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Die frühen Jahre der DDR

Von Margarete Lausberg

Die DDR-Forschung beschäftigt sich mit Herrschaft, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, internationale Beziehungen, Kultur, Alltag und Geschichte dieses Staates. Sofern die Forschungstätigkeiten auf eine systematische Gegenüberstellung mit Verhältnissen in der Bundesrepublik abzielten, sprach man auch von der vergleichenden Deutschlandforschung. Bis 1990 lieferte die DDR-Forschung sowohl gegenwartsbezogene als auch historiografische Analysen. Nach der deutschen Wiedervereinigung gilt sie als Teil der Geschichtsschreibung zur deutschen und europäischen Zeitgeschichte.[1]

Forschungsergebnisse waren und sind Material für politisch-erzieherische Zwecke im Rahmen der Schul-, Universitäts- und Erwachsenenbildung. Bis 1990 stellten die Forscher zudem Grundlageninformation für Entscheidungen bundesdeutscher Parlamente, Regierungen und Behörden sowie für Massenmedien bereit.[2]

Der normativ und von der Totalitarismustheorie[3]

Gerade als historisches Untersuchungsobjekt fand die DDR-Geschichte im vereinigten Deutschland großes Interesse, es entwickelte sich ein regelrechter Forschungsboom.[4][5] Neben einer Fülle von Aufsätzen enthält diese Summe auch gut 4.000 Monographien und 1.500 Sammelbände. Weitere Themenbereiche betrafen „Zeitgeschichte als Streitgeschichte“ sowie das Verhältnis von DDR- zur NS-Forschung.

Erkennbar ist die Dominanz einer eher herkömmlichen institutionsgeschichtlichen Perspektive: Die für die Machtausübung bedeutsamen Apparate wie Parteien und Massenorganisationen, Justiz und Stasi, Polizei und Militär können inzwischen als gut erforscht gelten. Ausgeprägt sind auch die zeitlichen Schwerpunkte der Forschung. Sowohl für die Phase der Sowjetischen Besatzungszone und die fünfziger Jahre als auch für die achtziger Jahre liegen mittlerweile fundierte Erkenntnisse vor, während in den sechziger und siebziger Jahren noch zahlreiche blinde Flecken zu beklagen sind. Nach der „Wiedervereinigung“ befassten sich viele geschichtswissenschaftliche Arbeiten und auch politikwissenschaftliche Werke und Aufsätze mit der Frage nach den Ursachen und Bedingungen der Wende und des Mauerfalls sowie mit dem Ministerium für Staatssicherheit. Die Auseinandersetzung mit der Entnazifizierung in der SBZ und die Vereinigung von KPD und SPD zur SED ist ebenfalls kein blinder Fleck mehr in der Forschungslandschaft. Die Einordnung der DDR in die deutsche und europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts steht noch weitgehend aus. Nützlich könnten dabei Vergleichsstudien sein, bezogen auf den Sozialstaat, den sozioökonomischen Strukturwandel, die Transformation von Regionen sowie regionale und nationale Vergleiche. Eine gleichgewichtige Gesellschaftsgeschichte der DDR und der Bundesrepublik mit ihren je eigenen Systembedingungen bleibt ein Desiderat der Forschung. Ebenso gilt das Verhältnis der DDR zu anderen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes als ungenügend erforscht, abgesehen von dem Verhältnis zur Volksrepublik Polen.

Die 1949 gegründete DDR wollte eine völlig neue gesamtdeutsche Gesellschaftsordnung auf antifaschistischer Grundlage konzipieren.[6] Die DDR war bestrebt, seine Bürger in Richtung Marxismus/Leninismus zu erziehen und somit ihre Macht abzusichern und eine kommunistische Gesellschaft zu schaffen. Die Begriffsverbindung wurde auch zur Würdigung der eigenständigen theoretischen und praktischen Verdienste Lenins bei der Weiterentwicklung des Marxismus geschaffen. In Anlehnung an Stalin definierte die SED den Marxismus-Leninismus als „(…) die von Marx und Engels begründete und von Lenin weiterentwickelte wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse, die von der internationalen kommunistischen Bewegung auf der Grundlage der Erfahrungen des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus und der Praxis des revolutionären Befreiungskampfes ständig bereichert wird.“[7]

Die sowjetische Militäradministration SMAD hatte eine eigene Kulturabteilung, deren Leiter, der russische Literaturwissenschaftler Alexander Lwowitsch Dymschitz, die Richtlinien für die neue Kunst in die SBZ trug. Er betreute dabei die Wiederinstandsetzung und Wiedereröffnung von Theatern, Zusammenstellung von Spielplänen, Engagement von Schauspielern und vieles mehr. Auch an der Gründung der DEFA war er wesentlich beteiligt. Während er sich einerseits für die Aufführung umstrittener Stücke einsetzte, veröffentlichte er gleichzeitig auf Parteilinie liegende Artikel in der Täglichen Rundschau zu neuen Kunstentwicklungen. 1949 wurde Dymschitz nach parteiinternen Anschuldigungen von seinem Posten abberufen. Individualismus, Subjektivismus, Emotionen und Fantasien seien Ausdruck bürgerlicher Dekadenz und somit abzulehnen. Sein am 19. November 1948 in der Zeitung Tägliche Rundschau erschienener Artikel gilt als Auslöser für eine Kehrtwende in der Kunst Ostdeutschlands im Sinne einer wenig später „sozialistischer Realismus“ genannten Doktrin. Zwei Wochen später wies die Abteilung „Parteischulung, Kultur und Erziehung“ der SED die Landesparteien an, Diskussionen über den Dymschitz-Artikel zu organisieren. Im Januar 1949 regte die SED an, die Dymschitz-Thesen auch auf andere Teile der Kunst als die Malerei auszudehnen. In zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem auch des Kulturbunds, begannen nun Grundsatzdiskussionen mit, wie Magdalena Heider in ihrem Buch über den Kulturbund ausführt, auch vielen kritischen Stimmen. So hielten Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung des „Arbeitskreises Bildende Kunst im Kulturbund“ im thüringischen Hildburghausen die Einteilung von Kunst in richtig und falsch, in gut und böse, für falsch. „Die Brandmarkung als entartet bzw. dekadent“ erinnere an die NS-Zeit.[8]

Die Kunst konnte sich in der ersten Periode noch frei entwickeln.[9] Im Mittelpunkt von Literatur, bildender Kunst und Film stand die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg; Besatzungsmacht und SED ließen hier zunächst einen großen Spielraum.[10] Nach den Erfahrungen mit der NS- Zeit und ihrem Kampf gegen „entartete Kunst“ akzeptierte man bewusst ein breites Spektrum, in dem sich auch (noch) die Moderne entfalten konnte.[11] 1949 signalisierten Angriffe gegen die abstrakte Kunst aber bereits einen Richtungswechsel. Da die SMAD die Massenkommunikationsmittel früh in die Hände der deutschen Kommunisten gelegt hatte, bestimmte die Partei im Rundfunk und im Verlagswesen, und - da SED- Zeitungen zahlreicher waren, höhere Auflagen und größere Papierzuteilungen hatten- auch in der Presse. Die öffentliche Meinung wie das Bildungswesen konnten so bereits in der ersten Phase stark von der Einheitspartei beeinflusst werden.[12] Im Juni 1945 gründete sich der „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“.[13] Der Kulturbund bedeutete eine Integration der künstlerischen Kräfte zur Unterstützung der neuen Führungsmacht. Die Zeitschrift „Aufbau“ fungierte als wichtigstes kulturpolitisches Organ.[14][15] Die Kulturpolitik in der SBZ bis 1947 wurde von Offizieren der SMAD bestimmt, die „ein traditionell freundliches Verhältnis zur deutschen Kulturtradition hatten“.[16] Das wichtigste Instrument zur Durchsetzung der sozialistischen Kulturpolitik im Bereich der bildenden Kunst war jedoch der Verband Bildender Künstler Deutschlands (VBKD) (ab 1969 VBK der DDR).[17] Er konstituierte sich im Juni 1950 in Berlin auf dem vom Kulturbund einberufenen 1. Kongress der bildenden Künstler der DDR. Im Zuge der territorialen Neugliederung des Landes in Bezirke bildeten sich 1952 Bezirksverbände, die sich ebenso wie der Zentralvorstand in Sektionen gliederten (Malerei und Grafik, Plastik, Karikatur, Formgestaltung, Kunstwissenschaft). Auf den etwa alle vier bis fünf Jahre stattfindenden Verbandskongressen wurde ein Zentralvorstand gewählt, der seinerseits über die personelle Besetzung des Präsidiums und des Sekretariats bestimmte. Der Präsident und der 1. Sekretär erhielten allerdings nur eine formale Bestätigung, über die Besetzung entschied allein die Partei. Die Bezirksebene des Verbandes mit Bezirksvorstand, Bezirkssekretariat und den jeweiligen Sektionen entsprach dieser Struktur. Der Verband war zuständig für alle Belange seiner Mitglieder: Er besaß ein Mitspracherecht und oft genug die Entscheidungsbefugnis, was die Förderung und Vergabe von Stipendien und Preisen, die Verteilung öffentlicher Aufträge oder die Organisation von Ausstellungen betraf. Die zentralen „Deutschen Kunstausstellungen“ in Dresden, die sich zu den größten und wichtigsten offiziellen „Leistungsschauen“ der Kunst in der DDR entwickelten, entstanden unter seiner Regie.[18]

Die „Einheit – Zeitschrift für Theorie und Praxis des Wissenschaftlichen Sozialismus“ war die theoretische Zeitschrift der SED und die wahrscheinlich einflussreichste Zeitschrift in der DDR auf gesellschaftspolitischem und auch auf künstlerischem und kunsthistorischem Gebiet.[19] Die Zeitschrift erschien monatlich von 1946 bis Herbst 1989, als sie während der Revolution 1989 in der DDR eingestellt wurde. Die Zeitschrift erschien erstmals im Februar 1946 in Vorbereitung der Vereinigung von SPD und KPD zur SED unter dem Titel „Monatsschrift zur Vorbereitung der Sozialistischen Einheitspartei“. Bis zum „Vereinigungsparteitag“ im April 1946 wurde sie dementsprechend vom Zentralausschuss der SPD und dem Zentralkomitee der KPD gemeinsam herausgegeben. Ab Mai 1946 war dann der Parteivorstand der SED alleiniger Herausgeber, der Titel war nun „Monatsschrift für Sozialismus“, ab Januar 1947 dann „Theoretische Monatsschrift für Sozialismus.“ Ab Heft 8/1950 bis zur Einstellung der Zeitschrift mit der Nummer 44/1989 lautete der Untertitel „Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus“.[20]

Die Zeitschrift enthielt Aufsätze mit theoretischem Inhalt, insbesondere zur Geschichte der Arbeiterbewegung, der sozialistischen Revolution, Artikel über Marx, Engels und die Sowjetunion sowie zu philosophischen, soziologischen und ökonomischen Fragen. Verfasser der Beiträge waren führende SED-Funktionäre, leitende Mitarbeiter von zentralen Partei-Instituten wie dem Institut für Marxismus-Leninismus, der Akademie für Gesellschaftswissenschaften und der Parteihochschule und andere theorienahe Kader.[21]

Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 hatten sich die Künstler auf eine sozialistische Perspektive zu besinnen. Übersetzt bedeutete dies, dass die Künstler aufgerufen waren, das Publikum über die Vorzüge des jungen Staates aufzuklären. Die Arbeiter und Bauern sollten bewusst an die Kultur herangeführt werden. In der Kunst der DDR war der sozialistische Realismus die offizielle Stilrichtung.[22] Der sozialistische Realismus war eine ideologisch begründete Richtung der Kunst des 20. Jahrhunderts mit dem Versuch einer starken Wirklichkeitsnähe und dem Fehlen von Abstraktion und Ästhetisierung. Der sozialistische Realismus stellte Themen aus dem Arbeitsleben und der Technik des sozialistischen Alltags in den Vordergrund.[23] Der Moderne zugewandte Künstler empfanden den Sozialistischen Realismus als „billige Massenkunst“ und gingen aus Angst vor politischer Verfolgung in die innere Emigration.[24] Der sozialistische Realismus wurde 1932 vom Zentralkomitee der KPdSU als Richtlinie für die Produktion von Literatur, bildender Kunst und Musik in der UdSSR beschlossen, später für das gesamte sozialistische System maßgebend, auch in den mit der Sowjetunion verbündeten Staaten. In der DDR spielte der sozialistische Realismus seit Staatsgründung 1949 eine wichtige Rolle.[25] Der Begriff wurde durch Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU (23. April 1932) für die offizielle sowjetische Literatur, bildende Kunst, Musik und Filmkunst zur verbindlichen Theorie und Methode erklärt und auf dem 1. Kongress der sowjetischen Schriftsteller (1934) definiert. Laut dieser Erklärung war er dem Realismus verpflichtet und stand in der Tradition französischer und deutscher Kunst aus der Zeit bürgerlicher Revolutionen (2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) sowie belgischer und englischer Kunst des 19. Jahrhunderts und sozialistischer Kunst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Sujets, die Bedingungen der Kunstproduktion und die angestrebte Wirkung des sozialistischen Realismus waren der Überwindung der dargestellten Realität im Sinne einer sozialistischen Konzeption verpflichtet.[26] Vom Künstler wurde Parteilichkeit verlangt, die sich auch auf Politik und Programmatik der kommunistischen Partei erstreckte. Vor diesem Hintergrund wurde der sozialistische Realismus insbesondere unter Stalin und Schdanow (1934-38 verantwortlich für Bildungsreform und ab 1944 für die politisch-ideologische Ausrichtung der sowjetischen Kunst) zu einem dogmatischen, doktrinären Instrument, dessen Produkte den Personenkult förderten und auf einen kritischen Standpunkt zum realen Sozialismus völlig verzichteten.

Eine allgemeingültige, „wahre“ Definition dieses Begriffes gibt es nicht. Die DDR-Führung stütze sich bei ihren Auslegungen vor allem auf die marxistisch-leninistischen Ausführungen und auf das sowjetische Vorbild. Für sie fungierte der sozialistische Realismus hauptsächlich als Rahmen ihrer Kulturpolitik. Verschiedene sowjetische und deutsche sozialistische Künstler und Partei-Funktionäre stellten außerdem eigene Überlegungen zu dieser Problematik auf. In einem kurzen Abriss zur Entstehung des sozialistischen Realismus sollen seine Wurzeln deutlich, sowie Aussagen, mit denen die SED-Führung ihre kulturpolitischen Maßnahmen begründete und unterstrich, plausibler werden.

Im 19. Jahrhundert wurden „realistische“ Motive, die Arbeitswelt, Landschaften und ihre Bevölkerung, häufiger. „Realismus“ wurde ein gängiger Begriff, vor allem in Frankreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei er oft eine negative Konnotation erhielt. So wurde der „Realismus“ letztlich zum „Kampfbegriff“ innerhalb der Kunsttheorie erhoben. Auch weil er in den Revolutionsjahren (1848) nicht selten und vor allem in sozialistisch geprägten Zusammenhängen zur Disposition stand. Allen voran war es Gustave Courbet, der dem Realismus seine demokratisch-sozialistische Tendenz verlieh und Pierre Joseph Proudhon war es, der ihm seine theoretische Fundierung gab. Nach Courbet ist im Realismus die Forderung nach Wahrheit, nach Zeitgemäßheit und nach der Verneinung des Idealismus enthalten, wodurch Realismus zu einer politisch-kritischen Ausdrucksform erhoben wurde. Der Realismus wurde zu einer der Hauptströmungen der Kunst auf dem europäischen Kontinent im ausgehenden 19. Jahrhundert. „In der bildenden Kunst beginnt der Einfluss der Arbeiterklasse, als sich demokratisch, proudhonistisch oder sozialistisch gesinnte Künstler, wie Daumier, Courbet, Meunier u.a. sich mit der Arbeiterklasse solidarisieren.“

Die politische Haltung Courbets war von einem Verbalradikalismus geprägt, der vor allen Dingen durch seine Ablehnung jeglicher Autorität gekennzeichnet war. Hier traf sich die sture künstlerisch-individualistische Haltung Courbets mit dem Individualanarchismus Proudhons, jenem „ni dieu, ni maître“, das sich die Anarchisten aller Zeiten auf die Fahnen geschrieben haben. Beide vertraten in der Revolution von 1848 die sozialistische Linke, und konnten sich anfangs nur schwer in das Second Empire einordnen. Der Einfluß Proudhons wird in Courbets Haltung deutlich. Proudhon lehnt in seinen Schriften Les confessions d’un révolutionnaire (1849) und Ideé générale de la révolution (1851) die Regierung als Form der zentralen Gesellschaftsorganisation ab. In seinem realistischen Manifest schrieb Courbet: „C'est une audace incroyable, c'est le renversement de toutes institutions par la voie du jury, c'est l'appel direct au public, c'est la liberté, disent les uns. C'est un scandale, c'est l'anarchie, c'est l'art traîné dans la boue, ce sont les tréteaux de la foire, disent les autres.” Die freche Übernahme der ursprünglich abwertenden Bezeichnung als „Realisten“ erklärt Courbet in seinem Manifest mit der Verachtung für Zuschreibungen und Betitelungen.

Mit den Ereignissen von 1870/71 geriet in Paris für kurze Zeit die bürgerliche Welt aus den Fugen. Die Commune übernahm von 17./18. März bis Ende Mai 1871 die Kontrolle über die französische Hauptstadt und jagte die Republikaner aus der Stadt. Die zwei Monate, in denen die Kommune die Macht besaß, waren geprägt von zahlreichen sozialistischen Reformenbestrebungen. Viele Proudhonisten saßen in dem neuen Stadtrat, und Courbet war Mitbegründer der fédération des artistes de la Commune, der unter anderem auch Edouard Manet und Honoré Daumier angehören. Im Journal Officiel de la Commune vom 5. April 1871 begrüßt der Begründer des Realismus die revolutionäre Entwicklung und forderte alle Künstler zur konstruktiven Teilnahme an der freien Gesellschaft auf. Die Revolution durch das Volk habe die Machtusurpation der wahren Preußen, nämlich jener von Versailles, hinweggefegt und die Künstler hätten nun die Aufgabe, die Moral der Bürger zu heben und den Kunstbetrieb wieder aufzunehmen.

Proudhon hat in seiner Analyse des Courbetschen Realismus ein Problem angesprochen, das auch im zwanzigsten Jahrhundert noch die sozialistischen Kunsttheoretiker und Kulturfunktionäre beschäftigen sollte. Vielleicht sind nicht Kunst und Gesellschaft, wohl aber Realismus und Gesellschaft eng miteinander verwoben. Tatsächlich ist es so, daß die realistischen Kunststile, indem sie einerseits alltagsweltliche und sittliche Fragen aufwerfen und sich dazu positionieren, andererseits von sozialistisch-fortschrittlichen Regimen immer wieder zu erzieherischen Zwecken vereinnahmt wurden, eine weit engere Beziehung zur Gesellschaft eingehen als formalistische Kunstrichtungen. Die Avantgardisierung der Kunstentwicklung, die nach dem Impressionismus einsetzte und eine Aufsplitterung nicht nur in immer neue Stile, sondern auch in nationale und regionale Eigenentwicklungen – russischer Symbolismus, italienischer Futurismus, Dresdner Expressionismus – mit sich brachte, führte auch zu einer breiten Fächerung von Form, Inhalt und Ideal.

Schließlich waren es Karl Marx und Friedrich Engels, die den Realismus zu einer funktionalen Theorie mit der Forderung nach Vermittlung von historischer Wahrheit verbanden. Seither wird der Realismus im Zusammenhang mit weltanschaulichen Konzeptionen verbunden, so etwa mit der Entwicklung der revolutionären Kunsttheorie in Russland. Der politisch-programmatische Realismus brachte auch eine neue Formensprache mit sich, die sich deutlich von vorangegangenen unterschied. So bezeichneten konstruktivistische Künstler wie etwa Malewitsch ihre Kunstform als Neuen Realismus. Gleichzeitig wurde der Realismus politisch instrumentalisiert, so von Stalin, der ihn zum Programm machte, um den Einfluss der kommunistischen Partei auf Produktion und Rezeption von Kunst, sprich auf das künstlerische Feld, zu sichern. Die funktionalistische Auffassung von Realismus wurde in den 1960er Jahren schließlich die dominante.

Galt zunächst die Abbildung und Darstellung des Typischen, so kam es jetzt zur Betonung des kritischen, eingreifenden Charakters realistischer Darstellung. Der Realismus sollte gesellschaftliche Veränderungen unterstützen und bewirken. Dabei bildet er keinen einheitlichen Stil. Denn es geht um die Intention, die in einem Kunstwerk enthalten ist und nicht darum, eine spezifische Formensprache zu entwickeln. „Realismus in diesem Sinne ist eine Kunst, die Phänomene bewusst machend zur Wirklichkeit bringt.“ Es geht also gewissermaßen darum, durch die realistische Darstellung erkenntnis- und wahrnehmungskritischen Sinn zu erschließen; Erkenntnis der inneren, unsichtbaren Wirklichkeit. Diese Wahrheit beinhaltet den Glauben an den politischen und an den sozialistischen Fortschritt und das Parteiergreifen des Künstlers für denselben. Damit wird Realismus zu einer Methode der Wirklichkeitsaneignung durch den Künstler.

Realismus ist ein Konzept, welches immer schon eine Opposition in sich birgt, sich definiert, indem es sich von einem anderen Kunstkonzept distanziert. So soll durch den Realismus der bürgerliche Modernismus, oder Formalismus, überwunden werden.

Eine entscheidende Rolle für das Herausbilden des sozialistischen Realismus kann auf die Theorien von Karl Marx und Friedrich Engels zurückgeführt werden. Ihre wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse enthält bereits, so Koch, Grundgedanken einer Theorie dieser Stilrichtung, woraus sich die kritischen Maßstäbe dieses politischen Programms ableiteten.

