politik ab und mehr geistigen Dingen zu. Es setzte eine Welle der Europäisierung ein, die ihre Kulmination in der von 1717 bis 1730 währenden „Tulpenzeit“ erfuhr. Ihren Namen erhielt diese Periode von der sich im Osmanischen Reich entwickelnden Tulpenzucht. Europäische Einflüsse machten sich jetzt auch in der Baukunst bemerkbar, neben der Übernahme technischer Errungenschaften Europas wirkte sich die Europäisierung auch in der Ausbildung einer Diplomatie und in der Anpassung der türkischen Politik an die europäischen Kabinette aus.

Die friedliche Regierungsperiode Achmeds III. endete schließlich mit dessen Ermordung. Die mit dem Untergang der Safaviden einhergehenden Wirren in Persien, die Peter dem Großen eine Ausweitung Russlands bis Gilan erlaubten, warfen bereits ihre Schatten auf das Osmanische Reich, das 1723 bis 1733 militärische Unternehmungen in Persien durchführte. 1730 wurde Achmed durch einen Volksaufstand gestürzt und sein Neffe Machmud I (1730-1754) wurde sein Nachfolger. Unter seiner Regierung, während der die Janitscharen jahrelang eine Willkürherrschaft ausübten, kam es wieder zu Konflikten an der europäischen und persischen Front. Die Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern wurden allmählich durch Kämpfe mit Russland abgelöst. In dem von 1736 bis 1739 dauernden österreichisch-russischen Koalitionskrieg erwiesen sich die Türken den militärisch geschwächten Österreichern gegenüber als ebenbürtig. Im Frieden von Belgrad 1739 verlor Habsburg die Gewinne von 1718 mit Ausnahme des Banats von Temesvár, während die Russen Asow erneut erhielten. Im Osten des Osmanischen Reiches hatte in der Zwischenzeit der turkmenische Heerführer Schah Nadir die iranische Macht wiederhergestellt und Mesopotamien und Gebiete östlich von Anatolien zurück gewonnen. Die lang andauernden Kämpfe zwischen den Osmanen und Nadir fanden schließlich mit der Niederlage bei Eriwan 1746 und der Ermordung Nadirs ihr Ende. In den nach seinem Tode ausbrechenden Wirren konnte das Osmanische reich die Grenze von Qasr-i-Schirin behaupten.

In den Regierungsperioden Osmans III. (1754-1757) und Mustafas III. (1757-1773) fiel der machtpolitische Umschwung, der an die Stelle Habsburgs Russland als Vorkämpfer gegen die Osmanen treten ließ. Die Russen verstärkten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre Anstrengungen. Das Osmanische Reich, dessen Militär in der Friedenszeit mehr und mehr verfiel, wurde jetzt zum Spielball der europäischen Mächte. Im Jahre 1768 erklärte Mustafa III. auf Drängen Frankreichs Russland den Krieg. 1769 besetzten die russischen Heere Bessarabien, die Moldau und die Walachei und stießen 1770 nach Bulgarien vor. Im gleichen Jahr vernichtete die russische Flotte die türkische in der Bucht von Tscherschme. Unter Einwirkung von Österreich und Preußen, die die russischen Erfolge beunruhigten, kam es schließlich zum Friedensschluß von Kütschük Qaynardschy bei Silistria im Jahre 1774. Unter Katharina II. gewann Russland den Nordrand des Schwarzen Meeres und die Schirmherrschaft über die Krim. 1775 konnte der deutsche Kaiser aufgrund der Schwäche des türkischen Reiches durch geschickte Verhandlungen die Bukowina erlangen.

Unter der Herrschaft Abd ül-Hamids I. (1773-1789) gelang Russland dann endgültig der Durchbruch als Vormacht am Schwarzen Meer. Russland, das immer mehr als Schutzmacht der orthodoxen Länder auf dem Balkan auftrat, verstärkte seine Expansionspolitik gegenüber dem Osmanischen Reich. Es gelang aber dem Osmanischen Reich, durch Bündnispolitik mit europäischen Mächten seine Stellung zu verbessern. Freundschaftliche Beziehungen bestanden zu England und die Niederlande, Frankreich konnte seinen über Jahrhunderte gepflegten Kontakt mit den Türken noch vertiefen. Hinzu kamen Verträge mit Schweden 1733, 1756 mit Dänemark und 1761 mit Preußen. Ein Bündnis mit Friedrich war angesichts von dessen bedrohlicher Lage im Lager von Bunkelwitz geschlossen worden. Trotz dieser internationalen Verflechtung vermochte das Osmanische Reich die Bedrohung durch Russland nicht abzuwenden.

1781 ging Katherina ein Bündnis mit Österreich ein, das gegen Preußen und die Türkei gerichtet war, deren Aufteilung Josef II. von seiten Russlands vorgeschlagen wird. 1783 wurde die Krim von Russland annektiert, 1784 erwarb die Zarin das Schutzrecht über Georgien. Zum letzten Male verbanden sich Österreich und Russland in dem Krieg von 1787 bis 1792 gegen die Türkei. Angestachelt von Preußen und England und in einem Bündnis mit Schweden stehend, das auf den Wiedererwerb Finnlands hinzielte, erklärte das Osmanische reich den Russen 1787 den Krieg. 1789 besetzte ein österreichisches Heer Belgrad, Bukarest wurde in Verbindung mit der russischen Armee eingenommen. 1791 sah sich Österreich infolge von Aufständen in Belgien und Ungarn jedoch gezwungen, den Frieden von Swischtow einzugehen, der den Verlust der Moldau und der Walachei mit sich brachte. Das den Krieg siegreich fortführende Russland musste schließlich aufgrund der internationalen Lage in den Frieden von Jassy im Jahre 1792 einwilligen, der ihm den Gewinn des Gebietes zwischen Bug und Dnjestr sicherte. Katharina II konnte damit die Nordküste des Schwarzen Meeres endgültig für Russland erwerben. Der Friede von Jassy bedeutete einen Einschnitt in die Geschichte des Osmanischen Reiches. Mit der Herrschaft Selims III. (1789-1807) endete die Verfallsperiode der Türkei und es setzte eine erste Phase von Reformen ein, die dem Osmanischen Reich eine neue Basis sozialer und politischer Art gab.

Im Inneren des Osmanischen Reiches dauerte die bereits im 16. Jahrhundert einsetzende Zersplitterung in autonome lokale Herrschaften aufgrund der Schwäche der Zentralregierung das gesamte 18. Jahrhunderts hindurch an. Regionale Machthaber konnten sich insbesondere in den asiatischen Teilen der Türkei, aber auch in Anatolien und Kurdistan durchsetzen. Gefördert wurde ihre Autonomie vor allem durch nationale Strömungen, die eine weitere Zugehörigkeit zum Osmanischen Reich ablehnten. Diese Strömungen verstanden die lokalen Machthaber für sich auszunutzen. In Ägypten konnten die Truppen des Sultans nur mühsam den in Verbindung mit Russland stehenden Mameluken Ali Bey in den Jahren 1768 bis 1772 niederwerfen, und auch Unruhen in Syrien in den Jahren 1770 und 1783-1785 bereiteten große Schwierigkeiten. Erwies sich so die osmanische Herrschaft als vielfach gefährdet, so stellte sie sich noch wesentlich lockerer im Maghreb dar. In Tripolitanien regierte seit 1711 die Pascha-Dynastie der Qaramanly, die zunächst für eine politische Stabilität der Provinz zu sorgen vermag, jedoch gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts in innere Zwistigkeiten verfiel. In Tunesien kam 1705 der Bey Husain an die Macht, dessen Nachfahren das Land bis 1957 beherrschten. In Algerien, das in erster Linie von der Seeräuberei lebte, bis der Machtanstieg Frankreichs und Englands die Überfälle einzuschränken vermag, regierten seit 1671 die Deys. Trotz einer gewissen Unabhängigkeit erkannten diese Provinzen die Oberhoheit des osmanischen Sultans an. Marokko konnte sich als unabhängiger Staat im Maghreb behaupten. Sultan Ismail (1672-1729) konnte ein Heer von 150.000 Mann aufbieten und die Berber im Süden des Landes zurückdrängen.

Der Friede von Jassy, der in die Regierungsperiode Sultan Selims III. (1789-1807) fiel, bedeutete in der Geschichte des Osmanischen Reiches eine Wende: Mit ihm endete die lange Zeit des Niedergangs, und das Osmanische Reich, das trotz der vielfachen von seinen europäischen Gegnern zugefügten Niederlagen noch ganz Anatolien, die arabische Welt vom Irak bis Nordafrika und den gesamten südlich der Donau gelegenen Balkanraum umfasste, trat in eine neue Phase seiner geschichtlichen Entwicklung ein, in der sich durch grundlegende, über ein Jahrhunderts währender Reformen auf sozialem und politischem Gebiet eine tiefgehende Erneuerung vollzog. Dieses das 19. Jahrhundert umspannende Reformwerk wurde von Sultan Selim III. eingeleitet und von Machmud II. fortgesetzt. Beide Reformer standen dabei noch in der Tradition alter osmanischer Reformvorstellungen bei ihrem Bestreben, durch die Beseitigung von Korruption und Nepotismus den alten Institutionen wieder neue Funktionen zu verleihen. Die militärische Überlegenheit der Europäer zwang Selim III. zu umfangreichen Militärreformen, die auch von Machmud II. durchgeführt wurden. Selim III. schaffte neue Streitkräfte, die in ihrer Bewaffnung, taktischen Schulung, Organisation und Disziplin die Armeen Europas zum Vorbild hatten. Neben diesen leistungsfähigen Truppen, die allerdings nicht mehr als 10.000 Personen umfassten, bestanden jedoch auch die älteren Militäreinheiten in über zehnfacher Stärke weiter; diese standen der Aufstellung der neuen Truppenverbände von Anfang an feindselig gegenüber. Schließlich provozierten die neuen Truppen 1807 eine Janitscharenrevolte gegen Selim III., die zu ihrer vorübergehenden Auflösung führte.

Das Reformwerk Selims III. wurde allerdings nicht nur durch den Konservatismus und die Opposition im Osmanischen Reich behindert, sondern vor allem durch äußere Gefahren, die das Reich in seiner Existenz ernsthaft bedrohten. Napoleons Vorstoß nach Ägypten im Jahre 1798 rief einen Bruch zwischen der Türkei und dem bisher befreundeten Frankreich hervor und führte zu einer zeitweiligen politischen Annäherung an England. Als Folge der napoleonischen Expedition nach Ägypten und Syrien, die bereits 1798 durch den Sieg der englischen Flotte unter Admiral Nelson bei Abukir über die französische in Frage gestellt wurde, kam es zu einem russisch-türkischen Bündnis. Als die Franzosen 1802 durch die Engländer aus Ägypten vertrieben wurden, trat wieder eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und Frankreich ein. Als Folge griff die Türkei während der napoleonischen Feldzüge nicht ein. In den Jahren von 1806 bis 1812 wurde das Osmanische reich erneut in einen Krieg mit Russland verwickelt, in dessen Verlauf das Zarenreich die Fürstentümer Moldau und Walachei sowie Bessarabien besetzte. Im Frieden von Bukarest vom 28.5.1812 gewann Russland schließlich Bessarabien wieder zurück.

Im April 1807 brach eine Janitscharenrevolte gegen Selim III. aus, die zur Absetzung des Sultans führte. Selim III. wurde ein Jahr später ermordet, sein Nachfolger wurde Machmud II.. Machmud II. konnte Schritt für Schritt seine Macht im Inneren festigen und konnte einige Gegenspieler ausschalten. Während so in einigen Gebieten des Osmanischen Reiches die Herrschaft des Sultans wieder gestärkt werden konnte, ging in anderen das Streben nach Autonomie weiter. Bagdad und Basra wurden bis 1831 von mamelukischen Paschas regiert. Unter dem seit 1806 als Statthalter über das Nilgebiet eingesetzten General Muhammad Ali (1769-1849) entwickelte Ägypten ein zunehmendes Maß an Autonomie und in anderen teilen des Osmanischen Reiches kam es infolge eines wachsenden Nationalgefühls zu Aufständen: 1815 erhoben sich die Serben, 1821 brach der griechische Befreiungskrieg aus. 1821 kam es zu einem Aufstand unter Fürst Alexandros Ypsilanti dem Jüngeren in Jassy. Darauf erhob sich das restliche Griechenland und am 1.1.1822 wurden auf dem Nationalkongress zu Epidauros die Unabhängigkeit und ein Verfassungsgesetz verkündet. In ganz Europa rief der griechische Unabhängigkeitskampf spontane Begeisterung hervor. Im Zuge einer alle Länder Europas umfassenden philhellenischen Bewegung eilten viele Freiwillige nach Griechenland, unter ihnen auch der englische Dichter Lord Byron, um den Aufständischen beizustehen.

Als die Janitscharen gegen die griechischen Rebellen den Kürzeren zogen, ging 1824 der Gouverneur von Ägypten, Muhammad Ali gegen sie vor und errang zahlreiche Siege, was die Janitscharenkorps im Osmanischen Reich in Misskredit brachte. Bereits 1815 hatte Machmud II. moderne Truppen unter dem Namen Sekban-i-dschedid wieder aufgestellt und sie dann nach Istanbul bringen lassen. Als die Janitscharen am 15.6.1826 zu revoltieren begannen, gingen Machmuds II. neue Truppen gegen sie vor und besiegten sie. Damit war der Weg frei für eine tief greifende Reform des türkischen Heeres.

Die Vernichtung der alten türkischen Armee wirkte sich militärisch zunächst jedoch verheerend aus, der Kriegseintritt der europäischen Großmächte führte zu einer Wende im griechischen Freiheitskampf. 1827 wurde die türkische Flotte in der Seeschlacht bei Navarino von der englischen, französischen und russischen vernichtet. Der russisch-türkische Krieg von 1828 bis 1829 zwang den Sultan zum Einlenken. Im Frieden von Adrainopel 1829 erkannte das Osmanische Reich die Unabhängigkeit Griechenlands an; Samos, Chios, Epiros, Thessalien und Kreta blieben jedoch weiterhin unter türkischer Herrschaft. Die Unabhängigkeit Griechenlands wurde im Londoner Protokoll vom 3.2.1830 von den Schutzmächten Russland, England und Frankreich bestätigt. Auf der Londoner Konferenz wurde der Sultan von den Großmächten zugleich zur Anerkennung der Autonomie Serbiens, der Moldau und der Walachei gezwungen.

Auch im arabischen Raum des Osmanischen Reiches machten sich jetzt verstärkt Unabhängigkeitsströmungen bemerkbar. Ägyptens Statthalter Mohammad Ali eroberte Syrien, Südarabien und Südostanatolien und trug in der Schlacht von Konya am 21.12.1832 den Sieg über die osmanische Armee davon. Im Frieden von Kütahya von 1833 erhielt Mohammad Ali Syrien zusammen mit der Verwaltung Kilikiens. Um Hilfe gegen den ägyptischen Statthalter zu bekommen, ging Machmud daraufhin einen Schutzvertrag mit Russland ein. Ende 1833 zwangen die europäischen Mächte, als sie sich über eine Aufteilung des Osmanenreiches nicht einigen konnten und einen Sieg des ägyptischen Statthalters über den Sultan befürchten mussten, Mohammad Ali zum Rückzug und retteten somit Machmud II..

Machmud II. setzte in den folgenden Jahren seine Bemühungen um den Aufbau einer modernen Armee nach europäischem Vorbild fort. In neuen technischen Schulen wurden die Offiziere ausgebildet und von preußischen Militärexperten unter dem Kommando von Moltke geschult. Weiterhin ließ Machmud II. ein säkulares Grundschulsystem aufbauen, das die Schüler auf die technischen Schulen vorbereiten sollte. Die europäische Kleidung wurde eingeführt und musste von den Regierungs- und Armeemitgliedern getragen werden. Wichtige Reformen wurden auch für die Regierung und Finanzverwaltung in dem Bestreben durchgesetzt, die Zentralgewalt des Sultans zu stärken und die traditionellen Formen der Autonomie im Osmanischen Reich zu beseitigen. 1839 kam es dann erneut zu Auseinandersetzungen mit dem Pascha von Ägypten, bei denen Machmud II. seine noch nicht voll ausgebaute Armee einsetzte und eine verheerende Niederlage in der Schlacht von Nezib am 24.6.1839 einstecken musste.

Nach dem Tode Machmud II. folgte ein Sohn Machmuds II. als Abd ül-Medschid I. (1839-1861), der sich gegen Vorstöße Muhammad Alis, zu dem die türkische Flotte nach seinem Sieg übergegangen war, wehren musste. Daraus entwickelte sich 1839 bis 1841 die orientalische Krise. In dem Krieg zwischen Muhammad Ali und dem Sultan wurde Ägypten von Frankreich unterstützt, während der türkische Sultan Hilfe von England und Russland erhielt. In der 1. Londoner Konvention vom 15.7.1840, in der es zu einer Verständigung zwischen England, Russland, Preußen und Österreich kam, wurde Frankreich ausgeschaltet. Abd ül-Medschid I konnte die 1833 verlorenen Gebiete wieder zurückgewinnen. In der 2. Londoner Konvention vom 13.7.1841, dem so genannten Meerengenvertrag, den der Sultan mit den fünf europäischen Großmächten einging, wurde die Durchfahrt durch die Dardanellen und den Bosporus für nichttürkische Kriegsschiffe in Friedenszeiten verboten.

Nachdem für das Osmanische Reich außenpolitische wieder Ruhe eingetreten war, konnte sich der Sultan verstärkt den Reformen im Inneren zuwenden, die bereits von Selim III. und Machmud II. im Angriff genommen worden waren. Zwischen 1836 und 1876 wurden die Reformen in einem umfangreichen Gesetzgebungswerk verankert, dem Tanzimat, weshalb die folgende Phase in der Geschichte des türkischen Reiches als Tanzimat-Periode bezeichnet wurde. Im Tanzimat wurde die Abschaffung der Steuerpacht vom Sultan versprochen, ferner die allgemeine Rechtssicherheit und Steuerreformen. Nach europäischem Muster wurden jetzt Recht, Verwaltung und Schulwesen ausgebaut. Die osmanische Regierung, die Armee und das Schulwesen erfuhren so in der Tanzimat-Periode eine Modernisierung, die mit ausländischer Hilfe durchgesetzt werden konnte. Unter Sultan Abd ül-Medschid stieg der Minister Mustafa Mechmed Reschid Pascha, der zwischen 1839 und seinem Tode im Jahre 1856 sechsmal das Amt des Großwesirs innehatte, zum bedeutendsten Mann der Tanzimat-Periode empor.

Die Tanzimat-Periode umfasste die Regierungszeit von Abd ül-Medschid I. und Sultan Abd ül-Asis (1861-1876) und erreichte ihren Höhepunkz unter Abd ül-Hamid II. (1876-1909). Nach Beendigung des Krimkrieges wurden in dem auf Druck der europäischen Mächte hin am 18.2.1856 erlassenen Edikt hatt-i-hümayun eine Vielzahl von Reformen versprochen (Abschaffung der Folter, Verbesserung des Steuer- und Gerichtswesens, Gewährung der Religionsfreiheit). Trotz zahlreicher religiöser und nationaler Spannungen konnten die Reformen während der Tanzimat-Periode gegen den Widerstand breiter Kreise der türkischen Bevölkerung durchgesetzt werden. Im Bereich von Regierung und Verwaltung wurde ein übergreifendes bürokratisches System angestrebt, das von der Übertragung der Regierungsgewalt auf die Zentralverwaltung in Istanbul geprägt war. Diese Zentralisierung der Regierungsmacht und die Ausweitung ihrer Aufgaben bedingte die Schaffung neuer Institutionen im zentralen Verwaltungsapparat, was die gesamte Tanzimat-Periode hindurch durch die Bildung von Expertengremien mit legislativen, exekutiven und richterlichen Funktionen im Bereich des Erziehungswesens, des Militärs, der Wirtschaft und der Rechtspflege vollzogen wurde. Im Bereich des Erziehungswesens wurden während der Tanzimat-Periode die traditionellen osmanischen Schulen, die Medresen, Schritt für Schritt durch ein neues säkulares Schulsystem ersetzt, das der Ausbildung der Verwaltungsbeamten und der Offiziere diente. Dennoch bestand das System der Medresen weiterhin fort, deren Schüler nach ihrer Ausbildung heftigen Widerstand gegen die Tanzimat-Reformen leisteten. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts kamen zu dieser bereits bestehenden Opposition noch Widerstand aus der neuen, durch die Tanzimat gebildeten Klasse hinzu, der sich in der Organisation der „Jungen Osmanen“ zusammenschloss. Diese Bewegung arrangierte sich nach 1870 jedoch wieder mit der türkischen Regierung und gaben ihren Widerstand auf.

Stand so die Tanzimat-Periode innenpolitisch mit der Abschaffung osmanischer Traditionen durch aus dem Westen übernommene stark unter dem Einfluss Europas, so wurde außenpolitisch die Entwicklung des Osmanischen Reiches weiterhin von den Einwirkungen der europäischen Großmächte geprägt. Von 1853 bis 1856 kam es zum Krimkrieg, der zwischen der Türkei und Russland ausbricht und im Zusammenhang des beständigen Ringens der europäischen Großmächte um beherrschende Machtpositionen zu sehen war. Das Osmanische Reich erhielt dabei Unterstützung von England und Frankreich und schließlich auch noch von Sardinien. Der Krimkrieg entzündete sich an den bisher noch ungelösten gegensätzlichen Interessen in der orientalischen Frage. Russland zielte schon lange auf den Besitz der Dardanellen und versuchte dies durch die Zerschlagung der Türkei zu erreichen. Als Russland dem Osmanischen Reich den Krieg erklärte, nutzte Napoleon III. diese Gelegenheit, um Frankreich außenpolitisch aus der seit dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft bestehenden Isolierung herauszuführen. In England forderte Lord Palmerston entgegen dem Premierminister Aberdeen den Krieg gegen Russland, der dann auch am 28.3.1854 ausbrach. Der bis 1856 andauernde Krimkrieg endete mit der Niederlage Russlands. Im Frieden von Paris am 30.3.1856 wurde die Unabhängigkeit der Türkei von den europäischen Großmächten garantiert, ferner wurden die Dardanellen für russische Kriegsschiffe gesperrt.

Nach dem Tode Sultan Abd ül-Medschids I. kam sein Bruder Abd ül-Asis auf den osmanischen Thron, unter dessen Regierung die inneren Schwierigkeiten im Osmanischen Reich andauerten. 1876 wurde Abd ül-Asis bei einer Revolte ermordet und Sultan Murad V. gelang zur Herrschaft, der sich jedoch als unfähig erwies und noch im selben Jahr bei einem Aufstand in der Herzegowina und in Bosnien von Abd ül-Hamid II abgelöst wurde, der bis 1909 die Geschicke des Osmanischen Reiches bestimmte. Der neue Sultan verkündete sogleich nach seiner Thronbesteigung eine von dem Großwesir Midhat Pascha und Hüseyin Avni Pascha ausgearbeitete Verfassung (Gleichheit vor dem Gesetz ohne Unterschied der Religion, Freiheit der Religionsausübung, Gewährung der Pressefreiheit, Sicherheit der Person und des Eigentums). Es wurde ein aus zwei Kammern bestehendes Parlament geschaffen, dessen Machtbefugnisse in der Legislative jedoch sehr eingeschränkt waren. Allerdings ersetzte Sultan Abd ül-Hamid die Verfassung von 1876 sehr rasch wieder, ohne sie ganz aufzuheben, durch eine autokratische Herrschaft.

Aufstände von 1875/76 in der Herzegowina und in Ostrumelien führten zu Kriegen mit Serbien und Montenegro. In den Geheimkonventionen von Reichsstadt und Budapest sagte Österreich-Ungarn seine Neutralität im Falle eines russisch-türkischen Krieges zu, der dann auch 1877 ausbrach. Der Frieden von San Stefano vom 3.3.1878, durch den Montenegro, Rumänien und Serbien selbständig wurden und der Russland bedeutende territoriale Gewinne brachte, wurde jedoch durch den Berliner Kongress vom 13.6.-13.7. 1878 wieder abgeändert, wobei Russland seine Gebietsgewinne teilweise aufgeben musste. Nach dem verlorenen Krieg konnte Abd ül-Hamid II. noch intensiver alle nationalen und liberalen Tendenzen durch die Verbreitung der Idee des Panislamismus, der eine Einheit aller Muslime unter Führung des türkischen Sultans forderte. Dieser Osmanismus besagte, dass alle Osmanen gleiche Bürger des türkischen Reiches unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit seien. Es wurde ebenfalls der Panturkismus vertreten, der nach der Vereinigung aller Turkstämme strebte. Eine Aufteilung der Türkei umging Abd ül-Hamid II vor allem durch eine Annäherung an das Deutsche Reich. Einen Krieg mit Griechenland im Jahre 1897 verlief für das Osmanische Reich siegreich.

Seit 1890 wächst im Osmanischen Reich die Opposition gegen die bestehende Herrschaft. Der aktive Widerstand gegen Abd ül-Hamid II bildete sich insbesondere in den Städten, die bedeutendste oppositionelle Gruppe war die „Gesellschaft für Fortschritt und Einheit“, die 1889 von Studenten der militärischen Medizin-Akademie in Istanbul gegründet worden war. Verfolgungen des Sultans aufgrund eines Mordversuches an ihn im Jahre 1892 zwangen zahlreiche Gegner zur Flucht ins europäische Ausland. Seit 1906 fing in der Türkei die jungtürkische Opposition an, eine rege Untergrundtätigkeit zu entfalten. 1907 schließen sich die verschiedenen Widerstandsgruppen zum „Komitee für Einheit und Fortschritt“ zusammen, das rasch Rückhalt in der gesamten Türkei fand. Als der Sultan das Komitee zerschlagen wollte, revoltierte die makedonische Armee und die jungtürkische Revolution erzwang die Wiederherstellung der Verfassung von 1876 und das Zusammentreten des Parlaments.

Eine am 31.3.1909 von Abd ül-Hamid II. durchgeführte Gegenrevolution wurde von Einheiten der Armee wieder zerschlagen, der Sultan wurde abgesetzt und auf den osmanischen Thron gelangte sein Bruder Mechmed V. Reschad (1909-1918), der gegenüber den Jungtürken kaum mehr selbständigen Einfluss besaß. Das „Komitee für Einheit und Fortschritt“ vollzog jetzt eine Türkifizierung des Reiches in allen Bereichen und setzten eine Modernisierung durch. Aber auch die Jungtürken konnten die innere Schwäche des Reiches nicht beseitigen, die sich europäische Mächte zunutze machten. 1911/12 eroberten die Italiener Tripolis und die Cyrenaika. Im 1. und 2. Balkankrieg verlor das Osmanische Reich große Teile seines europäischen Gebietes. In der Türkei richtete das Komitee eine Diktatur ein, die die Modernisierung des Reiches im Zeichen des türkischen Nationalismus vorantrieb.

Während des 1. Weltkrieges kämpfte das osmanische Reich auf der Seite der Mittelmächte, was auf die engen Verbindungen zwischen der Türkei und dem Deutschen Reich während der vorangegangenen Jahre zurückzuführen war. Trotz zahlreicher militärischer Erfolge vollzog sich schließlich der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches. Unter Sultan Mechmed VI. Wahid ed-Din (1918-1922) wurde am 30.10.1918 der Waffenstilstand von Mudros unterzeichnet, der eine bedingungslose Kapitulation der Türkei und damit zugleich das Ende des Osmanischen Reiches bedeutete.

Die Entwicklung der Türkei unter Mustafa Kemal

Die Bedingungen des Waffenstillstande von Mudros waren für die Türkei äußerst hart, das Osmanische reich musste der Besetzung durch die Land- und Seestreitkräfte der Alliierten geöffnet werden, alle Gefangenen der Türkei mussten freigelassen werden und die osmanische Armee wurde demobilisiert. Die Alliierten begannen seit 1919 mit der Besetzung der ihnen durch das geheime Sykes-Picot-Abkommen vom 16.5.1916 zugestandenen Gebiete des Osmanenreiches. Am 15.5.1919 okkupierten die Griechen im Einverständnis mit den Entente-Mächten Smyrna und die Italiener nahmen Antalya und große Teile von Südwestanatolien in Besitz. Aufgrund dieser Ereignisse trat der Türkische Nationalkongress am 23.7.1919 zusammen, der unter der Führung von Mustafa Kemal stand. Mustafa Kemal eröffnete die Nationalversammlung in Ankara und ging dann immer entschiedener gegen das Regime des Sultans vor. Die Alliierten konnten sich jedoch gegenüber der Marionettenregierung Mechmeds VI. durchsetzen, was dazu führte, dass am 10.8.1920 der Sultan den Friedensvertrag von Sevres unterzeichnen musste. Dieser Vertrag beinhaltete die Leistung von Reparationen, die Beschränkung der türkischen Armee, die internationale Kontrolle der türkischen Häfen, der Eisenbahnen und der Meerengen, die Finanz- und Militärkontrolle sowie Gebietsabtretungen und die Aufteilung des Osmanischen Reiches.

Der Friedensvertrag von Sevres wurde von den von Mustafa Kemal geführten Nationalisten nichte anerkannt. Als nach dem Abschluss des Vertrages die Griechen in Thrakien und Anatolien vorzudringen beginnen, wobei tausende von türkischen Bauern getötet wurden, konzentrierte sich der Widerstand um Mustafa Kemal, der systematisch eine Armee aufbaute. Von 1920 bis 1922 kam es zum griechisch-türkischen Krieg, wobei die Griechen in der Schlacht am Sakaray-Fluss eine entscheidende Niederlage erlitten. In der Gegenoffensive konnten die Türken im September 1922 Smyrna erobern. Das sich der Vertrag von Sevres gegenüber der Türkei nur mit hohem militärischen Einsatz durchsetzen ließ, waren die kriegsmüden Alliierten zu neuen Friedensverhandlungen bereit. Mit dem Friedensvertrag von Lausanne am 24.7.1923 wurde der Frieden von Sevres revidiert: Die Türkei erhielt ihre volle Unabhängigkeit und Souveränität bestätigt, sie behielt Anatolien vollständig, gewann wieder einen Teil der Ägäischen Inseln und Teile Ostthrakiens, verzichtete aber auf alle nichttürkischen Gebiete.

Am 17.11.1922 war bereits die offizielle Regierung zurückgetreten, und am 18.11.1922 hatte Sultan Mechmed VI. abgedankt. Nach dem Frieden von Lausanne, der die außenpolitische Konsolidierung der Türkei herbeiführte, wurde die Türkei am 29.10.1923 zur Republik mit der Hauptstadt Ankara erklärt. Mustafa Kemal, der den Beinamen Atatürk (Vater aller Türken) erhielt, wurde Staatspräsident der Türkischen Republik. Durch die Verfassung erhielt die Große Nationalversammlung die oberste Staatsgewalt zugesprochen, Exekutive, Legislative und richterliche Gewalt kamen ihr zu, ihre Mitglieder wurden nach dem Prinzip des allgemeinen Wahlrechts gewählt. Die Exekutive lag in den Händen des Präsidenten und des Kabinetts, das sich gegenüber der Nationalversammlung verantworten musste. Neben der Entwicklung des türkischen Nationalismus ging eine Strömung einher, die die Struktur der neuen türkischen Republik entscheidend formte: der Laizismus, der die tradierte Einheit von Staat und Religion in der Türkei aufzuheben trachtet. Am 10.4.1928 wurde die Trennung von Religion und Staat in der Türkei weiter ausgeformt. Der Verfassungsartikel wurde aufgehoben, der den Islam zur Staatsreligion erklärt hatte und die Republik wurde zum säkularen Staat umgewandelt. Der Modernismus wurde in der republikanischen Türkei zu einer bedeutenden Kraft, die die überkommene osmanische Gesellschaft von Grund auf änderte. Um seine Reformen durchzusetzen, hielt Kemal Atatürk eine Diktatur auf „Zeit“ für notwendig, sowohl die Wahlen als auch die Nationalversammlung unterlagen daher der Kontrolle der Regierung. Kemal Atatürk stützte sich auf die Republikanische Volkspartei, die alle Gruppen der Bevölkerung, die in Berufszweige eingeteilt war, repräsentierte. Oppositionsparteien konnten sich kaum durchsetzen. In der Wirtschaft verfolgte Kemal das Prinzip des Etatismus, bei dem die private Initiative zwar noch die Grundlage des wirtschaftlichen Lebens blieb, dem Staat aber die Möglichkeit gegeben war, beständig in den gesamten Wirtschaftsprozess einzugreifen.

Am 10.11.1938 starb Kemal Atatürk, was jedoch keinerlei Veränderungen im politischen Gefüge der Türkischen Republik hervorrief. Zu seinem Nachfolger als Staatspräsident wurde am 11.11.1938 Ismet Inönü gewählt, der lange Zeit Premierminister war. Ismet Inönü blieb den gesamten 2. Weltkrieg hindurch türkischer Staatspräsident, ihm kamen dabei die gleichen diktatorischen Machtbefugnisse wie Kemal Atatürk zu. Während des 2.Weltkrieges blieb die Türkei zunächst neutral. Am 19.10.1939 ging sie mit Großbritannien und Frankreich einen Bündnisvertrag ein, der die türkische Sonderstellung berücksichtigte. Im Verlauf des Krieges schloss sich die Türkei noch enger an die Alliierten an und noch im letzten Kriegsjahr am 1.3.1945 erklärte sie dem faschistischen Deutschland den Krieg. Einen Tag darauf wurde die Türkei Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.

Die Türkei nach dem 2. Weltkrieg

Ihren während des 2. Weltkrieges vollzogenen engen Anschluss an die Westmächte behielt die Türkei auch nach der Beendigung des Krieges bei, in der amerikanischen Balkan- und Mittelostpolitik kam ihr schließlich eine wesentliche Rolle bei der Stabilisierung der Machtverhältnisse im Nahen und Mittleren Osten zu. Mit Jugoslawien schloss die Türkei am 9.8.1954 den so genannten Balkanpakt, der den militärischen Beistand der unterzeichnenden Mächte im Falle eines Angriffs vorsah und die territoriale Integrität sowie die kollektive Sicherheit der Signaturmächte gegeneinander beinhaltete. Am 21.2.1955 ging die Türkei zudem auf Betreiben der USA und Großbritanniens ein Bündnis ein mit dem Irak (Bagdadpakt), dem sich Pakistan und der Iran anschlossen. Diese Verteidigungsbündnisse ergänzte die Türkei, die außenpolitisch einen strikten prowestlichen Kurs verfolgte, noch durch ihre Mitgliedschaft und durch ihren Beitritt zur NATO am 25.2.1952. Am 5.3.1959 ging die Türkei mit den USA ein Verteidigungsabkommen ein.

Im Inneren der republikanischen Türkei ließ sich nach der Beendigung des 2. Weltkrieges der Kemalismus als Regierungssystem nicht mehr aufrechterhalten, da er insbesondere bei der Landbevölkerung keinen Rückhalt besaß. Unter der Führung des ehemaligen Premierministers Celal Bayar, des parlamentarischen Führers Adnan Menderes und des Historikers Fuad Köprülü wurde die Demokratische Partei gegründet, die den Versuch unternahm, ein demokratischeres politisches System und eine marktwirtschaftliche Ordnung einzurichten und die Republikanische Volkspartei zurückzudrängen. Bei den Wahlen am 14.5.1950 errang die Demokratische Partei die Mehrheit und Celal Bayar wurde am 22.5 zum Staatspräsidenten und Adnan Menderes zum Ministerpräsidenten berufen. Als die Demokratische Partei infolge einer überstürzten Expansion in wirtschaftliche und durch die Zypern-Frage ausgelöste politische Schwierigkeiten geriet, versuchte sie durch eine Reihe repressiver Maßnahmen ihre parlamentarische Mehrheit zu erhalten. Als am 19.4.1960 die Regierungsmehrheit der Nationalversammlung jegliche Betätigung der Parteien für drei Monate verbot, wogegen Studenten demonstrierten, kam es, nachdem die Armee sich gegen die Durchführung des Kriegsrechts gestellt hatte, am 27.5.1960 zu einem Militärputsch unter General Cemal Gürsel gegen die Regierung Menderes. Die oberste Staatsgewalt übernahm zunächst der neu geschaffene „Ausschuss der nationalen Einheit“ unter Leitung von General Gürsel. Am 13.11.1960 wurde ein vorbereiteter Verfassungsausschuss eingesetzt, zu Beginn des Jahres 1961 wurden die Parteien wieder zugelassen und am 26.5. 1961 erhielt die Türkei eine neue Verfassung. Am 18.10.1961 errang die Republikanische Volkspartei bei den Parlamentswahlen eine knappe Mehrheit. Die innere Lage der Türkei blieb jedoch nach dem Staatsstreich von 1960 weiterhin instabil.

Nach 1962 gewann die Gerechtigkeitspartei in der Türkei zunehmend an Anhängern. Bei den Parlamentswahlen am 10.10.1965 siegte die Gerechtigkeitspartei und am 27.10 bildete Süleyman Demirel eine neue Regierung. Auf die Daue konnte jedoch die Regierung Demirel die sich stellenden sozialen Probleme nicht in den Griff kriegen. Die hohe Analphabetenrate blieb bestehen und die einseitige wirtschaftliche Förderung der Westtürkei rief neue Probleme hervor. Als Folge radikalisierte sich das politische Leben. Einer Linken, die vom revolutionären Sozialismus bis zum Anarchismus reichte, standen Organisationen gegenüber, die zumeist für die islamische Theokratie eintraten und sich gegen die demokratische Ordnung wandten. Die fortgeschrittene Inflation, ansteigende Lebenshaltungskosten, Aufstände von Studenten und Arbeitern in Istanbul ließen Anfang der 1970er Jahre der Regierung Demirel immer mehr die Macht entgleiten. Dies führte dazu, dass am 12.3.1971 die Armee den Rücktritt Demirels erzwang.

Ende der 1970er Jahre gab es in der Türkei eine sehr instabile Phase, die durch wechselnde politische Koalitionen, politische und wirtschaftliche Instabilität und Terrorakte durch das extrem rechte und linke politische Spektrum geprägt war. Die Folge war, dass das Militär unter General Kenan Evren verhängte über das Land das Kriegsrecht verhängte und verbot alle politischen Parteien verbot. Am 7. November 1982 wurde die von den Militärs vorgelegte und bis heute gültige Verfassung der Republik Türkei durch eine Volksabstimmung verabschiedet. Ab Mitte der 1980er bestimmte die Abwehr der kurdischen Opposition die innenpolitische Debatte in der Türkei. Die Assimilierungspolitik der Türkei führte zur Unterdrückung der kurdischen Kultur und Identität. Als Reaktion darauf entstand im Jahre 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit Abdullah Öcalan an ihrer Spitze. Die PKK nahm 1984 im Südosten den bewaffneten Kampf für einen unabhängigen sozialistischen Staat Kurdistan auf. Seit 2004 sind die Kämpfe zwischen den türkischen Streitkräften und der Untergrundorganisation PKK wieder aufgeflammt und nahmen 2005 und 2007 an Intensität nochmals zu. Bis 2007 sind bei den Anschlägen und Kämpfen zwischen dem türkischen Militär und der PKK 40.000 Menschen ums Leben gekommen.

