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Ferienziel Frankreich

Von Margarete Lausberg

Frankreich ist in insgesamt 18 Regionen unterteilt, davon befinden sich 13 in Europa und fünf sind französische Überseegebiet (France d’outre-mer) – Französisch-Gueyana, Guadeloupe, Martinique, Mayotte und Reunion. Bis zum 31. Dezember 2015 waren die europäischen Teile Frankreichs in 22 Regionen unterteilt, so dass die Gesamtzahl der Regionen 27 betrug.

Der größte Ballungsraum ist die Hauptstadt Paris mit über zehn Millionen Einwohnern in der Agglomeration. Die Großräume um Lyon, Marseille, Toulouse und Lille haben ebenfalls deutlich mehr als eine Million Einwohner.

Frankreich unterhält Naturschutzgebiete verschiedener Kategorien im europäischen Kernland und in den Übersee-Départements. Es sind derzeit:

Die Bevölkerung Frankreichs im Jahre 1750 wurde auf etwa 25 Millionen geschätzt. Damit war es mit Abstand das bevölkerungsreichste Land Westeuropas. Bis 1850 stieg die Einwohnerzahl weiter bis auf 37 Millionen; danach trat eine im seinerzeitigen Europa einzigartige Stagnation des Wachstums ein. Als Ursache hierfür werden der relative Wohlstand und die fortgeschrittene Zivilisation Frankreichs angesehen. Empfängnisverhütendes Sexualverhalten wurde praktiziert und war weiter verbreitet als in anderen Ländern, zugleich war der Einfluss der katholische Kirche bereits geschwächt. So wuchs die Einwohnerzahl in knapp 100 Jahren nur um drei Millionen: 1940 zählte Frankreich, trotz starker Zuwanderung nach 1918, nur etwa 40 Millionen Einwohner. Diese Bevölkerungsstagnation wird als eine der Ursachen dafür angesehen, dass sich Frankreich während der beiden Weltkriege gegen den dynamischeren Nachbarn Deutschland nur mit großer Mühe behaupten konnte. Noch dazu hatte Frankreichs Armee bereits in den Jahren 1914/18 die relativ höchsten Verluste aller kriegführenden Nationen erlitten. Nach dem 2. Weltkrieg war dann nach langer Zeit wieder ein Geburtenzuwachs und Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen, der zum Teil auch verursacht war durch verstärkte Zuwanderung vor allem aus früheren französischen Kolonien. Für das Jahr 1990 wurden 56,6 Millionen Einwohner ermittelt, für den 1. Januar 2010 wurde die Bevölkerung einschließlich der Menschen in den Überseegebieten auf 64,7 Millionen geschätzt.

Am 18. Januar 2011 gab das Amt (INSEE) bekannt, dass zum 1. Januar 2011 insgesamt 65.027.000 Menschen in Frankreich lebten. Damit hätte das Land erstmals die 65-Millionen-Marke überschritten.

Die Zuverlässigkeit der Erhebung ist allerdings umstritten: 2004 stellte das INSEE die Methode von einer Totalzählung im Fünf-Jahres-Rhythmus auf permanente Erhebung anhand von Hochrechnung lokaler Daten um. Danach ergaben sich unerklärliche Sprünge in der Bevölkerungsentwicklung. Städte, deren Bevölkerung zuvor kontinuierlich abgenommen hatte, insbesondere Paris, nahmen plötzlich sprunghaft zu. Bei anderen Städten, beispielsweise Nizza und Nimes, war es umgekehrt. Auch in Bezug auf die aktuellen Gesamtzahlen ist das Bild uneinheitlich. Das INSEE selbst wies Ende Juli 2012 auf zwei seiner Internetseiten zum einen 65,35 Millionen, zum anderen 64,304 Millionen aus. Gérard-François Dumont, Professor an der Universität Paris IV und Herausgeber der Zeitschrift Population et avenir, führte das unter anderem darauf zurück, dass aufgrund von Umzügen manche Personen der Erhebung entgehen, während andere doppelt gezählt werden

Die Bevölkerung wuchs im Jahr 2009 um 346.000 Menschen oder 0,5 Prozent. Das Wachstum verlangsamte sich leicht gegenüber den Vorjahren (2006: 0,6 Prozent, 2007 und 2008: 0,6 Prozent). Die Geburtenbilanz des Jahres 2009 war positiv: Es wurden 275.000 Menschen mehr geboren als starben. Die Wanderungsbilanz war ebenfalls positiv: Es wanderten 71.000 Menschen mehr zu als aus. Die französische Bevölkerung wurde im Durchschnitt älter: Der Anteil der unter 20-Jährigen sank zwischen 2000 und 2010 von 25,8 Prozent auf 24,7 Prozent und der Anteil der Menschen über 65 nahm von 15,8 Prozent auf 16,6 Prozent zu.

2009 wurden 256.000 Ehen geschlossen; zehn Jahre zuvor waren es noch über 294.000 gewesen. Dafür wählten mehr Franzosen den Zivilen Solidaritätspakt als Form des Zusammenlebens. Diese Pacs genannte Partnerschaft wurde 1999 eingeführt; 2009 wurden 175.000 Pacs geschlossen. Das Durchschnittsalter der ersten Ehe lag 2008 für Männer bei 31,6 Jahren und für Frauen bei 29,7 Jahren. Es stieg seit 1999 um fast zwei Jahre. Die Lebenserwartung betrug 1987 72 Jahre für Männer und 80 Jahre für Frauen und 2008 84 Jahre für Frauen und 78 Jahre für Männer.

Aufgrund des langsamen Bevölkerungswachstums kannte Frankreich bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Problem des Arbeitskräftemangels. Seit Beginn der Industrialisierug kamen deshalb „Gastarbeiter“ aus den Nachbarländern (Italiener, Polen, Deutsche, Spanier, Belgier) nach Frankreich, etwa in den Großraum Paris oder in die Bergbaureviere und Montangebiete. Ab 1880 lebten und arbeiteten somit etwa eine Million Ausländer in Frankreich; sie stellten sieben bis acht Prozent der Erwerbstätigen Das Phänomen einer Massenauswanderung, das gleichzeitig in Deutschland herrschte, kannte Frankreich nicht. Während des Ersten Weltkrieges waren etwa drei Prozent der Bevölkerung Frankreichs Ausländer, es kam zu ersten ausländerfeindlichen Tendenzen bis 1931 wuchs der Ausländeranteil auf 6,6 Prozent. Danach wurde die Einwanderung stark eingeschränkt, Flüchtlinge etwa aus dem Spanischen Bürgerkrieg ausgewiesen oder interniert. Nach dem 2. Weltkrieg warb Frankreich wiederum Gastarbeiter vor allem aus Spanien und Portugal an und behielt bis 1974 eine sehr liberale Einwanderungspolitik bei. Europäer, vor allem Italiener und Polen, hatten 1931 mehr als 90 Prozent der ausländischen Bevölkerung ausgemacht, in den 1970er Jahren lag dieser Anteil nur noch bei etwa 60 Prozent, den stärksten Anteil stellten nun die Portugiesen.

Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung 2006 betrug 5,8 Prozent, dazu kamen 4,3 Prozent Français par acquisition, also Menschen, die im Ausland geboren sind und die französiche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Im Jahr 2008 lebten 5,23 Millionen Einwanderer in Frankreich, was 8,4 % der Gesamtbevölkerung ausmachte. Davon hatten 2,72 Millionen die französische Staatsbürgerschaft angenommen. Nachkommen von Einwanderern, bei denen mindestens ein Elternteil mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Ausland geboren wurde, wurden im Jahr 2010 auf etwa 10,4 % der Gesamtbevölkerung geschätzt Heute sind die meisten Einwanderer in Frankreich nordafrikanischen Ursprungs (Algerier, Marokkaner, Tunesier), gefolgt von Südeuropäern (Portugiesen, Italiener, Spanier). In den letzten Jahren kommt ein Großteil der Einwanderer aus den ehemaligen französischen Kolonien in Subsahara-Afrika und in der Karibik.

Die Verfassung definiert, dass der Zugang zu Bildung, Ausbildung und Kultur für alle Bürger gleich zu sein hat und dass das Unterhalten eines unentgeltlichen und laizistischen öffentlichen Schulwesens Aufgabe des Staates ist. Demnach ist das Bildungssystem Frankreichs zentralistisch organisiert; die Gebietskörperschaften müssen die Infrastruktur bereitstellen. Es koexistieren private und öffentliche Einrichtungen, wobei die größtenteils katholischen Privatschulen in der Vergangenheit mehrmals Gegenstand intensiver politischer Auseinandersetzung waren. Im Gegensatz zu den Schulsystemen der deutschsprachigen Länder liegt in Frankreich mehr Schwerpunkt auf Auslese und Bildung von Eliten, bzw. Ausbildung über Bildung. Seit 1967 herrscht Unterrichtspflicht bis zum 16. Lebensjahr..

Der Kindergarten bietet Vorschulerziehung für Kinder ab zwei Jahren an. Er wird von einem hohen Prozentsatz der Kinder besucht. Der Besuch ist ganztägig und gebührenfrei, nur optionale Zusatzangebote für Betreuung zu Randzeiten sowie die mittägliche Verpflegung müssen von den Eltern bezahlt werden. Die École maternelle wird in Frankreich sehr viel stärker als Schule betrachtet, als dies bei den Kindergärten in deutschsprachigen und anderen Ländern der Fall ist. Die Betreuer in den Maternelles haben eine Lehrerausbildung und sind von der staatlichen Schulbehörde Éducation nationale angestellt, die auch die Lehrpläne festlegt.

Die auf die Maternelle folgende, der deutschen Grundschule entsprechende École élémentaire dauert fünf Jahre. Nach ihrem Abschluss besuchen die Kinder das college, eine vier Jahre dauernde Gesamtschule, und machen dort den Abschluss Brevet des collèges.

Hiernach hat der Jugendliche mehrere Möglichkeiten. Er kann in eine berufsbildende Schule eintreten, die er mit dem Certificat d’aptitude professionelle abschließt; ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland ist sehr wenig verbreitet. Mehrere Schulzweige wie naturwissenschaftlich, wirtschaftlich oder literarisch werden unterschieden. Wer ein Lycée professionnel oder ein Centre de formation d’apprentis besucht, kann nach 13 Schuljahren mit einem Baccalauréat professionnel abschließen.

Die akademische Bildung wird geprägt von der Koexistenz der Grandes ecoles und der Universitäten. Die Grandes écoles haben gegenüber den Universitäz Frankreichs eine höhere Reputation, niedrige Studentenzahlen und hohe persönliche Betreuung. Man kann sie meist erst nach dem Besuch der Classe preparatoire besuchen, die in der Regel von Lycées angeboten wird. Im Zuge der europaweiten Harmonisierung der Studienabschlüsse im Rahmen des Bologna-Prozess wurde auch an französischen Hochschulen das LMD-System eingeführt. LMD bedeutet, dass nacheinander die Licence bzw. Bachelor (nach drei Jahren), der Master (nach fünf Jahren) und das Doktorat (nach acht Jahren) erworben werden können. Die traditionellen nationalen Diplome sollen im Rahmen dieses Prozesses entfallen. Ende 2009 studierten rund 2,25 Millionen Studentinnen und Studenten an französischen Hochschulen.

Die französiche Sprache entwickelte sich aus dem francien, das im Mittelalter in der heutigen Region Ile-de-France gesprochen wurde. Es verbreitete sich etwa in dem Maße, wie die französischen Könige ihr Herrschaftsgebiet ausdehnten. 1539 bestimmte König Franz I, dass die französische Sprache die einzige Sprache seines Königreiches sein solle. Trotzdem sprach im 18. Jahrhundert nur etwa die Hälfte der Untertanen der französischen Könige Französisch Nach der Revolution wurden die Regionalsprachen aktiv bekämpft; erst ein 1951 verabschiedetes Gesetzerlaubte Unterricht in RegionalsprachenAuch heute legt Artikel 2 der Verfassung von 1958 fest, dass die französische Sprache die alleinige Amtssprache Frankreichs ist. Sie ist nicht nur die in Frankreich allgemein gesprochene Sprache, sie ist auch Trägerin der französischen Kultur in der Welt. Die in Frankreich gesprochenen Regionalsprachen drohen aufgrund interner Wanderungen und der fast ausschließlichen Verwendung der französischen Sprache in den elektronischen Medien auszusterben. Unter anderem urteilte der französische Verassungsrat im Jahr 1999, dass Teile der Charta mit der französischen Verfassung unvereinbar seien. Seit 2008 erwähnt die Verfassung in Artikel 75-1 die Regionalsprachen als Kulturerbe Frankreichs.

Anders als z. B. in Italien gibt es in Frankreich keine regionalen Amtssprachen. Auch bei den Ortsnamen spiegeln sich regionale Einflüsse nur bedingt wieder. So sind deutschsprachige Bezeichnungen im Elsass noch sehr weit verbreitet, nicht jedoch in Lothringen. Analog dazu blieben auf Korsika die italienischen Namen auch nach der Angliederung an Frankreich weitestgehend bestehen, dies ist bei den Gebieten auf dem Festland, welche früher mit Italien assoziiert waren, dagegen nicht der Fall. Der Ortsname Nizza kommt zwar aus dem italienischen, vor Ort ist jedoch nur die französische Bezeichnung Nice die offiziell gebräuchliche. Im äußersten Norden Frankreichs, in den Grenzgebieten zu Flandern, gibt es einige niederländische Ortsnamen, wogegen in den Grenzgebieten zu Spanien baskische und katalanische Einflüsse zu erkennen sind.

Um die französische Sprache vor der Vereinnahmung durch Anglizismen zu schützen, wurde 1994 die Loi Toubon verabschiedet. Mit dem Durchführungsdekret von 1996 wurde ein Mechanismus zur Einführung neuer Wörter festgelegt, der von der Délégation générale à la langue française et aux langues de France und der Commission générale de terminologie et de néologie gesteuert wird. Dieses Dekret verpflichtet die Behörden, die im Amtsblatt und im Wörterbuch FranceTerme veröffentlichten Neuschöpfungen zu gebrauchen.

Die Einwanderer verschiedener Nationen, haben ihre Sprachen mitgebracht. Im Unterschied zu den traditionellen Sprachen konzentrieren sich diese Sprechergemeinden besonders in den großen Städten, sind aber keinem bestimmten geographischen Gebiet zuzuordnen.

Frankreich ist offiziell ein Laizistischer Staat, das heißt, Staat und Religionsgemeinschaften sind vollkommen voneinander getrennt. Da von staatlicher Seite keine Daten über die Religionszugehörigkeit der Einwohner erhoben werden, beruhen alle Angaben über die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung auf Schätzungen oder den Angaben der Religionsgemeinschaften selbst und weichen deshalb oft erheblich voneinander ab, weshalb auch die folgenden Zahlen mit Vorsicht zu behandeln sind. In einer Umfrage von Le Monde des religions bezeichneten sich 51 Prozent der Franzosen als katholisch, 31 Prozent erklärten, keiner Religion anzugehören, und etwa 9 Prozent gaben an, Muslime zu sein. Ein Prozent bezeichneten sich als Juden. Dies entspricht auf die Bevölkerungszahl hochgerechnet 32 Millionen Katholiken, 5,7 Millionen Muslimen, 1,9 Millionen Protestanten und 600.000 Juden sowie 20 Millionen Nichtreligiösen. Sechs Prozent machten andere oder keine Angaben. Unter den Katholiken ist laut Umfragen nur ein geringer Teil tatsächlich gläubig und praktizierend, allerdings sind umgekehrt auch Strömungen des katholischen Traditionalismus in Frankreich stark vertreten.

Gemäß aktuellen Umfragen glauben 58 Prozent der Franzosen an einen Gott (andere Umfragen beziffern diesen Anteil noch weitaus niedriger); der Anteil der jungen Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, ist aber seit 1981 von 31 Prozent auf 42 Prozent gestiegenNach einer Studie des PewResearch Center bezeichnet sich nur eine Minderheit von 27 Prozent der Franzosen als „religiös“ und 10 Prozent als „sehr religiös“. Beides sind im weltweiten Vergleich sehr niedrige Werte.

Historisch war Frankreich lange Zeit ein katholisch dominierter Staat. Seit Ludwig XI († 1483) trugen die französischen Könige mit Einverständnis des Papstes den Titel eines roi tres chretien. In der Reformationszeit blieb Frankreich immer mehrheitlich katholisch, auch wenn es starke protestantische Minderheiten gab. Diese mussten aber spätestens nach der Bartholomäusnacht 1572 die Hoffnung auf ein protestantisches Frankreich aufgeben. Als der Protestant Heinrich von Navarra Thronerbe Frankreichs wurde, trat er aus politisch-taktischen Gründen zum katholischen Glauben über („Paris vaut bien une messe“, zu Deutsch „Paris ist eine Messe wert“), garantierte aber gleichzeitig im Edikt von Nantes 1598 den Protestanten Sonderrechte und insbesondere Religionsfreiheit. Das Edikt von Nantes wurde 1685 unter Ludwig XiV. wieder aufgehoben, was trotz schwerster Strafandrohungen zu einer Massenflucht der Hugenotten ins benachbarte protestantische Ausland führte. Erst kurz vor der Französichen Revolution erhielten die Protestanten eine begrenzte Glaubensfreiheit zugestanden. Die Französische Revolution hob dann alle Beschränkungen der Glaubensfreiheit auf. Es kam in den Jahren nach der Revolution in der 1. Französischen Republik zu einer kurzen Phase einer heftigen Kirchenfeindlichkeit, da die katholische Kirche als Vertreterin des ancien régime (alten Regimes) gesehen wurde. Nicht nur die Privilegien der Kirche, sondern sogar der christliche Unter Napoleon kam es mit dem Konkordat von 1801 aber wieder zu einem Ausgleich zwischen katholischer Kirche und Staat. Unter der bourbonischen Restauration nach 1815 gewannen die katholisch-monarchistische Ideen wieder die Oberhand:

In der Dritten Republik ergab sich erneut ein Konflikt zwischen Kirche und Staat, der in das am 9. Dezember 1905 verabschiedete Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat mündete, in dem die strikte Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben wurde. Dies Gesetz gilt jedoch nicht für das damals deutsche Elsass-Lothringen. In diesen heutigen drei Departements gilt nach ihrer Angliederung an Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg nach wie vor die Regelung von 1801. Dies führt dazu, dass die dortigen Priester vom französischen Staat bezahlt werden und es kirchliche Feiertage wie im deutschsprachigen Raum gibt.

Die jüdische Gemeinschaft in Frankreich hat eine wechselhafte Geschichte. Seit der Römerzeit lebten Juden in Frankreich. Sie wurden jedoch in zwei Wellen 1306 unter Philipp IV und 1394 unter Karl VI alle des Landes verwiesen. Über viele Jahrhunderte gab es danach kaum ein jüdisches Leben in Frankreich. Einzige Ausnahme blieben die im 18. und 19. Jahrhundert erworbenen Gebiete im Osten des Landes, insbesondere das Elsass, das lange einen Sonderstatus besaß. Die Französische Revolution gewährte schließlich den Juden die bürgerliche Gleichberechtigung. Frankreich blieb aber bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein Land mit vergleichsweise geringer jüdischer Bevölkerung. Nach dem Ersten, aber vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine starke Zuwanderung aus Osteuropa ein, sodass Frankreich heute das Land Europas mit der größten jüdischen Bevölkerungsgruppe darstellt. Im Zusammenhang mit einer rasant steigenden Judenfeindlichkeit, vornehmlich von Muslimen ausgehend, und der stagnierenden Wirtschaft, gibt es jedes Jahr Tausende von jüdischen Auswanderern. Es wird vermutet, dass zwischen den Jahren 2010 und 2015 mehr als 100.000 Juden das Land verlassen haben, sodass es nur noch ca. 400.000 Juden in Frankreich gibt.

Ebenfalls seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist eine starke Zunahme des Anteils an Muslimen zu verzeichnen, die auf Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonien zurückgeht. Der französische Zentralstaat fördert eine „Gallikanisierung des Islam“; er traut ihm Reformfähigkeit zu und fordert, dass der Islam eine Körperschaft als zentralen Ansprechpartner für den Staat benennt.

Paris ist die Hauptstadt Frankreichs. Mit über 2,2 Millionen Einwohnern ist Paris die fünfgrößte Stadt der EU sowie mit über 12,4 Millionen Menschen nach London die zweitgrößte Metropolregion der EU. Durch seine vergleichsweise kleine Stadtfläche mit nur 105 Quadratkilometern ist Paris durchschnittlich mit rund 22.000 Einwohnern pro Quadratkilometer die am dichtesten besiedelte Großstadt Europas.

Paris ist das überragende politische, wirtschaftliche sowie kulturelle Zentrum des zentralistisch organisierten Frankreichs und mit drei Flughäfen und sechs Kopfbahnhöfen dessen größter Verkehrsknotenpunkt. Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm, Notre-Dame oder der Louvre machen die Stadt zu einem beliebten Touristenziel. Mit rund 16 Millionen ausländischen Touristen pro Jahr ist die Stadt hinter London und Bangkok eine der meistbesuchten Städte weltweit. Der Großraum Paris (Île-de-France) verzeichnet jährlich über 47 Millionen Gäste aus dem In- und Ausland und mehr als 184 Millionen Übernachtungen.

Das heutige Paris entwickelte sich seit dem 3. Jahrhundert aus der keltischen Siedlung „Lutetia“ auf der Ile de la Cite. Später errichteten die Römer an der Seine eine Stadt, die im 6. Jahrhundert zunächst eine Hauptresidenz des Franzöischen Reiches wurde. Eine Blütezeit der Kunst und Kultur erlebte Paris im 16. Jahrhundert unter Franz I. Durch den Absolutismus, insbesondere unter Ludwig XIV im 17. Jahrhundert, wurde die Stadt um zahlreiche barocke Gebäude und Prachtstraßen bereichert und so zu einem beispielhaften Muster für barocken Städtebau. Obwohl die Königsresidenz 1682 nach Verasilles verlegt wurde, blieb sie aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung das Zentrum des Landes. In der Französische Revolution ab 1789 kam ihr eine historische Bedeutung zu. Die Industrialisierung führte im 19. Jahrhundert in Paris zu einem enormen Bevölkerungszuwachs, sodass 1846 erstmals die Grenze von einer Million Einwohner überschritten wurde. In den folgenden Jahrzehnten erfuhr die Stadt durch die sogenannte Belle Epoque und sechs Weltausstellungen weltweite Beachtung. Heute ist sie die Hauptstadt der französischsprachigen und eine der wichtigsten Städte der westlichen Welt

Das Stadtgebiet hat eine Fläche von 105,4 Quadratkilometern. Das entspricht grob der Fläche von Mainz und weniger als 12 % der Fläche Berlin Berlins. Die Stadt liegt im Zentrum des Pariser Beckens durchschnittlich 65 Meter über dem Meeresspiegel. Die Seine tritt, je nach Wasserstand, in 25 Metern Höhe über den Meeresspiegel aus der Stadt aus. Paris ist umgeben von den beiden großen Stadtwäldern die der Bevölkerung als Naherholungsgebiete dienen.

Paris befindet sich in der gemäßigte Klimazone. Die Jahresmitteltemperatur beträgt 10,8 Grad Celsius und die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge 649,6 Millimeter. Der wärmste Monat ist der Juli mit 18,4 Grad Celsius im Mittel, der kälteste der Januar mit durchschnittlich 3,5 Grad Celsius. Der meiste Niederschlag fällt im Monat Mai mit 65,0 Millimetern im Mittel, der wenigste im August mit durchschnittlich 43,0 Millimetern. Seit 1873 finden in Paris regelmäßige meteorologische Messungen statt. Die tiefste bisher festgestellte Temperatur betrug −23,9 Grad Celsius und stammt vom 10. Dezember 1879. Der Hitzerekord beträgt 40,4 Grad Celsius und wurde am 28. Juli 1947 im Parc Montsouris gemessen.

Das Pariser Becken bildet eine große Schichtstufenlandschaft. Schüsselförmig liegen hier die Schichten des Mezozoikums und des Palägens ineinander und sind von der Abtragung zu einer weit gespannten Stufenlandschaft ausgearbeitet worden, deren Stufen sich jeweils nach außen richten.

Nur im östlichen Teil herrschen am Abfall dieser Stufen gegen die Saône-Furche tektonische Bruchlinien vor. Sie bewirken die steilen Abfälle des Plateaus von Langres und der Cote d’Or (bis 636 Meter), die berühmte Weinbaugebiete sind, da sie im Regenschatten der Leeseite größere Sonnenscheindauer haben und zudem noch die Vorteile der Südexposition genießen.

Eine gewisse Ungleichförmigkeit besteht insofern, als die Schichtenfolge im nordöstlichen Teil vollkommener ist als im Westen. Die etwas stärkere Heraushebung des Ostflügels hat auch allgemein größere Höhenunterschiede und eine markantere Herausbildung der Stufen mit sich gebracht. Beckeneinwärts ragt als bedeutende Stufe die der Eozänen-Kalke auf, in deren Innerem die Le de France , das Ballungsgebiet von Paris, eingebettet liegt.

Die Seine verbindet Paris mit Burgund im Landesinneren und mit dem Ärmelkanal Sie war der wichtigste Faktor für die Entstehung und Entwicklung der Stadt, die auf der größten der seinerzeit zahlreichen Seineinseln ihren Ursprung fand. Sie spaltet die Stadt in zwei ungleiche Uferhälften, die nördliche, Handel und Finanzen gewidmete Rive Droite (rechtes Ufer) und die südliche Rive Gauche (linkes Ufer), die mit dem Quartier Latin als Viertel der Intellektuellen angesehen wird und als Wohngegend gefragt ist.

Die Ile de La Cite im Herzen der Stadt wurde in der Antike besiedelt und ist damit der älteste Teil der Hauptstadt. 1584 ließ Heinrich III. drei der westlichen Inselspitze vorgelagerte kleine und sumpfige Inseln untereinander verbinden und gliederte sie der größeren an. Damit wuchs die Fläche im Laufe der Jahrhunderte von ursprünglich 8 auf insgesamt 17 Hektar an. So konnte ein „königlicher“ Platz, die Place Dauphine, mit einer einheitlichen Saumbebauung entstehen und aus dem Verkauf der Häuser das Geld zum Bau einer Brücke beschafft werden, welche die Verbindung zu den beiden Seine-Ufern herstellt. Die Pont Neuf (deutsch „Neue Brücke“) ist heute die älteste der in Paris erhaltenen Brücken.

Auch die Ile Saint-Louis, die kleinere der nebeneinander liegenden Seineinseln, ist eine Zusammenfügung von zwei Inselchen, der Île aux Vaches und der Île Notre Dame. Im Gegensatz zu ihrer großen Schwester, der Cité, blieb sie bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts unbebaut. Im Jahre 1614 beauftragte Ludwig XIII den Bauunternehmer Christophe Marie mit der Erschließung des Geländes. Marie schüttete den Seinearm zu, umfasste die beiden kleinen Inseln mit einer Kaimauer und ließ Brücken zu den Flussufern errichten. Ab etwa 1618 wurde das Gelände zunächst mit Häusern für Handwerker und Kaufleute bebaut, ab 1638 auch mit luxuriösen Stadtpalästen für hohe Würdenträger. Die Bebauung mit geraden Straßen folgte einem festen Grundplan, der noch heute erkennbar ist.

Die frühere Île des Cygnes (Schwaneninsel) wurde 1773 mit dem Champ de Mars, dem Manöverfeld der Militärschule, verbunden. Ihr Name ging auf die Ile aux Cygnes über, einen im Jahr 1825 künstlich in der Seine angelegten Damm, auf dem unter anderem eine Kopie der Freiheitsstatue steht.

Paris wurde im Jahre 1790 Verwaltungssitz des Departement Seine mit der Ordnungsnummer 75 und ist seit der Neugliederung der Départements der Ile de France im Jahre 1968 gleichzeitig Stadt und Département. Abgesehen von der geografischen Gliederung in Rive Droite, Rive Gauche und „Inseln“ ist Paris in Stadtbezirke abgekürzt Arrdt.) und Viertel unterteilt.

Die 20 nummerierten Stadtbezirke tragen die Postleitzahlen 75001 bis 75020 und durchziehen Paris spiralförmig von innen nach außen. Die Spirale beginnt im historischen Stadtkern, der Gegend um den Louvre, das Palais Royal und das Forum des Halles, und endet nach zweieinviertel im Uhrzeigersinn verlaufenden Umdrehungen im Osten der Stadt, dem Arrondissement Pere Lachaise. Jedem Arrondissement steht ein Bürgermeister (maire d’arrondissement) vor, der im Bürgermeisteramt seines Bezirkes (mairie d’arrondissement) residiert. Jeder Bezirk untergliedert sich seinerseits in Viertel, französisch Quartiers.

Der antike Name der Stadt war Lutetia (auch: Lutezia). Lutetia entwickelte sich seit Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. aus der keltische Siedlung Lutetia des Stammes der Parisii auf der Seine-Insel, die heute Ile de la Cite heißt.

Als die Römer sich im Jahr 52 v. Chr. nach einem ersten gescheiterten Anmarsch zum zweiten Mal der Stadt näherten, zündeten die Parisii Lutetia an und zerstörten die Brücken, bevor sie in Stellung gingen. Die siegreichen Römer überließen ihnen die Insel und bauten auf dem linken Ufer der Seine in dominanter Lage auf dem später Montagne Sainte-Genevieve genannten Hügel eine neue römische Stadt auf. Dort entstanden Thermen, ein Forum und ein Amphitheater. Die Stadt wurde im römischen Reich als Civitas Parisiorum oder Parisia bekannt, blieb aber im besetzten Gallien zunächst recht unbedeutend.

Während der Hugenottenkriege zwischen 1562 und 1598 blieb die Stadt in katholischem Besitz. In der Bartholomäusnacht am 24. August 1572 wurden in Paris tausende Hugenotten ermordet. Auf Veranlassung Ludwig XIV (1638–1715) sind Straßenbeleuchtungen angebracht, die Wasserversorgung modernisiert und die Krankenhäuser Invalide und Salpetriere erbaut worden. Die Residenz des Königs wurde nach Versailles verlegt. Dennoch blieb Paris das politische Zentrum Frankreichs, was auf seine hohe Bevölkerungszahl und seine führende wirtschaftliche Rolle im Land zurückzuführen war.

Als im Jahre 1789 die Französische Revolution ausbrach, war es die Bevölkerung von Paris, die den Weg zur Abschaffung der Monarchie und zur Einführung der ersten französischen Republik ebnete. 1844 wurde zu Verteidigungszwecken eine neue Stadtbefestigung errichtet. Diese hatte eine Länge von 39 Kilometern und war mit ihren 94 Bastionen und 16 Forts die größte Befestigungsanlage der Welt.

Paris war in den Jahren 1855, 1867, 1878, 1889, 1900 und 1937 Veranstaltungsort von sechs Weltausstellungen, welche die kulturelle und politische Bedeutung der Stadt unterstrichen. Der katastrophale Verlauf des Krieges von 1870/71 brachte das Ende des 2. Kaiserreiches Nach der Belagerung durch deutsche Truppen kapitulierte die Hauptstadt, worauf sich im Frühjahr 1871 die Pariser Kommune bildete. Sie bestand aus Arbeitern, Handwerkern und Kleinbürgern und revoltierte gegen die konservative provisorische Regierung der Republik. Paris erlebte zur Zeit der Dritten Republik vor 1914 eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit in der Belle Epoque.

1900 war Paris Austragungsort der II und 1924 der VIII. Olympischen Spielen der Neuzeit. 1921 erreichte Paris mit knapp drei Millionen die bis dahin höchste Einwohnerzahl seiner Geschichte. Der städtische Wohnungsbau konnte mit der Nachfrage nicht mehr Schritt halten.

Ab etwa 1925 begann in Frankreich eine innenpolitisch instabile Phase. Es gab schnell wechselnde Regierungen. Dazu trug auch die Weltwirtschaftskrise bei. Sie begann in vielen Ländern im Winter 1929 und in Frankreich verzögert 1931. Am 6. Februar 1934 kam es in Paris zu einer großen antiparlamentarischen Straßenschlacht, an der die faschistische Bewegung maßgeblich beteiligt war. Nach dem Rücktritt von Eduard Daladier (1934) bildete Gaston Doumergue eine Regierung der nationalen Einheit (frz. Union Nationale) ohne Kommunisten und Sozialisten. Am 26. April und 3. Mai 1936 konnten die Parlamentswahlen von der neu gebildeten Volksfront aus Sozialisten, Kommunisten und Radikalsozialisten mit der Parole «Brot, Frieden, Freiheit» gewonnen werden. Der Sozialist Leon Blum wurde 1936/37 und 1938 Ministerpräsident. Sein Nachfolger wurde zweimal der Radikalsozialist Eduard Daladier.

Während des 2. Weltkrieges kam es im Juni 1940 zur Schlacht um Frankreich nachdem die Briten während der Schlacht von Dünkirchen das Festland geräumt hatten. Vor den auf Paris anrückenden deutschen Truppen zog sich die französiche Regierung über Tours nach Bordeaux zurück. Auch Tausende Einwohner flüchteten aus Paris. Nachdem dem Armeeoberkommando 18 unter Generaloberst Georg von Küchler durch einen Unterhändler die Räumung der Stadt durch die 7. Französische Armee zugesichert worden war, zogen Wehrmachtsverbände am 14. Juni kampflos in das menschenleer wirkende Paris ein. Mit der Einnahme von Paris waren keine strategischen Ziele verbunden. 1943/44 unterhielt die Kriegsmarine ein Marinelazarett in der Stadt. Von größeren Zerstörungen blieb die Stadt verschont. Bis zur Befreiung am 25.8.1944 war Paris von der deutschen Wehrmacht besetzt. Der deutsche Stadtkommandant von Paris, General Dietrich von Choltitz (1894–1966), kapitulierte an diesem Tag und verweigerte damit einen Befehl Hitlers, Paris zu verteidigen oder „nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen“ zu lassen.

Gewaltsame Auseinandersetzungen um den Algerienkrieg erschütterten Anfang der 1960er Jahre auch Paris. Sowohl die rechtsextreme OAS als auch die Unabhängigkeitsbewegung FLN terrorisierten die Stadt mit Bombenanschlägen und Angriffen auf Polizisten und öffentliche Einrichtungen. Am 17. Oktober 1961 wollten rund 30.000 Menschen friedlich für die Unabhängigkeit Algeriens demonstrieren. Im Massaker von Paris schlug die Polizei diese Demonstration gewaltsam nieder; mindestens 150 Demonstranten wurden getötet. Während der Mai-Unruhen erlebte die Stadt Studentenrevolten und Massenstreiks.

Die Vororte von Paris waren Ausgangspunkt und Zentrum der Unruhen in Frankreich 2005 während denen es zu zahlreichen gewalttätigen Ausschreitungen von zumeist jugendlichen Einwanderern kam.

Bei einer Anschlagserie am 13.11.2015 an sechs Orten in Paris und Saint-Denis mit Geiselnahmen in der Konzerthalle Bataclan, Sprengstoffanschlägen um das Fußballstadion Stade de France, in dem gerade ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland vor 80.000 Besuchern stattfand und der Staatspräsident Hollande anwesend war, und mehreren Schießereien starben weit über hundert Menschen.

Trotz aller Bemühungen, die wohnräumliche Situation in Paris quantitativ nachhaltig zu verbessern, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem die Nachfrage nach höherer Wohnqualität zu einem zentralen Thema bei der Suche nach Raum. Neue Leitsätze der Stadtentwicklung wurden 1933 anlässlich des internationalen Kongresses für neues Bauen in der Charta von Athen formuliert, die den Forderungen nach Raum, Licht und den Prinzipien einer funktionalen Stadt Rechnung tragen. Gerade der Wunsch nach funktionaler Aufteilung des Stadtraums in Wohnen, Arbeiten und Erholung und deren autogerechte Verbindung war nachhaltig für spätere Entwicklungen in ganz Europa. Federführend bei der Anwendung dieser Prinzipien war der Schweizer Architekt Le Corbusier, der mit dem sogenannten "Plan Voisin" radikale Ideen für Paris entwickelt hat. Seine Vision sah vor, neuen und qualitativ hochwertigen Raum durch eine "Auflockerung" der bestehenden Stadt zu schaffen – durch Flächenabriss bei gleichzeitiger Verdichtung durch den Bau von achtzehn 60-geschossigen Hochhäusern nördlich des Louvre. Doch wurden diese Planspiele niemals umgesetzt und sollten wohl schon damals einen eher anschaulichen Charakter haben. Paris erlebte das Ende des Zweiten Weltkriegs ohne größere Zerstörungen. Der wirtschaftliche Wiederaufbau in der Nachkriegszeit barg nun die Möglichkeit, die Wünsche nach Entflechtung von Arbeiten und Wohnen sowie einer autogerechten Moderne im großen Maßstab umzusetzen. Zudem begann Paris durch Zuwanderung auch aus den ehemaligen Kolonien stark zu wachsen, so dass die Suche nach Raum erneut Priorität der Stadtplanung wurde. 1969 wurden mit Cergy-Pontoise und Evry die ersten sogenannten "villes nouvelles" entwickelt und gebaut, außerhalb liegende Satellitenstädte, ganz im Sinne der Prinzipien der Charta von Athen von 1933. Die Projekte waren während der Amtszeit von Präsident Charles De Gaulle (1959-1969) vorbereitet worden. Sie sollen jenseits der Stadtgrenzen für ein geplantes Wachstum sorgen, das man auf insgesamt 15 Millionen Einwohner im Jahr 2000 schätzte. Es wurden mit 12 Millionen etwas weniger, doch die beiden Städte zählen heute zu den attraktiven Subzentren vor den Toren der Stadt mit eigenem Arbeitsmarkt und wachsender Einwohnerzahl. Die Strategie, Raum außerhalb der Stadt zu suchen, änderte sich in den 1970er Jahren hin zu einer nunmehr gezielten Verdichtung der Innenstadt durch Abriss und Neubau. Quartiere wie das Beaugrenelle mit seinen Hochhäusern direkt am Seineufer oder der Tour Montparnasse zeugen davon. Unter Staatspräsident Georges Pompidou (1969-1974) verdeutlichten der Bau des unterirdischen Shoppingcenters Les Halles oder des in seiner Form einzigartigen Kulturzentrums Centre Pompidou eine Neuorientierung, weg vom Primat der Schaffung privaten Wohnraums hin zur Schaffung öffentlichen Raums. Ein Abflachen des Wachstums der Pariser Stadtbevölkerung zu Beginn der 1980er Jahre und die einsetzende Rückbesinnung auf die Tradition der Stadt führten vermehrt zu der Frage nach der architektonischen Qualität des gebauten Raums. Die Postmoderne erlebte gerade in den Satellitenstädten auf ihrer Suche nach Raum und urbaner Identität eine spektakuläre Umsetzung. In Noisy le Grand, einem gesichtslosen Vorort östlich von Paris, entstanden im Geiste der Zeit beispielsweise palastartige Sozialwohnungsbauten mit so klangvollen Namen wie "Palacio d’Abraxas" von Ricardo Bofill. Zitate von Säulen und Rundbögen bilden den Rahmen eines schönen, neuen Alltages nach Wunsch der Planer. Nun mischte sich auch die Politik in die stadtkulturelle Diskussion ein und entwickelte Paris unter dem sozialistischen Präsidenten François Mitterrand (1981-1995) mit den unterschiedlichsten Projekten auf Staatskosten weiter. Mit dem Bau der Opera Bastille und dem Umbau des Louvre mit der bekannten Pyramide knüpfte der Sozialist Mitterrand an die Tradition der Herrscher Frankreichs an, sich bleibende Denkmäler zu setzen. Indes blieb zum Ende des 20. Jahrhunderts die Suche nach Raum auf die letzten infrastrukturell genutzten Flächen der Innenstadt begrenzt, beispielsweise durch die Auslagerung des Güterbahnhofs Gare d’Austerlitz. Nach den Kahlschlägen vergangener Jahrzehnte kam es nun zu einer behutsamen strategischen Verdichtung der Innenstadt. Anschaulich wird dies zum Beispiel durch den Bau einzelner, architektonisch hochwertiger Kultureinrichtungen wie dem Institut du Monde Arabe anstelle von flächendeckenden Großbauten. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind steigender Wohnraumbedarf pro Einwohner, eine Internationalisierung der Wohnortwahl, Städtekonkurrenz auch innerhalb Frankreichs durch zunehmende Dezentralisierung, moderne Infrastruktur und hohe Wohnkosten neue Faktoren bei der Suche nach Raum. Explodierende Miet- und Wohneigentumspreise bestimmen diese Suche mehr und mehr – soziale Segregation oder Verdrängung durch Gentrifizierung sind die direkte Folge dieser Entwicklung. Das Verschieben ärmerer Bevölkerungsschichten in sozial schwache Stadtteile oder direkt in die Vororte (Banlieues) prägen heute große Teile des Stadtselbstverständnisses. Die Ausbildung von Ghettos ist gerade in Paris durch eine Fehlentwicklung der sozialen Durchmischung ein großes Problem. Im Gegenzug wächst die Bedeutung der Stadt als Wirtschafts- und Kulturraum stärker ins Bewusstsein der Bewohner. Denn trotz aller Dezentralisierungstendenzen ist Paris nach wie vor das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Frankreichs. Großprojekte wie der Bau der Philharmonie von Paris oder der Umbau von Les Halles stärken diese Position. Konsequenterweise ist es meistens auch die Stadtverwaltung von Paris, die diese Projekte initiiert und zusammen mit regionalen Partnern umsetzt. Paris ist in seinem Wachstum bis heute durch ein sehr restriktives Stadtverständnis blockiert, das sich in klarer Abgrenzung zu den weniger urbanen Vororten auf das Gebiet innerhalb des letzten Stadtmauerrings (intra muros) von 1844 beschränkt. Nun deutet sich bei der Suche nach Raum stadtplanerisch eine neue Strategie an: Die Suche soll künftig über die Stadtgrenzen hinausgehen. Seit Jahren schon forciert die Stadt konsequent die Überbauung der Pariser Ringautobahn "Périphérique", um erste räumliche Verbindungen zu den Vororten der "Petite Couronne" zu bilden, dem Ring der direkt an die Pariser Verwaltungsgrenze anliegenden Departements.

Politisch unterstützt wurde diese Ausdehnung von Nicolas Sarkozy während seiner Amtszeit als Staatspräsident. Als bleibendes Zeugnis seiner Präsidentschaft initiierte er 2007 einen internationalen Architekturwettbewerb, der Strategien entwickeln soll, wie das Ballungsgebiet für 15 Millionen Menschen in Zukunft aussehen soll. Zehn namhafte Büros wurden beauftragt, Vorschläge zu entwickeln mit Themenschwerpunkten wie zukunftsweisende Mobilität, urbane Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit sowie die Verschmelzung mit der Peripherie. Paris versucht zwar, sich räumlich unter Berücksichtigung der eigenen Identität neu zu erfinden. Die Suche nach Raum ist jedoch eine globalisierte Idee geworden. Antworten könnten auch übertragbar sein auf Städte wie Tokyo oder New York.

Die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs wurden 2009 der Öffentlichkeit präsentiert und faszinieren mit einer Reihe von unterschiedlichen Ansätzen: Das Team um den Architekten Christian de Portzamparc entwickelt die Infrastruktur durch den Bau eines neuen Megabahnhofes im Norden der Stadt und überspannt die Stadtautobahn mit einer eleganten Schwebebahn mit dem Ziel, alle einzelnen Subzentren effektiv miteinander zu verbinden – ein Paris der kurzen Wege.

Der Architekt Castro will die Schönheit des alten Paris auf die Vororte übertragen und wartet mit begrünten Hochhäusern und einer Oper im Hafen von Gennevilliers auf. Im Ganzen zitiert er das Bild einer Blüte mit Blütenblättern als Entwicklungszonen.

Jean Nouvel setzt auf ein "Weiterentwickeln" des Bestandes durch Aufstockung und Durchgrünung bis hin zu einer neu interpretierten Hochhauskultur in der dünner besiedelten Peripherie, bei der Natur, Wohnen und Kultur Einzug halten.

Das niederländische Büro MVRDV sieht im Gegensatz zur Gründung neuer Subzentren eine Weiterentwicklung des zentralen Paris vor, durch intelligente Verdichtung, kombiniert mit Wind- und Solarparks.

Am weitesten geht das Team um den französischen Architekten Antoine Grumbach, der eine Anbindung von Paris an das Meer über eine Entwicklung des Seinelaufs bis zur Mündung in Le Havre als Ausdehnungsachse der Stadt vorsieht.