In den 1930er Jahren wurden die Grundsätze des sozialistischen Realismus in der Sowjetunion proklamiert und daraufhin zum Inbegriff der marxistisch-leninistischen Kunstvorstellungen Bereits im Oktober 1932 wurde der Begriff zum ersten Mal erwähnt und durch Stalin als eine künstlerische Methode der sowjetischen Literatur sanktioniert. Den Schriftsteller nannte er in diesem Zusammenhang einen „Ingenieur der menschlichen Seele“. Damit war die wichtigste Rolle eines Schriftstellers in der sozialistischen Gesellschaft gekennzeichnet. Eine für sowjetische Künstler verbindliche Definition dieses Programms wurde auf dem 1. Sowjetischen Schriftstellerkongress 1934 von dem Parteisekretär Shdanow vorgestellt. Diese legte den Inhalt und die Form des künstlerischen Werkes fest, die auch noch in der DDR ihre Gültigkeit behalten sollte. Shdanow bezog sich in seinen Ausführungen zwar vordergründig auf die sowjetische Literatur, doch erhielten diese auch für die anderen Künste Gültigkeit. Durch die vorgenommenen Reglementierungen wurde es den Künstlern nicht möglich sich an der Entwicklung der modernen Kunst und Literatur zu beteiligen oder zu orientieren. Kunst und Literatur, die nicht in das sozialistische Bild passten, waren bereits hier unter dem Siegel des Formalismus verboten. Der künstlerische Inhalt reduzierte sich, den Forderungen Shdanows folgend, auf die Arbeitswelt und technische Prozesse. Die Darstellung der Wirklichkeit in den Kunstwerken sollte dem Anspruch einer ideologischen Umformung und Erziehung der Leser/Betrachter dienen. Mit diesen Einschränkungen im schöpferischen Prozess war auch das Vorrücken der Bürokratie verbunden, die das Einhalten der Richtlinien zur Aufgabe hatte. Shdanow erläutert den sozialistischen Realismus in seiner Rede weiter: „[...] Dabei muß die wahrheitsgetreue und historisch konkrete künstlerische Darstellung mit der Aufgabe verbunden werden, die werktätigen Menschen im Geiste des Sozialismus ideologisch umzuformen und zu erziehen. Das ist die Methode, die wir [...] als Methode des sozialistischen Realismus bezeichnen.“

Mit weiteren Anweisungen und Vorschriften, z.B. der Forderung nach Einfachheit und Volkstümlichkeit in den Werken unter Ausschluss von Formalismus, wurde diese Methode 1936 von der KPdSU belegt. Richtungweisend für die Kulturpolitik in der SBZ und DDR waren auch die Ausführungen von Lukács zum sozialistischen Realismus. Seine Realismuskonzeption grenzt ihn deutlich von formalistischen Stilrichtungen wie dem Expressionismus, Naturalismus oder Surrealismus ab.

Bewusst praktizierte künstlerische Gestaltungsweise sollte der sozialistische Realismus für Künstler und Schriftsteller werden. Galt die Bewältigung der Vergangenheit in der ersten Periode als thematischer Schwerpunkt, so wurde nun versucht die Inhalte stärker auf die Probleme der Gegenwart zu lenken. „Ankunft im sozialistischen Alltag“ war beispielsweise ein künstlerisches zu thematisierbares Thema. Bekannte Autoren der DDR wie Anna Seghers und Johannes R. Becher forderten andere Schriftsteller auf dem IV. Deutschen Schriftstellerkongress im Jahr 1956 auf, das Leben des arbeitenden Menschen und den Mensch als Teil des sozialistischen Aufbaus zu erfassen. Zwar übte Becher ein politisches Amt aus, von 1953 bis 1959 war erster Minister für Kultur und zuvor Präsident der Deutschen Akademie der Künste, doch wird daran deutlich, dass auch Künstler zu den Inhalten des sozialistischen Realismus Überlegungen anstellten und diese öffentlich machten.

Den Ausführungen Prachts folgend ist das Programm des sozialistischen Realismus eine spezifische Anwendung des Kommunismus auf das Gebiet der Kunst. Ausgehend vom Verständnis der DDR-Regierung, wurde die Theorie dieser Stilrichtung als das wissenschaftliche Bewusstsein von der Funktion der Kunst im Kampf um den Sozialismus begriffen. Die Kunst wurde folglich als eine Waffe im Klassenkampf verstanden. Der sozialistische Realismus, der die sozialen und politischen Bedingungen der Kunstproduktion, -verbreitung und –aufnahme umfasst, war die wissenschaftliche Bestimmung der gesellschaftlichen Funktion der Kunst. Entsprechend beinhaltet die sozialistische Kunst bereits eine klassenspezifische Rezeptionsvorgabe. Zwei Schlüsselbegriffe dieser Kunstdoktrin können genannt werden: Parteilichkeit und Volksverbundenheit. Beide Begriffe sind sehr eng miteinander verknüpft und fordern vom Künstler den parteilichen Standpunkt der SED auch in den Werken widerspiegeln zulassen, wobei diese in Inhalt und Form an die Bedürfnisse der Arbeiter und Bauern angelehnt sein müssen. In Kombination enthalten die Begriffe „[...] das Postulat der Verständlichkeit und Massenwirksamkeit als auch die Aufforderung, sich an nationalen klassischen ästhetischen Mustern zu orientieren.“ Das klassische deutsche Erbe (Schiller, Goethe) erhielt in der DDR eine hohe Wertschätzung. Die SED forderte von den Künstlern in ihrem Schaffen an das klassisch-nationale Erbe anzuknüpfen, sich gleichzeitig am sowjetischen Vorbild zu orientieren. Dabei sollten sie die künstlerische Form nicht vernachlässigen, ihr aber auch keine selbständige Bedeutung zukommen zulassen, sondern „[…] sich dem Primat der Politik unterordnen.“ Von Erbe als drittes Prinzip des sozialistischen Realismus ist der sozialistische Ideengehalt der Werke, der ein vom Marxismus-Leninismus geprägtes Geschichtsverständnis und Menschenbild eigen hat. Bezeichnend für die Kunst des sozialistischen Realismus ist ihr Bezug auf den Stand und die Perspektiven des Klassenkampfes.

Ein wesentlicher, von Anfang an integraler Bestandteil des sozialistisch-realistischen Kanons war das ideologische Postulat des positiven Helden und die damit verbundene Heldenmystifizierung, worauf in dieser Arbeit näher eingegangen werden soll. Ziel ist es dabei nicht, die Geschichte der sowjetischen Literatur seit den Anfängen des Sozialistischen Realismus nachzuerzählen, ein kurzer Einblick ist jedoch für das globale Verständnis unabdingbar. Als Hauptuntersuchungsgegenstand dieser Arbeit dient das literaturkritische Essay von Andrej Sinjavskij, unter dem Titel „Čto takoe sozialističeskij realizm?“, den er im Jahre 1959 unter seinem Pseudonym Abram Terc veröffentlichte und das eine scharfsinnige Analyse der offiziellen Kultur vorlegt, welche für ihn persönlich schwerwiegende Folgen hatte. Das Essay wird mit der Rede von Maksim Gor’kij unter dem Titel „Sovetskaja Literatura“, die er auf dem ersten Allunionsschriftstellerkongress in Moskau im Jahre 1934 hielt, auf den oben genannten Schwerpunkt hin, und zwar die Aufgabe und Rolle des sowjetischen Schriftstellers in Bezug auf den Sozialistischen Realismus, analysiert und versucht zu vergleichen. Es ist wichtig anzumerken, dass die Zitate aus den beiden Werken jeweils auf Russisch und auf Deutsch vorhanden sind, wobei ich die deutsche Übersetzung selbst durchgeführt habe und zum Teil in Übereinstimmung mit den Übersetzungen von Swetlana Geier ergänzt habe. Maksim Gor’kij gilt heute als der „Begründer“ oder als „Stammvater“des Sozialistischen Realismus. Es heißt, er habe die Rede zwei Jahre lang, seit dem Dekret 1932, in intensiver Arbeit vorbereitet. Diese Rede zeugt deshalb von solcher Wichtigkeit, da Gor’kijs Standpunkt, sowohl zur klassischen, als auch zur sowjetischen Kultur deutlich zum Ausdruck kommt. Der Sozialistische Realismus wurde 1934 nicht plötzlich von Stalin und Gor’kij erfunden und hat selbstverständlich eine Vorgeschichte. Dazu wird als Einstieg im zweiten Kapitel in kurzen Zügen der geschichtliche Hintergrund und die kulturpolitischen Anfänge des Sozialistischen Realismus bis zum ersten Allunionsschriftstellerkongress in Moskau im Jahre 1934 erläutert, auf dem unter anderem das Prinzip des Sozialistischen Realismus festgelegt wurde und Maksim Gor’kij seine Rede „Sovetskaja literatura“ hielt. Im dritten Kapitel werden Maksim Gorkij und Andrej Sinjavskij in ihrer Beziehung zum Sozialistischen Realismus vorgestellt, dem schließlich der Vergleich der beiden Werke folgen wird.

Die Statuten des sozialistischen Realismus waren äußerlich der Endpunkt einer Entwicklung von sich immer weiter zuspitzenden Machtkämpfen zwischen den einzelnen Schriftstellervereinigungen, die seit 1918 das Wesen der russischen Literatur bestimmt hatten. Die Oktoberrevolution von 1917 löste nicht nur einen radikalen Umbruch im Gesamtgefüge der russischen Gesellschaft aus, sondern brachte auch die Literatur in ein Stadium der Zersetzung. Unmittelbar nach der Februarrevolution von 1917 bildeten sich in Russland kulturelle Vereinigungen, die primär auf eine durchgreifende proletarische Kulturrevolution setzten, und zum Ziel hatten, proletarische Bildungsarbeit zu leisten und dem Analphabetismus des größten Teiles der russischen Bevölkerung entgegenzukommen, so z. B. der sogenannte Proletkul’t oder die später geschaffene Allrussische Assoziation der Proletarischen Schriftsteller, VAPP, später RAPP), die eine Kultur von und für Proletarier schaffen wollten. Die Teilung der Literatur ging weniger mit der literarischen Richtung einher, als mit der Einstellung zur Revolution, weswegen viele Schriftsteller, die die Revolution nicht begrüßten, sich entweder in die Provinzen zurückzogen oder in den Westen emigrierten. Auch die folgenden Jahre waren durch den Kampf um die Vorherrschaft in der Literatur gekennzeichnet. Während der NÖP-Periode seit 1921 („Neue Ökonomische Politik“), die Lenin einführte, um sich vom Bürgerkrieg zu erholen und der daraus resultierenden Versorgungskrise entgegenzukommen, durften Privatverlage wieder gegründet und nichtproletarische literarische Werke veröffentlicht werden, die zuvor zum staatlichen Monopol gehörten und damit einer Zensur unterlagen. Diese liberale Phase hatte 1928, mit dem Beginn der Alleinherrschaft Stalins und dem Inkrafttreten des ersten Fünfjahresplanes, ein Ende. Damit begann ein forcierter Umbau der sozio-ökonomischen Produktionsbedingungen, dem auch die Kunst und Literatur unterworfen wurden. Wirtschaftlich standen diese Jahre im Zeichen der Industrialisierung und der Kollektivierung der Landwirtschaft. Ihren Ausgangspunkt fand die Kontrolle über die künstlerische Produktion in Stalins Verkündung des „großen Umschwungs an allen Fronten des sozialistischen Aufbaus“, der „im Zeichen der entschiedenen Offensive des Sozialismus gegen die kapitalistischen Elemente“ vor sich geht, wieder. Diese Offensive war jedoch auch ideologisch geprägt, deren Notwendigkeit mit dem Zurückbleiben des Bewusstseins hinter der gesellschaftlichen Praxis begründet wurde. Diese Formel spielte in den Jahren der ideologischen Offensive ab 1929 bei der Ausschaltung abweichender Positionen eine überragende Rolle, denen ein Nachhinken hinter dem „großen Umschwung“ vorgeworfen wurde. Die Schriftsteller sollten nun dem „sozialen Auftrag“ nachkommen, deren Bedeutung durch die LEF und RAPP gegeben und welcher jetzt als direkter Befehl und Formel aufgefasst wurde und die Literatur somit in den Dienst des Staates stellte. Schriftsteller hatten ab nun die Aufgabe den Fünfjahresplan zu unterstützen und sich in den „sozialistischen Wettbewerb“ in der Industrie einzubeziehen. Dazu hat sich die Methode des Realismus bewährt, die in sich mehrere Stile beinhalten konnte, so z. B. der „očerk“. Unter Leitung von Maksim Gor’kij wurde in diesem Zusammenhang das Gemeinschaftswerk geschrieben, das vom Bau des Stalinkanals, der von politischen und kriminellen Zwangsarbeitern geschaffene Verbindung zwischen dem Weißem Meer und der Ostsee, erzählte.