Der Regierungspräsident Bülent Ecevits stärkte in seiner Amtszeit, die von 1999 bis 2002 andauerte, die Menschen- und Freiheitsrechte. Dies betraf unter anderem das Versammlungs- und Demonstrationsrecht. Die Todesstrafe wurde abgeschafft, Folter verboten und die kulturellen Freiheiten der kurdischen Bevölkerung gestärkt. Diese Reformen wurden unter der AKP, die seit 2003 an der Macht ist, gestärkt. Am 15. November 2003 und 20. November 2003 verübten Anhänger der al-Qaida mehrere Bombenanschläge in Istanbul, wo 60 Menschen starben. Ziele der Anschläge waren zwei Synagogen, das britische Konsulat und die Filiale einer britischen Bank.

Am 3. Oktober 2005 erreichte die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Neben wirtschaftlichen Kriterien und politischen Verpflichtungen stehen dabei auch Forderungen der EU zur Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten, dem Schutz von Minderheiten in der Türkei sowie der Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten im Mittelpunkt. Besonders der Krieg gegen die Kurden und deren Autonomierechte wurden angesprochen In einem Referendum im September 2010 sprach sich die türkische Bevölkerung für umfassende Verfassungsänderungen aus. Der EU ging dies jedoch nicht weit genug. Bei einer Prüfung wurde konstatiert dass es unter der islamisch-konservativen AKP-Regierung Erdogans keine Fortschritte im Hinblick auf die Grundrechte gab. Es wurde die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Parteilichkeit der Gerichte bemängelt.

Die Regierung Erdoğan ging im Mai 2013 mit Gewalt gegen Proteste von Oppositionellen vor, die -ausgehend vom Istanbuler Taksim-Platz - auch auf andere Städte übergriffen. Dies löste heftige Kritik sowohl in der Türkei als auch in der internationalen Öffentlichkeit aus.

Ein Korruptionsskandal erschütterte m Dezember 2013 die von Erdoğan gebildete Regierung. Türkische polizeiliche Ermittlungsbehörden verhafteten unter anderem die Söhne des Innenministers Muammer Güler, des Europaministers Egemen Bağış, des Wirtschaftsministers Zafer Cağlayan und des Umweltministers Erdoğan Bayraktar im Zuge der Aufdeckung eines Korruptionsskandales. In den folgenden Tagen traten der Innen-, der Wirtschafts- und der Umweltminister der Türkei von ihren Ämtern zurück. Viele polizeilichen Ermittler wurden auf Druck der Regierung von Erdoğan entlassen. Erdogan gewann die Präsidentschaftswahl am 10. August 2014 und wurde wenig später als neuer Präsident vereidigt. Erdoğan plädierte für eine Ausweitung der Kompetenzen des Präsidentenamts, was eine Gefahr für die Demokratie in der Türkei darstellt. Seine Partei AKP unterstützte sein Ziel der Einführung eines Präsidialsystems. Die AKP hätte dafür eine Zweidrittelmehrheit der Mandate für eine Verfassungsänderung oder zumindest eine 3/5-Mehrheit der Mandate für die Einleitung eines Referendums bekommt müssen, was aber bei den nächsten Wahlen deutlich verfehlt wurde. Die ehemals hauptsächlich kurdische Partei HDP konnte die 10%-Hürde für den Einzug ins Parlament überspringen, so dass die AKP nur noch eine relative Mehrheit (47%) der Mandate besitzt.

Iran

Die Herrschaft des Safaviden-Dynastie (1500-1722)

Nach der Reihe der Seldschuken- und Mongolenstaaten auf iranischem Boden gelang es den Safaviden, einen geeinten iranischen Staat wiederherzustellen, der in seiner religiösen Grundlage im Schiitentum wurzelte. Unter den Mongolen traten die Safaviden mit Scheich Safi-du-Din als Oberhaupt eines sunnitischen Sufi-Ordens in der Stadt Ardabil in Aserbaidschan erstmals hervor, seine Nachfahren hatten als seine Erben weiterhin die Führung des Ordens inne. Als sich die Safaviden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zunehmend in politische Auseinandersetzungen einmischten, wandten sie sich mehr und mehr der orthodoxen Zwölfer-Schia zu. Als der Safavide Dschunaid von dem turkmenischen Dschihan Schah aus Ardabil vertrieben wurde, begann er die Anhänger seines Ordens unter den turkmenischen Stämmen Anatoliens und Syriens zu sammeln und zur Zwölfer-Schia überzugehen. Mit dem Zusammenbruch der turkmenischen Herrschaft begann der Aufstieg der Safaviden unter Ismail. Nach schnellen Eroberungen und der Einnahme von Täbris nannte sich Ismail Schah-in-schah (König der Könige) und ging offen zum Schiitentum über. Von 1501 bis 1524 konnte Ismail Schritt für Schritt den Iran erobern. Gegen die Osmanen unter Sultan Selim I. erlitten die Safaviden jedoch eine Niederlage in der Schlacht von Tschaldiran 1514, was die Expansionspolitik Ismails eindämmte. Im Iran setzte sich die Lehre der Zwölfer-Shia als Staatsreligion durch; sie wurde für den wahren Islam gehalten, während die benachbarten Sunniten als Häretiker galten. Unter dem minderjährigen Sohn Ismails, Tahmasp I (1524-1576) kam es zu inneren Wirren (Revolten in Täbris und Quasvin) und fand ihre Fortsetzung auch nach dem Tode von Tahmasp in Kämpfen um die Thronfolge, bis sich schließlich der Enkel von Tahmasp, Schah Abbas I (1587-1629) durchsetzen konnte.

Abbas I. führte eine Eroberungspolitik, die ihm Gebiete im Irak und Westafghanistan, vor allem aber konnte er die Safavidenherrschaft im Iran wieder durchsetzen. Nach dem Vorbild der Janitscharen baute er eine ausgebildete Armee auf und verbesserte die Artillerie. Zur Hauptstadt des Safavidenreiches wurde Isfahan erhoben und unter Abbas I. erfuhr die kulturelle Entwicklung Irans eine neue Blüte. Bedeutend waren auch die Erfolge auf wirtschaftlichem Gebiet (Steigerung der Seidenexporte, Ausbau von Straßen sowie Förderung des Handels). Der ökonomische Aufschwung Zentralirans ging vielfach auf Kosten der Grenzprovinzen zurück.

Die Politik von Schah Abbas, der durch Reformen die Zentralregierung stärkte, wurde von Schah Safi (1629-1642) noch bedingt fortgesetzt, jedoch vollzog sich Schritt für Schritt der Niedergang des Safavidenreiches. Nach Safi I. kam mit Abbas II. (1642-1666) konnte weiter die Zentralregierung gegenüber den in großen Teilen nomadischen Bevölkerung durchsetzen konnte, während dies unter Safi II. völlig verfiel. Nach außen hin blieb der Iran allerdings bis ins 18. Jahrhundert hinein unangetastet, jedoch schwand die Macht des safavidischen Herrschers im späten 17. Jahrhunderts im Landesinneren immer mehr. Unter dem letzten Safavidenschag Husain I. (1694-1722) geriet die Regierung völlig unter den Einfluss orthodoxer schiitischer Führer.

In die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts fiel die Auflösung des Safavidenstaates im Iran. Unter der Führung Mir Wais schüttelten die sunnitischen Afghanenstämme die persische Oberhoheit im Osten ab. Machmud, der zweite Nachfolger griff schließlich Persien an, belagerte Isfahan und eroberte 1722 die Stadt; der Safavidenstaat löste sich daraufhin auf. Die Auseinandersetzungen benutzten die Nachbarn des Irans, um auf persisches Gebiet vorzudringen. In den Kämpfen Aschrafs, des Nachfolger Machmuds, und Tahmasps II. gegen das Osmanische Reich konnte sich dieses durchsetzen, bis der Turkmenenanführer Nadir Chan, der 1729 die Afghanen aus Isfahan vertrieb, Erfolge gegen die Osmanen erringen konnte. Nadir drängte schließlich Aschraf nach Belutschistan ab und machte sich 1736 zum Herrscher über Persien. Als Nadir Schah (1736-1747) setzte er seine Eroberungen fort, stieß nach Afghanistan und 1738 in den Nordwesten Indiens vor, wo er 1738 Kandahar, Ghazni und Kabul, 1739 Lahore und nach dem Sieg über den Großmogul Mohammed Schah noch Dehli einnahm. Die Auseinandersetzungen mit dem Osmanenreich im Westen endeten schließlich im Frieden von 1746. Nadirs Willkürherrschaft rief jedoch inneren Widerstand hervor, 1747 wurde er ermordet.

Nach inneren Wirren nach Nadirs Tod wurde eine gewisse Konsolidierung erst erreicht, als sich Karim Chan Zand (1750-1779) als Vizekönig durchzusetzen vermochte. Er regierte von Schiras aus den Süden Irans und erwies sich als Förderer der Kunst und Wissenschaft. In Kadahar konnte derweil Achmed Schah Durrani seit 1747 die Herrschaft erringen. Unter seiner Herrschaft, die bis 1773 dauerte, löste sich Afghanistan aus dem Persischen Reich. Sein Sohn Timur konnte sich erfolgreich einer Wiedereingliederung in den Verband des Iranischen Reiches widersetzen.

In den Jahrzehnten nach Karim Chan Zands Tod im Jahre 1779 vollzog sich der Aufstieg Agha Muhammads aus dem türkisch sprechenden Stamm der Kadscharen. Er unternahm nach seiner Flucht vom Hofe der Zands mit Unterstützung der Stämme des Nordens sehr bald einen Feldzug gegen die Zands, die er schließlich aus Isfahan vertrieb. Mit den Eroberungen Agha Muhammads Schah (1794-1797), die zu einer erneuten Einigung Persiens im Umfang des Safavidenstaates führten, begann die Periode der Kadscharenherrschaft im Iran. Nach den Feldzügen im Süden stieß Agha Muhammad Schah 1795 nach Aserbaidschan, Armenien und Georgien vor und zerstörte Tiflis. Schließlich gewann Agha Muhammad Schah noch Chorasan, konnte jedoch Afghanistan nicht mehr zurückerobern. 1797 wurde er von einem Diener ermordet, Nachfolger wurde sein Neffe Fath Ali (1797-1834). Während seiner Regierungsperiode begannen sich die europäischen Großmächte immer mehr in die inneren Angelegenheiten des Irans einzumischen. Infolge des beständigen Wechsels der europäischen Politik während der napoleonischen Epoche ging der Krieg, den Schah Fath Ali mit Russland führte, für Persien verloren. Im Frieden von Golistan von 1813 verlor Persien Schirwan, Baku und Därbant an Russland. Ein weiterer Krieg gegen das Zarenreich führte zu erneuten territorialen Verlusten Persiens im Frieden von Turkmantschai 1828. Im Jahre 1834 starb Fath Ali Schah und einer seiner Enkel, Muhammed Schah (1834-1848) gelangte auf den Thron. Während seiner Regierungszeit konnten die europäischen Mächte, allen voran England, ihren Einfluss ausbauen. Als gefährlich für den inneren Bestand Persien erwies sich eine aus der Schia hervorgegangene religiöse Bewegung, die nach ihrem Stifter Sayyid Ali Muhammed den Namen Babismus (bab = Tor zur göttlichen Wahrheit) trug. Der Bab verlangte in seinen Predigten und Schriften die Aufhebung der Behinderung des Handels und Wirtschaftslebens, eine bessere Stellung der Frauen und Kinder, größere soziale Gerechtigkeit, eine Senkung der Steuern und die Unverletzlichkeit des Privateigentums. Seine Bewegung gewann zahlreiche Anhänger in Persien; in die Regierungszeit Nasir du-Dins (1848-1896) fiel dann die Auseinandersetzung mit dem Babismus.

1848 bestieg Nasir-ud-Din den persischen Thron, den er bis 1896 innehatte. Zwischen 1848 und 1852 kam es zu Revolten des Babismus, die jedoch blutig niedergeschlagen wurden. Mit Hilfe seines Premierministers Mirza Taqi Chan setzte Nasir du-Din Reformen durch, die jedoch mit der Entlassung des Premierministers rasch wieder ihr Ende fanden. Anlässlich des Versuches Persiens 1856/57 Herat zu besetzen, kam es zur Auseinandersetzung mir England. Im Frieden von Paris verzichtete Persien auf Herat und geriet dann in den folgenden Jahrzehnten durch Zugeständnisse wirtschaftlicher Konzessionen immer mehr unter britischem Einfluss. Gegen die Konzessionspolitik des Schahs richtete sich sehr rasch eine Opposition ein, die aus den verschiedensten Kreisen des Irans hervorging. 1896 wurde Nasir du-Din ermordet, sein Nachfolger wurde mit russischer und britischer Unterstützung Muzaffar-du-Din (1896-1907). Seit 1900 nahm der Einfluss Russlands infolge der Gewährung wichtiger wirtschaftlicher Konzessionen immer mehr zu, was wiederum eine Opposition hervorrief, die 1906 zum offenen Widerstand überging. Schließlich wurde eine beratende Nationalversammlung gewählt und am 30.12.1906 eine Verfassung erlassen, die bis zur Gegenwart das Kernstück der iranischen Verfassung bildet.

Nach dem Tode Muzaffar-du-Dins gelangte sein Sohn Muhammad Ali (1907-1909) auf den persischen Thron. Durch den russisch-englischen Teilungsvertrag vom 31.8,1907 wurde der Iran in drei Zonen eingeteilt (eine neutrale, eine russische und eine britische). 1908 kam es dann zu einer nationalistischen Revolution gegen den Schah, der ins russische Exil flüchten musste. Nachfolger wurde sein minderjähriger Sohn Achmad (1909-1925), unter dem der Iran immer stärker unter die Kontrolle Russlands und England geriet.

Während des 1. Weltkrieges wurde Persien trotz seiner Neutralität in das Kriegsgeschehen mit hineingezogen, 1914 fielen die Türken nach dem Rückzug der russischen Truppen in Aserbaidschan ein. Der deutsche Konsul Waßmuß organisierte 1915 im Süden eine Revolte gegen die Briten. Schließlich konnten die Russen die Türken erfolgreich zurückschlagen und 1916 eroberten die Briten den iranischen Süden zurück. Die Niederlage der Mittelmächte sicherte schließlich Großbritannien die Vorherrschaft in Persien.

1919 schloss Großbritannien einen Vertrag zu einer Art Protektoratsabkommen mit dem Iran ab, wogegen die USA, Frankreich, das persische Parlament und iranische Nationalisten Protest einlegten. Autonomiebestrebungen in Aserbaidschan, Demonstrationen und der erzwungene Rücktritt des probritischen Premierminister Vusuq-du-Daula führten schließlich dazu, dass dieser Vertrag wieder aufgehoben wurde. Durch einen Staatsstreich kam 1921 der oberste iranische Offizier der Kosakenbrigade, Resa Chan, zur Macht, der eine starke Zentralregierung aufzubauen begann, die aufständischen Provinzen „befriedete“ und Reform- und Modernisierungsmaßnahmen einleitete. Am 12.12.1925 wurde die Dynastie der Kadscharen durch die der Pachlawi abgelöst und Resa Chan erhielt die erbliche Würde eines Schahs. Resa Schah (1925-1941) trieb nun systematisch die Modernisierung des Landes voran (Finanzreformen, Umformung des Rechtswesens nach europäischem Vorbild, Reformierung des Bildungswesens, verkehrstechnische Erschließung des Landes, Förderung der Industrialisierung). Unter Resa Schah wurde der Iran zu einem Nationalstaat, der sich nach innen weitgehend konsolidierte. Einen Bruch in der Weiterentwicklung des Iran brachte der 2. Weltkrieg. Resa Schah musste 1941 zugunsten seines Sohnes Mohammed Schah abdanken, als britische und russische Truppen im August 1941 in Persien einmarschieren. Die Unabhängigkeit des Iran wurde auf der Konferenz in Teheran 1943 von Roosevelt, Churchill und Stalin garantiert. Nach der Beendigung des 2. Weltkrieges musste sich Persien jedoch erst an die UNO wenden, um den Rückzug der russischen Truppen zu erreichen. In der Außenpolitik verfolgte der Iran einen prowestlichen Kurs, die Anlehnung an die USA setzte Ende der 1940er Jahre ein. 1951 beschloss die Nationalversammlung die Verstaatlichung der Erdölindustrie. Von der englischen und US-amerikanischen Regierung unterstützt, leiteten die großen Erdölfirmen der Welt einen internationalen Boykott des iranischen Öls ein. Der zum Ministerpräsidenten ernannte Mohammed Mossaddegh provozierte einen Verfassungskonflikt, als er durch eine Volksabstimmung das seit 1949 bestehende Recht des Schahs, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben, beseitigen wollte. Der Schah musste schließlich außer Landes fliehen. Als die Armee unter General Sahedi Mossaddegh stürzte, konnte der Schah zurückkehren.

Der erste Schritt der neuen Regierung war die Beilegung des Erdölkonfliks. Durch die großen Einkünfte aus dem Ölgeschäft nahm die Wirtschaft des Irans von da an einen beträchtlichen Aufschwung. Nach innen erfolgte mit der Zerschlagung der Nationalen Front und der Tudeh-Partei eine Stabilisierung, außenpolitisch wandte sich Persien noch stärker dem Westen zu. Seinen Ausdruck fand dieser prowestliche Kurs des Irans im Beitritt zum Bagdadpakt am 12.10.1955. Auch in den 1960er Jahren sah sich der Iran zwei innenpolitischen Herausforderungen gegenüber: die Erringung innerer Stabilität und die Durchführung von sozialen Reformen, die Mohammed Resa seit 1960 in Angriff nahm. Die Volksabstimmung vom 27.1.1963 erteilte dem Sechs-Punkte-Reformprogramm der Regierung (Aufteilung des Großgrundbesitzes unter Landarbeitern, Beteiligung der Arbeiter am Reingewinn ihrer Betriebe mit 20%, Verbesserung des Wahlrechtes) die Mehrheit. Gegen diese Maßnahmen bildete sich ein heftiger Widerstand heraus, jedoch konnten sich in den Parlamentswahlen am 17.9.1963 die Kräfte durchsetzen, die die Reformen des Schahs befürworteten. Trotz dieser Gesetze blieb die Kluft zwischen Reich und Arm weitgehend bestehen, die vom Staat entschädigten Großgrundbesitzer investierten in die Industrie. Außenpolitisch verfolgte der Iran auch in den 1960er Jahren seinen prowestlichen Kurs weiter. Der Austritt des Iraks aus dem Bagdadpakt führte zur Aufnahme enger Beziehungen mit den islamischen Staaten Türkei und Pakistan. Trotz ihrer Zugehörigkeit zur CENTO versuchte der Iran seit 1965 einen mehr unabhängigen Kurs zwischen Ost und West zu steuern, wobei der Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion und den Ostblockstaaten Vorrang eingeräumt wurde. Zudem wurden Verbindungen zu den arabischen Monarchien aufgenommen, wobei der Ausgleich mit dem Irak im Vordergrund stand. Nach dem Rückzug Großbritanniens vom Persischen Golf begann der Iran systematisch dort seine Vormachtstellung auszubauen. Im Zusammenhang der persischen Hegemonialpolitik am Persischen Golf setzte eine durch die Ölmilliarden finanzierte militärische Aufrüstung ein.

Die „Islamische Revolution“ führte die 1979 zur Absetzung von Schah Mohammad Reza Pahlavi und zur Beendigung der Monarchie im Iran. Im Juni 1963 führte Ajatollah Ruhollah Chomeini Demonstrationen gegen den Schah Mohammad Reza Pahlavi an. Das Reformprogramm der Weißen Revolution des Schahs, vor allem die Abschaffung des Großgrundbesitzes und die Einführung des Frauenwahlrechts sollte verhindert werden. Nach einer im Jahr 1977 erfolgten politischen Liberalisierung lebten die von Chomeini initiierten Demonstrationen im Januar 1978 wieder auf. Zwischen August und Dezember 1978 legten mit Unterstützung der Nationalen Front organisierte Streiks die Wirtschaft des Landes lahm.

Der Schah verließ das Land Mitte Januar 1979 das Land. Am 1. April 1979 wurde die bisherige Staatsform der Monarchie durch ein Referendum abgeschafft und durch die Islamische Republik ersetzt. Chomeini setzte sein Staatskonzept von der Regentschaft der Geistlichkeit zum Teil mit Gewalt durch und wurde neues theokratisches Staatsoberhaupt. In der internationalen Politik wurde das neue Regime nicht anerkannt und isoliert. Der Iran musste sich von 1980 bis 1988 im Ersten Golfkrieg gegen den Angriff des Irak behaupten.

In der Außenpolitik verfolgte die Regierung des Irans das Ziel der Unterminierung der politischen Situation der Golfstaaten, um eine potentielle Umwandlung der politischen Verhältnisse in eine „Islamische Revolution“ nach dem Vorbild des Irans zu erreichen. Die außenpolitische Stoßrichtung war auch eindeutig antiwestlich ausgelegt. Der Einfluss der USA in der Golfregion und im Libanon sollte eingedämmt werden. Frankreich war ein weiterer Feind des Regimes, da die französische Regierung den Irak im Kampf mit dem Iran durch Waffen unterstützte und außerdem iranischen Oppositionellen Asyl und politische Agitationsmöglichkeiten gewährte.

Ayatollah Chomeini verurteilte am 14.2.1989 den britisch-indischen Schriftsteller Salman Rushdie öffentlich zum Tode. Rushdie hatte in seinem Buch „Die satanischen Verse“ nach Meinung Chomeinis den Islam und seinen Gründer Mohammed schwer beleidigt. Dieses Todesurteil rief vor allem in der westlichen Welt Empörung hervor, was den Iran nur noch international mehr isolierte.

In der Nacht vom 18.9.1992 wurden drei hohe Funktionäre der von der Regierung in Teheran verbotenen Demokratischen Partei Kurdistans im Iran (PDKI) in einem griechischen Restaurant in Berlin-Wilmersdorf erschossen. Der Generalsekretär der Partei, Sadegh Charafkandi, Europakoordinator Fattah Abdouli und der Deutschland-Repräsentant Homayun Ardalan wurden hingerichtet. Ein weiteres Opfer des Anschlags war der in Berlin lebende PDKI-Anhänger, Nuri Dehkurdi, der bei dem Treffen als Dolmetscher fungiert hatte. Die PDKI kämpft für die Unabhängigkeit der im Iran lebenden Kurden. Auch der Vorgänger Charafkandis, Abdul-Rahman Ghassemlou, war im Juli in Wien Opfer eines Mordanschlags geworden. Unmittelbar nach den Morden in Berlin machte die iranische Oppositionsbewegung unter Massud Radschawi die Regierung in Teheran für den Anschlag verantwortlich. Am 4.10.1992 wurden im westfälischen Rheine zwei der vier mutmaßlichen Täter des Mordanschlags festgenommen. Offiziell wurde der iranische Geheimdienst nicht als Auftraggeber der Anschläge genannt.

Die anhaltende internationale Isolation des Iran lockerte sich zeitweise Ende der 1990er Jahre. Dafür verantwortlich war der überraschenden Sieg Mohammad Chātamis bei den Präsidentschaftswahlen 1997. Er gehörte zu der politischen Bewegung islamischer systemkritischer Reformer im iranischen Parlament. Chātami setze zu Beginn seiner Amtszeit eine Liberalisierung der nationalen Presse durch, was jedoch nicht lange andauerte. Der ultrareligiöse Wächterrat machte die Gesetze mit Verweis auf die Unverträglichkeit mit dem Islam rückgängig und blockierte fortan nahezu alle Reformversuche des Parlaments. Seitdem sehen sich die Anhänger Chatamis mit großen Vertrauensverlusten in den reformwilligen Bevölkerungsgruppen konfrontiert.

Chatamis Wahlsieg wurde in der westlichen Welt als Sieg der gemäßigten über die radikal religiösen Kräfte interpretiert. Mit der Wahl Chatamis verband sich die Hoffnung, im Iran mache sich ein politischer Wandel bemerkbar. Die Töne der ultrareligiösen Führer im Iran gegenüber dem Westen wurden moderater. Ob dies taktischer Natur war, da der Iran dringend Devisen für die Sanierung seines Staatshaushaltes brauchte, kann nicht hinreichend beantwortet werden. Die wirtschaftlichen und politischen Kontakte der Bundesrepublik zum Iran wurden intensiver. Dasselbe galt auch für die diplomatischen Kontakte zwischen beiden Ländern.

Bei der Präsidentschaftswahl am 17. Juni 2005 durfte Chātamī nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren. Dies machte den Weg frei für die Wahl des konservativen Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten. In der Folgezeit prägte eine repressive Innenpolitik und eine Zunahme der internationalen Isolation die Politik des Irans. Insbesondere seine Wiederwahl im Jahr 2009, die von zahlreichen Manipulationsvorwürfen begleitet wurde, führte zu massiven Protesten im Land, die trotz gewaltsamer Niederschlagung auch friedlicher Demonstrationen vor allem gegen Ende 2009 weiter zunahmen.

Vor allem die im Dezember 2006 von ihm initiierte Holocaust-Konferenz in Teheran stellte das Land international ins Abseits und an den moralischen Pranger der Weltöffentlichkeit.

Am 12. 12. 2006 fand die Teheraner Holocaust-Konferenz, wo etwa 150 „Wissenschaftler“ und andere Holocaustleugner sowie Antisemiten aus allen Teilen der Welt waren in die iranische Hauptstadt gekommen, um „erstmals auf einem weitestgehend unabhängigen Forum und frei von politischem und strafrechtlichem Druck“ über das Thema „Holocau$t“ zu debattieren. Das Ziel der Veranstaltung lag darin, die offizielle Version des Holocaust in Zweifel zu ziehen, um damit die Herkunft und Identität des Staates Israel ebenso in Zweifel zu ziehen. Dazu bot das Regime des Iran den eingeladenen Teilnehmern eine Plattform zur Darstellung von Holocaustleugnung, Geschichtsrevisionismus, angeblicher Unterdrückung der Meinungsfreiheit in ihren Herkunftsländern sowie zur organisatorischen Vernetzung untereinander. Der deutsche Neonazi Peter Töpfer stellte fest: „Trotz oder gerade wegen der tendenziösen und verlogenen Berichterstattung der westlichen Nachrichtenagenturen in der Welt sowie der Verurteilungen durch westliche Politiker zeigte sich, wie sehr der Iran mit dieser Konferenz das pseudo-demokratische Grundverständnis dieser Zeitgenossen bis ins Mark erschüttert hat. So ist es zwar möglich, daß man künftig die Strafverfolgung gegen Revisionisten und Anti-Zionisten noch verschärft, doch ist es nicht mehr möglich, eine Entwicklung zu stoppen, die letztlich unausweigerlich dazu führen wird, daß gewisse Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte in nicht allzu ferner Zeit einer neuen Bewertung unterzogen werden, einer Bewertung bei der so mancher Meinungszensor und Dogmatiker unserer Tage vermutlich sehr schlecht abschneiden wird.“

Eröffnet worden war die Konferenz am 11. 12. durch den iranischen Erziehungsminister. Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinejad hielt auch dort eine Rede und verlieh der Veranstaltung eine staatliche Legitimation. Nach verschiedenen Grußadressen folgten dann Reden des Wiener Rabbiners Moyshe A. Friedman, des französischen Professors Robert Faurisson und Arnold Cohens aus Großbritannien. Zum Thema Demographie des „Holocau$tes“ äußerte sich dann der Schwede Jan Bernhoff, dem sich ein Vortrag Frederick Toebens vom Adalaide-Institut aus Australien zum Thema „Der Holocaust: Mordwaffen“ anschloß. Zum Thema Holocaust-Forschung sprach dann der amerikanische Neonazi David Duke, dem dann ein Referat des syrischen „Wissenschaftlers“ Ghazi Hussein zum Thema zionistische Apartheid folgte. Im weiteren Verlauf des Tages gab es dann noch Vorträge von „Wissenschaftern“ aus Belgien, Dänemark, Malaysia, Japan, Griechenland, Jordanien, Marokko, Mexiko und Kanada sowie selbstredend natürlich auch aus dem Iran.

Dabei ging es nicht nur um wissenschaftliche Aspekte, sondern auch um die „Anwendung des Holocau$t-Themas als Mittel zur politischen und wirtschaftlichen Erpressung von Nichtjuden“.

Ähnlich verlief dann auch der zweite Konferenztag, der mit einem Vortrag vom Mohammed Edris von der Islamischen Universität Djakarta (Indonesien) begann. Ihm folgten Vorträge von Vertretern des Revisionismus aus Frankreich, Großbritannien, dem Iran, Rußland, Österreich, der Schweiz, Bahrain, Australien, Indien, Jordanien, Portugal, Marokko und Malaysia. Als Vertreter der BRD sprach Peter Töpfer, während die Schweiz von Bernhard Schaub und Osterreich durch Herbert Schaller und Wolfgang Fröhlich vertreten wurde. Fröhlich trat dabei selber nicht als Redner in Erscheinung, da u. a. die ÖVP-Außenministerin Plassnik die österreichischen „Konferenzteilnehmer explizit mit dem österreichischen Gesinnungsstrafrecht“ (Wiederbetätigung für den Nationalsozialismus, M.L.) bedroht hatte. Frederick Toeben wies dann das Publikum „auf die menschenrechtswidrige Rechtspraxis in Österreich sowie die bisherige Verfolgung Fröhlichs“ hin. Der bekannte Geschichtsrevisionist David Irving konnte nicht an der Versammlung teilnehmen, da zu dieser Zeit wegen der Wiederbetätigung für den Nationalsozialismus“ inhaftiert war. Mit einem „Gedenken“ an seine Person wurden seine „Thesen“ auf der Konferenz nochmals dem Publikum vorgestellt.

Das Teheraner Treffen stieß weltweit auf scharfe Proteste und wurde von vielen Staatsregierungen und Vertretern internationaler Organisationen verurteilt. Deutschland bestellte den iranischen Botschafter ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, Deutschland werde Holocaustleugnung nie akzeptieren und dagegen immer mit allen verfügbaren Mitteln vorgehen.[21 ] Der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verurteilte in einem Brief an Ahmadinedschad „jeden Versuch, unter dem Vorwand wissenschaftlicher Freiheit und Objektivität antisemitischer Propaganda ein öffentliches Forum zu bieten“ und die „vielfach wissenschaftlich bestätigten historischen Fakten über den Holocaust (…) durch angeblich neue wissenschaftliche Erkenntnisse in einen vermeintlichen Zweifel“ zu ziehen.[22 ]

Frankreichs damaliger Staatspräsident Jacques Chirac ordnete eine Untersuchung der Äußerungen von Robert Faurisson in Teheran an, um prüfen zu lassen, ob diese nach dem seit 1990 geltenden französischen Gesetz strafbar gewesen. sei Der schwedische Neonazi Bernhoff wurde in seinem Heimatland aus dem Schuldienst entlassen.

Fast 40 europäische und nordamerikanische Forschungsinstitute brachen ihre Beziehungen zum Institute for Political and International Studies des Iran, das für die Durchführung der Konferenz verantwortlich war, wenige Tage nach der Konferenz ab, luden keine damit verbundenen Wissenschaftler mehr ein und nahmen Einladungen aus dem Iran nicht mehr an.

Irans Außenminister Mottaki wies die Proteste dagegen als „vorhersehbar“ zurück und betonte, es gehe nur um eine „unabhängige Prüfung“ des Holocaust. Habe er stattgefunden, sei nicht einzusehen, warum die Palästinenser dafür büßen müssten; habe er so nicht stattgefunden, stehe Israels Existenzrecht umso mehr in Frage.[26 ]

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) veranstaltete gleichzeitig zur Teheraner Veranstaltung eine Gegenkonferenz in Berlin. Daran nahmen führende Holocaustforscher wie Raul Hilberg, Peter Longerich und Wolfgang Benz teil. Sie machten deutlich, dass es am Faktum des Holocaust keinen vernünftigen Zweifel gibt. Die Teheraner Veranstaltung sei daher irrelevant für den wissenschaftlichen Diskurs und könne nur Thema der Antisemitismusforschung sein.[27 ]

Das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles veranstaltete am Wochenende des Teheraner Treffens eine dreitägige Videokonferenz unter dem Titel Witness To The Truth („Zeuge für die Wahrheit“), bei der 60 Holocaustüberlebende aus den USA und Kanada von ihren Erlebnissen in der NS-Zeit berichteten.

Der Umgang mit der staatlich organisierten Vernetzung von Rechtsextremisten, Islamisten und Antizionisten ist in der internationalen Öffentlichkeit umstritten. Der Verfassungsschütze Armin Pfahl-Traughber meinte, dass es trotz der 2006 betonten Gemeinsamkeiten auf Dauer nicht zu einem festen Bündnis von Islamisten und Rechtsextremisten kommen werde, da die ideologischen Grundlagen zu unterschiedlich seien. Allerdings werde die Holocaustleugnung als „stärkste Gemeinsamkeit“ beider demokratiefeindlichen Gruppen weiter eine große Rolle beim Versuch spielen, ein Bündnis zu schmieden.[31 ]

Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel sah die Bedeutung der Konferenz darin, dass erstmals ein großer, bedeutender Staat Holocaustleugnung offen zum Mittel seiner Außenpolitik und zur Vorbereitung des nächsten Völkermords, nämlich der Zerstörung Israels, benutze. Dieses Ziel habe die Regierung unabhängig vom „Forschungsergebnis“ des Treffens vorgegeben, und darauf hätten sich alle Teilnehmergruppen einigen können. Wie Adolf Hitler die Menschheit durch Ermordung der Juden „befreien“ wollte, so sei Ahmadinedschad überzeugt, mit Israels Zerstörung die Menschheit zu befreien. Sein Atomprogramm solle dies verwirklichen und werde im Iran darum bereits religiös verklärt.[33 ]

Als Reaktion auf die Teheraner Veranstaltung schlugen die USA der UNO-Vollversammlung eine Resolution zur internationalen Ächtung der Holocaustleugnung vor, um so auch Risiken neuer Völkermorde zu verringern.

Michael, G.: The Strategic Use of Holocaust Denial, in: Irving L. H. (Hrsg.): Culture & Civilization, Band 1, 2009, S. 229-258

Resultat der Konflikte waren Drohungen gegen Ahmadinedschad und die Radikalisierung von Justiz, Exekutive und Legislative. Der systemtreue ehemalige Präsident Rafsandschānī verlor den einflussreichen Posten als Vorsitzender des Expertenrats.Die EG verhängte im April 2011 Sanktionen gegen den Iran in Form der Einfrierung von Privatvermögen und Reiseverboten sowie weitere Sanktionen gegen zahlreiche hochrangige iranische Militärs, Polizisten, Richter und Staatsanwälte.

Der relativ gemäßigte Hassan Rohani gewann die Präsidentschaftswahlen 2012. Er wollte eine Bürgerrechts-Charta einführen, die Wirtschaft wiederaufbauen und die Zusammenarbeit mit der Weltgemeinschaft zu verbessern. Dies betraf die Isolation des Iran und die Sanktionen in Folge des Streits um das iranische Atomprogramm, welche zu einer verheerenden Wirtschaftskrise führten. Er kündigte im September 2013 gemeinsam mit dem obersten religiösen und politischen Führer Ali Chamene’i an, dass sich die Iranische Revolutionsgarde künftig aus der Politik fernhalten solle. Als Zeichen guten Willens wurden um den 18.September 2013 ein Dutzend politische Gefangene vorzeitig aus der Haft entlassen. Dies wurde als ersten Ansatz Rohanis gewertet, sein Wahlversprechen umzusetzen, im Iran künftig mehr politische Freiheiten zuzulassen, gleichzeitig aber auch als Signal für die vom Iran erhoffte Entspannung des Verhältnisses zum westlichen Ausland. Rohani erreichte die Aufnahme direkter Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran bezüglich des Atomstreits. Dagegen kritisieren die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi und Menschenrechtsorganisationen die stark gestiegene Zahl der Hinrichtungen in der Amtszeit Rohanis. Auch seine antisemitischen Hasstiraden gegen Israel machten ihm keine Freunde in der westlichen Welt. Im syrischen Bürgerkrieg ist der Iran auf Seiten Baschar al-Assads beteiligt, was auch nicht für eine Annäherung an den Westen sorgte.

Ägypten

Konnte Ägypten unter Muhammad Ali in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Autonomie gegenüber dem Osmanischen Reich erringen, so wurde diese Freiheit unter seinem Sohn Muhammad Said (1854-1863) und seinem Enkel Ismail (1863-1879) gegenüber den europäischen Mächten und dem Osmanischen Reich wieder verspielt. Muhammad Said schaffte die Sklaverei ab, liess die ersten Eisenbahnen in Ägypten bauen, ferner erteilte er Ferdinand de Lesseps die Konzession zum Bau des Suezkanals. Unter Ismail wurde 1864 der Suezkanal eröffnet, er förderte den Ausbau des ägyptischen Eisenbahnnetzes und setzte sich für die Modernisierung des Landes ein. Gegenüber dem Osmanischen Reich vermochte er die innere Selbständigkeit Ägyptens zu wahren, musste dafür aber die staatliche und militärische Oberhoheit des Osmanischen Reiches anerkennen. Die Reformen und Modernisierungsmaßnahmen Ismails führten Ägypten jedoch in eine immer größere Verschuldung hinein. Schließlich wurde er gezwungen, zur Abwendung des Staatsbankrotts seine Hauptgläubiger um Hilfe zu bitten. England und Frankreich schafften daraufhin eine Staatsschuldenverwaltung. Schließlich setzte das Osmanische reich unter dem Druck Frankreichs und Englands Ismail zugunsten seines Sohnes Muhammad Taufiq (1879-1892) ab. Muhammad Taufiqs Versuch, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bekommen, konnte jedoch die allgemeine Unruhe im Land nicht beseitigen. 1881/82 kam es zu einer Militärrevolte, dem Urabi-Aufstand, der sich gegen den wachsenden europäischen Einfluss wandte und stark nationalistische Züge trug. Da die europäischen Mächte um ihre Schuldentilgung besorgt waren, griff Großbritannien 1882 auf das Beistandsgesuch Taufiqs hin ein und besetzte das Land.