Alle Ideen werden in dem 2010 gegründeten "Atelier internationale du Grand Paris" gebündelt, das in Zusammenarbeit mit allen Verantwortlichen eine globale Vision entwickeln soll. Entschieden scheint bis heute lediglich der Bau einer neuen Verkehrsinfrastruktur, dem "Grand Paris Express". Die Planungen haben natürlich auch viele Kritiker auf den Plan gerufen, die aus Sorge vor einem Identitätsverlust in den teilweise weit reichenden Entwürfen der Architekten nichts Geringeres als den endgültigen Untergang des heutigen Paris sehen. Objektiv betrachtet geht es bei der Diskussion aber weniger um das ob, sondern eher darum, wann und wie ein Konzept für "Le Grand Paris" umgesetzt wird. Anfänglich auf das Zentrum begrenzt, wagt die Stadt bei ihrer Suche nach Raum im 21. Jahrhundert den Sprung ins Umland. Gewissermaßen ist dies das Resultat des spezifischen Entwicklungsstaus des intra muros gelegenen Paris. Die Verschiebung der Raumsuche in den Großraum birgt gleichzeitig auch die Chance, die Stadt neu zu entdecken. Diesmal durch eine nach innen gewandte Suche, einer Suche nach differenziertem Raum in der Beliebigkeit der heutigen Zeit. Mit dem gigantischen Projekt des Grand Paris erfährt die ewige Suche nach Raum eine neue Dimension. Sie passt sich den Bedürfnissen der Menschen und der Zeit an und wird das Gesicht der Stadt einmal mehr verändern. Wie tiefgreifend der Wandel sein wird, ist schwer vorauszusagen. Sicher ist jedoch, dass er lange dauern wird. Und: schon jetzt fehlt es an Geld und vielleicht auch am politischen Willen.

Paris zieht seit Jahrhunderten Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen an, sei es wegen politischer Verfolgung, aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen der kulturellen Anziehungskraft der Stadt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zogen vor allem Italiener und osteuropäische Juden in die Stadt. Schon in der Zwischenkriegszeit, v. a. aber nach dem w. Welrkrieg, kamen zahlreiche Gastarbeiter aus Süd- und Osteuropa nach Frankreich und viele von ihnen ließen sich dort nieder, vor allem im Umland von Paris; so führten oft Spanier und Portugiesen den Haushalt der reichen Pariser Familien. Die jüngste und größte Einwanderungswelle stammte aus den ehemaligen französischen Kolonien, etwa von den Antillen, de, Maghreb und Schwarzafrika, aber auch aus Indochina. Vor allem die traditionellen Arbeiterviertel im Osten der Stadt waren Anziehungspunkte von Einwanderern, etwa Belleville, außerdem das 10, , das über ein tamilisch-indisch geprägtes Viertel verfügt, das 11 und das 13. Arrondissemnt, das heute mit der größten Chinatown Europas ostasiatisch geprägt ist. Zwischen dem überwiegend wohlhabenden und weißen Vierteln im Stadtzentrum und im Westen und den multikulturellen Randgebieten im Osten besteht dabei ein deutlicher Unterschied. Durch die erwähnte Gentrifizierung innerhalb der Stadtgrenzen werden zunehmend ärmere Haushalte und Mieter, oft Einwanderer, aus der Stadt heraus gedrängt. In den Vororten von Paris ist der Anteil der nicht-europäischen Einwanderer weit höher, vor allem in den nördlichen und östlichen, wo Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Probleme verbreitet sind; es besteht ein Trend zur Segragation und Ghettobildung. Da Frankreich die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit seiner Bewohner nicht statistisch erfasst, gibt es wenig genaue Daten zur ethnischen Zusammensetzung der Pariser Bevölkerung. In Paris selbst liegt der Anteil der Jugendlichen unter 18 Jahren mit Migrationshintergrund (mindestens ein Elternteil nicht in Frankreich geboren) bei 41 %, davon hat mehr als die Hälfte Wurzeln außerhalb Europas. In der Region Île-de-France liegt er bei 37 %, in einigen Vororten bei über 50 %. Insgesamt sind nach einer Erhebung aus dem Jahr 2006 17 % der Bewohner der Region Île-de-France Einwanderer, 35 % haben einen Migrationshintergrund

Der Großteil der Banlieues in Frankreich entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, als massive Wohnungsnot zum Bau neuer Hochhaussiedlungen (Grands Ensembles bzw. cités) in die Nähe der Industriestandorte führte. Sollte die moderne Architektur der Großwohnsiedlungen ursprünglich Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs und eines neuen Lebensstils sein, so verlor sie jedoch schnell an Attraktivität. Infrastrukturelle Mängel infolge einer strikten Trennung von Wohnen und Arbeiten sowie bauliche Missstände wurden schnell sichtbar. Wer es sich leisten konnte, zog in die Einfamilienhausgebiete im suburbanen Raum oder in die Innenstadt. Größtenteils bezogen Einwanderer insbesondere aus den ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika die leer stehenden Wohnungen. In den 1970er Jahren führten Wirtschaftskrise und Desindustrialisierung zu hoher Arbeitslosigkeit unter den Vorstadtbewohnern. So entwickelten sich die Banlieues rasch zu einem Auffangbecken für die sogenannte Problembevölkerung. Sozialräumliche Ausgrenzung, infrastrukturelle Mängel und politische Vernachlässigung bilden seither eine explosive Mischung, die sich regelmäßig in kollektiver Gewalt entlädt. Die Debatte über die Lebensumstände in den Banlieues begann mit den ersten offiziell registrierten Unruhen im Sommer 1981. In Folge einer Verfolgungsjagd zwischen Jugendlichen und der Polizei in einem Vorort von Lyon waren mehrere hundert Fahrzeuge in der Umgebung von Lyon, Paris und Marseille in Brand gesetzt worden. Seither sind Ausschreitungen in den Banlieues zu einem chronischen Phänomen in Frankreich geworden. Im Herbst 2005 erreichten die Unruhen schließlich ein Ausmaß, das in seiner Dauer und geographischer Ausbreitung selbst Experten überraschte. Zwischen dem 27. Oktober und dem 17. November 2005 lieferten sich jugendliche Vorstadtbewohner in ganz Frankreich Straßenschlachten mit der Polizei. Im Verlauf brannten mehr als 10.000 Fahrzeuge. Hunderte öffentliche Gebäude wurden zerstört, darunter Schulen, Kindergärten, Sporthallen, Postämter, Rathäuser und Polizeidienststellen. Auslöser der Gewalt war der Tod zweier Jugendlicher mit maghrebinischem Migrationshintergrund, die in einem Trafohäuschen Zuflucht vor einer Polizeikontrolle gesucht hatten und an einem Stromschlag starben. Am 8. November ließ die Regierung erstmals seit dem Algerienkrieg den Ausnahmezustand ausrufen, der bis Januar 2006 anhielt. Die Reaktionen der Regierenden wurden vielfach kritisiert, insbesondere die Äußerungen des damaligen Innenministers Nicolas Sarkozy, der gleich zu Beginn der Unruhen Öl ins Feuer goss, indem er die Jugendlichen als "Abschaum" abstempelte und ankündigte, die Vororte mit einem "Hochdruckreiniger" säubern zu wollen. Seit 2005 hat es viele weitere Ausschreitungen in Frankreich gegeben, die jedoch kein vergleichbares Ausmaß erlangt haben. Gleichwohl zeugen die Ausschreitungen der letzten Jahre, beispielsweise 2007 in Villier-le-Bel, 2010 in Grenoble oder zuletzt 2012 in Amiens, von einer sehr viel höheren Gewaltbereitschaft der Jugendlichen. Die Erklärungsansätze in Wissenschaft und Politik für die Ursachen der Unruhen sind vielfältig: sie reichen von einer sich verschärfenden sozialräumlichen Ausgrenzung, einer Krise des republikanischen Integrationsmodells, einer postkolonialen Krise, mangelhafter Stadtpolitik, extremer Repression durch die Polizei über eine zunehmende Islamisierung und Kriminalität unter Jugendlichen bis hin zu negativem Einfluss der Medien.

Die Konzentration sozioökonomischer und städtebaulicher Probleme bleibt trotz massiver staatlicher Maßnahmen charakteristisch für die Situation der Banlieues, in denen knapp fünf Millionen Franzosen leben. Neben einer defizitären Ausstattung des Wohnumfeldes, einer schlechten Anbindung an die Innenstädte und desolaten Wohnverhältnissen liegen auch viele andere soziale Indikatoren seit Jahren deutlich unter dem nationalen Durchschnitt. Laut dem letzen Bericht der Nationalen Beobachtungsstelle kritischer Stadtteile (Rapport ONZUS 2011) war die Arbeitslosenquote in den von der Politik als Problemgebiete ausgewiesenen Vierteln (Zones urbaines sensibles - ZUS) im Jahr 2010 mit 20,9 Prozent doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosenquote lag im selben Jahr bei 41,7 Prozent (23,2 Prozent im nationalen Durchschnitt). Ein Drittel der Bevölkerung lebte 2009 unter der Armutsgrenze und auch das Bildungsniveau liegt deutlich unter dem nationalen Level. 53 Prozent der beschäftigten Jugendlichen besaßen im Jahr 2010 nur den niedrigsten Schulabschluss. Die Stigmatisierung der Banlieue als 'sozialer Brennpunkt’ oder 'Ghetto’ hat darüber hinaus dazu geführt, dass die räumliche Konzentration sozialer Probleme selbst zur Ursache für Ausgrenzung und Benachteiligung geworden ist. So haben viele Studien gezeigt, dass die Bewohner der Problemgebiete aufgrund ihres Wohnortes beim Eintritt in das Berufsleben sowie bei der Wohnungssuche außerhalb der Problemviertel diskriminiert werden. Diese Diskriminierungen betreffen in besonderem Maße Migranten, die mehr als die Hälfte aller Vorstadtbewohner stellen. Aufgrund des hohen Migrantenanteils und weil an den Ausschreitungen vor allem maghrebinische Einwanderer der zweiten Generation beteiligt waren, sind die Vororte auch zu einem Synonym für gescheiterte Integration geworden. Nach den Unruhen von 2005 standen das französische Integrationsmodell und sein republikanischer Gleichheitsanspruch überall zur Debatte. Das Integrationsversprechen Frankreichs besteht darin, die Gleichheit aller französischen Bürger im Staatsbürgerschaftsrecht und den staatlichen Institutionen zu garantieren – unabhängig von sozialen, religiösen, ethnischen oder territorialen Unterschieden. Angesichts der Diskriminierungen, Stigmatisierung und sozialräumlichen Ausgrenzung in den Banlieues kann der Staat dieses Versprechen jedoch nicht einlösen. Frustration und Aggression erscheinen als logische Konsequenz der Diskrepanz zwischen den versprochenen Werten und der täglich erlebten Ausgrenzung. Dies erklärt auch, warum sich die Gewalt der Jugendlichen bei den Ausschreitungen insbesondere gegen staatliche Institutionen wie Schule oder Polizei richtet. Hinzu kommt, dass neben der generellen Stigmatisierung auch eine Ethnisierung des Banlieue-Diskurses stattfindet. Dabei wird die Krise der Vorstädte in der Öffentlichkeit oft auf die ethnische Herkunft oder Religiosität der Bewohner und damit verbundene Problemlagen zurückgeführt, so dass das soziale Stigma vom ethnischen nicht mehr zu trennen ist. Konsequenz dieser doppelten Stigmatisierung sind wiederum weitere Diskriminierungen, Rassismus, aber auch das Erstarken islamischer Subkulturen. Neben der sozialräumlichen und ethnisch-religiösen Ausgrenzung sind die Banlieues auch von politischen Entfremdungsprozessen betroffen. Die Wahlbeteiligung ist trotz steigender Tendenz seit Jahren sehr gering. Die Gründung des Bürgerrechtskollektiv ACLEFEU (der Name bedeutet so viel wie "Genug vom Feuer") nach den Unruhen von 2005 und das Schreiben von Beschwerdebriefen an die Regierung verdeutlichen die Unzufriedenheit der Bewohner mit ihrem mangelnden Einfluss und der unzureichenden politischen Aufmerksamkeit für ihre Probleme. Mit dem Niedergang der gesellschaftlichen Bedeutung der Industriearbeiterschaft und ihrer gewerkschaftlichen Organisation, hoher Arbeitslosigkeit und ethnischer Vielfalt haben die Banlieues zudem an sozialem Zusammenhalt verloren, was eine gemeinsame Interessenartikulation und -durchsetzung erschwert.

Das staatliche Vorgehen in den Banlieues wird von zwei Hauptpolitiken geprägt: der Stadtpolitik und der Sicherheitspolitik. Die Stadtpolitik wurde Anfang der 1980er Jahre als Reaktion auf die ersten Unruhen etabliert, es existiert ein entsprechendes Ministerium. Ihr Ziel ist nicht nur die Sanierung der mittlerweile 751 Problemgebiete sondern auch die Verbesserung der schulischen, sozialen und kulturellen Versorgung, Kriminalitätsbekämpfung sowie die Stärkung lokaler Ökonomien. So soll beispielsweise die Ansiedlung von Unternehmen durch Steuererleichterungen gefördert werden. Zusätzliche finanzielle Mittel und eine spezielle Lehrerausbildung sollen zur Verbesserung des Bildungssystems beitragen. Im Jahr 2008 wurde zudem vom damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy ein "Marshall-Plan" mit dem Titel Espoir Banlieue initiiert, dessen Hauptziel die Etablierung von Chancengleichheit und die Verringerung struktureller Unterschiede zwischen den Vierteln ist. Die anhaltenden Unruhen und die aktuelle soziale Situation verdeutlichen jedoch, dass die bisherigen Maßnahmen keine Lösung für die komplexen gesellschaftlichen Problemlagen bieten. Insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus bleibt die Stadtpolitik machtlos angesichts der Unmöglichkeit einer expliziten Minderheitenförderung aufgrund des republikanischen Gleichheitsprinzips. Die Stigmatisierung der Banlieue als desorganisierter krimineller Raum sowie die tatsächliche Zunahme von Kriminalität und Gewalt haben zudem zur Etablierung einer umfangreichen Sicherheitspolitik mit speziellen Polizeieinheiten für städtische Gewalt geführt. Die konkreten Zielsetzungen dieser Politik variieren je nach Regierung. Während die linken Regierungen ihren Fokus auf eine Polizeistrategie der Nähe setzten, etablierten die rechten Regierungen eine Politik des law and order mit einer extremen Präsenz von Sicherheitskräften. Exemplarisch sind hier die repressiven Maßnahmen Nicolas Sarkozys nach den Unruhen von 2005. Das Resultat ist jedoch kein Rückgang der Gewalt sondern vielmehr ein extrem konfliktbelastetes Verhältnis zwischen Polizei und Jugendlichen, welches nach Meinung vieler Experten Unruhen provoziert. Im August 2012 hat die französische Regierung ein neues Sicherheitskonzept vorgestellt, welches die Schaffung von jährlich 500 zusätzlichen Stellen bei der Polizei ebenso vorsieht wie die Einrichtung von 15 prioritären Sicherheitszonen in den sozialen Brennpunkten ausgewählter Städte. Ob diese Maßnahmen greifen, bleibt abzuwarten. Einer weiteren Stigmatisierung der Banlieue wirken sie jedenfalls nicht entgegen..

Etwa 65 % der Einwohner sind getauft, rund 60 % bekennen sich zum römisch-katholischen Glauben, die meisten praktizieren den lateinischen Ritus, einige wenige auch den armenischen und ukrainischen Ritus. Der Erzbischof von Paris ist auch für die Katholiken der östlichen Riten zuständig. Insgesamt gibt es in Paris innerhalb der politischen Grenzen der Stadt 94 katholische Gemeinden, des Weiteren 73 protestantische Kirchen der verschiedensten Konfessionen. Nur knapp 12 % der Christen und etwa 15 % der Juden sind praktizierende Gläubige.Die Stadtregierung wird seit 1977 durch einen vom Stadtrat gewählten Bürgermeister geführt. Da die Stadt Paris gleichzeitig das Department Paris bildet, nimmt der Bürgermeister auch die Funktionen des Präsidenten des Generalrats wahr.

Bürgermeisterin ist seit dem 5. April 2014 Anne Hidalgo von der PS. Ihr Vorgänger Bertrand Delanoe (PS) war 2001 der erste linke Politiker, der in das Rathaus der Hauptstadt einzog.

Der erste Bürgermeister der Hauptstadt Jean Bailly wurde am 15. Juli 1789 von der während der Französischen Revolution gebildeten Pariser Selbstverwaltung eingesetzt. Da die Kommune an der diktatorisch organisierten Schreckensherrschaft (La Terreur) beteiligt war, wurde sie 1794 von zwölf getrennten und dezentralisierten Gemeindeverwaltungen ersetzt. Der Staat übernahm die Kontrolle über die Stadt und schuf das Amt des Präfekten der Seine (Préfet de la Seine). Während der Bürgerlichen Revolution von 1848 und der Pariser Kommune von 1870/1871 regierte für wenige Monate ein Bürgermeister die Stadt.

Am 20. März 1977 wurde Jacques Chirac der erste frei gewählte Bürgermeister von Paris. Die bis dahin einem von der Regierung ernannten Präfekten unterstehende Hauptstadt erhielt den gleichen Status wie alle übrigen Gemeinden in Frankreich. Eine Ausnahme bildet die Polizei, die weiterhin dem Polizeipräfekten untersteht. Ein Gesetz von 1982 etablierte dann die Ratsversammlungen der arrondissements. Diese sind beratende Organe, die über begrenzte Befugnisse verfügen. Der Gemeinderat (Conseil de Paris) und der Bürgermeister (Maire de Paris) werden jeweils für sechs Jahre gewählt. Die nächste Wahl findet im Jahr 2020 statt.

Der Pariser Stadtrat besteht aus 163 Mitgliedern. Er bildet gleichzeitig den Generalrat des Départements Paris. Die Wahlen zum Stadtrat finden alle sechs Jahre im Rahmen der französischen Kommunalwahlen statt. Gewählt wird dabei getrennt nach Arrandissements, wobei jedes Arrondissement eine festgelegte Zahl an Stadträten wählt.In Form einer Städtepartnerschaft ist Paris seit 1956 mit Rom mit einer einzigen Stadt weltweit verbunden.

Darüber hinaus unterhält Paris mit folgenden Städten sogenannte Freundschafts- und Kooperationsabkommen. In Klammern das Jahr der Etablierung.

Frankreich erscheint in Tourismus-Statistiken als das meistbesuchte Land der Erde. Die französische Hauptstadt beherbergt eine Vielzahl sehenswerter kirchlicher und weltlicher Bauwerke, Straßen, Plätze und Parks, etwa 160 Museen, rund 200 Kunstgalerien, circa 100 Theater, über 650 Kinos und mehr als 10.000 Restaurants. Das Angebot an kulturellen Veranstaltungen ist mit zahlreichen Konzerten, Ausstellungen, Musik- und Filmfestivals, Modenschauen sowie der Austragung sportlicher Wettbewerbe reichhaltig.

Im ersten Halbjahr 2016 sanken die Besucherzahlen wichtiger Museen in Paris aus verschiedenen Gründen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. 2015 waren die 15 meistbesuchten Museen und museale Monumente von mehr als einer Million Menschen besucht worden, der Louvre hatte über 8 Millionen Besucher.

Der Ursprung der Sammlung geht auf das 14. Jahrhundert zurück. Damals häufte der Herzog Jean de Berry (1340–1415), ein Bruder Karls V., eine Sammlung von Gemälden, Tapisserien und Buchmalereien an, von denen einige noch in der heutigen Ausstellung zu sehen sind.

Der eigentliche Begründer der Sammlung ist aber König Franz I. (1515–1547), der als der erste große Sammler und Mäzen auf Frankreichs Thron gilt. Er richtete auch dem greisen Leonardo da Vinci 1517 ein Domizil an der Loire ein. Nach Leonardos Tod 1519 gelangten dessen Bilder – darunter wahrscheinlich auch die Mona Lisa – in die Sammlung des Königs, die zu dieser Zeit noch im Schloss Fontainebleau aufbewahrt wurde.

Kardinal Richelieu, der 1624 Minister unter Ludwig XIII. wurde, baute auf Staatskosten eine große Privatsammlung auf, die 1636 zum Großteil in den Besitz der Krone überging. 1660 zog die Sammlung in den Louvre um. Auch unter Ludwig XIV. wurden kostbare Werke erworben, unter anderem von Tizian und Raffael.

Unter Ludwig XV. wurden kaum noch neue Bilder der Sammlung hinzugefügt. Dass die Sammlung der Öffentlichkeit nicht zugänglich war, führte zu allgemeiner Kritik, worauf 1750 im Palais du Luxembourg die erste Gemäldegalerie Frankreichs eröffnet wurde. Bereits 1779 wurde sie jedoch wieder geschlossen, da das Palais als Wohnung des späteren Ludwig XVIII. genutzt wurde. Die Bilder wurden zurück ins Depot des Louvre gebracht. Der Politiker Charles Claude Flahaut de La Billarderie plante die Schaffung eines französischen Nationalmuseums.

Im Zuge der Französischen Revolution wurde die Sammlung mit Dekret der Nationalversammlung vom 27. Juli 1793 zum ersten Mal im Louvre zugänglich gemacht.

Napoleon Bonaparte erhielt den ausdrücklichen Befehl, berühmte Kunstwerke im Ausland für Frankreich zu requirieren. Bald schon konnte der Louvre die Kunstwerke aus Rom, Venedig, Berlin, Wien und vielen anderen europäischen Städten nicht mehr fassen. Unter Napoleon I. entstanden im Rahmen seines groß angelegten, bahnbrechenden nationalen Kultur-Programms 15 Zweigmuseen in ganz Frankreich, in denen Bilder der Sammlung zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit in der französischen Provinz zugänglich waren. Nach dem Fall des Kaiserreichs im Jahre 1814 wurde der zukunftsweisende volkspädagogische Ansatz Napoleons I. nicht mehr weiterverfolgt; die Beutekunst wurde von den Alliierten wieder aus dem Louvre zurückgeholt, wodurch das nationale Element der Sammlung wieder in den Vordergrund trat.

1821 begann mit dem Ankauf der Venus von Milo der Aufbau der Antikensammlung, in der 1826 die ägyptische und 1847 die assyrische Abteilung folgten. Ab 1851 wurde die Ausstellungsfläche des Louvre unter Alfred Émilien de Nieuwerkerke erweitert. Nach dem Sturz des zweiten Kaiserreichs 1870 wurde die Sammlung endgültig von der Krone getrennt und verstaatlicht.

Der Sammlung kam zugute, dass seit 1972 die Erbschaftssteuer auch in Form von Kunstwerken entrichtet werden kann.

Staatspräsident François Mitterrand initiierte 1981 das Projekt „Grand-Louvre“, mit dem der gesamte Gebäudekomplex einer musealen Nutzung unterworfen wurde; 1999 wurde es abgeschlossen. Das Finanzministerium zog um; in diesem Rahmen wurde unter anderem die Galerie d’Apollon restauriert und die Glaspyramide im Innenhof des Louvre geschaffen. Die Glaspyramide wurde von Ieoh Ming Pei entworfen und 1989 eröffnet. Sie dient heute als Haupteingang zum Musée du Louvre. Anfangs als „Gewächshaus“ und „Käseglocke“ verspottet, ist die Pyramide heute zu einem bekannten Wahrzeichen von Paris geworden.

Außerdem wurde 1993 das Carrousel du Louvre eröffnet, eine unterirdisch direkt an den Louvre angeschlossene Einkaufsmeile mit Restaurants und der invertierten Glaspyramide. 2009 gab es eine Kontroverse um den Einzug einer McDonald’s-Filiale im neugestalteten Restaurantbereich.[4 ]

Seit 1986 werden viele vorher im Louvre gezeigte Kunstwerke der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Musée d’Orsay ausgestellt.

Im September 2012 eröffnete der Louvre eine neue Abteilung für islamische Kunst, die sich in einem Erweiterungsbau nach einem Entwurf der Architekten Mario Bellini und Rudy Ricciotti befindet. Ausgestellt werden rund 2500 Exponate, die teilweise aus dem Musée des Arts Decoratifs stammen.

2009 forderte die türkische Stadt Izmir zwei antike Marmorstatuen der griechischen Götter Zeus und Apollon zurück, die Ende des 17. Jahrhunderts in der Nähe der Stadt, dem antiken Smyrna, gefunden wurden. Die beiden über zwei Meter großen Kunstwerke wurden Ende des 17. Jahrhunderts als Geschenk an König Ludwig XIV. nach Frankreich gebracht und werden derzeit in der Antiken-Abteilung des Louvre gezeigt. Sie sollen im geplanten Museum zur Zivilisation an der Ägäis in Izmir ausgestellt werden.

Im Louvre befinden sich 60 osmanische Keramikfliesen aus dem 17. Jahrhundert, die 1895 vom französischen Restaurator Albert Sorlin Dorigny aus der Türbe Selim II. gestohlen wurden. Dorigny arbeitete zwischen 1895 und 1899 an der Restauration der Hagia Sophia und entwendete in dieser Zeit zahlreiche Kunstschätze nach Frankreich. Die gestohlenen Fliesen ersetzte er durch in der französischen Porzellanmanufaktur Choisleroi Seine hergestellten Repliken. Der türkische Kulturminister bestätigte die Rückgabe der Fliesen. Diese Kunstwerke sind im Louvre als die A. Sorlin-Dorigny Collection bekannt.

Die Sammlung umfasst ungefähr 380.000 Werke, von denen etwa 35.000 Exponate auf einer Fläche von über 60.000 m² präsentiert werden. Damit ist das Museum, flächenmäßig betrachtet, das drittgrößte Museum der Welt. Besonders hervorzuheben ist die Qualität der griechischen und römischen Antikensammlungen, der Abteilungen der italienischen Renaissancemalerei und der flämischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts sowie der französischen Malerei des 15. bis 19. Jahrhunderts. Die französische Kronjuwelen befinden sich in der Galerie Apollon.

Im Dezember 2012 öffnete der Louvre-Lens in der nordfranzösischen ehemaligen Bergbaustadt Lens. Er soll der Region zu mehr Beachtung und höheren Touristenzahlen verhelfen. Der Pariser Louvre überlässt Objekte aus seiner Sammlung dem Louvre in Lens als mittel- oder langfristige Leihgaben, damit sie dort gezeigt werden können.

Die französische Regierung und das Emirat wollen in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate ein „Miniatur-Louvre“ auf der künstlichen Insel Saadiyat eröffnen. Ein Kooperationsvertrag wurde am 7. März 2007 unterzeichnet.

Bis gegen 2019 sollen – von Jean Nouvel entworfen – 6000 Quadratmeter Dauerausstellungsfläche zusammenkommen. Das Scheichtum, das einen jährlichen Ankaufsetat von 40 Millionen Euro plante, soll einer „Agence internationale des musées de France“ 165 Millionen zahlen – und jährlich für 15 Jahre 13 Millionen Euro für Wechselausstellungen in einer 2000-Quadratmeter-Galerie. Als Gegenleistung werden französische Museen Wechselausstellungen veranstalten und auch weitere Exponate leihen (zunächst 300, dann weniger mit zunehmendem eigenem Bestand für je Objekt höchstens zwei Jahre). Des Weiteren darf sich das neue Museum während der nächsten 30 Jahre „Louvre“ nennen; dafür zahlt es an den Louvre in Paris 400 Millionen Euro. Die von dem Geld neu errichteten Säle im Pariser Louvre erhalten den Namen des gestorbenen Emirs von Abu Dhabi, Zayed Bin Sultan Al Nayan, und dies zeitlich unbegrenzt.

Museumsdirektoren, Konservatoren und Kunsthistoriker protestierten offensiv gegen die Kommerzialisierung der Museumsarbeit und den „Ausverkauf der französischen Museen“, so Jean Clair, ehemaliger Direktor des Pariser Picasso-Museums und einer der wichtigsten Theoretiker der zeitgenössischen Kunst. Organisiert wurde u. a. eine Unterschriftensammlung gegen das Projekt.

Die Eröffnung in Abu Dhabi war zunächst für 2012/13 geplant. Die Bauarbeiten begannen 2013. Die Eröffnung wurde dann für 2015 angekündigt. Im Juni 2016 wurde der Rohbau beendet und die vielen Wasserbecken, die das Museum umgeben, konnten erstmals geflutet werden.

Mona Lisa ist ein weltberühmtes Ölgemälde von Leonardo da Vinci aus der Hochphase der italienischen Renaissance Anfang des 16. Jahrhunderts. Das auf Italienisch als La Gioconda (dt. die Heitere) bekannte Bild wurde vermutlich nach der Florentinerin Lisa del Giocondo benannt. Der unter anderem in Deutschland gebräuchliche Titel Mona Lisa beruht auf einem Rechtschreibfehler, denn Mona leitet sich ab von der italienischen Kurzform Monna (für Madonna ‚Frau‘), ist also kein Vorname, sondern der Titel, mit dem Lisa als Ehefrau (madonna) von Francesco del Giocondo angeredet wurde.

Das Originalgemälde – französisch als La Joconde bezeichnet – ist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts im zentralen Pariser Kunstmuseum Louvre ausgestellt und gilt als eines seiner bekanntesten Exponate. Es ist auf der Fläche von 77 cm × 53 cm (ca. 0,4 m²) auf dünnes Pappelholz gemalt, und entstand wahrscheinlich in den Jahren 1503 bis 1506. Andere Forschungen kommen zu einem Entstehungszeitraum zwischen 1502 und 1503.

„Die junge Frau auf dem Bild sitzt in einem Stuhl auf einem Balkon vor einer fremdartigen Landschaft. Die Armlehne des Stuhls ist ebenso wie ihr Torso parallel zur Bildebene positioniert. Das Gesicht ist dem Betrachter zugewandt, die nach links gerichteten Augen blicken ihn scheinbar an [sehr ungewöhnlich für die damalige Darstellungsweise]. Sie hat volle Wangen, eine breite Stirn und keine (!) Augenbrauen. Der linke Mundwinkel des geschlossenen Mundes deutet ein Lächeln an. Die linke Hand umgreift die linke Armlehne und die schlanken Finger der Rechten ruhen anmutig auf der Linken. Auf ihrem Haar liegt ein feiner, durchsichtiger Schleier, ihr Kleid fällt in schlichten Falten, den Mantel hat sie sich über die linke Schulter gelegt.“ – Donald Sassoon, Da Vinci und das Geheimnis der Mona Lisa, 2006

Einige Forscher nehmen zwar an, dass Leonardo keine reale, sondern eine ideale Person gemalt habe, die Mehrheit vertritt jedoch andere Theorien:

Die traditionelle Identifizierung des unsignierten und nicht datierten Porträts als das der Lisa del Giocondo geht auf Giorgio Vasari zurück, den ersten Biografen der neuzeitlichen Kunstgeschichte aus dem 16. Jahrhundert. Er hielt fest, dass Leonardo nach seiner Rückkehr nach Florenz, also in den Jahren zwischen 1500 und 1506, ein Porträt der Lisa del Giocondo, der dritten Gemahlin des Florentiner Kaufmanns und Seidenhändlers Francesco di Bartolomeo di Zanobi del Giocondo, gemalt habe. Ferner behauptet er, dass Leonardo das Porträt vier Jahre später immer noch nicht vollendet und das noch unfertige Bild auch nicht an seinen Auftraggeber Francesco del Giocondo übergeben, sondern für sich behalten habe. Lisa del Giocondo wurde 1479 als Tochter von Antonio Maria di Noldo Gherardini geboren und heiratete Francesco am 5. März 1495. Das Gemälde wäre nach dieser Theorie im Frühjahr 1503 von Francesco del Giocondo anlässlich des Kaufs eines neuen Hauses und der komplikationslosen Geburt eines Kindes in Auftrag gegeben.

Gestützt wird der Bezug zu Lisa del Giocondo durch eine Entdeckung, die man 2008 machte: Bei der Katalogisierung eines Frühdrucks der Universitätsbibliothek Heidelberg (Signatur D 7620 qt. INC) wurde von Armin Schlechter der handschriftliche Eintrag des florentinischen Kanzleibeamten Agostino Vespucci vom Oktober 1503 gefunden, der unter anderem davon berichtet, dass Leonardo ein Porträt der Lisa del Giocondo angefertigt habe.

Allerdings haben einige Historiker auch nach dem Fund dieses Eintrags die Identifizierung der Mona Lisa als Lisa del Giocondo in Frage gestellt und nach anderen Fährten gesucht. Diese Skepsis erklärt sich aus der Tatsache, dass die Randnotiz des Agostino Vespucci nicht belegt, dass wirklich die Rede von dem als „Mona Lisa“ bekannten Gemälde ist; sie könnte sich auf andere Gemälde beziehen, sogar auf solche, die der Wissenschaft nicht bekannt sind oder einem anderen Maler zugeschrieben wurden.

Die zweite Hauptthese, die heute verfolgt wird, bezieht sich auf Giuliano di Lorenzo de’ Medici und seinen unehelichen Sohn Ippolito de' Medici mit seiner Geliebten Pacifica Brandani. Giuliano soll das Bild bei Leonardo als tröstenden Mutterersatz für seinen noch kleinen Sohn Ippolito bestellt haben, nachdem dessen Mutter Brandani im Kindbett verstorben war. Darauf weist auch ein zeitgenössischer Name „La Gioconda“ hin, der schon von einem Leonardoschüler verwendet worden war: er bedeute „Die Tröstende“ – wohl deshalb, weil das Gemälde den kleinen Ippolito de Medici über den Verlust seiner Mutter hinwegtrösten sollte.

Eine weniger verbreitete Identifizierung basiert auf der mutmaßlich homosexuellen Orientierung Leonardos. Bereits 1476 wurde ihm vorgeworfen, sich an dem 17-jährigen Jacopo Saltarelli vergangen zu haben, was jedoch nicht eindeutig geklärt wurde. Leonardo soll 1490 derartigen Gefallen an dem zehnjährigen männlichen Nacktmodell Gian Giacomo de Caprotti alias Andrea Salaino Florentine (1480–1524) gefunden haben, dass er diesen adoptierte und insgesamt zwanzig Jahre (bis zu seinem Tod 1519) mit ihm zusammenlebte. Wegen Caprottis Neigung zum Lügen und Stehlen änderte Leonardo dessen Spitznamen von „Salaino“ auf „il Salaí“ (= die Ausgeburt/Brut des Teufels) oder auf Französisch „mon Salai“. Salaí verhielt sich teilweise wie ein Junior-Chef in Leonardos Akademie, und dies erregte mit Sicherheit – in Kombination mit den bekannten Verhaltensproblemen – Neid und Aggressionen bei den Mitarbeitern. Selbst wenn Giorgio Vasari mit seiner Bezeichnung „Mona Lisa“ eine Buchstabenumstellung für „mon Salai“ gewählt hat, um indirekt die auf dem Bild dargestellte Person mit Caprotti zu identifizieren, so bleibt doch festzuhalten, dass dieses nur die Ansicht Vasaris wiedergeben würde, der Leonardo nie persönlich kennenlernte. Weitere Spekulationen in dieser Richtung sind vom Louvre im Februar 2011 zurückgewiesen worden.

Die Theorie, dass sich hinter dem Porträt Isabella von Aragonien (1470–1524), die Tochter von Alfons II. von Neapel, verberge, wurde durch den britischen Schriftsteller Robert Payne populär.

Die Historikerin Magdalena Soest identifiziert das Gemälde der Mona Lisa als Porträt der Caterina Sforza (1462/63–1509), die als illegitime Tochter des Mailänder Herzogs Galeazzo Maria Sforza geboren wurde und später Regentin von Imola und Forlì war. Erstmals vorgestellt wurde Soests These durch internationale Medien im Frühjahr 2002. Laut Magdalena Soest erfüllt Caterina Sforza alle an das Mona-Lisa-Modell zu stellenden (kunst)geschichtlichen Bedingungen.

Leonardo da Vinci besuchte 1499/1500 Isabella d’Este in Mantua und fertigte Porträtzeichnungen an. Eine Profilzeichnung ist im Louvre erhalten. Aus den Jahren 1500 bis 1504 sind mehrere Briefe überliefert, in denen d’Este da Vinci – direkt und über Agenten – mit Nachfragen für ein (Öl-)Porträt verfolgte. Die erhaltene Zeichnung zeigt Ähnlichkeiten in der Person, allerdings handelt es sich um eine Profilzeichnung; eine nachträgliche Drehung ohne Modellsitzung ist jedoch durchaus denkbar und entspräche der „gelähmten Gesichtshälfte“ (daher auch „Mona-Lisa-Syndrom“; med. Periphere Fazialisparese). Auch die Landschaft wäre eher als Gardaseeberge (Mantua am Mincio unterhalb des Gardasees) denn als Florenz interpretierbar. Die Hintergrundlandschaft, das große Bildformat und die Armlehne („Herrschersessel“) sprechen zudem gegen ein bürgerliches Porträt.

Leonardo verkaufte das Bild kurz vor seinem Tod an König Franz I., der es im Schloss Amboise aufbewahrte. In der folgenden Zeit kam das Gemälde nach Fontainebleau, Paris und schließlich nach Versailles in die Sammlung von Ludwig XIV.

Nach der Französischen Revolution bekam das Bild eine neue Heimat im Louvre. Napoleon nahm es von dort mit und hängte es in sein Schlafzimmer. Nach der Verbannung Napoleons kam die Mona Lisa zurück in den Louvre.Camille Corots Frau mit einer Perle nahm vorübergehend den Platz der Mona Lisa ein

Am 21. August 1911 wurde das Bild von dem 29-jährigen italienischen Anstreicher Vincenzo Peruggia, der im Louvre tätig war, gestohlen. Er hatte sich – in einem Schrank versteckt – über Ncht im Museum einschließen lassen, das Bild aus dem Rahmen gelöst und am Folgetag, vermutlich eingewickelt in seinen Kittel, aus dem Museum geschmuggelt.

Zunächst gerieten der Dichter Guillaume Apollinaire und der Maler Pablo Picasso in den Verdacht, die Mona Lisa gestohlen zu haben. Am 30. August 1911 hatte sich Géry Pieret, der zeitweise bei Apollinaire gewohnt hatte, gegenüber einer Pariser Zeitung als Dieb von Skulpturen offenbart, die er aus dem Magazin des Museums gestohlen und an „einen Maler“ verkauft habe, und der Zeitung eine davon zurückgegeben. Wenige Tage später brachte Picasso zwei weitere dieser Skulpturen, die er über Apollinaire von Pieret gekauft hatte, nach Zusage der Anonymität ebenfalls in die Zeitung zurück. Als sie am 6. September 1911 darüber berichtete, nahm die Polizei, die inzwischen Pierets Verbindung zu Apollinaire ermittelt hatte, den Dichter fest. Im Verhör zog er zur eigenen Entlastung auch Picasso in die Sache hinein. Dieser wurde daraufhin am 9. September 1911 ebenfalls verhört, wenn auch nicht festgenommen. Obwohl Pieret vom Diebstahl der Mona Lisa keine eigene Kenntnis hatte, kündigte er außerdem an, ein anderer Dieb werde bald auch die Mona Lisa zurückbringen. Das Gericht konnte aber schließlich weder Apollinaire noch Picasso eine Mittäterschaft an dem Diebstahl der Skulpturen oder gar der Mona Lisa nachweisen und die Künstler wurden freigesprochen.

Weitere Ermittlungen der Polizei gingen ins Leere, der Diebstahl blieb mehr als zwei Jahre lang ungeklärt. Für den Louvre bedeutete er einen Riesenskandal. Die Regierung entließ den Museumsdirektor und drei Wochen lang beherrschte die Geschichte die Titelseiten der Zeitungen. Viele Bürger gingen in den Louvre, um sich die leere Stelle an der Wand anzusehen, während fliegende Händler vor dem Louvre Postkarten und Reproduktionen der Mona Lisa verkauften.

Um die leere Stelle zu füllen, wurde Raffaels Bild Baldassare Castiglione, ein stark von der Mona Lisa beeinflusstes Werk, an ihren Platz gehängt. Im März 1912 erwarb der Louvre Camille Corots Frau mit einer Perle, die bekannteste moderne Hommage an Leonardos Mona Lisa. Im Jahr 1913 wurde die Mona Lisa nicht mehr im Katalog des Louvre geführt.

Bisher hatte Peruggia die Mona Lisa wenige Meter vom Louvre entfernt in seiner Wohnung in einem Loch in der Wand versteckt, letztlich aber wollte er sie „heim“ nach Italien bringen. Am 12. Dezember 1913 versuchte er daher, das Bild in Florenz an den Kunsthändler Alfredo Geri zu verkaufen. Geri erhielt einen mit „Leonardo“ unterzeichneten Brief, in dem der Schreiber behauptete, das Gemälde an Italien „zurückgeben“ zu wollen, und 500.000 Lire zur Deckung seiner „Unkosten“ verlangte. Geri informierte Giovanni Poggi, den Direktor der Uffizien, und bekundete sein Interesse. Peruggia kam nach Florenz und zeigte das Bild in seinem Hotelzimmer. Geri und Poggi untersuchten es und fanden auf der Rückseite die korrekte Inventarnummer des Louvre. Später verglichen sie mit Hilfe einer Fotografie des Originals die Risse und waren sich nun sicher, dass sie das Original vor sich hatten. Sie überredeten Peruggia, in seinem Hotel auf das Geld zu warten, und riefen die Polizei. Die Reaktion der Öffentlichkeit war heftig. Italienische Nationalisten verlangten, dass „ihre“ Mona Lisa „zu Hause“ bleiben solle. Die italienische Regierung versicherte zwar, dass sie die Mona Lisa an den Louvre zurückerstatten werde. Zuerst aber ging das Gemälde auf Tournee und wurde in Florenz, Rom und Mailand ausgestellt. Es reiste in einer eigens angefertigten, gepolsterten Kiste und mit Ehrenwache. Schließlich kehrte die Mona Lisa mit einer großen Staatszeremonie wieder nach Paris zurück.

Der Prozess gegen Peruggia war eine Enttäuschung für die sensationsgierige Öffentlichkeit, denn der Täter erwies sich lediglich als Gelegenheitskrimineller, nicht als spezialisierter Kunstdieb. Peruggia wurde zu einer Haftstrafe von nur sieben Monaten verurteilt.

Die öffentliche Aufregung hatte der Mona Lisa einen hohen Wiedererkennungswert beschert. War das Bild schon vor dem Diebstahl bekannt gewesen, so wurde es nun nach seinem Verschwinden wirklich berühmt.

Nach der Einnahme Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht im Juni 1940 befürchteten die Kuratoren des Louvre, dass der von Hitler beauftragte Kunsthistoriker Hermann Voss mit Unterstützung von Hermann Göring ausgewählte Kunstwerke für das geplante Museum bei Linz konfiszieren könnte. Bereits vor der Besetzung von Paris wurden die wertvollsten Kunstwerke aus dem Louvre geschafft. Die Mona Lisa wurde zunächst wie zahlreiche andere Werke des Louvre 1938 auf das Schloss Chambord gebracht, danach während des Sitzkrieges in einem versiegelten Lieferwagen in ein Schloss bei Souvigny nahe Le Mans und am 5. Juni 1940 weiter südlich in die Abtei Loc-Dieu bei Villefranche-de-Rouergue im Midi. Obwohl die deutschen Besatzer den Aufenthaltsort kannten, wurde das Gemälde nicht beschlagnahmt. Nachdem Paris im August 1944 befreit worden war, wurde die Mona Lisa in den Louvre zurückgebracht. Zuvor wurde sie aber noch ausgewählten Gästen gezeigt, wie zum Beispiel den chinesischen Delegierten der Pariser Friedenskonferenz. Ihren Platz im Louvre konnte die Mona Lisa erst im Oktober 1947 wieder einnehmen, ein Ereignis, das in den Medien gefeiert wurde.

Im Jahr 1956 hatte das Bild zwei Attacken zu überstehen. Im ersten Fall schüttete ein Unbekannter Säure auf das Porträt. Dabei wurde die untere Hälfte des Bildes schwer beschädigt.

Am 30. Dezember 1956 warf ein obdachloser bolivianischer Tourist namens Ugo Villegas einen Stein auf das Porträt, nachdem er es stundenlang angestarrt hatte, und zertrümmerte dabei die Glasplatte und die Malschicht am linken Ellbogen bis auf die Grundierung. Die Stelle wurde vom Restaurator Jean Gabriel Goulinat mit Wasserfarben ausgebessert. Seitdem wird das Bild hinter Panzerglas ausgestellt.

John F. Kennedy, Madeleine Malraux, André Malraux, Jacqueline Kennedy und Lyndon B. Johnson in der National Gallery of Art

1961 besuchten US-Präsident John F. Kennedy und seine Gattin Jacqueline Charles de Gaulle, um die amerikanisch-französischen Beziehungen zu verbessern. Jacqueline Kennedys fließendes Französisch und ihre Kenntnisse der französischen Kultur nahmen de Gaulle so für sich ein, dass er dem Vorschlag zustimmte, die Mona Lisa in den USA auszustellen. Die Kuratoren des Louvre waren entsetzt, doch die französische Regierung ließ sich diese symbolische Geste nicht mehr ausreden. Eine Motorradeskorte begleitete das Bild nach Le Havre. An Bord des Luxusliners SS France wurde die Mona Lisa in eine eigens vorbereitete Kabine der ersten Klasse gebracht und in einer unsinkbaren Kiste verstaut.

Am 8. Januar 1963 wurde das Bild im Rahmen einer Party in Washingtons National Gallery of Art in Empfang genommen. Außer in Washington wurde es auch im New Yorker Metropolitan Museum of Art ausgestellt. Dabei kam es zu einem Zwischenfall, der erst durch die Veröffentlichungen der Memoiren des Museumsdirektors Thomas Hoving bekannt wurde: Im Gemäldelager des Museums wurde versehentlich die Sprinkleranlage ausgelöst und einige Stunden lang strömte Wasser über das Bild. Die Zeitschrift The New Yorker rechnete aus, dass jeder der 1,6 Millionen Besucher das Porträt im Durchschnitt vier Sekunden lang anschauen konnte und dafür stundenlange Wartezeit in Kauf nehmen musste.