Durch die Forderung, sich am „sozialistischen Aufbau“ zu beteiligen, wurde die Kunst und Literatur zu einem notwendigen, durch die Partei zu kontrollierenden Gegenstand, der jeden Anspruch auf Eigenständigkeit verlor. Dies mündete schließlich darin, dass 1932 das Dekret („Über den Umbau der literarisch-künstlerischen Organisationen“) des CK der Kommunistischen Partei verabschiedet wurde, das die Forderung des sozialistischen Realismus als künstlerische Hauptmethode und die Auflösung aller bisherigen literarischen Gruppen beinhaltete, einschließlich der RAPP, die der Partei stets zur Seite stand, mit der Begründung, dass dieser Schritt durch die „Errungenschaften des sozialistischen Wiederaufbaus“ motiviert sei, welche „die Existenz getrennten proletarischer, literarischer und künstlerischer Organisationen überflüssig macht“. Der Auflösung der literarischen Gruppen folgte die Schaffung eines einheitlichen Sowjetischen Schriftstellerverbandes, der äußerlich zwar den Streitigkeiten zwischen den einzelnen Vereinigungen ein Ende setzte, in Wirklichkeit aber vor allem den Weg zur endgültigen Vereinnahmung von Kunst und Literatur ebnete. Der Verband sollte alle sowjetischen Schriftsteller vereinigen, die mit den sowjetischen politischen Grundprinzipien einverstanden waren und den sozialistischen Aufbau unterstützten. Er war somit keine gewöhnliche Berufsorganisation, sondern ein typisches Nebenprodukt des totalitären Regimes, deren Mitglieder sich nicht nur einem bestimmten politischen Programm verpflichteten, sondern auch an eine besondere literarische Methode gefesselt wurden. Nach der Reform im Jahre 1932 wurde das Organisationsbüro damit beauftragt, eine einheitliche Literaturtheorie zu schaffen und den ersten Allunionskongress der Sowjetschriftsteller vorzubereiten, den Maksim Gor’kij als Vorsitzender des Schriftstellerverbandes und vielgefeierter Vater der Sowjetliteratur eröffnete.

Als mythischer Gründervater des sozialistischen Realismus gilt Maksim Gor’kij, mit bürgerlichem Namen Alexej Maksimovič Peškov. Dieser kehrte 1932 nach einem langjährigen Leben im Exil, wo er seit 1921 nicht zuletzt wegen politischer Differenzen mit Lenin gelebt hatte, nach Russland zurück und genoss seitdem hohe Achtung als Autorität in der sowjetischen Literatur. Er setze als Schriftsteller die russischen Klassiker fort mit dem Unterschied, dass adlige Schriftsteller sich dem Volk anzunähern versuchten, Gor’kij aber aus den Tiefen des Volkes stammte und somit als proletarischer Schriftsteller fungierte. Seit seiner endgültigen Rückkehr nach Russland war eine immer stärker werdende Orientierung an den bewährten realistischen Traditionen Gor’kijs zu verzeichnen. In einem Artikel in der „Pravda“ am 29.09.1932 hieß es von A. Steckij „Aber das Werk Gor’kijs ist revolutionärer Realismus“. Hier wurden schon Merkmale an seinen Werken hervorgehoben, die später für die Definition des sozialistischen Realismus eine wichtige Rolle spielten, z. B sein Werk „Die Mutter“, die eine Sonderstellung erhielt. Gor’kijs Realismus-Begriff hatte jedoch eine tiefe Verwurzelung in der romantischen Tradition, das sein Kunstverständnis von Anfang an prägte aber nur bedingt mit der gleichnamigen Epoche zusammenhängt. Er unterschied zwischen der von der Wirklichkeit ablenkenden passiven, und der zur Rebellion aufrufenden aktiven Romantik. Dies spiegelt sich ebenfalls in „Die Mutter“ wider, indem der revolutionäre Kampf und die Vertreter der Arbeiterklasse mit romantischen Stilmitteln zu positiven Helden stilisiert wurden. Auch bei der Sitzung der Kommission am 10.05.1932 einigten sich die Kommission darauf, dass als Begründer des sozialistischen Realismus Maksim Gor’kij betrachtet werden sollte.[30] Zwei Jahre später sollte Gor’kij auf dem ersten Allunionschriftstellerkongress in Moskau seine Rede über die „Sovjetische Literatur“ halten. Dieser tagte vom 17.08.1934 - 01.09.1934 in Moskau an jeweils 26 Sitzungen. Insgesamt waren 591 Schriftsteller aus den verschiedensten Ländern vertreten, die als Delegierte fungierten. Maksim Gor’kij genoss auf dem Kongress den Höhepunkt seines Einflusses. Seine Rede zeichnet die Entwicklung der Literatur der Menschheit von der Urgesellschaft bis zum Sozialistischen Realismus nach. Auffällig ist vor allem, dass seine Argumentationen aus bereits vorhandenen Werken bestehen, so z. B. aus den Werken „Der Kleinbürger“ (1905) und „Die Zerstörung der Persönlichkeit“ (1909). Leitgedanke in dieser Rede ist der Organisator der Kultur, und damit auch der Literatur, und zwar die menschliche Arbeit („труд“), die auch immer Organisator sein wird. Der Held der Literatur, angefangen bei den heidnischen Mythen und der Volksdichtung, war der Arbeiter, der von sozialer Verantwortung getragen wurde. Für die Bourgeoisie hingegen, die in der Literatur von Anfang an den Dieb, den Schelm, oder den „Gauner im Frack“ als Held dargestellt hat, sei die Vermeidung der Arbeit charakteristisch gewesen. Gor’kijs Rede kann als eine poetische Mythenschöpfung und Gotterbauertum angesehen werden.

Lenin schrieb Anfang 1923: „Unsere Gegner hielten uns oft entgegen, es sei ein sinnloses Beginnen von uns, in einem Lande mit mangelnder Kultur den Sozialismus anpflanzen zu wollen. Ihr Irrtum entstand aber daraus, daß wir nicht von dem Ende angefangen haben, an dem es nach der Theorie hätte geschehen sollen, und daß bei uns die politische und soziale Umwälzung jener kulturellen Umwälzung jener Kulturrevolution vorausgegangen ist, der wir jetzt dennoch gegenüberstehen.“

Lenin kehrte den Zusammenhang um: der Aufbau der geplanten sozialistischen Gesellschaftsordnung musste alles das nachholen, was der Kapitalismus im Westen geleistet, in Russland aber versäumt hatte: „Wenn zur Schaffung des Sozialismus ein bestimmtes Kulturniveau notwendig ist (obwohl niemand sagen kann, wie dieses bestimmte ‚Kulturniveau’ aussieht, denn es ist in jedem westeuropäischen Staat anders), warum sollten wir also nicht damit anfangen, auf revolutionärem Weg dieses bestimmte Niveau zu erringen, und erst dann, auf der Grundlage der Arbeiter- und Bauernmacht und der Sowjetordnung, vorwärts schreiten und die anderen Völker einholen.“

Schon lange vor 1917 hatte Lenin die bei der Verwandlung Russlands in einen Industriestaat auftretenden Hemmnisse mit dem niedrigen Bildungsniveau der Bevölkerung in Zusammenhang gebracht und betont, dass der „Faktor Kultur“ für den wirtschaftlichen Aufstieg von entscheidender Bedeutung sei. Kurz nach der Oktoberrevolution nannte er als die beiden wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung einer sozialistischen Wirtschaft in Russland „erstens die Hebung des Bildungs- und Kulturniveaus der Masse der Bevölkerung und zweitens die Hebung der Disziplin der Werktätigen, ihres Vermögens zu arbeiten, der Geschicklichkeit, der Intensität der Arbeit und ihre bessere Organisation.“

Lenin war sich aber dessen bewusst, auf welche großen Schwierigkeiten diese „Kulturrevolution“ stoßen musste, bei der „Umerziehung der Massen, bei der Organisations- und Schulungsarbeit, bei der Vermittlung von Wissen, beim Kampf gegen das uns zugefallene Erbe an Unwissenheit und Unkultur, Rohheit und Verwilderung.“

Im Unterschied zu den technikfeindlichen und zivilisationskritischen Kulturkonzeption Tolstojs, die noch im 20. Jahrhundert in der russischen Intelligenz lebendig war, erkannte Lenin den von Blonskij im Jahre 1919 niedergeschriebenen Satz an, dass die „technisch vollkommene Gesellschaft“ gleichbedeutend sei mit der „sozial vollkommenen Gesellschaft“ und dass „die Kultur der Zukunft eine industriell-kollektivistische Kultur“ sei. Die Verbindung von Technik und Sozialismus stellte Lenins Vermächtnis an Russland dar. Die Elektrifizierung der Industrie und der Anstieg der Kultur bildeten den Kern des „zweiten Parteiprogramms“, wie Lenin den Ende 1920 verabschiedeten Plan zur Elektrifizierung Russlands nannte. Bei der „Kulturrevolution“ in Russland handelte es sich also um ein Nachholen der europäischen und amerikanischen Entwicklung. Lenins Konzeption der „sozialistischen Kulturevolution“ unterstrich die rational-planerischen Aufgaben der neuen revolutionären Staatsmacht ebenso wie den instrumentellen Charakter der elementaren Massenbildung. „Kulturrevolution“ bedeutete in diesem Verständnis nicht die Schaffung einer neuen „proletarischen Kultur“, sondern den Erwerb wissenschaftlicher, technischer und organisatorischer Mittel zur Überwindung der sozioökonomischen Rückständigkeit des Landes und seiner Bevölkerung.

Aus der pragmatischen Einstellung Lenins und seinem Bewusstsein von der historischen Kontinuität ergab sich auch seine ablehnende Haltung gegenüber den Bestrebungen einer genuinen „proletarischen Kulturrevolution“, die fast alle Bereiche des kulturellen Lebens in den ersten Jahren der bolschewistischen Revolution durchdrangen. Die Bewegung des „Proletkul’t“ fand in der Literatur und in den bildenden Künsten den stärksten Ausdruck. Der „Proletkul’t“ sollte als autonome, von der Partei unabhängige Organisation die „proletarische Klassenkultur“ allein mit den Kräften des Proletariats unter ausdrücklichem Verzicht auf die Mitwirkung der Bauern und der bürgerlichen Intelligenz. Die kommunistische Partei war in diesem Konzept lediglich für die politische Revolution, die Gewerkschaften für die soziale Revolution zuständig. Lenin sah im proletarischen Radikalismus der Bewegung die Gefahr, dass dadurch die Bauern und die bürgerliche Intelligenz, deren Zustimmung für die Überlebensfähigkeit des Sowjetsystems entscheidend war, in eine scharfe Opposition zur Diktatur des Proletariats gebracht und damit der hegemoniale Bestand der kommunistischen Partei und auch seine eigene Position gefährdet wurde. Die Reglementierung des „Proletkul’t“ hatte in erster Linie politische Gründe, richtete sich aber gegen den dortigen Einfluss des Futurismus. Die Futuristen sahen in der Revolution vor allem die Befreiung der Künste aus verknöcherten Traditionen. Der Volkskommissar für das Bildungswesen, Lunacarskij, förderte zunächst die Futuristen und wies ihnen einflussreiche Posten auf dem Gebiet der Literatur-, Kunst- und Theaterpolitik zu. Aber es traten bald Differenzen auf. Der von den Futuristen propagierte totale Bruch mit der Kunst der zaristischen Vergangenheit widersprach der vor allem von Lenin vertretenen Ansicht, dass der Aufbau einer neuen Kultur nur mit Unterstützung der bürgerlichen Intelligenz und ihres Fachwissens eine gute Überlebenschance hätte. Bald darauf wurde deren Zeitung „Kunst der Kommune“ von der Regierung eingestellt. Der Einfluss der Futuristen auf die Literatur- und Bildungspolitik der Sowjetunion war damit gebrochen, obwohl sie sich bemühten, ihre Vorstellungen von einer revolutionären Kunst weiter zu verbreiten.