Für 20 Jahre beherrschte der britische Generalkonsul Evelyn Baring Ägypten durch ein System indirekter Herrschaft, dem sich Taufiq und auch dessen Sohn, Abbas Hilmi II (1892-1914) beugten. Das Land wurde vor den Staatsbankrott bewahrt und konsolidierte sich nach innen. Beim Ausbruch des 1.Weltkrieges erklärte Großbritannien Ägypten zum Protektorat, da die Türkei an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten war. Der türkenfreundliche Abbas II. wurde durch seinen Onkel Husain Kamil (1914-1917) ersetzt, der als „Sultan von Ägypten“ nur eine machtpolitische Nebenrolle spielte. Er wurde 1917 durch seinen Bruder Fu’ad I. abgelöst, dem es schließlich gelang, Ägypten wieder unabhängig zu machen. Großbritannien hatte Ägypten aber nur eine eingeschränkte Souveränität zugestanden, weswegen die innere Entwicklung des Landes belastet war und ganz im Zeichen der Unabhängigkeit stand. Aufgrund des Einfalls Italiens in Äthiopien 1936 konnte Ägypten schließlich einen Vertrag mit England abschließen. Ägypten wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges in den Palästinakrieg verwickelt, der durch die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 29.11.1947 ausgelöst wurde. Als am 14.5.1948 David Ben Gurion den unabhängigen Staat Israel proklamierte, kam es zum offenen Krieg zwischen Israel und den Palästinensern. 1952 kam es zu einem Staatsstreich des mit der Herrschaft König Faruks unzufriedenen Militärs. Unter der Führung von General Muhammad Nagib erzwang die Armee am 23.7.1952 die Abdankung Faruks und 1953 übernahm General Nagib selbst die Herrschaft.

Er wurde jedoch bereits am 18.4.1954 durch den Führer der Militärjunta, Gamal Nassser, verdrängt, der ein Einparteiensystem institutionalisierte und Sozialisierungsmaßnahmen einleitete. Am 19.10.1954 konnte Nasser in einem Abkommen mit Großbritannien die Räumung der Suezkanalzone von britischen Truppen erreichten. Außenpolitisch steuerte Nasser zunächst einen neutralistischen Kurs zwischen Ost und West, wandte sich aber dann mehr den Staaten des Warschauer Paktes zu. Am 26.7.1956 beschloss er die Verstaatlichung der Suezkanalgesellschaft, um deren Einkünfte für die Errichtung des Assuan-Staudammes zu verwenden. Daraufhin entschlossen sich Großbritannien und Frankreich, zusammen mit Israel gegen Ägypten vorzugehen. Am 29.10.1956 drang Israel gegen die ägyptischen Stellungen auf der Sinai-Halbinsel vor, während Großbritannien und Frankreich eine Luftoffensive gegen Ägypten einleiteten. Aufgrund des Eingreifens der USA und der Sowjetunion kam es zu einem Waffenstillstand. Der Zusammenschluss von Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik unter Nasser am 1.2.1958 bedeutete einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung des Panarabismus. Am 8.3.1958 erfolgte noch der Anschluss der Jemen an die Vereinigte Arabische Republik (VAR) durch eine Förderation. Da die Bildung der VAR in Syrien Störungen im wirtschaftlichen Leben hervorriefen, bildete sich dort rasch Widerstand. Schließlich kam es durch den Staatsstreich der syrischen Armee am 28.9.1961 wieder zum Bruch zwischen Syrien und Ägypten. Innenpolitisch strebte Nasser die Verwirklichung eines arabischen Sozialismus mit einer Nationalisierungspolitik in der Wirtschaft an. Nasser griff in den Bürgerkrieg im Jemen zugunsten der Republikaner ein. Nach dem Bruch des Abkommens von Dschidda am 24.8.1965 betrieb Nasser eine Politik des geheimen und offenen Kampfes gegen die konservativen arabischen Monarchien, zugleich verschärfte die VAR ihre Politik gegenüber Israel. Die Truppenkonzentration an der Sinaigrenze veranlassten Israel am 5.6.1967 zum Präventivkrieg gegen Ägypten, wobei es den israelischen Streitkräften gelang, die gesamte Sinaihalbinsel bis zum Suezkanal zu besetzen. Außenpolitisch begann sich die VAR nach dem Sechstagekrieg wieder an die Sowjetunion anzulehnen. Eine Eskalation der Auseinandersetzung mit Israel trat ein, als die VAR am 23.4.1969 den Waffenstillstand für beendet erklärte und einen „Abnützungskrieg“ gegen Israel ankündigte. Am 8.8, trat eine Waffenruhe aufgrund des Rogers-Plans, der von den USA vorgeschlagen worden war, in Kraft.

Einen Bruch in der ägyptischen Politik brachte der plötzliche Tod Nassers am 18.9.1970 in Heliopolis. Sein Nachfolger wurde der Vizepräsident Anwar as-Sadat, der sich in den ausbrechenden Machtkämpfen durchsetzen konnte. Eine innere Liberalisierung, die Annäherung an den Westen, das Abgehen vom Panarabismus und die Lösung von der Sowjetunion kennzeichneten Sadats Abkehr vom Nasserismus. 1973 begann er einen Krieg gegen Israel, der im Abkommen von Camp David endete.

Sadat leitete 1977 durch eine Friedensinitiative den Dialog mit Israel ein, der 1979 zum Friedensvertrag und zum Abzug der israelischen Truppen von der Sinai-Halbinsel führte. Dies führte dazu, dass das Land innerhalb der arabischen Welt isolierte wurde und den Widerstand islamischer Fundamentalisten stärkte. 1978 erhielt Sadat zusammen mit Israels Premierminister Menachem Begin den Friedensnobelpreis. 1982 wurde Sadat das Opfer eines Attentats; sein Nachfolger wurde der damals als Vizepräsident amtierenden Husni Mubarak. Mubarak schaffte es, Ägypten nach langer Zeit wieder als vollrespektiertes Mitglied in die Arabische Liga zurückzuführen. Er regierte seit dem Erlass der Notstandsgesetze 1982 bis zu der Revolution 2011 autoritär, was besonders radikal-islamische Kräfte stärkte.

Seit den 1990er Jahren kam es wiederholt zu Anschlägen radikaler Islamisten auf Touristen, christliche Kopten und staatliche Amtsträger. Mubarak selbst entging 1994 und 1996 Attentatsversuchen. Seit der Jahrtausendwende erhöhte sich der innenpolitische Druck, unter anderem aufgrund der Unzufriedenheit mit der mangelnden demokratischen Teilhabemöglichkeit in der Gesellschaft für viele Menschen sowie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen, der großen Armut und Arbeitslosigkeit im Land. Ende 2004 gelang der Opposition die erste Demonstration in der Mubarak-Zeit, die ein Ende des Regimes forderte. Dies führte zur Gründung der Kifaja-Bewegung, gegen die Geheimdienst und Polizei unter anderem mit Verhaftungen und unerbittlicher Repression reagierten. Das Mubarak-Regime von den USA, Israel wie auch der Europäischen Union gestützt, da es trotz der autoritären Herrschaft eine für den Westen berechenbare Größe in der Krisenregion Nahost darstellt. Für die westlichen Staaten war das System Mubarak darüber hinaus ein möglicher Verbündeter gegen bestehende und potentielle radikale islamistische Bewegungen.

Bis zum Beginn des arabischen Frühlings war das Staatsoberhaupt der vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit nominierte und anschließend für sechs Jahre durch Volkswahl bestätigte Präsident, der gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte war. Nach einer Reform Mubaraks vom 26. Februar 2005 sollte der Präsident jedoch in Zukunft durch freie Wahlen mit mehreren zugelassenen Kandidaten gewählt werden. Der Präsident sollte ernennt den Premierminister und die Mitglieder des Kabinetts sowie die Gouverneure, die hohen Richter und Offiziere ernennen. Gleichzeitig hat er ein Vetorecht bei der Gesetzgebung, kann Dekrete erlassen und das Parlament auflösen. Es wurde kritisiert, dass Mubarak seit dem Tod seines Vorgängers per Notstandsgesetz regierte und somit Ägypten praktisch eine Präsidialherrschaft hätte. Weiterhin wurden Wahlen teilweise verschoben oder massiv beeinflusst und Oppositionelle nach Schauprozessen ins Gefängnis gesteckt.

Die Verfassung von 1971, die 2005 teilweise verändert wurde, legte fest, dass Ägypten eine Präsidialrepublik ist. Ab Juni 2012 erstellte eine Verfassunggebende Versammlung, in der Muslimbrüder und Salafisten eine Mehrheit der 100 Sitze hatten, eine neue Verfassung. Bei einem erneuten Verfassungsreferendum vom 16. Januar 2014 stimmten bei einer Stimmbeteiligung von 38,6 Prozent 98,1 Prozent für die von der ägyptischen Übergangsregierung vorgeschlagene neue Verfassung. In dieser wurde die Gründung politischer Parteien verboten, die sich ausschließlich auf die Religion stützten. Sie erkannte die Gleichheit von Mann und Frau an und schützt die christliche und jüdische Minderheit im Land. Die neue Verfassung räumt dem Militär eine Sonderstellung mit weitreichenden Befugnissen ein, was aus demokratischer Sicht eher ein Rückschritt bedeutete.

Im November 2012 Präsident Mohammed Mursi entzog seine Entscheidungen und Dekrete der Kontrolle durch die Justiz und erklärte sie für unantastbar. Die Gewaltenteilung setzte er damit faktisch außer Kraft und schwang sich zum Autokraten auf. Am 3. Juli 2013 verkündete Generaloberst Abd al-Fattah as-Sisi, dass Mursi nach den massiven Protesten in der Bevölkerung durch das Militär abgesetzt worden sei. Der Verfassungsrichter Adli Mansur wurde einen Tag später als Interimspräsident des Landes vereidigt. 2014 trat nach einem Verfassungsreferendum eine neue Verfassung in Kraft.

Im Zuge des Arabischen Frühlings, bei denen circa 850 Demonstranten in Ägypten ums Leben kamen, musste Mubarak zurücktreten. Dabei waren Proteste gegen das Regime Mubarak keineswegs neu. Der repressive und korrupte Staatsapparat und die schlechte sozio-ökonomische Lage hatten seit der Jahrtausendwende immer wieder Demonstrationen und Streiks hervorgerufen. Allerdings war die politische Führung konnte die Opposition durch brutale Polizeigewalt und Reformen unterdrücken. Daraufhin kam es erstmals zu freien Präsidentschaftswahlen. Am 24. Juni 2012 wurde das Ergebnis bekanntgegeben: Mursi wurde demzufolge mit 51,7 % der gültigen Stimmen zum Präsidenten gewählt und wurde mit seiner Vereidigung am 30. Juni 2012 zum amtierenden Staatsoberhaupt. Aus den Wahlen zum Rat des Volkes zwischen dem 28. November 2011 und 10. Januar 2012 ging die von der Partei der Muslimbrüder angeführte Demokratische Allianz für Ägypten als stärkste Kraft mit rund 45% der insgesamt 498 Sitze hervor. Die salafistische Partei des Lichts wurde mit ca. 25 % der Sitze zweitstärkste Fraktion. Die Nachfolgerparteien der vormals regierenden Nationaldemokratischen Partei verloren an Stimmen und kamen auf nur noch 18 Sitze.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi plädierte in seiner Neujahrsansprache 2015 für eine Neuinterpretation des Islam. Angesichts der Verbrechen des IS forderte er eine islamische Reformation. Er sprach an der altehrwürdigen Al-Azhar-Universität zu Kairo, der höchsten religiös-rechtlichen Instanz im sunnitischen Islam, was seinen Worten zusätzliche Bedeutung gab. Al-Sisi kritisierte in seiner Ansprache den Muslimen im Allgemeinen und den Rechtsgelehrten im Besonderen: „Das Werk der islamischen Texte und Ideen, die wir über die Jahrhunderte als heilig erklärt haben, erzürnt die gesamte Welt. Die islamische Weltgemeinschaft (Umma) wird zerrissen, zerstört und ist verloren – durch unsere eigenen Hände."[1] In seinem eindringlichen Appell an die religiösen Führer mahnte al-Sisi, es sei unfassbar, dass das, was die Muslime als ihr religiöses und heiliges Erbe betrachteten, für sie selbst und den "Rest der Welt als Quelle der Angst, der Gefahr des Mordens und der Zerstörung wahrgenommen wird. Unmöglich!"[2]

Das islamische Erziehungssystem in Ägypten besteht generell aus der Vermittlung von Werten wie Toleranz gegenüber Andersgläubigen. In Schulbüchern wird aber auch deutlich gemacht, dass der Islam den anderen Religionen gegenüber überlegen ist. Terrorismus und insbesondere radikaler Islamismus wird darin verurteilt. Mehr als 90% der Einwohner Ägyptens bekennen sich zum sunnitischen Islam, Schiiten spielen zahlenmäßig nur eine sehr geringe Bedeutung. Viele ägyptische Muslime gehören einem sufischen Orden an. Eine der bekanntesten Orden ist die der Mevlevis, die auf den Sufipoeten Dschalal ad-Din Rumi zurückgeht. Die meisten seiner Werke sind in persischer, manche aber auch in arabischer Sprache verfasst. Die Derwische dieses Ordens praktizieren den Dhikr mit religiöser Musik und drehen sich dabei um die eigene Achse. Weitere überregionale Sufi-Orden sind Naqschbandi, Bektaschi, Kubrawi, Suhrawardi, Chishti oder Halveti. Diese Orden sind darüber hinaus in zahlreiche Unterverzweigungen gegliedert und haben manchmal auch Überschneidungen untereinander Diese sufistischen Ordensgemeinschaften sind bis heute wichtige Ausdrucksformen des Volksislam und des spirituellen Lebens, sondern auch bedeutende gesellschaftliche Formationen.

In Ägypten existiert seit Ende der 1920er Jahre mit der Muslimbruderschaft eine islamistische Massenbewegung, die in der Gegenwart noch sehr einflussreich ist. In den 1960er Jahren kam es in ihren Kreisen zu einer Radikalisierung. Der Ideologe Sayyid Qutb erklärte alle Muslime, die sich nicht streng an die Scharia hielten, für ungläubig. In den 1970er Jahren bildeten sich mehrere radikale islamistische Gruppen wie die Dschihad-Organisation, die Terroranschläge in Ägypten begingen. Einige Anhänger dieser Gruppen haben sich später der Terrororganisation al-Qaida angeschlossen.

Syrien

Ebenso wie in Ägypten machten sich auch in den übrigen arabischen Ländern während des 20. Jahrhunderts zahlreiche nationalistischen Bewegungen bemerkbar, die schließlich in einem umfassenden arabischen Nationalismus einmündeten, der die Befreiung von jeglichem Imperialismus und die arabische Unabhängigkeit anstrebte. In der Geschichte des arabischen Nationalismus brachte der 1.Weltkrieg eine Zäsur mit sich, durch ihn wurde die osmanische Herrschaft nach dem Anschluss der Araber an die Entente-Mächte durch ein westliches Mandatssystem abgelöst. Im Juni 1919 rief Emir Faysal in Syrien eine syrische Nationalversammlung ins Leben, die die Unabhängigkeit der Gebiete des „Fruchtbaren Halbmonds“ forderte. Am 20.3.1920 wurde Faysal zum König von Syrien ausgerufen. Als französische Truppen in Damaskus einrückten, wurde Syrien unter Abtrennung des Libanon und Palästinas zum französischen Mandatsgebiet erklärt. Ein Drusenaufstand 1925 wurde von den Franzosen brutal niedergeschlagen und alle ausgleichenden Verträge zwischen Frankreich und Syrien scheiterten in den Jahrzehnten vor dem 2.Weltkrieg am Widerstand Frankreichs. Erst Ende des 2. Weltkrieges erhielt Syrien seine Unabhängigkeit. Sowohl innen- wie außenpolitisch war die Lage in Syrien instabil. Die Syrische Völkische Partei erstrebte eine großsyrische Lösung, es bestanden aber auch Absichten, sich entweder an der britisch-amerikanischen Nahostpolitik zu orientieren oder an den Ostblock anzuschließen. Die schwierige innere Situation mit Staatsstreichen, dem starken Einfluss der Armee, der Konfrontation der unterschiedlichsten politischen Bewegungen wurde noch durch soziale Missstände und das Problem der palästinensischen Flüchtlinge verschärft. Vom 2.12.1951 bis zum 25.2.1954 errichtete Adib Schischaqli eine Militärdiktatur. Die Vereinigung Syriens mit Ägypten zur VAR erfolgte auf Drängen von Präsident Schukri al-Quawwatli und der Ba’th-Partei. Am 30.9.1961 wurde nach einem Offiziersputsch wieder die „Syrische Arabische Republik“ ausgerufen. Im April 1964 brachen blutige Unruhen aus, jedoch konnte sich der panarabische Ba’th-Flügel, der die Regierung führte, mit Hilfe der Armee an der Macht halten. Die Machtkämpfe innerhalb der Ba’ath-Partei gingen jedoch weiter und ein Staatsstreich am 23.2.1966 brachten den linken Ba’th-Flügel an die Macht, der eine radikale Politik verfolgte und dadurch Syrien zum Hort der Fedaijin machte. In seinem Kampf gegen Israel wurde Syrien immer radikaler, jedoch führte die Frage um die Stellung der Palästinenser in Syrien zu immer heftigeren Kontroversen innerhalb der Ba’th-Partei, bis sich 1969 der Verteidigungsminister af-Asad durchsetzen konnte. Am 13.11.1970 kam al-Asad durch einen Staatsstreich an die Macht, 1976 griffen syrische Truppen erstmals in den Krieg im Libanon ein. Der Plan eines staatlichen Zusammenschlusses mit Libyen scheiterte, hingegen wurden die Beziehungen zur Sowjetunion durch einen Freundschaftsvertrag 1980 bestärkt. Al-Asads Truppen besetzen zeitweise große Teile des Libanons, er bezog Stellung gegen Jasir Arafat, den Anführer der palästinensischen Befreiungsfront Al Fatah. 1983 wurden die Beziehungen zu den USA und innenpolitisch belastete das Verteidigungsbudget (58% des Staatshaushaltes) das Land schwer.

Nach dem Tod des syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad am 10. Juni 2000 wurde am 10. Juli sein zweitjüngster Sohn Baschar al-Assad nach einer Verfassungsänderung bezüglich des Mindestalters eines Präsidenten zum nächsten Präsidenten gewählt. Vertreter westlich orientierter Staaten begrüßten zunächst den Nachfolger, da er als verlässlicher Wirtschaftspartner und auch Syrien unter seiner Herrschaft als politischen Stabilisator im Nahen Osten gesehen wurde. Aufgrund seiner westlich geprägten Erziehung galt er auch als Hoffnungsträger einer vorsichtigen Liberalisierung des politischen und gesellschaftlichen Systems. Unter seiner Herrschaft begann der so genannte Damaszener Frühling, der demokratische und soziale Reformen zum Ziel hatte.

Der Damaszener Frühling war eine Periode intensiver politischer und sozialer Debatten in Syrien, welche nach dem Tod des langjährigen Diktators Hafiz al-Assad im Juni 2000 begann, aber bis zu einem bestimmten Grad nur bis zum Herbst 2001 anhielt. Von dort an wurden die meisten der damit verbundenen Aktivitäten von der Regierung unter Baschar al-Assad unterdrückt wurden. Während des Damaszener Frühlings kam es zur Bildung von unterschiedlichen muntadat. Dies waren Gruppen von gleichgesinnten Personen, die sich privatim trafen und politische Angelegenheiten und weitere soziale Fragen diskutierten. Daran nahmen so unterschiedliche Gruppen wie die Syrische Kommunistische Partei und reformorientierte Baath-Mitglieder teil. Die bedeutendsten dieser Foren waren das Riad-Seif-Forum und das Nationale Dschamal al-Atassi-Dialogforum.

Die politischen Forderungen wurden zentral im „Manifest der 99“ ausgedrückt werden, das von bekannten Intellektuellen wie Maher Charif, Ahmad Barqawi und Yusuf Salameh unterzeichnet wurde. Die wichtigsten Forderungen waren vor allem die Aufhebung des Ausnahmezustands und die Abschaffung des Kriegsrechts und der Sondergerichte, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Rückkehr politischer Flüchtlinge ohne die Furcht vor Verfolgung und das Recht, politische Parteien und Bürgerorganisationen zu gründen. Die radikalste politische Forderung war, dass die Arabische Sozialistische Baath-Partei auf ihren in der Verfassung festgelegten Führungsanspruch bezogen auf den Staat und die Gesellschaft verzichtet. Der Damaszener Frühling hatte einen großen Einfluss auf Reformer in anderen Staaten der arabischen Welt. Damals kündigten sich schon Vorboten des arabischen Frühlings an, Reformen und politischer Wandel waren greifbar.

Zunächst zeigte sich das Regime um den neuen Präsidenten unsicher darüber, wie die Phänomene des Damaszener Frühlings eingeordnet werden sollten. Als ersten Zeichen guten Willens wurden im November 2000 600 politischer Gefangener freigelassen. Die Benutzung des Internets wurde offiziell erlaubt. Im Laufe der Zeit kam es angesichts immer radikaler werdenden Forderungen zu Methoden der Unterdrückung. Nach einem Jahr bereiteten eine Reihe von Verhaftungen und die erzwungene Schließung der Salons dem Damaszener Frühling ein Ende. Einige der Forenteilnehmer und Organisatoren wurden beschuldigt, eine Änderung der Verfassung anzustreben und die Sicherheit und Ordnung des Landes zu gefährden. Sie wurden vom Damaszener Strafgericht für insgesamt fünf Jahre ins Gefängnis geschickt. Acht Aktivisten wurden durch das Oberste Staatssicherheitsgericht zu Haftstrafen zwischen zwei und 10 Jahren verurteilt.

Als weitere Reaktion auf den Damaszener Frühling begann Assad, die bis dahin politisch kaum relevante Baath-Partei zu verjüngen und mit neuer Bedeutung zu versehen. Statt etwa eine zivilgesellschaftliche Debatte über Probleme, Wünsche oder politischer Visionen zuzulassen, sollten Anregungen und Kritik nun innerhalb der Partei erarbeitet und formuliert werden. Opposition gegen ihn und sein Regime wurde auch in der Folgezeit unterdrückt. Im Frühjahr 2004 wurden nach Demonstrationen und Zusammenstößen mit der Polizei hunderte syrische Kurden, darunter auch Kinder, verhaftet und getötet. Diese Demonstrationen fanden in Qamischli, Amuda und Afrin statt, wo die meisten Kurden leben. Nach einem Zwischenfall in einem Fußballstadion in Qamischli starben bei Unruhen ab dem 12. März 2004 30 Menschen und 160 wurden verletzt. Syrische Sicherheitskräfte sollten nach Zusammenstößen während eines Fußballspieles zwischen örtlichen kurdischen Fans der Heimmannschaft und arabischen Fans der Mannschaft aus der Stadt Deir ez-Zor scharfe Munition gegen Zivilisten einsetzten. Laut Amnesty International wurden hunderte Menschen, überwiegend Kurden, nach den Unruhen verhaftet. Kurdische Häftlinge berichteten über Folter und Misshandlungen.

Der Staat Israel beschuldigt die syrische Regierung regelmäßig, Terroristen Unterschlupf zu gewähren. Nach einem Selbstmordanschlag des Islamischen Dschihad in einem Lokal in Haifa, bei dem 19 Menschen getötet wurden, flogen die israelischen Luftstreitkräfte im Oktober 2003 den ersten Luftangriff auf Syrien seit 30 Jahren. Ziel war ein vermutetes Terroristenausbildungslager südlich von Damaskus. Syrien nahm im Laufe der Jahre hunderttausende palästinensische Flüchtlinge auf, die zu einem großen Teil an der Grenze zu Israel leben und dort teilweise ihren Kampf gegen Israel weiterführen, was von der Staatsmacht mehr oder weniger geduldet wird. In Syrien selbst leben nur noch mehrere tausend Juden; viele sind aufgrund der anhaltenden Diskriminierung nach Israel geflohen.

Am 27. Mai 2007 wurde Assad bei einem Referendum ohne Gegenkandidaten nach offiziellen Angaben mit 97,62 Prozent der abgegebenen Stimmen in seinem Amt bestätigt und damit für eine weitere siebenjährige Amtszeit gewählt. Im Verlauf seiner Herrschaft hat Baschar al-Assad einen ausgeprägten Personenkult um sich aufgebaut. Der um ihn aufgebaute Machtapparat begünstigte Vetternwirtschaft und Korruption, was innerhalb der einfachen Bevölkerung zu einem schleichenden Vertrauensbruch führte. Immer wenn schwerwiegende Problembereiche öffentlich angeprangert wurden, sah das Assad-Regime darin gleich eine Gefahr der Infragestellung ihrer Macht und antwortete darauf mit Repression, was den Unmut in der Bevölkerung und bei einigen Intellektuellen des Landes nur noch größer werden ließ.

So kam es ab März 2011 kam es zu Massenprotesten gegen die Regierung Assads, die sich im Laufe der Monate zu einem Bürgerkrieg entwickelten. Bis einschließlich April 2013 wurden nach UN-Angaben mindestens 93.000 Menschen getötet. Dabei wurden mehrere Massaker an der oppositionellen wie auch der regierungstreuen Zivilbevölkerung oder auch vielerorts an Bediensteten öffentlicher Einrichtungen von verschiedenen Akteuren des Bürgerkriegs verübt. Im August 2013 kam es nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zu einem Massaker an Alawiten in der Umgebung von Latakia. Kämpfer der islamistischen Aufständischen-Organisationen al-Nusra-Front, Islamischer Staat im Irak und der Levante, Ahrar al-Scham, Jaish al-Muhajireen wal-Ansar und Suquor al-Izz griffen demnach am 4. August 2013 zehn alawitische Dörfer an, töteten mindestens 190 Zivilisten (davon mindestens 67 hingerichtet oder rechtswidrig getötet) und nahmen über 200 Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, als Geiseln. Mindestens 67 Personen wurden dabei hingerichtet. Unter den Oppositionsgruppen gibt es keine Einigung im Kampf gegen das Assad-Regime, sie bekämpfen sich auch gegenseitig. In den Krieg sind auch Staaten und andere Gruppen indirekt durch Waffenlieferungen involviert. So unterstützt die Türkei und die USA die Freie Syrische Armee mit Waffen und Logistik.

In der Nacht zum 21. August 2013 sind in der Region Ghuta nahe Damaskus bei einem Giftgaseinsatz zwischen 350 und 1.400 Menschen ums Leben gekommen, 3.600 wurden verletzt. Am 26.8 stellte der US-Außenminister einen begrenzten Militärschlag in den Raum. Frankreich und Großbritannien erklärten sich sofort bereit, gemeinsam mit den USA militärisch zu handeln, notfalls auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. Andere Länder, darunter auch Deutschland, teilten hingegen mit, dass sie sich auf keinen Fall an einem Militärschlag beteiligen würden. Medien, Stimmen aus dem Militär selbst und politische Beobachter fragten nach Sinn und Zweck eines solchen Eingreifens und verwiesen auf die schlecht berechenbaren Konsequenzen.

In der Folgezeit kam es zu mehreren diplomatischen Treffen, wie mit der neuen Situation umgegangen werden kann. Die Außenminister der USA und Russlands einigten sich schließlich am 16.9. auf die Grundzüge einer Resolution des UN-Sicherheitsrates: UN-Inspektoren sollen die von Syrien binnen einer Woche offen gelegten Waffen registrieren und ihre Vernichtung oder den Abtransport vorbereiten. In der entsprechenden, am 27.9. beschlossenen Resolution kündigt der Sicherheitsrat für den Fall, dass Syrien nicht kooperiere, an, er werde Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta verhängen, ohne allerdings die Möglichkeit einer Militärintervention beim Namen zu nennen. Parallel dazu legte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen Plan vor, demzufolge die Chemiewaffen Syriens bis zum 30. Juni 2014 unschädlich gemacht werden sollen.

Die Regierung Assad hatte schon im Jahr 2012 zugegeben, dass Syrien über Giftgas verfügt. Militärstrategisch waren diese Waffen als Abschreckungsmittel gegenüber den israelischen Atomwaffen zu verstehen.

Es bleiben aber viele Fragen offen, was am 21. August tatsächlich geschehen ist. Die USA machte die syrische Regierung für den Giftgaseinsatz verantwortlich, die dies jedoch abstritt. In einer saudischen Zeitung wurde behauptet, eine syrische Eliteeinheit habe gegen den Willen ihres Kommandanten Giftgas entwendet und zum Einsatz gebracht.Die syrische Regierung ihrerseits macht die Rebellen für den Einsatz verantwortlich. Es gibt andererseits auch Berichte, Kämpfer der Jabhat al-Nusra, die von Saudi-Arabien Giftgas bekommen hätten, seien verantwortlich.

Letztendlich kann keine Prognose abgegeben werden, wer für den Giftgaseinsatz verantwortlich ist. Bevor es keine endgültig abgeschlossene Untersuchung dieses Falles von internationalen Gremien gibt, kann darüber nur spekuliert werden.

Der Bürgerkrieg führte zu einer faktischen Teilung Syriens. Die Terrororganisation Islamischer Staat kontrollierte im Mai 2015 über die Hälfte des syrischen Staatsgebiets, das allerdings nicht dicht besiedelt ist, während die Ballungsgebiete im Westen des Landes, wo die Mehrheit der Bevölkerung lebt, weiterhin unter der Kontrolle syrischer Regierungstruppen stehen. Die restlichen Gebiete sind in der Hand von Rebellengruppen wie der Freien Syrischen Armee, der Islamischen Front, kurdischen Milizen und dem al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front. Radikale Islamisten aus dem Ausland sehen im Syrischen Bürgerkrieg ein Handlungsfeld für ihren militanten Kampf. Die radikalen Islamisten aus dem Ausland werden in Syrien hauptsächlich von drei salafistischen Dschihad-Gruppen aufgenommen: Fajr Islam, Ahrar al-Sham und der von den USA auf die Terrorliste gesetzten Jabhat al-Nusra. Innerhalb Syriens bekommen radikale Islamisten auch immer mehr Zulauf.

Laut den Vereinten Nationen sind von März 2011 bis März 2015 220.000 Menschen getötet wurden. Rund 11,6 Millionen Syrer sind auf der Flucht: Mindestens vier Millionen Syrer flohen aus ihrem Land und 7,6 Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Die Türkei war das Hauptziel der Flüchtlinge, dort leben ca. 2 Millionen Syrer in Notunterkünften in der Grenzregion. Die EU und auch die BRD nahmen einige wenige syrische Flüchtlinge auf, das diplomatische Bemühen um ein Ende des Krieges zeigt noch keine nennenswerten Erfolge.

Etwa 74 Prozent der Bevölkerung Syriens sind sunnitische Muslime, deren Glaubensverständnis regional unterschiedlich ist. In den größten Städte Damaskus, Aleppo, Homs, Latakia und Hama ist eher eine liberale Auslegung des Islam vorherrschend, während auf dem Lande noch traditioneller gedacht wird. Alawiten (Nusairier), die dem schiitischen Spektrum des Islams angehören, machen etwa 12 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Viele Militäroffiziere und ein großer Teil der herrschenden politischen Elite entstammen heute der alawitischen Religionsgemeinschaft, der auch die Familie Assad angehört. Schiiten sind mit zwei Prozent in Syrien eine kleine, wenig einflussreiche Minderheit.

Etwa zehn Prozent der Bevölkerung in Syrien sind Christen verschiedener Konfessionen. Diese leben meist im Großraum Damaskus, Homs und Aleppo in traditioneller Weise in Dörfern. Die Melkitischen Kirchen[3] bilden eine der größten christlichen Gemeinschaften, die hauptsächlich im Landesinneren leben. Weitere christliche Gemeinden sind die Armenische Apostolische Kirche und die mit Rom verbundene Syrisch-Katholische und Griechisch-Katholische Kirche. Große syrisch-orthodoxe Gemeinden gibt es im Nordosten Syriens. Der jesidische[4] oder jüdische Glaube spielt in Syrien eine untergeordnete Rolle.

Konflikt um Zypern

1950 hielt die orthodoxe Kirche Zyperns ein inoffizielles Plebiszit über die Enosis ab. Im Ergebnis stand eine überwältigende Mehrheit für die Vereinigung mit Griechenland, was aber von der britischen Regierung ignoriert wurde. Der neugewählte Erzbischof Zyperns Makarios III. gab sich damit nicht zufrieden und zwang die Regierung Griechenlands unter Ministerpräsident Alexandros Papagos mit der Drohung zum Handeln, den Fall Zyperns vor die UNO zu bringen. Als Papagos zu verstehen gab, dass er beabsichtige, die Zypernfrage vor die UNO zu bringen, konterte der britische Premierminister Anthony Eden mit der Feststellung, Zypern sei auch eine Angelegenheit der Türkei. London versuchte, die griechischen Ambitionen durch türkische zu neutralisieren, also die Mutterländer gegeneinander auszuspielen. Die Türkei reagierte umgehend auf die britische Offerte: Falls sich am Status von Zypern etwas ändere, sei der Friedensvertrag von Lausanne hinfällig, und Zypern müsse an die Türkei zurückgegeben werde. Durch das britische taktische Manöver wurde Ankara zum Mitspieler im Poker um Zypern; zugleich löste London mit dieser Taktik einen neuen griechisch-türkischen Konflikt aus. Aber Großbritannien betrieb seine divide et impera-Politik nicht nur gegenüber Athen und Ankara, sondern spielte nun auch die Volksgruppen auf Zypern gegeneinander aus. 1955 begann der Kampf der griechisch-zypriotischen Untergrundorganisation EOKA (Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer) unter dem ehemaligen griechischen Offizier Georgios Grivas, der auf Zypern geboren war; der politische Führer der EOKA war Makarios. Die türkischen Zyprioten misstrauten den Enosis-Bestrebungen, denn sie fürchteten, dass der Anschluss an Griechenland zu Diskriminierungen führen könnte. Sie wollten den Status quo aufrecht erhalten und wandten sich daher verstärkt Großbritannien zu. Dies gab der britischen Regierung die Möglichkeit, Inselgriechen gegen Inseltürken auszuspielen. Um eigene Kräfte zu sparen, stellte sie zur Bekämpfung der EOKA eine Polizeispezialeinheit aus türkischen Zyprioten auf, deren Einsatz zwangsläufig zur Konfrontation mit der EOKA führte. Mit britischer Duldung baute der türkische Generalstab ebenfalls eine bewaffnete Untergrundorganisation (zunächst VOLKAN, später TMT, die türkisch-zypriotische Gegenorganisation zur EOKA) auf. Militärischer Führer war stets ein türkischer Offizier; der politische Führer war Rauf Denkta?, seither der Repräsentant der türkischen Militärs auf Zypern. Die politischen Ziele der türkischen Seite wandelten sich während des Konflikts vom anfänglichen Wunsch nach Beibehaltung des Status quo zur Teilung der Insel, türkisch Taksim. 1958 kam es zu ersten Zusammenstößen zwischen der TMT und der EOKA. Zugleich bemühten sich beide Organisationen, funktionierende Kooperationsmodelle der beiden Volksgruppen zu zerstören. So ermordeten TMT-Anhänger zwei türkisch-zypriotische Führer der linken Gewerkschaften und terrorisierten Mitglieder des linken Gewerkschaftsbundes. Ein von der türkischen Regierung inszenierter Anschlag auf das Pressebüro des türkischen Konsulats in Nikosia ließ die Unruhen in einem Maße eskalieren, dass von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gesprochen werden darf. Zugleich begann aber auch innerhalb der Volksgruppen ein Kampf gegen "Abweichler". Das Ausspielen der Mutterländer löste 1956 den griechisch-türkischen Minoritätenkonflikt aus, zu dessen Opfer die Istanbuler Griechen wurden. Es entwickelte sich so etwas wie ein System kommunizierender Röhren: Wann immer Unruhen auf Zypern ausbrachen, kam es zu Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Griechen Istanbuls. Die britische Kolonialpolitik des divide and rule löste letztendlich jene beiden anderen Konflikte aus, die bis heute die Region plagen. Das gescheiterte Suez-Abenteuer der Briten von 1956 ließ den strategischen Wert Zyperns schrumpfen. Der neue britische Premier Harold Macmillan war beweglicher. Hinzu kam Druck aus den USA, die durch die ständigen Streitereien zwischen den NATO-Verbündeten Griechenland und Türkei die Südostflanke der NATO gefährdet sahen. Dies und die veränderte strategische Lage ließen die britische Regierung einlenken. Diese erkannte, dass militärische Stützpunkte in Zypern für die Präsenz im östlichen Mittelmeer ausreichen würden. 1959 veranlasste sie Griechen und Türken, sich in Zürich an einen Runden Tisch zu setzen und eine Lösung auszuhandeln. Bei der bei den Gesprächen in Zürich und etwas später in London gefundenen Lösung handelte es sich jedoch um eine Scheinlösung, diente diese doch hauptsächlich der Beilegung des Konfliktes zwischen den NATO-Verbündeten und den Interessen der NATO. Die Briten konnten weiterhin durch ihre Basen präsent bleiben; Griechenland und die Türkei wurden zusammen mit Großbritannien Garantiemächte des neuen unabhängigen Staates Zypern. Sie durften Truppenkontingente auf der Insel unterhalten. Für die Zyprioten, die an den Verhandlungen nicht beteiligt waren, hatten die Abkommen jedoch einige schwerwiegende Schönheitsfehler: Die Ergebnisse wurde ihnen oktroyiert; die innerzypriotischen Konflikte waren nicht ausgeräumt, sondern im Gegenteil verschärft worden: Von nun an drohte bei jedem Volksgruppenkonflikt auf Zypern der Zusammenstoß der Mutterländer, was wiederum den Konflikt anheizte. Makarios hatte erkannt, dass es nur die Alternative Teilung oder Unabhängigkeit gab. Da aber die Masse der griechischen Zyprioten nach wie vor die Enosis wollte, legte er wider besseren Wissens immer wieder Lippenbekenntnisse zu dieser ab. Auch die Führung der türkischen Volksgruppe war gespalten: Die Gemäßigten setzen sich für Kooperation und ein unabhängiges Zypern ein, die Radikalen wollten die Teilung (Taksim). Hinzu kam, dass Makarios die von der Verfassung vorgesehene faktische Gleichberechtigung der beiden Volksgruppen ablehnte; angesichts des Verhältnisses der Bevölkerungsteile von 80:18 strebte er nach einer privilegierten Partnerschaft für die Minorität. Dies war für die türkischen Zyprioten allein schon aus psychologischen Gründen inakzeptabel, schließlich hatten sie 80 Jahre zuvor die Insel beherrscht. Die nach großen Anstrengungen erarbeitete hochkomplizierte Verfassung konnte nicht funktionieren; ihr fehlte die entscheidende Voraussetzung: das gute Einvernehmen der Volksgruppen. Der Konflikt brach 1963 offen aus, als Makarios 13 Verfassungsänderungen, darunter die Abschaffung des absoluten Vetorechts des türkischen Vizepräsidenten, durchsetzen wollte, ohne der anderen Seite Kompensationen anzubieten. Diesen Vorstoß bereits als Verfassungsbruch oder Aufkündigung der staatlichen Gemeinschaft zu bezeichnen, wie dies von türkischer Seite immer wieder zu hören ist, scheint allerdings weit übertrieben: Auch die britische Regierung war für eine Verfassungsrevision, wenn auch vermutlich auf einem diplomatischeren Weg. Makarios' unkluger Vorstoß stürzte Zypern in eine schwere Staatskrise. Die Türkei verordnete der türkisch-zypriotischen Führung einen harten Kurs, was zu einem Eskalationsprozess von Provokationen und Gegenprovokationen führte, bei dem die Extremisten beider Seiten alles taten, um den Konflikt anzuheizen. Beide Seiten entwickelten wilde Pläne zur Durchsetzung ihrer Ziele, darunter auf griechischer Seite den so genannten Akritas-Plan, der allerdings keinen Genozid vorsah, wie immer wieder behauptet worden ist. Die Ausschreitungen zu Weihnachten 1963 eskalierten rasch und nahmen solche Ausmaße an, dass sie als innerzypriotischer Bürgerkrieg zu charakterisieren sind. Dabei tat sich besonders die Terroristengruppe von Nikos Sampson hervor, der sich selbst den Ruf eines besonders üblen "Türkenkillers" erwarb. Bei den Ausschreitungen agierten auf griechischer Seite unterschiedliche terroristische Gruppierungen, die zum Teil aus der alten EOKA hervorgegangen waren. Zwischen Dezember 1963 und dem Ende der Auseinandersetzung im Sommer 1964 verloren 350 türkische und 200 griechische Zyprioten ihr Leben. Die blutige Auseinandersetzung lieferte dem Teilungsgedanken neue Nahrung. Anfangs kam es aus Angst vor Übergriffen der griechischen Extremisten spontan zum Auszug türkischer Zyprioten aus den gemischt besiedelten Orten. Aber schon bald wurde dieser Exodus durch die Führung der türkischen Volksgruppe instrumentalisiert und zu einer systematisch betriebenen Politik. Zögernden brachte die TMT mit "geeigneten" Mitteln bei, welches der richtige Weg sei. Im Nachhinein wird klar, dass hier ein politischer Kurs gesteuert wurde, der längerfristig auf die Teilung der Insel zielte. Die politisch unkluge Reaktion der griechisch-zypriotischen Führung, Blockaderinge um die türkisch-zypriotischen Enklaven zu legen und so die Bewohner von lebenswichtigen Ressourcen abzuschneiden, verschärfte noch die Tendenz zur Teilung. Für viele türkische Zyprioten sind die damaligen Übergriffe traumatische Erlebnisse, die ein Zusammenleben mit ihren griechischen Landsleuten nahezu unmöglich machen. Denkta? verwandte die Erinnerungen an den Schrecken von 1963 als Hauptargument, um eine Lösung auf der Basis der Rückkehr zum Status quo ante abzulehnen. Die Jahre 1963 bis 1964 waren entscheidend für die Entwicklung des Zypernproblems. Die innerzypriotische Konfrontation sprang auf die Mutterländer über. In Istanbul kam es erneut zu Ausschreitungen gegen die griechische Minorität. Als im Dezember 1963 ein direkter griechisch-türkischer Zusammenstoß drohte, mischte sich US-Präsident Lyndon B. Johnson ein und verhinderte durch die so genannte Ball-Mission den Ausbruch eines Krieges zwischen Griechenland und der Türkei. Wenig später schlug die amerikanische Regierung in Abstimmung mit der britischen die Entsendung einer Friedenstruppe aus NATO-Kontingenten vor, darunter auch Einheiten der Bundeswehr. Makarios wusste, dass mit der NATO auch der militante Antikommunismus auf die Insel gelangen würde. Das hätte - wie in Griechenland - zu einem Verbot der kommunistischen Partei (AKEL) geführt, auf deren parlamentarische Duldung sich Makarios seit einiger Zeit stützte. Er lehnte daher das Angebot ab und wandte sich an die Sowjets. Der russische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow, dem ein der NATO angehörendes Zypern ein Dorn im Auge gewesen wäre, mischte sich bereitwillig ein. Das Resultat war die Entsendung einer UNO-Friedenstruppe: der UNFICYP. Bevor die UNFICYP-Truppen in größerer Zahl eintrafen, eskalierte der Konflikt auf Zypern erneut. Ende Mai 1964 befahl der türkische Staatspräsident Ismet Inönü eine militärische Invasion Zyperns für Anfang Juni. Nur durch massiven Druck in der Form eines Drohbriefes konnte Johnson die Invasion im letzten Moment abwenden. Der harsche Ton dieses Briefes verärgerte Inönü jedoch derart, dass er die türkische Außenpolitik auf einen Kurs größerer Unabhängigkeit von den USA brachte. Wie weit der Entfremdungsprozess ging, zeigt die Tatsache, dass die Türkei eine Art Flirt mit Moskau begann, der weitreichende Folgen hatte: Die türkische Regierung legte das Meerengenabkommen von Montreux von 1936 so liberal aus, dass es den Sowjets möglich war, eine Flotte ins Mittelmeer zu bringen, die den NATO-Strategen als so genannte Eskadra jahrelang Probleme bereitete. Der Ärger mit Makarios veranlasste die Amerikaner zur erneuten Einmischung. In enger Kooperation mit den Briten entwickelte der ehemalige Außenminister Dean Rusk verschiedene Pläne für die Lösung des Zypernproblems, denen allen eines gemeinsam war: Die staatliche Existenz Zyperns sollte beseitigt, Zypern Griechenland angeschlossen werden und die Türken territoriale Kompensationen von Griechenland erhalten. Dieses Konzept ging unter der Bezeichnung doppelte Enosis in die Geschichte ein. Die Türkei war prinzipiell einverstanden, nur der damalige griechische Premierminister Georgios Papandreou hatte Skrupel, Zypern eine solche Lösung zu oktroyieren. Das verstimmte die Regierung der USA und hatte letztendlich weit reichende Folgen für die griechische Innenpolitik. Obwohl die Türkei auf die Invasion verzichtet hatte, griff die türkische Luftwaffe in die erneut aufflackernden Kämpfe bei Kokkina in der Tillyria-Region ein und belegte griechisch-zypriotische Dörfer mit Napalmbomben. Als die Sowjetunion sich einmischte, reagierte die griechische Regierung nervös: Im Gespräch mit Amerikanern und Briten wurde jene Konzeption entwickelt, die unter der Bezeichnung "Enosis per Putsch" in die Geschichte einging: Es war geplant, dass Griechenland auf Zypern einen Staatsstreich organisieren, Makarios aus dem Weg räumen und im Anschluss daran sofort den Anschluss Zyperns an Griechenland proklamieren sollte. Die Amerikaner und Briten, so der Plan, würden die Türkei von übereilten Reaktionen abhalten. Sobald die Lage sich beruhigte, würde sich die griechische mit der türkischen Regierung über Kompensationen einigen. Zwar kam es aus verschiedenen Gründen 1964 nicht zur Ausführung dieses Plans, aber es war jene Blaupause entwickelt worden, welche die griechischen Militärs 1974 unter völlig anderen außenpolitischen Gegebenheiten zu realisieren versuchten. Als die Pläne der Amerikaner scheiterten, zog sich die Regierung der USA vorläufig aus der aktiven Zypernpolitik zurück.