Zehn Jahre später, 1973, ging das Bild, wieder gegen den Widerstand der Kuratoren, nach Japan. Während der ersten Woche in Tokio kamen täglich 18.000 Menschen, um das berühmte Kunstwerk mit eigenen Augen zu sehen. Ein wesentlicher Unterschied zu der USA-Tournee war der, dass die Mona Lisa in Japan intensiv in der Werbung genutzt wurde. Auch nach ihrer Rückkehr hielt diese Verwendung in der Werbung an. Auch Maler verwendeten das berühmte europäische Bild für ihre eigenen Zwecke. Es gab sogar Künstler, deren Gesamtwerk aus nichts anderem als aus Variationen über das Thema Mona Lisa bestand.

Von Tokio ging die Mona Lisa auf Wunsch der französischen Regierung nach Moskau, um eine Entspannung der Beziehungen zur Sowjetunion zu fördern.

Als die Mona Lisa wieder in Frankreich war, wurde das Gemälde mit kugelsicherem Panzerglas versehen. Außerdem wurden Schilder aufgestellt, die Besuchern den kürzesten Weg durch den Louvre zur Mona Lisa wiesen.

Anfang 2012 entdeckten Restauratoren im Prado in Madrid, nachdem sie ein Bild von einer Übermalung befreit hatten, eine exakte Kopie der Mona Lisa. Sie ist seit 1666 in den königlichen Sammlungen nachgewiesen. Das gereinigte Bild zeigt Details, die bei der Mona Lisa aufgrund des hohen Reinigungsrisikos kaum noch erkennbar sind, z. B. Augenbrauen, Schläfenlocken als Frisur, Spitzenbordüre am Ausschnitt etc. Es wird angenommen, dass es sich um ein Gemälde eines Leonardo-Schülers – Francesco Melzi oder Andrea Salai – handelt, der seinen Meister kopierte, indem er parallel zu ihm malte und zeitgleich die gleichen Korrekturen vornahm. Ab dem 21. Februar bis zum 13. März 2012 wurde La Gioconda del Prado in Madrid der Öffentlichkeit vorgestellt, anschließend war das Gemälde für einige Zeit im Louvre neben dem Original zu sehen.

Am 27. September 2012 wurde im Genfer Hotel Beau-Rivage die Isleworth Mona Lisa präsentiert. Das Porträt zeigt unverkennbar dieselbe Frau wie das Gemälde aus dem Pariser Louvre, wenn auch jünger aussehend, und soll die erste Version des berühmten Gemäldes aus Leonardos Hand sein. Die in Zürich beheimatete Mona Lisa Foundation, Besitzerin des Gemäldes, hat eine Reihe namhafter Kunstexperten hinzugezogen, darunter Alessandro Vezzosi, Direktor des Museo Ideale Leonardo da Vinci in Vinci, und Carlo Pedretti vom Armand Hammer Center for Leonardo Studies der University of California. Sie sollen in Genf historische und wissenschaftliche Beweise für diese These vortragen.

Die Isleworth Mona Lisa ist in Kunstkreisen schon lange bekannt, galt aber als eine der zahllosen Kopien. Das Gemälde hat seinen Namen nach dem Londoner Ortsteil Isleworth, wo der Künstler und Kunsthändler Hugh Blaker (1873–1936) wohnte, der es kurz vor dem Ersten Weltkrieg in der Sammlung des Earl Brownlow of Somerset sah und aufkaufte. Nach dem Tod Blakers gelangte die Isleworth Mona Lisa Anfang der 1960er Jahre an den amerikanischen Sammler Henry F. Pulitzer. Dieser vermutete erstmals, dass es sich um ein Werk von Leonardo selbst handeln könne, und führte unter anderem als Beweis Leonardos Biografen Giorgio Vasari an, der geschrieben habe, Leonardo habe die Mona Lisa 1503 begonnen, sie dann aber unvollendet gelassen. Über den Nachlass von Pulitzers Freundin gelangte es in den Besitz der Schweizer Stiftung.

Die Isleworth Mona Lisa ist auf Leinen gemalt, während das Louvre-Bild – wie fast alle Gemälde Leonardos – auf Holz gemalt wurde. Im Vorfeld der Veranstaltung gab es bereits erhebliche Zweifel an der Echtheit des Bildes. „Es gibt keinerlei Grundlage für die Behauptung, dass dieses Bild ein Original von da Vinci ist“, sagte Martin Kemp, emeritierter Professor für Kunstgeschichte an der Universität von Oxford, der Nachrichtenagentur dpa. Viele Details wie die Haare, die Struktur ihrer Hände, der durchscheinende Stoff ihres Kleides, die Atmosphäre der Landschaft – alles sei völlig anders, so Kemp. Im Frühjahr 2013 datierten Forscher der ETH Zürich die verwendete Leinwand mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf die Zeit zwischen 1410 und 1455. Wissenschaftliche Untersuchungen der weißen Farbpigmente ergaben, dass das Gemälde keine Fälschung aus seinem Entdeckungsjahr 1913 sein kann. John F. Asmus, Physiker von der Uni in San Diego, sagt: „Ich habe Monate meines Lebens damit verbracht, beide Mona-Lisa-Bilder genau anzusehen. Und die vielen Ähnlichkeiten können kein Zufall sein. Es ist zu 99 Prozent sicher, dass beide Mona Lisas vom selben Künstler sind.“

Wie in vielen anderen seiner Arbeiten wandte Leonardo auch in diesem Bild die von ihm perfektionierte Sfumato-Technik sowohl beim Hintergrund als auch bei Gesichtsdetails an. Durch Sfumato, was aus dem Italienischen übersetzt „neblig“ oder „verschwommen“ bedeutet, wirkt der Hintergrund wie durch einen Dunst oder Rauchschleier wiedergegeben. Im Antlitz wird diese Technik in den sehr weichen, fast verschwimmenden Hell-Dunkel-Übergängen an den Rundungen des Kopfes, an den Augenwinkeln und dem rechten Mundwinkel (aus der Sicht des Betrachters) deutlich.

Leonardo hat seine Mona Lisa „mit einem beunruhigenden Fehlen von normaler Sinnlichkeit betrachtet, so erscheint sie zugleich verführerisch und kalt, schön und zurückweisend. Das Bild hat keine sehr großen Ausmaße, wirkt aber auf den Beschauer monumental in seinem Verhältnis von Person und Hintergrund. Diese Monumentalität steigert zugleich den Eindruck von Charme und Frostigkeit, sodass die Mona Lisa Jahrhunderte hindurch von Männern sowohl mit Entzücken als auch mit rätselhaftem Erstaunen oder sogar mit etwas wie Furcht betrachtet wurde.“

Noch schwärmerischer und pathetischer drückte sich 1869 Walter Pater aus. Er nannte die Mona Lisa „eine Schönheit, in die die Seele mit all ihren Krankheiten eingegangen ist! […] Alle Gedanken und Erfahrungen der Welt haben ihre Spuren dort eingegraben … die Sinnlichkeit Griechenlands, die Wollust Roms, der Mystizismus des Mittelalters … die Wiederkehr der heidnischen Welt, die Sünden der Borgia.“

„Keines der Gemälde Leonardos gibt die Tiefe und den Dunst der Atmosphäre vollkommener wieder als der Hintergrund der Mona Lisa, der die Luftspiegelung in höchster Vollendung darstellt. Das Bild sieht heute allerdings anders aus als ursprünglich: „Früher gab es an beiden Seiten kleine Säulen, die später weggeschnitten wurden und die deutlich machten, daß die junge Frau auf einem Balkon saß, während sie jetzt mitten im unbestimmten Raum weilt. Die Farben des Gesichts, das feine Rot, das Vasari erwähnt, sind ebenfalls nicht mehr sichtbar. Der gedunkelte Firnis hat die feinen Abtönungen verändert und ruft heute einen gedämpften Ton wie bei Unterwasseraufnahmen hervor“.

Eine besondere Wirkung bekommt das Bild durch einen Trick Leonardos. Er malte das Bild mit zwei verschiedenen Fluchtpunkten (Perspektiven) – einen für den Hintergrund und einen für die Figur. Dem Betrachter fällt das nicht sofort auf; er hat nur das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmt.

Revolutionär war seinerzeit die Darstellung des Silberblicks, also der nicht exakt gleich gemalten Augen, die ebenfalls zum geheimnisvollen Charakter des Bildnisses beitragen.

Beim Abdecken der jeweiligen Gesichtshälfte lässt sich feststellen, dass die linke Seite die passive (kein Lächeln, kaum Schatten, schwammiger Hintergrund), die rechte Seite die aktive Gesichtshälfte ist (Lächeln, Schatten, aktiver Blick, klarer Hintergrund mit Mensch, Brücke und Haus).

Befremdlich ist für den heutigen Betrachter auch, dass die Mona Lisa keine Augenbrauen hat. Zwar entsprach es dem damaligen Schönheitsideal, wenn Frauen sich die Augenbrauen rasierten, jedoch stellte der französische Forscher Pascal Cotte auf hochaufgelösten Scans fest, dass die Pigmente der Augenbrauen und Wimpern im Laufe der Zeit lediglich verblasst waren.

Das geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa irritiert viele Menschen. Während einige Untersuchungen auf eine Fazialislähmung als mögliche Ursache hinweisen, stellt Borkowski 1992 fest, dass manche Menschen zuweilen ähnlich lächeln, wenn sie ihre Schneidezähne verloren haben.

Der Schriftsteller Théophile Gautier machte die Mona Lisa zu einer romantischen Ikone des Weiblichen, indem er um 1858 über sie schrieb:

„… aber ihr Ausdruck, weise, tief, samtig und voller Versprechungen, zieht euch unwiderstehlich an und vergiftet euch, während der sinnliche, schlangenhafte […] Mund euch mit soviel Süße, Anmut und Überlegenheit verspottet, daß man sich ganz schüchtern fühlt, wie ein Schuljunge vor einer Herzogin.“

Eine ähnliche Formulierung fand einige Jahre später der englische Essayist Walter Pater in der wohl bekanntesten Beschreibung des Gemäldes:

„Die Gestalt, die hier so seltsam neben den Wassern auftaucht, drückt die Erfüllung eines tausendjährigen Begehrens des Mannes aus. Es ist eine Schönheit […], in welche die Seele mit all ihrem kranken Sinnenleide hineingeflossen ist! […] Gleich dem Vampyr hat sie schon viele Male sterben müssen und kennt die Geheimnisse des Grabes; sie tauchte hinunter in die See und trägt der Tiefe verfallenen Tag in ihrem Gemüt.“

Im September 2006 haben französische und kanadische Kunstwissenschaftler einen weiteren möglichen Grund für das Lächeln der Mona Lisa gefunden. Mit Hilfe spezieller Infrarot- und 3D-Techniken durchleuchteten sie die Farbschichten. Dabei fiel den Forschern auf, dass das Kleid der Mona Lisa von einem dünnen, transparenten Schleier umhüllt ist, der mit bloßem Auge nicht zu erkennen war. Bruno Mottin vom französischen Zentrum für Forschung und Restauration hat diese Information auf einer Pressekonferenz im kanadischen Ottawa bekannt gegeben. Gemäß seiner Erklärung ist diese Art von Schleier typisch für jene Frauen, die im frühen 16. Jahrhundert in Italien schwanger waren oder gerade ein Kind zur Welt gebracht hatten. 2008 konnten Mady Elias und Pascal Cotte die Verwendung mehrerer Malschichten nachweisen: mehrere Schichten mit Umbra und eine Grundierung mit Bleiweiß und ein Prozent Zinnober.

Weitere bekannte Werke sind die Landschaftsbilder. Um ein Landschaftserlebnis hervorzurufen, das den Bildern Claude Lorrains entsprach, benutzten Maler und Reisende des 18. Jahrhunderts als Hilfsmittel sogenannte Claude-Gläser. Bei diesen Gläsern handelt es sich um in Form und Tönung präparierte Hohlspiegel. Betrachtet man eine Landschaft in diesen Spiegeln – kehrte man also der Landschaft den Rücken – ergab sich im Hohlspiegel ein Landschaftseindruck, der sich in Proportionen und Farbgebung den gemalten Bildern anglich. Zwei Jahrhunderte später sieht Meyer's Konversations-Lexikon allerdings in seinem Stil die „bedenkliche Gefahr der Naturwidrigkeit“. Der Einfluss Claude Lorrains auf die Landschaftswahrnehmung seiner Zeit ging jedoch noch weiter, seine idealisierten Landschaftsbilder wurden Vorbild für die Landschaftsgestaltung. „Das bei Claude erreichte Gleichgewicht der Teile, die sichtbar gewordene Harmonie zwischen Mensch, Natur und Geschichte, wurde zum Vorbild nicht nur für viele Maler der kommenden Jahrhunderte, sondern auch für manchen Privatmann, sich seine Umgebung nach diesem Muster als Garten zu gestalten.“

Beide Maler galten als Vorbilder für die klassizistische Landschaftsmalerei und für die Maler heroischer Landschaften im 19. Jahrhundert. Im frühen 19. Jahrhundert wurde dieser Begriff für dramatisch-bewegte Landschaften und für Hochgebirgslandschaften übernommen. Poussins Schwager Gaspard Dughet konzentrierte sich dagegen auf die Wiedergabe realer Landschaften aus der römischen Campagna und der Gegend um Tivoli während der Neapolitaner Salvator Rosa eine Vorliebe für pittoreske und phantasievolle Landschaften pflegte, bei denen man eine Nähe zur romantischen Landschaftsmalerei erkennen könnte.

Nicolas Poussin (15.6.1594-19.11.1665) war ein französischer Maler des klassizistischen Barock. Poussin wurde 1594 in Les Andelys geboren und wird schon früh als künstlerisch begabt eingeschätzt. Im Jahre 1612 siedelte er nach Paris über, das das künstlerische Zentrum Frankreichs dieser Zeit war. In den königlichen Kunstsammlungen studierte er Werke von Raffael und Tizian.

Er fühlte sich vor allem der spätmanieristischen Schule von Fontainebleau hingezogen. Die Schule von Fontainebleau ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Künstlern und für den von ihnen vertretenen Manierismus, die vom 16. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts vom Schloss Fontainebleau, der bevorzugten Residenz des französischen Königs Franz I., ausging. Wurde Die Schule von Fontainebleau entwickelte sich zu einem Zentrum für die Verbreitung der Ideenwelt der Renaissance und der Kunst des Manierismus im nördlichen Europa. Die zweite Schule von Fontainebleau in den Jahren 1590-1620, zu der Ambroise Dubois aus Antwerpen und die Pariser Toussaint Dubreil, Antoine Caron und Martin Fréminet sowie eine Reihe anonymer Künstler zählten, verzichtete auf religiöse Malerei und bevorzugte stattdessen Themen aus der griechischen und römischen Mythologie, darunter auch erotische und sexistische Sujets.

Einer seiner Förderer war der italienische Dichter Giambattista Marino, der Poussin für die griechische und römische Mythologie, insbesondere für die Metamorphosen Ovids begeisterte. Poussin fertigte für Marino 16 Federzeichnungen zu den Metamorphosen Ovids bzw. seinem Epos L’Adone, wo Marino in Versen die Liebesgeschichte von Venus und Adonis nachzeichnete, an.

Ab 1624 hielt Poussin sich hauptsächlich in Rom auf. Er fand dort Anschluss an den Kreis um den Bildungsphilister und Mäzen Cassiano dal Pozzo. Dal Pozzo gehörte zu einem Kreis von adligen Kunstsammlern, Gelehrten, Buchhändlern und Verlegern, die sich für die Antike, die Wissenschaften und die zeitgenössische Kunst interessierten. Ab 1623 war er Sekretär des Kardinals Francesco Barberini, eines Neffen Papst Urbans VIII.. Poussin studierte antike Kunstwerke auch in dal Pozzos Sammlung und Archiv. Dies führte dazu, dass er sich in der Folgezeit auf Bilder in kleineren Formaten mit mythologischen, religiösen, politischen und historischen Themen auseinandersetzte. Dal Pozzo selbst gab 40 Bilder bei Poussin in Auftrag; darunter die berühmten Sieben Sakramente und das Berliner Selbstbildnis. Wahrscheinlich im Auftrag des Kardinals Francesco Barberinis malte Poussin sein erstes aufsehenerregendes Werk, den „Tod des Germanicus“. Der „Tod des Germanicus” ist wahrscheinlich das eindrucksvollste Historienbild Poussins.

Die an der klassischen Antike erinnernde Haltung der Figuren, die Harmonie der Posen und Linien mit den altertümlichen Gewändern und Rüstungen vor einer klassischen Architekturkulisse verleiht der Sterbeszene Erhabenheit und Realismus. Poussin galt spätestens seit diesem Bild als Schöpfer der ins Ideale und Erhabene gesteigerten klassischen Landschaften, in denen in antike Gewänder gehüllte bekannte Figuren in Natursituationen mit klassischen Bauten erscheinen. Anschließend entsteht das Bild „Triumpf der Flora“ für einen Kardinal. Danach lebt Poussin von Aufträgen für Altarbilder. Mitte der 1630er Jahre entstehen die „Anbetung des Goldenen Kalbes“ und der „Raub der Sabinerinnen“ im klassizistischen Stil.

In Frankreich schaffte Poussin durch drei von Kardinal Richelieu bestellte Bilder „Triumph des Pan, des Bacchus und des Neptun“ seinen künstlerischen Durchbruch. 1641 kehrte Poussin auf Druck des französischen Königs Ludwig XIII. und des Kardinals Richelieus nach Paris zurück. Ludwig XIII gab Poussin den Posten des Direktors der Ausstattung der königlichen Bauten und beauftragte ihn mit der Ausmalung der Grande Salle im Louvre und mit Entwürfen für die Teppichweberei. Für Richelieu malte er das allegorische Bild „Die Zeit entzieht die Wahrheit den Angriffen des Neides“. Poussin konnte sich aber mit seiner Rolle und seinen Aufgaben am königlichen Hof nicht anfreunden. Seine herausragende Stellung erweckte den Neid anderer Künstler, was für heftige Spannungen sorgte. Dies führte dazu, dass Poussin bereits im Herbst 1642 Paris verließ und kehrte nach Rom zurückkehrte.

Ende der 1640er Jahre entwarf Poussin die mythologischen Landschaften Pyrymus und Thisbe sowie Orpheus und Eurydike. 1665 bekam er eine Nachricht vom französischen König Ludwig XIV., dass er als Erster Maler Frankreichs ausgezeichnet wurde. Kurz danach verstarb er und wurde in der Kirche San Lorenzo in Lucina beigesetzt.

Seine detaillierte Kenntnis antiker Quellen war die Voraussetzung dafür, dass in seinen Bildern die Figuren, Architektur, Gegenstände und Landschaften quasi originalgetreu wiedergegeben wurden. Poussin verwendete bevorzugt unvermischte Lokalfarben, die seinen Bildern Intensität und Reinheit verliehen. Poussin war ein Anhänger des Stoizismus, dessen Ideen über Tod, Leben und das Ausgeliefertsein der Menschheit an eine höhere Macht er in seinen Werken zum Thema machte. Die Tatsache, dass er sich im Zeitalter des Barocks an der Kunst der Antike orientierte, führte dazu, dass er in der Kunstgeschichte bevorzugt als Maler des Barock-Klassizismus eingeordnet wurde.

Die beiden Bilder der arkadischen Hirten gehören mit zu den bekanntesten Werken Poussins. Die schwer zugängliche Landschaft Arkadien auf dem Peloponnes galt schon in der Antike als glücksseliges ruhiges Hirtenland. Das von Theokritos in den Eidyllia verherrlichte sizilianische Bauerntum wurde von Vergil auf die griechische Landschaft Arkadien auf dem Peloponnes übertragen. Für Vergil war Arkadien das Ursprungsland der Dichtung und der Musik. Der Realismus des Hirtenlebens in den Gedichten von Moschos und Bion von Smyrna weicht einer Verklärung und Idealisierung desselben als ein idyllisches und sorgenfreies Leben.

In der Zeit des Hellenismus wurde die Zuschreibung erweitert; Arkadien war nun auch der Ort des Goldenen Zeitalters, wo die dort lebenden Menschen unbelastet von schwerer Arbeit und Kriegen naturverbunden als glückliche Hirten wohnten. Ohne dass jemand eine exakte Vorstellung über Arkadien entwickelte, galt das Land als Symbol für die Schilderung eines idyllischen Landlebens.

Zwischen Mitte des 15. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts griff die Literatur in Europa den Sehnsuchtsort Arkadien auf. Mindestens 100 verschiedene Phantasien des mythischen Hirtenlandes sind allein in Italien überliefert. Größere Berühmtheit erlangten die volkssprachlichen Schäferdichtungen Jacopo Sannazaros Arcadia aus dem Jahre 1502. Konstituierend für das Genre und von großer Wirkung auf die gesamteuropäische Produktion wurde aber Jorge de Montemayors Diana aus dem Jahre 1559. Nach seiner Ausbreitung vor allem in Großbritannien und Italien erreichte das Genre mit Honoré d´Urfés L´Astrée (1607-1627) in Frankreich einen Höhepunkt.

Die griechische Landschaft Arkadien wurde in der Renaissance und im Barock zum Symbol für das Goldene Zeitalter, wo die Menschen als freie Hirten im Einklang mit der Natur lebten und sich der Ruhe, der Dichtung, der Musik und der freien Liebe hingaben. Hier diente Senecas Vorstellung vom Goldenen Zeitalter als Orientierungspunkt. Laut Seneca gab es ein Goldenes Zeitalter, wo das eine Grundübereinstimmung zwischen der äußeren Natur und dem Menschen bestand. Die Natur stellte dem Menschen das zur Verfügung, was seinen wahren Bedürfnissen entspricht. Dieser Zustand änderte sich erst, als die Habsucht und die widernatürliche Begierde nach Überflüssigem aufkamen und die Genussgier den Anreiz zu Erfindungen bot. In Senecas Tragödie Medea ist die mythische Argonautenfahrt der Ausdruck des menschlichen Strebens nach Beherrschung des Meeres durch die Seefahrt, deren Einführung das Ende des urzeitlichen Einklangs von Mensch und Naturordnung markiert. Noch heute gibt es eskapistische Darstellungsmuster, die Arkadien als Ort mit einem glücksseligen einfachen Leben gleichsetzen. Vor allem in der Ökologiebewegung seit 1980 wurde das Motiv Arkadiens wieder rezipiert.

Das erste Bild zu dem Satzfragment „Et in Arkadia ego“ entwarf um das Jahr 1620 der italienische Maler Guernico. Die Inschrift „Memento mori“ ist auf einem Mauerstück geschrieben, auf dem ein Totenkopf liegt. Der Totenkopf, der mit den beiden Hirten den Mittelpunkt des Bildes ausmacht, ist als Symbol für die Vergänglichkeit zu verstehen. Die Inschrift mahnt die Hirten inmitten der idyllischen Landschaft an den Tod, der jedes glückliche Leben einmal beendet.

In zwei Gemälden mit dem Titel „Die Hirten von Arkadien“ griff Poussin die Thematik auf und entwickelte sie durch Eingriffe in die Komposition wesentlich weiter. Die entscheidendste Veränderung Poussins ist, dass er das Mauerstück durch einen Sarkophag ersetzt.

Poussin malte zwei dem Bild Guernicos ähnliche Fassungen. Das erste Bild mit der Grabinschrift „Et in Arkadia ego“ entstand um 1630. Dort werden zwei Hirten und eine Schäferin gezeigt, die auf die Inschrift an einem Sarkophag mit Totenschädel gestoßen sind. Im Vordergrund ist ein Flussgott zu sehen, der durch Arkadien fließt.

Das zweite Bild mit demselben Titel und derselben Grabinschrift entstand vermutlich zwischen 1650-1655. Das Bild ist geometrisch aufgebaut und vermittelt eine viel positivere Stimmung als das erste. Die Inschrift „Et in Arkadia ego“ befindet sich nicht mehr auf einem Sarkophag, sondern auf einem schlichten Monument. Diesmal werden drei Hirten und eine Frau in einem prunkvollen Gewand abgebildet. Poussin betrachtet sie einzeln, es ist keine Gruppe mehr. Über Kreuz treten sie Figuren in Verbindung und scheinen miteinander zu kommunizieren. Sie betrachten die Inschrift, wo der Totenkopf fehlt. Der Arm eines knienden Hirten wirft einen sensenförmigen Schatten auf die Inschrift, wobei die Sense als Symbol des Todes gedeutet werden kann.

Im zweiten Bild wird in einer symbolischen Ebene der Tod analog der Wirklichkeit gesetzt; die Präsenz des Todes inmitten eines idyllischen Lebens wird Teil der Realität gesehen. Das Schöne, wie von Platon in den Enneaden als ewig, unwandelbar und zeitlos dargestellt, wird von Poussin als vergänglich demaskiert.

Die beiden Bilder mit den arkadischen Hirten werden kontrovers diskutiert. Johannsen bemerkt: „Es ist die mit der Benennung der Dinge und mit der Reflexion einsetzende Bewusstwerdung des Menschen, die Poussin (…) malt; der Verlust der Unschuld, auch die Vertreibung aus dem Paradies. Einmal ihrer selbst bewusst, vom Tod wissend, werden die Hirten nie mehr nach Arkadien zurückkehren können, es nicht mehr finden.“ Alf Hermann hat folgenden Deutungsansatz: „Statt des Todes scheint nun der Tote zu uns zu sprechen, der hier seine ewige Ruhe gefunden hat. ‚Auch ich war in Arkadien‘ teilt er uns wehmütig mit, war also ein Mensch, der die Annehmlichkeiten des Lebens in vollen Zügen genossen hat und nun diejenigen, die noch am Leben sind, an die Vergänglichkeit ihres Aufenthalts auf Erden erinnern.“ Aus psychoanalytischer Sicht deuten Becht-Jördens und Wehmeier das Bild folgendermaßen: Weil der Tod selbst in Arkadien herrscht, seine Herrschaft also keine Grenzen kennt, herrscht auch die Malkunst dort und überall da, wo er am Werk ist. Denn er bzw. das Bewusstsein seiner unausweichlichen Realität sei es, weswegen der Mensch der Kunst und des Trostes bedürfte, den sie aufgrund ihrer Befähigung zur Repräsentanz des Abwesenden gewährt.

Es gab eine breite Rezeption von Poussins arkadischen Hirten mit der Inschrift „Et in Arcadia ego“ Schillers Gedicht „Resignation“, das 1787 abgedruckt wurde, beginnt mit den Worten „Auch ich war in Arkadien geboren“. Carl Wilhelm Kolbes Werk aus dem Jahre 1801 trug den Titel „Auch ich war in Arkadien“, zwischen 1834 und 1838 schrieb Joseph von Eichendorff eine Erzählung mit dem gleichnamigen Titel. Ingeborg Bachmann schrieb 1952 einen Roman mit dem Titel „Auch ich habe in Arkadien gelebt“. Das 2. Streichquartett von Moritz Eggert aus dem Jahre 1997 nannte sich „Et in Arcadia ego“.

Poussin galt bis ins 20. Jahrhundert als einer derbedeutendsten Maler der französischen Barockzeit. Nachfolgende Künstler wie Cezanne, Picasso, Francis Bacon und Lüpertz beschäftigten sich intensiv mit seinen Werken. Die Beschäftigung Cézannes mit Poussin lässt sich mit dem berühmten Ausspruch Cézannes „refaire Poussin sur nature“ und „eine Kunst wie die der Museen“ gut charakterisieren. Dies bedeutet keine Rückkehr zum Klassischen der alten Kunst“ beschreiben. Durch ein intensives Studium der Werke Poussins entwickelte Cézanne Erkenntnisse für das eigene „in seiner Originalität durchaus voraussetzungsloses Schaffen“.

Diese Rückbesinnung auf alte Traditionen geht jedoch von der Gegenwart aus und will diese weiterentwickeln. Machotka fasst zusammen:„But for Cézanne classicism meant not a return to tradition, but the logical expression of his sensation, inspired by the systematic methods of earlier artists.“ Eine große Poussin-Ausstellung im Louvre im Jahre verlieh ihm posthum erneutes Prestige und erneuerte die Auseinandersetzung mit seinen Werken und Ideen.

Jacques-Louis Davids Werk gliedert sich in drei Epochen. Als Hofmaler des französischen Königshuases und Mitglied der franzöisischen Akademie schuf er zahlreiche Bilder mit antiken Motiven. Das gestische Pathos vieler seiner Figuren übernahm David von Jean-Baptiste Greuze.

David war zuerst Schüler von Joseph-Marie Vien. Er beteiligte sich 1771 mit dem Bild Mars im Kampf mit Minerva an der Ausschreibung zum Prix de Rome 1774 erhielt er für sein Gemälde Der Arzt Erasistratos entdeckt die Ursache der Krankheit des Antiochus den ersten Preis des Prix de Rome, ein Spipenium für einen mehrjährigen Aufenthalt in Rom.

In Rom widmete sich David dem Studium der Antike, Michelangelos und Raffaelswobei Raffael seinen Ehrgeiz besonders anstachelte. Daneben wirkten Guido Reni und Domenichino auf ihn ein. Diese verschiedenartigen Einflüsse zeigen sich auch in seinem Erstlingsbild, dem 1779 vollendeten heiligen Rochus mit den Pestkranken vor der Madonna.

Nachdem er 1781 nach Paris zurückgekehrt war, stellte er 1783 einen Belisar (Musée des Beaux-Arts, Lille) und 1784 eine trauernde Andromache aus. Im Auftrag des Königs malte er darauf den Schwur der Horatier (1784, im Louvre), der im Salon de Paris von 1785 großen Erfolg hatte. Man sah über das Theatralische der Situation, das unwahre Pathos und die trockene Färbung hinweg. Für dieses Bild hatte David neue Studien in Rom gemacht. In derselben Richtung bewegte sich der Stil der Gemälde La Mort de Socrate (1787) und 'Brutus, dem die Leichen seiner Söhne ins Haus gebracht werden' (1789, im Louvre, wo sich auch das 1788 gemalte Les Amours de Pâris et d'Hélène befindet).

Nach Beginn der Revolution wurde David politisch tätig und beeinflusste die französische Malerei. Im Auftrag der Gesetzgebenden Versammlung begann er den Schwur im Ballhaus, eine riesenhafte Komposition, die unvollendet geblieben ist. Als entschiedener Republikaner wurde er 1792 Mitglied des Corps électoral von Paris und Konventsdeputierter und stimmte als solcher für die Hinrichtung des Königs Ludwigs XVI.

Seine Stellung als Abgeordneter und Mitglied des Nationalkonvents nutzte David dazu, um in jenen Zeiten des Umsturzes so vieler Kunstinstitute manches zu erhalten. Andererseits betrieb er die Aufhebung der Akademie. In seiner Macht stand es, die Zerstörung vieler Kunstwerke zu verhindern; er unterließ es aber, weil er von den vielen alten Denkmälern der Malerei, Skulptur und Architektur nichts als gut anerkannte, sondern auch hier vom Grund auf neu schaffen wollte.

Als Jakobiner und Freund Robespierres übte er auch im Sicherheitsausschuss bedeutenden Einfluss aus; doch hatte dies die Folge, dass er in den Sturz Robespierres (Juli 1794) mit verwickelt war und eingekerkert wurde. Durch die Amnestie vom 26. Oktober 1795 bzw. die Bemühungen seiner Schüler und Verehrer wurde er gerettet. Während dieser wechselvollen Erlebnisse vollendete er zwei realistisch aufgefasste Gemälde, den Tod Lepelletiers de Saint-Fargeau und den Tod Marats. Auf seinem Bild Der Tod des Marat, das er 1793 im Auftrag des Konvents malte, stilisierte David den kurz zuvor ermordeten Jean Paul Marat zum politischen Märtyrer der Revolution. Deutlich einfacher in der Ausführung, jedoch kaum weniger berühmt ist Davids ebenfalls 1793 entstandene Federzeichnung mit der Darstellung der vormaligen Königin Marie Antoinette auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung am 16. Oktober 1793. Im Gefängnis entstand der Entwurf zu seinen Sabinerinnen, den er 1799 ausführte und der sich heute im Louvre befindet.

Schließlich bot Napoleons Machtergreifung eine neue Chance und somit den Beginn einer neuen Epoche für David. Das Monumentalgemälde Die Krönung Napoleons I und der Kaiserin Josefine in der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 2. Dezember 1804 entstand in den Jahren 1806 / 1807. Es wurde 1808 im Regierungspalast aufgehängt und befindet sich ebenfalls im Louvre. In der Folgezeit entstanden viele Napoleon-Porträts und Schlachtenbilder.

Während der Herrschaft Napoleons verherrlichte David in seinen Bildern die Taten und Feste des Kaisertums. Davids Hauptwerke aus jener Zeit sind Napoleon zu Pferde, den St. Bernhard hinansprengend (Berliner Schloss, Trophäe Blüchers); die Krönung Napoleons (Louvre, le sacre genannt); Napoleon im Kaiserornat; die Verteilung der Adler 1810 (Museum in Versailles); das Fest auf dem Stadthaus etc. Außerdem schuf er 1814 Leonideas in den Thermopylen (im Louvre), das Porträt Pius VII und das Bildnis der auf einem Ruhebett hingestreckten Madame Recamier (Louvre).

Mit Napoleons ging auch Davids Glücksstern in Frankreich unter. Als „Königsmörder“ wurde er 1816 aus der Liste der Mitglieder des Instituts gestrichen und aus Frankreich verbannt. Eine Einladung des Königs von Preußennach Berlin, wo er die Direktion sämtlicher Kunstanstalten übernehmen sollte, schlug er aus und zog nach Brüssel, um wenigstens in der Nähe Frankreichs zu weilen. Hier malte er trotz seines Alters und sonstigen Missgeschicks weiter, stellte die dabei entstandenen Gemälde in Gent, Brüssel und einige auch in Paris aus, war aber nicht dazu zu bewegen, auf dem Weg der Bitte die Gnade des Königs von Frankreich, Louis XVIII, zu gewinnen.

Seine letzten größeren Gemälde, die jedoch seine alternde Hand und abnehmende Energie deutlich verraten, sind Der Zorn des Achilles (1819), Mars von Venus und den Grazien entwaffnet, Amor und Psyche und Der Abschied der Nymphe Eucharis von Telemach (1820).

David starb am 29. Dezember 1825 in Brüssel und wurde auf dem Friedhof von Evere bei Brüssel beigesetzt, abgesehen von seinem Herz, das auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise bestattet wurde

Die Zahl seiner Werke ist sehr groß; viele Gemälde befinden sich im Louvre und im Schloss Versailles.

David hat einen lange reichenden Einfluss auf die moderne französische Malerei ausgeübt. Auch hat er den Grund zu der gediegenen technischen Bildung gelegt, welche einen Hauptvorzug der französischen Schule ausmacht. Auch in einigen von seiner antikisierenden Richtung unabhängigen, auf naturalistische Auffassung gegründeten Bildnissen, hat er Dauerndes geschaffen. Seine historische Bedeutung ist im Zusammenhang mit der Französischen Revolution und der Napoleonischen Ära auf dem Gebiet der bildenden Kunst von epochaler Bedeutung.

Der Tod des Marat wurde im Sommer und Herbst 1793 in klassizistischem Steil in Öl Leinwand gemalt und misst 162 mal 128 cm. Es ist eine der berühmtesten Darstellungen von Ereignissen der Französischen Revolution.

Das Bild zeigt den sterbenden Jean Paul Marat als muskulösen Nackten: Er liegt in einer Badewanne, die Haare mit einer Art Turban verhüllt, im Schatten unterhalb seines Schlüsselbeins ist die Einstichwunde zu erkennen. Das Badewasser ist rot von Blut, vor der Wanne liegt die Tatwaffe, ein Messer. In seiner rechten Hand hält er eine Schreibfeder, in der linken einen Brief, auf dem die Worte lesbar sind: « du 13 juillet, 1793 / Marieanne Charlotte Corday au citoyen Marat. II suffit que je sois bien malheureuse pour avoir Droit à votre bienveillance. »

Auf der Wanne liegt eine Tischplatte mit Papieren, daneben eine einfache Holzkiste, auf der in Versalien unten die Widmung des Malers zu lesen ist: „À Marat, David.“ („Für Marat, David.“) mit einem Tintenfass, einer Assignate und einem weiteren Brief, in dem zu lesen ist: « Vous donnerez cet assignat à la mère de cinq enfants dont le mari est mort pour la défense de la patrie. »„Würden Sie diesen Assignaten der Mutter von fünf Kindern geben, deren Mann für das Vaterland gestorben ist.“

Der Hintergrund zeigt keinerlei Details und ist eher dunkel gehalten, nach rechts oben wird er heller. Die Bildkomposition ist streng klassizistisch. Eine Spannung erhält das Bild durch den Widerspruch, dass ein Ermordeter gezeigt wird, der aber noch Kraft in den Händen hat, Feder und Papier festzuhalten, und dessen Kopf auch noch nicht nach hinten oder vornübergesackt ist. David bemühte sich offenkundig, Marat im Moment des Sterbens zu zeigen.

Jean Paul Marat (1743–1793) war ursprünglich Arzt, Journalist, Mitglied im Club des Cordeliers und später auch im Jakobinerklub, sowie ab August 1792 Mitglied des. Wegen einer Hauterkrankung, die er sich angeblich zugezogen hatte, als er sich vor seinen Gegnern in der Kanalisation von Paris verstecken musste, war er in den letzten drei Jahren seines Lebens auf kühle Bäder zur Linderung der Symptome angewiesen. Wegen einer Verschlimmerung seines Leidens nahm er seit Juni 1793 kaum noch an den Parlamentssitzungen teil, blieb aber publizistisch aktiv. In seiner Zeitung l’Ami du Peuple rief er immer wieder zur Wachsamkeit gegenüber Verrätern, Verschwörern und so genannten Volksfeinden auf. Damit trug er zumindest indirekt zu verschiedenen revolutionären Gewalttätigkeiten bei, etwa zu den Septembermassakern 1792 oder zur Verfolgung der Girondisten nach ihrem Sturz im Juni 1793. Den girondistischen General Felix von Wimpffen, der sich im Sommer 1793 gegen den Nationalkonvent gestellt hatte und Caen besetzt hatte, bezeichnete er als „le plus vil des hommes“ – „den gemeinsten unter den Menschen“.

In Caen lebte die unverheiratete Adlige Charlotte Corday, die den Girondisten nahestand. Unter dem Einfluss der dort weit verbreiteten girondistischen Presse hielt sie Marat für den Urheber des Terrors, den sie erlebte. Sie beschloss, nach Paris zu fahren und ihn im Konvent zu ermorden. Am 11. Juli 1793 angekommen, erfuhr sie, dass Marat nicht mehr an den Konventssitzungen teilnahm. Daher versuchte sie ihn in seiner Wohnung in der rue des Cordeliers (heute rue de l’École de Médecine) aufzusuchen. Zu diesem Zweck hatte sie einen Brief an Marat verfasst, der mit dem auf dem Gemälde zitierten Worten endete. Zweimal wurde sie abgewiesen, beim dritten Mal drängelte sie sich mit einem Angestellten in die Wohnung. Von dem Lärm, den die Versuche, sie wieder hinauszuwerfen, verursachten, wurde Marat in seiner Badewanne aufgeschreckt und bat seine Lebensgefährtin Simone Evrard, Corday zu ihm zu bringen. Ohne ihm den Brief zu übergeben, verwickelte sie ihn in ein Gespräch über die Rebellion in der Normandie. Als Marat erklärte, er werde die Anführer „in ein paar Tagen alle guillotinieren lassen“, stach sie zu. Marat rief um Hilfe, einer seiner Angestellten schlug Corday mit einem Stuhl nieder, sie wurde gefesselt abgeführt und wenige Tage später hingerichtet. In ihrem ersten Verhör hatte sie sich zu der Tat bekannt, die sie allein geplant und ausgeführt habe, um Frankreich vom Bürgerkrieg zu befreien:

« Persuadée que Marat était le principal auteur de ce désastre, elle avait préféré à faire le sacrifice de sa vie pour sauver son pays. »

Marat war noch lebend aus der Wanne gehoben und auf sein Bett gelegt worden, wo er bald darauf an der Stichverletzung in der Brust verstarb.

Unmittelbar nach Marats Tod setzte in der Pariser Stadtbevölkerung ein regelrechter Kult um ihn ein, der von Marats Freund, dem Abgeordneten des Nationalkonvents und Maler Jacques-Louis David geschickt inszeniert wurde. In diesem Zusammenhang entstand auch das Gemälde. David war dazu unmittelbar nach der Nachricht vom Tode Marats im Nationalkonvent von dem Abgeordneten François-Elie Guiraut am 14. Juli 1793 aufgefordert worden: Er forderte ihn auf, ein Gegenstück zu seinem kurz zuvor entstandenen Bild „Les derniers moments de Michel Le Peletier “ („Die letzten Augenblicke Michel Le Peletier“) anzufertigen. Darauf hatte David den Tod des Le Peletiers verewigt, der, weil er für die Hinrichtung des Königs gestimmt hatte, im Januar 1793 von einem royalistischen Offizier ermordet worden war. David malte ihn sterbend auf dem Totenbett, über ihm, an einem Haar aufgehängt, ein Schwert mit einem Zettel, auf dem steht: „Je vote la mort du tyran“ („Ich stimme für den Tod des Tyrannen“). Dies Bild ist heute verloren, es existiert nur noch eine unvollständige Kopie in Form eines Kupferstichs von Pierre Alexandre Tardieu (1756–1844).

David vollendete sein Gemälde innerhalb von drei Monaten. Am 16. Oktober wurden beide Bilder in der Cour carrée des Louvre der Pariser Bevölkerung präsentiert, am 14. November übergab er den fertigen Tod des Marat dem Konvent. Der beschloss, beide Bilder an der Stirnseite des Sitzungssaales im Palais Bourbon aufzuhängen.

David idealisiert Marat als Märtyrer der Revolution. Die Tatsache, dass er ohne eigenes Zutun Opfer eines Mordanschlags wurde, wird in seinem Gemälde umgedeutet zu einer aktiven Selbstopferung. Die Mörderin ist auf dem Bild gar nicht zu sehen, nur der Brief (den Marat in Wirklichkeit nie erhielt), die Stichwunde und das Messer deuten auf ihre Anwesenheit hin. Auch andere namhafte Künstler wie Peter Paul Rubens und Guy François verwendeten dieses Stilelement. Die Darstellung des Revolutionärs in der Pose und Lichtgebung eines christlichen Märtyrers, wenn nicht gar eines Christus, übertrug die Bildsprache der Monarchie und des katholischen Glaubens auf die neue französische Republik.

Zur Idealisierung trägt auch bei, dass David die erwähnte Hauterkrankung Marats nicht darstellt, stattdessen ist der Körper Marats klassisch schön, in milchiges Licht getaucht. Die Schlichtheit der Malerei steht im Einklang mit den zugesagten Tugenden von Marat, die durch die großzügige Spende an die kinderreiche Kriegerwitwe noch beglaubigt wird. Der dominante dunkle Hintergrund wird von David als bedeutungssteigerndes Element und Betonung der hinterlassenen Leere eingesetzt.

Welche konkrete Propagandaabsicht David mit dem Bild verfolgte, das als Stich in zehntausendfacher Auflage weit verbreitet war, ist umstritten. Jörg Traeger sieht einen Zusammenhang mit der Kampagne für die neue Verfassung, die am 24. Juni 1793 beschlossen und am 10. August 1793 in einer Volksabstimmung von den Franzosen mit großer Mehrheit angenommen wurde. Thomas W. Gaehtgens glaubt dagegen, dass David mit dem Gemälde die Franzosen dazu aufrufen wollte, sich gegen innere Feinde, wie sie in den Attentaten auf Le Peletier und Marat sichtbar geworden waren, zu wehren. In dieser Interpretation wäre Der Tod des Marat ein Aufruf zum Großen Terror, der am 5. September 1793 offiziell begann.

Nach Robespierres Sturz wurde das Gemälde aus dem Palais Bourbon entfernt, David musste es jahrelang versteckt halten, um eine Zerstörung zu verhindern. Spätere französische Regierungen weigerten sich zweimal (1826 und 1837), das Bild zu kaufen, ein Neffe Davids vermachte es 1893 dem Königlichen Museum in Brüssel, wo der Maler auch seinen Lebensabend verbracht hatte.