Der Geist der Absage an die Vorstellungen von einer besonderen proletarischen Kultur fand auch Eingang in die Thesen des ZK der „Gesamtrussischen Gewerkschaft der Kunstschaffenden“. Neben der Notwendigkeit einer Nutzung für die politische Agitation und der als Voraussetzung dazu erforderlichen „kommunistischen Propaganda unter den Dienern der Kunst selbst“ wurde darin hervorgehoben, dass „ die neue proletarische und sozialistische Kunst nur auf dem Fundament aller Errungenschaften der vergangenen errichtet werden kann“. Der „Proletkul’t“ entwickelte sich zu einer Massenorganisation, die mit der kommunistischen Partei zahlenmäßig konkurrieren konnte. Im Jahre 1920 gab es ca. 400.000 Sympathisanten und 80.000 aktive Mitglieder, die über 20 literarische und kulturpolitische Zeitschriften herausgaben.

Erkenntnistheoretisch nahm die Bewegung eine radikale Variante der Standpunkt-Theorie ein. Die Standpunkt-Theorie geht von einer Abhängigkeit der Erkenntnisgewinnung innerhalb gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse aus. Es geben bessere und schlechtere Standpunkte, von denen aus die Welt betrachtet und interpretiert werden könne. Die standpunkttheoretischen Konzepte setzen bei Hegels Herr und Knecht-Kapitel in der „Phänomenologie des Geistes“ aus dem Jahre 1802 an. Karl Marx hat Hegels Philosophie auf den Produktionsprozess im Kapitalismus bezogen, in der sich Kapitalisten und Proletarier in einer organisierten gesellschaftlichen Beziehung als Klassen gegenüberstehen. Aus der Sicht des Proletariers ist der Ablauf des Produktionsprozesses prinzipiell verfügbar, da seine Anstrengung die Beziehung zwischen Selbst und Gegenstand erst hervorbringe. Vom Standpunkt der herrschenden Klassen hingegen seien die tatsächlichen Praktiken nicht sichtbar. Aus dem Standpunkt des Proletariers resultiert sein Klassenbewusstsein und der damit verbundene Klassenkampf, wenn es von der Klasse an sich zur Klasse für sich werde.

Ab August 1919 betrieb Lenin aktiv die Unterordnung des Proletkul’t unter das Volkskommissariat für das Bildungswesen. Die erstrebte Unterordnung wurde schließlich im Oktober 1920 vollzogen und im Dezember 1920 durch einen ZK-Beschluss bestätigt. Lenin hatte eine völlige Unterordnung des Proletkul’t angestrebt, aber letztlich wurde ihm doch Autonomie in seiner künstlerischen Arbeit (Musik, Theater, Literatur, bildende Kunst) eingeräumt, wogegen ihm eigenständige politische und wissenschaftspolitische Arbeit verboten wurde.

Die Unterordnung des „Proletkul’t“ unter die Regierung leitete seinen Verfall ein. Seine bisherigen Wortführer, A. Bogdanov und V. Poljanskij, wurden ausgeschaltet; viele Zeitschriften wie „Proletarische Kultur“ und „Zukunft“ wurden im Jahre 1921 eingestellt.

Die Bewegung des „Proletkul’t“ beeinflusste auch einige pädagogische Konzeptionen. Der Geist der spontanen und kollektiven Experimentierlust war in den Projekten für Schulkommunen oder Kinderhäuser ebenso lebendig wie in den radikalen Ideen von der „Vernichtung der alten Schule“ und dem „Absterben der Schule“ überhaupt. Im Augenblick der bolschewistischen Machtübernahme waren die Unterschiede noch überdeckt; der erste amtliche Aufruf des neuen Volkskommissars Lunacarskij erhielt folgende Aussagen: „Die werktätigen Volksmassen, die Arbeiter, Bauern und Soldaten lechzen nach Unterricht im Lesen und Schreiben und nach allem Wissen. Sie lechzen aber auch nach Bildung. Diese kann ihnen weder der Staat noch die Intelligenz noch irgendwelche Macht außerhalb ihrer selbst geben. Schule, Buch, Theater, Museum usw. können hier nur Hilfsmittel sein. Die Volksmassen werden selbst ihre Kultur bewußt oder unbewusst ausarbeiten. (…) Der städtische Arbeiter und der auf dem Lande Arbeitende werden sich, jeder auf seine Art, ihre lichte, von dem Klassenbewusstsein des Arbeiters durchdrungene Weltanschauung schaffen. Es gibt keine erhabenere und schönere Erscheinung als die, deren Zeugen und Beteiligte die nächste Generation sein werden: das Aufbauen des eigenen, gemeinsamen, reichen und freien Seelenlebens durch schaffende, werktätige Kollektive. (…) Überall in Russland, besonders unter den städtischen Arbeitern, aber auch unter den Bauern, erhob sich eine mächtige Welle der Kultur- und Bildungsbewegung, vermehren sich zahllos die Arbeiter- und Soldatenorganisationen dieser Art; ihnen entgegenzukommen, sie auf jede Weise zu stützen, den Weg vor ihnen freizumachen, ist die erste Aufgabe der revolutionären Volksregierung auf dem Gebiete der Volksbildung.“

Auf der 1. gesamtrussischen Konferenz der „Proletkul’t“ - Organisationen wurden die drei wichtigsten Prinzipien herausgestellt:

  1. die kulturell aufklärende Bewegung des Proletariats sollte einen selbständigen Platz neben seiner politischen und ökonomischen Bewegung einnehmen;
  2. ihre Aufgabe bestand in der Ausarbeitung einer proletarischen Kultur, die mit der klassenlosen Gesellschaft zu einer allgemein-menschlichen wurde;
  3. der Aufbau dieser neuen Kultur basierte auf der gesellschaftlichen Arbeit und der menschlichen Zusammenarbeit.

Die Sozialisierung von Bildung und Wissenschaft war das Ziel, d.h jedem einzelnen Menschen sollten die Kulturgüter und wissenschaftliche Erkenntnisse zugänglich gemacht werden: „Der Arbeiterklasse steht bevor, nicht nur das wissenschaftliche Erbe der bürgerlichen Welt zu übernehmen und umzuwandeln. Ihre historische Aufgabe, ihr soziales Ideal erfordert, daß sie im Keime der Wissenschaft etwas ganz Neues schafft. (…) Die Verwirklichung des Sozialismus bedeutet eine Organisationsarbeit von einer Weite und Tiefe, zu der noch keine Gesellschaftsklasse in der Geschichte der Menschheit berufen war. (…) Eine Wissenschaft, die vom Standpunkt der Arbeiterklasse betrieben wird, ist die gesammelte Arbeitserfahrung der Menschheit, ein Mittel der Organisation der Arbeit, ein Mittel der Organisierung des sozialen Kampfes und Aufbaues – eine Macht nicht der Person, sondern der Gesamtheit“

Eine sozialistische Gesellschaftsordnung war nicht in erster Linie durch die Übernahme technischer Errungenschaften und der bloßen Aneignung notwendiger Arbeitsfertigkeiten aufzubauen, sondern durch die Selbstorganisation des Proletariats auf dem Wege über ihre kollektiven Erfahrungen im sozialen Leben, d.h. im Produktions- und Lernprozess.

Im Unterschied dazu räumte Lenin der Bildungsarbeit unter der Bevölkerung im Sinne der Aufklärung eindeutig den Vorrang vor der Schaffung neuer proletarischer Kulturprinzipien ein. Deshalb nahm er auch zum „bürgerlichen Kulturerbe“ der Vergangenheit eine andere Stellung ein, als es die vom „Proletkul’t“ beeinflussten Strömungen in Fragen der Pädagogik und Bildung taten. Lenin schrieb: „Der Marxismus hat seine weltgeschichtliche Bedeutung als Ideologie des revolutionären Proletariats dadurch erlangt, daß er die wertvollsten Errungenschaften des bürgerlichen Zeitalters keineswegs ablehnte, sondern sich umgekehrt alles, was in der mehr als zweitausendjährigen Entwicklung des menschlichen Denkens und der menschlichen Kultur wertvoll war, aneignete und es verarbeitete.“

In seiner Rede auf dem III. Kongress des Kommunistischen Jugendverbandes erklärte Lenin im Oktober 1920: „Wir können den Kommunismus nur aus jener Summe von Wissen, Organisationen und Institutionen aufbauen, mit jenen Vorräten an menschlichen Kräften und Mitteln, die uns die alte Gesellschaft hinterlassen hat. (…) Kommunist kann man nur werden, wenn man sein Gedächtnis mit der Kenntnis aller jener Schätze bereichert, die die Menschheit erarbeitet hat.“ Weiterhin nahm er auch „das Gute, das an der alten Schule war“, gegen die radikalen Reformer in Schutz. Dieses „Gute“ bestand für ihn ebenso in der systematischen Aneignung von Kenntnissen und in der wissenschaftlichen Methode des Unterrichts wie in der Überlieferung eines bestimmten Umfangs an gesichertem Wissens. Eine moderne Bildung war für Lenin diejenige, die sich dem industriell-kollektivistischen Ideal einordnen ließ, in unmittelbarer praktischer Beziehung zum wirtschaftlichen Aufbau des kommunistischen Russlands stand sowie die heranwachsende Generation zu einem revolutionären Bewusstsein erzog.

Für die weitere Entwicklung der Sowjetunion war die ideologische Konzeption Lenins von Wissenschaft und Wissenschaftspolitik. In seinen Schriften findet sich keine zusammenhängende, systematisch entwickelte Theorie der Wissenschaft, doch lassen sich aus seinen verstreut geäußerten Ansichten bestimmte Grundzüge herleiten. Lenin ging formal und inhaltlich vom Standpunkt des Klassenkampfes aus an die Auffassung von Wissenschaft heran. Grundlegend erschien hier der am Marxismus gewonnene materialistische Wissenschaftsbegriff, den Lenin bereits im Jahre 1908 scharf gegen die bürgerliche Auffassung abgrenzte: „Von der bürgerlichen Wissenschaft und Philosophie, die von staatlich ausgehaltenen Professoren in staatserhaltenem Geist gelehrt werden, um die heranwachsende Jugend der besitzenden Klassen zu verdummen und die auf den äußeren und inneren Feind zu ‚dressieren’, braucht man erst gar nicht zu reden. Diese Wissenschaft will vom Marxismus nichts wissen. (…) Das Wachstum des Marxismus, die Verbreitung und das Erstarken seiner Ideen in der Arbeiterklasse führen unausbleiblich zu immer häufigerer Wiederkehr und zur Verschärfung solcher bürgerlicher Ausfälle gegen den Marxismus, der aber aus jeder ‚Vernichtung’ durch die offizielle Wissenschaft immer stärker, gestählter und lebenskräftiger hervorgeht.“

Lenin verstand also Wissenschaft nicht nur, im Sinne des Marxismus, an die Arbeiterklasse gebunden, sondern musste auch in ihrem Dienst stehen und zu ihrem Nutzen angewendet werden. Das bedeutete eine Aktivierung wissenschaftlicher Forschung ganz allgemein, aber auch, dass durch diese Funktion jeglicher wissenschaftlicher Tätigkeit eine bestimmte Richtung gegeben wurde, die mit Herrschaft und Gesellschaft in Zusammenhang stand: hier lagen die Anfänge der wissenschaftspolitischen Konzeption. Kurz nach der Oktoberrevolution hat Lenin diese Auffassung formuliert: „Früher war das ganze menschliche Denken, der menschliche Genius nur darauf gerichtet, den einen alle Güter der Technik und Kultur zu geben und dem anderen das Notwendigste vorzuenthalten – Bildung und Entwicklung. Jetzt dagegen werden alle Wunder der Technik, alle Errungenschaften der Kultur zum Gemeingut des Volkes, und von jetzt an wird das menschliche Denken, der menschliche Genius niemals mehr ein Mittel der Gewalt, ein Mittel der Ausbeutung sein.“