Die Errichtung der Diktatur in Griechenland am 21. April 1967 hatte für Zypern zwei wichtige Folgen: Erstens wurden durch den außenpolitischen Dilettantismus der Militärs die diplomatische Position Griechenlands und seine militärische Präsenz auf Zypern geschwächt. Die Vorstellung, beim Anschluss der Insel an Griechenland werde die Diktatur importiert, führte bei vielen Zyprioten zu einer starken Abkühlung des Wunsches nach Enosis; es setze ein Prozess der Entfremdung ein. Makarios trug dem Rechnung, indem er seine Politik der Blockfreiheit verstärkte und auf Distanz zu Griechenland ging. Allerdings beging er einen Fehler, indem er das Verhältnis zu den türkischen Zyprioten nicht zugleich normalisierte und etwa die Blockadepolitik aufgab. Makarios' Politik der Blockfreiheit provozierte - zweitens - die griechische Militärjunta, die erkannte, dass durch diese Politik die Enosis in weite Ferne rückte und Nikosia sich der Kontrolle durch das "nationale Zentrum" Athen entzog. Um Makarios zu stoppen, gab die Junta den Befehl, seine Position zu unterminieren. Grivas-Anhänger der radikalsten Art (der griechisch-zypriotischen paramilitärischen Organisation EOKA B) schmiedeten mehrere Komplotte gegen Makarios. Ihr Ziel war der Sturz von Makarios, wenn nötig durch Mord, zugleich provozierten sie die türkischen Zyprioten. Als bei den zypriotischen Parlamentswahlen 1970 die KP Zyperns (AKEL) massive Wahlgewinne erzielte, kam es in den USA zu irrationalen Reaktionen: Zypern wurde mit Kuba verglichen und Makarios als ein Castro im Priesterrock bezeichnet. Die Geheimdienste Griechenlands und der USA begannen, ihre Anstrengungen zum Sturz von Makarios zu koordinieren. Der Yom Kippur-Krieg in Nahost vom Oktober 1973 verdeutlichte erneut die strategische Bedeutung Zyperns. Etwa zur gleichen Zeit rebellierten die Studenten des Athener Polytechnikums, Diktator Georgios Papadopoulos stürzte, und der Chef der Militärpolizei Dimitrios Ioannidis wurde neuer Diktator Griechenlands. Der Studentenaufstand hatte gezeigt, dass die Tage der Junta gezählt waren. Ioannidis brauchte also, um seine Position zu festigen, dringend einen Erfolg, und diesen glaubte er, ausgerechnet auf dem Feld der Zypernpolitik erringen zu können. Er beschloss, den Plan "Enosis per Putsch" von 1964 durchzuführen. Der Athener Geheimdienst erhielt von Ioannidis den Auftrag, einen Staatsstreich gegen Makarios vorzubereiten, und die noch von Grivas während der Diktatur ins Leben gerufene Terroristengruppe, die EOKA B, steigerte ihre Aktivität. Am 15. Juli 1974 begann der Staatsstreich mit einem Attentat auf Makarios, das fehlschlug. Damit war der Putsch eigentlich gescheitert, aber die Putschisten gaben nicht auf. Da sie keinen vorzeigbaren Kollaborateur fanden, ernannten sie den als "Türkenkiller" berüchtigten Nikos Sampson zum Präsidenten. Dies musste die türkische Seite aufs Höchste provozieren, aber die Aufregung über Sampson war bei näherer Betrachtung nur ein bequemer Vorwand - die türkische Invasion war schließlich seit 1964 von langer Hand vorbereitet worden. Die Türkei ging mit größter Vorsicht ans Werk. Ministerpräsident Bülent Ecevit wusste, dass US-Präsident Richard Nixon wegen des Watergate-Skandals praktisch handlungsunfähig war und Außenminister Henry Kissinger nichts gegen die Beseitigung eines Krisenherds einzuwenden hatte. Um sich keinen Ärger mit der Garantiemacht Großbritannien einzuhandeln, informierte Ecevit die britische Regierung. Es wurde ihm bedeutete, dass man selbst nicht intervenieren werde, aber nichts gegen eine unilaterale Aktion habe. Am 20. Juli 1974 erfolgte die Landung türkischer Streitkräfte bei Kyreneia. Ein Brückenkopf wurde gebildet und in den folgenden Tagen ausgeweitet. Am 23. Juli stürzte in Athen die Militärjunta. Einen Tag später kehrte der frühere Premier Kostas Karamanlis aus dem Pariser Exil nach Griechenland zurück und übernahm erneut das Amt des Premierministers. Um bei einem möglichen Krieg mit der Türkei über die griechischen Streitkräfte verfügen zu können, trat Griechenland an diesem Tag aus dem militärischen Teil der NATO aus. Dies war ein schwerwiegender Fehler, denn die NATO war bereit, vermittelnd einzugreifen. Am 25. Juli 1974 begannen Verhandlungen aller Beteiligten in Genf. Diese waren auch für die türkischen Militärs notwendig, denn die türkische Militärlogistik hatte den militärischen Erfordernissen nicht nachkommen können. Diese erste Phase des unilateralen militärischen Eingreifens mittels einer Invasion der türkischen Streitkräfte durch das Interventionsrecht zur Wiederherstellung des Status quo ante wird von einigen für gerechtfertigt halten, da die andere Garantiemacht nicht bereit gewesen sei, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Es lässt sich in der Tat darüber diskutieren, ob die Invasion gerechtfertigt war. Hätte Ecevit sich mit der Wiederherstellung des Status quo ante zufrieden gegeben, hätte er sich als großer Staatsmann erwiesen. Durch Mäßigung hätte er sein Land an Europa herangeführt. Statt dessen türmte er Hindernisse auf dem Weg der Türkei nach Europa auf, und die Militärs in Ankara konnten der Versuchung nicht widerstehen und befahlen am 14. August 1974 die Fortsetzung der Invasion. Bis zum 16. August besetzte die türkische Armee knapp 40 Prozent der Insel. Sie rückte bewusst langsam vor, um den griechischen Zyprioten die Möglichkeit zur Flucht zu geben. Wo diese nicht freiwillig gingen, wurde mit Gewalt nachgeholfen. Es kam es zu Massenexekutionen Hunderter von Zivilisten und Kriegsgefangener, Vergewaltigungen und Misshandlungen. Es gab viele Tote (980 auf der griechischen Seite). Insgesamt wurden etwas über 170.000 griechische Zyprioten vertrieben. Die Vertreibungen im Norden der Insel durch die türkische Armee provozierten im Süden der Insel vereinzelt heftige Reaktionen. Viele türkische Zyprioten verließen ihre Wohnorte und setzten sich nach Norden ab oder flohen in die britischen Stützpunkte. Festgehalten werden muss in diesem Zusammenhang, dass es im Süden der Insel keine offizielle Vertreibungspolitik gab, vielmehr spielten die Angst vor griechischem Terror und die türkische Aufforderung zur Flucht in den Norden zusammen. Die Motive der Bevölkerungsbewegung sind also nicht gleichzusetzen. Am Ende war die Insel geteilt und die ethnische "Flurbereinigung" vollzogen.Als nach einiger Zeit Bilanz gezogen wurde, stellte sich heraus, dass etwa 1.500 griechische Zyprioten vermisst wurden. In einigen Fällen erfuhren ihre Angehörigen, dass sie lebend in die Hände der türkischen Streitkräfte gefallen und viele in die Türkei verbracht worden waren. In den folgenden 23 Jahren bemühten sich die Familien der Verschwundenen vergeblich, etwas über ihren weiteren Verbleib herauszufinden. Im Frühjahr 1996 enthüllte Rauf Denktaş in einem Interview die halbe Wahrheit: Die türkische Armee habe 1974 die beim Vormarsch hinderlichen Gefangenen türkisch-zypriotischen paramilitärischen Einheiten übergeben, und diese hätten die Gefangenen getötet. Diese Behauptung dürfte jedoch so nicht richtig sein, denn von vielen Vermissten gab es noch geraume Zeit später Lebenszeichen; Denktaş versuchte ganz offensichtlich, Ankara zu exkulpieren.Als die zweite Phase der Invasion begann, waren die Briten bereit, ihre inzwischen verstärkten, auf Zypern stationierten Truppen der UNFICYP zu unterstellen, um die vorrückenden türkischen Streitkräfte zu stoppen. Die britische Regierung informierte Kissinger darüber, doch dieser lehnte den britischen Vorschlag ab: Das Zypernproblem sollte auf diese Weise ein für alle Mal beseitigt werden. Die zweite Phase der türkischen Invasion war durch nichts, auch nicht durch juristische Spitzfindigkeiten, zu rechtfertigen, da die Ursachen, die zur ersten Phase geführt hatten, beseitigt waren: Die Militärdiktatur in Griechenland war kollabiert, eine demokratische Regierung installiert, und auf Zypern war der Putsch in sich zusammengebrochen; die zweite Phase war ein Akt gewaltsamer Expansion.

Der Zypernkonflikt entstand als ein von der Kolonialmacht Großbritannien provozierter Konflikt. Der Kalte Krieg und seine Hauptakteure, Sowjets und Amerikaner, verschärften ihn. Die irredentistischen Bestrebungen nationalistischer Politiker Athens heizten ihn an, und die expansionistischen Bestrebungen der Türkei und der griechischen Junta führten ihn zum negativen Höhepunkt. Extremistische Zyprioten in beiden Volksgruppen beteiligten sich und stürzten ihr Land in die Katastrophe. Internationale Organisationen erwiesen sich als zu schwach, um den Konflikt zu stoppen. Einseitige Schuldzuweisungen sind fehl am Platz. Die Ursachen des Desasters sind komplexer Natur. Seine Opfer waren die einfachen Leute beider Volksgruppen, die friedlich miteinander lebten.

Irak

Da viele Iraker mit der Errichtung eines Mandates durch Großbritannien nicht einverstanden waren, brachen 1920/21 Unruhen aus. Der Aufstand konnte jedoch von der Regierung niedergeschlagen werden. Um den arabischen Nationalismus und auch die haschimidische Dynastie unter Faisal und seinen Bruder Abd Allah zu entschädigen, wurde Faisal 1921 zum König des Irak ausgerufen; das Mandatsverhältnis blieb jedoch weiterhin bestehen. Durch den Vertrag von Bagdad von 1930 wurde das britische Mandat durch ein Bündnisabkommen ersetzt, das den Irak zwar für unabhängig erklärte, ihn aber doch stark an Großbritannien band. Während des 2.Weltkrieges gelang durch einen Staatsstreich die deutschfreundliche Regierung Raschid Ali al-Gailanie an die Macht, wurde aber von Großbritannien rasch wieder gestürzt. Schließlich trat auch der Irak in den Krieg gegen die Achsenmächte ein.

Unter König Faisal II. geriet der Irak nach dem 2.Weltkrieg in einen gesellschaftlichen Umwandlungsprozess. Bestimmt wurde die irakische Politik von Nuri al-Sa’id, der in Kairo am 22.3.1945 zusammen mit Ägypten, Syrien, Libanon, Transjordanien, Saudi-Arabien und dem Jemen die Arabische Liga gründete. Er versuchte die Wirtschaft des Landes anzukurbeln, erfuhr aber Einschränkungen durch die Interessen der Oberschicht. Außenpolitisch schloss sich der Irak durch den Bagdadpakt dem Westen an, mit Jordanien verband sich der Irak zur Arabischen Förderation am 14.2.1958. Völlig überraschend kam jedoch der Militärputsch am 14.7.1958 unter Abdel Karim Kassem, bei dem König Faisal II., der Premierminister Nuri al-Sa’id und etwa 200 weitere Personen ermordet wurden. Die ersten Maßnahmen Kassems schienen auf ein nasserfreundliches Regime hinzudeuten, jedoch blieben die Aufständischen in sich zerstritten. Die Gegnerschaft beinahe aller arabischen Staaten zog Kassem sich zu, als er 1961 Anspruch auf das Scheichtum Kuwait erhebt. Kassem wurde durch einen Militärputsch unter General Abd as-Salim Muhammad Arif am 8.2.1963 wieder gestürzt. Mit Arif kam der irakische Zweig der Ba’th-Partei an die Macht. Als Arif am 13.4.1966 bei einem Hubschrauberabsturz getötet wurde, vereinigte sein Bruder Abd dar-Rahman Arif als neuer Staatspräsident die Macht auf sich, der die Lage im Irak jedoch ebenfalls nicht konsolidieren und die Kurdenfrage im Norden des Landes nicht lösen konnte. Auch Abd dar-Rahman Arif wurde am 17.7.1968 durch einen Militärputsch wieder entmachtet. Neuer Staatspräsident wurde General Sajjid Ahmad Hasan al Bakr, Vertreter des konservativen rechten Flügels der Ba’th-Partei, die Staatsgewalt übernahm der „Rat des Kommandos der Revolution“. Widerstand gegen sein Regime schlug al Bakr brutal nieder, 1970 wurde ein Militärputsch vereitelt. In dem seit 1961 geführten Kampf gegen die aufständischen Kurden kam es aus innenpolitischen Überlegungen heraus zu einem Friedensabkommen 1970 mit den Kurden unter Mustafa Barzani. Unter al-Bakr entwickelte sich der Irak zu einem volksdemokratischen-sozialistischen Einheitsstaat.

Im Juli 1979 wurde Saddam Hussein Nachfolger von Al Bakr. Schon ein Jahr danach begann der Golfkrieg, an dessen Ausbruch Hussein eine erhebliche Mitschuld trug. Trotz seiner mehrheitlich schiitischen Bevölkerung, die heimlich mit dem Iran sympathisierte, gelang es ihm dank der Unterstützung aus anderen arabischen Ländern dem Druck des Irans standzuhalten. Aus Furcht vor einem Machtzuwachs des Iran unterstützten die meisten arabischen Golfstaaten den Irak militärisch und finanziell. Trotz hoher Einnahmen aus dem Erdölgeschäft wurde aber die Belastung des Krieges auf Dauer unerträglich.

Nach einem gescheiterten Attentat auf Saddam Hussein wurden kurdische Organisationen im Norden des Landes dafür verantwortlich gemacht. Dies führte dazu, dass am 17.Juli 1982 600 Einwohner der Kleinstadt Dudschail von der Regierung verhaftet und 148 von ihnen hingerichtet wurden. 1988 startete das Baath-Regimes unter Saddam Hussein die sogenannte Anfal-Operation, bei der nach Schätzungen bis zu 180.000 irakische Kurden ermordet wurden. Anfal-Operation ist der Codename für den zwischen 1988 und 1989 durchgeführten Genozid. Die kurdische Bevölkerung, die schon seit der Machtübernahme Saddam Husseins unterdrückt wurde, hatte sich während des Iran-Irak Krieges auf die Seite Teherans gestellt. Im Rahmen der Arabisierungspolitik wurden das Regime die Kurden außerdem als eine Art nationale Abweichler dargestellt. Saddam Hussein versuchte, seine Macht durch blutige Repression zu festigen und übte zugleich Rache an den aus seiner Sicht landesverräterischen Haltung der Kurden im Nodirak. Ali Hasan al-Madschid, der Leiter der Operation, erteilte in Absprache mit Saddam Hussein während der Kampagne den Befehl, alle Männer zwischen 15 und 70 Jahren hinzurichten. Auch viele Kinder und Frauen fielen dem Genozid zum Opfer. Dabei wurden kurdische Dörfer per Hubschrauber mit Giftgas bombardiert. Im kurdischen Teil des Irak wurden dabei etwa 4.000 Dörfer zerstört.

Diese Massaker haben aber auch einen handfesten wirtschaftspolitischen Hintergrund: Die enormen Ölvorkommen im kurdischen Teil des Iraks sind auch Grund für den jahrelangen Streit zwischen der kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad. Die kurdische Regierung hat seit 2003 mit etwa 30 westlichen Firmen Verträge zur Erforschung und Ausbeutung von Ölfeldern abgeschlossen, was der irakischen Regierung ein Dorn im Auge war. Die Forderung nach einem eigenen kurdischen Staat, der dann auch die Abtrennung des Nordens des Irak zur Folge hätte, sorgt schon seit Jahrzehnten für eine angespannte Stimmung und gegenseitigem Misstrauen zwischen Kurden und dem irakischen Staat.

Der Zweite Golfkrieg begann mit der gewaltsamen Eroberung Kuwaits durch den Irak am 2. August 1990. Am 28. August wurde Kuwait nach kurzen aber heftigen Kämpfen durch den Irak annektiert. Als Reaktion auf diese Vorkommnisse beschlossen die Vereinten Nationen zunächst ein internationales Wirtschaftsembargo gegen den Irak, dem vor allem amerikanische Marineeinheiten durch eine Seeblockade Nachdruck verliehen. Nachdem eine Annäherung auf diplomatischem Wege gescheitert war, beschloss die UN die Aufstellung einer multinationalen Streitmacht, die im Partnerland Saudi-Arabien stationiert wurde. Ab dem 16. Januar 1991 begann die multinationale Streitmacht, angeführt von den Vereinigten Staaten und legitimiert durch die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates, mit Kampfhandlungen zur Befreiung Kuwaits. In Bezug auf die verwendeten Rüstungsgüter und den Mobilisierungsgrad der Kriegsparteien war der Zweite Golfkrieg der schwerste Krieg seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Es gelang den multinationalen Streitkräften, die irakischen Truppen aus Kuwait zu vertreiben und die Annexion durch den Irak rückgängig zu machen.

Als Folge der Besetzung verhängten die Vereinten Nationen Sanktionen über den Irak, die zu internationaler Isolierung und durch die Misswirtschaft mit den erlaubten Handelsgütern zur Verarmung weiter Teile der Bevölkerung führten und die Wirtschaft des Landes entscheidend schwächte. Dies führte wiederum dazu, dass radikale Islamisten im Irak immer mehr Zulauf aus der pauperisierten Bevölkerung erhielten.

Es lassen sich zwei Hauptkonstanten der irakischen Politik nach dem Ende des Staatssozialismus in den osteuropäischen Ländern feststellen: Erstens ist dies der Reichtum an Erdöl und anderen Bodenschätzen und den daraus folgenden Interessen des Westens und Russlands, diese ausbeuten zu wollen. Zweitens sind die ethnisch-religiösen Unterschieden der drei Landesteile, die den ehemaligen osmanischen Provinzen Mossul, Bagdad und Basra entsprechen: Kurden und Turkmenen im Norden, sunnitische Araber in der Landesmitte und Schiiten im Süden.

Diese religiös motivierten Streitigkeiten um Macht führte 1991 zum Aufstand der schiitischer Milizen, der von Saddam Hussein blutig niedergeschlagen wurde. Laut vorsichtigen Schätzungen gab es dabei 60.000-100.000 Tote. 1991 hatten die Schiiten erst im Südirak und dann auch in anderen Regionen eine Revolte gegen das Regime gewagt, nachdem eine internationale Koalition unter Führung der USA die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieben hatte. Die Regierungstruppen beendeten den Aufstand damals nicht nur mit militärischen Mitteln. In schiitischen Städten im Süden des Landes trieben sie willkürlich Zivilisten zusammen und ließen sie hinrichteten. Die Massengräber aus dieser Zeit wurden erst nach dem Sturz des Regimes 2003 entdeckt.

Der Aufstand der schiitischen Milizen wurde von Ayatollah Mohammed Bakra Hakim koordiniert. Seit 1980 lebt Hakim im Exil in Teheran, da er unter Saddam Hussein verfolgt wurde. Von dort aus steuert er weiterhin die schiitische Oppositionsbewegung im Irak. Er steht an der Spitze des „Obersten Rates der Islamischen Revolution im Irak“.

Seit dem Zweiten Golfkrieg hatten die Vereinten Nationen hatten ein ununterbrochenes Handelsembargo über das Land verhängt, unter dem besonders die einfache Bevölkerung des Landes litt. Nach langen Verhandlungen1996 akzeptierte das irakische Parlament den „Oil-for-Food“-Plan des UNO-Sicherheitsrates, der dem Irak den Verkauf begrenzter Mengen Erdöls ermöglichte, um dringende humanitäre Bedürfnisse zu decken.

In der Folgezeit festigte Hussein seine persönliche Macht im Irak. Seit dem 29. Mai 1994 wurde er Premierminister. Zudem bekleidete er das Amt des Vorsitzenden der Baʿth-Partei und war Oberkommandierender der Armee. Im Oktober 1995 ließ er sich ohne Gegenkandidaten mit 97 Prozent der abgegebenen Stimmen auch offiziell zum Präsidenten wählen. Opposition gegen Hussein wurde gnadenlos bestraft. 1995 flüchteten Saddams Schwiegersöhne sowie der irakische Geheimdienstchef wegen politischer Differenzen nach Jordanien. Hussein gab vor, sie zu begnadigen. Als sie daraufhin in den Irak zurückkehrten, wurden sie im Februar 1996 inhaftiert und hingerichtet wurde.

Der Irakkrieg 2003 war eine im Nachhinein festgestellte völkerrechtswidrige Invasion in den Irak durch die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und anderer verbündeter Staaten. Er begann mit der Bombardierung ausgewählter Ziele in Bagdad am 20. März 2003 und wurde nach der Eroberung Bagdads und dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein von US-Präsident George W. Bush am 1. Mai 2003 für beendet erklärt. Die US-Regierung begann die Planung des Irakkriegs im Januar 2001 unmittelbar nach dem Amtsantritt von George W. Bush. Sie nutzte die Terroranschläge am 11. September 2001 und die antiislamische Stimmung in den USA und anderen westlichen Ländern dazu, diese Planung in den USA durchzusetzen. Bush konnte sich medial als Vorreiter im „Kampf gegen den Islam“ inszenieren, so dass es in den USA so gut wie keinen nennenswerten Widerstand gegen den Angriffskrieg gegen den Irak gab.

Die Invasion in den Irak wurde als Präventivkrieg begründet, um einen angeblich bevorstehenden Angriff des Iraks mit Massenvernichtungsmitteln auf die USA zu verhindern. Der UN-Sicherheitsrat verweigerte der USA ein Mandat für diesen bevorstehenden Krieg. Die USA und Großbritannien legten die UN-Resolution 1441 gegen die übrigen Sicherheitsratsmitglieder als Angriffsmandat aus und verhinderten mit ihrer UN-Vetomacht, dass der UN-Sicherheitsrat den Irakkrieg offiziell verurteilte. Diese Legitimationsgrundlage wurde von einem großen Teil der internationalen Öffentlichkeit nicht als möglichen Kriegsgrund anerkannt, so dass davon gesprochen werden kann, dass die USA das Verbot eines Angriffskrieges in der UN-Charta brach. Im Mai 2003 erklärte US-Präsident Bush die größeren Kampfhandlungen für beendet und der Irak wurde in Besatzungszonen aufgeteilt. Am 13. Dezember 2003 wurde der flüchtige Saddam Hussein von US-amerikanischen Besatzungstruppen in der Nähe seiner Heimatstadt Tikrit entfernt festgenommen. Er wurde später von einem Militärgericht für Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit am 5. November 2006 zum Tod verurteilt und dann am 30. Dezember 2006 gehängt.

Bei der amerikanischen Eroberung Bagdads wurden zahlreiche Kulturgüter der Stadt und des ganzen Landes mit seiner jahrtausendealten Geschichte zerstört. Die Nationalbibliothek wurde durch einen Brand völlig zerstört und das schlecht gesicherte Nationalmuseum von Kunsträubern geplündert. Inventardatenbanken des Nationalmuseums wurden in Brand gesteckt, womit unter anderem Belege über die Herkunft der geraubten Objekte zerstört sind. Einige der gestohlenen Kunstschätze tauchten auf dem illegalen weltweiten Kunstmarkt wieder auf und sie wurden sichergestellt.

Die genannten Begründungen für den Irakkrieg wurden nach Ende des Krieges widerlegt, da im Irak weder Massenvernichtungsmittel noch Beweise akuter Angriffsabsichten gefunden wurden. Stattdessen werden in verschiedenen wissenschaftlichen Kreisen geopolitische und wirtschaftliche Interessen der USA als tatsächliche Kriegsgründe angenommen. Die Ausbeutung der Ölvorkommen im Irak ist seit geraumer Zeit ein Ziel der US-Außenpolitik im Nahen Osten.

Nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein kehrte im Irak jedoch nicht der langersehnte Friede und Stabilität ein. Nach dem offiziell von den USA verkündetem Kriegsende kam es in den Besatzungszonen zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, tausenden Terroranschlägen, Kriegshandlungen und Gewaltkriminalität, sowohl verschiedener irakischer Gruppen gegeneinander als auch gegen die westlichen Besatzungstruppen. Sie forderten vor allem unter irakischen Zivilisten eine große Anzahl Todesopfer und Verletzte.

Nach Bildung eines Übergangsrates Ende 2003 wurde der bis dahin von der Übergangsverwaltung ausgeübte Verwaltungsauftrag am 28.Juni 2004 einer repräsentativen irakischen Übergangsregierung übertragen. Dies sollte für die lang ersehnte Stabilisierung des Landes sorgen und einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen.

Am 15.Oktober 2006 rief die Terrororganisation al-Qaida im Irak einen islamischen Staat aus, der insgesamt sechs Provinzen umfassen solle. Der mutmaßliche Ableger von Al-Qaida, Ansar al-Islam, verfolgte anscheinend die Strategie, einen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten zu provozieren, um so zu verhindern, dass der Irak eine staatliche Ordnung findet. Es gelang auch, Sunniten und Schiiten gegeneinander auszuspielen, gegeneinander geführte Terrorangriffe und Gegenanschläge forderten bis 2008 rund 150.000 Opfer. Als wichtigster Kopf der irakischen Organisation Ansar al-Islam wurde der Jordanier Abu Musab az-Zarqawi angesehen, der im Juni 2006 von US-amerikanischen Einheiten getötet wurde. Viele Kämpfer der Ansar-al-Islam kamen aus anderen arabischen Ländern wie Syrien, Jordanien oder dem Iran.

Am 30. Juni 2009 verließen die amerikanischen Kampftruppen die Städte und übergaben ihre Stützpunkte und andere Einrichtungen an die irakischen Streitkräfte. Im August 2010 verließen die letzten US-Kampftruppen das Land, seitdem befanden sich noch 50.000 Ausbilder und Militärberater im Land. Deren Abzug wurde am 18. Dezember 2011 offiziell abgeschlossen.

Die Ernennung einer Regierung ist laut Verfassung nur im Einvernehmen zwischen dem kurdischen, dem schiitischen und dem sunnitischen Vertreter im Präsidialrat möglich. Dies soll möglichen Machtstreitigkeiten zwischen den verschiedenen Gruppen wie in der jüngsten Vergangenheit vorbeugen und gleichzeitig die ernannte Regierung stärken. Laut der aktuellen Verfassung von 2005 ist das Staatsoberhaupt der Präsident der Republik Irak. Die zweiten Parlamentswahlen seit Inkrafttreten der neuen Verfassung fanden am 7. März 2010 statt. Stärkste Kraft wurde die Gruppierung Irakija mit 91 Sitzen vor der Rechtsstaat-Koalition des amtierenden Premierministers Nuri al-Maliki, das 89 Sitze gewann. Die Nationale Irakische Allianz wurde mit 70 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament. Am 15. Juli 2014 konnte Salim al-Dschaburi im dritten Wahlgang mit 194 zu 79 Stimmen zum Präsidenten des Repräsentantenrats gewählt werden. Dies ist laut Verfassung die Voraussetzung für die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts, welcher wiederum den künftigen Ministerpräsidenten nominiert.

Am 24. Juli. 2014 wurde daraufhin Fuad Masum mit überwältigender Mehrheit zum Staatspräsidenten des Iraks gewählt. Masum beauftragte am 11. August. 2014 gegen den Willen des damaligen Regierungschefs Maliki, Haider al-Abadi eine neue Regierung zu bilden. Maliki warf Masum Verfassungsbruch vor und reichte gegen ihn eine Verfassungsklage ein. Dies führte dazu, Maliki von seinem Amt zurücktrat und die Klage zurückzog. Al-Abadi wurde bald darauf zum neuen Regierungschef des Irak ernannt.

Teile des Iraks wie die strategisch wichtige Stadt Mossul wurden ab 2014 von der Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und der Levante (IS) gewaltsam kontrolliert. Der IS rief am 29. Juni 2014 einen als Kalifat bezeichneten Staat aus. IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi regiert diesen nach seiner eigenen Vorstellung über einen „Islamischen Staat“ als selbsternannter Kalif ohne gesetzliche Grundlage. Damit ist der Anspruch al-Baghdadis auf die Nachfolge des Propheten Mohammed als politischem und religiösem Oberhaupt aller Muslime verbunden. In dieser Zeit kam es zum Massaker von Tikrit durch Mitglieder der Terrororganisation. Das Massaker von Tikrit war eine bislang nicht verifizierte Massenexekution beim Camp Speicher, bei der zwischen dem 11. und 15. Juni 2014 mutmaßlich bis zu 190 irakische Luftwaffenangehörige getötet wurden. Zwischen dem 9. und 12. Juni 2014 verbreiteten Mitglieder des Islamischer Staates per Twitter Fotos und gaben dazu an, 1700 Menschen bei Tikrit exekutiert zu haben. Ob die Opferzahlen der Wirklichkeit entsprechen oder dies nur der Kriegspropaganda des Islamischen Staates dient, konnte bislang nicht festgestellt werden. In der Folgezeit brüsteten sich IS-Kämpfer wohl zu Propaganda- und Selbstdarstellungszwecken immer wieder mit der Erschießung oder der Erhauptung von westlichen Geiseln oder Angehörige der gegnerischen Seite in selbstgedrehten Videos, die dann in das Internet gestellt wurden.

Am 20.8.2014 verständigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den zuständigen Ministern darauf, dass die Bundesregierung die Kurden im Nordirak mit Waffen für den Kampf gegen den IS ausgerüstet werden sollen. Ein militärisches Eingreifen mit Einheiten der Bundeswehr wurde von der Kanzlerin abgelehnt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte im Rahmen einer UNO-Vollversammlung in New York: „Klar ist, dass wir im Kampf gegen IS eine breit angelegte, regional verankerte Gesamtstrategie brauchen, die auch militärische Bestandteile hat“.

Die USA und mit ihr verbündete arabische Staaten wie Saudi-Arabien setzten auf ein militärisches Eingreifen gegen die Greueltaten des IS. Die Allianz versucht vor allem mit Luftangriffen, den Kampf der Kurden zu unterstützen und die IS strategisch zu schwächen.

Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die USA und ihre arabischen Verbündeten auf, sich bei den Angriffen an internationales Recht zu halten. Es müsse alles getan werden, um die Zahl ziviler Opfer so gering wie möglich zu halten. Der syrische Bürgerkrieg insgesamt stellte jedoch eine Gefahr für den Weltfrieden dar.

Russland kritisierte die Luftangriffe als Verstoß gegen das Völkerrecht. Für einen solchen Militäreinsatz sei eine Zustimmung der syrischen Regierung oder ein Mandat des UN-Sicherheitsrates nötig, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Der russischen Kritik antwortete die amerikanische Seite mit dem Argument, die Angriffe auf die Terrormiliz IS in Syrien sind demnach auf Wunsch des Iraks erfolgt: „Die irakische Regierung hat die USA gebeten, internationale Maßnahmen anzuführen, um Stellungen und militärische Hochburgen des IS in Syrien anzugreifen.“ Der Irak habe um den Schutz seiner Bürger gebeten und um Hilfe bei der Sicherung seiner Grenzen.

Bei der amerikanischen Eroberung Bagdads wurden zahlreiche Kulturgüter der Stadt und des ganzen Landes mit seiner jahrtausendealten Geschichte zerstört. Die Nationalbibliothek wurde durch einen Brand völlig zerstört und das schlecht gesicherte Nationalmuseum von Kunsträubern geplündert. Inventardatenbanken des Nationalmuseums wurden in Brand gesteckt, womit unter anderem Belege über die Herkunft der geraubten Objekte zerstört sind. Einige der gestohlenen Kunstschätze tauchten auf dem illegalen weltweiten Kunstmarkt wieder auf und sie wurden sichergestellt.