Das Bild, eine Ikone der Französischen Revolution, wurde von anderen Malern vielfach rezipiert. Davids Zeitgenosse Guillaume-Joseph Roques (1757–1847) schuf noch 1793 einen Tod des Marat, der sich deutlich an David orientiert und ihn zu überbieten sucht: Seine Darstellung eines Toten ist realistischer – der Kopf ist nach hinten gesackt, die Augen gebrochen, die Hand kann die Schreibfeder nicht mehr halten –, das Zimmer hat deutlich mehr Details, auch die Wunde und das Blut sind drastischer gemalt. Statt Idealisierung geht es hier um Ausmalung des grauenhaften Geschehens. Der Historienmaler Paul Baudry (1828–1886) stellte das Ereignis in seinem Bild Die Ermordung Marats durch Charlotte Corday, das 1861, zur Zeit des zweiten Kaiserreiches entstand, ganz anders dar: Hier steht die Attentäterin im Mittelpunkt, sie ist die Heldin, die die mörderische Bestie der Revolution mutig zur Strecke gebracht hat – für Frankreich, das in Gestalt einer Landkarte den Hintergrund des Bildes beherrscht. Keine zwanzig Jahre später stellte Jean-Joseph Weerts (1847–1927) das Ereignis zur Zeit der Dritten Republik 1880 aus patriotisch-republikanischer Perspektive dar: Corday ist hier eine terroristische Mörderin. Sie steht, das blutige Messer noch in der Hand, der aufgebrachten, gerade hysterisch gestikulierenden Menge von Revolutionären gegenüber, die plötzlich ins Zimmer dringt. Der sterbende Marat ist an den unteren Rand der Bildmitte gerückt, ein Bezug auf Davids Werk ist nicht mehr zu erkennenAuch der mexikanische Maler Santiago Rebull Gordillo (1829–1902) romantisiert und dramatisiert in seinem 1875 entstandenen Werk La muerte de Marat das Geschehen: Marat bäumt sich auf, Corday reißt den Dolch an sich, im Hintergrund stürmen die entsetzten Bediensteten ins Zimmer. Eine politische Aussage ist hier nicht mehr zu erkennen. Der norwegische Maler Edvard Munch (1863–1944) erotisiert den Mord in seinem 1907 entstandenen GemäldeEr zeigt Corday nackt am Bett vor dem gleichfalls nackten Marat stehen, ein Gleichnis, des „grausamen, existenziellen Geschlechterkampfs“

Das Gemälde Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard Davids aus dem Jahr 1800, das er bis 1802 in fünf Versionen schuf, ist eines der bekanntesten Napoleon-Gemälde. Es stellt in idealisierter Form den Übergang Napoléons über die Alpen am Großen Sankt-Bernhard-Pass einige Wochen vor seinem Sieg über österreichische Truppen bei Marengo während des Zweiten Koalitionskrieges (1799–1802) dar. Da das Gemälde den Alpenübergang anders darstellt als dieser tatsächlich stattgefunden hat, ist es außerdem als Propaganda-Gemälde anzusehen.

Das Gemälde zeigt Napoléon Bonaparte, der auf dem Rücken eines sich aufrichtenden Pferdes sitzt. Die Front von Reiter und Pferd zeigt nach links. Napoléon trägt auf halber Höhe umgeschlagene Stiefel und eine edle Uniform, deren Kragen, Rock und der rechte Ärmelaufschlag mit feinen Stickereien verziert sind. Nur an der linken Hand trägt er einen Handschuh. Auf dem Kopf trägt Napoléon einen Zweispitz mit goldenem Rand und weiß-blau-roter Kokarde. Sein Oberkörper ist in einen orangefarbenen Umhang gehüllt. An seiner linken Seite hängt ein Degen. Napoléons linke Faust hält die nicht angezogenen Zügel des Schimmels, dessen Augen, Nüstern und Mund wild aufgerissen sind. Napoléon sitzt ruhig im Sattel und schaut mit festem, entschlossenem Blick in Richtung des Betrachters. Sein Umhang, sein Haar, die Mähne und der Schweif des Pferdes wehen nach links, also in Marschrichtung. Mit der rechten Hand weist er die Richtung, nach oben.

Im Hintergrund ziehen seine Soldaten Kanonen einen schmalen Gebirgspass hinauf (im Bild nach links oben). Ihnen folgt die Infantrie, von der nur die Bayonette zu sehen sind. Dahinter, auf der rechten Seite des Bildes, ist die Trikolore zu sehen, die ebenfalls in Marschrichtung weht. Dahinter auf der linken Seite höher, erhebt sich ein Gebirge. Der Himmel im oberen Teil des Bildes ist bewölkt, bläuliche Stellen hinter Napoléons Kopf und über der Bergspitze sowie helle Felsen unterhalb der Steilwand hinter dem Hinterteil des Pferdes und in der Nähe des Gipfels könnten ein Aufklären des Himmels darstellen.

Im Vordergrund, auf der linken Seite, sind in Großbuchstaben drei Namen in den Fels geritzt: "ANNIBAL", "KAROLUS MAGNUS" und darüber "BONAPARTE". Die unteren beiden Namen sind auf den meisten Abbildungen sowohl in den Büchern als auch auf Internetseiten teilweise abgeschnitten oder schlecht lesbar. Die zweite Inschrift lautet vollständig "KAROLUS MAGNUS IMP".

Das Gemälde wird im Saur allgemeinen Künstlerlexikon unter dem französischen Titel Bonaparte franchissant les Alpes au Grand-Saint-Bernard geführt.

Von dem Gemälde gibt es fünf Versionen, die in den Jahren 1800 bis 1802 entstanden. David hatte die einzelnen Exemplare mit Hilfe anderer Maler angefertigt Die Spanne der Unterschiede reicht von geringfügigen Details bis zu starken Unterschieden in den Farbtönen . Die verschiedenen, jeweils in Öl auf Leinwand ausgeführten Versionen unterscheiden sich im Farbton des Hintergrundes, in der Gestaltung des Himmels, in der Farbe von Napoléons Umhang und in der Farbe des Pferdes. Der Hintergrund variiert zwischen rötlicher, gelblicher, blau-gräulicher und oliv-gräulicher Färbung. Auf einer Ausführung erkennt man deutlich eine aufbrechenden Wolkendecke und Sonnenstrahlen. Auf den meisten anderen ist der Himmel dicht bewölkt. Napoléons Umhang variiert zwischen rot und orange. Auf den meisten Versionen hat das Pferd ein weißes oder beiges Fell, auf einer Version ist es kastanienbraun. Außerdem sind die Versionen in verschiedenen Maßen ausgeführt worden. Die Höhe des Bildes variiert zwischen 259 und 272 cm, die Breite zwischen 221 und 237 cm. Die wahrscheinlich erste Version in Schloss Malmaison hat die Maße 259 x 221 cm.

Wer das Gemälde in Auftrag gab, ist nicht sicher. Etienne-Jean Delecluze, ein Schüler Davids, nannte Napoléon selbst als Auftraggeber. Dieser soll ein Gemälde zur Erinnerung an den Sieg von Marengo gewünscht haben. Antoine Schnapper hält es für wahrscheinlicher, dass der spanische König Karl IV das Gemälde vorgeschlagen hatte. Alexander Sturgis und Hollis Clayson nennen den König ausdrücklich als Auftraggeber. Angesichts der politischen Situation könnte man vermuten, dass das Bild für Karl IV. gemacht wurde, den Auftrag aber ein anderer gegeben hatte. Spanien war 1796 auf Seiten Frankreichs in den Ersten Koalitionskrieg eingetreten, jedoch blieb es im Zweiten Koalitionskrieg neutral. Das Gemälde könnte eine Warnung an den spanischen König gewesen sein. Wenn Napoléon mit einer Armee die Alpen überqueren konnte, so galt dies auch für die Pyrenäen. Zu dieser Theorie würde auch die Feststellung von Christopher Prendergast passen, die besagt, dass das Gemälde dem spanischen König gesandt wurde, wenn auch nur die zweite Version.

David wollte Napoléon mit dem Degen in der Hand malen, jedoch lehnte dieser ab, da man, wie er selbst sagte, Schlachten nicht mit dem Degen gewinnen würde. Er wünschte vielmehr in ruhiger Pose auf einem heißblütigen Pferd gemalt zu werden. David ließ sich vom Kammerdiener Napoléons Uniform, Mantel, Hut, Stiefel und Degen, die Napoléon in Marengo getragen hatte, in sein Atelier bringen und zog damit eine Puppe an, die er als Modell benutzte.

Davids Gemälde gehört zur Gattung der Herrscherportraits zu Pferde, die auf die antiken kaiserlichen Reiterstatuen Roms zurückgehen. Diese Gattung wurde von Tizian durch sein Bild Kaiser Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg aus dem Jahre 1548 begründet. David bezog sich bei seinem Gemälde aber nicht nur auf Tizian. Als Vorbild für Napoléons Pferd nahm er Etienne-Maurice Falconets Reiterstandbild des russischen Zaren Peter der Große.

Davids Gemälde verblieb dann bis 1808/09 in Spanien, bis es von Joseph Bonaparte während seiner kurzen Regentschaft auf dem spanischen Thron wieder zurückerlangt wurde. Es befindet sich heute im Musée du Château de Malmaison.

Nach dem Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) gerieten die oberitalienischen Gebiete unter die Kontrolle Frankreichs. Während des Zweiten Koalitionskrieges (1799–1802) marschierten die Österreicher in die zu Frankreich gehörende Lombardei ein. Napoléon, seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire VIII (9. November 1799) Erster Konsul, brach umgehend zu seinem zweiten Italienfeldzug auf. Um dem Feind in den Rücken zu fallen, ihm seine Versorgung wegzunehmen und ihn vom Nachschub abzuschneiden wagte Napoléon den Übergang über die Alpen. Nach der Überquerung des Großen St. Bernhard-Passes vom 17. bis 20. Mai 1800 fiel seine Armee in Oberitalien ein und schlug die österreichischen Truppen am 14. Juni bei Marengo. Zeitgleich griff Jean Moreau die Österreicher in Süddeutschland an und warf sie über den Inn zurück. Am 15. Juli wurde ein Waffenstillstand geschlossen.

Tatsächlich hatte Napoléon die Alpen, nicht wie auf dem Gemälde dargestellt auf einem Pferd, sondern auf einem Maultier in der Nachhut seiner Armee überquert. Die Beförderung der Kanonen hat ebenfalls nicht so stattgefunden wie es das Gemälde zeigt. Die Geschütze wurden zerlegt, die Lafetten auf Maultiere gespannt und die Rohre in ausgehöhlten Baumstämmen verpackt von jeweils 100 Mann den Berg hinaufgezogen und nicht von einigen wenigen Soldaten am Stück den Berg hinauf gezogen bzw. geschoben.

Napoléon war zum auf dem Gemälde dargestellten Zeitpunkt nur Erster Konsul und nicht, wie aufgrund der Verbindung zu Karl dem Großen und die einer Reiterstatue eines Caesaren ähnlichen Darstellung denkbar, Kaiser der Franzosen. Dies wurde er erst 1804. Aufgrund der Tatsache, dass Napoléon erst knapp ein halbes Jahr vor der Schlacht von Marengo Erster Konsul wurde, kann man davon ausgehen, dass er nicht um Frankreichs Willen nach Oberitalien gezogen ist, wie es durch die dargestellte Trikolore unterstellt werden könnte. Vielmehr galt es ihm wohl, seine Macht zu sichern. Der Verlust der Lombardei und Piemonts hätte auch gleichzeitig ein Prestigeverlust bedeutet und seinen Rang als Erster Konsul gefährdet.

Schlussendlich war die Alpenüberquerung durch Napoléon nichts Ungewöhnliches oder Einzigartiges. Schon in den zwei Jahren vor Napoléons Übergang hatten französische Armeen die Alpen passiert um österreichische und russische Truppen in der Schweiz abzufangen. Außerdem hatten während des Oberitalienfeldzuges vier weitere französische Verbände die Alpen überquert.

Napoléons Anteil am Sieg über Österreich ist ebenfalls nicht so, wie man bei der Betrachtung des Gemäldes denken könnte. Fünf weitere Feldherren operierten im Kriegsgebiet. Desaix und Kellermann trugen entscheidend zum Sieg in Marengo bei. Außerdem hatte Napoléon von Moreau eine Verstärkung durch Bon-Adrien Jeannot de Moncey mit 25.000 Mann verlangt. Dieser kam Napoléon mit 15.000 Mann zu Hilfe – nach einem Marsch über die Alpen.

Abgesehen davon war Napoléons Sieg nicht der einzige, der zum Waffenstillstand führte. Überdies dauerte der erzwungen Frieden nicht lange, so dass die Siege nichts mehr wert waren. Wie schon erwähnt entstanden noch weitere Versionen des Gemäldes in den Jahren 1801 und 1802. Es ist wahrscheinlich, dass diese Versionen in Auftrag gegeben und verbreitet wurden, um Napoléons Ansehen als einziger erfolgreicher Feldherr aufrechtzuerhalten. Die Realität sah anders aus. Der Krieg war im November 1800 wieder aufgeflammt. Nun war es aber Moreau, dem es schon am 3. Dezember desselben Jahres gelang, die österreichischen Truppen bei Hohenlinden entscheidend zu schlagen und sie durch rasches Nachsetzen am 25. Dezember zum erneuten Waffenstillstand zu zwingen.

Der Auftraggeber für das Gemälde „Der Schwur der Horatier“ war der Minister für schöne Künste der Regierung König Ludwigs XVI. von Frankreich. Das Motiv selbst war dem Künstler freigestellt, nur die Größe war festgelegt, die David aber im Laufe der Entstehungsphase erweiterte. Er entschied sich für die bei Livius (Ab urbe condita) überlieferte Geschichte des Kampfes der Horatier gegen die Curiatier, der zwischen 672 und 640 v. Chr. stattgefunden haben soll. Livius berichtet davon im Rahmen des Krieges zwischen Alba Longa und Rom.

Auf Grund von Streitigkeiten und wechselseitigem Viehdiebstahl zwischen den beiden Städten waren diese einander feind. Rom erklärte Alba Longa den Krieg, doch da die Etrusker beide Städte bedrohten und sie noch alle Streitkräfte benötigten, einigten sich die Städte auf einen Stellvertreterkampf zwischen je drei waffenfähigen Brüdern. In Alba Longa wählte man die Kämpfer aus der Familie der Curiatier aus, in Rom aus der Familie der Horatier.

Dass die Wahl auf sie gefallen war, erfüllte die Brüder mit Stolz, obwohl sie einen nicht ohne weiteres lösbaren Konflikt in sich barg, denn beide Familien waren miteinander verschwägert: Sabina, Schwester der Curiatier, war mit einem Horatier vermählt; Camilla, dessen Schwester, war mit einem der Curiatier verlobt, zugleich einem Freund ihres Bruders.

Aus dem Stellvertreterkampf kehrte nur der jüngste der Horatier zurück, allerdings als Sieger. Denn als seine beiden Brüder bereits gefallen waren, die Curiatier jedoch nur unterschiedlich verwundet, wandte er eine Kriegslist an: Zum Schein ergriff er die Flucht, in der richtigen Erwartung, die Gegner würden ihn nicht alle gleich schnell verfolgen können. Unvermutet stellte er sich dann wieder und erschlug alle drei, zuerst den schnellsten, weil nur leicht verletzten, zuletzt den am schwersten Verwundeten.

Als er zu seiner Familie zurückkehrte, brach seine Schwester Camilla in Tränen um ihren getöteten Verlobten aus. Daraufhin zog er das Schwert und erschlug sie mit den Worten: „Weg mit dir zu deinem Verlobten mitsamt deiner unangebrachten Liebe! Vergessen hast du deine toten Brüder und den Lebenden, vergessen deine Vaterstadt. So soll jede Römerin dahingehen, die um den Feind trauert!“

Den Schwur, den David darstellt, kommt bei Livius allerdings nicht vor, auch nicht bei einem der anderen Autoren (z. B. Plutarch, Valerius Maximus und Dionysios von Halikarnassos). Selbst in dem Theaterstück „Horace“ des Dramatikers Pierre Corneille wird er nicht gezeigt. Dieses 1640 in Paris uraufgeführte Stück, das als eigentliche Themen den Patriotismus und die Macht des Volkes zum Inhalt hatte, war der Pariser Gesellschaft zur Zeit Davids gut bekannt und der Künstler selbst war von dieser Aufführung begeistert. Damit hatte David sein Motiv für den staatlichen Auftrag gefunden und begab sich eigens mit seiner Familie nach Rom, um sich ganz in die Formenwelt der Antike einzusehen.

In seiner Bildkomposition ordnet David die Handlung wie auf einer Bühne bildparallel an. Mit dem dunkel gehaltenen Hintergrund der Arkaden hat er die unauslotbare Tiefe gleichsam als Bedeutungskulisse eingesetzt. Komposition und Aussage fallen dabei in eins zusammen: Im Zentrum steht der Auftrag zum Waffengang, personifiziert in der Vatergestalt. Im Zentrum blinken auch die Schwerter, die ausgestreckten Schwurhände deuten auf die Waffen, die auf die bevorstehende Tat hinweisen. Die fein abgestuften Abwinkelungen der Arme bilden einen harmonischen Dreiklang. Die unterschiedliche Gestaltung der Schwerter formuliert einen zusätzlichen Aspekt: Dies ist nicht uniforme Vorbereitung, sondern die Spontaneität individuell Begeisterter.

Hinter dem väterlichen Rücken blickt der Betrachter auf eine Gruppe Frauen mit zwei kleinen Kindern. Die blonde junge Frau mit dem weißen Schleier im Vordergrund wird in der Literatur als Sabina, die Schwester der Curiatier, gedeutet. Die Frau am äußeren rechten Rand soll Camilla, die Schwester der Horatier, darstellen. Ihr linker Arm hängt schlaff nach unten, sie selbst neigt sich kraftlos nach vorne. Während die Gruppe der Männer von Dynamik und Kampf durchdrungen ist, zeigen die Frauen Trauer, Müdigkeit und Resignation.

Mit der Fertigstellung des Schwur der Horatier läutete David den Klassizismus ein. Obwohl sein Gemälde keineswegs der Verschwörung gegen die Staatsautorität das Wort reden wollte, wurde die Darstellung in der gespannten Atmosphäre der vorrevolutionären Jahre in dieser Richtung interpretiert. Für den Künstler selbst wurde das Bild ein triumphaler Erfolg. Das Publikum war überwältigt vom vollzogenen Bruch mit der barocken Stiltradition. Hier war offensichtlich erstmals die Einheit von Zeit und Handlung in eine bewusst nüchterne Komposition eingebunden worden. Das Publikum kannte die Geschichte von der leidenschaftlichen Opferbereitschaft dieser Helden und war sich auch dessen bewusst, dass die trauernden Frauen im Bild für die Vorahnung des tragischen Ausgangs standen.

Nach vielen Rückschlägen verdankte David diesem Gemälde seinen Aufstieg zum Ruhm. So schrieb der Berichterstatter des Teutschen Merkur aus Rom: „Nicht nur die Künstler, Liebhaber und Kenner, sondern selbst das Volk läuft truppweise vom Morgen bis zum Abend herbey, es zu sehen … keine Papstwahl setzte je die Gemüter in eine größere Bewegung“, so der Schreiber, tief beeindruckt von der „antiken Simplizität“. Kurz darauf war im Journal de Paris zu lesen: „…beim Anblick dieses Gemäldes wird man von einem Gefühl ergriffen, das sie Seele erhebt und das, um mit Jean-Jacques Rousseau zu sprechen, etwas Herzerhebendes hat, das einen begeistert.“ Zwar wurde die steife, statuarische Figurenhaltung schon bald gerügt, doch in der Öffentlichkeit, vor allem im Salon de Paris, stieß gerade dieser Stilwandel auf Begeisterung.

David ließ weitere Gemälde dieser Art folgen, so etwa Sokrates, den Giftbecher trinkend (1787), und Brutus, dem die Leichen seiner Söhne ins Haus gebracht werden (1789). Es war jedoch der Schwur der Horatier, der gleichsam zum Programmbild der Französischen Revolution wurde und dem Künstler später auch einen Sitz im Nationalkonvent einbrachte.

Für die Impressionisten war jede Veränderung der Lichtstimmung von Bedeutung, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Wetterlage ergaben jeweils neue Ansichten desselben Motivs und deren Wiedergabe war vor allem eine Frage der Farben. 1890/91 entstand eine Serie mit einem im ländlichen Gebiet alltäglichen Motiv, dem aufgetürmten Heu auf den Wiesen. In Claude Monets Gemälde Heuhaufen im Spätsommer herrscht ein goldgelben Grundton mit bläulichem Schatten vor. In seinem anderen Werk Verschneite Heuhufen im Winter verwendet er kalte Farbtöne, doch auch der von der blassen Wintersonne beleuchtete Schnee hat blaue Schatten.

Die Metropole Paris übte auch eine große Faszination für die Künstler des Impressionismus aus und bot ihnen zugleich unzählige Motive und Studienobjekte. Auguste Renoir liebte es, gesellschaftliche Anlässe wie Ballabende und Volksfeste darzustellen, während das Treiben auf den Straßen und Boulevards, flanierende Menschen und Passanten sowie die Lichter der Großstadt, das Thema zahlreicher Studien Camille Pissarros wie in dem Bild Boulevard Montmartre bei Nacht aus dem Jahre 1897 war.

Die Seine-Landschaft mit ihrem langen und gewundenen Flussverlauf, bot den impressionistischen Künstlern die Möglichkeit, das Spiel der Farben und die Reflexe des Wassers in allen Variationen zu studieren. Monet mal 1869 das Gemälde La Grenouillere, das dafür als Beispiel dienen kann. Die Pariser Bevölkerung liebte es, die Sonntage im Freien zu verbringen, in öffentlichen Parks und Gärten oder bei den zu jener Zeit sehr beliebten Regatten. Die impressionistischen Maler bannten einfach das auf die Leinwand, was sie sahen. Sie fanden bei diesen Anlässen unzählige Motive und Sujets für ihre Bilder.

Das Interesse der Impressionisten galt neben dem Licht, der Landschaft und der Atmosphäre auch den Szenen aus dem Alltag und den diversen Vergnügen im gesellschaftlichen Leben. Edgar Degas bevorzugte in seinen Werken als Hauptmotiv die menschliche Figur in Bewegung und stellte sie vor allem in Innenräumen dar. Das klassische Ballett erfreute sich auch in Paris zu jener Zeit großer Beliebtheit. Degas malte daher unzählige Schülerinnen in duftigen weißen Kostümen auf der Bühne oder während des Tanzunterrichtes. Das Werk Tanzstunde aus dem Jahre 1879 gibt dies beeindruckend wieder. Eine weitere Leidenschaft der Pariser Bevölkerung war der Gesellschaftstanz. Ballabende und Volksfeste verzeichneten einen unerwartet großen Zulauf. Sie sind das Thema dreier großer Gemälde von Renoir, wo glückliche und heitere Menschen dargestellt werden.

Von seinem Boot aus malte Monet bevorzugt Flusslandschaften, die er dann nachher häufig in seinem Atelier überarbeitete. Der Pariser Maler Edouard Manet hielt im Jahre 1874 Monet mit Camille in seinem Atelier-Boot auf Leinwand fest. Der junge Maler wurde von berühmten Künstlern wie Franz Hals, Diego Velázquez, Tizian, Tintoretto, Goya und Delacroix beeinflusst. Dieser Bann macht sich in seinen Werken motivisch und maltechnisch bemerkbar. Er kopierte diese Gemälde meist aus dem Louvre oder auf ausgedehnten Auslandsreisen nach Deutschland, Österreich, Italien, Niederlande und Spanien. 1856 bezieht Manet mit einem Freund sein erstes Atelier in Paris. Er malte Genrebilder, auf denen er das Alltagsleben der armen Menschen darstellte. Aber in dieser Zeit entstanden auch Kaffeehausszenen und Stierkampfszenen. 1859 versucht er das erste Mal im Salon auszustellen, doch Manets Bilder werden abgelehnt, weil seine Bilder zu realistisch sind, wie zum Beispiel „Der Absinthtrinker“. 1860 richtet er sich ein neues Atelier ein und bezieht gemeinsam mit seiner Frau Suzanne und seinem Sohn eine Wohnung. 1861 wird das erste Bild von Manet im Pariser Salon ausgestellt. Mit einer Auszeichnung für das Bild "Gitarrenspiel", bekam er die ersehnte Bestätigung als Künstler. Ein Jahr darauf stirbt sein Vater und Manet wird durch sein Erbe reich. 1863 wollte der Künstler wieder im Salon ausstellen und stößt wiederum auf Ablehnung.

Daraufhin werden seine Bilder im Salon des Refusés ausgestellt, wo abgewiesene Maler ihre Kunstwerke präsentieren können. Das Gemälde „Frühstück im Grünen“ (1861) verursacht einen großen Skandal und Entrüstung. 1865 stellt Manet weitere Bilder aus, unter ihnen lösen seine Gemälde die "Verspottung Christi" und die "Olympia" erneut Empörung aus. Im gleichen Jahr reiste Manet nach Spanien. Außerdem besucht er das Café Guerbois, wo er sich mit jungen Pariser Malern trifft, wie zum Beispiel Nadar, De Nittis, Fantin-Latour, Bazille, Degas, und Monet. 1867 wird Manet von der Pariser Weltausstellung ausgeschlossen und so macht er seine eigene Messe, aber nicht mit dem erhofften Erfolg. Seine Bilder anlässlich der Erschießung Kaiser Maximilians 1869 in Mexiko werden verboten.

Die Jahre darauf zeigt er einige Gemälde wie zum Beispiel das „Porträt Zolas“ und „Frühstück im Atelier“ im Salon. 1870 geht Manet freiwillig zur Nationalgarde im Deutsch-Französischen Krieg. Manet verkauft Bilder und stellt im Salon aus, mit einigen Gemälden hat er große Erfolge. Durch die Beeinflussung von Claude Monet beschäftigte sich Manet mit der Freiluftmalerei. Er holte sich Anregungen für Lichteffekte und Farbkombinationen. Die Konsequenz daraus war, dass er eine freundlichere, lockere und sanftere Pinselführung entwickelte. Seine Farbpalette hellte sich auf und seine Themen wandelten sich von Landschaften, Alltagsszenen bis hin zum Stillleben. Er verstand es eine große Farbfläche aufzulösen und somit die Zweidimensionalität zu unterstreichen. Manet löste sich in seinen Bildern von dem perspektivischen und leitete somit ein Teil der modernen Kunst ein. Er wird auch als Bahnbrecher des Impressionismus genannt. Manet selbst bezeichnete sich nie als Impressionist und hatte sich den jungen Künstlern nur freundschaftlich angeschlossen. Er lehnt sogar eine Teilnahme an der ersten Gruppenausstellung seiner Freunde ab. Aber für die jungen Maler war Manet ein Vorbild und so hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung des Impressionismus.

1876 gibt es erste Anzeichen einer Rückenmarksschwindsucht, welche als solche nicht erkannt wird. Trotz seiner Erfolge in den vergangenen Jahren, werden 1877 einige Kunstwerke immer noch zurückgewiesen und nicht zur Ausstellung zugelassen, wie zum Beispiel der „Nana“. So bleibt Manet stets umstritten. Doch die Weltausstellung 1878 in Paris und auch Jahre später in New York und Boston sind große Erfolge gewesen. Er bekommt auf einige Bilder Medaillen und wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Seine Krankheit zwang ihn auf das Malen im Freien zu verzichten. Manet beschäftigte sich also mit der Pastell-Technik und der Miniaturmalerei, welche ihm noch ermöglichten weiter zu malen. Damals entstanden sehr viele Porträts, die in der Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen wurden sind. Außerdem entstanden emotionale und empfindsame Gemälde, wie zum Beispiel die „Blonde Frau mit entblößten Brüsten“ (1878).

Manet malte im Sommer 1874 zusammen mit Monet und Renoir im südlich von Paris gelegenen Argenteuil. Unter dem Einfluss von Monet nahm Manet die impressionistische Malweise auf. Er verzichtete auf eine Modellierung seiner Figuren mit Licht und Schatten und wandte sich starken Farbkontrasten zu Auch der Maler vor seiner Leinwand ist nur durch die hellen Farben seiner Kleidung abgegrenzt. Die Darstellung von Figuren im Freien erforderte eine schnelle Arbeitsweise, da sich die Lichtverhältnisse im Gegensatz zum Atelier rasch veränderten. Der Fluss zum Beispiel ist in Manets Arbeiten mit breiten Pinselstrichen in Blau, Weiß- und Gelbtönen zusammengesetzt, die die Brechung des Lichts dann wiedergeben. Manets Herkunft aus dem französischen Großbürgertum gestattete ihm größere Freiheiten. Er nahm an keiner der insgesamt acht Impressionistenausstellungen zwischen 1874 und 1886 teil, reichte ganz im Gegenteil viele seiner Bilder zu den Salonausstellungen ein. Sein Bild von Monet im Atelier-Boot stellte einen Wendepunkt in seinem Schaffen dar, denn seit dieser Zeit malte Manet auch oft in freier Natur.

Die impressionistischen Künstler haben aber nicht ausschließlich unter freiem Himmel gemalt. Diese Möglichkeit der Ölmalerei unter freiem Himmel bot sich überhaupt erst durch eine technische Neuerung: Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die Künstler Ölfarben in Tuben kaufen und waren nicht mehr auf das aufwendige Mischen von Bindemitteln und Pigmenten angewiesen.

Für die Impressionisten war jede Veränderung der Lichtstimmung von Bedeutung, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Wetterlage ergaben jeweils neue Ansichten desselben Motivs und deren Wiedergabe war vor allem eine Frage der Farben. 1890/91 entstand eine Serie mit einem im ländlichen Gebiet alltäglichen Motiv, dem aufgetürmten Heu auf den Wiesen. In Claude Monets Gemälde Heuhaufen im Spätsommer herrscht ein goldgelben Grundton mit bläulichem Schatten vor. In seinem anderen Werk Verschneite Heuhufen im Winter verwendet er kalte Farbtöne, doch auch der von der blassen Wintersonne beleuchtete Schnee hat blaue Schatten.

Die Metropole Paris übte auch eine große Faszination für die Künstler des Impressionismus aus und bot ihnen zugleich unzählige Motive und Studienobjekte. Auguste Renoir liebte es, gesellschaftliche Anlässe wie Ballabende und Volksfeste darzustellen, während das Treiben auf den Straßen und Boulevards, flanierende Menschen und Passanten sowie die Lichter der Großstadt, das Thema zahlreicher Studien Camille Pissarros wie in dem Bild Boulevard Montmartre bei Nacht aus dem Jahre 1897 war.

Die Seine-Landschaft mit ihrem langen und gewundenen Flussverlauf, bot den impressionistischen Künstlern die Möglichkeit, das Spiel der Farben und die Reflexe des Wassers in allen Variationen zu studieren. Monet mal 1869 das Gemälde La Grenouillere, das dafür als Beispiel dienen kann. Die Pariser Bevölkerung liebte es, die Sonntage im Freien zu verbringen, in öffentlichen Parks und Gärten oder bei den zu jener Zeit sehr beliebten Regatten. Die impressionistischen Maler bannten einfach das auf die Leinwand, was sie sahen. Sie fanden bei diesen Anlässen unzählige Motive und Sujets für ihre Bilder.

Das Interesse der Impressionisten galt neben dem Licht, der Landschaft und der Atmosphäre auch den Szenen aus dem Alltag und den diversen Vergnügen im gesellschaftlichen Leben. Edgar Degas bevorzugte in seinen Werken als Hauptmotiv die menschliche Figur in Bewegung und stellte sie vor allem in Innenräumen dar. Das klassische Ballett erfreute sich auch in Paris zu jener Zeit großer Beliebtheit. Degas malte daher unzählige Schülerinnen in duftigen weißen Kostümen auf der Bühne oder während des Tanzunterrichtes. Das Werk Tanzstunde aus dem Jahre 1879 gibt dies beeindruckend wieder. Eine weitere Leidenschaft der Pariser Bevölkerung war der Gesellschaftstanz. Ballabende und Volksfeste verzeichneten einen unerwartet großen Zulauf. Sie sind das Thema dreier großer Gemälde von Renoir, wo glückliche und heitere Menschen dargestellt werden.

Von seinem Boot aus malte Monet bevorzugt Flusslandschaften, die er dann nachher häufig in seinem Atelier überarbeitete. Der Pariser Maler Edouard Manet hielt im Jahre 1874 Monet mit Camille in seinem Atelier-Boot auf Leinwand fest. Der junge Maler wurde von berühmten Künstlern wie Franz Hals, Diego Velázquez, Tizian, Tintoretto, Goya und Delacroix beeinflusst. Dieser Bann macht sich in seinen Werken motivisch und maltechnisch bemerkbar. Er kopierte diese Gemälde meist aus dem Louvre oder auf ausgedehnten Auslandsreisen nach Deutschland, Österreich, Italien, Niederlande und Spanien. 1856 bezieht Manet mit einem Freund sein erstes Atelier in Paris. Er malte Genrebilder, auf denen er das Alltagsleben der armen Menschen darstellte. Aber in dieser Zeit entstanden auch Kaffeehausszenen und Stierkampfszenen. 1859 versucht er das erste Mal im Salon auszustellen, doch Manets Bilder werden abgelehnt, weil seine Bilder zu realistisch sind, wie zum Beispiel „Der Absinthtrinker“. 1860 richtet er sich ein neues Atelier ein und bezieht gemeinsam mit seiner Frau Suzanne und seinem Sohn eine Wohnung. 1861 wird das erste Bild von Manet im Pariser Salon ausgestellt. Mit einer Auszeichnung für das Bild "Gitarrenspiel", bekam er die ersehnte Bestätigung als Künstler. Ein Jahr darauf stirbt sein Vater und Manet wird durch sein Erbe reich. 1863 wollte der Künstler wieder im Salon ausstellen und stößt wiederum auf Ablehnung.

Daraufhin werden seine Bilder im Salon des Refusés ausgestellt, wo abgewiesene Maler ihre Kunstwerke präsentieren können. Das Gemälde „Frühstück im Grünen“ (1861) verursacht einen großen Skandal und Entrüstung. 1865 stellt Manet weitere Bilder aus, unter ihnen lösen seine Gemälde die "Verspottung Christi" und die "Olympia" erneut Empörung aus. Im gleichen Jahr reiste Manet nach Spanien. Außerdem besucht er das Café Guerbois, wo er sich mit jungen Pariser Malern trifft, wie zum Beispiel Nadar, De Nittis, Fantin-Latour, Bazille, Degas, und Monet. 1867 wird Manet von der Pariser Weltausstellung ausgeschlossen und so macht er seine eigene Messe, aber nicht mit dem erhofften Erfolg. Seine Bilder anlässlich der Erschießung Kaiser Maximilians 1869 in Mexiko werden verboten.

Die Jahre darauf zeigt er einige Gemälde wie zum Beispiel das „Porträt Zolas“ und „Frühstück im Atelier“ im Salon. 1870 geht Manet freiwillig zur Nationalgarde im Deutsch-Französischen Krieg. Manet verkauft Bilder und stellt im Salon aus, mit einigen Gemälden hat er große Erfolge. Durch die Beeinflussung von Claude Monet beschäftigte sich Manet mit der Freiluftmalerei. Er holte sich Anregungen für Lichteffekte und Farbkombinationen. Die Konsequenz daraus war, dass er eine freundlichere, lockere und sanftere Pinselführung entwickelte. Seine Farbpalette hellte sich auf und seine Themen wandelten sich von Landschaften, Alltagsszenen bis hin zum Stillleben. Er verstand es eine große Farbfläche aufzulösen und somit die Zweidimensionalität zu unterstreichen. Manet löste sich in seinen Bildern von dem perspektivischen und leitete somit ein Teil der modernen Kunst ein. Er wird auch als Bahnbrecher des Impressionismus genannt. Manet selbst bezeichnete sich nie als Impressionist und hatte sich den jungen Künstlern nur freundschaftlich angeschlossen. Er lehnt sogar eine Teilnahme an der ersten Gruppenausstellung seiner Freunde ab. Aber für die jungen Maler war Manet ein Vorbild und so hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung des Impressionismus.

1876 gibt es erste Anzeichen einer Rückenmarksschwindsucht, welche als solche nicht erkannt wird. Trotz seiner Erfolge in den vergangenen Jahren, werden 1877 einige Kunstwerke immer noch zurückgewiesen und nicht zur Ausstellung zugelassen, wie zum Beispiel der „Nana“. So bleibt Manet stets umstritten. Doch die Weltausstellung 1878 in Paris und auch Jahre später in New York und Boston sind große Erfolge gewesen. Er bekommt auf einige Bilder Medaillen und wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Seine Krankheit zwang ihn auf das Malen im Freien zu verzichten. Manet beschäftigte sich also mit der Pastell-Technik und der Miniaturmalerei, welche ihm noch ermöglichten weiter zu malen. Damals entstanden sehr viele Porträts, die in der Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen wurden sind. Außerdem entstanden emotionale und empfindsame Gemälde, wie zum Beispiel die „Blonde Frau mit entblößten Brüsten“ (1878).

Manet malte im Sommer 1874 zusammen mit Monet und Renoir im südlich von Paris gelegenen Argenteuil. Unter dem Einfluss von Monet nahm Manet die impressionistische Malweise auf. Er verzichtete auf eine Modellierung seiner Figuren mit Licht und Schatten und wandte sich starken Farbkontrasten zu Auch der Maler vor seiner Leinwand ist nur durch die hellen Farben seiner Kleidung abgegrenzt. Die Darstellung von Figuren im Freien erforderte eine schnelle Arbeitsweise, da sich die Lichtverhältnisse im Gegensatz zum Atelier rasch veränderten. Der Fluss zum Beispiel ist in Manets Arbeiten mit breiten Pinselstrichen in Blau, Weiß- und Gelbtönen zusammengesetzt, die die Brechung des Lichts dann wiedergeben. Manets Herkunft aus dem französischen Großbürgertum gestattete ihm größere Freiheiten. Er nahm an keiner der insgesamt acht Impressionistenausstellungen zwischen 1874 und 1886 teil, reichte ganz im Gegenteil viele seiner Bilder zu den Salonausstellungen ein. Sein Bild von Monet im Atelier-Boot stellte einen Wendepunkt in seinem Schaffen dar, denn seit dieser Zeit malte Manet auch oft in freier Natur.

Der Versuch, das künstlerisch wiederzugeben, was man sieht, nicht das, was man weiß, erstreckte sich nicht nur auf die freie Natur: Paris mit seinen Boulevards und Plätzen, Cafés und Varietés voller Menschen, mit Parks, Bahnhöfen oder Pferderennbahnen bot ebenso zahlreiche Motive. Auch die Wiedergabe von Bewegung faszinierte viele Impressionisten, nicht nur in Frankreich.

Schloss Versailles

Als Ludwig XIV. 1661 die Herrschaft antrat, war Frankreichs Staatshaushalt durch den letzten Krieg mit Spanien stark angespannt. Ludwig förderte enorm den Geldkreislauf, indem er große Summen für seine Kriege, für das Hofleben, Kunst und Kultur ausgab. Große Geldmengen verschwanden durch Korruption in der französischen Bürokratie. Ludwig selbst schreibt: „Als Mazarin starb, da herrschte viel Unordnung in der Verwaltung meines Königreiches.“ Ludwig XIV. setzte sich zum Ziel dieses Chaos auszurotten und klare Ordnung in den staatlichen Strukturen Frankreichs herzustellen. Als erstes ließ er 1661 seinen Finanzminister (Oberintendanten der Finanzen) Nicolas Fouquet verhaften, weil sich dieser an den Einnahmen des Staates bereichert hatte, um das luxuriöse Schloss Vaux-le-Vicomte erbauen zu können. Ein deutliches Zeichen an dessen Nachahmer.

Ludwig XIV. ernannte daraufhin Jean-Baptiste Colbert, den bekanntesten Förderer des Merkantilismus, zu seinem Generalkontrolleur der Finanzen. Das Amt des Finanzministers wurde abgeschafft und durch einen Finanzrat ersetzt, dem der König und Colbert persönlich vorstanden. Etwas Unerhörtes zu dieser Zeit, denn ein König hatte sich damals eigentlich nicht um etwas so Unschickliches wie Geld zu kümmern. Indem Colbert die Korruption bekämpfte und die Bürokratie neu organisierte, konnte er die Steuereinnahmen mehr als verdoppeln, ohne neue Steuern erheben zu müssen. So war es Ludwig möglich, bereits am Anfang seiner persönlichen Regierung eine Steuersenkung zu erlassen und so ein schnelleres Wachstum der französischen Wirtschaft zu erreichen.

Die Wirtschaft wurde durch die Einrichtung von Handelskompanien und Manufakturen gefördert. Besonders die französische Luxusindustrie wurde bald führend in Europa und darüber hinaus. Mit Waren wie Gobelinteppichen, Spiegeln, Spitzen, Goldschmiedearbeiten und Möbeln, die in ganz Europa begehrt waren, erzielte die Krone Spitzenprofite. Nach innen wurde Nordfrankreich einer Zollunion unterworfen, um so innerfranzösische Handelshemmnisse abzubauen. Colberts Versuche eine einheitliche Zollbarriere für das ganze Königreich zu erwirken, scheiterten jedoch an lokalen Handelsprivilegien.

Das französische Steuersystem enthielt Handelssteuern (aides, douanes), Salzsteuer (gabelle) und Landsteuer (taille). Durch veraltete Regelungen aus dem Feudalismus waren der Adel und der Klerus von diesen direkten Steuern befreit, die von der Landbevölkerung und der aufstrebenden Mittelklasse (der Bourgeoisie) aufgebracht werden mussten. Vermutlich wurde die Französische Revolution auch vom Ärger über dieses alte Steuersystem genährt. Allerdings ist unter Ludwig XIV. die Tendenz festzustellen, den Adel und Klerus der direkten Steuer zu unterwerfen. Zur Zahlung der indirekten Steuern waren diese ohnehin verpflichtet. Der König führte die „capitation“ – eine Kopfsteuer – ein, von der die unteren Schichten kaum erfasst wurden, aber von der die beiden oberen Stände in vollem Umfang betroffen waren. Selbst die Prinzen von Geblüt und der Dauphin mussten den höchsten Steuersatz zahlen. Auf diese Weise wurde der Hochadel zum ersten Mal unvermittelt an der Finanzierung des Staates beteiligt.

Beim Tode Ludwig XIV. war Frankreich das reichste Königreich Europas mit überdurchschnittlichen Staatseinnahmen, welche die Finanzen anderer Staaten bei weitem übertraf. Allerdings betrugen die Staatsschulden durch die harten Anforderungen des Spanischen Erbfolgekrieges 3,5 Milliarden Livres; als Ludwig im Jahr 1715 starb betrugen die Steuereinnahmen 69 Millionen und die Staatsausgaben 132 Millionen Livres. Dies änderte aber nichts an der enormen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Frankreich verfügte über das zweitgrößte Handelsvolumen und eine deutlich positive Handelsbilanz; nur die Holländer vermochten höhere Gewinne mit ihren internationalen Handelskompanien zu erzielen. Frankreich war ein strukturell stabiles und ressourcenstarkes Land, das mit über 20 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Europas war.

Eine wichtige Rolle in Ludwigs Politik spielten auch die katholischen Würdenträger Jacques Bossuet und François Fénelon. Jacques Bénigne Bossuet war französischer Bischof und Autor. Nach der Priesterweihe und dem Doktorat 1652 wurde er Kanonikus (Domherr) im 1633 von Frankreich annektierten Metz, wo sein Vater ein Richteramt am neu gegründeten Parlement erhalten hatte. Hier machte er sich die Bekämpfung des Protestantismus zur vordringlichen Aufgabe und publizierte 1655 seine erste Schrift, die gegen den protestantischen Pfarrer Ferri gerichtete Réfutation du catéchisme de Paul Ferri. Daneben hielt er sich aber häufig auch in Paris auf und war dort Schüler des großen Predigers der Caritas Saint Vincent de Paul (1581–1660).

Ab 1660 lebte er ganz in Paris und machte sich rasch einen Namen als Kanzelredner und Panegyriker. 1662 durfte er im Louvre vor König Ludwig XIV. und dem Hof die Fastenpredigt halten. Hiernach war er in Mode, obwohl er sich nicht scheute, gelegentlich den jungen König zu mehr Sittenstrenge zu ermahnen oder die Reichen an ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Armen zu erinnern. Immer öfter wurde er auch gebeten, die Totenmesse für hochstehende Verstorbene zu zelebrieren und dabei eine Trauerrede zu halten, zum Beispiel 1667 für Anna von Österreich, die fromme Königin-Mutter, oder 1670 für Henriette d'Angleterre, die jungverstorbene Schwägerin Ludwigs. 1669 wurde er zum Bischof der kleinen Diözese Condom in Südwestfrankreich ernannt, die er aber weitgehend von Paris aus verwalten konnte. 1671 wurde er Mitglied der Académie Française.

Kurz zuvor (1670) war er zum Hauslehrer (précepteur) des Kronprinzen (Dauphin) Louis berufen worden (der 1711 vor seinem Vater Ludwig XIV. starb, d.h. nicht den Thron bestieg). Für seinen königlichen, jedoch nicht allzu bildungshungrigen Zögling verfasste er im Lauf seiner insgesamt zehn Präzeptorjahre eine Reihe von Traktaten: eine Exposition de la doctrine catholique („Darlegung der katholischen Lehre“), eine Regierungsanleitung La Politique tirée des propres paroles de l'Écriture Sainte („Die Politik, gezeichnet nach den eigenen Worten der Heiligen Schrift“); weiter den philosophisch-theologischen Traité de la connaissance de Dieu et de soi-même („Traktat über die Erkenntnis Gottes und seiner selbst“) und vor allem den Discours sur l'histoire universelle („Abhandlung über die Weltgeschichte“, 1681), eine kurzgefasste Geschichte der Welt, in der Bossuet als lenkende Kraft aller materiellen und ideellen Ursachen und Wirkungen den Willen Gottes zur Ausbreitung des Christentums und zum ewigen Heil der Menschen darstellt. Der Discours ist der letzte große Versuch einer Deutung der Geschichte als Heilsgeschichte, an der sich u. a. auch Voltaire abgearbeitet hat.