Aus dieser Äußerung geht hervor, dass für Lenin Wissenschaft niemals in der bloßen Theorie bestand, sondern immer auch zugleich in der praktischen Anwendung und Nutzung. Wissenschaft und Technik gehörten zusammen und ließen sich im Grunde nicht trennen: diese Konzeption sollte für die weitere Entwicklung der Wissenschaft und auch der Wissenschaftspolitik in der Sowjetunion zur Grundlage werden. In dem von ihm im April 1918 verfassten „Entwurf eines Planes wissenschaftlich-technischer Arbeiten“ fasste er seine Vorstellungen von der zukünftigen Aufgabe von Wissenschaft und Technik in der Sowjetunion zusammen, in dem er die „Ausarbeitung eines Planes für die Reorganisation der Industrie und den ökonomischen Aufstieg Russlands“ forderte, sich dabei auf die Akademie der Wissenschaften bezog und als wichtigste Aufgabe „eine rationelle Standortverteilung der Industrie in Russland“ nannte. Der abschließende Hinweis: „Besonders große Aufmerksamkeit für die Elektrifizierung der Industrie und des Verkehrswesens und für die Anwendung der Elektrizität in der Landwirtschaft“ leitete schon zu dem Plan zur Elektrifizierung Russlands über, der drei Jahre später endgültig Gestalt annahm.

Auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Auslandskontakte hat sich vor allem die Akademie der Wissenschaften um einen Neubeginn bemüht. Hier lag der Schwerpunkt der angestrebten Beziehungen in Deutschland. Die Gelegenheit des 200. Gründungstages der Russischen Akademie der Wissenschaften im September 1925 wurde zu einer internationalen Feier genutzt. Es kamen 150 Wissenschaftler aus dem Ausland, darunter 30 Personen aus Deutschland. Vertreter der Preußischen Akademie der Wissenschaften war Max Planck, der im Jahre 1926 Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR wurde. Die deutsche Teilnahme hat sich insbesondere durch die Aktivität des ehemaligen preußischen Kulturministers Friedrich Schmidt-Ott als bereichernd für die deutsch-sowjetische wissenschaftliche Zusammenarbeit ausgewirkt.

Einen großen Umfang nahmen wechselseitige Reisen zu Information und Forschung ein. Von deutscher Seite handelte es sich im Wesentlichen um Besuche von Wissenschaftlern, deren Forschung unmittelbar Russland oder die Sowjetunion betraf. Auf sowjetischer Seite lag der Schwerpunkt in den Naturwissenschaften und der Mathematik.

Eine Verbreiterung dieser Basis wurde am 08.03.1924 in Moskau durch die Gründung der sowjetisch-deutschen Gesellschaft „Kultur und Technik“ gelegt, zu deren Ehrenpräsident Albert Einstein, zu deren Vorsitzendem der stellvertretende Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, B.S. Stomonjanov, berufen wurde. Der wichtigste Partner der sowjetischen Mitglieder war in Deutschland der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) mit seinem Vorsitzenden Professor Matschoss, daneben der Deutsche Verband wissenschaftlich-technischer Gesellschaften. Um die sowjetischen Wissenschaftler über die Leistungen der ausländischen Wissenschaft zu informieren, gab die Gesellschaft einige russische Periodika mit russisch-deutschem Redaktionskollegium heraus. Die Gesellschaft „Kultur und Technik“ trug über ihre Verbindungen zu deutschen Wissenschaftlern und Technikern und ihren Organisationen vor allem zur Auswertung und Ausnutzung der deutschen Wissenschaft und Technik für den sozialistischen Aufbau bei. Das bedeutendste Ereignis dieser sowjetisch-deutschen wissenschaftlich-technischen Kooperation war eine „Woche der deutschen Technik“, die vom 7. bis 14.01.1929 von der Gesellschaft in Moskau durchgeführt wurde. Zur Intensivierung der Beziehungen wurde in Moskau mit dem Verband deutscher Ingenieure eine Vereinbarung geschlossen, die neben Publikations- und Dokumentationsaustausch der sowjetischen Seite folgende Möglichkeiten gab: „Organisation von Lektionszyklen deutscher Spezialisten in verschiedenen Industriezentren der Sowjetunion, Beschaffung von Ausbildungsmöglichkeiten für sowjetische Spezialisten in Deutschland, technische Konsultationen für die UdSSR.“

Es fanden zweimal monatlich „Tage der deutschen Technik“ statt, zu denen deutsche Wissenschaftler in die Sowjetunion reisten. Insgesamt wurden in den Jahren 1929 und 1930 57, im Jahr 1931 allein 55 Vorträge gehalten.

Zusammengefasst finden sich die allgemeinen bildungspolitischen Grundsätze der bolschewistischen Partei in dem Programm der RKP (B), das auf dem VIII. Parteikongress im März 1919 angenommen wurde und formell bis zur Neufassung des Parteiprogramms im Jahre 1961 galt. Die wichtigsten Forderungen lauteten:

  1. Allgemeine und polytechnische Bildung sowie Verbindung von Unterricht und Produktionsarbeit für alle Kinder und Jugendlichen bis zum 17. Lebensjahr;
  2. Schaffung eines breiten Netzes von Vorschuleinrichtungen zum Zwecke der Verbesserung der gesellschaftlichen Erziehung und der Emanzipation der Frau;
  3. Ausbau der beruflichen Ausbildung und Errichtung zahlreicher außerschulischer Bildungseinrichtungen für Erwachsene,
  4. Eröffnung eines breiten Zugangs zu den Hochschulen, besonders für die Arbeiter.

Die Schule und alle anderen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen sollten „aus einem Werkzeug der Klassenherrschaft der Bourgeoisie in ein Werkzeug der vollständigen Aufhebung der Klasseneinteilung in der Gesellschaft, in ein Werkzeug der kommunistischen Umgestaltung der Gesellschaft“ verwandelt werden. Besonders die Bildungseinrichtungen erhielten eine zentrale gesellschaftspolitische Funktion zugewiesen: „In der Periode der Diktatur des Proletariats (…) muß die Schule nicht nur die Prinzipien des Kommunismus im allgemeinen, sondern auch den geistigen, organisatorischen und erzieherischen Einfluß des Proletariats auf die halbproletarischen und nichtproletarischen Schichten der werktätigen Masse verwirklichen, um eine Generation zu erziehen, die fähig ist, den Kommunismus endgültig zu errichten.“

Es galt die These, dass es „im Grunde keine Wissenschaft und keine technischen Fertigkeiten gibt, die nicht in Beziehung zur Idee des Kommunismus oder zum kommunistischen Aufbau stehen.“ Die marxistische Ideologie wurde deshalb als unentbehrliches Moment der Erziehung und Volksbildung bezeichnet.

In diesem geistigen und politischen Führungsanspruch der kommunistischen Partei gegenüber Schule, Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung liegt eine der wichtigsten Konstanten der sowjetischen Bildungspolitik seit der Oktoberrevolution. Während sich die traditionelle Form der staatlichen Oberhoheit über das Bildungswesen in den letzten Jahrzehnten des Zarenreiches immer weiter auflockerte und der freien gesellschaftlichen Initiative zunehmend Raum gab, unterband der neue revolutionäre Etatismus bald alle unabhängigen Bildungsbestrebungen im Namen der universellen kommunistischen Ideologie.

Der sozialistische Realismus, nach 1945 als Kunstdoktrin von den anderen sozialistischen Staaten übernommen, konnte sich jedoch nicht von staatlichem Druck zur Dogmatisierung und von (unterschiedlich rigider) staatlicher Bevormundung emanzipieren, obwohl viele Künstler ihn als angemessenen Ausdruck ihres sozialistischen Engagements sahen, das von ihrer künstlerischen Arbeit nicht getrennt werden konnte. Nach Stalins Tod (1953) durften die politisch-ideologischen und methodischen Kriterien des sozialistischen Realismus mehr und mehr kritisiert werden.

Durch zunehmend kritische Aufarbeitung des Dogmatismus des sozialistischen Realismus wurde die starre Bindung an die realistische Form überwunden, so dass neben bildhaft-figürlicher Allegorie auch abstrakte Bildzeichen Eingang fanden. Erst zu Beginn der Honecker-Ära wurde die Doktrin des sozialistischen Realismus gelockert. Die Ästhetik der Moderne war für die Schriftsteller jetzt nicht mehr tabu. Wie in Lyrik und Prosa weitete sich auch im Drama die Thematik ins Allgemeine und Individuelle. Die Behauptung des einzelnen gegenüber der Gesellschaft erschien als neues Motiv. Mit Auflösung des sozialistischen Staaten- und Gesellschaftssystems in Europa endete die staatliche und doktrinäre Bevormundung der Kunst.

Als offizielle Doktrin dominierte er die sowjetische Kunst bis zur Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1991. Die stärksten Auswirkungen hatte er in der Zeit direkt nach dem 2. Weltkrieg; erst nach Stalins Tod 1953 wurden die Vorgaben etwas gelockert.

Der Staat prägte die Rolle und das Erscheinungsbild von Malerei und Bildhauerei. Der bildenden Kunst wurde eine deutliche Funktion in der Selbstdarstellung der sozialistischen Gesellschaft zugewiesen. Die großen Dresdner Kunstausstellungen, die 1946 bis 1988 zehnmal organisiert wurden, gaben die Richtung eines sozialistischen Realismus vor. Die künstlerische Arbeit war durch die pflichtgemäße Mitgliedschaft im Verband bildender Künstler einer ständigen Kontrolle ausgesetzt.

Da es in der DDR keinen privaten Kunsthandel gab, besaß die Partei mit der zentralen Steuerung der Kunstproduktion durch öffentliche Aufträge ein wirksames Instrumentarium, um die Künstler zu disziplinieren und auf parteiliche Richtlinien festzulegen. Im Laufe der Jahre bestellte allein das Museum für Deutsche Geschichte im Berliner Zeughaus 120 Auftragsarbeiten. Museen und Parteiorgane, die Volksarmee, Betriebe und vor allem der FDGB vergaben Aufträge an die DDR-Künstler.

Der Kunstpreis der DDR wurde am 22. Januar 1959 von der Regierung der DDR gestiftet und jährlich im Oktober vom Minister für Kultur vergeben. Er war eine hohe staatliche Auszeichnung für künstlerische Einzelleistungen, die als richtungweisend für die Entwicklung der Kultur eingeschätzt wurden. Man verlieh ihn jährlich insbesondere an Persönlichkeiten, die sich auf den Gebieten Musik, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Film, Fernsehen, Rundfunk und Unterhaltungskunst Verdienste erworben haben. Der Preis wurde an Einzelpersonen und an Kollektive bis zu sechs Personen verliehen. Er konnte an die Einzelperson oder dasselbe Kollektiv nur einmal verliehen werden. Zur Verleihung gehörte eine Medaille, eine Urkunde und eine Geldzuwendung für Einzelpersonen von 6.000 Mark und für Kollektive bis zu 20.000 Mark.