Die genannten Begründungen für den Irakkrieg wurden nach Ende des Krieges widerlegt, da im Irak weder Massenvernichtungsmittel noch Beweise akuter Angriffsabsichten gefunden wurden. Stattdessen werden in verschiedenen wissenschaftlichen Kreisen geopolitische und wirtschaftliche Interessen der USA als tatsächliche Kriegsgründe angenommen. Die Ausbeutung der Ölvorkommen im Irak ist seit geraumer Zeit ein Ziel der US-Außenpolitik im Nahen Osten.

Nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein kehrte im Irak jedoch nicht der langersehnte Friede und Stabilität ein. Nach dem offiziell von den USA verkündetem Kriegsende kam es in den Besatzungszonen zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, tausenden Terroranschlägen, Kriegshandlungen und Gewaltkriminalität, sowohl verschiedener irakischer Gruppen gegeneinander als auch gegen die westlichen Besatzungstruppen. Sie forderten vor allem unter irakischen Zivilisten eine große Anzahl Todesopfer und Verletzte.

Nach Bildung eines Übergangsrates Ende 2003 wurde der bis dahin von der Übergangsverwaltung ausgeübte Verwaltungsauftrag am 28.Juni 2004 einer repräsentativen irakischen Übergangsregierung übertragen. Dies sollte für die lang ersehnte Stabilisierung des Landes sorgen und einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen.

Am 15.Oktober 2006 rief die Terrororganisation al-Qaida im Irak einen islamischen Staat aus, der insgesamt sechs Provinzen umfassen solle. Der mutmaßliche Ableger von Al-Qaida, Ansar al-Islam, verfolgte anscheinend die Strategie, einen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten zu provozieren, um so zu verhindern, dass der Irak eine staatliche Ordnung findet. Es gelang auch, Sunniten und Schiiten gegeneinander auszuspielen, gegeneinander geführte Terrorangriffe und Gegenanschläge forderten bis 2008 rund 150.000 Opfer. Als wichtigster Kopf der irakischen Organisation Ansar al-Islam wurde der Jordanier Abu Musab az-Zarqawi angesehen, der im Juni 2006 von US-amerikanischen Einheiten getötet wurde. Viele Kämpfer der Ansar-al-Islam kamen aus anderen arabischen Ländern wie Syrien, Jordanien oder dem Iran.

Am 30. Juni 2009 verließen die amerikanischen Kampftruppen die Städte und übergaben ihre Stützpunkte und andere Einrichtungen an die irakischen Streitkräfte. Im August 2010 verließen die letzten US-Kampftruppen das Land, seitdem befanden sich noch 50.000 Ausbilder und Militärberater im Land. Deren Abzug wurde am 18. Dezember 2011 offiziell abgeschlossen.

Die Ernennung einer Regierung ist laut Verfassung nur im Einvernehmen zwischen dem kurdischen, dem schiitischen und dem sunnitischen Vertreter im Präsidialrat möglich. Dies soll möglichen Machtstreitigkeiten zwischen den verschiedenen Gruppen wie in der jüngsten Vergangenheit vorbeugen und gleichzeitig die ernannte Regierung stärken. Laut der aktuellen Verfassung von 2005 ist das Staatsoberhaupt der Präsident der Republik Irak. Die zweiten Parlamentswahlen seit Inkrafttreten der neuen Verfassung fanden am 7. März 2010 statt. Stärkste Kraft wurde die Gruppierung Irakija mit 91 Sitzen vor der Rechtsstaat-Koalition des amtierenden Premierministers Nuri al-Maliki, das 89 Sitze gewann. Die Nationale Irakische Allianz wurde mit 70 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament. Am 15. Juli 2014 konnte Salim al-Dschaburi im dritten Wahlgang mit 194 zu 79 Stimmen zum Präsidenten des Repräsentantenrats gewählt werden. Dies ist laut Verfassung die Voraussetzung für die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts, welcher wiederum den künftigen Ministerpräsidenten nominiert.

Am 24. Juli. 2014 wurde daraufhin Fuad Masum mit überwältigender Mehrheit zum Staatspräsidenten des Iraks gewählt. Masum beauftragte am 11. August. 2014 gegen den Willen des damaligen Regierungschefs Maliki, Haider al-Abadi eine neue Regierung zu bilden. Maliki warf Masum Verfassungsbruch vor und reichte gegen ihn eine Verfassungsklage ein. Dies führte dazu, Maliki von seinem Amt zurücktrat und die Klage zurückzog. Al-Abadi wurde bald darauf zum neuen Regierungschef des Irak ernannt.

Teile des Iraks wie die strategisch wichtige Stadt Mossul wurden ab 2014 von der Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und der Levante (IS) gewaltsam kontrolliert. Der IS rief am 29. Juni 2014 einen als Kalifat bezeichneten Staat aus. IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi regiert diesen nach seiner eigenen Vorstellung über einen „Islamischen Staat“ als selbsternannter Kalif ohne gesetzliche Grundlage. Damit ist der Anspruch al-Baghdadis auf die Nachfolge des Propheten Mohammed als politischem und religiösem Oberhaupt aller Muslime verbunden. In dieser Zeit kam es zum Massaker von Tikrit durch Mitglieder der Terrororganisation. Das Massaker von Tikrit war eine bislang nicht verifizierte Massenexekution beim Camp Speicher, bei der zwischen dem 11. und 15. Juni 2014 mutmaßlich bis zu 190 irakische Luftwaffenangehörige getötet wurden. Zwischen dem 9. und 12. Juni 2014 verbreiteten Mitglieder des Islamischer Staates per Twitter Fotos und gaben dazu an, 1700 Menschen bei Tikrit exekutiert zu haben. Ob die Opferzahlen der Wirklichkeit entsprechen oder dies nur der Kriegspropaganda des Islamischen Staates dient, konnte bislang nicht festgestellt werden. In der Folgezeit brüsteten sich IS-Kämpfer wohl zu Propaganda- und Selbstdarstellungszwecken immer wieder mit der Erschießung oder der Erhauptung von westlichen Geiseln oder Angehörige der gegnerischen Seite in selbstgedrehten Videos, die dann in das Internet gestellt wurden.

Am 15.Oktober 2006 rief die Terrororganisation al-Qaida im Irak einen islamischen Staat aus, der insgesamt sechs Provinzen umfassen solle. Der mutmaßliche Ableger von Al-Qaida, Ansar al-Islam, verfolgte anscheinend die Strategie, einen Bürgerkrieg zwischen Schiiten und Sunniten zu provozieren, um so zu verhindern, dass der Irak eine staatliche Ordnung findet. Es gelang auch, Sunniten und Schiiten gegeneinander auszuspielen, gegeneinander geführte Terrorangriffe und Gegenanschläge forderten bis 2008 rund 150.000 Opfer. Als wichtigster Kopf der irakischen Organisation Ansar al-Islam wurde der Jordanier Abu Musab az-Zarqawi angesehen, der im Juni 2006 von US-amerikanischen Einheiten getötet wurde. Viele Kämpfer der Ansar-al-Islam kamen aus anderen arabischen Ländern wie Syrien, Jordanien oder dem Iran.

Am 30. Juni 2009 verließen die amerikanischen Kampftruppen die Städte und übergaben ihre Stützpunkte und andere Einrichtungen an die irakischen Streitkräfte. Im August 2010 verließen die letzten US-Kampftruppen das Land, seitdem befanden sich noch 50.000 Ausbilder und Militärberater im Land. Deren Abzug wurde am 18. Dezember 2011 offiziell abgeschlossen.

Die Ernennung einer Regierung ist laut Verfassung nur im Einvernehmen zwischen dem kurdischen, dem schiitischen und dem sunnitischen Vertreter im Präsidialrat möglich. Dies soll möglichen Machtstreitigkeiten zwischen den verschiedenen Gruppen wie in der jüngsten Vergangenheit vorbeugen und gleichzeitig die ernannte Regierung stärken. Laut der aktuellen Verfassung von 2005 ist das Staatsoberhaupt der Präsident der Republik Irak. Die zweiten Parlamentswahlen seit Inkrafttreten der neuen Verfassung fanden am 7. März 2010 statt. Stärkste Kraft wurde die Gruppierung Irakija mit 91 Sitzen vor der Rechtsstaat-Koalition des amtierenden Premierministers Nuri al-Maliki, das 89 Sitze gewann. Die Nationale Irakische Allianz wurde mit 70 Sitzen drittstärkste Kraft im Parlament. Am 15. Juli 2014 konnte Salim al-Dschaburi im dritten Wahlgang mit 194 zu 79 Stimmen zum Präsidenten des Repräsentantenrats gewählt werden. Dies ist laut Verfassung die Voraussetzung für die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts, welcher wiederum den künftigen Ministerpräsidenten nominiert.

Am 24. Juli. 2014 wurde daraufhin Fuad Masum mit überwältigender Mehrheit zum Staatspräsidenten des Iraks gewählt. Masum beauftragte am 11. August. 2014 gegen den Willen des damaligen Regierungschefs Maliki, Haider al-Abadi eine neue Regierung zu bilden. Maliki warf Masum Verfassungsbruch vor und reichte gegen ihn eine Verfassungsklage ein. Dies führte dazu, Maliki von seinem Amt zurücktrat und die Klage zurückzog. Al-Abadi wurde bald darauf zum neuen Regierungschef des Irak ernannt.

Teile des Iraks wie die strategisch wichtige Stadt Mossul wurden ab 2014 von der Terrororganisation Islamischer Staat im Irak und der Levante (IS) gewaltsam kontrolliert. Der IS rief am 29. Juni 2014 einen als Kalifat bezeichneten Staat aus. IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi regiert diesen nach seiner eigenen Vorstellung über einen „Islamischen Staat“ als selbsternannter Kalif ohne gesetzliche Grundlage. Damit ist der Anspruch al-Baghdadis auf die Nachfolge des Propheten Mohammed als politischem und religiösem Oberhaupt aller Muslime verbunden. In dieser Zeit kam es zum Massaker von Tikrit durch Mitglieder der Terrororganisation. Das Massaker von Tikrit war eine bislang nicht verifizierte Massenexekution beim Camp Speicher, bei der zwischen dem 11. und 15. Juni 2014 mutmaßlich bis zu 190 irakische Luftwaffenangehörige getötet wurden. Zwischen dem 9. und 12. Juni 2014 verbreiteten Mitglieder des Islamischer Staates per Twitter Fotos und gaben dazu an, 1700 Menschen bei Tikrit exekutiert zu haben. Ob die Opferzahlen der Wirklichkeit entsprechen oder dies nur der Kriegspropaganda des Islamischen Staates dient, konnte bislang nicht festgestellt werden. In der Folgezeit brüsteten sich IS-Kämpfer wohl zu Propaganda- und Selbstdarstellungszwecken immer wieder mit der Erschießung oder der Erhauptung von westlichen Geiseln oder Angehörige der gegnerischen Seite in selbstgedrehten Videos, die dann in das Internet gestellt wurden.

Am 20.8.2014 verständigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den zuständigen Ministern darauf, dass die Bundesregierung die Kurden im Nordirak mit Waffen für den Kampf gegen den IS ausgerüstet werden sollen. Ein militärisches Eingreifen mit Einheiten der Bundeswehr wurde von der Kanzlerin abgelehnt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte im Rahmen einer UNO-Vollversammlung in New York: „Klar ist, dass wir im Kampf gegen IS eine breit angelegte, regional verankerte Gesamtstrategie brauchen, die auch militärische Bestandteile hat“.

Die USA und mit ihr verbündete arabische Staaten wie Saudi-Arabien setzten auf ein militärisches Eingreifen gegen die Greueltaten des IS. Die Allianz versucht vor allem mit Luftangriffen, den Kampf der Kurden zu unterstützen und die IS strategisch zu schwächen.

Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die USA und ihre arabischen Verbündeten auf, sich bei den Angriffen an internationales Recht zu halten. Es müsse alles getan werden, um die Zahl ziviler Opfer so gering wie möglich zu halten. Der syrische Bürgerkrieg insgesamt stellte jedoch eine Gefahr für den Weltfrieden dar.

Russland kritisierte die Luftangriffe als Verstoß gegen das Völkerrecht. Für einen solchen Militäreinsatz sei eine Zustimmung der syrischen Regierung oder ein Mandat des UN-Sicherheitsrates nötig, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Der russischen Kritik antwortete die amerikanische Seite mit dem Argument, die Angriffe auf die Terrormiliz IS in Syrien sind demnach auf Wunsch des Iraks erfolgt: „Die irakische Regierung hat die USA gebeten, internationale Maßnahmen anzuführen, um Stellungen und militärische Hochburgen des IS in Syrien anzugreifen.“ Der Irak habe um den Schutz seiner Bürger gebeten und um Hilfe bei der Sicherung seiner Grenzen.

Ein IS-Unterstützer hatte am 20.7.2015 bei einem Selbstmordanschlag in der türkischen Stadt Suruc nahe der Grenze zu Syrien mehr als 30 Menschen getötet. Dies führte dazu, dass die Türkei ihre bisherige Zurückhaltung aufgab und sich seit Mitte 2015 auch an der militärischen Offensive gegen den IS beteiligte. Die Türkei hatte auch den Vereinigten Staaten die Nutzung türkischer Luftwaffenstützpunkte für Angriffe auf den IS erlaubt. Zugleich bemüht sich Ankara intensiver, den Zustrom ausländischer Kämpfer über die Türkei zum IS zu stoppen.

Dieser offizielle Eintritt in den Krieg gegen den IS hat zwei entscheidende Gründe: Zum einen befürchtet die Türkei die Ausweitung des vom IS kontrollierten Gebietes und das Erstarken des radikalen Islamismus in der Türkei selbst. Zum anderen möchte die Regierung in Ankara nicht den Kurden in ihrem Kampf im Nordirak gegen den IS nicht zu viel politischen Einfluss überlassen. Dies geschieht im Hinblick auf die Angst vor einem eigenen kurdischen Staat und die damit verbundene Abspaltung der östlichen Gebiete der Türkei.

Daraufhin rief der IS die türkische Bevölkerung zum Aufstand gegen ihren Präsidenten Erdogan auf. In einem im Internet verbreiteten Video hieß es, der „Teufel Erdogan“ habe die Türkei an die PKK und die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft. In dem rund sieben Minuten langen Clip warf ein IS-Kämpfer in türkischer Sprache dem Präsidenten und der türkischen Republik vor, den Islam verraten zu haben.Laut türkischen Medienberichten ist es das erste IS-Video, in dem die Miliz ausdrücklich zu Aktionen gegen die Türkei aufruft. Der IS-Kämpfer in dem Video spricht von der „Eroberung Istanbuls“ und appelliert an die Türken, sie sollten um ihres eigenen Seelenheils willen „gegen die Freunde des Teufels kämpfen“ und dem IS-Kalifat helfen.

Etwa 97 % der Bevölkerung im Irak sind muslimischen Glaubens. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten. Die große Mehrheit der muslimischen Kurden im Norden des Landes ist sunnitischen Glaubens. Sunniten und Schiiten konkurrieren im Land um wirtschaftlichen und politischen Einfluss, was zu Spannungen zwischen den beiden Gruppen führt. Diese Spannungen entladen sich auch immer wieder in gewalttätigen Auseinandersetzungen oder Aufständen, wie zum Beispiel der schiitische Aufstand Anfang der 1990er Jahre. Dabei dient die Religionszugehörigkeit oftmals nur als Deckmantel für die Machtstreitigkeiten verschiedener Gruppen oder Einzelpersonen. Christen, Jesiden und andere Angehörige anderer Religionsgemeinschaften bilden mit ca. 3 % eine Minderheit. In den letzten Jahren sind fast 2 Millionen Christen aus dem Irak geflohen. Dies hatte neben den andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen auch mit der Diskriminierung als religiöse Minderheit zu tun. Die irakischen Christen zählen überwiegend zu den orientalisch-christlichen Gemeinschaften. Rechtlich gelten die Angehörigen der verschiedenen Religionen offiziell als gleichberechtigt. Der umstrittene Artikel 39 der Verfassung sieht jedoch vor, dass irakische Bürger sich der Zivilgerichtsbarkeit ihrer eigenen Religionsgemeinschaft unterwerfen können, was gegebenenfalls zu einer entsprechenden Benachteiligung bei Erbschafts- und Scheidungsangelegenheiten führen kann.

Die Menschenrechtssituation im Irak ist sehr schlecht. Amnesty International berichtete für das Jahr 2012: „Tausende von Menschen waren inhaftiert. Es ergingen Hunderte von Todesurteilen nach häufig unfairen Verfahren und wegen Anklagen im Zusammenhang mit Terrorismus. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren weiterhin an der Tagesordnung, die Verantwortlichen gingen straffrei aus. Hunderte Gefangene saßen in den Todestrakten. Mindestens 129 Menschen wurden hingerichtet, darunter mindestens drei Frauen. Bewaffnete Gruppen, die gegen die Regierung kämpften, waren weiterhin für schwere Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Sie verübten zahlreiche Selbstmordattentate und Bombenanschläge, bei denen Hunderte von Zivilpersonen ums Leben kamen. Nach wie vor gingen Meldungen über Drangsalierungen, Einschüchterungen und Gewalt gegen Journalisten und andere Medienschaffende ein. Über 67000 Flüchtlinge aus Syrien suchten Zuflucht im Irak.“[5]

Saudi-Arabien

In Arabien hatte der einflussreiche Emir des Hedschahs, Scherif Husain I. von Mekka, während des 1. Weltkrieges auf Seiten der Entente-Mächte zum Freiheitskampf gegen die Türken aufgerufen und am 2.11.1916 den Titel „König der arabischen Länder“ angenommen. Nach Beendigung des Krieges ließen die britischen und französischen imperialen Interessen nicht die Bildung eines gesamtarabischen Staates zu. Vielmehr begann Großbritannien gegen Husain den wahabitischen Sultan des Nedschd, Ibn Saud, auszuspielen. Als sich 1924 Husain dann zum Kalifen aller Muslime ausrufen ließ, begann Ibn Saud den Krieg gegen ihn. Husain musste schließlich abdanken und am 8.1.1926 ließ sich Ibn Saud zum König des Hedschas und des Nedschid ausrufen. Nach der Eingliederung des Emirates Asir erhielt das Königreich den Namen Saudi-Arabien. Der neu geschaffene Staat konnte sich nach außen und innen hin allmählich konsolidieren.

In dem 1932 begründeten Königreich Saudi-Arabien ging der Modernisierungsprozess auch nach dem 2.Weltkrieg voran. 1953 bestieg der Sohn von Ibn Saud, Sa’ud, den Thron in Saudi-Arabien. Neben Libyen, Libanon, Irak, Türkei, Iran, Pakistan und Afghanistan gab auch Saudi-Arabien seine Zustimmung zur Nahostdoktrin Eisenhowers 1957, die gegen eine „kommunistische Aggression“ gerichtet war und die Unterstützung der arabischen Staaten auf deren Wunsch hin versprach. Am 2.11.1964 dankte König Sa’du zugunsten seines Bruders Faisal ab, der Reformen einzuleiten begann. Weiterhin baute er gegen den sozialrevolutionären Panarabismus eine Gegenpartei auf. Er intervenierte im jemenitischen Bürgerkrieg zugunsten der Royalisten und er gewann Jordanien, Kuwait und Tunesien für den panislamischen Gedanken und eine Islamische Allianz. Faisal baute die Luftverteidigung mit Hilfe der USA und Großbritanniens aus. Saudi-Arabien unter Faisal ging es darum, nach dem Abzug Großbritanniens vom Persischen Golf dort kein politisches Vakuum entstehen zu lassen und diesen Raum mit seinen reichen Ölvorkommen abzusichern. Daher wurde der Einfluss auf die Emirate am Persischen Golf ausgedehnt. Da die Interessen des Irans in die gleiche Richtung zielten, kam es 1968 zu einer Verständigung zwischen den beiden Ländern.

Im März 1975 wurde König Faisal Opfer eines Mordanschlages, sein Nachfolger wurde König Chalid, der 1982 starb. Die Regierung des neuen Königs Abd el Asis kam durch die finanziellen Belastungen infolge des Golf-Konfliktes in wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Saudi-Arabien unterstützte im ersten Golfkrieg den Irak. Aufgrund der islamischen Revolution im Iran und der sowjetischen Besetzung von Afghanistan erfolgte unter Fahd ibn Abd al-Aziz seit 1982 eine verstärkte Anlehnung an die USA. Damit verbunden ist der Aufbau einer vom Erdöl unabhängigen Industrie sowie großen Investitionen in die Infrastruktur, Straßen und Flughäfen sowie die Festigung der Beziehung zu den Nachbarstaaten durch Grenzabkommen.

Seit 1981 ist Saudi-Arabien in das Visier von radikal islamischen Terrorgruppen mit dem Ziel des Sturzes des Königshauses geraten. Die schweren Unruhen durch iranische Pilger in Mekka 1987 und die durch die saudischen Behörden verfügte zahlenmäßige Beschränkung der Pilger aus dem Iran waren ein Indiz dafür. In Teheran fanden Demonstrationen gegen Saudi-Arabien statt, wo Teilnehmer zur „Befreiung“ der heiligen Stätten Mekka und Medina aufriefen. Von 1987 bis 1989 gab es neun Anschläge auf saudische Diplomaten im Ausland. Der wohl schwerste war die Ermordung des Diplomaten Mohammed Ali Marzouki in Beirut am 1.11.1989. Die Terrororganisation „Islamischer Heiliger Krieg“ übernahm die Verantwortung für den Mordanschlag. Da das Königshaus den Iran als Drahtzieher für die Terroranschläge vermutete, brach Saudi-Arabien 1988 seine diplomatischen Beziehungen zu Teheran an. Weitere Anschläge gegen Staatsbürger Saudi-Arabiens waren als Vergeltung für die Enthauptung von 16 Terroristen durch Saudi-Arabien im September 1989 zu verstehen.

Im zweiten Golfkrieg ging Saudi-Arabien hauptsächlich aus Selbstschutz ein Bündnis mit den Vereinigten Staaten und anderen westlichen Staaten ein, um die Iraker wieder aus Kuwait zu vertreiben. Saudi-Arabien trug dafür fast 40 Prozent der Kriegskosten. Das Königreich nahm an der ersten größten Infanterieoperation des zweiten Golfkrieges teil und besiegte die irakischen Truppen. Allerdings führte die Stationierung US-amerikanischer Truppen im Land zu heftiger Kritik einiger Geistlicher und islamischer Fundamentalisten, die sich zunehmend gegen das Königshaus richtet und in jüngerer Vergangenheit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Terroranschlägen auf westliche Einrichtungen führte. Im dritten Golfkrieg trat das Königreich anfangs in die westliche Koalition ein, stieg anschließend jedoch aus und untersagte den Vereinigten Staaten die Nutzung ihrer Stützpunkte in Saudi-Arabien. Gegen Ende des Krieges wurde dieses Verbot gelockert.

Glaubensfragen spielen in Saudi-Arabien innenpolitisch eine wichtige Rolle. Seit 2009 verschärften sich die Spannungen zwischen der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit. Das saudische Herrscherhaus ist ein Verfechter des reinen (sunnitischen) Islam und diskriminiert die toleriert die Regierung schiitische Minderheit. Zahlreiche saudisch-sunnitische Theologen verurteilen in ihren Schriften schiitische Glaubensüberzeugungen und -praktiken; Die beiden heiligsten Stätten des Islam, die Kaaba in Mekka und die Ruhestätte des Propheten Mohammed in Medina, liegen in Saudi-Arabien ebenso wie der Berg Arafat, auf dem der Prophet Mohammed seine letzte Predigt abhielt, befinden sich in Saudi-Arabien. so dass das Land jährlich das Ziel von mehreren Millionen Pilgern ist. Der König bezeichnet sich seit 1986 als Hüter der heiligen Stätten von Mekka und Medina, was ihn und das Königshaus in der islamischen Welt aufwerten soll. Deshalb legt das Königshaus großen Wert darauf, die Politik nicht von der Religion zu trennen. Der Einfluss der Geistlichen im Lande ist sehr groß und hat in den letzten Jahren weiter zugenommen. Die angeblich dem Islam widersprechende Lebensweise einer Reihe von Mitgliedern des saudischen Königshauses polarisiert die Gesellschaft.

Der Wahhalbistismus ist besonders in Saudi-Arabien verbreitet. Als Wahhabiten werden die Anhänger einer puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams bezeichnet, die der hanbalitischen Rechtsschule folgen. Diese Glaubensrichtung gründet sich auf die Lehren Muhammad ibn Abd al-Wahhabs. Die Wahhabiten lehnen alle Formen des schiitischen Islams ab. Die Anhänger Ibn Abd al-Wahhabs nehmen für sich in Anspruch, die islamische Lehre authentisch zu vertreten. Glaubensauffassungen, die mit dem Wahhabismus nicht vereinbar sind, werden von ihnen in der Regel als unislamisch deklariert und deshalb abgelehnt. Ausschließlich der Koran, die überlieferten Handlungen und Aussagen Mohammeds, die sogenannten Hadith, ist für die wahhabitische Strömungen Maßstab in Religion und Gesellschaft. Sie sehen die Lösung politischer und gesellschaftlicher Probleme in der Rückkehr zu einem idealisierten Ur-Islam der islamischen Frühzeit. Viele Salafisten emigrierten aufgrund des Atheismus in vielen sozialistischen Regimen nach Saudi-Arabien. Dort wurden sie ins wahhabitisch geprägte staatliche Religionssystem aufgenommen und es kam zu einer starken ideologischen Überschneidung, Vermischung und gegenseitigen Beeinflussung der Glaubensströmungen.

Saudi-Arabien ist gemäß den Artikeln 1 und 5 seiner Grundordnung eine absolute Monarchie. Das Land versteht sich als Gottesstaat und hat die Scharia in der Verfassung verankert. 2011 und 2012 kam es immer wieder zu Demonstrationen und Protesten durch radikale Islamisten gegen die Regierung. Die Demonstrationen wurden gewalttätig niedergeschlagen und ein Demonstrationsverbot verhängt. Dies verschlechterte die schon angespannte Freiheit der Presse und Meinungsäußerung. Das Königshaus verbietet oppositionelle politische Parteien, Gewerkschaften und andere Organisationen. Mitbestimmung der Bürger wird darauf beschränkt, dass jeder Bürger anlässlich öffentlicher Audienzen Zugang zu hohen Beamten und das Recht, sich mit Petitionen direkt an sie zu wenden. Die wenigen im Untergrund operierenden Parteien werden strafrechtlich verfolgt. Die nennenswerteste oppositionelle Gruppe ist Movement for Islamic Reform in Arabia (MIRA), die in London organisiert ist. Sie tritt für Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Presse- und Meinungsfreiheit sowie Menschenrechte im Allgemeinen ein. MIRA hatte im Jahr 2003 zu einer Demonstration in Saudi-Arabien aufgerufen, bei der von der saudischen Polizei über 350 Verhaftungen vorgenommen wurden.

Einheimische Frauen unterliegen in der Regel einer „gesetzlichen männlichen Vormundschaft“. Der immer „männliche Vormund“ ist bis zur Ehe in der Regel der Vater, die Brüder oder ein Onkel. In der Ehe ist der Ehemann der „Vormund“. Der „Vormund“ ist für Straftaten, die eine Frau begeht, mitverantwortlich; bei kleineren Delikten ist es oft der Fall, dass der männliche „Vormund“ sich vor Gericht zu verantworten hat, bei größeren Delikten in der Regel beide. Frauen ist das Lenken von Kraftfahrzeugen in der Stadt untersagt. Im gesamten öffentlichen Raum der Grundsatz gilt, dass Frauen keinerlei persönlichen Kontakt zu nichtverwandten Männern und Männer keinerlei persönlichen Kontakt zu nichtverwandten Frauen haben dürfen. Frauen besitzen erst seit kurzem das passive Wahlrecht, Versprechungen auf ein aktives Wahlrecht wurden bislang nicht eingehalten. In Saudi-Arabien gibt eine indirekte Pflicht zur Verschleierung; der Schleier soll den ganzen Körper mit Ausnahme von Gesicht und Händen bedecken.

Jemen

Der bereits nach dem 1.Weltkrieg unabhängig gewordene Jemen mit theokratischer und feudalistischer Staats- und Gesellschaftsordnung, die immer wieder in Grenzstreitigkeiten mit Nachbarstaaten verwickelt war, wurde 1948 von einem Offiziersputsch erschüttert, der jedoch niedergeschlagen werden konnte. Konflikte mit Großbritannien wegen der Kronkolonie Aden und den Inseln Kamaran und Perim führte zu einer Annäherung an die Sowjetunion, gleichzeitig folgte ein Anschluss an die VAR. 1962 bestieg Muhammad Mansur bi’llah den Thron. Er wurde aber sehr bald wieder durch einen Militärputsch unter General Abd Allag as-Sallal am 26.9. 1962 wieder gestürzt. Er nahm mit königstreuen Stämmen den Kampf gegen die Aufständischen auf, die mit der VAR einen Militärpakt abschlossen. Das Abkommen von Dschidda vom 24.8.1965 zwischen Nasser und König Faisal von Saudi-Arabien, das die Aufhebung der Unterstützung der Royalisten und Republikaner im jemenitischen Bürgerkrieg vorsah, schlug fehl, da Nasser sich nicht daran gebunden fühlte. Nach dem Abzug der ägyptischen Truppen konnten sich die Republikaner mit sowjetischer Militärhilfe immer mehr gegenüber den Royalisten unter ihrem Imam Muhammad Mansur bi’llah durchsetzen und es kam schließlich 1970 nach achtjährigem Bürgerkrieg zu einem Frieden. Es bildete sich die Arabische Republik Jemen, jedoch blieb die innenpolitische Lage weiter angespannt.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen gelang am 22. Mai 1990 die Vereinigung mit der Demokratischen Volksrepublik Jemen (Südjemen). Als Regierungschef wurde Ali Abdullah Salih installiert. Salih war 1974 er am Putsch gegen Präsident al-Iryani beteiligt. Seit 1978 war er Präsident der Jemenitischen Arabischen Republik (Nordjemen) und zudem Vorsitzender der dominierenden Regierungspartei Allgemeiner Volkskongress. Allerdings konnte auch unter Sali lange Zeit keine wirkliche Vereinigung der Verwaltung erreicht werden. Am 27.April 1993 fanden im Jemen die ersten freien Parlamentswahlen statt, in denen sich drei große Parteien gegenüberstanden: der Allgemeine Volkskongress, die Sozialistische Partei sowie die Jemenitische Vereinigung für Reformen (Islah). Die Koalition von Islah und Volkskongress wurde fast Modell für eine arabische Demokratisierung. Am 20. Februar 1994 wurde in Amman, Jordanien, ein Abkommen zwischen den politischen Führern des Nord- und Südjemens unterzeichnet, aber dies konnte den Bürgerkrieg zwischen den Beteiligten nicht verhindern, der von Mai bis Juli 1994 ausgetragen wurde und mit der Niederlage der südlichen Streitkräfte und der Flucht ins Exil vieler Jemeniten und Anhänger der Sozialistischen Partei endete. Der Bürgerkrieg führte zu einer großen Zahl von Todesopfern. Allein in der Zeit vom 5.Mai bis zum 7.Juli 1994 starben 7.000 Menschen, zumeist Zivilisten. Für den Demokratisierungsprozess im Jemen war der Bürgerkrieg ein eklatanter Rückschlag.

In der Verfassung wurde 2001 die Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre verlängert. Die Präsidentschaftswahlen vom 23. September 2006 gewann Salih mit 77,2 % der abgegebenen Stimmen, der wichtigste Oppositionskandidat Faisal Bin Shamlan erreichte lediglich 21,8 %.

Im Golfkrieg von 1990 hatte Jemen den Irak unterstützt, was sich für das Land im Nachhinein insofern katastrophal auswirkte, als sie als votierendes Mitglied des UN-Sicherheitsrats nunmehr den Kürzungen, oft Streichungen der Entwicklungshilfemaßnahmen der arabischen Öl-Staaten ausgesetzt waren. Zudem wiesen die Golfstaaten alle jemenitischen Arbeitsmigranten, was etwa 800.000 Menschen waren, aus ihren Ländern aus. Dies führte zum Ausfall von Rücküberweisungen von rund einer Milliarde Dollar belastete den Staatshaushalt extrem schwer. Erst 1999 konnte der Jemen seine Beziehungen zu Kuwait und den anderen arabischen Golfstaaten normalisieren.

Am 23. September 1999 wurde Salih ein fünftes Mal zum Präsidenten gewählt. Sein einziger Gegenkandidat, der langjährige Parlamentsvorsitzende und Scheich Abdallah al-Ahmar, war aus dessen eigenen Reihen ausgewählt worden und somit entfielen 96,3 % der Stimmen auf Salih. Dies war das sichtbarste Zeichen dafür, dass das Land wieder zu einem Einparteienstaat geworden war.

Ab dem Jahre 2000 kam es zur Annäherung mit Saudi-Arabien. Im Streit um die 1932 von Saudi-Arabien besetzte und annektierte Provinz Asir brach 1934 der Saudi-Jemenitische Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen aus. Der in der Auseinandersetzung unterlegene Jemen stimmte im Abkommen von Taif einer provisorischen Grenzziehung zu, die östlich des 45. östlichen Längengrades und im Roten Meer jedoch nicht definiert wurde. Die Militärs beider Länder patrouillierten in Gebietsstreifen ungeklärter Staatszugehörigkeit und so kam es immer wieder zu Zusammenstößen. Im Jahr 2000 nahm dieser schwelende Konflikt ein Ende. Das Abkommen unter UN-Aufsicht beseitigte die Grenzstreitigkeiten und wurde 2002 ratifiziert. Dieses Gebiet ist deshalb so umkämpft, weil dort reichhaltige Erdölvorräte vermutet werden.

Im Februar 2001 konnte die Staatspartei ihre Macht mit einer durch ein Referendum abgesicherten dritten Verfassungsreform stärken. Umgehend wurde der Druck auf die Oppositionsparteien erhöht, obwohl die Regionalwahlen im Februar 2002 durch ein Dezentralisierungsgesetz zu pluralistischen Gemeinde- und Regionalräten führten.

Salih selbst kündigte an, dass er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht antreten werde. Diese Entscheidung revidierte er im Juni 2006, nachdem in von seiner Partei organisierten Massendemonstrationen seine erneute Kandidatur gefordert worden war. 2006 siegte Ali Abdullah Salih bei den ersten von echter Konkurrenz geprägten Präsidentschaftswahlen gegen den Kandidaten des Oppositionsbündnisses „Gemeinsames Treffen“, Faisal bin Schamlan, mit 77,2 % der Stimmen.

Die Arbeitslosigkeit und die Armut nahmen auch unter der Regentschaft Salih zu. Dies führte dazu, dass sich immer mehr Menschen von radikalen islamistischen Ideen angesprochen fühlten und sich Terrorgruppen anschlossen. Seit 1991 haben Anschläge auf westliche Einrichtungen und Touristen im Jemen zugenommen. Auch Anschläge im Ausland wurden mit terroristischen Strukturen im Jemen wie al-Qaida auf der arabischen Halbinsel in Verbindung gebracht.

Der militärische Konflikt mit der zaiditischen al-Houthi-Bewegung im Nordjemen, der sich auch auf angrenzende Gouvernements und Saudi-Arabien ausgedehnt hat, hat Tausende Todesopfer gefordert und schätzungsweise 77.000 Zivilisten in die Flucht getrieben. Ihr Anführer Hussein Badr ed-Din al-Houthi war bereits im September 2004 nach einer dreimonatigen Rebellion getötet worden. Präsident Salih gewährte am 25. September 2005 den inhaftierten 600 Anhängern des schiitischen Predigers Amnestie; allerdings kam es später zu neuen Festnahmen und Verurteilungen, auch Todesstrafen. Seit 2009 ist eine sezessionistische Bewegung im früheren Südjemen aktiv und, was teilweise zu blutige Auseinandersetzungen mit dem Staatsapparat führten.

Infolge der Proteste in der arabischen Welt Anfang 2011 kam es auch im Jemen ab dem 27. Januar zu Demonstrationen in allen größeren Städten des Landes. Die Demonstranten forderten den Rücktritt des seit mehr als 30 Jahren regierenden Präsident Ali Abdullah Salih, den sie für die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage großer Bevölkerungsteile und die Verkrustung des politischen Systems verantwortlich machten. Daraufhin kündigte Salih kündigte im November 2011 seinen Rücktritt an. Bei der folgenden Präsidentschaftswahl im Februar 2012 wurde der bisherige Vizepräsident und einzige Kandidat Abed Rabbo Mansur Hadi für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt, in der er eine Verfassungsreform erwirken sollte.

Von seinem Nachfolger Mansur Hadi erwartete die Bevölkerung des Jemens mehr demokratischen Geist und eine Beendigung der immer wieder aufflackernden Unruhen. Er konnte diese großen Erwartungen jedoch nicht erfüllen und verlor bald die Kontrolle über seinen Machtapparat. Einzelne Generäle kämpften seit 2013 mit ihren Truppen auf eigene Faust gegen die schiitischen Huthi-Rebellen. Die Rebellen nahmen in der Folgezeit neben der Hauptstadt Sanaa auch die wichtige Hafenmetropole al-Hudaida ein. Zu einem weiteren Faktor im Bürgerkrieg entwickelte sich der jemenitische Al-Qaida-Ableger, der Teile des Ostens kontrollierte. Dem jemenitischen Al-Qaida-Ableger gelang es 2014, die Provinzhauptstadt Ibb und westlich davon Mudaichira einzunehmen. Mitte Oktober 2014 sprengte sich ein islamistischer Selbstmordattentäter in einer Huthi-Versammlung in die Luft und riss 50 Personen in den Tod. Am 21.Oktober 2014 starben weitere 33 Menschen bei einem Bombenattentat gegen ein Amtshaus.

Die Zentralregierung versuchte vergeblich, die Lage zu kontrollieren. Die Oppositionsgruppen bekämpften sich auch gegenseitig. Sunnitische Stammeskämpfer verbündeten sich mit der Al-Qaida gegen die Huthi verbündet, woraufhin die Kämpfe sich immer mehr ausweiteten. In dieser Situation traten am 23.Januar 2015 der Präsident, der Premierminister und das gesamte jemenitische Kabinett zurück. Am 6.Februar 2015 verkündeten die Huthi-Rebellen eine Übergangsverfassung und erklärten das Parlament für aufgelöst. Das Parlament sollte provisorisch durch einen Nationalrat mit 551 Mitgliedern ersetzt werden und das Land durch einen fünfköpfigen Präsidentschaftsrat geführt werden.

Die Arbeitslosigkeit und die Armut nahmen auch unter der Regentschaft Salih zu. Dies führte dazu, dass sich immer mehr Menschen von radikalen islamistischen Ideen angesprochen fühlten und sich Terrorgruppen anschlossen. Seit 1991 haben Anschläge auf westliche Einrichtungen und Touristen im Jemen zugenommen. Auch Anschläge im Ausland wurden mit terroristischen Strukturen im Jemen wie al-Qaida auf der arabischen Halbinsel in Verbindung gebracht.