1681, nach der Heirat des Dauphins, wurde Bossuet zum Bischof von Meaux ernannt. Obwohl er sein Amt sehr ernst nahm, war er weiterhin oft in Paris und Versailles, beschäftigt u.a. mit Predigten und Trauerreden (zum Beispiel 1687 beim Tod des zum Königshaus gehörenden Prince de Condé). 1689, nachdem er seine Rolle als Redner (vielleicht auch aus stimmlichen Gründen) für beendet erklärt hatte, erschien erstmals eine Auswahl seiner Reden im Druck. Sie prägte sein Bild in der Literaturgeschichte.

Bossuet war aber auch, dank seiner langen Nähe zum König und seiner intimen Kenntnis der Verhältnisse am Hof, sehr aktiv in der Politik im engeren und weiteren Sinne, die er durch direkte Einwirkung sowie mittels zahlreicher Schriften zu beeinflussen suchte. Als Mitglied des Grand Conseil de l'Église de France wuchs er zunehmend in die Rolle eines Primas der französischen Bischöfe hinein und wurde bekannt als streitbarer „Adler von Meaux“. Als dieser half er 1682 die Rechte Roms in Frankreich gegen die der Krone abzugrenzen und einzuschränken (Gallikanismus). Zugleich bekämpfte er an allen Fronten den Protestantismus, zum Beispiel mit einer Histoire des variations [Veränderungen] des Églises protestantes (1688), worin er die widerstreitenden Lehrmeinungen und Spaltungen der protestantischen Kirchen aufzeigt, um die Einheitlichkeit der katholischen Lehre herauszustellen. 1685 war er nicht unbeteiligt an der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes, mit dem Heinrich IV. 1598 den Protestanten Religionsfreiheit und bürgerliche Gleichberechtigung zugestanden hatte. 1687 stellte er sich in der Querelle des Anciens et des Modernes, einem von Charles Perrault ausgelösten, kulturpolitisch motivierten Literatenstreit, auf die Seite der Traditionalisten unter Nicolas Boileau.

Daneben schrieb er gegen den Jansenismus und bekämpfte vor allem den mystisch frommen Quietismus, der um 1690 von Jeanne Marie Guyon du Chesnoy ausgegangen war und im kriegsgeschüttelten und verarmenden Frankreich rasch Verbreitung und Sympathisanten fand, darunter einen anderen Bischof, Kronprinzenpräzeptor und Autor: François Fénelon.

1694 griff Bossuet mit seinen Maximes et réflexions sur la comédie auch das Theater an, das Sitten und Seelen verderbe, und trug damit zur Erstarrung des geistigen Lebens Frankreichs in der Spätzeit Ludwigs XIV. bei. In seinen letzten Jahren musste er erleben, wie zahlreiche der von ihm bekämpften Strömungen nicht nur nicht verschwanden, sondern sogar an Einfluss gewannen. Ende des 17. Jahrhunderts sprach Bossuet mit dem lutherischen Abt Gerhard Wolter Molanus am Loccumer Hof in Hannover über Möglichkeiten zur Wiedervereinigung der beiden Konfessionen.

François de Salignac de La Mothe-Fénelon war französischer Erzbischof, Schriftsteller und auch ein Gegner des hugenottischen Glaubens.

Nachdem er als junger Priester durch schöne Predigten auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurde Fénelon 1678 zum Direktor des Institut des Nouvelles Catholiques ernannt, einer Pariser Internatsschule zur Erziehung junger Mädchen aus guter Familie, deren Eltern zum Katholizismus konvertiert waren. 1681 reflektierte er seine pädagogische Praxis im Traité de l’éducation des filles (= Traktat über die Mädchenerziehung, publiziert erst 1687). Ende 1685, nach der Aufhebung des 1598 von Heinrich IV. erlassenen Toleranzedikts, unternahm er eine erste von mehreren Missionsreisen in die damals protestantischen Regionen Südwestfrankreichs, die offenbar aber nur mäßig erfolgreich waren.

Kurz zuvor (1685) war er mit einer ersten theologischen Schrift hervorgetreten, dem anti-jansenistischen Traité de l’existence de Dieu et de la réfutation du système de Malebranche sur la nature et sur la Grâce (= Traktat über die Existenz Gottes zwecks Widerlegung von M.s System der Natur und der Gnade), welches von Jean Meslier in seinen Schriften (1718) Punkt für Punkt widerlegt wurde. Zugleich äußerte er sich zur Rhetorik in seinen Dialogues sur l’éloquence (= Dialoge über die Beredsamkeit, 1685).

Fénelon zählte in diesen Jahren zum Kreis um Jacques Bénigne Bossuet, dem streitbaren Primus der französischen Bischöfe. 1688 wurde er Madame de Maintenon vorgestellt, der morganatisch angetrauten zweiten Gattin von Ludwigs XIV. Diese verkehrte zu jener Zeit noch mit der mystisch-frommen Madame de Guyon und sympathisierte mit deren „Quietismus“, der offenbar vielen Franzosen als eine Art Evasionsmöglichkeit erschien angesichts einer innen- und außenpolitisch zunehmend unfriedlichen Realität. Auch Fénelon war von Madame Guyon tief beeindruckt, als er sie im Winter 1688/89 kennenlernte.

Im Sommer 1689 wurde er wohl auch auf Vorschlag von Madame de Maintenon, deren geistlicher Berater er inzwischen geworden war, von Ludwig XIV. zum Erzieher seines 7-jährigen Enkels und eventuellen Thronfolgers, des Duc de Bourgogne, berufen. Dies verschaffte ihm eine einflussreiche Position am Hof und war sicherlich ausschlaggebend für seine Aufnahme in die Académie française (1693) sowie für seine Ernennung zum Erzbischof von Cambrai, Cambrai (1695). Allerdings scheint er mit dieser Ernennung nicht völlig zufrieden gewesen zu sein. Zumindest behauptet der bekannte Memoiren-Autor Saint-Simon in seinen Erinnerungen, dass Fénelon eher auf das vakante Erzbistum Paris spekuliert hatte.

Für seinen fürstlichen Zögling schrieb Fénelon (wie schon so häufig Fürstenerzieher vor ihm, beispielsweise Bossuet) mehrere unterhaltende und zugleich belehrende Werke: zunächst eine Sammlung von Fabeln, sodann die Aventures d’Astinoüs (= die Abenteuer A.s) und die Dialogues de morts (= Totendialoge), vor allem aber den umfänglichen, 1694–96 verfassten Abenteuer-, Reise- und Bildungsroman Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (1733 in Deutsch erschienen als Die seltsamen Begebenheiten des Telemach).

In diesem pseudo-historischen und zugleich utopischen Roman führt der Autor den jungen Odysseus-Sohn Telemachos und dessen Lehrer Mentor (in dem sich Minerva alias Athene verbirgt und der sichtlich Sprachrohr Fénelons ist) durch diverse antike Staaten, die meist durch Schuld ihrer von Schmeichlern und falschen Ratgebern umgebenen Herrscher ähnliche Probleme haben wie das in Kriege verstrickte und verarmende Frankreich der 1690er Jahre. Er zeigt aber an einem Paradefall, wie sich diese Probleme dank der Ratschläge Mentors lösen lassen durch friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn und durch Wachstum stimulierende Reformen, insbesondere die Förderung der Landwirtschaft und die Zurückdrängung der Luxusgüterproduktion.

Beim Tode Ludwig XIV. war Frankreich das reichste Königreich Europas mit überdurchschnittlichen Staatseinnahmen, welche die Finanzen anderer Staaten bei weitem übertraf. Allerdings betrugen die Staatsschulden durch die harten Anforderungen des Spanischen Erbfolgekrieges 3,5 Milliarden Livres; als Ludwig im Jahr 1715 starb betrugen die Steuereinnahmen 69 Millionen und die Staatsausgaben 132 Millionen Livres. Dies änderte aber nichts an der enormen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Frankreich verfügte über das zweitgrößte Handelsvolumen und eine deutlich positive Handelsbilanz; nur die Holländer vermochten höhere Gewinne mit ihren internationalen Handelskompanien zu erzielen. Frankreich war ein strukturell stabiles und ressourcenstarkes Land, das mit über 20 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Europas war.

Eine wichtige Rolle in Ludwigs Politik spielten auch die katholischen Würdenträger Jacques Bossuet und François Fénelon. Jacques Bénigne Bossuet war französischer Bischof und Autor. Nach der Priesterweihe und dem Doktorat 1652 wurde er Kanonikus (Domherr) im 1633 von Frankreich annektierten Metz, wo sein Vater ein Richteramt am neu gegründeten Parlement erhalten hatte. Hier machte er sich die Bekämpfung des Protestantismus zur vordringlichen Aufgabe und publizierte 1655 seine erste Schrift, die gegen den protestantischen Pfarrer Ferri gerichtete Réfutation du catéchisme de Paul Ferri. Daneben hielt er sich aber häufig auch in Paris auf und war dort Schüler des großen Predigers der Caritas Saint Vincent de Paul (1581–1660).

Ab 1660 lebte er ganz in Paris und machte sich rasch einen Namen als Kanzelredner und Panegyriker. 1662 durfte er im Louvre vor König Ludwig XIV. und dem Hof die Fastenpredigt halten. Hiernach war er in Mode, obwohl er sich nicht scheute, gelegentlich den jungen König zu mehr Sittenstrenge zu ermahnen oder die Reichen an ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Armen zu erinnern. Immer öfter wurde er auch gebeten, die Totenmesse für hochstehende Verstorbene zu zelebrieren und dabei eine Trauerrede zu halten, zum Beispiel 1667 für Anna von Österreich, die fromme Königin-Mutter, oder 1670 für Henriette d'Angleterre, die jungverstorbene Schwägerin Ludwigs. 1669 wurde er zum Bischof der kleinen Diözese Condom in Südwestfrankreich ernannt, die er aber weitgehend von Paris aus verwalten konnte. 1671 wurde er Mitglied der Académie Française.

Kurz zuvor (1670) war er zum Hauslehrer (précepteur) des Kronprinzen (Dauphin) Louis berufen worden (der 1711 vor seinem Vater Ludwig XIV. starb, d.h. nicht den Thron bestieg). Für seinen königlichen, jedoch nicht allzu bildungshungrigen Zögling verfasste er im Lauf seiner insgesamt zehn Präzeptorjahre eine Reihe von Traktaten: eine Exposition de la doctrine catholique („Darlegung der katholischen Lehre“), eine Regierungsanleitung La Politique tirée des propres paroles de l'Écriture Sainte („Die Politik, gezeichnet nach den eigenen Worten der Heiligen Schrift“); weiter den philosophisch-theologischen Traité de la connaissance de Dieu et de soi-même („Traktat über die Erkenntnis Gottes und seiner selbst“) und vor allem den Discours sur l'histoire universelle („Abhandlung über die Weltgeschichte“, 1681), eine kurzgefasste Geschichte der Welt, in der Bossuet als lenkende Kraft aller materiellen und ideellen Ursachen und Wirkungen den Willen Gottes zur Ausbreitung des Christentums und zum ewigen Heil der Menschen darstellt. Der Discours ist der letzte große Versuch einer Deutung der Geschichte als Heilsgeschichte, an der sich u. a. auch Voltaire abgearbeitet hat.

1681, nach der Heirat des Dauphins, wurde Bossuet zum Bischof von Meaux ernannt. Obwohl er sein Amt sehr ernst nahm, war er weiterhin oft in Paris und Versailles, beschäftigt u.a. mit Predigten und Trauerreden (zum Beispiel 1687 beim Tod des zum Königshaus gehörenden Prince de Condé). 1689, nachdem er seine Rolle als Redner (vielleicht auch aus stimmlichen Gründen) für beendet erklärt hatte, erschien erstmals eine Auswahl seiner Reden im Druck. Sie prägte sein Bild in der Literaturgeschichte.

Bossuet war aber auch, dank seiner langen Nähe zum König und seiner intimen Kenntnis der Verhältnisse am Hof, sehr aktiv in der Politik im engeren und weiteren Sinne, die er durch direkte Einwirkung sowie mittels zahlreicher Schriften zu beeinflussen suchte. Als Mitglied des Grand Conseil de l'Église de France wuchs er zunehmend in die Rolle eines Primas der französischen Bischöfe hinein und wurde bekannt als streitbarer „Adler von Meaux“. Als dieser half er 1682 die Rechte Roms in Frankreich gegen die der Krone abzugrenzen und einzuschränken (Gallikanismus). Zugleich bekämpfte er an allen Fronten den Protestantismus, zum Beispiel mit einer Histoire des variations [Veränderungen] des Églises protestantes (1688), worin er die widerstreitenden Lehrmeinungen und Spaltungen der protestantischen Kirchen aufzeigt, um die Einheitlichkeit der katholischen Lehre herauszustellen. 1685 war er nicht unbeteiligt an der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes, mit dem Heinrich IV. 1598 den Protestanten Religionsfreiheit und bürgerliche Gleichberechtigung zugestanden hatte. 1687 stellte er sich in der Querelle des Anciens et des Modernes, einem von Charles Perrault ausgelösten, kulturpolitisch motivierten Literatenstreit, auf die Seite der Traditionalisten unter Nicolas Boileau.

Daneben schrieb er gegen den Jansenismus und bekämpfte vor allem den mystisch frommen Quietismus, der um 1690 von Jeanne Marie Guyon du Chesnoy ausgegangen war und im kriegsgeschüttelten und verarmenden Frankreich rasch Verbreitung und Sympathisanten fand, darunter einen anderen Bischof, Kronprinzenpräzeptor und Autor: François Fénelon.

1694 griff Bossuet mit seinen Maximes et réflexions sur la comédie auch das Theater an, das Sitten und Seelen verderbe, und trug damit zur Erstarrung des geistigen Lebens Frankreichs in der Spätzeit Ludwigs XIV. bei. In seinen letzten Jahren musste er erleben, wie zahlreiche der von ihm bekämpften Strömungen nicht nur nicht verschwanden, sondern sogar an Einfluss gewannen. Ende des 17. Jahrhunderts sprach Bossuet mit dem lutherischen Abt Gerhard Wolter Molanus am Loccumer Hof in Hannover über Möglichkeiten zur Wiedervereinigung der beiden Konfessionen.

François de Salignac de La Mothe-Fénelon war französischer Erzbischof, Schriftsteller und auch ein Gegner des hugenottischen Glaubens.

Nachdem er als junger Priester durch schöne Predigten auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurde Fénelon 1678 zum Direktor des Institut des Nouvelles Catholiques ernannt, einer Pariser Internatsschule zur Erziehung junger Mädchen aus guter Familie, deren Eltern zum Katholizismus konvertiert waren. 1681 reflektierte er seine pädagogische Praxis im Traité de l’éducation des filles (= Traktat über die Mädchenerziehung, publiziert erst 1687). Ende 1685, nach der Aufhebung des 1598 von Heinrich IV. erlassenen Toleranzedikts, unternahm er eine erste von mehreren Missionsreisen in die damals protestantischen Regionen Südwestfrankreichs, die offenbar aber nur mäßig erfolgreich waren.

Kurz zuvor (1685) war er mit einer ersten theologischen Schrift hervorgetreten, dem anti-jansenistischen Traité de l’existence de Dieu et de la réfutation du système de Malebranche sur la nature et sur la Grâce (= Traktat über die Existenz Gottes zwecks Widerlegung von M.s System der Natur und der Gnade), welches von Jean Meslier in seinen Schriften (1718) Punkt für Punkt widerlegt wurde. Zugleich äußerte er sich zur Rhetorik in seinen Dialogues sur l’éloquence (= Dialoge über die Beredsamkeit, 1685).

Fénelon zählte in diesen Jahren zum Kreis um Jacques Bénigne Bossuet, dem streitbaren Primus der französischen Bischöfe. 1688 wurde er Madame de Maintenon vorgestellt, der morganatisch angetrauten zweiten Gattin von Ludwigs XIV. Diese verkehrte zu jener Zeit noch mit der mystisch-frommen Madame de Guyon und sympathisierte mit deren „Quietismus“, der offenbar vielen Franzosen als eine Art Evasionsmöglichkeit erschien angesichts einer innen- und außenpolitisch zunehmend unfriedlichen Realität. Auch Fénelon war von Madame Guyon tief beeindruckt, als er sie im Winter 1688/89 kennenlernte.

Im Sommer 1689 wurde er wohl auch auf Vorschlag von Madame de Maintenon, deren geistlicher Berater er inzwischen geworden war, von Ludwig XIV. zum Erzieher seines 7-jährigen Enkels und eventuellen Thronfolgers, des Duc de Bourgogne, berufen. Dies verschaffte ihm eine einflussreiche Position am Hof und war sicherlich ausschlaggebend für seine Aufnahme in die Académie française (1693) sowie für seine Ernennung zum Erzbischof von Cambrai, Cambrai (1695). Allerdings scheint er mit dieser Ernennung nicht völlig zufrieden gewesen zu sein. Zumindest behauptet der bekannte Memoiren-Autor Saint-Simon in seinen Erinnerungen, dass Fénelon eher auf das vakante Erzbistum Paris spekuliert hatte.

Für seinen fürstlichen Zögling schrieb Fénelon (wie schon so häufig Fürstenerzieher vor ihm, beispielsweise Bossuet) mehrere unterhaltende und zugleich belehrende Werke: zunächst eine Sammlung von Fabeln, sodann die Aventures d’Astinoüs (= die Abenteuer A.s) und die Dialogues de morts (= Totendialoge), vor allem aber den umfänglichen, 1694–96 verfassten Abenteuer-, Reise- und Bildungsroman Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (1733 in Deutsch erschienen als Die seltsamen Begebenheiten des Telemach).

In diesem pseudo-historischen und zugleich utopischen Roman führt der Autor den jungen Odysseus-Sohn Telemachos und dessen Lehrer Mentor (in dem sich Minerva alias Athene verbirgt und der sichtlich Sprachrohr Fénelons ist) durch diverse antike Staaten, die meist durch Schuld ihrer von Schmeichlern und falschen Ratgebern umgebenen Herrscher ähnliche Probleme haben wie das in Kriege verstrickte und verarmende Frankreich der 1690er Jahre. Er zeigt aber an einem Paradefall, wie sich diese Probleme dank der Ratschläge Mentors lösen lassen durch friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn und durch Wachstum stimulierende Reformen, insbesondere die Förderung der Landwirtschaft und die Zurückdrängung der Luxusgüterproduktion.

Der Télémaque, der ab 1698 in Abschriften am Hof zirkulierte, wurde sofort interpretiert als kaum verschlüsselte Kritik am autoritären, zunehmend abgehobenen Regierungsstil Ludwigs XIV. sowie an seiner aggressiven, kriegerischen Außenpolitik und seiner exportorientierten merkantilistischen Wirtschaftslenkung, die die Produktion und den Export von Luxusgütern unterstützte. Fénelons größter Gegner am Hof, sein einstiger Förderer Bossuet, gewann nun die Oberhand, nachdem er ihn schon seit 1694 in scheinbar theologisch motivierte Querelen über den Quietismus gezogen und 1697 versucht hatte, vom Papst eine Verteidigungsschrift verurteilen zu lassen, die Fénelon für Madame Guyon verfasst hatte, die nach und nach zum Quasi-Staatsfeind avanciert war (und 1698 inhaftiert wurde).

Anfang 1699 verlor Fénelon seinen Erzieherposten, und als im April sein Télémaque, zunächst anonym und ohne seine Zustimmung, im Druck erschien, wurde er vom Hof verbannt. Er zog sich zurück in sein Bistum Cambrai, wo er sich weiterhin als theologischer und politischer Autor betätigte und ein exemplarisches Regiment gemäß den Lehren seiner Figur Mentor zu führen versuchte. Nach seinem Tod wurde er in der alten Kathedrale von Cambrai bestattet. Nach deren Zerstörung in der Revolution kamen seine sterblichen Überreste in die neue Kathedrale von Cambrai, wo 1823/26 ein aufwendiges Grabmonument für ihn entstand.

Fénelons Télémaque war im Frankreich des 18. und des 19. Jahrhunderts ein vielgelesenes Jugendbuch und gilt als ein wichtiger Markstein der beginnenden Aufklärung. Noch z. B. der junge Sartre muss es gelesen haben, denn in seinem Stück Les Mouches (Die Fliegen) legt er der Figur Jupiter eine Anspielung darauf in den Mund.

Der König hatte die Absicht, die besten Künstler, Architekten, Maler, Poeten, Musiker und Schriftsteller für Frankreich arbeiten zu lassen. Er entfaltete ein noch nie zuvor gesehenes Mäzenatentum mit der Absicht, die gesamte Kunstlandschaft Frankreichs zu beeinflussen, zu prägen und zu lenken, um sie im Interesse königlicher Politik zu instrumentalisieren. Die Kunst stand im Dienste der Verherrlichung des Königs und seiner Ziele, ganz nach barocker Manier. Das Ansehen des Königs und des Staates sollte gesteigert werden; dazu wurde Ludwigs Minister Colbert damit beauftragt Literatur, Kunst und Wissenschaft zu fördern. Dem Minister wurde die Organisation der Gloire des Königs überlassen. Zahlreiche Königliche Akademien wurden auf allen Gebieten der Kunst und Wissenschaft gegründet

Im Sinne der Selbstdarstellung des Monarchen sind auch die Feste in Versailles zu verstehen. Die Repräsentation des Königs diente dem Ansehen des Staates in aller Welt.

Die Königliche Oper des Schlosses von Versailles wurde 1770 unter Ange-Jacques Gabriel in der Regierungszeit Ludwig XV. vollendet. Die Errichtung des heutigen Opernhauses war eines der letzten großen Bauprojekte des Ancien Régimes in Versailles. Es ist bis in die Gegenwart weitgehend unverändert erhalten geblieben und wird noch heute regelmäßig bespielt.

Das Versailler Schloss war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch den Sonnenkönig Ludwig XIV. von einem kleinen Jagdsitz zur dauerhaften königlichen Residenz ausgebaut worden. Obwohl sich Versailles in dieser Zeit zu einem Musenhof der Französischen Oper entwickelte, fehlte aus finanziellen Gründen ein festes Gebäude für die Schauspiele. Ein 1682 von Jules Hardouin-Mansart vorgestelltes Projekt blieb unausgeführt und Theater- und Singspiele wurden bis ins 18. Jahrhundert hinein in wechselnden Räumen mit mobilen Tribünen bespielt.

Ludwig XV. beauftragte den Hofarchitekten Ange-Jacques Gabriel 1748 mit dem Bau einer festen Hofoper im Schloss, die Pläne blieben jedoch fast 20 Jahre lang unangetastet. Den Anlass zum Bau des Opernhauses gab schließlich die Vermählung des Thronfolgers Ludwig XVI. mit der österreichischen Erzherzogin Marie Antoinette. Die Eröffnung im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten fanden – nach nur rund zweijähriger Bauzeit - am 16. Mai 1770 statt, aufgeführt wurde Jean-Baptiste Lullys Werk Persée. Die Hofoper wurde bis zum Ende des Ancien Regime neben den regelmäßigen Aufführungen auch für Bälle und ähnliche Ereignisse genutzt, so 1777 und 1781 beim Empfang Josephs II. und 1784 beim Empfang des schwedischen Königs Gustav III. Im 19. Jahrhundert diente das Opernhaus einige Jahre als Sitzungssaal der französischen Nationalversammlung.Das Opernhaus wird bis in die Gegenwart regelmäßig bespielt. Von 2007 bis 2009 wurde es für rund 12 Millionen Euro renoviert.

Das Opernhaus befindet sich - von außen kaum kenntlich - am Ende des Nordflügels des Versailler Schlosses. Die Ausstattung des ovalen Raumes ist aus Gründen der Akustik vollständig aus Holz errichtet, sämtliche zum Opernsaal führenden Treppenhäuser und Galerien sind aus Stein gefertigt, um im Falle eines Brandes das übergreifen des Feuers auf das übrige Schloss zu verhindern. Der Orchestergraben bietet Platz für 80 Musiker, der Zuschauerraum kann mehr als 700 Gäste aufnehmen. Das Parkett konnte mit Hilfe einer Hebemechanik auf das Niveau des Bühnenbodens angehoben werden, so dass der Zuschauerraum der Oper auch für Bälle und Bankette nutzbar wurde.

Der von Gabriel gestaltete Zuschauerraum verzichtet auf die im 18. Jahrhundert noch übliche Gestaltung mit einzelnen Logen, das Publikum der Ränge findet stattdessen auf drei terrassenartigen Tribünen seinen Platz. Der Saal verweist mit seinen hohen korinthischen Säulenstellungen und der angedeuteten Form eines Amphitheaters bereits auf den Klassizismus, ist mit seiner Ornamentik und der kräftigen Farbgebung jedoch noch dem Stil des Louis-quinze zuzuordnen. Das Zentrum des Zuschauerraums wird von der königlichen Loge gebildet, deren Ehrenplatz auf der Höhe des dritten Rangs von einem Halbkuppelgewölbe betont wird. Auf der Höhe des zweiten Rangs befindet sich außerdem eine hinter Gittern verborgene, zweite Loge, die es dem König möglich machte, ungesehen zu den Aufführungen zu erscheinen.

Einige Künstler erklommen im Dienste des Königs ungeahnte Höhen; hier wären besonders Jean-Baptiste Lully auf dem Gebiet der Musik und des Tanzes zu nennen, aber auch Jean-Baptiste Molière, der für Ludwig XIV. zahllose Bühnenstücke verfasste. Beide Künstler zusammen zeigten sich für die Organisation der königlichen Spektakel verantwortlich.

Jean-Baptiste Lully lebte in Frankreich bei der Grande Mademoiselle Anne Marie Louise d’Orléans im Palais de Tuileries. Zu seinen Aufgaben gehörte es nicht nur, die Dame des Hauses zu unterhalten und sie auf der Gitarre zu begleiten, sondern auch, die Garderobe zu sortieren, die Kamine zu heizen und die Kerzen anzuzünden. Er vervollkommnete weiter sein Geigenspiel, nahm Cembalo- und Kompositionsunterricht bei Nicolas Métru, Francois Roberday und Nicolas Gigault und trat in komischen Rollen auf. Jean Regnault de Segrais, der mit Francois de La Rochefoucault und Madame de Sevigné verkehrte und 1661 in die Académie francaise aufgenommen wurde, sorgte für Lullys Ausbildung zum Ballett-Tänzer.

Kardinal Mazarin und Anna von Österreich führten die Regierungsgeschäfte allein. Solange sie den jungen Ludwig nicht benötigten, wurde dieser arg vernachlässigt und trieb sich zusammen mit seinem Bruder im Graben des Louvere herum. Dort trafen sich die Kinder des Personals, um miteinander zu spielen; hier mag es auch gewesen sein, dass der zukünftige Sonnenkönig Giovanni Battista Lully kennenlernte. Kaum mag man den König und seinen Bruder unter den anderen Kindern vermutet haben, denn die königlichen Gewänder wurden von Mazarin wie ein Augapfel gehütet, sein Geiz war legendär. So kam es, dass manch ein Dienstbotenkind besser angezogen war als der König von Frankreich. Zwischen Lully und dem König entstand eine enge Freundschaft, sie lernten gemeinsam Tanzen und Gitarre spielen. Das Verhältnis ging wohl über das Mäzenatentum weit hinaus.

Jean de Cambefort, der bisher zuständig für die Ballettmusik am französischen Hof war, sah ihn jetzt schon als ernste Bedrohung. Genauso der Leiter der 24 Vilolinen des Königs (das Orchester wurde von Ludwig XIII. gegründet und ist das erste feststehende Orchester der Musikgeschichte gewesen), Guillaime Dumanoir . Aber es gab auch Hofkomponisten, die den jungen Musiker nach Kräften förderten, wie Regnault und Michel Lambert, der als größter Meister des Air de Cour in die Musikgeschichte einging. Er wurde später Lullys Schwiegervater.

Am 7. März 1652 trat Lully in der Mascerade de la foire Saint-Germain als Händler auf. Nach einem kurzen Intermezzo in Saint-Fargeau, wohin Lully der Grande Mademoiselle gefolgt war, die nach Niederringung der Fronde gezwungen worden war, Paris zu verlassen, konzentrierte sich Lully seit Ende 1652 ganz auf Ludwig XIV. Im Ballet royal de la nuit, mehrere Male zwischen dem 23. Februar und 16. März 1653 aufgeführt, war Lully als Schäfer, Soldat, Bettler, Krüppel und Grazie zu sehen. Der König selbst tanzte hier zum ersten Male die Rolle der aufgehenden Sonne.

Lully war Tänzer, „balladin“, fühlte sich wohl auf der Bühne, war Theatermann. Im Raum trat er zuerst zutage mit seinem Körper, dann mit der Stimme und Instrumenten, was ihn abhob von allen Musikern seiner und folgender Zeiten. Die Musik war ihm hierfür Zweck, nicht Selbstzweck, zwanzig Jahre lang diente sie ihm dazu, Tänzer – besonders ihn selbst – im Raum sich bewegen zu lassen. Nichts für den Konzertsaal: nur der Ansporn der Bühne mit ihren Herausforderungen belebte sein Werk. Das Ungewöhnliche und Maßlose, das seinem Tanz anhaftete, ließ Zeitungsleute, die sich sonst kaum mit Tänzern befassten, ihn als „Baptiste“ zum fortwährenden Gegenstand ihrer Berichte auswählen.

Ludwig XIV. fand ein solches Gefallen an Lully, dass er ihn am 16. März 1653 zum Compositeur de la musique instrumentale ernannte. Nicht selten tanzte Lully an der Seite des Königs, zum Beispiel im Ballet des plaisirs. Er konnte auch erste Erfolge als Komponist verzeichnen. Für das Ballet de Psyché hatte er ein Concert italien beigesteuert. Seine erste größere Komposition war die Maskerade La Galanterie du temps, die im Palais Mazarins unter Mitwirkung der Petits violons aufgeführt wurde. Mit den seit 1648 bestehenden Petits violons fand Lully ein Ensemble vor, das flexibler einsetzbar war als die länger etablierte, aus 24 Violinen bestehende Grande bande und ihm zudem ermöglichte, älteren komponierenden Rivalen, die seinen Erfolg missbilligten, besser aus dem Weg zu gehen.

Lully gehörte zur Gruppe der in Paris unter Förderung Mazarins tätigen Italiener. Doch ungeachtet seiner Herkunft war Lully bereits in dieser Zeit der Hauptvertreter eines französisch geprägten Tanzstils, dem er etwas zufügen konnte, was nur aus ihm kam. Viel Tanzmusik in der französischen Art schrieb er, und einige italienisch klingende „chaconnes“ und „ritournelles“, sowie Vokalmusik ausgeprägt italienisch, doch ohne die üppige Harmonie und den Wagemut deren dort. Bei Lullys Ankunft hatte die Musik zum französischen Ballett vorherrschend einen leicht unzusammenhängenden Aufbau, was er durch Anbringen einer dynamischeren Struktur änderte. Dem Ballett verhalf er so zu mehr konzertanter Musik, mit einem offeneren, klareren und mehr gehenden Stil. Mit Amour malade, am 17. Januar 1657 uraufgeführt, gelang Lully der Durchbruch als Komponist.

Lully gehörte nun unzweifelhaft dem inneren Kreis um den König an. Als der König 1659 mit Mazarin zur Vorbereitung des Pyrenäen-Friedensvertrages in die Pyrenäen reiste, begleitete ihn Lully und komponierte unter anderem das Ballet de Toulouse. Am 29. August 1660, drei Tage nach dem Einzug Ludwigs in Paris, erklang in der Église de la Merci in Anwesenheit der Königinmutter Anna von Österreich, des Königs, der Königin Maria Theresia von Spanien und Philippe I. de Bourbons, des Königs Bruder, mit großem Erfolg Lullys Friedensmotette Jubilate Deo.

Der Kardinal hatte anlässlich der Feierlichkeiten Francesco Cavalli, den berühmtesten italienischen Opernkomponisten, nach Paris kommen lassen. Auch vorher schon hatte Paris Aufführungen italienischer Opern erlebt:Luigi Rossis Werke wurden oft gespielt, besonders eindrucksvoll war die Aufführung von dessen Oper Orfeo. Cavalli sollte unter dem Titel Ercole amante (Der verliebte Herkules) eine Festoper zu Ehren des Hochzeitspaares schreiben. Lully wurde abgestellt, um Balletteinlagen für die Prunkoper zu verfassen, aber er war nicht unterwegs, um mit Cavalli zusammenzuarbeiten, sondern um als Saboteur im Auftrag des Königs (der die italienischen Opern hasste) die Aufführung zu untergraben.

Cavalli konnte das Werk nicht rechtzeitig vollenden und musste auf ein älteres Werk zurückgreifen: Xerse, doch auch hierfür komponierte Lully Ballettmusik. Als am 21. November 1660 Cavallis Xerse in der Gemäldegalerie des Palais des Tuileries aufgeführt wurde, überwucherten die von Lully beigesteuerten Tanzeinlagen die Oper geradezu. Lully, der gebürtige Italiener, hatte eine ganz und gar französische Musik komponiert, die sich neben die italienische, durchaus mit dem Anspruch der eigenen Überlegenheit, stellte. Cavallis Oper wurde kaum beachtet, er selbst nicht einmal als Komponist erwähnt. Doch war nicht Cavalli das eigentliche Ziel dieser Vorkommnisse, sondern der Kardinal, der durch das Versagen des von ihm protegierten Komponisten lächerlich gemacht werden sollte.

Nach dem Tod Mazarins am 9. März 1661 verließen viele Italiener Frankreich. Doch obwohl man die italienische Oper in ihre Schranken verwiesen hatte, wurde Ercole Amante im neu erbauten Theatre des Tuileries doch noch aufgeführt. Das Ballett Hercule amoureux sollte eines der denkwürdigsten Ereignisse der Musikgeschichte werden, denn hier trat der König nun zum zweiten Mal als Apollo auf, doch diesmal in aller Pracht, der Hof skandierte während seines Tanzes „Lang lebe der Sonnenkönig!“ Diesen Spitznamen sollte Ludwig XIV. sein Leben lang behalten. Cavalli kehrte als entehrter Mann nach Venedig zurück und schwor, niemals wieder für die Bühne zu komponieren (was er nicht wahrmachte). Lully machte weiter Karriere. Am 5. Mai 1661 ernannte Ludwig XIV. ihn zum Surintendant de la musique du roi, wobei er auf die 10.000 Livre, die das Amt gekostet hätte, verzichtete. Michel Lambert wurde Maître de musique de la chamber.

Im Februar 1662, zwei Monate nachdem er erfolgreich den König um die Einbürgerung gebeten hatte, nahm er Magdelaine Lambert zur Frau. Er behielt zeitlebens einen florentinischen Akzent und sorgte für eine Großfamilie nach italienischer Art: Seine sechs Kinder, Verwandte und deren Freunde wohnten bei ihm. Nach drei Umzügen wurde das Hôtel Lully in der Pariser Rue Sainte-Anne der endgültige Wohnsitz. In der Musik jedoch verschwand sein bisheriger Stil eines italienischen „bouffon“, eines Spaßmachers. Er komponierte mit dem Ballet des Arts 1663 sein erstes vollständig rein französisches „grand ballet de cour“. Die Liedtexte schrieb Isaac de Benserade. In gleichem Maße für den Erfolg bedeutend waren dessen Verse im „livret“, die kommentierten, was auf der Bühne getanzt wurde.

Der Finanzminister Nicolas Fouquet hatte sich in Vaux-le-Vicomte einen Palast erbauen lassen und dafür die besten Künstler Frankreichs verpflichtet: Louis Le Vau als Architekt, André Le Notre für die Gartenanlagen und Charles Lebrun, den ersten Hofmaler und hervorragenden Dekorateur, für die Gestaltung der Prunkräume. Am 17. August 1661 fand das große Fest statt, zu dem der König, seine Familie und zahlreiche Gäste geladen waren. An achtzig Tischen wurden sie bewirtet und auf dreißig Büffets fanden sich 6000 massiv silberne Teller. Für die musikalische Gestaltung sorgten die fähigsten Musiker, darunter Michel Lambert und Lully. Lully, mit Moliere befreundet, hatte diesen wenige Tage zuvor noch in panischer Stimmung gefunden, da er für seine Komödie Les Fâcheux (Die Lästigen) nicht genügend Schauspieler zur Verfügung hatte. Abhilfe schuf eine genial einfache Idee: Zwischen die Szenen wurden Ballettnummern eingefügt, um den Schauspielern Zeit zum Umkleiden zu geben. Pierre Beuachamp und Lully arrangierten die Ballettnummern, für die Lully nur eine Courante neu komponierte.

Die Aufführung wurde ein unglaublicher Erfolg, und die Ballett-Komödie, für die nächsten Jahre ein wichtiges Medium Lullys, war geschaffen. Das teure Schloss und das verschwenderische Fest hatten jedoch den König verärgert. Bald darauf ließ er Fouquet verhaften, seine Besitztümer beschlagnahmen – und begann ab sofort das alte Jagdschloss seines Vaters zur allerprächtigsten Residenz zu erweitern: Schloss Versailles.

Als 1664 die ersten Arbeiten im Park abgeschlossen waren, wurde ein gewaltiges Fest ausgerichtet: Les Plaisirs de l’îsle enchantée, thematisch bezogen auf eine Geschichte aus Ariosts Orlando furioso, dauerte vom 7. bis 13. Mai. Eröffnet wurde mit einem „Carrousel“, einem Pferdeballett, in dem sich der Hof in kostbaren Kostümen präsentierte. Der König selbst führte, als Roger kostümiert, den Zug an. Den Abschluss des Tages bildete das Ballet des Saisons (Ballett der Jahreszeiten), in dem unter anderem der Frühling auf einem Pferd, der Sommer auf einem Elefanten, der Herbst auf einem Kamel und der Winter auf einem Bären einzogen. Musik, die Lully für diesen ersten Tag komponiert hat, ist verschollen.

Es gab Lotterien, Bankette, Bälle, Aufführungen dreier Molière-Lully-Ballette, La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis, 8. Mai), Les Fâcheux (11. Mai), Le Mariage forcé ( Die Zwangsheirat, 13. Mai), und am 12. die Premiere des Tartuffe, der ein Verbot des Stückes folgte.

Den Höhepunkt des Festes aber bildete die Erstürmung des „Palastes der Alcina“, einer großartigen Kulisse auf einer künstlichen Insel im großen Kanal von Versailles, die in einem sehr aufwändigen Feuerwerk unterging.

In den folgenden Jahren entstanden weitere Ballettkomödien: George Dandin wurde 1668 im Rahmen des zweiten großen Festes von Versailles gegeben, Monsieur de Pourceaugnag im Jahr darauf (auch Le Divertissement de Chambord, 1669). Lully sang dabei unter dem Pseudonym „Chiacchiarone“, was seiner Position als „Surintendant“ geschuldet war. Doch der größte Erfolg sollte den beiden Ballett-Komödien Les amants magnifiques (Die Fürsten als Brautwerber) und Le Bourgeois Gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) beschieden sein, beide von 1670. Letztere war auf den türkischen Botschafter gemünzt, der sich bei Hof lächerlich gemacht hatte.

Neben der Zusammenarbeit mit Molière komponierte Lully weiterhin die Hofballette. 1669 entstand das letzte große Hofballet Ballet Royal de Flore, in dem Ludwig XIV. zum dritten Mal als die Sonne auftrat, in der Ballettkomödie Les amants magnifiques dann zum vierten und letzten Mal. Angeblich war der König mit der schweren Choreographie überfordert.

1671 schufen Lully und Molière die Tragédie-ballet (Ballett-Tragödie) Psyché (Psyche), um dem „größten König der Welt“ Heroisches vorzuführen. Aus Zeitnot musste Molière zwei weitere Librettisten beschäftigen, nämlich Pierre Corneille und für die Divertissements Philippe Qiunault, der von da an Lullys Librettist erster Wahl werden sollte.

Als der Herzog von Orléans, der Bruder des Königs, sich nach dem Tod seiner ersten Gattin 1671 mit Liselotte von der Pfalz vermählte, wurde das Ballet des Ballets bestellt. Lully und Molière schufen ein Pasticcio aus erfolgreichen Szenen der letzten gemeinsamen Werke, gerieten aber während der Arbeiten in Streit und trennten sich im Zorn. Zwar wurde das Ballett aufgeführt, aber Molières Komödie La Comtesse d’Escarbagnas (Die Gräfin von Escarbagnas, Dezember 1671) wurde bereits von einem anderen vertont: Marc-Antoine Charpentier, der auch für Molières letztes Werk Le malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) die umfangreiche Bühnenmusik schrieb.

1672 brachte Robert Cambert, der ehemalige Oberhofmeister der Musik der Königinmutter, die erste französische Oper auf die Bühne: Pomone. Der Erfolg war wider Erwarten bombastisch. Pierre Perrin war für das Libretto verantwortlich. Lully beobachtete den Erfolg der beiden mit Neugier und großem Neid.

Durch geschickte Intrigen gelang es, Pierre Perrin in den Ruin zu treiben. Er kam in die Conciergerie, weil er sich vor Schulden kaum noch retten konnte. Lully suchte den Unglücklichen auf und unterbreitete ihm ein Angebot: er sorge für die Begleichung der Schulden und erwirke beim König seine Freilassung, dafür müsse er ihm die Opernrechte und alles, was damit zusammenhing, überlassen. Perrin ging auf den Handel ein, ohne zu wissen, was er damit in Gang setzte.

Lully hatte nun das Monopol zur Aufführung von Opern, er erwirkte noch weitere Rechte beim König, der sie bereitwillig einräumte. So war jegliche Aufführung mit Musik ohne die Genehmigung des Surintendanten untersagt und wurde mit Konfiszierung sämtlicher Instrumente, Kostüme, Einnahmen etc. geahndet. Dies traf Molière besonders schwer in seinen letzten Lebensjahren, da alle Texte, zu denen Lully Musik komponiert hatte, nun Eigentum des Florentiners waren. Die Académie royale de musique war fest in den Händen Lullys. Seine Macht ließ er nun jeden spüren, was zur Folge hatte, dass viele der angesehenen Komponisten und Musiker den Hof verließen. Bestes Beispiel ist der Begründer der französischen Cembaloschule Jacques Champion de Chambonnieres.

1672, also im Jahr der „Machtübernahme“, brachte Lully seine erste Oper auf die Bühne, eine Pastorale Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus. Hier folgte er aus Zeitnot dem Modell des Ballet des Ballets, also ein Pasticcio. Das Werk war äußerst erfolgreich und legte den Grundstein für seine weitere Karriere als Begründer der französischen Nationaloper.

Im Gegensatz zu Cambert und Perrin räumte er dem Ballet enormen Raum in seinen Werken ein. So bestehen alle Tragédies Lullys aus einem Prolog und fünf Akten. Jeder Akt verfügt über ein Divertissement, eine großzügige Szene mit Ballett und Choreinlagen. Der Prolog kann durchaus als ein eigenständiges Divertissement gesehen werden und diente ausschließlich zur Verherrlichung des Sonnenkönigs.

1673 kam die Oper Cadmus et Hermione auf die Bühne, sie gilt als Lullys erste Tragödie. 1674 folgte Alceste, diese Prunkoper wurde im Marmorhof von Versailles uraufgeführt. Sie war einer der Höhepunkte des dritten großen Festes von Versailles. 1675 wurde Thésée gegeben, ebenso prunkvoll, ebenso erfolgreich.

1676 folgte Atys. Da der König hier angeblich selbst mitkomponiert haben soll sowie sehr lange mit Lully zusammensaß, um dieses Werk zu vollenden, hat diese Tragödie den Untertitel Die Oper des Königs. Hier verzichtet Lully auf Pauken und Trompeten, um einen dunklen rauen Klang zu erzielen. Legendär wurde die Schlummerszene, hier trat der noch junge Marin Marais als einer der Träume auf.

1677 wurde Isis gegeben. Obwohl Lully hier ein geniales Werk vorgelegt hat, war der Oper wenig Erfolg beschieden. Man kritisierte die seltsame Handlung, die Philippe Qiunault vorgelegt hatte, und empfand Lullys Musik als zu intellektuell. Die Oper bekam den Untertitel Die Oper der Musiker, denn Musiker bzw. musikalisch gebildete Zuschauer waren von dem Werk begeistert.

1678 arbeitete Lully die Tragédie-ballet Psyché mit Hilfe der Librettisten Thomas Corneille und Bernard le Bovier de Fontenelle zu einer Oper um; die gesprochenen Dialoge wurden durch Gesang ersetzt.

1679 kam Bellérophon auf die Bühne, wieder in Kooperation mit Thomas Corneille. 1680 folgte Proserpine, 1681 auf Befehl des Königs ein Hofballett Le Triomphe de l’Amour. Ludwig XIV. wünschte sich eine Wiederbelebung der alten Hofballette. Dieses Werk wurde von den Nachkommen des Königs getanzt, es wurde zu einem der berühmtesten Werke Lullys überhaupt.