In der DDR erlangte die Leipziger Schule weltweite Berühmtheit. Erste Ursprünge der so genannten Leipziger Schule wurzeln in der Künstlerszene der Stadt der 1960er Jahre. Als Vorbereiter und Lehrer gelten Walter Arnold, Harald Hellmich, Gerhard Kurt Müller, Elisabeth Voigt, Ernst Hassebrauk, Max Schwimmer und Klaus Weber. Zu den Gründern werden Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke gezählt. Alle drei studierten an der Leipziger Kunstakademie, der heutigen Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB), an der sie später als Professoren tätig waren. Ihre unverwechselbare, eigenwillige Bildsprache machte Leipzig zu einem in der DDR beachteten Zentrum der bildenden Kunst und legte so den Grundstein für die internationale Reputation der sogenannten Neuen Leipziger Schule seit dem Jahr 2004. Der Begriff „Leipziger Schule“ beschreibt keine bestimmte Lehrmethode. Im Gegenteil, die Leipziger Schule weist ein Nebeneinander unzähliger Stilformen auf. Doch stil- und generationsübergreifend steht sie für hohen künstlerischen Anspruch, verbunden mit bewusster Gesellschaftsanalyse, vorgetragen mit bemerkenswertem handwerklichen Können.

Berhard Heisig gilt als Vorreiter in der Kunst der DDR.[27] Seine künstlerische Leistung liegt in der lebenslangen Auseinandersetzung mit den Traumata einer Biographie, die aus Krieg und Diktatur in eine weitere Diktatur und den Kalten Krieg überging. Die Brechungen und Kompromisse im Lebenslauf von Bernhard Heisig haben in seinem Werk Spuren hinterlassen. Daher zeigt die Ausstellung auch die Kompromisse, die Lenin-Porträts und Parteiaufträge, wie z.B. das Wandbild "Gestern und in unserer Zeit" von 1974 aus dem Gebäude der Leipziger Bezirks-leitung der SED, von dem Heisig zwei Tafeln durch Übermalung noch bis zum Februar 2005 revidierte. Der Gemäldezyklus ist nach einer abenteuerlichen Odyssee aus einer brandenburgischen Garage in den Besitz der Nationalgalerie gelangt.

Persönlichkeit und Werk von Bernhard Heisig standen im Zentrum des seit 1990 andauernden Bilderstreites um die Bewertung der Kunst in der DDR. Einem ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS und Funktionär eines 'verbrecherischen Regimes' wollte man keinen Platz einräumen im Parlament des vereinten Deutsch- land: Das Bild "Zeit und Leben" in der Cafeteria des Bundestages im ehemaligen Reichstagsgebäude war Auslöser einer erbitterten Auseinandersetzung. Es ging und geht immer noch um die Frage der Kollaboration von 'Staatskünstlern', die im Verband der Künstler oder an staatlichen Kunsthochschulen wirkten, mit den autoritären Lebenswirklichkeiten in der DDR.

Wolfgang Mattheuer begann eine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (1952 bis 1956 Assistent, 1956 bis 1965 Dozent, 1965 bis 1974 Professor).[28][29]

Wolfgang Mattheuer war besonders durch seine Plastik „Der Jahrhundertschritt“ bekannt. Dies ist eine Bronzeplastik, die von Wolfgang Mattheuer 1984 gefertigt wurde.[30] Das Werk ist der Epoche des kritischen Realismus zuzuordnen. Die Gestik hat bei dieser Figur einen offensichtlichen geschichtlichen Hintergrund. Die rechte Hand ist zum Hitlergruß, die linke Hand zur Faust geballt. Mattheuer malte an den linken Arm außerdem ein rotes Band als Zeichen für die Arbeiterklasse. Ein weiteres Symbol für diese Kriege sind das linke Bein mit Soldatenhose und dafür typischen Streifen sowie der Soldatenstiefel des linken Fußes. Sie stehen für die typische Infanteristenkleidung, die viele Deutsche sowohl im Ersten also auch im Zweiten Weltkrieg trugen. Unsicher bleibt jedoch, ob Mattheuer den Ersten Weltkrieg in seine Plastik miteinbeziehen wollte oder nicht, da es sich ja hierbei nicht um eine diktatorische Herrschaft handelte, was er vordergründig zu kritisieren versuchte. Unbestritten ist die Thematisierung des Krieges, in welchem sich zuerst der nationalsozialistische Drang nach Hegemonie in verbrecherischem Charakter ausdrückte und bis zum Versuch der Vernichtung der Juden Europas steigerte, sowie die bereits sich in ihm abzeichnende Teilung Europas durch den Anspruch des Kommunismus auf weltrevolutionäre Veränderung sowjetischen Stils (Stalinismus) mit seinen gleichfalls Millionen Opfern in und außerhalb der Sowjetunion, vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Das rechte Bein sowie der rechte Fuß sind unbekleidet und symbolisieren den scheinbaren Glanz militärischer Abenteuer und ihr Resultat: nackte Armut, ein geteiltes Vaterland, schutzlose Zivilbevölkerung in Vertreibung und Bombenhagel, totale Kapitulation.

Das wohl bekannteste Werk in der DDR ist das Panoramagemälde von Werner Tübke. Als seine künstlerischen Vorbilder betrachtete er Lucas Cranach und Albrecht Dürer. Neben dem Bauernkriegspanorama ist das Gemälde „Tod in Venedig“ eines seiner bekanntesten Werke. Tübkes Malstil zeichnete sich aus durch seine manieristische Verzerrung und die oftmals altertümlich gekleideten Figuren.1976 wurde Werner Tübke vom Kulturministerium der DDR mit einem der größten Kunstprojekte des 20. Jahrhunderts beauftragt.[31] Zu Ehren von Thomas Müntzer und in Erinnerung an die Schlacht bei Frankenhausen sollte unter seiner Leitung ein monumentales Panoramagemälde für eine Gedenkstätte auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen entstehen.[32] Die Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 war eine der bedeutendsten Schlachten während des Deutschen Bauernkriegs und im Wesentlichen dessen letzte. In ihr wurden die Aufständischen unter Thomas Müntzer durch ein Fürstenheer vollständig besiegt. Die Niederlage des Bauernheeres bei Frankenhausen bedeutete zugleich auch das Ende des Bauernkriegs überhaupt. Dort wurden Müntzers letzte Mitstreiter endgültig von einem Adels- und Landsknechtsheer niedergeschlagen, und dort sollte auch an das Vermächtnis der Aufständischen erinnert werden.

Thomas Müntzer war als Priester zunächst ein engagierter Anhänger und Bewunderer Martin Luthers. Allerdings richtete sich sein Widerstand nicht nur gegen die vom Papsttum beherrschte geistliche Obrigkeit, sondern auch gegen die ständisch geprägte weltliche Ordnung. Wegen Müntzers radikaler sozialrevolutionärer Bestrebungen und seiner spiritualistischen Theologie, die sich in vielen kämpferischen Texten und Predigten niederschlugen, distanzierte sich Luther zu Beginn des Bauernkrieges von ihm. Im Gegensatz zu Luther stand Müntzer für die gewaltsame Befreiung der Bauern und betätigte sich in Mühlhausen, wo er Pfarrer in der Marienkirche war, als Agitator und Förderer der Aufstände. Dort versuchte er, seine Vorstellungen einer gerechten Gesellschaftsordnung umzusetzen: Privilegien wurden aufgehoben, Klöster aufgelöst, Räume für Obdachlose geschaffen, eine Armenspeisung eingerichtet. Seine Bestrebungen, verschiedene Thüringer Freibauern zu vereinigen, scheiterten zu dieser Zeit – an der Übermacht des Adels um Luther. Am 15. Mai 1525 wurde er nach der Schlacht bei Frankenhausen, die in einer völligen Niederlage der von Müntzer zusammengerufenen Bauernhaufen endete, gefangen genommen und in der Festung Heldrungen auf Befehl Graf Ernsts II. von Mansfeld im Beisein des Herzogs Georg des Bärtigen gefoltert. Im Turm von Heldrungen eingekerkert, schrieb er seinen Abschiedsbrief an die Aufständischen, die er dabei zur Einstellung des weiteren Blutvergießens aufrief. Am 27. Mai wurde er vor den Toren der Stadt Mühlhausen enthauptet, sein Leib aufgespießt, sein Kopf auf einen Pfahl gesteckt.

Allerdings konnte Tübke seine Vorstellungen gegen den Auftraggeber durchsetzen. Er schuf kein herkömmliches Schlachtengemälde, sondern einen historisch-philosophischen Bilderreigen für eine ganze Epoche. Von 1976 an ließ sich Tübke von seiner Hochschultätigkeit beurlauben. Er studierte bis 1978 Renaissancegemälde, machte Skizzen sowie kleinere Bilder. Die Arbeiten von Tübke und seinen Helfern an dem Monumentalgemälde erstreckten sich über acht Jahre 1987 war das Panoramagemälde mit mehr als 3000 Figuren fertig und der Maler erschöpft, ein Selbstporträt ist im Bild als Harlekin enthalten.

Nach einer Tätigkeit 1953/54 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralhaus für Volkskunst in Leipzig war Tübke von 1954 bis 1956 und 1957 bis 1963 als freischaffender Künstler tätig. Von 1956 bis 1957 arbeitete er zwischenzeitlich als wissenschaftlicher Oberassistent an der HGB Leipzig, bevor er aus kunstpolitischen Gründen entlassen wurde. 1958 konnte er als Sieger eines Wettbewerbes das Hotel Astoria in Leipzig mit seiner ersten größeren Arbeit, den Wandbildern Die fünf Kontinente, gestalten. Die Zeit um 1960 war von wachsender Anerkennung für sein Werk bestimmt. Tübke begann in künstlerischen Leitungsgremien Leipzigs mitzuwirken und heiratete 1960 die Malerin Angelika Tübke geb. Hennig. Anschließend bereiste er ein Jahr lang die Sowjetunion, u. a. den Kaukasus und die mittelasiatischen Republiken.

Nach seiner Rückkehr wurde er wieder als Oberassistent in Leipzig eingestellt und 1964 zum Dozenten berufen. In den folgenden Jahren verarbeitete er in mehreren Gemälden des Zyklus Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze das Grauen der Nazi-Herrschaft, insbesondere deren ungenügende Aufarbeitung in der BRD. Sein sinnbildreicher, geradezu symbolistischer Stil mit vielen Rückbezügen auf die Renaissance-Malerei stieß auf heftige Kritik von offizieller Seite. Zwischen 1970 und 1973 gestaltete er das Wandbild Arbeiterklasse und Intelligenz am Rektoratsgebäude der Karl-Marx-Universität zu Leipzig. Während dieser Zeit reiste er zweimal nach Italien, studierte die Renaissance- und Barock-Malerei und errang mit seiner dortigen Einzelausstellung, der ersten außerhalb der Warschauer-Pakt-Staaten, auch internationale Anerkennung.