Der militärische Konflikt mit der zaiditischen al-Houthi-Bewegung im Nordjemen, der sich auch auf angrenzende Gouvernements und Saudi-Arabien ausgedehnt hat, hat Tausende Todesopfer gefordert und schätzungsweise 77.000 Zivilisten in die Flucht getrieben. Ihr Anführer Hussein Badr ed-Din al-Houthi war bereits im September 2004 nach einer dreimonatigen Rebellion getötet worden. Präsident Salih gewährte am 25. September 2005 den inhaftierten 600 Anhängern des schiitischen Predigers Amnestie; allerdings kam es später zu neuen Festnahmen und Verurteilungen, auch Todesstrafen. Seit 2009 ist eine sezessionistische Bewegung im früheren Südjemen aktiv und, was teilweise zu blutige Auseinandersetzungen mit dem Staatsapparat führten.

Infolge der Proteste in der arabischen Welt Anfang 2011 kam es auch im Jemen ab dem 27. Januar zu Demonstrationen in allen größeren Städten des Landes. Die Demonstranten forderten den Rücktritt des seit mehr als 30 Jahren regierenden Präsident Ali Abdullah Salih, den sie für die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage großer Bevölkerungsteile und die Verkrustung des politischen Systems verantwortlich machten. Daraufhin kündigte Salih kündigte im November 2011 seinen Rücktritt an. Bei der folgenden Präsidentschaftswahl im Februar 2012 wurde der bisherige Vizepräsident und einzige Kandidat Abed Rabbo Mansur Hadi für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt, in der er eine Verfassungsreform erwirken sollte.

Von seinem Nachfolger Mansur Hadi erwartete die Bevölkerung des Jemens mehr demokratischen Geist und eine Beendigung der immer wieder aufflackernden Unruhen. Er konnte diese großen Erwartungen jedoch nicht erfüllen und verlor bald die Kontrolle über seinen Machtapparat. Einzelne Generäle kämpften seit 2013 mit ihren Truppen auf eigene Faust gegen die schiitischen Huthi-Rebellen. Die Rebellen nahmen in der Folgezeit neben der Hauptstadt Sanaa auch die wichtige Hafenmetropole al-Hudaida ein. Zu einem weiteren Faktor im Bürgerkrieg entwickelte sich der jemenitische Al-Qaida-Ableger, der Teile des Ostens kontrollierte. Dem jemenitischen Al-Qaida-Ableger gelang es 2014, die Provinzhauptstadt Ibb und westlich davon Mudaichira einzunehmen. Mitte Oktober 2014 sprengte sich ein islamistischer Selbstmordattentäter in einer Huthi-Versammlung in die Luft und riss 50 Personen in den Tod. Am 21.Oktober 2014 starben weitere 33 Menschen bei einem Bombenattentat gegen ein Amtshaus.

Die Zentralregierung versuchte vergeblich, die Lage zu kontrollieren. Die Oppositionsgruppen bekämpften sich auch gegenseitig. Sunnitische Stammeskämpfer verbündeten sich mit der Al-Qaida gegen die Huthi verbündet, woraufhin die Kämpfe sich immer mehr ausweiteten. In dieser Situation traten am 23.Januar 2015 der Präsident, der Premierminister und das gesamte jemenitische Kabinett zurück. Am 6.Februar 2015 verkündeten die Huthi-Rebellen eine Übergangsverfassung und erklärten das Parlament für aufgelöst. Das Parlament sollte provisorisch durch einen Nationalrat mit 551 Mitgliedern ersetzt werden und das Land durch einen fünfköpfigen Präsidentschaftsrat geführt werden.

Die unstabile Lage im Jemen und der zunehmende Einfluss der Huthi-Rebellen stießen international auf Widerstand, vor allem bei den arabischen Nachbarn. Es bildete sich eine breit angelegte Koalition mit dem Ziel des Einmarsches im Jemen, um dort für angebliche Stabilität zu sorgen. Am 26.März 2015 begann eine Militärintervention mit saudi-arabischen Luftangriffen im Jemen. An der saudi-arabisch angeführten und von den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Großbritannien logistisch unterstützten Militärintervention nahmen unter anderem die Streitkräfte Ägyptens, Bahrains, Katars, Kuwaits, Jordaniens, Marokkos, Sudans und der Vereinigten Arabischen Emirate aktiv teil. Anfang Juli 2015 rief die UNO aufgrund der eskalierenden humanitären Notlage während des Krieges die höchste Notstandsstufe der UN für den Jemen aus.

Im Jemen sind fast alle Einwohner des Jemen sind Muslime. Den größten Anteil stellen die Sunniten, mehrheitlich Anhänger der schafiitischen Rechtsschule. Die schafiitische Rechtsschule wird oft als Mittelweg zwischen der pragmatischen Rechtsschule der Hanefiten und der konservativen Rechtsschule der Malikiten dargestellt. Die Rechtsschule geht zurück auf Muhammad ibn Idris al-Schafi‘i, der die beiden früheren Rechtsschulen studierte und später in Ägypten wirkte. Eine der Aspekte der Schafiiten, der bei anderen Rechtsschulen auf Widerstand stieß, besteht in der Erlaubnis zur Verheiratung der eigenen Tochter ohne deren Zustimmung. Diese Praxis wird von den übrigen drei sunnitischen Rechtsschulen wie auch insbesondere von der Schia abgelehnt und solch eine Ehe als ungültig erklärt.

Eine große Minderheit von 30-45% der jemenitischen Bevölkerung gehört den schiitischen Zaiditen an. Das jemenitische Zaiditen-Imamat und seine Dogmatik geht auf einen Nachkommen Hasans namens al-Qasim ibn Ibrahim ar-Rassi zurück, welcher im 9. Jh. in Medina lebte. Als sein Enkel Yahya al-Hadi 897 in den nördlichen Jemen kam, gründete er ein Fürstentum mit der Hauptstadt Sada, dessen erste Herrscherdynastie als Rassiden bekannt ist. Zwar mussten sich die Zaiditen in der Folgezeit unter anderem gegen Angriffe anderer Dynastien behaupten, ihre Imame blieben aber bis 1962 an der Macht. In unregelmäßigen Abständen gelang es ihnen auch, Sanaa zu erobern und ihre Herrschaft über das jemenitische Bergland hinaus auszuweiten. Nach dem Sturz der sunnitischen Rasuliden im Jahre 1453 konnte der Südjemen unterworfen werden.

Im Nordjemen lebt eine kleine Minderheit Ismailiten sowie eine Diaspora weniger hundert Juden. Die Ismailiten traten in Syrien und Persien auf und verfochten wie die anderen Schiiten auch die Rechte der Nachkommen Alis, nach dessen Urenkel im siebenten Glied, Ismail ibn Dschafar, sie sich nannten. Ursprünglich vertraten sie die Lehre einer Abfolge von sieben Imamen. In der Folgezeit entstanden jedoch verschiedene Strömungen und Richtungen. Die Ismailiten vertraten Geheimlehren, die auf ihre Anhänger große Anziehungskraft ausübten, aber sie andererseits auch für ihre sunnitischen Gegner angreifbar machten.

Um den sich ausbreitenden radikalen Islamismus im Jemen zu bekämpfen, wurden ca. 4500 Religionsschulen geschlossen und ausländische Schüler der Einrichtungen des Landes verwiesen. Wiederholt wurden religiös motivierte bewaffnete Aufstände durch das Militär bekämpft; zuletzt seit 2004 im nördlichen Gouvernement Sa'da. Die al-Haq-Partei, deren Führer mit den Aufständischen Verbindungen gehabt haben sollen, wurde 2007 verboten. Die Regierung versucht durch Überwachung von Predigten in den Moscheen und durch die Observation der Aktivitäten islamischer Organisationen den radikalen Islamismus einzudämmen.

Die Verfassung des Jemen erklärt den Islam zur Staatsreligion, räumt aber gleichzeitig Glaubensfreiheit ein. Diese wird aber nur zu einem Teil in der Praxis umgesetzt: Für die Errichtung von nichtislamischen Gebetshäusern wird eine spezielle Genehmigung verlangt. Nichtmuslime dürfen zwar an Wahlen teilnehmen, dürfen sich aber nicht zur Wahl stellen. Öffentliche Schulen bieten nur islamischen Religionsunterricht an.

Während der Übergangszeit nach den Massenprotesten von 2011, die den damaligen Präsidenten Ali Abdullah Salih aus dem Amt verdrängt hatten, verbesserte sich die Menschenrechtslage im Jemen.[6] Die Aufarbeitung alter Menschenrechtsverletzungen unter Salih blieb jedoch folgenlos: Ein Immunitätsgesetz schrieb Straflosigkeit für Menschenrechtsverstöße fest, die unter der Regierung von Präsident Salih begangen worden waren. Die meisten Tötungen von Oppositionellen sowie die übrigen Menschenrechtsverletzungenaus den Jahren 2011 und 2012 wurden deshalb nicht untersucht. Über 20 Personen, die während der Aufstände im Jahr 2011 und bei weiteren Protestaktionen willkürlich festgenommen worden waren, blieben in Gewahrsam oder blieben unauffindbar.[7]

Als Antwort auf die Unruhen im Süden des Landes wandten Sicherheitskräfte und mit ihnen zusammenarbeitende Gruppierungen Folter an und töteten mindestens zwölf Personen. Zahlreiche Menschen, die an Protestaktionen teilnahmen oder die Abspaltung Südjemens befürworteten, wurden willkürlich festgenommen. Die bewaffnete Gruppierung Ansar al-Shari’a mit Verbindungen zu Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, kontrollierte bis Juni 2012 Teile der Provinz Abyan und beging Menschenrechtsverstöße wie summarische Tötungen oder Zwangsamputationen. Eine Militäroffensive der Regierung mit dem Ziel, Ansar al-Shari'a aus den von ihr kontrollierten Städten zu vertreiben, führte auf beiden Seiten zu Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und hatte den Tod zahlreicher Zivilpersonen zur Folge. Frauen und Mädchen wurden gesetzlich und im täglichen Leben diskriminiert und wurden Opfer von häuslicher Gewalt. Es gab Meldungen über Sklaverei in einigen Landesteilen. Die Todesstrafe wurde weiterhin vollstreckt: Gegen mindestens sieben Personen ergingen Todesurteile, und mehr als 28 Menschen wurden hingerichtet.[8]

Kuwait

Kuwait, das 1909 durch eine türkisch-britische Vereinbarung die Zusicherung seiner Autonomie erhalten hatte, stieg unter Scheich Achmad (1921-1950) zum viertgrößten Erdölproduzenten der Welt auf. 1961 erhielt Kuwait von Großbritannien seine völlige Unabhängigkeit. In den folgenden Jahren entwickelte sich Kuwait unter Scheich Abd Allah (1950-1965) zu einem modernen Staatswesen. 1965 wurde Sabbah as-Salim as-jabbah nach dem Tode Abd Allahs Staatsoberhaupt, der die Politik seines Bruders fortsetzte.

Der iranisch-irakische Krieg, der 1980 ausgebrochen war, bedrohte im Laufe der Zeit zunehmend den lebenswichtigen Ölexport Kuwaits. Kuwait unterstützte dabei den Irak, was dazu führte, dass das Land im Oktober 1981 Ziel mehrerer iranischer Luftangriffe war.

Am 4.4.188 entführten Mitglieder der radikal islamischen Hisbollah eine kuwaitische Verkehrsmaschine auf dem Flug von Bangkok nach Kuwait. Die Hisbollah forderte von der kuwaitischen Regierung die Freilassung von 17 Gesinnungsgenossen, die in Kuwait aufgrund von Sprengstoffanschlägen gegen westliche Botschaften und Institutionen in Haft waren. Während eines Zwischenstopps in Larnaka/Zypern erschossen die Entführer, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, zwei Passagiere und warfen ihre toten Körper auf das Rollfeld. Die Flugzeugeinführung ging am 20.4. in Algier unblutig zu Ende. Die Hisbollah ließ alle Geiseln frei. Über den Preis, den Kuwait damals zahlte, gab es keine offiziellen Angaben. Zwei von den 17 inhaftierten Terroristen in kuwaitischer Haft kamen vorzeitig frei. Es ist zu vermuten, dass der Iran hinter dieser Entführung steckt. Kuwait war schon immer ein erklärtes Angriffsziel der Regierung in Teheran.

Der lang schwelende Konflikt mit dem Irak führte zur Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait. Nach einem politischen Streit um ein an der irakisch-kuwaitischen Grenze gelegenes Ölfeld marschierten am 2. August 1990 irakische Truppen in Kuwait ein. Nach der Absetzung des Emirs und der Regierung wurde das kuwaitische Staatsgebiet, ungeachtet der einhelligen Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat, annektiert. Zunächst wurde eine Marionettenregierung unter Alaa Hussein Ali gebildet, jedoch wurde Kuwait wenige Tage später vom Irak annektiert.

Die Vereinten Nationen beschlossen als Reaktion auf die irakische Besetzung ein Wirtschaftsembargo gegen den Irak, dem vor allem amerikanische Marineeinheiten durch eine Seeblockade Nachdruck verliehen. Nachdem eine Annäherung auf diplomatischem Wege gescheitert war, beschloss die UN die Aufstellung einer multinationalen Streitmacht, die in Saudi-Arabien stationiert wurde. Als ein bis zum 15. Januar 1991 befristetes UN-Ultimatum zum irakischen Rückzug ergebnislos verstrich, wurde Kuwait im Verlauf des fünfwöchigen Zweiten Golfkriegs am 27. Februar 1991 eingenommen. Durch den Krieg wurden die Infrastruktur und das industrielle Potential des Emirats weitgehend zerstört. Der Irak erkannte im November 1994 die Unabhängigkeit des Landes an. Die Unterstützung des Iraks durch die Palästinenser während des Zweiten Golfkrieges führte zur Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait 1991 zur Folge. Binnen weniger Tage wurden etwa 450.000 Palästinenser gewaltsam aus Kuwait vertrieben, was mit vielen Toten verbunden war.2003 war Kuwait der Ausgangspunkt für die Invasion der US-Truppen in den Irak.

Bis 1991 war Kuwait eine absolute Monarchie unter der Herrschaft der Familie as-Sabah. Die Verfassung von 1997 weist Kuwait als konstitutionelle Erbmonarchie. Der Emir ist sowohl weltliches als auch geistliches Staatsoberhaupt. Er ernennt und entlässt die Regierung und kann außerdem das Parlament auflösen. Das Rechtssystem orientiert sich am islamischen Recht (Scharia) und an britischen Vorbildern.

In Kuwait ist der Islam Staatsreligion. Die kuwaitische Bevölkerung ist überwiegend muslimisch, davon sind 65 % Sunniten und 35 % Schiiten. Der römisch-katholischen Kirche gehören 6 % der Bevölkerung an. Die restlichen 9 % umfassen vorwiegend andere christliche Konfessionen, Hindus und Parsen.

Die Menschenrechtslage in Kuwait ist seit Jahren mehr als bedenklich, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind dort stark eingeschränkt: „Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wurden 2012 empfindlich eingeschränkt. Angehörige der Bereitschaftspolizei gingen mit exzessiver Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vor. Tausende staatenlose Bidun mit Wohnsitz in Kuwait erhielten weiterhin keine Staatsbürgerschaft und hatten damit auch keinen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem sowie zum Arbeitsmarkt. Frauen wurden weiterhin durch Gesetze sowie im täglichen Leben diskriminiert. Arbeitsmigrantinnen, die als Hausangestellte tätig waren, wurden von ihren Arbeitgebern ausgebeutet und misshandelt.“[9]

150.000 bis 180.000 Beduinen und die übrigen Einwohner, die aus dem Iran, Indien, Pakistan, und vielen anderen arabischen und südostasiatischen Ländern zugewandert sind, besitzen nicht die kuwaitische Staatsbürgerschaft. Die Beduinen und die Zuwanderer, die oftmals in bei ihren Tätigkeiten ausgebeutet werden, sind den kuwaitischen Staatsbürgern gegenüber gesellschaftlich und sozial benachteiligt.

Maghreb

Im Westen Nordafrikas, in den islamischen Staaten des Maghreb, ging während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die europäische Kolonialisierung weiter. Die Eroberung Algeriens durch Frankreich wurde schon 1847 abgeschlossen. Die zunehmende Besiedelung Algeriens durch Frankreich führte schließlich 1871 zu einem Aufstand der Rahmaniyya-Bruderschaft unter Führung Muhammad al-Muqranis, der jedoch niedergeworfen werden konnte. Schließlich konnte Algerien „befriedet“ werden und stand im 1.Weltkrieg fest hinter Frankreich.

Im Gegensatz zu Algerien konnte Marokko während des 19. Jahrhunderts seine Unabhängigkeit bewahren, es geriet aber immer mehr in den Einflussbereich der europäischen Mächte. Maulay al-Hasan (!873-1894) konnte zunächst noch Versuche der Franzosen 1884 und der Engländer 1892, Marokko in ein Protektorat umzuwandeln, aufgrund der Rivalität der europäischen Mächte abwenden. Schließlich einigten sich England und Frankreich über ihre Interessen in Marokko und Ägypten. Auf der Konferenz von Algeciras 1906 wurden deutsche Ansprüche auf Marokko praktisch ausgeschlossen, Frankreich konnte 1907 Casablanca besetzen und 1911 wurde nach der Entsendung des deutschen Kanonenbootes Panther nach Marokko der Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich um den Maghrebstaat beigelegt.

Deutschland erhielt ein Gebiet in Äquatorial-Afrika und Frankreich erklärte am 30.3.1912 Marokko zum Protektorat. Auch Tunesien geriet während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend ins Visier Frankreichs. 1871 erkannte das Osmanische Reich die Autonomie des Landes an. Das Bestreben Italiens, in Tunesien ein Protektorat zu errichten, wurde durch die Besetzung des Landes durch Frankreich 1881 zunichte gemacht. Italien wandte sich daraufhin Libyen zu, das jedoch durch den engen Anschluss an das Osmanische Reich seine Unabhängigkeit behielt. 1912 konnte Italien dann doch noch mit der Zustimmung des Osmanischen Reiches in Libyen ein Protektorat errichten.

Auch im Maghreb fasste der arabische Nationalismus in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen Fuß. In den beiden türkischen Provinzen Cyrenaika und Tripolitanien, die Italien 1911/12 dem Osmanischen Reich abgenommen hatte, kam es zu heftigem Widerstand gegen die Italiener während des 1.Weltkrieges. 1918 wurde die Republik Tripolitanien ausgerufen, die 1919 von Italien anerkannt wurde. Unter der faschistischen Herrschaft in Italien wurde das Land 1932 unterworfen, 1934 wurden die Cyrenaika und Tripolitanien zur Kolonie Libyen vereinigt. In Tunesien kam es zu Unabhängigkeitsbestrebungen und nationalistischen Gruppierungen, als die Entente-Mächte ihren während des 1.Weltkrieges den Arabern gegebenen Versprechungen nicht nachkamen. 1929 wurde die Destur-Partei grgündet, aus der unter dem Juristen Habib Bourguiba die Neo-Destur-Partei hervorging, die die volle Autonomie für Tunesien forderte. Dieses Anliegen wurde von der Kolonialmacht Frankreich verweigert. Tunesien kann am 20.3.1956 seine volle Souveränität erlangen und aufgrund von Wahlen wurde Habib Bourguiba am 15.4.1956 Ministerpräsident. Er leitete die Loslösung von Frankreich und eine Modernisierung des Staates in die Wege. Am 25.7.1957 erklärte die verfassungsgebende Versammlung Tunesien zur Republik, Bourguiba wurde erster Präsident. Soziale Probleme erwachsen aus der raschen Bevölkerungszunahme und dem Anwachsen des städtischen Proletariats. Außenpolitisch steuerte Bourguiba einen prowestlichen Kurs, der Abzug der französischen Truppen konnte bereits 1958 erreicht werden. Auseinandersetzungen gab es noch um den letzten französischen Stützpunkt in Birserta. Gegenüber dem arabischen Lager unter Nasser mit seinen hegemonialen Zielen verfolgte Bourguiba den Gedanken eines Zusammenschlusses des Maghreb. Tunesien nahm eine tolerantere Haltung als die übrigen arabischen Staaten gegenüber Israel ein, was zum Konflikt zwischen Tunesien und Ägypten führte. Bourguiba verfolgte in den 1960er und 1970er Jahren seine Politik der Bündnisfreiheit weiter.

Als am 4. Januar 2011 in einem Krankenhaus ein 26-jähriger Mann, an den Verletzungen, die er sich bei einer Selbstverbrennung am 17. Dezember 2010 zugefügt hatte, starb, folgten Solidaritätskundgebungen im ganzen Land, die sich zu regimekritischen Kundgebungen ausweiteten. Forderungen nach Presse- und Meinungsfreiheit mischten sich mit Kritik an Korruption und Zensur. Der Ärger der Tunesier richtete sich auch gegen korrupte Familie des Präsidenten Ben Alis, die Anteile an Staatsunternehmen besaßen. Während der Unruhen kam es im Januar 2011 zur Verhängung einer Ausgangssperre über die Hauptstadt und Teile ihrer Vororte. Präsident Ben Ali reagierte auf die Unruhen mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes. Er löste die Regierung auf und kündigte vorgezogene Neuwahlen an, bevor er, aufgrund immer lauter werdender Proteste, am 14. Januar 2011 fluchtartig das Land verließ. Die Amtsgeschäfte wurden vom Verfassungsrat interimistisch auf den Parlamentspräsidenten Fouad Mabazaa übertragen, nachdem sie kurzzeitig durch den Premierminister Ghannouchi geführt wurden. Am 3. Februar 2011 kündigte Interimspräsident Mebazaâ in einer Rede an die Nation die Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung an, die den endgültigen Bruch mit dem Ben-Ali-System einleiten sollte. Die tunesische Volkserhebung löste als „Arabischer Frühling“ im fast gesamten arabischen Raum ähnliche Bewegungen aus, die unter anderem in Libyen und Ägypten die dortigen Machthaber stürzten. Bei den Wahlen ging die islamistische Partei Ennahda als Sieger hervor. Mit Hilfe der Kongresspartei wurde Moncef Marzouki am 12. Dezember 2011 zum neuen Staatspräsidenten gewählt. Er ernannte am 24. Dezember Hamadi Jebali zum Ministerpräsidenten. 2012/13 kam es zu Übergriffen auf Abgeordnete und Politiker, die nicht der Ennahda-Partei angehörten. Die Ermordung des linken Oppositionspolitikers Chokri Belaid am 6. Februar 2013, eines prominenten Kritikers der Ennahda-Partei, führten zu Massendemonstrationen gegen die Regierungspartei. Ministerpräsident Jebali war bereits am 19. Februar zurückgetreten. Seit Ende 2014 ist Beji Caid Essebsi der erste demokratisch gewählte Präsident eines arabischen Landes.

Am 7. Februar 2014 wurde die neue Verfassung, auf die sich am 27. Januar eine Mehrheit von 200 Abgeordneten (von insgesamt 216) aus fast allen Parteien geeinigt hatte, feierlich verabschiedet. Sie garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Gleichstellung von Mann und Frau. Die Machtverteilung zwischen Präsident und Premierminister soll eine Diktatur künftig verhindern. Ein neu zu schaffender Verfassungsgerichtshof soll über die Rechtmäßigkeit zukünftiger Gesetzesreformen wachen. Damit soll die Gewaltenteilung in Zukunft geschützt werden. Einer der größten Streitpunkte war bis zum Schluss die Rolle der Religion im neuen Tunesien. In der Präambel und Artikel 1 der Verfassung wird zwar der Islam erwähnt, aber der Artikel 6 garantiert Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Algerien hatte im Gegensatz zu Tunesien weitaus längere Zeit um die Erringung seiner Unabhängigkeit zu kämpfen. Die Verfassung der IV.Republik, die die völlige Integration Algeriens im französischen Staatsgebiet vorsah und das Algerienstatut ließen den Widerstand in Algerien aufflammen. Das „Comité Révolutionnaire pour l’Unité et l’Action“ (RUA), die „Front de la Libération Nationale » (FLN) sowie die « Armée de Libération Nationale » (ALN) übernahmen den Kampf gegen Frankreich, der fast die gesamte französische Armee in Algerien band. Das Algerienstatut vom 4.2.1958, die Revolte der Algerienfranzosen verbunden mit einem Militärputsch, die Konstituierung der Algerischen Exilregierung (GPRA) unter Ferhat Abbas in Kairo, die bald von der Sowjetunion und der Volksrepublik China Unterstützung erhielt, waren weitere Schritte auf dem Weg zur algerischen Unabhängigkeit. Die Verständigungspolitik de Gaulles rief sowohl den Unwillen der französischen Siedler (Barrikadenaufstand in Algier) als auch den der französischen Armee in Algerien hervor (Generalsputsch 1961, Gründung des OAS durch General Raoul Salan, Terroraktionen in Algerien und Frankreich). Jedoch leiteten Geheimverhandlungen zwischen und der algerischen Zentralregierung in Melun 1960 sowie Evian und Lugrin 1961 die Unabhängigkeit ein. Durch den Vertrag von Evian vom 18.3.1962 wurde der Algerienkrieg beendet und das Selbstbestimmungsrecht der Algerier garantiert, die sich in der Volksabstimmung vom 1.7.1962 für die Unabhängigkeit Algeriens aussprachen. Mohammed Ben Bella wurde durch allgemeine Wahlen für die Nationalversammlung zum Ministerpräsidenten bestimmt. Unter seiner Führung entwickelte sich Algerien zu einem Staat sozialistischer Prägung. Unter Missachtung des Vertrages von Evian erfolgte die Verstaatlichung der französischen Ländereien, die jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit Algeriens von Frankreich zurückgenommen werden musste. Es bildete sich rasch Widerstand gegen Ben Bellas Regime, 1965 wurde er durch einen Staatsstreich der Armee gestürzt. Unter der Leitung des ehemaligen Verteidigungsministers Houari Boumédienne übernahm ein Revolutionsrat die Regierung. Gegen „Internationalismus und Zionismus“ steuerte Algerien einen antisemitischen Kurs gegen Israel. Zu Frankreich bestand ein zwiespältiges Verhältnis, da Algerien Enteignungen französischen Besitzes vornahm, auf der anderen Seite Frankreich wirtschaftliche Konzessionen gewährte. 1971 nationalisierte Algerien die meisten französischen Erdölgesellschaften, schließlich konnte ein Kompromiss zwischen der CFP (Compagnie Francaise des Pétroles) und der algerischen Sonatrach erzielt werden. Als Sprecher der „Entwicklungsländer“ und als Erdöl- und Erdgaslieferant begann Algerien seit den 1970er Jahren eine neue Bedeutung innerhalb der islamischen Welt zu gewinnen. Bedingt durch wirtschaftliche und soziale Probleme sowie die Unzufriedenheit mit den Leistungen des politischen Systems sind islamistische Bewegungen in Algerien sehr erfolgreich. 1992 wurde der Ausnahmezustand in Kraft gesetzt zur Bekämpfung von bewaffneten Islamisten. Diese fordern einen islamistischen Staat, dessen innere Struktur und Außenpolitik sich an den Regeln einer radikalen Interpretation des Islams orientieren soll. Sie sind gleichwohl zum überwiegenden Teil verboten und stellen höchstens so etwas wie eine außerparlamentarische Opposition dar. Nach Angaben von Amnesty International gibt es weiterhin pro Jahr mehrere hundert Tote als Folge von Attentaten. Sie werden jetzt häufig der Gruppe „al-Qaida im islamischen Maghreb” zugeschrieben, in die sich die GSPC Anfang 2007 umbenannte. 2007 gab es unter anderem im April Anschläge auf den Amtssitz des algerischen Ministerpräsidenten und eine Polizeistation in Algier. Am 23. Februar 2011 wurde der seit 19 Jahren bestehende Ausnahmezustand aufgehoben. Am 16. Januar 2012 griffen Islamisten einen Standort des Ölkonzerns BP an und nahmen offenbar zahlreiche Ausländer als Geiseln. Nach eigenen Angaben brachte die Gruppe der Angreifer 41 westliche Ausländer in ihre Gewalt, darunter 7 US-Amerikaner, die aber befreit werden konnten.

In Marokko führte die Absetzung des Sultans Muhammad V. 1953 durch die Franzosen zur Auslösung einer nationalen Welle, der sich Frankreich beugen musste. Am 18.8.1957 wurde Marokko schließlich unabhängiges Königreich unter Muhammad V.. Dieser leitete eine Modernisierung des Staates ein, in der Außenpolitik führte er trotz zeitweiliger Spannungen vor allem mit Frankreich eine ausgleichende Politik. 1961 übernahm nach dem Tode Muhammads V. sein Sohn Hasan den marokkanischen Thron. Er gab dem Land eine Verfassung, eine Art konstitutionelle Monarchie. Außenpolitisch verfolgte Marokko keine panarabischen Ideen, es war stattdessen um eine Vergrößerung seines Territoriums gegenüber Algerien bedacht. Eine Bereinigung der Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Ländern erfolgte 1970 im Abkommen von Tlemcen. Auch auf spanische Besitzungen innerhalb seines Territoriums (Ifni, Spanische Sahara) erhob Marokko Ansprüche. 1969 trat Spanien im Abkommen von Fes die Enklave Ifni ab. Gegenüber den Ost- und Westmächten vertrat Marokko eine bündnisfreie Politik, obwohl es mehr dem Westen zuneigte. Innerhalb der arabischen Staatenwelt nahm es eine vermittelnde Rolle ein, wandte sich gegen Hegemonialansprüche arabischer Staaten und trat für die islamische Solidarität ein.

In Marokko setzte König Mohammed VI. im April 2004 eine unabhängige nationale Kommission für Gleichheit und Versöhnung ein, die sich mit der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen aus der Regierungszeit seines Vaters, König Hassans, befassen sollte. Hauptziel ist nicht die strafrechtliche Verfolgung der Täter, sondern die moralische Wiedergutmachung für die Opfer und ihre Familien. Die Lage der Menschenrechte bot dennoch Anlass zur Kritik. Die Organisation Reporter ohne Grenzen erhob zur selben Zeit schwere Vorwürfe gegen die Regierung wegen der Inhaftierung und Folterung von Journalisten. Außerdem waren im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Casablanca am 16. Mai 2003 und Madrid im Jahre 2004 zwischen 2.000 und 7.000 Personen verhaftet worden. Deshalb startete im Mai 2005 ein neues Programm zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von benachteiligten Bevölkerungsschichten. Armut und Perspektivlosigkeit bilden den Hauptnährboden für islamistische Gewalt.

Anfang 2011 kam es im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ zu Protesten in mehreren Städten, bei denen eine demokratische Verfassung gefordert wurde. Die Staatsspitze reagierte darauf mit einem Verfassungsreferendum, das von der Oppositionsbewegung jedoch boykottiert wurde. Die angenommene Verfassungsänderung verschiebt einige Kompetenzen vom König auf den Premierminister und das Parlament. Auch ist der König nun verpflichtet, den Premierminister aus der Partei zu ernennen, die bei den Wahlen die meisten Parlamentssitze erhalten hat. Bisher hatte er diesbezüglich freie Hand.

“Die Behauptung, dem Islam fehle die Aufklärung ist auch ein uraltes Klischee”

die renommierte Arabistin Prof. Angelika Neuwirth

DATUM21. November 2013

Koran: „Ich versuche zu zeigen, dass wenn man den Koran historisch liest, man auf dieselben Traditionen stößt, die von Europäern als für ihre Kultur grundlegend in Anspruch genommen werden. Dieser Blick zeigt, dass damals dieselben Probleme auf der arabischen Halbinsel diskutiert wurden, wie in der umliegenden spätantiken Welt, die später dann gewissermaßen als Grundlage Europas wahrgenommen wurde. Das heißt, wir entstammen alle einem gemeinsamen Entstehungsszenario, ein Sachverhalt, der nur durch spätere historische Entwicklungen verunklärt worden ist. (…) Und im Westen glaubt man, dass der Islam das ganz Andere ist, also etwas, was nicht zu der eigenen Kultur gehört. Es sind uralte Festschreibungen von Andersheit, die historisch nicht zu halten sind, die sich aber aufgrund von früheren Machtverlagerungen oder Machtverhältnissen eben so festgeschrieben haben.“

„Die Behauptung, dem Islam fehle die Aufklärung ist auch ein uraltes Klischee. Der Stolz auf die Aufklärung, wenn er sich inzwischen allerdings auch etwas gelegt hat, verleitet immer wieder dazu, der westlichen Kultur gegenüber dem Islam einen erheblichen Vorsprung zuzumessen. In der islamischen Geschichte hat es zwar keine flächendeckende Säkularisierungsbewegung gegeben, dies aber deshalb nicht, weil Sakrales und Säkulares im Islam bereits nebeneinander existierten. Auch war das Kräfteungleichgewicht keineswegs immer so wie wir es heute haben. Die islamische Wissenskultur war sehr lange Zeit der westlichen oder überhaupt der außerislamischen weit überlegen. Das hat nicht zuletzt zu tun mit den medialen Vorsprüngen, die man hatte. Es gab in der islamischen Welt beispielsweise schon seit dem achten Jahrhundert die Herstellung von Papier. Diese ermöglichte wiederum, immense Massen von Texten zu verbreiten, wovon im gleichzeitigen Westen keine Rede sein konnte. Es ist sicher mehr als das Hundertfache des im Westen an Schriften Vorhandenen was da an arabischen Texten in Umlauf gebracht worden ist.“

Die Anschläge vom 11.9.2001 und die Folgen

Am 11.September 2001 entführten al-Quida-Terroristen vier Passierflugzeuge und auf Ziele in den USA gesteuert. Die ersten beiden Flugzeuge brachten die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York zum Einsturz, das dritte Flugzeug steuerten die Terroristen in das Pentagon bei Washington. Die vierte Maschine stürzte wenig später in Pennsylvania ab, ihr ursprüngliches Ziel war das Weiße Haus gewesen. Insgesamt starben bei den Anschlägen mehr als 3.000 Menschen, doppelt so viele wurden verletzt, darunter auch amerikanische Muslime. Die Terrorgruppe al-Qaida gründete sich nach dem Zweiten Golfkrieg der USA gegen den Irak 1991 und der anschließenden Stationierung von US-Militär in Saudi-Arabien und rief den Kampf gegen „den Westen“ und seine Werte aus. In der Folgezeit gab es etliche terroristische Anschläge gegen symbolische Einrichtungen „des Westens“ mit vielen unschuldigen Todesopfern.

Die Rufe nach Toleranz in den USA in den ersten Tagen nach den Anschlägen kamen nicht überall an. In der Folge wurden hunderte Muslime, Araber oder arabisch aussehende und Turban tragende Menschen, oft Sikhs, in den USA rassistisch beleidigt, angegriffen oder bedroht. Einige wurden sogar zum Teil von rassistischen Mobs ermordet. ermordet. Weiterhin wurden auch Brandanschläge auf islamische Einrichtungen verübt. Der damalige US-Präsident Bush verurteilte sechs Tage nach den Attentaten beim Besuch einer Moschee die Angriffe, unterschied den Islam vom Terror und rief zu Toleranz gegenüber muslimischen US-Bürgern auf.[10]

Jährlich am 11. September wird mit Gedenkfeiern an die Opfer der Anschläge erinnert, insbesondere in New York, am Pentagon und in Shanksville. In New York werden üblicherweise die Namen der 2791 Menschen, die hier bei dem Anschlag ums Leben kamen, durch deren Angehörige in alphabetischer Reihenfolge verlesen. An der Stelle des World Trade Centers befindet sich eine Gedenkstätte National September 11 Memorial and Museum im Ausbau, die am 11.9.2011 eingeweiht wurde.[11]

In der weltweit im Fernsehen übertragenen Trauerfeier im Footballstadion von New York gedachten Vertreter aller in New York beheimateten Gruppen und Religionen gemeinsam der Toten und bekräftigten gegenseitig die Toleranz als wesentliches Merkmal der Weltmetropole New York.[12] Weltweit gedachten viele Menschen mit einer Schweigeminute und Trauerfeiern gedachten in den Folgetagen der Opfer der Anschläge. Führende Politiker vieler Staaten verurteilten die Anschläge scharf und sandten Beileidsschreiben an die USA. Die Anschläge sind mentalitätsgeschichtlich, außenpolitisch sowie innenpolitisch im Umgang mit dem Islam als Zäsur zu werten, auch wenn dem innerhalb der Wissenschaft widersprochen wird.[13]

Der UN-Sicherheitsrat verurteilte am 12. September 2001 die Anschläge einstimmig und erlaubte den USA „militärische Selbstverteidigung“.[14] Die NATO rief erstmals seit ihrem Bestehen den „Bündnisfall“ aus.[15] Aus ihrer Sicht sei ein kriegerischer Angriff auf das Staatsgebiet eines NATO-Mitgliedsstaates geschehen, der nach NATO-Vertrag als Angriff auf alle Vertragspartner zu werten sei und deren militärischen Beistand erfordere. Am 20. September 2001 benannte der damalige US-Präsident Bush in einer außerordentlichen Regierungserklärung vor dem US-Kongress das internationale Terrornetzwerk al-Qaida unter Osama bin Laden als für die Anschläge verantwortliche Organisation, auf die alle Beweise hindeuteten, und verlangte Bin Ladens sofortige Auslieferung durch das Regime der Taliban in Afghanistan.[16] Andernfalls kündigte er einen „Krieg gegen den Terror“ an. Anfang Oktober 2001 begann die US-Armee mit Bombenangriffen auf Taliban-Stellungen und Infrastruktur in Afghanistan. Bis zum Jahresende wurde das Regime unter Mullah Omar gestürzt.[17] Ab Dezember 2001 unterstützten einige europäische Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland mit Bundeswehrsoldaten, die weiteren Sicherheits- und Aufbau-Missionen OEF und ISAF. Bin Laden bekannte sich 2004 erstmals als Initiator der Terroranschläge in den USA.[18]

Als innenpolitische Maßnahme trat am 26. Oktober 2001 der USA PATRIOT Act in Kraft, der im Kampf gegen den „inländischen Terrorismus“ US-Bundesbehörden weitreichende Eingriffe in Bürgerrechte für Anti-Terror-Ermittlungen erlaubte.[19] Darunter fiel etwa das Überwachen verdächtigter Personen ohne richterliche Anordnung, das geheime Abhören von Telefonaten, Speichern von Verbindungsdaten und Ausspionieren von E-Mail-Kontakten, das Einholen von personengebundenen Informationen bei Versicherungen, Geldinstituten und Arbeitgebern, das Inhaftieren und Ausweisen terrorverdächtiger Ausländer ohne Angaben und richterliche Prüfung von Verdachtsmomenten und mit erschwerten Haftprüfungsrechten. Bis 2003 über 5000 Ausländer, meist junge männliche Muslime mit Kontakten in arabischen Staaten, teilweise willkürlich verhaftet. Einige von ihnen saßen bis zu acht Monaten in Haft, aber keiner von ihnen wurde angeklagt. 531 Personen wurden des Landes verwiesen.[20]

Im Rahmen der von den USA streng verfolgten „Sicherheitspolitik“ nahm die USA-Armee im Afghanistankrieg und im Zuge weiterer Ermittlungen über 1.000 Verdächtige gefangen, größtenteils Personen arabischer oder asiatischer Herkunft.[21] Sie wurden in das Internierungslager Guantánamo Bay, das Militärgefängnis Bagram und andere Lager außerhalb der USA gebracht, dort von der Außenwelt isoliert und jahrelang ohne Anklage und Bekanntgabe ihrer Identität festgehalten. Verhörspezialisten der CIA wandten bei einigen als Hauptverdächtige geltenden Gefangenen Methoden wie Schlafentzug und Waterboarding an, die nach internationalem Recht als Folter definiert sind. Dies führte zu anhaltenden internationalen Protesten von Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und verbündeten westlichen Staaten sowie in den USA selbst.[22]

Die Bush-Doktrin vom September 2002 verkündete das aus dem „Kampf gegen den Terror“ entstandene Recht der USA auf „Präventivschläge“.[23] Dort hieß es: “The security environment confronting the United States today is radically different from what we have faced before. Yet the first duty of the United States Government remains what it always has been: to protect the American people and American interests. It is an enduring American principle that this duty obligates the government to anticipate and counter threats, using all elements of national power, before the threats can do grave damage. (…) To forestall or prevent such hostile acts by our adversaries, the United States will, if necessary, act preemptively in exercising our inherent right of self-defense. The United States will not resort to force in all cases to preempt emerging threats. Our preference is that nonmilitary actions succeed. And no country should ever use preemption as a pretext for aggression.”[24]

Die Anschläge wurden nun zunehmend für außenpolitische Interessen instrumentalisiert.[25] Der seit Ende September 2001 angestrebte Irakkrieg wurde zum einen mit einer angeblichen Zusammenarbeit des Diktators Saddam Hussein mit Al-Qaida, zum anderen mit seiner angeblichen Verfügung über Massenvernichtungsmittel, die er gegen die USA und in Saudi-Arabien stationierte US-Truppen einsetzen könne, begründet. Dies stieß international auf Widerstand: Der UN-Sicherheitsrat verweigerte den USA im Februar 2003 die Legitimation des Irakkrieges.[26] Wissenschaftler in den USA wie etwa George Leaman ordneten den Afghanistan- und den Irakkrieg der USA nicht nur als Reaktion auf die Anschläge ein, sondern auch als Fortsetzung einer imperialistischen US-Außenpolitik, um ihre weltweite Führungsrolle zu stärken.[27]

In der BRD gab es zahlreiche Solidaritätskundgebungen zu Ehren der Opfer der Attentate in den USA. Der damalige Bundespräsident Johannes Rau erklärte am Abend des 11. September 2001: „Hass zerstört die Welt und Hass vernichtet Menschen. Darum geht es überall. (…) Dem Hass zu widerstehen und der Nächstenliebe Raum zu schaffen. Wer nicht hasst, sagt auch Nein zur Gewalt. Wer Nein zu Gewalt sagt, macht das Leben unserer Kinder erst möglich.“[28] Am 14. September 2001 besuchten rund 200.000 Personen eine Solidaritätsdemonstration in Berlin.