1682 zog der Hof endgültig nach Versailles. Zu diesem Anlass wurde Persée gegeben. Mit diesem Werk wurde am 17. Mai 1770 das Opernhaus zu Versailles eingeweiht, der Anlass: die Hochzeit des zukünftigen Ludwig XVI. mit Marie Antoinette. Dies spricht für die Bedeutung, welche man den Werken Lullys noch im 18. Jahrhundert zubilligte. 1683 starb die Königin von Frankreich, die Aufführungen von Phaetonwurden verschoben.

1684 kam Lullys erfolgreichstes Werk auf die Bühne: Amadis. Zwar schon 1683 komponiert, wurde die Uraufführung wegen des Todes der Königin um ein Jahr verschoben. Amadis wurde jedes Jahr aufgeführt, so lange der König lebte. Des Weiteren wandten sich Lully und Quinault von der Mythologie ab und besangen französische Ritterepen, welche die Verteidigung des Glaubens als höchstes Ideal zum Inhalt haben. Die Aufhebung des Ediktes von Nantes sollte auch in der Musik seine Spuren hinterlassen.

1685 wurde Roland gegeben. Durch die starke Einflussnahme der Madame de Maintenon befasste sich der König nun weniger mit Lullys Musik; dessen Stern begann zu sinken. Seit 1683 war Madame de Maintenon des Königs geheime Gemahlin, und ihr gefielen weder die Musik Lullys noch der Komponist selbst, dessen Homosexualität sie als streng religiöse Frau nicht tolerierte. Als öffentlich ruchbar wurde, dass Lully einen Pagen namens Brunet liebte, war dies der geeignete Anlass, Lully die Gunst des Königs zu entziehen. Hinzu kam seine Beteiligung an den Orgien der Herzöge von Orléans und Vendome. Der König zitierte Lully zu sich und unterbreitete ihm, dass er nicht weiter gewillt sei, sein Verhalten zu dulden. Zwar war Lully inzwischen zum Secrétaire du Roi ernannt worden, war sogar (zumindest auf dem Papier) Berater des Königs und hatte die Erhebung in den Adelstand erhalten, doch der König behandelte seinen ehemaligen Vertrauten und Freund nun mit Kälte.

Lully schrieb dem König und bat ihn um Vergebung. Beinahe wäre er erfolgreich gewesen: Der Marquis de Seignelay, Sohn Colberts, hatte ein Werk bei ihm in Auftrag gegeben, Idylle sur la Paix. Den Text dazu schrieb Jean Racine. Der König, der in Sceaux der Aufführung beiwohnte, war äußerst angetan von dem neusten Werk seines Oberhofmeisters, er ließ Lully große Abschnitte wiederholen. Doch Madame de Maintenon schob der Versöhnung einen Riegel vor.

1686 wurde Armide, Lullys neueste Oper, nicht am Hof uraufgeführt, sondern in Paris. Lully war seit längerem in Ungnade gefallen, und der König empfing ihn nicht mehr. Lully hoffte jedoch, die Protektion des Königs wieder zu erlangen. Seine nächste Oper, die er für Louis-Joseph Duc de Vendôme auf ein Libretto des Jean Galbert de Campistron komponierte, war eine subtile Huldigung an den Thronfolger und damit an den König. Acis et Galatée erklang am 6. September 1686 im Schloss Anet anlässlich einer Jagdpartie des Dauphins. Vor der Aufführung hatten Lully und die Sänger zusammen mit den Gästen diniert.

1687 arbeitete Lully an seiner Oper Achille et Polixène, bald bekam der König erhebliche gesundheitliche Probleme. Der Arzt Felix de Tassy war am 18. November 1686 gefordert, als es galt, eine gefährliche Fistel am Gesäß des Monarchen operativ zu entfernen. Richelieu war bei einem derartigen Eingriff gestorben, de Tassy übte im Hospital von Versailles an herbeigeschafften Leidensgenossen des Königs und konnte auch dank Ludwigs Leidensfähigkeit die Entfernung des Geschwürs mit Erfolg vornehmen. Man rechnete schon mit dem Tod des Königs, doch dieser erholte sich. Für die Feierlichkeiten zur Genesung des Königs bearbeitete Lully sein 1678 komponiertes Te Deum und ließ es auf eigene Kosten mit 150 Musikern singen.

Was sich zutrug, als er die Motette am 8. Januar 1687 in der Église des Pères Feuillants aufführte, wurde von Lecerf de La Viéville 1705 so beschrieben, dass er mit dem zum Schlagen des Taktes gebrauchten Stock die Fußspitze traf, eine kleine Verletzung zunächst. Tatsächlich finden sich in zeitgenössischer Literatur oder auf Abbildungen keine Belege für das Dirigieren mit langen Stöcken – benutzt wurde ein aufgerolltes Blatt Papier in einer oder beiden Händen. Möglicherweise besaß Lully aber einen Spazierstock, mit dem er die anwesenden Musiker zur Aufmerksamkeit rufen wollte. Die Wunde entzündete sich rasch und infizierte sich mit Wundbrand. Da sich Lully weigerte, den Zeh amputieren zu lassen, verstarb er wenige Monate darauf.

Seine letzte Oper wurde von seinem Sekretär Pascall Colasse vollendet. Die Nachfolge im Amt des Surintendanten übernahmen zuerst seine Söhne Jean und Louis de Lully, zusammen mit seinem Schüler Marin Marais, bis der König Michel-Richard Delalande das Amt übertrug.

Abschließend lässt sich feststellen, dass Lully mit seiner neuen Orchesterdisziplin nicht nur den französischen Stil weiterführte und maßgeblich prägte, sondern damit enormen Einfluss auf die europäische Musiklandschaft des ausgehenden 17. Jahrhunderts ausübte.

Typisch für den Klang seines Orchesters sind die Vorhalte, der fünfstimmige Orchestersatz und die große Besetzung des Orchesters. Die 24 Violinen des Königs bilden den Kern des Ensembles; hinzu treten die 12 großen Oboen (an der Weiterentwicklung der Schalmei zur Oboe soll Lully maßgeblich beteiligt gewesen sein), eine umfangreiche Continuogruppe mit Lauten, Gitarren, Cembalo etc. und recht oft Pauken und Trompeten. Beliebt war auch die ins Werk eingebundene „Zurschaustellung“ neuer Instrumente, wie der Traversflöte oder das „französische Trio“ aus 2 Oboen und Fagott. Diese Instrumente hatten in vielen Tänzen und Instrumentalstücken Soloauftritte, meist sogar auf der Bühne. In der nachfolgenden deutschen Tradition wurde das französische Trio oft verwendet, besonders von Fasch und Telemann. In den frühen Jahren spielte Lully selbst bei seinem Ensemble die erste Violine, oftmals sind in den Partituren der Philidor Sammlung Vermerke wie „M. de Lully joue“ („Herr von Lully spielt“) zu lesen, die Violinstimme sollte dann mit möglichst blumigen Verzierungen dargeboten werden.

Die typisch französische Ouvertüre im punktierten Rhythmus mit anschließender Fuge und Wiederholung des ersten Teils ist allerdings nur zum Teil eine Neuschöpfung Lullys. Seine Vorgänger, Lehrer und Zeitgenossen wie Jean de Cambefort, Francois Caroubel, Nicolas Dugap, Jacques de Montmorency de Bellville, Jacques Cordier, Pierre Beauchamps, Guillaume Dumanoir, Michel Mazuel, Mignot de la Voye oder Robert Cambert schrieben bereits Ouvertüren, oder besser gesagt Eröffnungsmusiken für die Hofballette. Diese Ouvertüren haben nichts mit den italienischen Sinfonias zu tun, wie sie von Monteverdi, Luigi Rossi oder Francesco Cavalli und Marc‘ Antonio Cesti komponiert wurden – der typisch französische Orchesterstil wurde schon zu Zeiten Ludwigs XIII. und seiner Ballettmeister entwickelt und ist auf die Gründung der 24 Violinen zurückzuführen – Lullys Wirken besteht vornehmlich in der Weiterführung der Tradition seiner Vorgänger. Doch während die alten Ouvertüren eher nur gravitätisch waren, fügte Lully ihnen noch einen fugierten Teil hinzu. 1660 wurde eine solche „neue“ Ouvertüre im Ballett Xerxes zum ersten Male aufgeführt, diese Form wurde seitdem beibehalten. Fast jedes Werk beginnt mit einer solchen Ouvertüre, eine Ausnahme bildet Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus, welches noch mit einem altertümlich anmutenden Ritournell eröffnet wird.

Lully selbst war als Tänzer sehr darauf bedacht, seine Tänze und Ballette so zu gestalten, dass man allein an der Musik schon erkennt, um welchen Tanz es sich handelt. So steht bei der Komposition nicht die Musik an erster Stelle – sondern der Tanz, den sie verkörpern soll.

Die französische Oper war von Anfang an als Gegenpol zur italienischen etablierten Oper gedacht. So wie Ludwig XIV. in allen Bereichen der Kunst eine eigene französische Ausdrucksform forderte, war es ihm ein persönliches Anliegen, dass das auch in der Musik geschehen sollte. In Lully fand er einen willigen und talentierten Meister, der seine Vorstellungen umsetzen konnte.

Besonders auffällig ist im Vergleich zur italienischen Oper das französische Rezitativ. Dieses von Lully und Lambert entwickelte Rezitativ ist vielmehr eine Weiterentwicklung des Air de Cour und hat mit den italienischen Rezitativen kaum etwas gemein. So gehen rezitierte Passagen ohne weiteres in kleine liedhafte Airs über. Die italienische Da-capo-Arie existiert in der französischen Oper nicht. Die berühmteste Szene Lullys ist der Monolog der Armide aus der gleichnamigen Tragdie lyrique: Enfin il est à ma puissance! (Akt II, Szene 5). Zeitgenossen wie später auch Jean-Philippe Rameau betrachteten diese Passage als das Ideal der französischen Opernkunst. Der größte Verdienst Lullys liegt in der Begründung der französischen Nationaloper. Mit der von ihm geschaffenen Opernform schaffte er es, die Erwartungen des Publikums zufriedenzustellen, eine eigene, verständliche Oper zu kreieren und eine Erhaltung und Integration des Balletts zu erreichen.

Jede seiner Opern ist in fünf Akte und einen Prolog unterteilt. Der Prolog dient musikalisch zu Verherrlichung seines Königs. Er besteht in der Regel nur aus Balletten, Chören und Airs, aber kaum Rezitativen. Die fünf Akte der Tragödien (natürlich wurden nur klassische Stoffe behandelt wie Ritterepen und Geschichten der griechisch-römischen Mythologie) sind alle in Versen abgefasst, was dem speziellen französischen Rezitativ sehr entgegenkommt. Jeder der Akte verfügt über ein Divertissement, also große Chorszenen und Ballette. Bestimmte Szenen wurden zum Standard wie die beliebten Traumszenen (Sommeil), die pompösen Schlachten (Combats), die Stürme (Vents) und die abschließenden großen Chaconnen und Passacaillen, oft mit Solisten und Chor.

Schon seit den Plaisirs de l’îsle de enchantée war der französische Musikstil in Europa populär geworden, und so zog es recht viele junge Musiker nach Paris, um bei Lully zu studieren. Diese jungen Musiker machten den Stil Lullys vor allem in Deutschland und England populär. Die Orchesterstücke seiner Opern und Ballette kursierten als Suiten in gedruckter Form in ganz Europa. So wundert es nicht, dass diese Suiten die barocke Orchestersuite maßgeblich prägten.

In fast jeder Musikbibliothek eines Fürsten fanden sich Abschriften der Werke Lullys. In Deutschland sind es vor allem die Höfe in Hannover, Celle, Düsseldorf, Kassel, Darmstadt, Rastatt und München gewesen, die nicht nur Lullys Musik sammelten, sondern auch französische Musiker importierten. Selbst wenn Lullys Opern noch in der Entstehungsphase waren, so gab es schon Schwarzkopien seiner fertiggestellten Szenen, die auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden. Sein Stil fand etliche Nachahmungen, so sind selbst die berühmten Orchestersuiten von Johann Sebastian Bach Nachahmungen der von Lully begründeten Formen. Gerade in England wurde sein Stil durch den frankophilen Geschmack der Stuartkönige gepflegt, der Stil Lullys ist in der Musik von Locke, Humfrey, Blow und Purcell nicht zu überhören. Aber schon zu Zeiten Karls I. war der französische Musikstil am Hof etabliert, unter anderem durch den französischen Komponisten und Geiger Stephen Nau .

In Frankreich blieb der Stil Lullys etwa für weitere hundert Jahre bindend. Die Formen, die er dem Ballett, der Oper und der geistlichen Musik gab, wurden nicht angetastet. Es war selbst tabu, einen Text, den Lully bereits vertont hatte, ein weiteres Mal zu vertonen. So komponierten die französischen Komponisten in der direkten Nachfolge Lullys ihre Opern ganz in seinem Stil.

Erst mit der Gründung des Concert spirituel in Paris und den immer öfter aufgeführten italienischen Konzerten wich die Abneigung gegen die italienische Musik. Als dann eine italienische Truppe Pergolesis La serva padrona in Paris aufführte, brach ein offener Konflikt zwischen den Anhängern der französischen traditionellen Oper und den Anhängern der neuen Opera buffa aus. Zeitgenossen berichten, dass es dort des Öfteren wie bei Religionskriegen zugegangen sei, zumindest was die Schmähschriften betrifft. Dieser Buffonistenstreit ging in die Geschichte ein und wurde erst Jahre später durch die ersten Aufführungen der Opern Glucks beigelegt.

Mit knapp 16 legte Moliere den Amtseid als künftiger Nachfolger seines Vaters im Tapissier-Amt ab und studierte wenig später Jura in Orléans. Zurück in Paris erhielt er die Zulassung als Anwalt. Ob er je als solcher tätig war, ist nicht bekannt. Um dieselbe Zeit frequentierte er die Vorlesungen des Naturforschers und Philosophen Pierre Gassendi, was ihm eine gewisse Distanz zu den Dogmen der Kirche vermittelte. Offenbar verfasste er damals eine Vers-Übertragung von De rerum natura des römischen Philosophen Lukrez, die aber verlorengegangen ist.

1641 oder 1642, also um die 20, lernte er die vier Jahre ältere Schauspielerin Madeleine Béjart kennen, die ihn in seinem Drang zum Theater bestärkte – gegen den Willen seines Vaters, der ihn im Sommer 1642 nötigte, in Ausübung seines Tapissier-Amtes Ludwig XIII. auf einer längeren Reise zu begleiten und ihm die wechselnden Nachtquartiere einzurichten.

1643 übertrug Molière das ungeliebte Amt seinem jüngeren Bruder, ließ sich einen Vorschuss auf das Erbe seiner Mutter auszahlen und gründete, noch unter dem Namen Poquelin, gemeinsam mit Madeleine Béjart, ihren Geschwistern Louis und Geneviève sowie fünf weiteren Komödianten mit Vertrag vom 30. Juni 1643 eine Theatergruppe, das L’Illustre Théâtre. Dieses ging 1645 bankrott und Molière wurde vorübergehend in Schuldhaft genommen. In der Folge schloss er sich mit den Béjarts der Wandertruppe des Schauspielers Charles du Fresne an, die vom Duc d’Épernon finanziell unterstützt wurde und hauptsächlich in West- und Südfrankreich auftrat.

Bald stieg er zum Direktor der Truppe auf und gewann 1653 für einige Jahre den Gouverneur des Languedoc als Förderer, den Prince de Conti, den er von der Schule her kannte. Das Repertoire der Truppe umfasste neben Tragödien, Tragikomödien und Komödien zeitgenössischer Autoren auch komische Farcen und lustige Theaterstücke im Stil der italienischen Commedia dell’arte. Ab 1655 nahm Molière auch eigene Werke ins Programm, z. B. die in Versen verfasste Komödie L’Étourdi ou Les Contretemps (Der Tollpatsch oder die Querstreiche), in der ein gewitzter und pfiffiger Diener und sein notorisch ungeschickter junger Herr die Hauptrollen spielen.

Nach 13 Wanderjahren, in denen er Menschen aus allen Schichten kennengelernt hatte und sein Handwerk als Schauspieler, Theaterdirektor und schließlich auch Autor von Grund auf gelernt hatte, gastierte Molière 1658 in Rouen, wo er dem berühmten Dramatiker Pierre Corneille begegnete. Vor allem aber kam er hier in Kontakt mit „Monsieur“, d. h. dem jüngeren Bruder von Ludwig XIV, Herzog Philippe I. d’Orléans. Dieser lud die Truppe an den Hof nach Paris ein, wo Molière die Tragödie Nicomède von Corneille und seine eigene Farce Le médecin amoureux (Der verliebte Arzt) aufführte. Letztere gefiel dem jungen, gerade erst 20-jährigen König so sehr, dass er der Truppe erlaubte, im Saal des an den Louvre grenzenden Petit-Bourbon zu spielen. Die Sonntage, Dienstage und Freitage gehörten dort allerdings schon einer italienischen Truppe um den Komödianten Tiberio Fiorilli (1608–1694), der wegen seiner Paraderolle als Scaramouche berühmt war.

Den Durchbruch erzielte Molière im November 1659 mit seiner in Prosa verfassten Komödie Les précieuses ridicules (Die lächerlichen feinen Damen), seinem ersten für ein überwiegend Pariser Publikum konzipierten Stück. Am Beispiel der beiden Protagonistinnen, zweier etwas exaltierter, möchte-gern-adelig und gebildet tuender Bürgermädchen, verspottet er hier die gekünstelte Sprechweise und die wirklichkeitsfremden Denkweisen der Preziösen, wie sie inzwischen auch im Bürgertum zu finden waren. Der Erfolg des Stücks verschaffte ihm erste Neider, das Thema erste Feinde, darunter den Chef der Verwaltung der königlichen Schlösser, der pünktlich zu Beginn der Spielzeit 1660/61 den Abriss des Petit-Bourbon verfügte. Molière blieb drei Monate ohne Spielstätte, bis er vom König den Saal des Palais Royal zugewiesen bekam.

Ein weiterer Schlag war 1661 der komplette Misserfolg der Tragikomödie Dom Garcie de Navarre, mit der Molière sich offenbar dem gehobenen Genus der Tragödie anzunähern gedachte. Mit dem zentralen Thema des Stücks, der exzessiven Eifersucht, bearbeitete er sicher aber auch ein persönliches Problem, denn der 40-Jährige umwarb zu dieser Zeit die offenbar kokette 18-jährige Armande Béjart, die jüngste Schwester von Madeleine und ebenfalls Schauspielerin in seiner Truppe.

Der nächste große Erfolg war erst Ende 1662 L’École des femmes (Die Schule der Frauen), eine Verskomödie, in der Molière (dem soeben Armande ihr Jawort gegeben hatte) für eine gemäßigte Emanzipation der jungen Frauen wirbt und für ihr Recht auf eine Liebesheirat. Die heftige Kontroverse, die er hiermit auslöste, heizte er 1663 weiter an mit den Prosastücken La Critique de l’École des femmes (Kritik der Schule der Frauen) und L’Impromptu de Versailles (Das Stegreifspiel von Versailles) an. Dem König scheint dies gefallen zu haben, denn er setzte Molière eine jährliche Pension von 1000 Livres aus. Im Januar 1664 wurde der König sogar Taufpate Molières ersten (allerdings bald danach verstorbenen) Kindes Louis, was er wohl auch deshalb tat, um das Gerücht zu widerlegen, Armande sei ein Kind Madeleine Béjarts und Molières und dieser habe somit seine eigene Tochter geheiratet.

In den Jahren 1663 bis 1665 wurde Molière für kurze Zeit zum Protektor des noch unbekannten Nachwuchsdramatikers Jean Racine. Er beauftragte ihn mit einer Tragödie über den Ödipus-Stoff, die er Anfang 1664 wenig erfolgreich inszenierte unter dem Titel La Thébaïde. Ou les frères ennemis (Die Thebais. Oder die feindlichen Brüder). 1665 spielte er mit immerhin mäßigem Erfolg Racines Tragikomödie Alexandre le Grand.

Molière erlebte allerdings, dass der mit der Inszenierung unzufriedene Jungautor mit seinem Stück zu der Truppe des Hôtel de Bourgogne abwanderte, die auf Tragödien spezialisiert war. Dabei nahm Racine eine von Molières beliebtesten Schauspielerinnen mit, Mademoiselle du Parc, die sich mit Racine liiert hatte und ihm zur Konkurrenz folgte. Das Verhältnis der beiden Männer war hiernach naturgemäß gespannt. Molière rächte sich, indem er in der Folgezeit häufig ältere Stücke von Racines Rivalen Pierre Corneille wieder aufnahm oder neue uraufführte.

Im Mai 1664 – inzwischen war er zum Vergnügungsdirektor Ludwigs XIV. avanciert – organisierte Molière ein mehrtägiges Hoffest im neuangelegten Park von Versailles. Dort spielte er zunächst, mit Balletteinlagen, die sein jüngerer Freund Jean-Baptiste Lully komponiert und choreographiert hatte, die unverfänglichen (eigenen) Komödien La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis), Le Mariage forcé (Die Zwangsheirat) und Les fâcheux (Die Lästigen). Am sechsten Tag führte er eine neue Verskomödie in drei Akten auf, die zum Politikum wurde: Tartuffe.

Schon im Vorfeld hatten etliche fromme Höflinge die Aufführung dieses Stücks um einen scheinbar strenggläubigen, in Wahrheit aber herrschsüchtigen, raffgierigen und lüsternen Schwindler zu verhindern versucht. Nach der Aufführung brach Empörung beim gesamten „alten Hof“ aus, einer Gruppierung meist älterer Höflinge, die sich um die fromme Königinmutter Anna von Österreich scharten und der Zeit vor 1661 nachtrauerten, wo man unter ihr und ihrem Minister Kardinal Mazarin die Macht gehabt hatte. Dem König war Molières Attacke auf die auch ihm lästigen Frömmler zunächst sehr recht gewesen, unter dem Druck des „alten Hofes“ hielt er es aber doch für geraten, das Stück zu verbieten. Die nächsten Jahre Molières waren bestimmt von seinem Kampf für den Tartuffe und gegen die Intrigen des „Klüngels der Frommen“, wie er sie nannte. Diese waren teilweise in einem bigotten Geheimbund organisiert, der Compagnie du Saint-Sacrement, der auch sein ehemaliger Gönner Conti angehörte, der nach einer Syphilisinfektion fromm geworden war.

Molière verfolgte unterdessen das Thema der Heuchelei weiter: Ende 1664, also bald nach dem ersten Verbot des Tartuffe, verfasste er Don Juan, ein Prosastück über einen hochadligen Heiratsschwindler, Betrüger und Libertin, der, um sich den Nachstellungen empörter Geschädigter zu entziehen, eine Bekehrung zu christlicher Moral und Frömmigkeit heuchelt, aber schließlich zur Hölle fährt. Auch dieses Stück wurde nach wenigen Aufführungen verboten, vermutlich wegen der nicht eindeutig negativen Darstellung von Don Juans Freidenkertum.

Immerhin sah sich Molière vom König insofern unterstützt, als er im Sommer 1665 seine Jahrespension von 1000 auf 6000 Livre erhöht bekam und mit seiner Truppe den Titel Troupe du roi annehmen durfte, beides kurz nach der Geburt seiner Tochter Esprit-Madeleine, die als einziges Kind überleben sollte.

Im Juni 1666 brachte Molière die Verskomödie Le Misanthrope (Der Menschenfeind) heraus, eine Satire auf die unehrliche Schmeichelei am Hof und die geheuchelte Nettigkeit in den Pariser Salons. Die ungewöhnlich stark autobiographisch geprägte Figur des Misanthropen Alceste, von Molière selbst gespielt, spiegelt sichtlich dessen eigenes Unvermögen und seine Unlust wider, sich auf dem glatten Parkett der Hofgesellschaft opportunistisch und angepasst zu verhalten. In der enttäuschten Liebe Alcestes zu der koketten jungen Célimène spiegelt sich die Enttäuschung Molières über seine 20 Jahre jüngere Frau Armande wider, die sich gerade (vorübergehend) von ihm getrennt hatte.

Im Sommer 1667 versuchte er eine auf fünf Akte verlängerte, überarbeitete und in L’Imposteur (Der Schwindler) umbetitelte Version des Tartuffe in sein Programm aufzunehmen, wobei er den Protagonisten in „Panulphe“ umbenannte und nicht mehr priesterähnlich, sondern als Adeligen kostümierte. Doch der Präsident des Pariser Parlements, der für den auf einem Feldzug in Flandern befindlichen König die Polizeigewalt ausübte, reagierte sofort mit einem Verbot; der Erzbischof von Paris drohte Molière sogar mit Exkommunikation. Als dieser zwei Schauspieler mit einer Bittschrift zum König schickte, signalisierte der zwar Wohlwollen, tat aber nichts. Immerhin duldete er, dass sein Bruder Philippe und danach der Fürst de Condé (der ältere Bruder Contis) 1668 das Stück in ihren Schlössern privat aufführen ließen.

Nach dem Verbot auch der zweiten Tartuffe-Version übte Molière 1668 in der Verskomödie Amphitryon erstmals leise Kritik an seinem wenig zuverlässigen Gönner Ludwig, den er verschlüsselt in der Rolle Iupiters ganz ungeniert seinem sexuellen Lustgewinn nachgehen lässt. In George Dandin (Prosa, ebenfalls 1668) brandmarkte er die Arroganz, mit der Adlige, selbst wenn sie verarmt sind, glauben, die gesellschaftlich nützliche Bourgeoisie verachten und ausbeuten zu dürfen.

Erst am 5. Februar 1669, nachdem der „alte Hof“ nach Annas Tod 1666 endgültig entmachtet, die Compagnie du Saint-Sacrement verboten und Ludwigs Macht nach innen- und außenpolitischen Erfolgen so gefestigt war, dass er keine Rücksicht mehr auf die frommen Gegner Molières nehmen musste, konnte dieser das nochmals überarbeitete, nun als Tartuffe, ou l’Imposteur betitelte Stück frei aufführen. Die Aufführung war ein triumphaler Erfolg und gilt als eines der großen Ereignisse der französischen Theatergeschichte.

Diese letzten Lebensjahre Molières waren gekennzeichnet von einem sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand, bedingt durch den beruflichen Stress sowie das lange Hin und Her um den Tartuffe.[1] Häufige Eheschwierigkeiten setzten ihm zusätzlich zu. 1671 kam es bei der Einstudierung der Ballett-Tragödie Psyché (deren letzte zwei Drittel Corneille verfasst hatte) zum Bruch mit Partner Lully. Anfang 1672 erkrankte und verstarb seine langjährige Weggefährtin Madeleine Béjart. Ende desselben Jahres starb ein drittes Kind bald nach der Geburt, und Molière musste erleben, wie Lully zum Rivalen wurde, den der König vorzuziehen begann.

Le Malade imaginaire sollte in bitterer Ironie sein letztes Stück bleiben und die Hauptrolle des eingebildeten Kranken seine letzte Rolle.[2] Bei der vierten Aufführung am 17. Februar 1673 erlitt er einen Schwächeanfall und starb wenig später in seiner nahe gelegenen Wohnung. Nur mühsam gelang es seiner Frau Armande, den Widerstand des Gemeindepfarrers zu brechen und über den König beim Erzbischof von Paris zu erreichen, dass eine halbwegs ehrbare Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof genehmigt wurde.

Die Truppe Molières blieb unter Armandes Leitung zunächst bestehen. Sie schloss sich aber bald, als Rivale Lully den Saal des Palais Royal zugesprochen bekam, der Truppe des Théâtre du Marais an, wobei Armande einen von deren Schauspielern heiratete. 1680 verschmolz die neue Truppe auf Anweisung von Ludwig XIV. mit der Truppe des Hôtel de Bourgogne: Die noch heute bestehende Comédie-Française war geboren.

Die Comédie-Française ist eines von fünf Theatern in Frankreich, die den Status eines Nationaltheaters innehaben. Die Comédie-Française unterhält als einziges dieser Nationaltheater ein festes Ensemble (Troupe des Comédiens français). Das Haus der Comédie-Française befindet sich im 1. Pariser Arrondissement, dem Arrondissement du Louvre. Der Name Molière ist eng mit dem Theater verbunden, weshalb es auch oft La Maison de Molière (Molières Haus) genannt wird. Sein großer Einfluss auf die französische Theaterlandschaft und die Schauspielkunst prägte die Geschichte des Hauses.

Die Comédie-Française wurde am 21. Oktober 1680 durch ein Lettre de cachet von König Ludwig XIV. gegründet, das den Zusammenschluss der beiden Pariser Schauspieltruppen des Théâtre de l’hôtel de Bourgogne und des Théâtre de Guénégaud regelte. Bereits am 24. August gab das aus 27 Schauspielern bestehende Ensemble seine erste öffentliche Vorstellung, mit einer gemeinsamen Aufführung der Tragödie Phèdre von Jean Racine und einer Komödie des zweitrangigen Schriftstellers Jean de La Chapelle (1651–1723). Das Repertoire bestand vorwiegend aus Stücken von Molière, Racine, Pierre Corneille, Paul Scarron und Jean de Rotrou.

Während der Französischen Revolution wurden die Comédie-Française am 3. September 1793 per Verordnung des Wohlfahrtsausschusses geschlossen und die Schauspieler verhaftet. Erst sechs Jahre später, am 30. Mai 1799, hob die neue Regierung diesen Beschluss auf und erlaubte weitere Vorführungen des wiedervereinigten Ensembles im Richelieu-Saal (Salle Richelieu).

Am 25. Februar 1830 kam es anlässlich der Uraufführung von Victor Hugos Stück Hernani im Theater zur sogenannten „Schlacht um Hernani“. Das Publikum war gespalten in Anhänger der französischen Klassik und solche der Romantik, die durch das Stück mitbegründet wurde, und trug diesen Konflikt während der Aufführung lautstark aus. Letztlich trugen die Anhänger des neuartigen „romantischen“ Theaters den Sieg davon, und Abweichungen von den klassischen Theaterregeln wurden verbreiteter.

Im Juni 1666 brachte Molière die Verskomödie Le Misanthrope (Der Menschenfeind) heraus, eine Satire auf die unehrliche Schmeichelei am Hof und die geheuchelte Nettigkeit in den Pariser Salons. Die ungewöhnlich stark autobiographisch geprägte Figur des Misanthropen Alceste, von Molière selbst gespielt, spiegelt sichtlich dessen eigenes Unvermögen und seine Unlust wider, sich auf dem glatten Parkett der Hofgesellschaft opportunistisch und angepasst zu verhalten. In der enttäuschten Liebe Alcestes zu der koketten jungen Célimène spiegelt sich die Enttäuschung Molières über seine 20 Jahre jüngere Frau Armande wider, die sich gerade (vorübergehend) von ihm getrennt hatte.

Im Sommer 1667 versuchte er eine auf fünf Akte verlängerte, überarbeitete und in L’Imposteur (Der Schwindler) umbetitelte Version des Tartuffe in sein Programm aufzunehmen, wobei er den Protagonisten in „Panulphe“ umbenannte und nicht mehr priesterähnlich, sondern als Adeligen kostümierte. Doch der Präsident des Pariser Parlements, der für den auf einem Feldzug in Flandern befindlichen König die Polizeigewalt ausübte, reagierte sofort mit einem Verbot; der Erzbischof von Paris drohte Molière sogar mit Exkommunikation. Als dieser zwei Schauspieler mit einer Bittschrift zum König schickte, signalisierte der zwar Wohlwollen, tat aber nichts. Immerhin duldete er, dass sein Bruder Philippe und danach der Fürst de Condé (der ältere Bruder Contis) 1668 das Stück in ihren Schlössern privat aufführen ließen.

Nach dem Verbot auch der zweiten Tartuffe-Version übte Molière 1668 in der Verskomödie Amphitryon erstmals leise Kritik an seinem wenig zuverlässigen Gönner Ludwig, den er verschlüsselt in der Rolle Iupiters ganz ungeniert seinem sexuellen Lustgewinn nachgehen lässt. In George Dandin (Prosa, ebenfalls 1668) brandmarkte er die Arroganz, mit der Adlige, selbst wenn sie verarmt sind, glauben, die gesellschaftlich nützliche Bourgeoisie verachten und ausbeuten zu dürfen.

Erst am 5. Februar 1669, nachdem der „alte Hof“ nach Annas Tod 1666 endgültig entmachtet, die Compagnie du Saint-Sacrement verboten und Ludwigs Macht nach innen- und außenpolitischen Erfolgen so gefestigt war, dass er keine Rücksicht mehr auf die frommen Gegner Molières nehmen musste, konnte dieser das nochmals überarbeitete, nun als Tartuffe, ou l’Imposteur betitelte Stück frei aufführen. Die Aufführung war ein triumphaler Erfolg und gilt als eines der großen Ereignisse der französischen Theatergeschichte.

Diese letzten Lebensjahre Molières waren gekennzeichnet von einem sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand, bedingt durch den beruflichen Stress sowie das lange Hin und Her um den Tartuffe.[3] Häufige Eheschwierigkeiten setzten ihm zusätzlich zu. 1671 kam es bei der Einstudierung der Ballett-Tragödie Psyché (deren letzte zwei Drittel Corneille verfasst hatte) zum Bruch mit Partner Lully. Anfang 1672 erkrankte und verstarb seine langjährige Weggefährtin Madeleine Béjart. Ende desselben Jahres starb ein drittes Kind bald nach der Geburt, und Molière musste erleben, wie Lully zum Rivalen wurde, den der König vorzuziehen begann.

Le Malade imaginaire sollte in bitterer Ironie sein letztes Stück bleiben und die Hauptrolle des eingebildeten Kranken seine letzte Rolle.[4] Bei der vierten Aufführung am 17. Februar 1673 erlitt er einen Schwächeanfall und starb wenig später in seiner nahe gelegenen Wohnung. Nur mühsam gelang es seiner Frau Armande, den Widerstand des Gemeindepfarrers zu brechen und über den König beim Erzbischof von Paris zu erreichen, dass eine halbwegs ehrbare Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof genehmigt wurde.

Die Truppe Molières blieb unter Armandes Leitung zunächst bestehen. Sie schloss sich aber bald, als Rivale Lully den Saal des Palais Royal zugesprochen bekam, der Truppe des Théâtre du Marais an, wobei Armande einen von deren Schauspielern heiratete. 1680 verschmolz die neue Truppe auf Anweisung von Ludwig XIV. mit der Truppe des Hôtel de Bourgogne: Die noch heute bestehende Comédie-Française war geboren.

Die Comédie-Française ist eines von fünf Theatern in Frankreich, die den Status eines Nationaltheaters innehaben. Die Comédie-Française unterhält als einziges dieser Nationaltheater ein festes Ensemble (Troupe des Comédiens français). Das Haus der Comédie-Française befindet sich im 1. Pariser Arrondissement, dem Arrondissement du Louvre. Der Name Molière ist eng mit dem Theater verbunden, weshalb es auch oft La Maison de Molière (Molières Haus) genannt wird. Sein großer Einfluss auf die französische Theaterlandschaft und die Schauspielkunst prägte die Geschichte des Hauses.

Die Comédie-Française wurde am 21. Oktober 1680 durch ein Lettre de cachet von König Ludwig XIV. gegründet, das den Zusammenschluss der beiden Pariser Schauspieltruppen des Théâtre de l’hôtel de Bourgogne und des Théâtre de Guénégaud regelte. Bereits am 24. August gab das aus 27 Schauspielern bestehende Ensemble seine erste öffentliche Vorstellung, mit einer gemeinsamen Aufführung der Tragödie Phèdre von Jean Racine und einer Komödie des zweitrangigen Schriftstellers Jean de La Chapelle (1651–1723). Das Repertoire bestand vorwiegend aus Stücken von Molière, Racine, Pierre Corneille, Paul Scarron und Jean de Rotrou.

Während der Französischen Revolution wurden die Comédie-Française am 3. September 1793 per Verordnung des Wohlfahrtsausschusses geschlossen und die Schauspieler verhaftet. Erst sechs Jahre später, am 30. Mai 1799, hob die neue Regierung diesen Beschluss auf und erlaubte weitere Vorführungen des wiedervereinigten Ensembles im Richelieu-Saal (Salle Richelieu).

Am 25. Februar 1830 kam es anlässlich der Uraufführung von Victor Hugos Stück Hernani im Theater zur sogenannten „Schlacht um Hernani“. Das Publikum war gespalten in Anhänger der französischen Klassik und solche der Romantik, die durch das Stück mitbegründet wurde, und trug diesen Konflikt während der Aufführung lautstark aus. Letztlich trugen die Anhänger des neuartigen „romantischen“ Theaters den Sieg davon, und Abweichungen von den klassischen Theaterregeln wurden verbreiteter.

Die Comédie-Française verfügt über drei Theater in Paris: den Richelieu-Saal, das Théâtre du Vieux-Colombier und das Studio-Théâtre.

Gegen die absolutistisch geprägte Comédie-Francaise gab es bürgerliche Oppositionsveranstaltungen in Form der Pariser Jahrmarkttheater.

Pariser Jahrmarktstheater (Théâtre de la foire) nennt sich ein Spektrum von Unterhaltungsveranstaltungen in Paris seit dem 17. Jahrhundert, zu denen Theater-Parodien, Marionettentheater, Artistik, Pantomime, Vaudeville und später die Opéra comique gehörten.

Diese Veranstaltungen hatten ihr jahreszeitliches und örtliches Zentrum auf den Jahrmärkten von Saint-Germain, Saint-Laurent und später Saint-Ovide. Sie waren der Ursprung aller kontinentaleuropäischen Theaterformen, die nicht von den Hoftheatern ausgingen, sondern vom Unternehmertum des Dritten Standes. Diese Bedeutung hat mit dem Publikumsvolumen zu tun: Paris als größte europäische Stadt überschritt im 18. Jahrhundert schon die Grenze von 500.000 Einwohnern, während Wien, die größte Stadt im deutschsprachigen Raum, um 1790 erst 200.000 Einwohner zählte.

Jahrmarktstheater waren stets ein Symbol für den individuellen (und privatwirtschaftlichen) Widerstand gegen die etablierten, vom Adel geführten Theater der Stadt und des Hofs, die ihre Konkurrenz bekämpften.

Der Jahrmarkt wird erstmals um 1176 erwähnt und wurde rund um die Abtei Saint-Germain-des-Prés abgehalten. Er dauerte in der Regel drei bis fünf Wochen um Ostern herum. Seit dem 18. Jahrhundert war er vom 3. Februar an bis zum Palmsonntag geöffnet. Es wurden Textilien und Geschirr besserer Qualität verkauft, aber keine Waffen oder Bücher. Es gab den Jahrmarkt bis 1789, als er in der Französischen Revolution in den Besitz der Stadt überging. 1818 wurde er als städtischer Markt wiedereröffnet. Den Jahrmarkt gibt es wieder seit seiner Wiederbelebung 1978.

Die ersten bekannten Komödianten, die sich auf diesem Jahrmarkt produzierten, waren Jean Courtin und Nicolas Poteau, die 1595 einen Prozess gegen die Truppe des Hôtel de Bourgogne gewannen, die auf ihrem Privileg bestand. Einen ähnlichen Erfolg hatten 1618 André Soliel und Isabel Le Gendre. Später zeigten sich Marionettenspieler, Seiltänzer, Bodenakrobaten und Tierbändiger auf dem Jahrmarkt. 1696 wurden vier kleine Theater mit je etwa 100 Sitzplätzen gebaut.

Nach 1700 erfolgte eine Literarisierung, auch eine Politisierung des Jahrmarktstheaters. Mehr und mehr wurden Opern und Theaterstücke gespielt, die bekannte höfische Theaterereignisse verspotteten. Schriftsteller wie Alain Lesage oder Louis Fuzelier schrieben für das Jahrmarktstheater.

Der Jahrmarkt Saint-Laurent bestand seit 1344 im Enclos Saint-Laurent zwischen der gleichnamigen Kirche und dem heutigen Ostbahnhof (Gare de l'Est). Im 18. Jahrhundert wurde er vom 9. August bis zum 29. September abgehalten.

Der Jahrmarkt Saint-Laurent war ein Treffpunkt für Handwerker, Händler und bürgerliche Kunden unter freiem Himmel, während der überdachte Jahrmarkt Saint-Germain eher als Einkaufszentrum für Luxusgüter wie Schmuck oder Porzellan diente.

Viele Artisten und Theatertruppen des Jahrmarkts Saint-Germain traten auch hier auf, weil der eine Jahrmarkt im Frühling und der andere im Sommer abgehalten wurde. Als sich die Theaterszene vergrößerte, wurden Theaterproduktionen von Saint-Germain in Saint-Laurent wieder aufgenommen.

Der Jahrmarkt Saint-Ovide wurde seit 1764 auf dem Place Louis XIV abgehalten und 1772 auf den Place Louis XV verlagert. Trotz der kleinen Dimension war er eine wichtige Konkurrenz von Saint-Laurent, der ungefähr zur gleichen Zeit stattfand (etwa 15. August bis 15. September). 1777 wurden die Buden durch einen Brand zerstört.

Die artistischen Darbietungen des 17. Jahrhunderts wurden zunehmend zu kleinen Komödien und damit zu einem Markt für talentierte Schriftsteller und Komponisten. Seit der Vertreibung der italienischen Komödianten aus Paris 1697 durch Ludwig XIV. entstanden neue französische Theaterformen. Die Professionalisierung der Jahrmarktsspektakel beunruhigte sogar die Comédie-Française, die in ihnen eine gefährliche Konkurrenz zu erblicken begann. Aufgrund verschiedener Prozesse, die sie gegen die Jahrmarktskomödianten führte, erreichte sie 1707 das berühmte Verbot der „pièces dialoguées“ auf den Jahrmärkten, ein generelles Verbot (französischer) Bühnen-Dialoge, aus dem die stumme Pantomime hervorging.

Aus der Geschicklichkeit, mit der dieses Verbot umgangen wurde, entstanden neue Theaterformen, etwa Stücke, die ausschließlich aus Monologen bestanden. Später wurde auch ein Kauderwelsch erfunden, um den alleinigen Anspruch der Comédie-Française auf die französische Sprache nicht zu verletzen. Schließlich wurden Zwischentexte auch mit Hilfe von Schildern und Papierrollen gezeigt. Um das Gesangsverbot auf der Bühne zu umgehen, wurde das Publikum zum Singen animiert.

Auf diese Weise konnte die Comédie-Française nicht mehr gegen erfolgreiche Produktionen vorgehen. Die Pariser Oper demgegenüber hatte bereits im ganzen französischen Königreich das alleinige Recht, Gesangs- und Ballettdarbietungen aufzuführen, und mussten sich deshalb um keine Verbote bemühen. Die Direktoren der Oper versuchten jedoch, ihre Einkünfte zu verbessern, indem sie Theaterunternehmern auf den Jahrmärkten das Recht zu musikalischen Spektakeln verkauften. So entstand 1714 das Genre der Opéra comique.

Die Opéra comique ist eine Operngattung, deren Anfänge im 17. Jahrhundert auf Vorstadtkomödien mit Musikeinlagen (Vaudevilles) zurückgehen. Sie war in der ersten Zeit dadurch gekennzeichnet, dass die musikalischen Nummern nicht durch Rezitative verbunden waren, sondern durch gesprochene Dialoge. Damit war sie ein Pendant zum deutschen Singspiel und der englischen Ballad Opera beziehungsweise der Spieloper.

Die anfangs in der Regel aus drei Akten bestehende Opéra comique verwendete keine antiken mythologischen Sujets wie die Tragédie lyrique, sondern historische oder gegenwärtige Stoffe, und ihre Helden waren keine Adligen.

Im Laufe der Zeit erfährt die Opéra comique eine Reihe stilistischer Wandlungen, wobei auch mehr als drei Akte oder Rezitative anstelle der Dialoge möglich werden. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts findet eine Aufspaltung in zwei Richtungen statt: eine, die sich zunehmend der Operette nähert, und eine andere, die sich verstärkt der Mittel der Grand opéra bedient. Bei letzterer verschmelzen schließlich die Kunstmittel der Opéra comique so stark mit dem Drame lyrique, dass eine Unterscheidung nach Gattungen nicht mehr möglich ist.

Ob der Charakter eines Werkes komisch oder tragisch ist, spielt für diese Gattungsbezeichnung keine Rolle. Die Opéra comique ist oft gar nicht komisch, sondern hat eher rührend-sentimentale Handlungen. Die Bezeichnung comique rührt im Grunde nur daher, dass die Tragödie bis zum 18. Jahrhundert dem Adel vorbehalten war und das aufstrebende Bürgertum sich mit Komödien begnügen musste. Deshalb wurde die Opéra comique zu einer bürgerlichen Oper, die sich von der (tragischen) höfischen Oper ebenso distanzierte wie von den (komischen) Jahrmarktsvergnügungen.

Ebenso wurde mit der ursprünglichen Opéra comique das Einheimische gegen die italienischen Kulturimporte ausgespielt, was für das Singspiel im deutschen Sprachgebiet ebenso eine Rolle spielte wie in Frankreich. Da große Teile gesprochen waren, konnten die Partien auch von Schauspielern ausgeführt werden, während man für die Oper (italienische) Gesangsvirtuosen benötigte.