Als sich herausstellte, dass auch in der BRD bisher unauffällig lebende Muslime an den Anschlägen beteiligt waren, wurde dies zu einer gefühlten Bedrohung der Sicherheit in der BRD hochgespielt. Die „Hamburger Terrorzelle“ wurde zum Synonym für die „islamische Bedrohung“ nicht nur in der medialen Berichterstattung.[29] Dies war eine Gruppe von radikalen Muslimen in Hamburg, die die Anschläge vom 11.September 2001 planten und durchführten. Mutmaßlicher Kopf der islamistischen Terrorgruppe war Mohammed Atta, um den herum sich eine al-Qaida-Zelle bildete.[30] Er und zwei weitere Mitglieder der „Hamburger Terrorzelle“ befanden sich in den entführten Flugzeugen und kamen ums Leben.

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben in der BRD zu einer Reihe innen- und sicherheitspolitischer Gesetzesreformen geführt.[31][32]

Der interreligiöse Dialog zwischen Christen, Juden Muslimen usw. in Deutschland wurde in zahlreichen Statements betont und teilweise auch umgesetzt.[33] Doch es gab auch andere Stimmen: Der jetzige Bundespräsident Joachim Gauck in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung rückte eine religiös-kulturelle Differenz zwischen Christentum und Islam in den Mittelpunkt.[34] Der SPD-Politiker Thilo Sarrazin hetzte in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ gegen Muslime und trug zu einer Vermittlung einer angeblichen Andersartigkeit des Islams entscheidend bei. Zahlreiche Medien sind dafür verantwortlich, dass Muslime aufgrund religiöser und auch nicht religiöser Merkmale wie Aussehen, Name, Akzent oder Kopftuch nach religiös-kulturellen Abweichungen und mit Verweisen auf ihre angebliche Mentalität, Weltanschauung, Kultur und Religion kategorisiert wurden.[35] Darunter fallen auch Menschen, die in Wirklichkeit sich nicht als Muslime definieren. Dabei geht es nicht nur um die Abwertung und Exklusionsmechanismen von Muslimen, sondern auch um die Abgrenzung nach außen und Identitätsstiftung nach innen. Menschen muslimischen Glaubens wurden auf ihre Religion und den damit angeblich verbundenen Werten reduziert. Inva Kuhn stellt fest: „Das heißt, einer vermeintlich muslimischen Gemeinschaft werden kulturalisierte Lebensentwürfe zugeschrieben. Folglich münden Vorbehalte und Angst in Bezug auf den Islam oftmals in rassistische Praktiken. Jedoch handelt es sich beim antimuslimischen Rassismus weniger um Religionskritik oder um Kritik des politischen Islam.“[36]

Die Terroranschläge stützen indirekt die Thesen des konservativen US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntingtons, die nach dem Ende des Kalten Krieges hegemonialen Status erlangten.[37] Laut Huntington würden Menschen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes verstärkt aus ihrer Kultur Identität schöpfen und sich gegenüber anderen Kulturen abgrenzen: „Menschen gesellen sich zu anderen, die dieselbe Herkunft, Religion und Sprache, dieselben Werte und Institutionen haben und distanzieren sich von denen, die das nicht haben.“[38] Länder der nicht-westlichen Welt starten laut Huntington nun den Versuch, ihre machtpolitischen Interessen durchzusetzen und dadurch den Einflussbereich ihrer Kultur auszudehnen. Es gebe sieben oder acht große Kulturen in der Welt, die um herrschaftspolitische Ansprüche in Konkurrenz miteinander stünden. Dies seien die sinitische, japanische, hinduistische, islamische, westliche, orthodoxe, lateinamerikanische und die afrikanische Kultur. So würden in Zukunft Konflikte oder Kriege zwischen Nationen, die unterschiedlichen Kulturen angehören, stattfinden. Der in der Globalisierung zunehmende Kontakt mit anderen Kulturen würde dazu führen, dass kulturelle Unterschiede betont würden und dadurch eine mangelnde Akzeptanz der jeweils anderen Kultur wachse.

Dass Kulturen vielmehr als heterogene, dynamische Entitäten darstellen, widersprüchlich, innerlich differenziert und umkämpft sein können und somit Revisionen und Transformationen durchmachen, wird von Huntington völlig ausgeblendet.[39] Ein einheitlicher und statischer Kulturbegriff sowie die Konservierung des jeweiligen gegenwärtigen kulturellen Zustandes ist daher abzulehnen. Zu allen Zeiten fand trotz mancher spannungsreicher Kulturbegegnungen ein interkultureller Austausch statt, der bis heute andauert und auch die Zukunft prägen wird.[40]

Nach den Terroranschlägen wurden angebliche Kulturmerkmale von Angehörigen der islamischen Kultur konstruiert. Sie wurden ohne Ansehen des jeweiligen Individuums als gesichtslose Masse als bedrohlich, kriegerisch, fanatisch, antidemokratisch und vormodern charakterisiert.[41] Anstatt die Tat als einzelne weniger Terroristen zu deuten, die sich auf den Islam berufen, wurde eine weltweite facettenreiche Religion plötzlich undifferenziert – ob gewollt oder nicht - zu „Feinden der freien Welt“ erklärt.[42] Nach dem Ende des Kalten Krieges ist nun ein neues vertrautes Feindbild, eine neue Bipolarität auf kulturalistischer Ebene entstanden: der Islam bedroht die westliche Zivilisation mitsamt seiner Werte parlamentarische Demokratie, Kapitalismus, und Menschenrechte. Trotz dieser Bedrohung schwingt ein kulturelles, fast schon missionarisches Überlegenheitsgefühl des Westens mit; der Islam wird als rückständig empfunden und das westliche Wertemodell als das einzig richtige empfunden, das auch auf andere Länder, Kulturen und Philosophien übertragen werden muss.

Rechte Islamhetze

Die Pro-Bewegung wird sowohl bei Sicherheitsbehörden als auch in der Wissenschaft als extrem rechts, rassistisch und verfassungsfeindlich klassifiziert. In Selbstdarstellungen bezeichnet sie sich als rechtspopulistisch, konservativ oder „freiheitlich“ und orientiert an anderen rechtspopulistische Parteien in Europa wie etwa der FPÖ in Österreich oder dem Vlaams Belang in Belgien, mit denen auch eine offizielle Kooperation besteht.

Inhaltlich profiliert sich die Pro-Bewegung hauptsächlich durch das Schüren von Ängsten und Ressentiments gegenüber Migranten, insbesondere solchen mit muslimischem Hintergrund. Dem schließt sich die Ablehnung der multikulturellen Gesellschaft sowie die Warnung vor einer angeblichen „Islamisierung“ und „Überfremdung“ an. Weitere Schwerpunkte bilden die Forderung nach einer Nulltoleranzpolitik in der Innenpolitik, ein Bekenntnis zum „christlichen Abendland“ mitsamt seinen Werten und Normen sowie eine nationalistische Außenpolitik.

Die rechte Bürgerbewegung Pro NRW verzichtet auf die notwendige Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus. Der Islam (arabisch Ergebung in Gottes Willen) ist eine der großen Weltreligionen. Dagegen handelt es sich beim Islamismus um eine Vorstellung, die auf den Gesellschaftswandel mit einer intoleranten Ablehnung aller nichtislamischen Ideologien in alle Lebensbereiche geantwortet hat. Es handelt sich weniger um eine religiöse Erneuerung als eine totalitäre Ideologie, die die Religion in ihren Dienst stellt. Der Islamismus zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:[43]

Pro NRW verfolgt die Strategie der Instrumentalisierung von Schwarz-Weiß-Bildern des Politischen; komplexe Probleme werden in simplen Parolen transportiert, um auf diese Weise Ängste nach den Terroranschlägen am 11.9.2001 zu kanalisieren und in Wählerstimmen umzumünzen.

Pro NRW sieht den Islam nicht als nicht als freie Religionsausübung von Muslimen in Deutschland, sondern als „Übertragung der islamischen Wertvorstellungen und der Scharia auf unsere Gesellschaft und unsere Heimat.“[44] In pseudoemanzipierter Manier geht Pro NRW auf die Stellung der Frau in den islamischen Ländern ein:[45] „Frauen werden im Regelfall in den islamistischen Ländern dem totalen Diktat der patriachalischen Wertvorstellungen der alles beherrschenden Scharia unterworfen. (…) Dass Frauen für den islamischen Mann nur ein Sexobjekt zur Triebabfuhr ist (…) Islam bedeutet daher auch eine Ausübung von sexueller Herrschaft des Mannes über die Frau. (…) Unsere Multi-Kulti-Apostel einschließlich Altparteien und Feministinnen schauen nach wie vor tatenlos zu, wenn Millionen Frauen in Europa als Menschen zweiter Klasse abgestempelt werden.“

Es wird versucht, einen Dualismus zwischen dem angeblich aufgeklärten und fortschrittlichen Westen und dem im mittelalterlichen Denken verhafteten Islam zu konstruieren. Pro NRW vergisst dabei zu erwähnen, dass das Denken in der BRD immer noch patriachalisch geprägt ist. Im Programm und in den politischen Stellungnahmen von Pro NRW findet sich so gut wie gar keine Stellungnahmen zur Gleichstellung von Mann und Frau. Eine Auseinandersetzung mit den feministischen Theorien zum Beispiel Ingrid Strobls[46] fehlt völlig.

Das Bild vom rückständigen Islam versucht Pro NRW mit dem Verweis auf die so genannten Ehrenmorde in der BRD zu zeichnen. Laut der Organisation wurden zwischen 1998 und 2008 in der BRD 55 solcher Morde und Mordversuche mit insgesamt 70 Opfern verübt.[47]

Der „islamistisch beeinflussten türkischen Regierung“ wird unterstellt, dass sie die Zahl türkischer Migranten mit Hilfe des Gesetzes der Familienzusammenführung vergrößern will.[48]

Der Bau von Moscheen in der BRD wird als Zeichen einer „schleichenden Islamisierung“ verstanden. In Köln stieg die Zahl der Moscheen und islamischer Gebetsräume laut Pro NRW in den letzten Jahrzehnten auf über 100, was langfristig für „das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft außerordendlich gefährlich“ sei.[49] Der Kampf gegen den Moscheebau sei notwendig, um zu verhindern, dass NRW „kein bevorzugtes Einsatzgebiet für islamistische Extremisten“ werde:[50] „Offenbar soll in ganz NRW flächendeckend die grüne Fahne des Propheten gehisst werden. Von Dortmund, Aachen und Meschede über Bergheim, Gelsenkirchen, Kreuztal, Unna und Moers – in all diesen Städten sind neue, repräsentative Moscheen in Planung oder werden schon gebaut. Die Bürgerbewegung Pro NRW wird den lautstarken Protest der einheimischen Bevölkerung gegen diese Islamierungsoffensive organisieren. Was in Köln möglich war, ist grundsätzlich überall in NRW möglich.“

Als am 12.12.2008 die Tageszeitung „General-Anzeiger-Bonn“ eine öffentliche Diskussion über eine geplante Moschee in Alfter-Wittenschlick (Rhein-Sieg-Kreis) veranstaltete, protestierte Angehörige von Pro NRW gegen den Moscheebau.[51]

Der Pro-NRW-Generalsekretär Wiener warnt vor einer Ausbreitung des Islamismus innerhalb Nordrhein-Westfalens:[52] „Islamistische Terroristen sind unter uns. Immer wieder versuchen Islamisten, NRW zum Schauplatz des Djihad zu machen. Erinnert sei nur an die sogenannten Kofferbomber von Köln, die im vergangenen Jahr Sprengsätze in Regionalzügen deponierten. (…) Und erst in der letzten Woche wurden im Sauerland wieder Mitglieder einer islamistischen Zelle festgenommen, die mit Autobomben ein verheerendes Blutbad anrichten wollten. (…) Wenn nicht bald ein politisches Umdenken stattfindet, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis in NRW auch die ersten Bomben explodieren.“

Wiener entwirft ein Schreckensszenario, wonach die BRD „nach wie vor ein bevorzugter Ruhe-, Ausbildungs- und Reserveraum islamistischer Terroristen“ sei.[53] Für diese Entwicklung seien das Schengener Abkommen, was für die Lockerung der Grenzkontrollen sorge, die erleichterte Staatsbürgerschaft, die Duldung von illegalen Migranten sowie die allgemeine Asyl- und Zuwanderungspolitik verantwortlich. Die bundesdeutsche Justiz wird als zu täterfreundlich bezeichnet und die „Förderung islamistischer Propagandisten und Enwichtungen“ durch etablierte Parteien und Medien sowie der Kirchen kritisiert.

Durch gewaltbereite Islamisten sei die innere Sicherheit gefährdet; die Überwachung dieses Personenkreises würde 10.000 Euro am Tag kosten.[54]

Pro NRW wirbt für eine „Zusammenarbeit aller seriösen islamkritischen Kräfte“. Sie sieht dabei vor allem die „Bürgerbewegung Pax Europa“ als Bündnispartner.[55] Der am 17.5.2008 aus der Fusion des „BDB –Bundesverbandes der Bürgerbewegungen e.V.“-mit „Pax Europa e.V.“ hervorgegangene gemeinnützige Verein „Bürgerbewegung Pax Europa“ hat ihren Sitz Wetzlar/Hessen. Das Ziel des Vereins liegt laut der Satzung darin, „die Öffentlichkeit unabhängig von politischen Parteien oder sonstigen Interessengruppen wertneutral über die Ausbreitung des Islam in Europa und die damit verbundenen Folgen“ für das demokratische Staatswesen zu unterrichten. Dies soll durch regelmäßige Veröffentlichungen, öffentliche Informationsveranstaltungen und die Unterstützung von wissenschaftlichen Studien, Tagungen und Kongressen verwirklicht werden. Der Verein informiert über seine Internetseite die Öffentlichkeit über seine Tätigkeit. Neben eigener Projektarbeit werden auch Personen, die gegen die „Ausbreitung des Islam“ oben genannten Gebiet publizistisch oder auf anderer Weise tätig sind, finanziell und ideell unterstützt. Pax Europa, die sich angeblich gegen Fremdenfeindlichkeit, Totalitarismus und Antisemitismus positioniert, betont den Dualismus zwischen dem „christlichen Abendland“ und dem „orientalischen Islam“.[56] Sie wendet sich „gegen die reaktionäre Verteidigung der islamischen Herrschaftsideologie durch islamophile Kräfte.“ Dagegen will sie „den Erhalt der Wertegemeinschaft der christlich-jüdischen geprägten europäischen Kultur, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zugrunde liegt“, fördern. Der Islam wird in seinem Wesen als gewalttätige und antidemokratische Bewegung angesehen:[57] „Der Verein klärt über Bestrebungen auf, diese freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage zu stellen und langfristig zugunsten islamisch geprägter Interessengruppen zu verändern. Damit fördert der Verein das demokratische Staatswesen und trägt zu seinem Erhalt bei.“ Außerdem wird der Islam mit dem Faschismus gleichgesetzt:[58] „Als Aufgabe haben wir uns gestellt, der schleichenden Islamisierung in der Gesellschaft entgegenzuwirken: So werden wir vielleicht eines Tages unseren Enkel, wenn sie uns fragen, sagen können, wir haben uns eingesetzt und Demokratie gegen eine faschistoide Ideologie verteidigt.“

Der Publizist und „Terrorismusexperte“ Udo Ulfkotte stand bis zu seinem Ausscheiden Ende 2008 als Präsident an der Spitze der „Bürgerbewegung Pax Europa“. Die Auseinandersetzung mit dem Islam ist ein zentrales Thema seiner journalistischen Tätigkeit.[59] Der Vorstandsvorsitzende der „Bürgerbewegung Pax Europa“ ist Willi Schwend; die anderen Vorstandsmitglieder sind Eckhardt Kiwitt, Gerhard Lipp, Dieter Moll, das Berliner CDU-Mitglied Rene Stadtkewitz und Wilfried Puhl-Schmitt. Der Verein besitzt Landesverbände in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin-Brandenburg, Hessen, Landesverband Nord für Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.[60] Die Jugendorganisation des Vereins (Pax Jugend) verfolgte folgende Ziele:[61] „Wir setzen uns für den Erhalt des bestehenden kulturellen Werteverbundes ein. Die große Gefahr für die freiheitliche Rechts- und Gesellschaftsorientierung besteht auch in der schleichenden Islamisierung Europas. Der Herrschaftsanspruch der Scharia auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene versucht unser freies westliches Gesellschaftssystem durch eine intolerante Religion zu ersetzen. Dieses wahrzunehmen, deutend zu verstehen und offen auszusprechen ist uns wichtig. Wir wollen die junge Generation auffordern, die gesellschaftlichen Probleme beim Namen zu nennen und nicht wegen falsch verstandener Toleranz zu schweigen.“

Anfang Dezember 2008 verließ Ulfkotte die „Bürgerbewegung Pax Europa“ wegen deren „zunehmend extremistischen Kurses“ und warf ihr die Verbreitung „rassistischer und womöglich volksverhetzender Bilder im Stürmer-Stil“ vor.[62]

Die „Bürgerbewegung pro NRW“ steht auch dem „politisch inkorrekten Weblog in Deutschland“ Politically Incorrect (PI) nahe. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht PI regelmäßig islamfeindliche Artikel und macht Werbung für islamophobe Bücher. Darunter fällt auch die „bekannte Islamkritikerin“ Oriani Fallaci[63], die folgendes über den Islam erläuterte:[64] „Europa ist nicht mehr Europa, es ist ‚Eurabien’, eine Kolonie des Islam, wo die islamische Invasion nicht nur physisch voranschreitet, sondern auch auf geistiger und kultureller Ebene.“

Pro NRW nutzte das im Artikel des Grundgesetzes garantierte Petitionsrecht, mit dem sich die Bevölkerung jederzeit mit Beschwerden an die Volksvertretungen wenden kann. Zu diesem Zweck wandte sich Pro NRW mit der islamophoben Petition „Nein zu Großmoscheen, Minaretten und Muezzinruf!“ an den Landtag Nordrhein-Westfalens, die folgendes beinhaltete:[65] „Der nordrhein-westfälische Landtag wird aufgefordert, die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, um in Zukunft weitere Großmoscheebauten, Minarette und Muezzinruf in unseren Städten und Gemeinden zu verhindern. Zudem soll das Land NRW geeignete Maßnahmen ergreifen, um islamistische Zentren zügig zu schließen und radikale muslimische Hassprediger umgehend abschieben zu können.“

Dass jedoch die geplante Kölner Moschee eine integrierte Begegnungsstätte mit Seminarräumen, Büros, Bistro und Küche für Muslime und Nicht-Muslime beinhaltete und auch als Bildungszentrum für den interkulturellen Dialog dienen sollte, verschwieg Pro NRW geflissentlich.

In seiner Dissertation über die Bedeutung der Moscheen in Deutschland kam der Soziologe Thomas Schmitt zu dem Schluss, dass der Bau von Moscheen für die gesellschaftliche Akzeptanz und das interkulturelle Zusammenleben der Religionen förderlich ist.[66] Durch die repräsentativen Moscheen signalisieren die Muslime in der BRD, dass sie ein fester Bestandteil der Gesellschaft geworden sind. Schmitt begründete dies mit der These, dass die symbolische Repräsentation Ausdruck der Anerkennung des Islam seitens der Mehrheitsgesellschaft sei. Es ist aus Sicht des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Religionen wichtig, dass Muslime ihre bisherigen Hinterhof-Moscheen verlassen und ihr Leben öffentlicher und transparenter wird. Weiterhin betonte er, dass die Moscheen ihre Funktion als soziale und kulturelle Orte für Muslime und Nicht-Muslime im interkulturellen Dialog erfüllen. Im Entstehungsprozess kommt es zwangsläufig zur Begegnung und zur Verständigung zwischen Muslimen und der autochthonen Mehrheitsgesellschaft. Der Bau bietet einen Anlass, sich über die Ziele des Vorhabens und die Religion im Allgemeinen zu informieren.

Mit der Diskussion um Moscheebauten hat Pro NRW ein Thema besetzt, das symboltrrächtig für die Kulturalisierung sozialer und politischer Problemlagen steht.[67] Dies wird dadurch unterstützt, dass in den öffentlichen Debatten der Islam im Allgemeinen als integrationshemmend für die in der BRD lebenden Muslime dargestellt wird. Kemal Bozay hat Recht, wenn er feststellt, dass aus der Diskussion um die Ehrenfelder Moschee längst ein „Kulturkampf von rechts“ geworden ist: „Längst scheint aus der Kölner Moscheediskussion auch ein ‚Kulturkampf von rechtes‘ geworden zu sein, der sowohl in der politischen als auch in der medialen Öffentlichkeit für Furore sorgte. Es ist verwunderlich, dass diese Diskussionen gerade in einer Großstadt wie Köln geführt werden, die über eine 2000 Jahre alte Migrationsgeschichte verfügt und sich als Beispiel für eine praktizierende kulturelle Vielfalt präsentiert.“[68]

Pro NRW lehnt den EU-Beitritt der Türkei vehement ab und fordert die sofortige Beendigung der laufenden Beitrittsverhandlungen. Dies wird damit begründet, dass lediglich ein geringer Teil der Türkei in geographischer Hinsicht zu Europa gehöre:[69] „Ein solcher Beitritt dient ausschließlich den strategischen Interessen der USA und läuft der europäischen Identität zuwider. (…) Das Ziel der EU-Polit-Nomenklatura ist also die Schaffung eines regelrechten Molochs, den außer unserer Kultur, fremde, außereuropäische Staaten angehören sollen.“

Außerdem wird argumentiert, dass die politische Kultur der Türkei nicht „mit unserem Wertesystem vereinbar“ sei und „hunderttausende Kurden und Türken dann in unsere sozialen Sicherungssysteme einreisen“ dürften.[70]

Der SPD, den Grünen und der Linkspartei wird allen Ernstes vorgeworfen, dass sie deshalb die muslimische Zuwanderung befürworten, um bei der Landtagswahl 2010 die absolute Mehrheit zu erringen. Angeblich würden 62% der eingebürgerten Muslime nach Meinungsumfragen die SPD wählen; die restlichen Stimmen würden die Grünen, die Linkspartei und FDP bekommen.[71]

Die bisherige Regelung, der Türkei lediglich eine „privilegierte Partnerschaft“ anzubieten, hält Pro NRW für ein Ablenkungsmanöver:[72] „In Wirklichkeit ist auch die Merkel-Regierung längst vor der mächtigen und einflussreichen Osmanen-Lobby eingeknickt und wird letztendlich eine Mitgliedschaft der Türkei sehr wohl akzeptieren.“

Pro NRW fordert einen Maßnahmenkatalog gegen die „schleichende Islamisierung“. Markus Beisicht verlangt, dass demnächst jeder Bewerber um die deutsche Staatsbürgerschaft durch die Unterzeichnung einer Urkunde sein Bekenntnis zum Grundgesetz beweisen sollte.[73] Bei einer Zuwiderhandlung z.B. einer Propagierung der Scharia könnte der Person jederzeit die Staatsangehörigkeit wieder entzogen werden. Weitere Forderungen von Pro NRW sind das Verbot von Minaretten und Muezzin-Ruf, ein Kopftuchverbot an Schulen, Universitäten und im öffentlichen Dienst sowie die Verpflichtung der Religionen zur Verwendung der deutschen Sprache bei der Abhaltung von Gottesdiensten und Predigten.

Zudem müsse die Öffentlichkeit regelmäßig „über die bestehenden Gefahren der Islamisierung“ durch einen „jährlichen Situationsbericht“ informiert werden. Ein solcher Bericht sollte sich mit der Integration von Muslimen im Hinblick auf die Themenbereiche „Praktizierung der Scharia, Gewaltpotential und Terrorismusgefahr, Lebensweise und Bildung einer Parallelgesellschaft, Hassprediger, religiöse Erziehung, Haltung zum Extremismus, Zwangsehe, Ehrenmord, Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Demokratieverständnis und Toleranz“ befassen.

Unerlässlich sei auch eine verstärkte Überwachung von Moscheen, die „als Rekrutierungsorte für extremistische Strömungen“ dienen könnten, sowie eine Überwachung der islamischen Schulen und des islamischen Religionsunterrichtes „mit Überprüfung der Schulbücher auf demokratiefeindliche Inhalte“. Der islamische Religionsunterricht dürfe ausschließlich in deutscher Sprache abgehalten werden; Lehrer mit mangelnden Deutschkenntnissen sollte die Lehrerlaubnis entzogen werden. Außerdem müsse über ein „Trageverbot für islamische Kopfverhüllungen“ an allen öffentlichen Einrichtungen der BRD nachgedacht werden.[74]

Unter dem Motto „Nein zur Islamisierung –Nein zur Kölner Großmoschee“ veranstaltete Pro NRW am 19/20.9.2008 in Köln einen „Anti-Islamisierungskongreß“ auf dem Heumarkt. Dieses „Kongress“ stellte nicht nur eine Protestveranstaltung gegen die angebliche „schleichende Islamisierung“ dar. Er erfüllte ebenso den Zweck, den Wahlkampf für die Kommunalwahl 2009 einzuläuten. Außerdem diente die Veranstaltung auch dazu, die europäische Vernetzung extrem rechter Parteien unter dem Dach einer „Anti-Islam-Kampagne“ voranzubringen. Seit Jahren unterhät Pro NRW gute Beziehungen zum rechten belgischen Vlaams Belang und zur österreichischen FPÖ. Die Wahlerfolge und die Popularität der beiden rechten Parteien haben für Pro NRW einen gewissen Vorbildcharakter. Vertreter dieser beiden Parteien nahmen auch an Veranstaltungen von Pro NRW als Redner teil.

Neben antifaschistischen Initiativen beteiligten sich große Teile der Kölner Öffentlichkeit für eine Mobilisierung gegen den geplanten Kongress von Pro NRW. Das praktische Zeitungsmonopol von Neven DuMont in Köln stellte sich auf die Seite der Kritiker des geplanten „Anti-Islamisierungskongress“ und sorgte so für Stimmung gegen die rechten Rattenfänger. Die Ablehnung von Pro NRW in den Zeitungen von Neven DuMont wird in verschwörungstheoretischer Manier als ein Komplott der Presse und der etablierten Parteien gesehen.

Der „Höhepunkt“ des „Kongresses“, an dem ca. 200 Personen aus dem In- und Ausland teilnahmen, war die gemeinsame Verabschiedung der „Kölner Erklärung“, in der rassistische und islamfeindliche Hetze betrieben wurde. Als es am Rande der Absperrungen gegen Mittag zu Zusammenstößen von ca. 200 militanten Gegendemonstranten mit der Polizei kam, untersagte der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen die Veranstaltung mit der Begründung, dass die Sicherheit der Kölner Bürger und der friedlichen Demonstranten nicht mehr gewährleistet sei.

Um die Blamage des „Anti-Islamisierungskongresses“ im Jahr 2008 vegessen zu machen und zugleich Öffentlichkeitsarbeit für die Kommunalwahl zu betreiben, initiierte Pro NRW einen zweiten „Anti-Islamisierungskongress“ am 9./10.5. auf dem Barmer Platz in Köln. Lediglich 200-300 Personen waren bei der Kundgebung anwesend, was eine Blamage für die Kölner Rechten bedeutete. Mehrere tausend Menschen demonstrierten friedlich gegen die Veranstaltung von Pro NRW.

Pro NRW verfolgte das Ziel, als hegemoniale „Anti-Islamisierungspartei“ in der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Seitdem NPD, „Republikaner“ und „Freie Kameradschaften“ Kampagnen zu den Themenbereichen Islam und Moscheebau aufgreifen, sieht Pro NRW ihre hegemoniale Stellung in diesem Bereich gefährdet. Analog zum Protest gegen den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld soll die Kölner Initiative auf andere Großstädte übertragen werden. Dabei ging es vor allem um den Bau der Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh und einen geplanten Bau in Essen-Altenessen. Als jedoch herauskam, dass das Pro-NRW-Mitglied und Bauunternehmer Günther Kissel die Rohbauarbeiten der Moschee durchführte, verschwand das Thema sehr schnell wieder von der Tagesordnung.

Pro NRW lehnte den EU-Beitritt der Türkei strikt ab und forderte die sofortigen Beendigungen der Beitrittverhandlungen: „Ein solcher Beitritt dient ausschließlich den strategischen Interessen der USA und läuft der europäischen Identität zuwider. (…) Das Ziel der EU-Polit-Nomenklatura ist die Schaffung eines regelrechten Molochs, den außer unserer Kultur fremde, außereuropäische Staaten angehören sollen.“[75] Die bisherige Regelung, der Türkei lediglich eine „priviligierte Partnerschaft“ anzubieten, hält Pro NRW für ein Ablenkungsmanöver: „In Wirklichkeit ist auch die Merkel-Regierung längst vor der mächtigen und einflussreichen Osmanen-Lobby eingeknickt und wird letztendlich eine Mitgliedschaft der Türkei sehr wohl akzeptieren.“[76]

Außerdem wird argumentiert, dass die politische Kultur der Türkei nicht „mit unserem Wertesystem vereinbar“ sei und „hunderttausende Kurden und Türken dann in unsere Sozialsysteme einreisen“ dürften.[77]

Außerdem wird festgestellt, dass muslimische Jugendliche angeblich chauvinistische Denkweisen an den Tag legen: „Türkische Einwanderkinder der dritten oder sogar vierten Generation sondern sich immer mehr von der Gesellschaft ab, fühlen sich anderen Nationalitäten überlegen und praktizieren ein aggressives, überhebliches Türkentum.“[78]

Weiterhin verfolgte die Partei das Ziel, gesellschaftliche Problemlagen mit der Zuwanderung in Verbindung zu bringen. Die „demographische Katastrophe“ wird zu einer „inneren Bedohung“ hochgespielt. Das „Aussterben des deutschen Volkes“ wird dem Kinderreichtum der Migranten in der BRD gegenübergestellt. Wegen der steigenden Gewaltkriminalität unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen plädierte Pro NRW mit Law-and-Orden Parolen für eine Stärkung der „inneren Sicherheit“. Die Partei forderte mehr öffentliches und privates Sicherheitspersonal in „Brennpunktvierteln“, die Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten sowie ein koordiniertes Zusammenwirken von Polizei, Ordnungsamt und anderen zuständigen Stellen. Dies geschieht mit dem Hinblick auf den Abbau von elementaren Bürgerrechten, was hinsichtlich des „Bedrohungspotentials“ durch mögliche Straftäter gerechtfertigt wurde.

Ein Teil der Zuwanderer wird pauschal als faule, integrationsunwillige Sozialschmarotzer dargestellt: „So lange Teile der Migranten sich weigern, die deutsche Sprache zu erlernen, einen Beruf zu erlernen, sich unserem Rechtssystem unterzuordnen, so lange wird alles Gerede von Integration letztendlich inhaltsleeres Geschwätz bleiben. Wir dürfen auch nicht länger schweigen, wenn unsere Sozialkassen regelrecht geplündert werden.“[79]

Pro NRW bezieht sich positiv auf die strikte Zuwanderungspolitik der USA, Kanadas und Australiens, wo meist nur hoch qualifizierte Personen einwandern dürfen und eine soziale Selektion nach wohlstandschauvinistischen Prinzipien erfolgt. Die Partei sympathisiert auch mit der Forderung der österreichischen FPÖ, eine separate Krankenkasse für Migranten zu installieren.

Zur Abwehr der Angstmetapher der „schleichenden Islamisierung“ verlangt Pro NRW die Erschwerung der Einwanderung in der BRD, eine schnellere Aburteilung und Abschiebung „krimineller“ Zuwanderer und die sofortige Schließung von Moscheen, Schulen und Einrichtungen mit islamischen Aktivitäten und Bildungseinrichtungen. Unerlässlich sind auch eine verstärkte Überwachung von Moscheen, die „als Rekrutierungsorte für extremistische Strömungen“ dienen könnten sowie eine Überwachung der islamischen Schulen und des islamischen Religionsunterricht „mit Überprüfung der Schulbücher auf demokratiefeindliche Inhalte“.[80] Der islamische Religionsunterricht fürfe auschließlich in deutscher Sprache abgehalten werden: Lehrer mit mangelnden Deutschkenntnissen sollte die Lehrerlaubnis entzogen werden. Außerdem müsse über ein „Trageverbot für islamische Kopfverhüllungen“ an allen öffentlichen Einrichtungen der BRD nachgedacht werden.[81]

Pro NRW behauptete, dass einer der beiden Terroristen, die im Herbst 2006 in Kölner Regionalzügen Sprengkörper detoniert hatten, in der Abu-Bakr-Moschee in Köln-Zollstock „religiös fanatisiert“ worden sei. Deshalb forderten sie die Schließung der Moschee: „Wir dürfen die geistige Verbiegung junger Menschen im Sinne eines radikalen Islam, die im vergangenen Jahr beinahe zu einer Katastrophe geführt hat, nicht einfach hinnehmen. Wo Resonanzverstärker islamischer Bestrebungen offen erkennbar geworden sind, muss der Staat handeln. Die Abu-Bakr-Moschee muss deshalb so schnell wie möglich geschlossen werden. Alles andere wäre ein falsches Signal an die Adresse der Islamisten, das als Schwäche interpretiert werden würde.“[82]

Demnächst sollten Bewerber für die deutsche Staatsbürgerschaft durch die Unterzeichnung einer Urkunde ihr Bekenntnis zum Grundgesetz beweisen. Bei einer Zuwiderhandlung z.B. der Propagierung der Scharia könnte der Person jederzeit die Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden.

Zudem müsse die Öffentlichkeit regelmäßig „über die bestehenden Gefahren der Islamisierung“ durch einen „jährlichen Situationsbericht“ informiert werden. Ein solcher Bericht solle sich mit der Integration von Muslimen im Hinblick auf die Themenbereiche „Praktizierung der Scharia, Gewaltpotential und Terrorismusgefahr, Lebensweise und Bildung einer Parallelgesellschaft, Hassprediger, religiöse Erziehung, Haltung zum Extremismus, Zwangsehe, Ehrenmord, Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Demokratieverständnis und Toleranz“ befassen. Dabei strebt Pro NRW keine Integration, sondern eine Assimilation der hier lebenden Migranten an: „Eine gelungene Integration, die das Gefüge unseres Staates nicht destabilisiert, muss zwangsläufig in die Assimilation führen.“[83]

Der am 27.6.2008 gegründete Arbeitskreis „Christen Pro Köln“ sieht sich als Vorkämpfer der Christenheit gegen „den sich ausbreitenden Islam in Europa“. Der Arbeitskreis vertritt einen christlichen Fundamentalismus und wirft Vertretern der katholischen Kirche vor, dem „linken Zeitgeist“ hinterherzulaufen. Die Grundlagen der politischen Arbeit des Arbeitskreises sind die Aussagen der Präfekten der Glaubenskongregation. Er fühlt sich „dem Missionsauftrag von Jesus Christus“ verpflichtet: „Darum geht zu allen Völkern, und macht die Menschen zu meinen Jüngern, tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“[84]

Neben der Kritik an dem zaghaft beginnenden interreligiösen Dialog betreibt „Christen Pro Köln“ in homophoben Artikeln Stimmungsmache gegenüber Lesben und Schwulen. Der alljährlich in Köln stattfinden Christopher Street Day (CSD) steht im Zentrum der Hetze des Arbeitskreises. Es wurde ein Antrag zum CSD gestellt, in dem die Stadt Köln aufgefordert werden sollte, sich nicht an „solchen Spektakel zur einseitigen Förderung sexueller Minderheiten zu beteiligen“.[85] Pro Köln kann mit ihren diskriminierenden Äußerungen über Lesben und Schwule an homophobe Vorstellungen innerhalb Teilen der katholischen Kirche in Köln anknüpfen. In einem Interview bezeichnete der frühere Kardinal Meisner Homosexualität als „Fehlform sexuellen Tuns“ und verfügte, dass im Erzbistum Köln keine Erlaubnis zu katholischen Gottesdiensten für homosexuelle Menschen geben darf. Als Meisner in Budapest in einem Interview Homosexuelle mit Terroristen verglich, stellte der Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST) Strafanzeige. Christen pro Köln beziehen sich immer wieder auf Meisner als Gallionsfigur gegen den „linken Zeitgeist“ und im Kampf gegen Homosexualität. Meisner warnte auch vor einer Ausbreitung der Scharia in der BRD: „Wir müssen auch wachsam bleiben, dass die Terrains, die man muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zur Verfügung stellt (…) nicht Territorien werden, auf denen sich die Scharia immer weiter entfaltet.“[86] Dieses Statement von Meisner diente als Steilvorlage für die Hetze von Christen pro Köln gegen den Islam und die Argumentation gegen Moscheebauten insgesamt.