Weil es im deutschen Sprachgebiet auch im 19. Jahrhundert noch das Hoftheater für die Repräsentation des Adels gab, im Unterschied zu Paris, hielt sich hier der ursprüngliche Sinn der Opéra comique als Gegengattung zur höfischen Oper (zum Beispiel in Albert Lortzings Singspielen, am radikalsten in seiner „Freiheitsoper“ Regina, 1848), während diese Gattungsbezeichnung in Paris nach der Französischen Revolution mit der Institution der Opéra-Comique und ihren Vorschriften und Gegebenheiten zusammenfiel. Daher muss man eine bieder-bürgerliche Opéra comique des 18. Jahrhunderts, die sich um ein bürgerliches Selbstbewusstsein bemühte, ohne es sich mit den Aristokraten zu verderben, von einer großstädtisch-glanzvollen Opéra comique des 19. Jahrhunderts unterscheiden.

Als ein Gesangsverbot auf den Jahrmärkten 1714 aufgelöst wurde (das jedoch nicht das letzte an diesen Orten bleiben sollte), schlossen sich zwei französische Theatertruppen zur Institution der Opéra comique zusammen, die eine französische Alternative zu den italienischen Opern bieten sollten. Alain Lesages Opernparodie Télémaque trägt um 1715 als eines der ersten Stücke die Gattungsbezeichnung Opéra comique. In die Vaudevilles waren Lieder mit neuen Texten zu bekannten Melodien eingelegt, in der Opéra comique war dagegen auch die Musik neu komponiert. Oft wurden diese Stücke „comédie mêlée d'ariettes“ oder „drame mêlé de chants“ genannt, was die Mischung aus gesprochenem Text und Gesang anzeigt. Eine Zusammenstellung der Musik aus Werken verschiedener Komponisten war nicht selten. Unterschätzt wird heute häufig die Bedeutung des Gesellschaftstanzes für diese frühen populären Opern.

Die Rivalität zwischen italienischer und französischer Musik wurde stets von Neuem angefacht. Als eine italienische Operntruppe in Paris 1752 wiederum sehr erfolgreich war, präsentierte der Philosoph und Musiker Jean-Jacques Rousseau mit seinem Intermède Le Devin du village (Der Dorfwahrsager) eine Opéra comique, die den Italienern mit Hilfe des Hofes Konkurrenz machen konnte. Rousseau, der sich über den Erfolg freute, aber durchaus nicht zur konservativen „französischen“ Partei gehörten wollte, zettelte daraufhin mit einem öffentlichen Brief (Lettre sur la musique française, 1753) den sogenannten Buffonistenstreit an, indem er die französische Opernmusik pauschal verurteilte und ihr die italienische Opera buffa als leuchtendes Beispiel voranstellte.

Wie ihre italienischen Vorbilder (La serva padrona, 1733) behandelt Rousseaus Kurzoper den Erfolg einfacher Leute, aber Komik und Intrige sind zugunsten der konstruktiven und positiven Handlungselemente stark zurückgenommen. Obwohl sich Rousseau in dieser Oper um französische Rezitative bemühte, machte sein Beispiel nicht Schule. Man blieb in der Opéra comique beim gesprochenen Text der Jahrmarktskomödien. Aber der schlichte, sentimentale Ton wies den „ernsthaften“ Stücken dieses Genres einen Weg.

So wurde die Opéra comique nach der Jahrhundertmitte zu einer „bürgerlichen“ Opern-Alternative einerseits gegenüber der höfischen Tragédie lyrique und andererseits gegenüber dem „vulgären“ Vaudeville. Komponisten wie François-André Danican Philidor oder Pierre-Alexandre Monsigny entwickelten ihre musikalischen Mittel. Erstmals (und vorerst auch letztmals) konnten sich beide Gattungen – Opéra comique und Tragédie lyrique – in Antonio Salieris Tarare (1787) vermischen.

Der Dichter Charles Simon Favart rühmte sich, mit der Opéra comique eine Oper für die „honnêtes gens“, das Bürgertum seiner Zeit, geschaffen zu haben. Er arbeitete etwa mit dem italienischen Komponisten Egidio Duni oder mit Antoine Dauvergne zusammen. Nach ihm ist die Salle Favart benannt, das „Haus“ der Opéra comique. Nicolas Dalayrac vertrat eine leichtere, komödienhafte Spielart der Opéra comique. Seine Gesangspartien konnten oft noch von Schauspielern gemeistert werden. Der Komponist André Grétry gilt als ein Wegbereiter der moderneren, dramatischeren und musikalisch gewichtigeren Opéra comique. Seine Oper Richard Cœur-de-lion (1784) enthält eine mehrmals wiederkehrende patriotische Melodie, die oft als Vorform des Leitmotivs gedeutet wurde. Zur Opéra comique der Revolutionszeit gehören Werke von Étienne-Nicolas Méhul, Nicolas Isouard oder François Devienne.

Im deutschen Sprachgebiet wurde die Opéra comique bewundert und nachgeahmt, aber ihr Witz wurde oft nicht verstanden. So wurde Marie Duroncerays Les amours de Bastien et Bastienne (1753), eine bissige Parodie auf Rousseaus Devin du village, in der von Mozart vertonten deutschen Fassung Bastien und Bastienne (1768) wieder zum bieder-rührenden Singspiel. Neben den parodistischen gab es gewiss auch sentimentale Originale, die in Deutschland besser verstanden wurden: Méhuls rührender Joseph (1807) wurde im deutschen Sprachgebiet häufig gespielt und regte ähnliche deutschsprachige Opern an wie Joseph Weigls Die Schweizer Familie (1809).

Die älteren Opéras comiques bildeten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ein unerschöpfliches Reservoir für Übersetzungen, Bearbeitungen und Neuvertonungen in andern Sprachen. Die deutschen Wanderbühnen hatten stets auch opéras comiques im Repertoire, die sich mit relativ geringem Aufwand aufführen ließen. Selbst die erste Wiener Operette Das Pensionat (1860) geht noch auf eine ältere Opéra comique zurück. Eine nationalistisch orientierte Theater- und Musikgeschichtsschreibung seit dem Ende jenes Jahrhunderts versuchte allerdings oft, die deutschsprachigen Spielopern als Originalwerke auszugeben.

Da Paris nicht nur die Kultur der Höfe anleitete, sondern bis ins 19. Jahrhundert auch die größte Stadt auf dem europäischen Kontinent war, kamen die meisten kulturellen Strömungen von dort. Christoph Willibald Gluck komponierte als Kapellmeister des Französischen Theaters (Burgtheater) in Wien auf französische Libretti zwischen 1758 und 1763 mehrere opéras comiques, bevor sich dieses Theater dem deutschsprachigen Singspiel zuwandte wie Mozarts Die Entführung aus dem Serail (1782), was im 19. Jahrhundert als bürgerlicher und „nationaler“ Triumph des „Deutschen“ gesehen wurde.

Die Emanzipation der Opéra comique war gleichsam vollendet, als sie nach der Revolution an die Stelle der höfischen Tragödie treten konnte. Zur Opéra comique dieser Art gehört Luigi Cherubinis tragische Oper Médée (1797). In Verbindung mit dem Theatermelodram ergaben sich allerdings modernere Typen der Tragödie oder Tragikomödie wie die Rettungsoper mit ihren Abenteuerstoffen. Eine unruhige Ära des Experimentierens zu Beginn des Jahrhunderts spiegelt die Regierungszeit Napoléon Bonapartes. Beethovens Fidelio (1805–1814) vollzieht diese Entwicklung nach: Orientiert sich der erste Akt noch weitgehend an der rührstückhaften älteren Opéra comique, begibt sich Beethoven im weiteren Verlauf der Komposition mit einem Melodram und dem spektakulären Befreiungs-Quartett in den Bereich der Rettungs-Oper, um im großen utopischen Chorfinale das Werk gleichsam oratorienhaft zu beenden.

Die moderneren „Spektakelstücke“ Frankreichs hatten auch erheblichen Einfluss auf die sogenannte romantische Oper, wie zum Beispiel auf Carl Maria von Webers Der Freischütz (1821).

Mit der Tradition dieser jüngeren und größeren Opéra comique verbindet man die Namen der Komponisten François-Adrien Boïeldieu und Daniel-François-Esprit Auber sowie des Librettisten Eugène Scribe. Boïeldieus La dame blanche (1825) setzt die Adelsgesellschaft in ihr altes Recht und steht damit im Dienst der Restauration, während Aubers Le maçon (1825) Handwerkerschicksale im exotischen Umfeld behandelt und unter dem deutschen Titel Maurer und Schlosser häufig gespielt wurde.

Im Jahr 1827/28, als der Melodram-Dichter und -Produzent René Charles Guilbert de Pixérécourt Direktor der Opéra-Comique war, waren sich die Varianten des Pariser Musiktheaters so nahe wie nie zuvor, und es spaltete sich die Grand opéra als Folgegattung für die altmodisch gewordene Tragédie lyrique ab. Die politische Bedeutung der Opéra comique kam nur noch gelegentlich zum Tragen und ging auf die Grand opéra über wie in Aubers La muette de Portici (1828), deren Aufführung am 25. August 1830 in Brüssel die belgische Revolution auslöste. Obwohl dieses Stück heute aufgrund der fünf Akte und Rezitative zur Grand opéra gerechnet wird, behielt es durch die integrierte pantomimische Rolle und die sozial niedrig stehenden Hauptfiguren Eigenschaften der Opéra comique bei.

In der Zeit des Vormärz waren die unterhaltsamen Stücke, die nirgends anecken konnten, modern. Sie entwickelten musikalische Stilmittel weiter, die Gioachino Rossini berühmt gemacht hatten (der in Paris lebte, aber nicht mehr komponierte). Aubers Fra Diavolo (1830) und Gaetano Donizettis La Fille du Régiment (1840) gehören zu den erfolgreichsten Opern dieses Genres und blieben hundert Jahre lang im Repertoire.

Der Postillon von Lonjumeau (1836) von Adolphe Adam (1803–1856) wurde zu einer auch im deutschen Sprachgebiet verbreiteten Opéra comique. In ihr zeigt sich die Ideologie der älteren Opéra comique, in der das Komische zum Sentimentalen tendiert, wieder sehr deutlich: Die vorgebliche Bigamie der Hauptfigur stellt sich als Treue heraus, weil sich die zweite Ehefrau des zum Gesangsstar gewordenen Postillons als seine verlassene erste entpuppt: Er führt also kein Lotterleben, sondern ist im Grunde doch ein pflichtbewusster Bürger.

Zur repräsentativen großbürgerlichen Operngattung wurde allerdings die Grand opéra (die ihrerseits an eine Pariser Institution, die „Opéra“, gebunden war) mit ihrem hauptsächlichen Vertreter Giacomo Meyerbeer. Meyerbeer versuchte die Opéra comique mit seinem deutsch uraufgeführten Werk Ein Feldlager in Schlesien (Berlin 1844) zur repräsentativen aristokratischen Oper zu machen, stieß damit aber auf geharnischten Widerstand in der deutschsprachigen Theaterwelt, sodass dieses Werk erst in seiner französischen Umarbeitung L’Étoile du Nord (1854) in Paris Fuß fassen konnte.

Die Opéra comique hatte zunehmend Mühe, sich zu profilieren, und eiferte der Grand opéra nach. Hector Berlioz stand mit seinem Künstlerdrama Benvenuto Cellini (1838) unentschieden zwischen Opéra comique und Grand opéra. Die Opéra comique konnte sich nicht mehr als Gegengattung zur höfischen Oper ausgeben und war auch nicht mehr das „heitere“ Genre.

Mit den modernen Vaudevilles der Boulevardtheater und später mit den Music Hall-Attraktionen entstand demgegenüber eine Art Musiktheater für Dienstboten und Arbeiter, sodass die Opéra comique ebenso wie die Grand Opéra das gehobene Bürgertum repräsentierte.

Dies bemängelte der Komponist Jacques Offenbach und erklärte in einer Abhandlung von 1856, dass er die Opéra comique als „einfache und wahre“ Oper (le genre primitif et vrai) des 18. Jahrhunderts wiederbeleben wolle, weil die im Haus der Opéra-Comique gespielten Stücke mittlerweile „kleine Grand Opéras“ geworden seien. Das Ergebnis war Offenbachs Pariser Operette im Théâtre des Bouffes-Parisiens. Offenbachs an der Opéra-Comique aufgeführtes Werk Barkouf (1860) mit einem Hund als Hauptfigur fiel durch. Die grotesk-komischen Stücke hatten an diesem Ort keine Zukunft. Heitere Werke gab es in diesem Genre allerdings nach wie vor wie etwa bei Victor Massé.

Die größer dimensionierte Opéra comique konnte sich halten, weil die Grand opéra nach Meyerbeers Tod 1864 erschöpft schien. Mignon (1866) von Ambroise Thomas nach Wilhelm Meisters Lehrjahre zeigte nach Faust und Werther erneut, wie gut sich Goethes Romanfiguren auf der französischen Opernbühne machten. Mit Georges Bizets Carmen (1875) wurde die Opéra comique wieder zur führenden französischen Oper. Die Tradition, dass die Opéra comique eine Operngattung der „einfachen Leute“ war und auch tragische Schicksale in diesem Milieu darstellen konnte, wurde mit Carmen aufgenommen und radikalisiert (denn die Hauptfigur schert sich dort nicht um bürgerliche Werte). Dies führte bei der Uraufführung zu einem Skandal, setzte sich aber im Nachhinein durch.

Gegen die Tendenzen der Zeit waren jedoch die traditionell gesprochenen Dialoge der Opéra comique. Weil die Gesangspartien von Schauspielern nicht mehr zu bewältigen waren und Sänger Mühe mit den gesprochenen Dialogen hatten, gab es aufführungspraktische Schwierigkeiten. Außerdem empfand man oft die Stückelung der Musik als der Oper nicht mehr angemessen. Dies führte dazu, dass viele Opéras comiques nachträglich mit Rezitativen versehen oder große Ballette integriert wurden. Carmen teilt das Schicksal der nachkomponierten Rezitative mit Charles Gounods Faust (1859) und Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann (1881), die als letzte bedeutende Werke der Gattung gelten.

Zur Vermeidung des Begriffs Opéra comique wurde mehr und mehr auch die Gattungsbezeichnung Drame lyrique gebraucht. Mit dem Drang zur durchkomponierten Form verschwand die Opéra comique allmählich, etwa zur selben Zeit, da in Deutschland Singspiel beziehungsweise Spieloper dem Musikdrama als „hohem“ und der Wiener Operette als „niederem“ Genre wichen. – Tragédie lyrique wurde als Gattungsbegriff von Jules Massenet wieder verwendet, auch „Opéra lyrique“ taucht gelegentlich auf.

Doch mit dem wachsenden Erfolg der Jahrmarktsproduktionen erhöhte die Oper auch die Lizenzgebühren und brachte die freien Unternehmer in Schwierigkeiten. Dies nutzte wiederum die Comédie-Française, indem sie 1719 ein generelles Aufführungsverbot auf den Jahrmärkten mit Ausnahme von Marionettenspiel und Seiltanz erreichte.

1716, nach dem Tod des Sonnenkönigs, der die Italiener vertrieben hatte, hatte der Regent Philippe II. die Comédie-Italienne gegründet, das spätere Théâtre-Italien: Sie spielte 1721–1723 ohne nennenswerten Erfolg auf dem Jahrmarkt Saint-Laurent.

Der Kaufmann Maurice Honoré konnte 1724 das erneute Recht zu Opernaufführungen erwerben. Auf ihn folgten weitere Lizenznehmer. Der bedeutendste Vertreter des Jahrmarktstheaters Charles Simon Favart wertete die Opéra comique durch seine dichterischen und unternehmerischen Leistungen auf, sodass sie 1762 als erstes ursprünglich bürgerliches Theatergenre in das königliche Théâtre-Italien Einzug halten konnte.

Das Genre der Opernparodie, das auf den Jahrmärkten entstand, hatte weit über die französischen Grenzen hinaus Einfluss, so auch auf das Alt-Wiener Volkstheater. Favarts Gattin Marie Duronceray etwa gab in ihrer berühmten Parodie auf Jean-Jacques Rousseaus Le Devin du village mit dem Titel Les Amours de Bastien et Bastienne (1753) das zarte Landmädchen realistisch mit Holzschuhen und Dialekt. Der Stellenwert einer ernsten Oper ließ sich danach bemessen, wie oft sie auf den Jahrmärkten parodiert wurde.

Neben den Theater- und Opernaufführungen gab es auf den Jahrmärkten auch zirkusähnliche Darbietungen, Schaustellungen von Abnormitäten in Kuriositätenkabinetten, Wandermenagerien etc. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verlagerten sich die Veranstaltungen mehr und mehr in die Spielstätten an den Pariser Boulevards, hauptsächlich am Boulevard du Temple.

Neben Moliere und Lully sind in diesem Zusammenhang noch Jean Racine und Pierre Corneille zu erwähnen.

Jean Baptiste Racine (1639-1699) war einer der bedeutendsten Autoren der französischen Klassik. Er las schon in seiner Jugend zugleich mit Interesse klassische lateinische und griechische Theaterstücke, und zwar sowohl im Original als auch in moralisch und religiös „gereinigten“ französischen Übertragungen, die einer seiner Lehrer verfasste, Isaac Lemaistre de Sacy. Daneben begann er zu schreiben: Oden auf die Natur um Port-Royal, aber auch fromme Verse, z. T. auf Latein.

Ab 1656 wurde er Zeuge der Schikanierung der Jansenisten durch die Staatsgewalt und deren Verbündete, die Jesuiten, und wurde 1658 von der Schließung der Schule von Port-Royal betroffen. Er wechselte nach Paris auf das jansenistische Collège d’Harcourt, wo er seine Schulzeit mit der „philosophie“-Klasse abschloss (1659).

Hiernach fand er knapp 20-jährig Aufnahme bei einem Verwandten, der im Stadtpalast einer Herzogsfamilie lebte und deren Haus, Liegenschaften und Finanzen verwaltete. Von ihm wurde Racine in einige schöngeistige Zirkel eingeführt, wo er u. a. den späteren Fabel-Dichter Jean de La Fontaine kennenlernte, einen entfernten Verwandten. Zum Vortrag in diesem Umfeld und im Ambiente des Stimmungshochs nach dem Ende des langen Krieges mit Spanien (1659) verfasste Racine allerlei Gelegenheitsgedichte, darunter diverse galante. Auch die Welt des Theaters, das nach dem Friedensschluss einen starken Aufschwung nahm, erfuhr er nun als Realität und versuchte sich an einem ersten Stück, der Tragödie oder Tragikomödie Amasie, die jedoch nicht angenommen wurde und verloren ist. Hiernach scheint er ein Stück um die Figur des römischen Dichters Ovid begonnen zu haben, stellte es aber, vielleicht wegen einer längeren Krankheit, nicht fertig.

1660 fiel er dem einflussreichen Literaten Jean Chapelain positiv auf mit der Ode La Nymphe de la Seine à la Reine, wo er in der Rolle einer fiktiven Seine-Nymphe die Ankunft der spanischen Prinzessin Maria-Teresa und ihre Hochzeit mit Ludwig XIV. besingt. Auf Vorschlag Chapelains erhielt er die beachtliche Gratifikation von 100 Écus (2400 Francs) aus der Schatulle des Königs.

Insgesamt war er angetan von seiner mondänen Existenz in Paris und schien dem strengen Jansenismus den Rücken zu kehren. Seine Verwandten und seine Lehrer waren allerdings entsetzt über diese unfromme Entwicklung. 1661 drängten sie ihn, nach Uzès in Südfrankreich zu einem Bruder seiner Mutter zu gehen, der Stellvertreter des dortigen Bischofs war. Hier sollte er sich auf den Empfang zumindest der niederen Weihen vorbereiten, damit man ihm anschließend eine kirchliche Pfründe verschaffen konnte, die ihn, als die mittellose Waise, die er war, für den Rest seines Lebens versorgen sollte.

In Uzès jedoch, wo er sich pflichtgemäß mit Theologie befasste, aber wie im Exil fühlte, wurde Racine sich endgültig seiner dramaturgischen Ambitionen bewusst. Er ließ sich brieflich durch Pariser Bekannte auf dem Laufenden halten und begann offenbar ein Stück nach dem Liebes- und Abenteuerroman Äthiopica von Heliodor (3. Jh. n. Chr.), d. h. der Geschichte von Theagenes und der schönen Chariklea, die in Frankreich in der vielgelesenen Übertragung von Jacques Amyot bekannt war. Doch scheint er über das Anfangsstadium nicht hinausgekommen zu sein.

1663 brach er seinen Aufenthalt in Uzès ab, kehrte zurück nach Paris und versuchte, seine Kontakte wiederzubeleben und neue zu knüpfen. Hierbei schloss er Freundschaft mit dem wenig älteren Literaten Nicolas Boileau und lernte u. a. den Komödienautor und Theaterdirektor Molière kennen. Seine panegyrische Ode sur la convalescence du Roi brachte ihm erneut den Beifall Chapelains ein, der ihm eine königliche Pension von jährlich 600 Francs verschaffte, etwa der Hälfte dessen, was eine sparsam wirtschaftende Person benötigte. Ebenfalls über Chapelain erlangte er die Protektion des hochadeligen Duc [=Herzog] d’Aignan, der ihn dem König vorstellte. Vor allem jedoch verfasste er für die Truppe Molières, vielleicht sogar in seinem Auftrag und mit seiner Hilfe, die Tragödie La Thébaïde ou les frères ennemis (= Die Thebais oder die feindlichen Brüder), die von dem blutigen Streit der Zwillingssöhne des Ödipus um die Herrschaft im griechischen Stadtstaat Theben handelt. Das Anfang 1664 aufgeführte Stück hatte aber nur geringen Erfolg.

Sein nächstes Stück, die Tragikomödie Alexandre le Grand (1665), war eher romanesk. Racine übte sich darin erstmals in der nüancierten Darstellung der Liebe und der durch sie ausgelösten Konflikte, eine Thematik, die von nun an eine Schlüsselrolle bei ihm spielte. Aufgeführt wurde das Stück wiederum von der Truppe Molières, doch gefiel Racine die Inszenierung nicht. Er reichte es deshalb hinter dem Rücken Molières weiter an die auf Tragödien und Tragikomödien spezialisierte Truppe des Hôtel de Bourgogne. Den jungen König, der beide Truppen protegierte, hatte er vor seinem Wechsel offenbar eingeweiht und für sich gewonnen, denn er durfte ihm 1666 die Druckfassung des Alexandre widmen, was sicher auch deshalb gelang, weil Ludwig es liebte, mit Alexander verglichen zu werden. Das Verhältnis Racines zu Molière dagegen ging in die Brüche, zumal er eine von dessen beliebtesten Schauspielerinnen mitnahm, Mademoiselle Du Parc, die bis zu ihrem frühen Tod Ende 1668 auch seine Geliebte war.

Nach dem zwar nicht rauschenden, aber achtbaren Erfolg des Alexandre und seinem Aufstieg zum Günstling des herrschenden Regimes hatte Racine offenbar das Bedürfnis, sich demonstrativ von den Jansenisten und ihrer lustfeindlichen Religiosität zu lösen und sich von ihrer latenten politischen Opposition zu distanzieren: 1666 attackierte er mit einem ironischen offenen Brief einen seiner Ex-Lehrer, den Moraltheologen Pierre Nicole, der Romanciers und Dramatiker als „öffentliche Seelenvergifter“ gebrandmarkt hatte.

1667 intensivierte sich Racines Kontakt zum Hof, denn er fand Anschluss an Henriette d’Angleterre, die junge Schwägerin von König Ludwig, die ihn (nach einer Fehlgeburt und dem Verlust eines Kindes durch Krankheit) als Unterhalter schätzte und ihn aus dem neuen Stück vorlesen ließ, an dem er schrieb, der Tragödie Andromaque. Seine Pension wurde auf 800 Francs erhöht.

Ende 1667 erzielte Racine mit Andromaque seinen Durchbruch. Zugleich hatte er sein Thema gefunden: die schicksalhafte, leidenschaftliche, aber unerfüllte Liebe, die die Liebenden in ihrer Eifersucht und/oder Enttäuschung bis zum Äußersten – Mord und Selbstmord eingeschlossen – und damit in den Untergang treibt. Nach dem Triumph von Andromaque, zu dem die Du Parc in der Titelrolle sehr viel beigetragen hatte, wurde Racine von seinen Bewunderern auf eine Stufe gestellt mit dem eine Generation älteren „großen Corneille“, der seinerseits so deprimiert war, dass er sich für zwei Jahre vom Theater zurückzog.

Racine verkehrte weiterhin am Hof und erhielt ab 1668 eine Pension von 1200 Francs. Ebenfalls 1668 bekam er ein Priorat im Anjou als Pfründe zugewiesen, wobei er, denn er war ja nicht geweiht, einen Teil der Einkünfte dem Priester abtreten musste, der als offizieller Inhaber figurierte und ihn vor Ort vertrat.

Beflügelt durch den schmeichelhaften Vergleich mit Corneille, versuchte Racine auch mit Molière gleichzuziehen mittels der Komödie Les plaideurs (1668). Das etwas konstruiert wirkende Stück um einen monomanischen Richter, zwei Prozesshansel (plaideurs), ein Liebespaar und zwei pfiffige Diener kam beim Pariser Publikum jedoch erst an, nachdem König Ludwig es ostentativ beklatscht hatte. Es blieb die einzige Komödie Racines.

Hiernach trat er wieder in Konkurrenz zu Corneille und begab sich mit der Tragödie Britannicus (1669) auf dessen Spezialgebiet, die Verarbeitung von Stoffen aus der römischen Geschichte. Auch das nächste, „römische“, Stück, die Tragikomödie Bérénice (1670), war eine Herausforderung an Corneille, der zur gleichen Zeit ein thematisch ähnliches Stück, Tite et Bérénice, von Molière herausbringen ließ. Nachdem Racine tatsächlich Corneille in der Gunst des Publikums geschlagen hatte (und inzwischen auch bei dem allmächtigen Minister Colbert aus und ein ging), wechselte er mit dem Intrigenstück Bajazet (1672), das am Hof von Istanbul spielt, in die jüngere türkische Geschichte. Frankreich war nämlich gerade mit dem Sultan gegen den deutschen Kaiser im Bunde, und „turqueries“ waren in Mode.

Nach dem Erfolg von Bajazet beherrschte Racine das Pariser Theater. 1673 wurde er in die Académie française gewählt. Mit Mithridate (1673) schrieb er nochmals ein „römisches“, Corneille Konkurrenz machendes Stück. Hiernach kehrte er in die Welt der griechischen Antike zurück mit Iphigénie en Aulide (1674). Die Uraufführung fand statt auf einem Fest, mit dem der König mitten im Niederländischen Krieg (1672–78) die Annexion der 1668 eroberten Franche-Comté feierte.

Im selben Jahr 1674 erhielt Racine das nicht unbedeutende, ihn aber kaum belastende Amt eines „Schatzmeisters von Frankreich“ (Trésorier de France) für den Bezirk Moulins übertragen. 1676 ließ er eine Sammelausgabe seiner Stücke erscheinen, die er hierfür gründlich überarbeitet hatte.

Anfang 1677 wurde Phèdre aufgeführt, nach dem antiken Phaidra-Stoff. Es gilt als sein neben Andromaque bestes und quasi tragischstes Stück. Der Erfolg war jedoch nur mäßig. Als dagegen ein gleichnamiges mittelmäßiges Stück von Jacques Pradon allgemein gelobt und beklatscht wurde, zog sich Racine frustriert zugunsten seiner anderen Aktivitäten vom Theater zurück. Auch heiratete er: die fromme und reiche, entfernt verwandte Catherine de Romanet, mit der er bis 1692 nacheinander einen Sohn, fünf Töchter und nochmals einen Sohn bekam.

Schon 1676 war er, zusammen mit seinem Freund Boileau, zum Königlichen Chronisten (Historiographe du roi) ernannt worden und musste hinfort an den nunmehr fast pausenlosen Feldzügen von Ludwig XIV. teilnehmen, um sie zu protokollieren (u. a. 1678 Belagerung von Gent im Niederländischen Krieg, 1692 Belagerung von Namur im Pfälzischen Erbfolgekrieg). Seine und Boileaus Aufzeichnungen wurden später jedoch bei einem Brand vernichtet.

Ab 1685 war Racine Vorleser bei Ludwig und seiner „linker Hand“ angetrauten frommen Gattin Madame de Maintenon. Von dieser ließ er sich 1688 und 1690 nochmals zum Stückeschreiben bewegen und verfasste die religiöse Stoffe behandelnden Esther und Athalie, die zur Aufführung in dem adeligen Kloster und Mädchenpensionat Saint-Cyr bestimmt waren und dort von Pensionärinnen aufgeführt wurden. Theologen bekrittelten die Stücke allerdings als weltliche Profanierung geistlicher Gegenstände.

1690 erreichte Racine den Höhepunkt seiner Höflingskarriere mit der Ernennung zum Königlichen Kammerherrn (gentilhomme ordinaire de la chambre du roi), womit die Erhebung in den Adelsstand verbunden war.

Gegen Ende der 70er Jahre war er wieder fromm geworden, was zu der gedrückter werdenden Stimmung passte, die Ludwigs pausenlose, zunehmend ruinöse Kriege in Frankreich bewirkten. Seiner eigenen Entwicklung und dieser Stimmung entsprechend verfasste er geistliche Lyrik, die gesammelt 1694 als Chants spirituels erschien.

Allmählich, zunächst aber nur insgeheim, kehrte er auch zu dem strenggläubigen Jansenismus seiner Jugendzeit zurück und versöhnte sich unter der Hand mit einigen seiner alten Lehrer. 1694 erregte er den Unwillen des Königs, weil er beim Pariser Erzbischof für das Kloster Port-Royal einzutreten versucht hatte, das nach wie vor als geistiges Zentrum der Jansenisten fungierte. Als er 1698 mit einem Abrégé de l’histoire de Port-Royal (= Abriss der Geschichte von P.-R.) seine Sympathien auch öffentlich zeigte, fiel er bei Ludwig in Ungnade.

Abseits vom Hof verlebte er seine letzten Monate in Verbitterung, wenn auch als reicher Mann und als Patriarch im Kreis seiner großen Familie.

Seinem Wunsch gemäß wurde er in Port-Royal nahe bei seinem Lieblingslehrer Jean Hamon begraben.

Racine hat die französischen Dramatiker neben ihm und nach ihm bis ins 19. Jahrhundert hinein stark beeinflusst. Die Eleganz und Musikalität seiner Verse galt und gilt als beispielhaft, die Intensität seiner Darstellung der Gefühle als kaum zu übertreffen. Als meisterhaft erscheint auch seine Kunst, Spannung nicht aus einer bewegten Handlung zu erzeugen, sondern aus den inneren Konflikten der Figuren und ihrer Entwicklung.

Im deutschen Sprachraum scheint er nie wirklich heimisch geworden zu sein, obwohl die meisten seiner Stücke übertragen und auch aufgeführt wurden, Goethe die Iphigénie kannte und Schiller kurz vor seinem Tod die Phèdre übertrug.

Pierre Corneille (1606-1684) war ein französischer Autor, der vor allem als Dramatiker aktiv war. Im europäischen Maßstab gesehen gehört er mit seinem gesamten Schaffen dem Zeitalter des Barock an.

Sein eigentlicher Ehrgeiz galt jedoch schon seit der Schulzeit dem Verfassen von Gedichten (auch auf Lateinisch) und von Stücken. Als 1629 der bekannte Schauspieler Mondory mit seiner Wandertruppe in Rouen gastierte, bot Corneille ihm seine Komödie Mélite an, die er spätestens im Vorjahr, vielleicht schon 1625 verfasst hatte. Dieses Verwirrspiel um sechs junge Leute, die sich schließlich zu drei Paaren zusammenfinden, wurde im Winter 1629/1630 mit Erfolg in Paris inszeniert und half Mondory, sich dort mit einem neuen Theater, dem Théâtre du Marais, zu etablieren.

In den folgenden Jahren schrieb Corneille für das Marais zahlreiche Stücke. Das erste war die Tragikomödie Clitandre, Ou l’innocence persécutée (Clitandre oder die verfolgte Unschuld, 1631), ein kompliziertes Stück um Liebe, Eifersucht, Hass, Mordversuche, Verwechselungen und den Zorn eines Fürsten, der den Titelhelden, einen Höfling, als vermeintlichen Verräter verurteilt, aber dann begnadigt. Mit Clitandre bezieht sich Corneille zum ersten Mal, wenngleich nur vage, auf zeitgenössische Ereignisse, nämlich den Prozess gegen den Anti-Richelieu-Verschwörer Marillac. Clitandre war auch das erste Stück, das er drucken ließ, wobei er unter dem Titel Mélanges poétiques eine Auswahl seiner bis dahin verfassten Gedichte anhängte. Es folgten die Komödien La Veuve (Die Witwe, 1633), La Galerie du Palais (Der große Saal des Palastes, 1634), La Suivante (Die Gesellschafterin, 1634) und La Place Royale (Der Königsplatz, 1634), einer Komödie, in der Corneille mit der Bindungsstörung des Protagonisten Alidor ein eigenes Problem zu gestalten scheint, das vielleicht durch seine enttäuschte Jugendliebe zu einer gewissen Catherine Hue verstärkt worden war.

Diese frühen Stücke gelten heute als zwar weniger bedeutende Jugendwerke, wirkten damals aber neuartig, denn sie schienen trotz ihrer konventionellen Aufmachung die zeitgenössische Gesellschaft zu spiegeln und spielten meist auch explizit in Paris. Entsprechend hatten sie passablen bis großen, La Galerie sogar sehr großen Erfolg und verschafften Corneille früh den Status eines anerkannten Autors.

Zwar lebte er nach wie vor in Rouen, wo er auch seine Ämter ausübte, doch hatte er bei seinen häufigen Paris-Besuchen Kontakt zu Literatenkreisen und Salons erhalten, unter anderem zu Marquise de Rambouillet. Als geistreicher Unterhalter galt Corneille dort zwar nicht und auch effektvoll aus seinen Stücken vorzulesen lag ihm wenig, doch schätzte man die Gelegenheitsgedichte, die er zu diesem oder jenem geselligen Anlass beisteuerte.

1633 betätigte er sich erstmals als Panegyriker, ein heute wenig bekannter Aspekt seines Schaffens: Im Auftrag des Bischofs von Rouen verfasste er ein Begrüßungs- und Lobgedicht anlässlich eines Besuchs von König Ludwig XIII. und Richelieu.

1634, nach dem großen Erfolg der Tragödie Sophonisbe von Jean Mairet, versuchte sich auch Corneille, vorerst wenig überzeugend, in dieser Gattung mit Médée (Medea, aufgeführt 1635), seinem ersten Stück mit einem Stoff aus der Antike.

1635 wurde er, unter anderem zusammen mit dem etwas jüngeren Jean Rotrou, Mitglied einer Gruppe von fünf Autoren im Dienst Richelieus, der das Theater zu einem Ort der politischen Propaganda für eine Stärkung der absoluten Monarchie zu machen versuchte. Nach zwei gemeinsam verfassten Stücken stellte Corneille seine Mitarbeit zwar ein, erhielt jedoch die ihm gewährte Jahresgage („Pension“) von 1500 Francs (etwa dem, was eine bescheidene Person samt einem Domestiken brauchte) bis zu Richelieus Tod 1642.

Ebenfalls ab 1635 befasste Corneille sich offenbar mit spanischer Literatur. Einerseits hatte sein Konkurrent und Kollege Jean Rotrou kurz zuvor begonnen, spanische Stücke für das französische Theater umzuschreiben. Andererseits erhielt Spanien mit dem Beginn des jahrzehntelangen französisch-spanischen Krieges auch ein politisches Interesse.

Im Winter 1635/1636 brachte Corneille, erneut sehr erfolgreich, L’Illusion comique heraus, eine Komödie, in der er das beliebte barocke Motiv des Theaters im Theater verarbeitet und zugleich, ganz im Sinne seines Dienstherrn Richelieu, für die Aufwertung des Schauspielerberufes wirbt. Innerhalb einer märchenhaften Rahmenhandlung spielen in L’Illusion weitere, erst im Nachhinein als bloßes Theater erkennbare Handlungen (worin unter anderem der prahlerische Haudegen Matamoro sich als Feigling erweist und die von ihm umworbene Frau an seinen Gefolgsmann Clindor verliert). L’Illusion ist das letzte Stück, in dem Corneille die Lehre von den drei Einheiten (des Ortes, der Zeit und der Handlung) ignoriert, die in Pariser Literatenkreisen gerade lebhaft diskutiert wurde.

Nachdem im Sommer 1636 die Spanier die Grenz- und Festungsstadt Corbie erobert, aber nach langem Ringen wieder verloren hatten, stellte Corneille im Spätherbst eine Tragikomödie fertig, die Bezüge auf diesen Kampf zu enthalten scheint: Le Cid. Die Aufführung des Stücks gegen Ende des Jahres war Corneilles endgültiger Durchbruch. Das Stück gilt als Beginn der hohen Zeit des Theaters der Klassik. Die Handlung des Cid spielt im Spanien des 11. Jahrhunderts und fußt auf dem Stück Las Mocedades del Cid von Guillén de Castro aus dem Jahr 1618, worin die Heldentaten des jugendlichen Cid, des mittelalterlichen spanischen Nationalhelden, geschildert werden.

Die Handlung ist ein klassisches Beispiel für den Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, der sich beim verlobten adeligen Paar Rodrigue und Chimène manifestiert: Rodrigue muss, den Geboten der Familienehre gehorchend, den Vater seiner Verlobten zum Duell fordern, weil der seinen eigenen, schon ältlichen Vater durch eine Ohrfeige beleidigt hat. Chimène dagegen muss, nachdem Rodrigue ihren Vater in dem Duell getötet hat, beim König die Todesstrafe gegen ihn fordern. Rodrigue wird jedoch nach einigem Hin und Her vom König im Sinne der Staatsräson begnadigt und aufs Neue mit Chimène verlobt. Der Grund dafür ist, dass er sich inzwischen um das Vaterland verdient gemacht hat, indem er als Feldherr das Heer der Mauren vor Sevilla geschlagen hat. Die Entscheidung des Königs wird allerdings auch als moralisch richtig bestätigt, dadurch dass Chimène sich zu ihrer Liebe bekennt, als sie einen Augenblick lang irrtümlich annimmt, ein von ihr akzeptierter Fürkämpfer, der seinerseits Rodrigue zum Duell gefordert hatte, habe ihn besiegt und getötet.

Le Cid war eines der größten Ereignisse der französischen Theatergeschichte. Der Erfolg war so spektakulär, dass Ludwig XIII. den Vater von Corneille umgehend in den Adelsstand erhob, womit der Sohn als schon adelig geboren galt. Mehrere Nachahmer beeilten sich, die Handlung mit eigenen Stücken fortzusetzen (z. B. Le Mariage du Cid oder La Mort du Cid). Allerdings traten rasch auch Neider und Mäkler auf den Plan, darunter die rivalisierenden Dramatiker Georges Scudéry und Jean Mairet. Sie attackierten Corneille vordergründig mit dem Argument, er habe die Regeln der „bienséance“ (Anstand, Sittsamkeit) verletzt, sein Vorbild plagiiert und zudem die mittlerweile als obligatorisch geltenden drei Einheiten – vor allem die des Ortes und der Zeit – nicht korrekt beachtet. Als Corneille Anfang 1637 selbstbewusst mit einer ironischen kleinen Schrift, der Excuse à Ariste (Entschuldigung gegenüber A.), reagierte, löste er eine heftige Kontroverse aus, die Querelle du Cid, in die sich weitere Literaten mit Pamphleten einmischten (circa 35 davon sind erhalten). Der monatelange Streit endete mit dem Eingreifen Richelieus, den zwar die positive Darstellung des wiederholt von ihm verbotenen Duells unter Adeligen verärgert hatte, dem jedoch das Lob der Staatsräson gefiel. Er beauftragte die junge Académie Française, ein Urteil abzugeben, das überwiegend von Jean Chapelain verfasst wurde und zwar negativ, aber versöhnlich ausfiel.

Während das Publikum weiter den Cid beklatschte, der auch auf Dauer das meistgespielte Stück Corneilles blieb, zog sich dieser verunsichert nach Rouen zurück. Hier versuchte er 1638 vergeblich, eine Doppelbesetzung seiner Ämter zu verhindern, die eine Halbierung seiner Einkünfte aus ihnen bedeutete und damit auch ihren Wiederverkaufswert minderte.

Erst 1640, inmitten aufstandsähnlicher Wirren in Rouen, die von kriegsbedingten Steuererhöhungen ausgelöst worden waren und schließlich von Truppen niedergeschlagen wurden, schrieb Corneille sein nächstes Stück: die im alten Rom spielende Tragödie Horace, in der er den legendären Stoff des Kampfes zwischen den Gentes der Horatier und Curiatier verarbeitete. Das Drama verdeutlicht thesenhaft, dass zwar zwischenmenschliche Bindungen, etwa unter Gatten und Geschwistern, ein hoher Wert sind, dass jedoch der Nutzen und der Ruhm des Vaterlandes Vorrang haben und ein Herrscher deshalb einen Gesetzesbrecher, hier einen Schwestermörder im Affekt, amnestieren darf, wenn der sich um den Staat verdient gemacht habe. Corneille widmete die Druckfassung des Werkes Richelieu, der es nach einer Privataufführung für gut befunden hatte. Um die historische Treue und die Beachtung der aristotelischen Einheiten zu demonstrieren, versah Corneille zahlreiche seiner Stücke mit Quellenangaben in der Originalsprache (in diesem Fall mit dem Bericht des römischen Historikers Livius) sowie mit einem Examen mit Ausführungen zur jeweiligen Einheit von Zeit, Ort und Handlung.

Anfang 1641 schloss Corneille Cinna, ou la clémence d’Auguste ab, ein Stück um die Verschwörung einiger republikanischer Patrizier gegen Kaiser Augustus und dessen großmütige, aber auch politisch kluge Vergebung, als er das Komplott entdeckt. Erkennbar spiegelt sich in diesem Werk die sich anbahnende Cabale des Importants, eine zeitgenössische Intrige hochstehender Adeliger gegen Richelieu und dessen Politik des zentralistischen Absolutismus.

Horace und Cinna waren sehr erfolgreich, und das letztere Stück, das als das formal gelungenste des Autors gilt, wurde nach dem Cid auch sein meistgespieltes. Dennoch stockte Corneilles künstlerischesSchaffen in den folgenden Jahren. 1641 heiratete er mit 35 Jahren, also für die damalige Zeit sehr spät, die elf Jahre jüngere Richterstochter Marie de Lampérière, mit der er vier Söhne und zwei Töchter haben würde. 1642 übernahm er beim Tod seines Vaters dessen Haus und die Vormundschaft für zwei noch unmündige Geschwister, unter anderem den 19 Jahre jüngeren Bruder Thomas, den späteren Dramatiker.

Erst Anfang 1643 brachte Corneille ein neues Stück heraus, Polyeucte martyr („Polyeuctos der Märtyrer“), eine um 250 in Armenien spielende „christliche Tragödie“. Sie wurde ein Erfolg beim Publikum, vor allem dank der mit dem religiösen Geschehen verwobenen Liebesgeschichte. Der Klerus allerdings tadelte die Profanierung eines religiösen Stoffs durch die Darstellung auf der Bühne.

Ebenfalls 1643 erreichte es Corneille mit einem Lobgedicht, die Gunst von Kardinal Mazarin, dem Nachfolger Richelieus, zu erlangen und von ihm eine jährliche Pension von 1000 Francs zu erhalten.

Nach Polyeucte ließ Corneille eine ganze Serie von Stücken folgen, in denen er den mit Le Cid, Horace und Cinna eingeschlagenen Weg weiterverfolgte und sich so Renommee erwarb. Die Handlungen, die sämtlich auf historischen Stoffen beruhen, weisen in der Regel einen verdeckten Bezug zur damaligen Politik auf und kreisen um hochgestellte Personen, die den Konflikt zwischen Neigung und Pflicht zugunsten der letzteren lösen, insbesondere im Sinne der Staatsräson, aber auch der Ethik von René Descartes. Die wichtigsten Titel bis 1648 sind La Mort de Pompée („Der Tod des Pompeius“, 1643), Rodogune, princesse des Parthes („Rodogune, die Parther-Fürstin“, 1644), Héraclius (1647). Die einzigen Komödien aus dieser Zeit sind Le Menteur („Der Lügner“, 1643) und La Suite du Menteur (1644). Die zunächstgenannte erfolgreichere gilt als die erste französische Charakterkomödie vor Molière und als wichtiges Vorbild für diesen. Die Tragödie Andromède, die Corneille 1647 auf Bestellung Mazarins verfasste, die aber wegen widriger Umstände erst 1650 zur Aufführung kam, war sein erstes Stück mit Gesangseinlagen und dem Einsatz von Maschinen.

1647 wurde Corneille in die Académie Française aufgenommen. Nachdem er schon 1644 einen ersten Sammelband seiner Stücke veröffentlicht hatte, brachte er 1648 einen zweiten heraus. Er schien nun vollends etabliert.