Als im Stadtbezirk Mülheim ein islamisches Gemeindezentrum mit Versammlungs- und Gebetsraum für mehrere hundert Menschen gegründet werden sollte, wertete der Arbeitskreis dies als weiteren Schritt der „schleichenden Islamisierung“ Kölns und forderte die „Bewahrung der deutschen Leitkultur.“[87] Im Klingelpützpark in der Altstadt wurde eine neue Moschee errichtet. In diesem Zusammenhang sprach der Arbeitskreis von einer Fortsetzung der „Islamisierung Kölns“ und kündigte Proteste an.

Die Vertreterin von Pro Köln, Regina Wilden, schreibt regelmäßig auf dem Internetportal „kreuz.net“ homophobe Artikel, wo sie von Menschen spricht, die in „homosexueller Unzucht“ leben.[88] Dieses fundamentalistische Religionsverständnis zieht sich durch die Aktivitäten und Artikel der gesamten Gruppe. Dort wird eine wortgetreue Auslegung religiöser Schriften betrieben und eine intolerante Haltung gegenüber anderen christlichen Würdenträgern oder Einzelpersonen in Köln betrieben.

Ein Dialog zwischen den verschiedenen Religionen oder ein interlultureller Austausch auf Augenhöhe wird nicht einmal in Erwägung gezogen, der Verweis auf christliche Dogmen zeugen von der Engstirnigkeit der Gruppe. Fortschrittliche Einstellungen innerhalb der katholischen Kirche wie das Domradio, das vom Erzbistum Köln betrieben wird, oder Nikolaus Schneider, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, werden als Anpassung an den „linken Zeitgeist“ kritisiert und die abendländische christliche Religion als Anknüpfungspunkt im Kampf gegen einen „fortschreitenden Islam“ gesehen.[89] Ein „angepasstes Christentum“ sei nicht in der Lage, sich gegen einen „expansiven Islam“ zur Wehr zu setzen.[90]

Auf ihrer Homepage ist das Foto einer Schrifttafel zu sehen, die folgende Aussage enthält: „Im Jahre 1683 erflehte in dieser Kirche Kaiser Leopold I. geleitet vom heiligmäßigen Kapuzinerpater Marco d’Aviano, den Sieg der Christenheit über die Osmanen vor Wien.“[91] Die Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich wird als historisches Synonym für die heutige Zeit benutzt, wo der Islam sich aus Sicht von Pro NRW ebenfalls anschickt, das christliche Abendland anzugreifen. Die damals existierende „Türkengefahr“ wird in Parallelität mit der heutigen Situation gesetzt und der Islam als expansive Religion charakterisiert.

Der Islam wird zur kriegerischen und intoleranten Feindreligion erklärt und die Angriffe gegen Christen in verschiedenen Ländern als Zeichen der „Islamisierung“ gedeutet: „Viele Glaubensrichtungen leben bis zu diesem Zeitpunkt friedlich zusammen, bis mal wieder fundamentalistische Islamisten den Glauben des Islam als den wahren Glauben ausrufen und von jedem fordern, sich diesem Glauben anzuschließen. Wer das nicht macht, ist ungläubig und kann auch in die Luft gejagt werden. (…) Nun lebt diese niedrigste Gesinnung wieder auf.“[92]

In rassistischer Stoßrichtung macht der Arbeitskreis Stimmung gegen muslimische Einwanderer, die als monolithische Masse ohne Ansehen der einzelnen Person dargestellt werden: „Unser legitimes Anliegen, den Erhalt unserer eigenen Religion und Kultur in unserer Stadt und unserem bislang abendländisch geprägtem Land betrachten wir nicht nur als unser Recht, sondern auch als unsere Pflicht. (…) Die Mehrzahl dieser Jugendlichen nicht-deutscher Abstammung sind Muslime. Wenn die Entwicklung unverändert so weiter stattfindet, werden wir in Köln in wenigen Jahrzehnten eine muslimische Mehrheitsgesellschaft haben.“[93]

Der Publizist Hamed Abdel-Samad warnt vor einem faschistischen Islam. Die deutschen Islamwissenschaftler würden lügen, wenn sie behaupten, „Islam und Islamismus hätten nichts miteinander zu tun“. Sie führten die deutsche Öffentlichkeit „völlig in die Irre, wenn sie immer wieder von der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie sprechen“, erklärt Abdel-Samad in einem Interview in der neuen Ausgabe der Jungen Freiheit.

Die Islamwissenschaftler lieferten die von der deutschen Politik gewünschte Auslegung des Islam. Demnach würden die Extremisten mit ihrem Islamismus den Islam mißbrauchen „Jahrelang hat die deutsche Islamwissenschaft der Öffentlichkeit die Mißbrauchsthese verkauft. Ich halte sie für eine Lüge“, so Abdel-Samad.

Der Islamismus mit seinem Heiligen Krieg sei vielmehr in der Urgeschichte des Islam angelegt. Der Schriftsteller Umberto Eco habe zudem 14 Merkmale des Ur-Faschismus aufgelistet, die auf den Islam haargenau zutreffen würden. Friede werde aus Sicht des Islam erst dann herrschen, wenn die Welt islamisiert sei, erklärt der deutsch-ägyptische Publizist.

Abdel-Samad: Viele – nicht alle – deutsche Islamwissenschaftler versuchen das Image des Islam aufzupolieren. Sie mögen gute Absichten haben, aber das führt zu der Lüge, Islam und Islamismus hätten nichts miteinander zu tun.

Das Thema Demographie hat in der Berichterstattung der JF eine lange Tradition. Schon Anfang der 1990er Jahre wurde die „Bevölkerungsexplosion in den Ländern des Südens“ beschworen und mit der Mahnung verbunden, die Bevölkerungszahl in Deutschland zu vermehren. Unter Bezugnahme auf Manfred Ritter[94] wurde die These aufgestellt, dass Deutschland und andere mitteleuropäische Industriestaaten von einer „Völkerwanderung“ bedroht würden.

Die Darstellung dieses äußeren Bedrohungsszenarios wandelte sich im Laufe der Zeit zu einer „inneren Bedrohung“. Das „Aussterben des deutschen Volkes“ wird dem Kinderreichtum von Migranten in Deutschland gegenübergestellt. Um die „völkische Homogenität“ zu erhalten, die einen entscheidenden Punkt in den bevölkerungspolitischen Vorstellungen der JF einnimmt, sollen deutsche Frauen mehr Kinder gebären und Migranten dagegen weniger. Dabei steht die quantitative Vermehrung im Vordergrund, qualitative Elemente werden nicht diskutiert. Um den Problemen der Überalterung der Gesellschaft und des Geburtenrückganges entgegenzuwirken, wird ein spezielles Anforderungsprofil an die (deutsche) Frau erstellt. Sie solle ihre Rolle als Mutter deutscher Kinder wahrnehmen und „Erhalterin des deutschen Volkskörpers“ sein. Dies ist der Versuch der Wiederbelebung des konservativen Familienidylls und reaktionärer Praktiken in der Bevölkerungspolitik.

Die JF stellt fest, dass in demographischer Hinsicht die Zukunft einer Unterschicht mangelhaft integrierter Migranten gehöre. (JF vom 10.8.2007, 1) Sie spricht von einer Unterschichteneinwanderung seit Beginn der 1970er Jahre in Deutschland, die das innerstaatliche Gefüge und die sozialen Sicherungssysteme sprengen würde. Dies sei eine Einwanderung in die Sozialsysteme gewesen, worunter die „autochthone“ Bevölkerung zu leiden hätte. Angelockt von üppigen Sozialleistungen würden Migranten verstärkt Kinder zeugen, die ihr „größtes Kapital“ seien. (Ebd.) Unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wachse die Zahl von unqualifizierten Einwanderern, „deren latenter Haß in den Parallelgesellschaften jederzeit zum Flächenbrand entfacht werden kann“. Diese Gruppe würde sich nicht mit Sozialleistungen zufrieden geben, was „den Keim eines Bürgerkrieges in sich“ trägt, „in dem nur eine Seite kämpfen wird.“ (Ebd.)

Als Gegenmaßnahmen werden eine bevölkerungspolitisch ausgerichtete Einwanderungs-, Sozial- und Familienpolitik gefordert, sonst drohe ein „deutscher Sonderweg in den Ethnosuizid“. Laut JF findet in der BRD seit Jahrzehnten eine Bevölkerungspolitik faktisch nicht statt. Die bisherige Familienpolitik diene nicht der Steigerung der Geburtenraten, sondern sei nur ein Mittel zur Wirtschaftsförderung, „die das Arbeitsmarktreservoir der Frauen günstig erschließen soll“. (Ebd.)

Der wichtigste Akteur in der Behandlung des Themas Demographie ist für die JF der Bevölkerungswissenschaftler Robert Hepp. Hepp veröffentlichte im Jahre 1988 das Buch „Die Endlösung der deutschen Frage“[95], wo er vor den Folgen des Bevölkerungsrückgangs innerhalb der deutschen Gesellschaft warnte und für eine Steigerung der Geburtenzahl plädierte. In der JF wird Hepp als „der profundeste Mahner der demographischen Krise in Deutschland und Europa“ bezeichnet. (JF vom 22./29.12.2006, 3) Hepp führte den völkisch konnotierten Begriff der „Ethnomorphose“ Anfang der 1980er Jahre in die Thematik ein.[96] Dieter Stein sprach in einem Plädoyer für die Steigerung der Geburtenzahlen in Deutschland auch von einer grassierenden „Ethnomorphose“. (JF vom 13.7.2007, 3) Die JF bemängelt, dass die „Warnungen“ Hepps in den letzten Jahren und Jahrzehnten als Horrorszenario abgetan würden. (JF vom 14.4.2006, 1) Erwähnt werden neben Hepp hier „Richard Korherr, der schon in der Zwischenkriegszeit seine Stimme erhoben hat, über Ilse Schwidetzky, die nach 1945 auf die anthropologische Realität des ‚Völkertodes’ verwies, bis hin zu denjenigen, die in den letzten Jahren der alten Bundesrepublik versuchten, die immer bedrohlich werdende Entwicklung zu korrigieren. (…) Wer wie Manfred Ritter (…) oder Jan Werner (…) offen gegen die Landnahme argumentierte, sah sich beruflicher Disziplinierung oder dauerhafter Zurücksetzung unterworfen.“ (Ebd.) Hepp sei von seinem Arbeitgeber, der Universitätsleitung in Osnabrück, mit einer „Zensur“ belegt worden, die dazu geführt habe, dass er „künftig von jeder Breitenwirkung“ abgeschnitten worden sei. Schuld an dieser Entwicklung sei der „Liberalismus, der mit seiner Verachtung des Volkes und seinem Minderheitenfetischismus die staatlichen Grundlagen zerstört.“ habe. Es drohe eine „Konkordanzdemokratie“[97]

Für Hepp, der die Geburtenzahl als „Reproduktioniveau“ bezeichnet, liegen die Hauptursachen des Geburtenrückgangs in Deutschland in der Reform des Ehe- und Familienrechts sowie im Paragraphen 218. Er fordert eine Anhebung der „Fruchtbarkeit“ der deutschen Bevölkerung. (Ebd., 4) Dabei distanziert er sich nicht von der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik: „Die bloße Tatsache, daß Adolf Hitler etwas für richtig hielt, war für mich noch nie ein Grund, es unbesehen für falsch zu halten.“ (Ebd.) Weiterhin plädiert er für die Überlegenheit einer pronationalistischen Bevölkerungspolitik über die Zuwanderungspolitik: „Bevölkerungsschwund ist ein Ausdruck kollektiver Todessehnsucht, und wer dem als Politiker nicht entgegentritt, verrät seine Pflicht gegenüber dem Volk.“ (Ebd. 1)

Neben Hepp bezieht sich die JF auch auf den Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg, für den Deutschland in Zukunft nur „noch ein geographischer Begriff“ sein werde: „Ein von 90 Prozent Moslems bewohnter Stadtteil ist nicht kulturell ‚zurückzuholen’. (…) Im Jahre 2050 werde man in deutschen Betrieben besser nicht mehr deutsch sprechen, vielleicht ist es bis dahin nur nicht chic, sondern ein Entlassungsgrund“ (JF vom 3.3.2006, 5)

Außerdem würdigt Hepp den Historiker und Publizist Walter Laqueur [98], der die These vertritt, dass die Weltmachtstellung Europas aufgrund des Geburtenrückgangs der Vergangenheit angehöre. (JF vom 22./29.12.2006, 3)

Die JF lehnt Einwanderung als Reaktion auf den Geburtenrückgang in Deutschland vehement ab. Die Politik solle die deutsche Bevölkerung in familienpolitischer Hinsicht dazu ermuntern, mehr Kinder zu bekommen. Das Thema Demographie wird von der JF in einen antiegalitären und völkisch nationalistischen Deutungsrahmen überführt, an dem Teile des konservativen bevölkerungspolitischen Diskurses anknüpften können.[99] Die JF lehnt es ab, durch den Zuzug von Migranten die demographischen Probleme zu lösen, weil sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft in eine „Multiminoritätengesellschaft“ verwandeln würde.

Eines der am meisten von der JF bekämpften Politikkonzepte ist das der multikulturellen Gesellschaft. Die schon in den 1990er Jahren diesbezüglich aufgestellten Thesen von Andreas Mölzer bestimmen auch heute noch die Berichterstattung der JF. Mölzer ging davon aus, dass die multikulturelle Gesellschaft in Westeuropa ein Faktum geworden sei. Daher stelle sich die Frage, ob sich das Europa des 21. Jahrhunderts zu einem „melting pot“ oder zu einer durch den Ethnopluralismus gekennzeichneten Gesellschaft entwickeln werde:

„Der ‚melting pot’ würde wohl nicht nach amerikanischem Muster funktionieren, sondern vielmehr nach dem brasilianischen oder nach dem Balkan-Modell vonstatten gehen. (…) Das brasilianische Modell würde völlige ethnische-kulturelle Vermischung und Nivellierung auf den simpelsten zivilisatorischen Nenner bedeuten. Die Balkanisierung hingegen würde eine Überschichtung der Ethnien in Form einer brisanten Gemengelage bedeuten.“ (JF vom 20.8.1999, 16)

Der „melting pot“ würde eine „Ghettogesellschaft“ mit Bürgerkriegen, Verteilungskämpfen und ständigem Sprachkonflikten bedeuten: „Rassenkriege, die Kämpfe religiöser Fundamentalisten und härteste soziale Unruhen wären zwangsläufig die Folge.“ (Ebd.) Außerdem könnten Auseinandersetzungen „aus der Dritten Welt“ in den europäischen Einwanderungsgesellschaften nicht ausgeschlossen werden. Mölzers Gegenentwurf ist das Konzept des Ethnopluralismus. Anders als im Nationalsozialismus tritt hier eine rein biologistische Argumentationsweise in den Hintergrund. Unter Bezug auf anthropologische, ethnologische und psychologische Erkenntnisse wird die Objektivität einer Vielfalt und Ungleichheit der „Völker“ – im differentialistischen Sinne - betont. Mit Hilfe kulturalistischer Argumentationsmuster wird die Unvergleichlichkeit und Unantastbarkeit der verschiedenen Kulturen und das Selbstbestimmungsrecht der „Völker“ unterstrichen. Die „Völker“ werden als „Schicksalsgemeinschaften“ begriffen, „als Wesenheiten eigener Persönlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte“ (de Benoist 2000, 12) ausgeprägt und eine spezifische, letztlich genetisch bedingte Kultur hervorgebracht hätten. Die „Völker“ hätten sich unabhängig voneinander in ihrem je eigenen „Lebensraum“ – ein gegenseitiger Austausch wird abgestritten - entwickelt, deshalb seien die jeweiligen Wertesysteme und Kulturen nicht universalisierbar, sondern an die „Völker“ und deren Heimat und Territorien gebunden.

Unter Rückgriff auf Carl Schmitt hat sich Politik am Primat der „nationalen Homogenität“ auszurichten: „Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung und Vernichtung des Heterogenen“ (Schmitt 1926, 14)

Das Konzept der Ab- und Ausgrenzung von inneren und äußeren Feinden und die daraus resultierende „nationale Identität“ stehen daher in einem Gegensatz zum Konzept der multikulturellen Gesellschaft.

Seit Mitte der 1950er Jahre seien Millionen Einwanderer mit überwiegend schlechter Bildung in die BRD gekommen, was zu einer „Einwanderung in die Sozialkassen“ geführt habe: „Sie sind ein entscheidender Nagel zum Sarg eines der komfortabelsten Sozial- und Gesundheitssysteme der Welt.“ (JF vom 11.8.2006, 1) Parallel dazu komme es zum „ethnischen Umkippen von Großstadtbezirken“. (Ebd.) Die Einwanderung schlecht ausgebildeter Migranten bedeute eine Lohnkonkurrenz für die „autochthone“ Bevölkerung, die die Senkung der Einkommen zur Folge habe. Laut Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft entspreche das Qualifikationsniveau von Zuwanderer aus den alten EU-Staaten in etwa dem der einheimischen Bevölkerung, während Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten durchschnittlich lediglich 76% dieses Niveaus erreichen. Diese Unterschiede würden auf gravierenden Unterschieden im Qualifikations- und Bildungsniveau beruhen. (JF vom 20.1.2006, 9) Daraus würde eine massive soziale Umverteilung von den Einheimischen zu den Migranten entstehen. Durch das „68er Laissez-faire“ kämen „deutsche Bildungsstandards vor die Hunde“, was als Konsequenz die Auswanderung von 145.000 überdurchschnittlich gut ausgebildeten Deutschen zur Folge hätte, die in anderen Ländern bessere Chancen auf eine Anstellung hätten. Dies bezeichnet Stein als „selbstmörderischer Austausch: Jungakademiker wechseln ins Ausland, weil in den USA, aber auch in europäischen Ländern wie der Schweiz oder skandinavischen Ländern bessere Forschungsbedingungen locken.“ (JF vom 27.10.2006, 1) Deutschland verlöre dabei „Humankapital“, weil die Auswanderer höher qualifiziert seien als die Einwanderer: „Deutschland verhält sich nicht so nutzenorientiert, wie man das von einem Staat, der sich als Einwanderungsland definiert, erwarten könnte.“ (JF vom 20.1.2006, 9)

Steins Alternativvorschlag zur Zuwanderung ist eine „patriotische Rückrufaktion“, um „weltweit gezielt Auslandsdeutsche in die Heimat zurückzurufen.“ (JF vom 11.8.2006, 1) Kurt Zach plädiert dafür, dass bestehende Engpässe auf dem Arbeitsmarkt durch familien- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bekämpft werden müssten. Einheimische müssten weiterqualifiziert und Impulse zur Verhinderung der Abwanderung aus der bildungsbürgerlichen Schicht gesetzt werden. (Ebd.) Insgesamt mangele es an nationalen Elementen im Erziehungs- und Bildungssystem:

„Man müsse auch den spezifisch deutschen Freiheitskampf, der um die Erringung kultureller, nationaler Selbstbestimmung geführt wurde, deutlich machen. Höhen und Tiefen deutscher Nationalgeschichte müssten lebendig an den Schülern vorbeiziehen. Sie müssten gepackt werden von den blutigen Opfern, den Heldentaten vorangegangener Geschlechter, die den Weg deutscher Geschichte und Freiheit begleiteten, sie müssten ergriffen sein von deutscher Literatur und Musik. Doch lernen sie klassische Gedichte, singen sie deutsche Volkslieder?“ (JF vom 28.4.2006, 1)

Bei der Behandlung des Themas multikulturelle Gesellschaft greift die JF auf „Experten“ zurück, deren Thesen sich mit denen der JF überschneiden. Der französische Schriftsteller Jean Raspail wird über sein Buch „Heerlager der Heiligen“[100] interviewt. In diesem Buch geht es um einen neuen „Sturm auf Europa durch Einwanderer aus der Dritten Welt, die mit einer Invasionsflotte aus Frachtschiffen und Lastkähnen landen.“ Europa sei zur Selbstverteidigung unfähig und scheine sich in den „Untergang durch Selbstaufgabe“ zu fügen. (JF vom 18.8.2006, 1) Ein weiterer Interviewpartner ist der Islamwissenschaftler Tilman Nagel, der an der Universität Göttingen lehrt. Nagel plädiert für eine Wahrung der „europäischen Werte“, die nicht einer multikulturellen Vision geopfert werden dürften. Er verlangt von den Einwanderer völlige Assimilation: „Es ist unerlässlich, daß das Herz des Einwanderers schließlich auch für Deutschland schlägt. Das reicht vom Jubel für unsere Nationalelf in diesem Fußballsommer bis zu einem Geschichtsverständnis, in dem er sich als ein Deutscher wieder findet.“ (JF vom 10.2.2006, 3)

Doris Neujahr i.e. Thorsten Hinz stellt die These auf, dass sich Parallelgesellschaften im Laufe der Zeit zu aggressiven Gegengesellschaften entwickelt haben. (JF vom 17.3.2006, Als Begründung beruft sich Hinz auf die Soziologin Necla Kelak („Die fremde Braut“)[101], die niederländische Politikerin Ayaan Hirsi („Ich klage an“)[102] und die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ates („Große Reise ins Feuer“)[103], deren Bücher allesamt einen kritischen Blick auf den Islam werfen würden. Neujahr/Hinz bedient sich einer generalisierenden Islam-Kritik, die auf jegliche Differenzierungen verzichtet und den Islam einseitig als Bedrohung konstruiert.

Die Kritik an der multikulturellen Gesellschaft wird in einem Artikel deutlich aggressiver und plakativer vorgetragen als in allen anderen. (JF vom 14.4.2006, 3) K. Zach bezeichnet erst den „Multikulturalismus“ als „verhängnisvolles-utopisches Experiment“. Dann wird steckbriefartig – nach dem Vorbild des Baader-Meinhof-Steckbriefs - das Konterfei folgender Personen veröffentlicht, die sich „wegen Beteiligung an der Verharmlosung und dem Gesundbeten der Folgen der ungebremsten Masseneinwanderung nach Deutschland (…) politisch vor den Wählern verantworten“ müssten: Heiner Geissler, Rita Süssmuth, Heribert Prantl, Claudia Roth, Joseph Fischer, Daniel Cohn-Bendit, Jürgen Habermas, Friedbert Pflüger, Jürgen Schmude, Dieter Oberndörfer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Barbara John.

Spätestens mit dem Aufstieg der Grünen, die sich auch der „gutorganisierten Netzwerke der Multikultur-Lobby“ bedient hätten, sei es zur „Auflösung des verfassungstragenden Staatsvolkes in einer multikulturellen Mischbevölkerung.“ (Ebd.) gekommen. Die Unionsparteien würden eine fundierte Gegenopposition zum „Multikulturalismus“ ebenso schuldig bleiben wie die versprochene „geistig-moralische Wende“. Heiner Geißler und Rita Süssmuth seien die ideologischen Wegbereiter des „Multikulturalismus“ innerhalb der CDU, die sich schon lange von ihrem nationalkonservativen Flügel verabschiedet hätte.

Ein weiteres Argument gegen die multikulturelle Gesellschaft ist das Schüren von Ängsten vor Einwanderer als Aids-Risikogruppe in Deutschland. Illegale Einwanderer sollten meist nur oberflächlich medizinisch untersucht worden sein, wenn sie Asylanträge in Europa stellen. Eine Studie des Robert-Koch-Institutes soll herausgefunden haben, dass etwa 20% der HIV-Infektionen in Deutschland bei Einwanderern aus West- und Südafrika, der Karibik und Südostasien festgestellt wurden. (JF vom 22.9.2006, 7) Es bestehe die Gefahr, dass Krankheiten oder Verletzungen in der Illegalität verschleppt oder zu spät behandelt würden, woraus bei ansteckenden Krankheiten ein Risiko für die Allgemeinheit entstehe. (JF vom 12.5.2006, 5)

Neben diesem konstruierten Horrorszenario wird auch argumentiert, dass eine wirtschaftliche Belastung für den deutschen Staat von der Schwarzarbeit der Illegalen ausgehe. Thorsten Hinz kritisiert grundsätzlich die Bereitschaft des Staates, aus humanitären Gründen Flüchtlinge aufzunehmen: „(…) der Humanitarismus interpretiere den Satz ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar’ als Einladung an eine schrankenlose Völkerfamilie (…), sich unter die Fittiche des deutschen Sozialstaats zu begeben.“ (JF vom 17.2.2006, 1) Rassistische und sexistische Untergangsphantasien vom „baldigen Ende der Dominanz des europäischstämmigen Mannes“ ergänzen die Ablehnung des sog. Multikulturalismus: „(…) fällt der ‚weißen Minderheit’ in fünfzig Jahren allenfalls noch die traurige Rolle zu, als alternde Fremdenführer den touristischen ‚Multi-Colour-Man’ durch die vergangene Herrlichkeit seiner Städte zu führen.“ (JF vom 23.2.2007, 5)

Die von der JF publizierten Artikel zu den Themen „nationale Identität“ oder Zuwanderung basieren auf einem völkischen Nationalismus. Verlangt werden das völkisch hergeleitete „Recht auf Differenz“ und damit eine ethnopluralistische Neuordnung gegen die multikulturelle Gesellschaft:[104] Lutz Niethammer stellt rückblickend fest:[105] „Was einst Rasse, Raum und Führertum geheißen hatte, hieß nun Identität, Territorium und Elite.“ Die Existenzgrundlagen der Nation, die als eine völkische Einheit verstanden wird, wird durch Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft zerstört:[106] In der Ablehnung von Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft, einer Begründung der Nation aus völkisch-kulturalistischen Mythen und der daraus abgeleiteten Forderung nach einer „deutsche Leitkultur“ überschneiden sich neurechte mit nationalkonservativen Positionen. Diese Positionen kommen jedoch nicht nur in der JF zum Ausdruck, sondern sind Teil etablierter bürgerlicher Medien geworden.

Georg Ruhrmann spricht von einem „Negativsyndrom“, das die Mainstream-Berichterstattung charakterisiert:[107] „Folgen weltweiter Migrationsprozesse und das Entstehen multikultureller Tendenzen werden in einer Semantik der Gefahren präsentiert. Die vorhandenen und zukünftigen sozialen Veränderungen werden nicht als entscheid- und gestaltbar, sondern als katastrophal und schicksalhaft dargestellt.“ Die JF greift diese Stimmungen auf und gibt sie in zugespitzter Form wieder.

Fußnoten

  1.  ↑ Die Welt vom 15.1.2015
  2.  ↑ Ebd.
  3.  ↑ Der Begriff '''Melkiten''' oder '''Melchitisch''' wird benutzt, um verschiedene Kirchen  und ihre Mitglieder, die aus dem Nahen Osten  kommen, zu bezeichnen. .Der Begriff ''Melkit'' wurde nach dem Konzil von Chalcedon  im Jahre 451 von den anderen orientalischen Kirchen als pejorative  Bezeichnung verwendet. Die Nicht-Chalcedonianer verwendet das Wort für jene, die von dem Rat und dem byzantinischen Kaiser unterstützt wurden. Man weiß heute nicht mehr, wann die Melkiten die Bezeichnung erstmals auf sich selbst anwandten. Die Melkiten waren im Allgemeinen griechischsprachige  Stadtbürger, die im Westen der Levante  und in Ägypten  lebten, während die nicht-chalcedonischen Syrisch-Orthodoxen und Kopten  eher auf dem Land wohnten. Die melkitische Kirche war in drei historische Patriarchate  aufgeteilt: Alexandrien , Antiochien  und Jerusalem , jeweils unter dem Patriarchen von Konstantinopel . Die Nicht-Chalcedonianer richteten ihre Patriarchate in Alexandria (Koptische Kirche ) und Antiochien (Syrisch-Orthodoxe Kirche ) ein.
  4.  ↑ Die Jesiden sind eine zumeist Nordkurdisch  sprechende religiöse Minderheit  mit mehreren hunderttausend Angehörigen, deren ursprüngliche Hauptsiedlungsgebiete im nördlichen Irak , in Nordsyrien  und in der südöstlichen Türkei  liegen. Das Jesidentum ist eine monotheistische , nicht auf einer heiligen Schrift  beruhende und nicht missionierende Religion . Die Mitgliedschaft ergibt sich durch Geburt, wenn beide Elternteile  jesidischer Abstammung sind. Eine Heirat von Jesiden mit Andersgläubigen hat den Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft zur Folge. Im Zentrum des jesidischen Glaubens stehen Melek Taus  („Engel Pfau“), der Scheich ʿAdī ibn Musāfir  (um 1073–1163) sowie die sieben Mysterien . Das Grab von Scheich ʿAdī im irakischen Lalisch-Tal  ist das Hauptheiligtum  des Jesidentums und Ziel einer jährlichen Wallfahrt  im Herbst.
  5.  ↑ www.amnesty.de/laenderbericht/irak
  6.  ↑ www.amnesty.de/laenderbericht/jemen
  7.  ↑ Ebd.
  8.  ↑ Ebd.
  9.  ↑ http://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/kuwait?destination=node%2F2966
  10.  ↑ https://web.archive.org/web/20071014160134/http://web.amnesty.org/library/index/ENGACT300272001
  11.  ↑ http://www.wtcsitememorial.org/fin7.html
  12.  ↑ Aachener Nachrichten vom 14.9.2001
  13.  ↑ http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-3838
  14.  ↑ Bernd Greiner: 9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen. München 2011, S. 163f.
  15.  ↑ Aachener Nachrichten vom 14.9.2001
  16.  ↑ Greiner: 9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen, a.a.O., S. 233
  17.  ↑ http://www.bpb.de/apuz/28552/die-folgen-des-11-september-2001-fuer-die-internationalen-beziehungen
  18.  ↑ Grote, A.: Terrorismus, München 2004, S. 84
  19.  ↑ Agamben, G.: Ausnahmezustand. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, S. 15
  20.  ↑ Büsching, S.: Rechtsstaat und Terrorismus. Untersuchung der sicherheitspolitischen Reaktionen der USA, Deutschlands und Großbritanniens auf den internationalen Terrorismus. Hannover 2009, S. 45
  21.  ↑ Vgl. dazu Kuhn, Antimuslimischer Rassismus, a.a.O., S. 47ff
  22.  ↑ http://www.welt.de/politik/article13808641/Guantanamo-eine-Schande-fuer-die-Menschenrechte.html
  23.  ↑ www.bpb.de/apuz/28002/die-bush-doktrin-der-irakkrieg-und-die-amerikanische-demokratie?p=all
  24.  ↑ Büsching, Rechtsstaat und Terrorismus. Untersuchung der sicherheitspolitischen Reaktionen der USA, Deutschlands und Großbritanniens auf den internationalen Terrorismus, a.a.O., S. 65
  25.  ↑ http://www.bpb.de/apuz/28552/die-folgen-des-11-september-2001-fuer-die-internationalen-beziehungen
  26.  ↑ Ebd.
  27.  ↑ George Leaman: Iraq, American Empire, and the War on Terrorism, in: Rockmore, M./Rockmore, T.: The Philosophical Challenge of September 11. New York 2006, S. 5
  28.  ↑ www.sueddeutsche.de/politik/johannes-rau-der-ratgeber-der-republik-1.776890
  29.  ↑ http://www.spiegel.de/thema/mohammed_atta/
  30.  ↑ http://www.spiegel.de/panorama/terror-razzia-in-hamburg-abgewartet-haben-wir-lange-genug-a-203701.html
  31.  ↑  ↑ Kuhn, Antimuslimischer Rassismus, a.a.O., S. 46
  32.  ↑ Süddeutsche Zeitung vom 5.9.2014
  33.  ↑ Neue Zürcher Zeitung vom 10.10.2010
  34.  ↑ Weller, C.: Warum gibt es Feindbilder?, in: Hippler, J/Lueg, A. (Hrsg.): Feindbild Islam oder Dialog der Kulturen, Hamburg 2002, S. 49-58
  35.  ↑ Kuhn, I.: Antimuslimischer Rassismus. Auf Kreuzzug für das Abendland, Köln 2015, S. 24
  36.  ↑ Marx, J.: Does Culture matter? Eine kritische Betrachtung der These Huntingtons, wonach in kulturellen Differenzen die Ursache zukünftiger Konflikte liege, in: Gerlach, H.-M./Hütig, A./Immel, O.(Hrsg.): Symbol, Existenz, Lebenswelt. Kulturphilosophische Zugänge zur Interkulturalität, Frankfurt/Main 2004, S. 169-186, hier S. 169
  37.  ↑ Huntington, S.P.: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 1998, S. 194
  38.  ↑ Benhabib, S.: Kulturelle Vielfalt und demokratische Grundrechte. Politische Partizipation im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt/Main 1999, S. 52
  39.  ↑ In der interkulturellen Philosophie wird von der Prämisse ausgegangen, dass im Vergleich der Kulturen keine Werthierarchie angelegt wird. Die Denkstruktur von „höherwertigen“ und „minderwertigen“ Kulturen wird als kultureller Rassismus eingestuft, der entschieden bekämpft werden muss. Kulturen werden als heterogene, dynamische Entitäten betrachtet, was auch auf die in ihr vertretenen Religionen und Philosophien gilt. Vgl. Yousefi, H.R.: Interkulturalität und Geschichte. Perspektiven für eine globale Philosophie, Reinbek 2010, S. 13 oder Benhabib, S.: Kulturelle Vielfalt und demokratische Grundrechte. Politische Partizipation im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt/Main 1999, S. 52ff
  40.  ↑ Fell, U.: Ius belli in der Postmoderne, Frankfurt/Main 2004, S. 65f
  41.  ↑ Kapellmann, U.: Westliche Demokratien im Umbruch, Berlin 2006, S. 61f
  42.  ↑ Tworuschka, M.: Grundwissen Islam. Religion, Politik und Gesellschaft, Münster 2003, S. 73
  43.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/297/38
  44.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/398/20
  45.  ↑ Vgl. dazu Strobl, I.: Strange Fruit. Bevölkerungspolitik: Ideologien Ziele Methoden Widerstand. Berlin 1991
  46.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/462/22
  47.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/730/42
  48.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/69/23
  49.  ↑ Ebd.
  50.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/817/1/
  51.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/78/21
  52.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/110/22
  53.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/138/47
  54.  ↑ www.pro-nrw.org./content/view/795/44
  55.  ↑ http://s233199163.online.de/test/news/detail.php?nid=39
  56.  ↑ Ebd.
  57.  ↑ http://s233199163.online.de/test/geschichte.php
  58.  ↑ Vgl. dazu folgende Bücher: Ulfkotte, U.: Der Krieg in unseren Städten, Frankfurt/M. 2004 oder Ulfkotte, U.: SOS Abendland. Die schleichende Islamisierung Europas, Rottenburg am Neckar 2008
  59.  ↑ http://s233199163.online.de/test/verein/lvs.php
  60.  ↑ http://s233199163.online.de/test/jugend/index.php
  61.  ↑ Die Welt vom 2.12.2008
  62.  ↑ Vgl. dazu Fallaci, O.: Die Wut und der Stolz, München 2002 oder Dies.: Kraft der Vernunft, München 2004
  63.  ↑ http://politicallyincorrect.myblog.de/politicallyincorrect/art/4284465
  64.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/268/200
  65.  ↑ Schmitt, T.: Moscheen in Deutschland. Konflikte um die Errichtung und Nutzung, Flensburg 2003, S. 359f
  66.  ↑ Häusler, A./Killguss. H.P.: Feindbild Islam. Rechtspopulistische Kulturalisierung des Politischen. Dokumentation zur Fachtagung vom 13.9.2008, Köln 2009, S. 40
  67.  ↑ Bozay, K.: Kulturkampf von rechts – Das Dilemma der Kölner Moscheedebatte, in: Häusler, A. (Hrsg.): Rechtspopulismus als „Bürgerbewegung“. Kampagnen gegen Islam, Moschee und kommunale Gegenstrategien, Wiesbaden 2008, S. 198-212, hier S. 198
  68.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/472/20
  69.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/104/23
  70.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/110/22
  71.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/472/20
  72.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/87/23
  73.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/475/22
  74.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/472/20
  75.  ↑ Ebd.
  76.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/104/23
  77.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/624/22
  78.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/675/22
  79.  ↑ www,pro-nrw.org/content/view/254/22
  80.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/475/22
  81.  ↑ Pro NRW (Hrsg.): Sonderblatt für den Stadtteil Zollstock zu den islamischen Umtrieben in der Abu-Bakr-Moschee im Höninger Weg, Köln 2007, S. 1
  82.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/382/22
  83.  ↑ www.christen-pro-koeln.de/domradio.htm
  84.  ↑ www.christen-pro-koeln.de/archiv.htm
  85.  ↑ Meisner, J.: Keine Angst, aber ein ungutes Gefühl, in: Sommerfeld, F.: Der Moscheestreit. Eine exemplarische Debatte um Einwanderung und Integration, Köln 2008, S. 177-181, hier S. 179f
  86.  ↑ www.christen-pro-keoln.de/archiv.htm
  87.  ↑ www.kreuz.net/article.2705.htm
  88.  ↑ www.pro-koeln-online.de/images9/zeitung0107.pdf
  89.  ↑ www.christen-pro-koeln.de/archiv.htm
  90.  ↑ www.christen-pro-koeln.de
  91.  ↑ www.christen-pro-koeln.de/islamis.htm
  92.  ↑ www.christen-pro-koeln.de/biskupek.htm
  93.  ↑ Ritter 1990
  94.  ↑ Hepp 1988
  95.  ↑ Der Begriff „Ethnomorphose“ geht auf Boehm 1932, 65, 131, 151und auf Hellpach 1938., 24, 29 zurück.
  96.  ↑  ↑ Laqueur 2006
  97.  ↑ z.B. Der Spiegel vom 9.4. 2001 mit dem Titel „Ein Segen für die Familie“, wo es hieß: „So pathetisch das klingen mag: Es geht um den Bestand des deutschen Volkes; Rheinischer Merkur vom 31.7.2003 mit der Titelseite: „Kinder für das Land. Generationenvertrag: Eine neue Bevölkerungspolitik muss her.“
  98.  ↑ Raspail 2005
  99.  ↑ Kelek 2005
  100.  ↑ Ali 2005
  101.  ↑ Ates 2003
  102.  ↑ De Benoist 1991, 197ff:
  103.  ↑ Niethammer 2000, 488f
  104.  ↑ Häusler 2006, 123
  105.  ↑ Ruhrmann 1999, 102