Hiernach geriet er jedoch in die Wirren der anti-absolutistischen Aufstände der sogenannten Fronde (1648-52) gegen Königin Anna, die für ihren noch unmündigen Sohn Ludwig XIV. die Regentschaft ausübte. Zuvor geriet Corneille jedoch in Konflikt mit Mazarin, der die absolutistische Politik seines Vorgängers Richelieu fortsetzte. So wurde 1649 der vom Publikum zunächst gut aufgenommene Dom Sanche d’Aragon letztlich zum Misserfolg, weil der Fürst Condé, der ranghöchste Mitanführer der Frondeure, die gerade Paris beherrschten, das Stück als Huldigung an Mazarin verstand und den Daumen senkte.

Im Gegenzug sah sich Corneille Anfang 1650 von Mazarin nach dessen vorläufigem Sieg belohnt, als er das hochrangige Amt des Anwaltes der Ständeversammlung der Normandie am Parlement von Rouen erhielt, dessen Inhaber, ein Frondeur, abgesetzt worden war. Hiernach konnte er seine beiden bisherigen, kleineren Ämter verkaufen.

Dennoch scheint er sich innerlich bald von Mazarin gelöst zu haben, denn sichtlich huldigte er noch 1650 mit Nicomède dem Fürsten Condé, der gefangengenommen worden und zu einer Art anti-absolutistischen Lichtgestalt geworden war. Corneille musste jedoch erleben, dass Condé nach seiner Freilassung 1651 endgültig unterlag und dass daraufhin Pertharite, ein Stück um einen vom Thron verdrängten König, in Paris durchfiel, weil das Thema nach der siegreichen Rückkehr des jungen Ludwig XIV. und der Königinmutter in die Hauptstadt obsolet geworden war.

Corneille, der überdies sein neues Amt an den inzwischen amnestierten und wieder eingesetzten Vorgänger hatte zurückgeben müssen, zog sich enttäuscht zurück. In dieser Zeit der Frustration arbeitete er vor allem an einer Versübertragung der Imitatio Christi des Thomas a Kempis. Sie erschien von 1652 bis 1654 in drei Bänden unter dem Titel L’Imitation de Jesu-Christ (Die Nachahmung von Jesus Christus), brachte ihm viel Anerkennung ein und wurde mehrfach neu aufgelegt. Dass Corneille sich des Öfteren als religiöser Autor betätigte, ist wenig bekannt.

Erst 1658 beendete Corneille seine innere Emigration. Ein Grund war zweifellos, dass im Sommerhalbjahr die Wandertruppe von Molière längere Zeit in Rouen gastierte und dort auch einige Stücke Corneilles spielte. Hierdurch kam dieser mit der Truppe in Kontakt und verliebte sich in die junge Schauspielerin Marquise du Parc. Als die Truppe im Herbst nach Paris weiterzog, hatte er einen zusätzlichen Grund, dem schon längeren Zureden seines Bruders Thomas zu folgen, der 1656 eine eigene Karriere als Dramatiker in der Hauptstadt gestartet hatte. Auch lockte Corneille die Gunst des als Groß-Mäzen agierenden Finanzministers Nicolas Fouquet, der ihm eine Pension von 2000 Francs aussetzte. Er reiste nun wieder häufig nach Paris und bewegte sich, von dem gesellschaftlich geschickteren Thomas lanciert und flankiert, als anerkannter Autor und galanter Lyriker in dem Kreis um Nicolas Fouquet sowie in anderen Salons. Auch versuchte er sich bald wieder als Dramatiker, indem er auf einen Vorschlag Fouquets die Tragödie Œdipe (Ödipus) verfasste. Die Aufführung Anfang 1659 durch die Truppe Molières und mit der Du Parc als Jocaste wurde zwar ein mondänes Ereignis, doch schien es manchen, als habe Corneille nachgelassen.

Das nächste Stück folgte 1660: die Tragödie La Toison d’or (Das Goldene Vlies), die im Auftrag eines reichen Adeligen entstand und mit aufwendigen Maschinen im Sommer auf dessen normannischem Schloss und im Winter in Paris aufgeführt wurde. Im selben Jahr brachte Corneille eine neue Gesamtausgabe seiner Stücke heraus, nun in schon drei Bänden. Hierbei eröffnete er jeden Band mit einem Discours sur la poésie dramatique und ließ die pompösen Widmungsadressen fort, die er den früheren Einzelausgaben der Stücke jeweils vorangestellt hatte, nun aber offenbar für unter seiner Würde hielt. In der Tat war er als „le grand Corneille“ zu einer Art Platzhirsch des Pariser Theaterlebens avanciert.

Den Sturz Fouquets, der 1661 verhaftet und wegen Bereicherung im Amt verurteilt wurde, überstand Corneille unbeschadet. Er fand rasch einen neuen Gönner in Herzog Henri de Guise, der ihn und Thomas (der eine Schwester seiner Frau geheiratet hatte) 1662 sogar samt ihren Familien in seinen Stadtpalais aufnahm. Nach der Übersiedelung von Rouen nach Paris lebten die Brüder Corneille den Rest ihres Lebens dort, meistens, wie schon in der Heimatstadt, im selben Haus.

1663 stellte der neue Minister Colbert eine Liste von Autoren zusammen, die von ihm selbst und seinem jungen König als einer Pension würdig erachtet wurden und von denen man im Gegenzug regimefreundliche und panegyrische Texte erwartete. Auch Corneille kam darauf mit erfreulichen 2000 Francs. Er entsprach den Erwartungen, die an ihn gerichtet waren, sogleich mit der Dankesschrift Remerciement présenté au Roi en 1663 und tat es auch in der Folge häufig. So bat er etwa schon 1664 den König mit einem Sonett um die Neuausstellung seines Adelsbriefes, der zusammen mit Hunderten anderer durch einen Erlass Colberts kassiert worden war. Später ersuchte Corneille ihn poetisch um Förderung der Karrieren seiner älteren Söhne, eines Geistlichen und zweier Offiziere.

Mit dem passabel erfolgreichen Œdipe und dem viel bestaunten Maschinen-Stück La Toison d’or hatte Corneille seine Arbeit als Dramatiker wieder voll aufgenommen. Wie vorher schrieb er vor allem Tragödien mit Stoffen aus der älteren, meist römischen Geschichte (Sertorius, 1661/62; Sophonisbe, 1662; Othon, 1664; Agésilas, 1665/66; Attila, 1666/67). Insgesamt jedoch bevorzugte er nun, seinen inzwischen sehr erfolgreichen Bruder Thomas imitierend, eher romaneske Handlungen. Hiermit versuchte er, dem Publikumsgeschmack zu entsprechen, der sich stark verändert hatte: aufgrund der innenpolitischen Ruhe, die nach dem Sieg des Absolutismus unter Mazarin herrschte, aber auch wegen der wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchstimmung, die Frankreich nach dem Ende des Krieges gegen Spanien (1659) und Beginn der Alleinherrschaft des jungen Ludwigs XIV. im Jahr 1661 erfasste.

Die neuen Stücke wurden sämtlich aufgeführt, zum Teil von der Truppe Molières, die seit 1659 ständig in der Hauptstadt spielte. Sie hatten stets auch einen gewissen Erfolg, doch trafen sie nicht mehr den Nerv der Zeit. Sichtlich fehlte ihnen weitgehend der Bezug zur politischen Realität, der jene Stücke ausgezeichnet hatte, die in den bewegten Zeiten vor und während der Fronde entstanden waren. Darüber hinaus litten sie bald auch unter dem Vergleich mit den Stücken des jüngeren Rivalen Jean Racine, der ab 1665 die Pariser Bühne zu beherrschen und den Geschmack zu bestimmen begann.

1667 betätigte sich Corneille wiederum als Panegyriker, indem er den im August siegreich aus dem Devolutionskrieg heimkehrenden Ludwig XIV. mit dem Lobgedicht Au Roi sur son retour de Flandre (Dem König zu seiner Rückkehr aus Flandern) begrüßte und ihm etwas später mit dem langen Gedicht Les victoires du Roi en 1667 huldigte.

Als sich Ende 1667 Racine mit der Tragödie Andromaque endgültig durchsetzte, war Corneille so frustriert, dass er an einen gänzlichen Rückzug vom Theater dachte. In dieser Situation schrieb er 1669 erneut ein langes frommes Werk, das Office de la Vierge traduit en français, tant en vers qu’en prose, par P. Corneille, avec les sept psaumes pénitentiaux, les vêpres et complies du dimanche et tous les hymnes du breviaire romain. Es kam Anfang 1670 im Druck heraus mit einer Widmung an die Königin Marie-Thérèse. Anders als die Imitation von 1652-1654 fand das Office jedoch kaum Beachtung und erlebte keine Neuauflage.

Ende 1670 versuchte Corneille, gedrängt von alten Freunden und Bewunderern sowie auch von Feinden und Neidern Racines, ein neuerliches Comeback mit der „comédie héroïque“ Tite et Bérénice. Allerdings brachte der inzwischen selbstbewusste Racine zur selben Zeit das themengleiche Stück Bérénice heraus, das vom Publikum als das deutlich bessere bewertet wurde.

Corneille schrieb dennoch drei weitere Stücke, die aber keinen größeren Anklang mehr fanden: Psyché (1670/71), Pulchérie (1671/72) und Suréna, général des Parthes (1674). Eine Sonderstellung nimmt hierunter die „Ballett-Tragödie“ Psyché ein, deren Plan und erster Akt von Molière stammten, während die letzten drei Viertel von Corneille verfasst wurden. Als bestes Stück seines Spätwerks gilt heute das letzte, die Tragödie Suréna.

Seinen hohen Status in der Literatenszene und in der Pariser Gesellschaft konnte Corneille bis zum Ende seines Lebens wahren, auch dank dem Geschick und dem Einfluss seines immer loyalen Bruders und dank dem Kollegen Jean Donneau de Visé, der in seiner 1672 gegründeten Zeitschrift Le Mercure Galant treu zu Corneille stand. Darüber hinaus erhielt er häufig Lob von Feinden und Neidern Racines, die diesen so zu kränken versuchten.

In Pariser Adelskreisen und am Hof behielt Corneille ebenfalls seine Bewunderer, und gewogen blieb ihm auch König Ludwig, dem er 1672 das lange Lobgedicht Les victoires du Roi sur les États de Hollande en l'année 1672 (Die Siege des Königs über die holländischen Stände im Jahr 1672) widmete. 1675 und 1676 hatte er die Genugtuung, dass Ludwig am Hof vier bzw. sechs ältere Stücke von ihm aufführen ließ.

Die gelegentlich zu findende Angabe, Corneille sei im Alter verarmt, ist falsch.

Nach seinem Tod wurde sein Sessel in der Académie Française, deren Sitzungen er stets gewissenhaft besucht hatte, an seinen Bruder Thomas vergeben. Der einstige Rivale Jean Racine hielt eine Laudatio auf Corneille.

Corneille hat mit seinen etwa 35 Stücken alle Dramatiker neben und direkt nach ihm beeinflusst, insbesondere Racine; aber auch für die nachfolgenden Autorengenerationen blieb er ein Vorbild, z. B. für Voltaire. Entsprechend galt und gilt er bis heute als einer der größten französischen Dramatiker und als größter Tragöde neben Racine, der trotz seines deutlich schmaleren Gesamtwerks oft als der Größere erachtet wird.

Aufgrund seines Erfolgs in Frankreich wurden Stücke Corneilles schon zu seinen Lebzeiten in Übertragungen auch von deutschen Theatertruppen gespielt. In der Folge machte Gotthold Ephraim Lessing Corneille und dessen Stücke, die auf dem Spielplan des Hamburger Nationaltheaters standen, zu einem der Hauptgegenstände seiner dramentheoretischen Polemiken in der Hamburgischen Dramaturgie. Corneille wurde für Lessing zum Repräsentanten einer auf deutschen Bühnen stark präsenten französischen klassizistischen Theatertradition, gegen die er anschrieb. Beim Versuch, auf eine eigenständige nationale Bühnendichtung hinzuwirken, machte Lessing Corneille u. a. die falsche Auslegung der aristotelischen Poetik, mangelndes Genie, schlechte, da nicht an der Natur des Menschen orientierte Motivationstechnik und insgesamt „mißgeschilderte Charaktere“ zum Vorwurf.

Daneben förderte Ludwig XIV. noch zahlreiche berühmte Künstler: Darunter auf dem Gebiet der Literatur Nicolas Boileau, Jean de La Fontaine und Racine, in der Malerei Charles Lebrun, Hyacinthe Rigaud und Pierre Mignard, im Bereich der Musik – die Ludwig besonders wichtig war – unter anderem Charpentier, François Couperin, Michel-Richard Delalande und Marin Marais, in der Architektur Louis Le Vau, Claude Perrault, Robert de Cotte, als auch Jules Hardouin-Mansart, die im Auftrag des Königs den französischen klassizistischen Barock prägten, und im Kunsthandwerk Antoine Coysevox sowie insbesondere André-Charles Boulle. Auf dem Gebiet der Wissenschaft konnte Ludwig XIV. einige bekannte Forscher für Paris gewinnen, darunter Giovanni Domenico Cassini, Christiaan Huygens und Vincenzo Maria Coronelli, deren Arbeiten er mit hohen Pensionen unterstützte.

Caspar David Friedrich (1774-1840) ist mit Runge Mittelpunkt des „Dresdener Kreises“, Dresden war zu dieser Zeit ein Zentrum der romantischen Bewegung. Caspar David Friedrich wird am 5. September 1774 als Sohn des Seifensieders Adolf Gottlieb Friedrich und seiner Ehefrau Sophie Dorothea Friedrich, geb. Bechly, in Greifswald als sechstes Kind geboren. Nach seinem Studium an der Kopenhagener Kunstakademie zieht Caspar David Friedrich 1798 nach Dresden. Dort lernt er viele Romantiker kennen und unternimmt reisen nach Rügen und zum Harz, aus deren Eindrücken er später seinen Landschaftsbilder malt. Caspar David Friedrich lernt 1810 Goethe kennen. Caspar David Friedrich wird aufgrund seines Gemäldes „Zwei Männer am Meer“ 1817 in Verdacht gezogen „sich zu der national-republikanischen Opposition den Demagogen, zu bekennen.“ Im Jahre 1820 führen Caspar David Friedrich und der romantische Maler Johan Christian Clausen Dahl, ein gemeinsames Atelier. Am 7. Mai 1840 stirbt der 66-jährige Caspar David Friedrich aufgrund eines Schlaganfalls.

Caspar David Friedrich zählt zu den bedeutendsten Landschaftsmaler der Epoche der Romantik. Seine Vorliebe für die Landschaftsmalerei lässt sich zu seinem früheren Zeichenlehrer Quistorp in Greifswald zurückführen, da sein Lehrer ihn auf die Naturschönheiten hinwies. Seine künstlerische Karriere hat er auch Goethe zu verdanken, der ihn gefördert hatte. So wurden seine Bilder im Jahre 1805 das erste Mal einem Publikum vorgestellt, das sich im Jahre 1820 Nikolaus I. Pawlowitsch, dem Kaiser von Russland anschloss. Durch den Kaiser wurde sein Leben gesichert, da er zu sei­nen wichtigsten Auftragsgeber zählte, der von seiner Malweise sehr begeistert war. Seine Landschaftsbilder hat er oft realistisch und gefühlsvoll dargestellt. Das deutsche Volk war von der Bedeutung seiner Bilder und von ihm selbst sehr angetan, was ihn finanzi­ell aufbesserte, da eine hohe Nachfrage für seine Werke herrschte. Mit seinem Malstil prägte Caspar David Friedrich nicht nur die Epoche der Romantik, sondern auch die darauf folgenden Kunstepochen.

Einer seiner Vorlieben war es, die Personen von hinten als „Rückenbilder“ darzustellen. Außerdem war in Caspar David Friedrichs Gemälden die Verwendung von vertikaler und horizontaler Linien üblich. Zum Beispiel ragte ein Baum oder die Masten eines Segelschiffes ein Bildelement raus und stellten somit „eine Verbindung von Diesseits und Jenseits her“ Eine weitere Vorliebe Caspar David Friedrichs lag darin, eine unsichtbare Lichtquelle zu malen, die man selber erahnen muss. beispielsweise malte er nie direkt die Sonne, sondern „eine indirekte Lichtquelle, die geheimnisvoll wirken“ sollte. Wenn eine symmetrische Komposition vorliegt, hat Caspar David Friedrich oft den Vordergrund verdunkelt, damit das Gegenständliche zurückgedrängt wird und dadurch der Blick in die Tiefe gelenkt wird. In seinen Bildern nimmt der Himmel einen großen Teil des Bildes ein und das Wesentliche liegt darin, „...dass das Entscheidende ge­rade hinter dem Sichtbaren liegt.“

Das Öl Gemälde „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich wurde zwischen 1808 und 1810 gemalt und ist ca. 110 x 171 cm groß. Das Gemälde wurde im Herbst 1810 in einer Ausstellung in Berlin präsentiert und hängt heute im Schloss Charlottenburg in Berlin. Zu sehen ist ein kleiner Mönch, der an einer Klippe am Meer steht und mit seiner rechten Hand sein Kinn berührt. Der Mönch wurde als „Rückenfigur“ gemalt, doch schaut er nicht direkt auf das Meer, sondern er blickt eher halb nach rechts. Das Bild wurde in der Zentralperspektive gemalt und eine Horizontale durchkreuzt das Gemälde. Das Bild ist nicht nach einem Vorder-, Mittel- und Hintergrund gegliedert, sondern horizontal, was den Kosmos noch dominanter wirken lässt. Ein Fünftel des Bildes zeigt die Erde an und fast vier Fünftel des Bildes zeigen den Himmel an. „Der Mönch am Meer“ wurde in der Zentralperspektive gemalt und der Mönch ist in seiner ganzen Umgebung „das einzige vertikale Element im Bild, aber er ist zu klein, um die Horizontale zu überblicken.“. Friedrichs undeutlich gezeichneter kleiner Mönch ist nicht die bildhafte Darstellung eines einsamen Menschen, sondern er betont nur den Blick des Betrachters. Caspar David Friedrich arbeitete mehr als zwei Jahre an seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“, das früher auch unter dem Titel „Seelandschaft mit Kapuziner“ bekannt war, und dabei wurde es mehrfach völlig umgearbeitet. Zum Beispiel waren zuvor neben dem Mönch links und rechts zwei Segelschiffe und ein Mond, sowie ein Morgenstern vorhanden. Diese Veränderung, die Caspar David Friedrich durchgeführt hat, sagt aus, dass er sein Gemälde reduzieren wollte, damit die Ge­genständlichkeit des Bildes zurück genommen wird.

Caspar David Friedrich verwendete in seinen Bildern immer Rückenbilder, wie zum Beispiel in seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“. In der Malerei zur Zeit Caspar Da­vid Friedrichs war es ungewöhnlich Personen von hinten darzustellen, doch er verwendete diese Art und sie wurde zu seiner Vorliebe und sind ein „Zeichen“ für die Kunst Caspar David Friedrichs. Bei den Rückenbildern wird der Betrachter oft „aufgefordert, sich in das Bild hineinzuversetzen“, wie zum Beispiel im Gemälde „Frau in der Morgensonne“, wo eine Frau von hinten abgebildet wurde und ins Licht blickt. Da wird der Betrachter aufgefordert, sich in die Frau hineinzuversetzen und selber die Lichtquelle zu sehen. Auch in dem Gemälde „Frau am Fenster“ von 1822 hat Caspar David Friedrich eine Frau von hinten abgebildet, die seine eigene Frau darstellt. Hier kommt es wieder zu Stande, dass der Betrachter sich in die Person hineinversetzten muss, um zu sehen, was seine Frau (Christiane Caroline, geb. Bommer) sieht. Eine weitere wichtige und typische Rolle in der Epoche der Romantik spielt die Bedeutung der Fenster. Zentrale Aussagen dazu sind: „ Zugang nach draußen, Verbindung zum Außer persönlichen und Ausdruck des Wunsches nach innerer Befreiung und nach dem Erlebnis freier Natur“ Eine weitere Rolle spielt die Geborgenheit und Häus­lichkeit. Das Motiv des Fensters kommt nicht nur in der Kunst vor, sondern auch in vielen Texten der Epoche der Romantik.

Er stellte die Forderung auf, der Maler soll nicht bloß malen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Themen Friedrichs sind die Unendlichkeit, die Einsamkeit, die Zurückgezogenheit und der Tod. Carl Gustav Carus schrieb in seinen Briefen über die Landschaftsmalerei, die Aufgabe ist „die Darstellung einer gewissen Stimmung des Gemütslebens“ durch die Nachbildung einer entsprechenden Stimmung des Naturlebens. Die Landschaft wird zum „Erdlebenbild“, dessen Wirkung eine Stille Andacht, eine Läuterung und Reinigung sein soll. Das Ich soll verschwinden, ein Nichts werden, Gott soll alles sein.

Bei Caspar David Friedrich haben alle dargestellten Personen und Gegenstände, auch die gewählten Tages- und Jahreszeiten symbolhaften Charakter. Viele Symbole entstammen der allgemein geläufigen Metaphorik, der christlichen Lehre und dem Aberglauben des Volkes. Dies wird in der Symbolik des Bildes „Hafen von Greifswald“ deutlich. Das Boot ist das Sinnbild für das am Ziel des Lebens angelangte Lebensschiff Der Fischer ist der Repräsentant des naturverbundenen tätigen Daseins Das Fischernetz bedeutet, zum Trocknen aufgehängt, die Ruhe des Todes nach der Tätigkeit des Lebens. Der Hafen ist Sinnbild für die Geborgenheit im Tod Der Mond ist das Symbol für Christus. Das im Hafen liegende Schiff versinnbildlicht das Lebensende, den Tod. Der Sonnenuntergang symbolisiert das Ende des Lebens Die Stadt, die man in der Ferne sieht, ist das Sinnbild für das Paradies, das himmlische Jerusalem.

1806 bildet sich eine Protestgruppe von Studenten der Wiener Akademie. Ihr Protest richtet sich gegen die überkommenen Unterrichtsmethoden, das Kopieren von Gemälden alter Meister oder abzeichnen von Gipsabdrücken antiker Plastiken. Sie gründen den Lukasbund, genannt nach dem hl. Lukas, dem Patron der Maler und ziehen nach Ausschluss vom weiteren Besuch der Akademie 1810 nach Rom in das von Napoleon säkularisierte Kloster Sant Isidoro auf dem Monte Pincio. Ihre Überzeugung gipfelt darin, dass die Kunst in Deutschland völlig heruntergekommen ist, es fehlt ihr an Herz, Seele und Empfindung, sie bedarf einer Erneuerung auf den Grundpfeilern von Religion und Nationalität. Ihr Ziel war die Schaffung einer religiös-patriotischen Kunst. Um auf möglichst weite Teile des Volkes zu wirken, sollen Freskenzyklen nach dem Vorbild Giottos und Raffaels mit biblischen Motiven entstehen. Wahrhaft reine Werke sollen hervorgebracht werden.

Peter Cornelius malt mit dem „Jüngsten Gericht“ das größte Fresko des 19ten Jahrhunderts, von ihm stammen eine Freskendekoration in der Ludwigskirche sowie Fresken in der Glyptothek. 1825 wird ihm die Leitung der Kunstakademie München angetragen, 1846 wird er Akademiedirektor in Dresden. Julius Schnorr von Carolsfeld bezeichnet seine Kunst als die Frucht einer jahrelangen Vertiefung in das romantische Heldenwesen. Er wird 1827 von Ludwig I an die Münchner Akademie geholt: 5 Säle der Residenz sollen mit Szenen aus der Nibelungensage dekoriert werden.

In der Spätromantik etwa ab 1830 schrumpfen kosmische Ideen oft zu heimeligen Idyllen zusammen, der Biedermeier kündigt sich an. Die Spätromantik ist nicht mehr getragen von den ursprünglichen Ideen der Freiheit d. Individuums und der unendlichen Natur. Adrian Ludwig Richter (1803-1884) ist weitgehend literarisch orientiert, seine Landschaften sind zumeist beschränkt auf den Ausdruck eines harmonischen Verwobenseins von Mensch und Natur. Richter will im Gegensatz zu Friedrich, der seine Landschaften „mit Zeichen, Hieroglyphen und Gedanken überfrachtet“, die Natur ihre eigene Sprache sprechen lassen. „Jedes Ding spricht aus sich selbst, der Geist, die Sprache liegt in jeder Form und Farbe.“ Landschaften sind bei Richter Idyllen, wie zum Beispiel das Werk „Genoveva in der Waldeinsamkeit“. Die Anregung zu diesem Bild bezog Richter durch Tiecks Trauerspiel: „Leben und Tod der heiligen Genoveva“ aus dem Jahre 1799. Später malt Richter vorwiegend Buchillustrationen: Das ABC-Buch für große und kleine Kinder, Märchenbücher von Beckstein, Musäus und den Gebrüdern Grimm.

Moritz von Schwind (1804-1871) setzte die von der Romantik wiederentdeckte Welt der Volks und Heldendichtung, der Märchen und Sagen in Bilder um. Schon als 18jähriger illustrierte er Ritter- und Heldensagen sowie die Märchen aus 1001 Nacht. Für manche Märchengestalten, wie z. B. den Rübezahl, hat er überhaupt erst eine Vorstellung geschaffen, in der sie bis heute ihre volkstümliche Geltung besitzt. Durch Verbindung mit Peter Cornelius erhält er einen Freskenauftrag im Tieck- Saal der Münchner Residenz, 1847 erhält er eine Professur an der Münchner Akademie.

Die „Macchiaioli“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts grenzten sich von ihren Vorläufern in der italienischen Malerei ab. Die Malerei des Barocks zeigte eine naturalistische und eine klassizistische Richtung. Caravàggio, Hauptvertreter der ersten, verband in seinen Werken krasse, realistische Sachlichkeit mit einer effektvollen Hell-Dunkel-Technik, die in der europäischen Kunst Epoche machte und auf Rembrandt, Rubens und Velázquez wirkte. Die klassizistische Barockmalerei ging vornehmlich von den Bologneser Akademikern (Carracci) aus und beeinflusste besonders die französische Kunst. Im 18.Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt des Kunstlebens nach Oberitalien, wo G. B. Tiepolo und seine Söhne die Tradition der italienischen dekorativen Malerei zum letzten Mal glänzend zusammenfassten und bis nach Deutschland und Spanien trugen. Im Werk Francesco Guardis und der Canlettos blühte die Vedutenmalerei.

Die romantische Malerei und Literatur in Italien oder in Frankreich beeinflusste jedoch die Werke einiger Mitglieder der „Macchiaioli“. Der wichtigste Vertreter der italienischen Romantik war Alessandro Manzoni (1785–1873). Ebenfalls zur Romantik gezählt wird der Lyriker Giacomo Leopardi (1798–1837). Seine an die Antike angelehnten, formstrengen Gedichte sind von einer tiefen melancholischen Grundstimmung durchzogen. In Gegensatz zur Romantik Manzonis stand Giosuè Carducci (1835–1907), er orientierte sich an klassischen Stoffen und Formen. Carducci erhielt als erster Italiener 1906 den Nobelpreis für Literatur. Ein weiterer wichtiger Vertreter der Lyrik war Giovanni Pascoli (1855–1912). Der Sizilianer Giovanni Verga (1840–1922) begann mit dem Zeitgeschmack entgegenkommenden Romanen, die von exzentrischen Protagonisten bevölkert waren, und wandte sich erst dann zum Verismus (verismo). Dieser fordert eine einfache, wahre Sprache und Thematik.

Während des Risorgemento entwickelte eine Reihe von Künstlern, die hauptsächlich aus der Toskana stammten, eine besondere Technik der Malerei. Der Name dieser Künstlergruppe „Macchiaioli“ leitet sich vom italienischen Wort „macchia (Fleck) her. Als Erneuerer der Malerei stellten sie sich gegen die strenge akademische Auffassung von der Kunst und wandten sich von den traditionellen allegorischen oder historischen Themen ab, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so beliebt bei den Trägern der Kunst waren. Sie konzentrierten sich bei ihrer Suche nach Motiven auf die Natur und die einfache Bevölkerung. Sorgfältig beobachteten sie das Spiel von Licht und Schatten auf realen Objekten und malten mit tragbarer Staffelei und Farbkästen bei gutem Wetter unter freiem Himmel.

Die wichtigsten Vertreter dieser künstlerischen Richtung waren Giovanni Fattori, Silvestro Lega, Telemaco Signori, Rafaello Semesi, Vito d’Ancona, Vincenzo Cabianca und Giovanni Boldoni. Ihr Wirken konzentrierte sich hauptsächlich auf die Jahre zwischen 1860 und 1880. Diese Art der impressionistischen Freilichtmalerei stieß bei der Mehrheit der zeitgenössischen Kunstkritiker auf Unverständnis und Ablehnung und sie wurden von den großen Kunstausstellungen ausgeschlossen. Trotzdem führten die „Macchiaoli“ ihre Studien unter großer Opferbereitschaft weiter.

Jeder der Künstler der Gruppe entwickelte eigene stilistische Charakteristika, obwohl sie alle derselben Stilrichtung angehörten. Gemeinsam ist ihnen die Art, wie sie ihre Bilder aus fleckenartigen Farbflächen mit starken Kontrasten zwischen hellen und dunklen Bereichen aufbauen. Intergrale Bestandteile der Bildkomposition wie Personen, Tiere, Bäume usw. heben sich dadurch stark vom Hintergrund ab. Die Figuren erscheinen schematisiert, die Details der Bilder werden auf das Wesentliche reduziert.

Die romantische Malerei und Literatur in Italien oder in Frankreich beeinflusste jedoch die Werke einiger Mitglieder der „Macchiaioli“. Der wichtigste Vertreter der italienischen Romantik war Alessandro Manzoni (1785–1873). Ebenfalls zur Romantik gezählt wird der Lyriker Giacomo Leopardi (1798–1837). Seine an die Antike angelehnten, formstrengen Gedichte sind von einer tiefen melancholischen Grundstimmung durchzogen. In Gegensatz zur Romantik Manzonis stand Giosuè Carducci (1835–1907), er orientierte sich an klassischen Stoffen und Formen. Carducci erhielt als erster Italiener 1906 den Nobelpreis für Literatur. Ein weiterer wichtiger Vertreter der Lyrik war Giovanni Pascoli (1855–1912). Der Sizilianer Giovanni Verga (1840–1922) begann mit dem Zeitgeschmack entgegenkommenden Romanen, die von exzentrischen Protagonisten bevölkert waren, und wandte sich erst dann zum Verismus (verismo). Dieser fordert eine einfache, wahre Sprache und Thematik.

Während des Risorgemento entwickelte eine Reihe von Künstlern, die hauptsächlich aus der Toskana stammten, eine besondere Technik der Malerei. Der Name dieser Künstlergruppe „Macchiaioli“ leitet sich vom italienischen Wort „macchia (Fleck) her. Als Erneuerer der Malerei stellten sie sich gegen die strenge akademische Auffassung von der Kunst und wandten sich von den traditionellen allegorischen oder historischen Themen ab, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so beliebt bei den Trägern der Kunst waren. Sie konzentrierten sich bei ihrer Suche nach Motiven auf die Natur und die einfache Bevölkerung. Sorgfältig beobachteten sie das Spiel von Licht und Schatten auf realen Objekten und malten mit tragbarer Staffelei und Farbkästen bei gutem Wetter unter freiem Himmel.

Die wichtigsten Vertreter dieser künstlerischen Richtung waren Giovanni Fattori, Silvestro Lega, Telemaco Signori, Rafaello Semesi, Vito d’Ancona, Vincenzo Cabianca und Giovanni Boldoni. Ihr Wirken konzentrierte sich hauptsächlich auf die Jahre zwischen 1860 und 1880. Diese Art der impressionistischen Freilichtmalerei stieß bei der Mehrheit der zeitgenössischen Kunstkritiker auf Unverständnis und Ablehnung und sie wurden von den großen Kunstausstellungen ausgeschlossen. Trotzdem führten die „Macchiaoli“ ihre Studien unter großer Opferbereitschaft weiter.

Jeder der Künstler der Gruppe entwickelte eigene stilistische Charakteristika, obwohl sie alle derselben Stilrichtung angehörten. Gemeinsam ist ihnen die Art, wie sie ihre Bilder aus fleckenartigen Farbflächen mit starken Kontrasten zwischen hellen und dunklen Bereichen aufbauen. Intergrale Bestandteile der Bildkomposition wie Personen, Tiere, Bäume usw. heben sich dadurch stark vom Hintergrund ab. Die Figuren erscheinen schematisiert, die Details der Bilder werden auf das Wesentliche reduziert.

Die bervorzugten Motive der „Macchiaoli“ waren die ländliche Toskana, das einfache Leben der Bauern, alltägliche Straßenszenen und Soldaten. Giovanni Fattori (1825-1908) gilt als Wegbereiter der „Macchiaoli“. In seinen Bildern beschreibt er die raue Schönheit der Toskana, das Leben der Viehhüter und Pferde in freier Wildbahn vor dem Karren, besonders in seinem Werk Römische Pferdekarren aus dem Jahre 1873. Dort bildet die Komposition des Bildes ein langes Rechteck, das bevorzugte Format des Malers. Die Mauer, ein weiteres typisches Element der Kompositionen Fattoris, ist in stark verkürzter Perspektive dargestellt und erscheint sehr lang. Vor diesem hellen Hintergrund heben sich die Karren mit den davor gespannten Pferden deutlich ab. Die hellen und dunklen Silhouetten, die harten Kontraste vermitteln dem Betrachter den Eindruck, es müsse sich um die heißeste Jahreszeit handeln. Der Schatten erscheint im Bild dementsprechend kurz, und auch der Wanderer hat sich in der Mittagshitze zur Rast niedergesetzt. Es handelt sich dabei um ein sehr realistisches Bild mit sozialkritischem Inhalt.

Fattori hat auch das Leben der Soldaten genau beobachtet und vielfach dokumentiert. 1859 erhielt er den Auftrag, einige Episoden aus dem 2. Befreiungskrieg zu malen. Ab diesem Zeitpunkt beschäftigte sich der Künstler immer häufiger mit der Thematik von kriegerischen Auseinandersetzungen und dem Motiv des Soldaten. Im 3. Befreiungskrieg hatte er ausreichend Gelegenheit, Motive und Inhalte für seine Bilder zu sammeln. Der Maler entwarf seine Skizzen vor Ort, die Spannung, die er dabei empfand, kommt in den flackernden Farbflecken und dem vibrierendem Licht zum Ausdruck. In seinem Gemälde Die weiße Mauer schneidet die lange Mauer schräg durch die Komposition und ist aufgrund der reflektierenden Wirkung des Lichts dominierendes Element der Bildgestaltung.

Silvestro Lega (1826-1895) hatte sich die Toskana zur Wahlheimat erkoren. Seine bevorzugten Motive waren Portraits und Menschen in der freien Natur. Er baute seine Formen auf Farbflächen auf und verzichtete dabei auf Konturen. Stattdessen modellieren Farbtonabstufungen und Kontraste die Umrisse der dargestellten Personen. Dies ist besonders in seinem Werk Frau mit rosa Schal aus dem Jahre 1870 zu beobachten. Die Figur der Frau baut Lega aus raschen Pinselstrichen auf, wobei unwesentliche Details vernachlässigt werden. In hellen, sanften Farben wird die Anmut der Frau besonders zum Ausdruck gebracht.

Sein wohl wichtigstes Werk ist Der sterbende Francesco Mazzini sterbende aus dem Jahre 1873. Franscesco Mazzini war ein italienischer Freiheitskämpfer des Risorgimento, der dem Konzept einer nationalen italienischen Republik anhing. Mazzinis politisches Ziel war das Selbstbestimmungsrecht der europäischen Völker und insbesondere die Unabhängigkeit und Einigung der italienischen Staaten, die damals in das spanisch-bourbonische Königreich beider Sizilien, das österreichische Königreich Lombardo-Venetien, den päpstlichen Kirchenstaat und das Königreich Sardinien-Piemont geteilt waren. Mazzini strebte die italienische Einigung in einer Republik an, die er nur durch die revolutionäre Erhebung des Volkes und die Vertreibung der fremden Besatzungsmächte als möglich erachtete.

Am 15. April 1834 schloss Mazzini in Bern mit August Breidenstein und seinem Bruder Friedrich Breidenstein die sog. „Verbrüderungsacte“. Zu den von Mazzini initiierten Verbindungen Junges Italien und Junges Polen kam Breidensteins Junges Deutschland. Unter dem Motto Freiheit – Gleichheit – Humanität entstand der Geheimbund Junges Europa. der anstelle des Europas der Fürsten und Könige ein demokratisches Europa der Völker anstrebte.

In der Revolution von 1848/49 scheiterte Mazzini mit seinen Ideen in Mailand. Wenig später ging er nach Rom, wo sich seit Mitte 1848 die revolutionären Unruhen zugespitzt hatten. Nach der Ermordung des päpstlichen Ministerpräsidenten Pellegrino Rossi durch revolutionäre Rebellen am 15. November 1848 sah sich Papst Pius IX. am 23./24. November zur Flucht aus Rom veranlasst und setzte sich nach Gaeta an der Küste Neapel-Siziliens ab. Am 9. Februar 1849 rief Mazzini die Republik im Kirchenstaat aus und war an führender Stelle als einer der Triumviren 1849 zusammen mit Carlo Armellini und dem Freimaurer Aurelio Saffi an der kurzlebigen Römischen Republik beteiligt. Nach deren gewaltsamen Niederschlagung durch französisches Militär am 3. Juli 1849 ging er erneut nach London. Er befasste sich im Exil mit der Theorie der Befreiung und Einigung anderer europäischer Staaten und gründete mit Kossuth, Ledru-Rollin und Ruge den Comitato europeo, der die Errichtung einer europäischen Republik zum Ziel hatte.

Zu Beginn des Sardinischen Krieges im Mai 1859 stellte Mazzini sich gegen das Bündnis Sardiniens mit Frankreich, weil König Viktor Emanuel II. Frankreich für seine Unterstützung die Abtretung Savoyens und Nizzas zugesagt hatte. Mazzini unterstützte im Mai 1860 Giuseppe Garibaldis Expedition zur Befreiung Siziliens mit dem sogenannten „Zug der Tausend“ und legte ihm nahe, auch Rom und Venedig zu befreien.

Die vom Ministerpräsidenten Sardinien-Piemonts Camillo Cavour geführte Einigung Italiens nach 1859, die sich auf die Zusammenarbeit des piemontesischen Königshauses, die Nationalbewegung und das Bündnis mit Frankreich stützte, lehnte er jedoch ab. Er wollte die nationale Frage auf demokratischem Wege von unten lösen.

Im September 1860 rückten piemontesische Truppen in den Provinzen des Kirchenstaats ein. Bei Castelfidardo in der Nähe von Ancona unterlag die päpstliche Armee; der unter französischem Schutz stehende restliche Kirchenstaat mit Latium und seiner Hauptstadt Rom blieb unangetastet. Nach diesem Sieg stießen die unter dem Befehl von König Viktor Emanuel II. stehenden piemontesischen Truppen weiter nach Süden vor, bis sie sich mit der Freischärlerarmee Garibaldis vereinigten.

Garibaldi trat von seinem Machtanspruch zurück, nachdem sich die Bevölkerung beider Sizilien, wie schon diejenige Norditaliens im März desselben Jahres, bei einem Plebiszit am 21. Oktober 1860 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatte. Am 26. Oktober 1860 fand in Teano bei Neapel das legendäre Treffen zwischen Viktor Emanuel II. und Garibaldi statt, bei dem letzterer den piemontesischen Monarchen als „König von Italien“ begrüßte. Im März 1861 wurde schließlich in Turin die neue italienische Monarchie unter König Viktor Emanuel ausgerufen. Camillo Benso Graf von Cavour wurde erster Ministerpräsident Italiens, als der er bis zu seinem Tod am 6. Juni 1861 noch knapp drei Monate im Amt blieb. Vorläufiger Regierungssitz wurde die bisherige sardinisch-piemontesische Hauptstadt Turin. 1864 wechselte dieser Status nach Florenz, der Hauptstadt der Toskana.

Das neue Italien wurde letztlich „von oben“ durchgesetzt, auch wenn die vorhergehenden Revolutionen vom Volk getragen worden waren. Die Hoffnungen der Republikaner auf eine verfassunggebende Nationalversammlung erfüllten sich nicht. Schrittweise wurde die sardinisch-piemontesische Verfassung von 1848 auf Italien übertragen, mit der eine konstitutionelle Monarchie festgelegt wurde. Die politische Repräsentation war wegen eines hohen Zensuswahlrechts mit nur 1,9 % wahlberechtigter Bevölkerung auf eine kleine konservativ-liberale Oberschicht beschränkt. Das Wahlrecht wurde später zwar ausgeweitet, blieb aber dennoch nur einer Minderheit vorbehalten. Es sollte bis 1912 dauern, bis ein nahezu allgemeines Wahlrecht in Italien eingeführt wurde. Die fortschrittlichen liberalen Parlamentarier Marco Minghetti und Luigi Carlo Farini scheiterten mit ihrem Plan, autonome Regionen zur Basis des neuen Italien zu machen. Unter Bettino Ricasoli, dem Nachfolger Cavours, erhielt Italien eine zentralistische Verwaltung und wurde ähnlich wie Frankreich in Provinzen gegliedert.

Die europäischen Großmächte Frankreich, Preußen (Friedrich Wilhelm IV.) und Großbritannien (Victoria) erkannten den neuen Staat Italien an. Protest gegen die diplomatische Anerkennung kam von Österreich und dem Kirchenstaat, die zu Recht weitere Ansprüche Italiens auf ihre Hoheitsgebiete bzw. Teile davon befürchteten. Vorerst noch nicht zu Italien gehörten Venetien im Nordosten, das weiterhin unter der habsburgischen Herrschaft Österreichs stand (bis 1866), sowie der Restkirchenstaat mit Rom, in dem (bis 1870) französische Schutztruppen stationiert waren.

1870 kehrte Mazzini nach Pisa zurück. Obwohl, bezogen auf seine politischen (demokratischen) Ziele, in seiner Zeit am Ende erfolglos, trugen Mazzinis Ideen und Aktivitäten, mit denen er relativ große Teile des Kleinbürgertums, der Handwerker und Arbeiter als revolutionäre Kraft mobilisieren konnte, wesentlich zur Einigung der italienischen Nation bei.

Telemaco Signorini nahm am Zweiten Unabhängigkeitskrieg von Giuseppe Garibaldi 1859 teil und malte dabei fünf Schlachtengemälder, die ihm Aufmerksamkeit verschafften. 1861 war er das erste Mal in Paris, wo er Jean-Baptiste Camille Corot kennenlernte und sich für die Bilder von Gustave Courbet begeisterte. 1862 gründete er in einem Vorort von Florenz die Schule von Pergentina. Auf späteren Besuchen in Paris (1868, 1872) befreundete er sich mit Edgar Degas, der besonders sein Bild der Geisteskranken in San Bonifazio bewunderte. Er wurde ein führendes Mitglied der Macchiaioli und auch literarisch deren Sprachrohr neben Adriano Cecioni und dem Kunstkritiker Diego Martelli. Signorini stellte regelmäßig nicht nur in Florenz, sondern auch in Turin, Neapel, Wien, Venedig und anderen Orten aus. 1881 reiste er nach Großbritannien und Schottland zum Malen (ebenso 1883/84 und 1878). Er reiste auch viel in Italien und der Schweiz. 1883 erhielt er ein Angebot, Professor an der Florentiner Akademie zu werden, was er ablehnte. Er lehrte aber ab 1892 am Instituto Superiore di Belle Arti in Florenz.

Giovanni Boldoni machte sich vor allem als Portraitmaler einen Namen. Er studierte sechs Jahre (1862–1868) an der Florentiner Akademie und entwickelte nach seinem Studium einen Hang zur Freilichtmalerei. Auf den Pfaden der Freilichtmaler und Impressionisten immer fortschrittlich gehend, bildete er sich seine nervöse, skizzenhafte, sprühende Technik, die er auch dem Genre und der Landschaft, später immer mehr der Porträtmalerei dienstbar machte, zu der ihn sein scharfer Blick für das Individuelle eines Gesichts oder einer Figur besonders befähigte. Nach einem längeren Aufenthalt in London – ließ Boldini sich im Jahre 1872 in Paris nieder. Innerhalb kürzester Zeit machte er Bekanntschaft mit den bekannten Künstlern der Stadt, unter anderem James McNeill Whistler, John Singer Sargent, Robert de Montesquiou, Philip Alexius de László und Paul César Helleu. Mit Edgar Degas verband ihn bald eine enge Freundschaft. Boldini etablierte sich in den 1880er Jahren als erfolgreicher Maler der Boulevard-Porträts der Reichen und Schönen. Auf der Exposition Universelle (1889) übernahm Giovanni Boldini die kommissarische Leitung der italienischen Sektion der Ausstellung und wurde ein Jahr darauf zum Offizier de la Légion d'Honneur erhoben. 1895 erhielt er auf der Großen Berliner Kunstausstellung eine kleine Goldmedaille.

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Fußnoten

  1.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 128
  2.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 92
  3.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 128
  4.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 92