Das Œuvre Werner Tübkes umfasst ca. 6000 Zeichnungen, etwa 500 Aquarelle, 350 Gemälde (Öl, Tempera, Mischtechnik) und mehr als 200 Druckgraphiken (zumeist Lithographien, aber auch Radierungen und Holzschnitte, letztere aus der Frühzeit). Im Werk dominiert das Menschenbild (Historien- und Zeitdarstellungen, Porträts, Akte, Sinnbilder, Harlekinaden, christliche Motive, Mythologisches); Landschaften sind vorrangig im Aquarell ausgeführt.Werner Tübke wurde eine Vielzahl von Preisen und Auszeichnungen zuerkannt, darunter: 1971 Kunstpreis der Stadt Leipzig; 1972 Goldmedaille der Grafikbiennale in Florenz; 1977 Hauptpreis Malerei der 2. Triennale der Kunst sozialistischer Länder in Sofia; 1980 Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR; 1982 Mitglied der Königlichen Akademie der Künste Schwedens in Stockholm; 1983 Mitglied der Akademie der Künste der DDR/zu Berlin (1992 Austritt); 1988 Ehrenmitglied der Akademie der Künste der UdSSR; 1989 Ehrenmitglied der Serbischen Akademie für Kunst und Wissenschaft Belgrad (1992 Austritt). Bislang sind bereits mehr als 100 Einzelausstellungen des Künstlers in Deutschland, Österreich, Schweden, Italien und Frankreich, in den Niederlanden, Russland und den USA gezeigt worden. Darüber hinaus gab es unzählige weitere Ausstellungsbeteiligungen in ganz Europa, Australien und den USA. Werke von Werner Tübke befinden sich in vielen wichtigen Museen und Sammlungen in Europa und in Übersee.[33]

Neben Berthold Brecht war Peter Hacks der wichtigste Literat und Dramatiker in der DDR, der auch zu ästhetischen und künstlerischen Fragen Stellung bezog.[34] Mit „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“, das ein Ein-Personen-Schauspiel in fünf Akten ist und zu den weltweit erfolgreichsten deutschen Bühnenwerken des 20. Jahrhunderts zählt, wurde er einem weltweiten Publikum bekannt. Das Drama hat keine offensichtliche Handlung. Es besteht vielmehr aus einer sehr langen, an den eigenen Ehemann, den herzoglichen Stallmeister von Sachsen-Weimar-Eisenach, Freiherr Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein (1735–1793) (als ausgestopfte Puppe nach Hacksens Regieanweisung), bzw. an das Publikum gerichteten Verteidigungsrede, in der sich Charlotte von Stein der Vorwürfe des ganzen Weimars erwehrt, sie sei schuld an Johann Wolfgang von Goethes fluchtartigem Weggang aus Weimar im Jahre 1786 nach Italien.

Von Beginn an in dieser Konzeption angelegt, jedoch erst durch ein zunehmendes Krisenbewusstsein zum Ausdruck gebracht, ist Hacks’ Ablehnung der Romantik, deren Wurzeln er in politischem Dünkel, irrationalem Denken und ästhetischem Unvermögen bzw. Unwillen sah, und der Moderne, die für ihn die Fortsetzung der romantischen Traditionslinien im 20. Jahrhundert war. Der Verfall des dichterischen Handwerks, die Negation des Gattungs- und des Werksbegriffs, der Verlust des Anspruchs, das Publikum zu unterhalten, waren für Hacks Erscheinungen eines Zeitgeistes, den er als barbarisch empfand.

Eine Konstante in seinem ästhetischen Denken bilden Reflexionen zu Gattungsfragen. Gattungen sind für ihn „die Werkzeuge der Kunst“ und „wer das Werkzeug kapiert, kapiert so ziemlich das Erzeugnis“.[35] Das Verstehen der Gattung steht im Interesse der bestmöglichen Erzeugung von Kunst. Zu den Gattungen, die Hacks – mal ausführlicher, mal kürzer – untersucht hat, gehören u. a. Drama, Libretto, Gedicht, Lied, Ballade, Märchendrama und Pornographie. Konstitutiv für Hacks’ Weltbild ist eine unbedingte Neigung zur Vernunft, worunter nicht nur eine allgemeine Freude am Denken sowie eine Abneigung gegen das Irrationale zu verstehen ist, sondern auch ein starkes Interesse daran, mit dem Denken zu Resultaten zu kommen. Theoretische Reflexionen waren für Hacks, der den Positivismus entschieden ablehnte, nicht Zweck ihrer selbst, sondern hatten immer das Ziel, eine Theorie zu bilden, die die Erkenntnis über den Gegenstand weiter vorantreibt und nur so zurück auf die Welt zu wirken vermag.

Hacks gewann zu Beginn der 1950er Jahre eine marxistische Einstellung. Spätestens mit seinem Gang in die DDR war hiermit auch ein deutliches und lebenslanges Bekenntnis zu den politischen und staatlichen Organisationen der sozialistischen Arbeiterbewegung verbunden. Er blieb jedoch zeit seines Lebens ein eigenständiger Kopf. Sich einerseits vehement an den Klassikern orientierend, entwickelte er andererseits kontinuierlich eigene Vorstellungen über Kunst, Philosophie, Politik und Geschichte. So wendet er zum Beispiel in seiner Schrift Schöne Wirtschaft die Kategorien der ökonomischen Theorie von Marx auf die Bedingungen der Erzeugung und des Verkaufs von Kunstwerken an, wodurch er zugleich auch die Grenzen dieser Theorie für diesen Bereich aufzeigt.[36] Beispielhaft für seine Stellung in der marxistischen Tradition ist Hacks’ Urteil über den Absolutismus, in dem er, anders als das in der marxistischen Tradition üblich ist, eine eigenständige, vom Feudalismus und Kapitalismus zu unterscheidende Gesellschaftsformation sah, die historisch ein Daseinsrecht besaß. Zugleich machte er auch – oft durch die Perspektive Goethes, immer aber mit marxistischen Mitteln – die Grenzen der kapitalistischen Gesellschaft deutlich. Seinen Staatsbegriff nahm er, obgleich darin von Marx und Lenin nicht weit entfernt, eher von Hegel als von Marx: Allein im und durch den Staat hätten die Menschen eine Chance, ihre allgemeinen und ihre besonderen Interessen zu verwirklichen. Die marxistische These vom „Absterben des Staates“ war für Hacks nur im Sinne einer Aufhebung des Staates durch den Weg seiner Vervollkommnung akzeptabel. In diesem Sinne aber hat er sie akzeptiert, wodurch es ihm gelang, die Auffassungen von Marx und Lenin mit denen Hegels zu vermitteln.[37]

In seiner politischen Orientierung war Hacks, der sich stets als Marxist-Leninist verstand, ein Anhänger Walter Ulbrichts, insbesondere von dessen Politik seit dem VI. Parteitag und der damit verbundenen Konzeption des Neuen Ökonomischen Systems, das Hacks als Beginn der vollen Entfaltung der sozialistischen Gesellschaft ansah. Folgerichtig lehnte er den Sturz Walter Ulbrichts im Jahr 1971 durch Erich Honecker und die damit verbundene Änderung in der Politik ab. Es gehört zu den zahlreichen Widersprüchen im Leben Hacks’, dass er in der Ulbricht-Ära wesentlich stärker der Kritik von Seiten der SED ausgesetzt und wesentlich weniger als Dichter der DDR anerkannt war als in der Honecker-Ära. Mit der unter Honecker beginnenden wirtschaftliche Stagnation der DDR setzte bei Hacks ein stärkeres Krisenbewusstsein ein. In den 1960er Jahren war er noch – durch die wirtschaftlich positive Entwicklung der DDR bestärkt – im Wesentlichen der Überzeugung, dass der Sozialismus im Systemkampf allein durch seine überlegene Produktivkraft siegen werde. In den 1970er Jahren beschäftigte ihn die Frage, auf welche Weise ein Qualitätssturz wie der von Ulbricht zu Honecker verhindert bzw. umgekehrt werden könne. Den Kern seiner Tätigkeit als Dichter bildet die Dramatik. Hacks selbst hat immer wieder betont, dass das Dramenschreiben das einzige Handwerk sei, das er wirklich vollkommen beherrsche. Er schrieb zumeist Komödien, gelegentlich Schauspiele, nie Tragödien. Merkmale seiner Stücke sind im Allgemeinen eine große Leichtigkeit, Humor, gedanklicher Reichtum, sprachliche Eleganz und eine geschickte, jedoch nicht zu verzweigte Führung der Fabel.

Das 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 rückte die Konflikte um die sozialistische Kunst in den Blick.[38] Im Zentrum der Kritik Schriftsteller, Musiker, Film- und Theaterregisseure, denen politische Unruhestiftung, destruktive Einstellungen und pornografische Ästhetik und damit eine negative Einflussnahme auf die Jugend vorgeworfen wurde. In der Folge wurden zahlreiche Filme und Theaterstücke mit einem Aufführungsverbot belegt, Bücher erhielten keine Druckgenehmigungen mehr und die "Beat-Bewegung“ (Walter Ulbricht) wurde für illegal erklärt. Die bildenden Künstler und Kunsthistoriker hatte man bereits im Vorfeld zur Rechenschaft gezogen: So wurde Bernhard Heisig nach seiner Rede auf dem 5. Verbandskongress 1964, in der er sich gegen die Bevormundung der Künstler wandte und die Akzeptanz moderner künstlerischer Gestaltungsmittel einforderte, als Rektor der Leipziger Kunsthochschule abberufen.[39]

Das 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 rückte die Konflikte um die sozialistische Kunst erneut in den Blick. Im Zentrum der Kritik standen diesmal Schriftsteller, Musiker, Film- und Theaterregisseure, denen politische Unruhestiftung, destruktive Einstellungen und pornografische Ästhetik und damit eine negative Einflussnahme auf die Jugend vorgeworfen wurde. In der Folge wurden zahlreiche Filme und Theaterstücke mit einem Aufführungsverbot belegt, Bücher erhielten keine Druckgenehmigungen mehr und die "Beat-Bewegung“ (Walter Ulbricht) wurde für illegal erklärt.

Die bildenden Künstler und Kunsthistoriker hatte man bereits im Vorfeld zur Rechenschaft gezogen: So wurde Bernhard Heisig nach seiner Rede auf dem 5. Verbandskongress 1964, in der er sich gegen die Bevormundung der Künstler wandte und die Akzeptanz moderner künstlerischer Gestaltungsmittel einforderte, als Rektor der Leipziger Kunsthochschule abberufen. Der Bildhauer Fritz Cremer drängte in seiner Rede auf demselben Kongress zur Entstalinisierung des gesamten Kunstsystems. Er mahnte zur "Abschaffung des dogmatischen Teufels“ und einer „Theorie der Dummheit“, denn Kunst solle den Menschen "zum Denken veranlassen“. Volkstümliche Kunst sei dafür nicht zu gebrauchen. Der Künstler konnte nicht mehr abgestraft werden, da er bereits nach den Auseinandersetzungen um die Galerie Konkret und die von ihm organisierte Ausstellung "Junge Künstler“ in der Akademie der Künste im Herbst 1961 zum Rücktritt von seinem Posten als Sekretär der Sektion Bildende Kunst genötigt worden war. Der leitende Redakteur der Zeitschrift "Bildende Kunst“ Siegfried Heinz Begenau und der Kunsthistoriker und Redakteur des "Lexikons der Kunst“ Günter Feist wurden dagegen entlassen, nachdem Feist in zwei Artikeln für die Zeitschrift den Realismus nicht als Stilmittel, sondern als "Sinnfälligmachen einer individuell erlebten, menschlich wesentlichen Wahrheit“ definiert hatte und sowohl das Impressive als auch das Konstruktive und das Expressive als subjektive gestalterische Möglichkeiten bezeichnete, die dem Realismus dienen könnten.

Die repressive Politik der Partei hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Alle Versuche, diese "revisionistischen“ Auffassungen von den neuen Sehweisen der Moderne zu diskreditieren und den eigenen Realismusbegriff durchzusetzen, scheiterten. Die von einigen Kunsthistorikern und Künstlern unbeirrt geführte Auseinandersetzung mit dem historischen Expressionismus – der schon in der Formalismusdebatte stellvertretend für alle fortschrittlichen Kunstbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts gestanden hatte – führte schließlich auch im offiziellen Kunstdiskurs dazu, dass "Expressivität im Realismus“ (Ulrich Kuhirt) der zeitgenössischen Kunst in der DDR anerkannt wurde. Expressivität, Montage, Allegorie und Symbol stellten etwa seit Mitte der 1960er Jahre eine legitime "Gestaltungsweise“ des Sozialistischen Realismus dar. Der typische Vorwurf, der Expressionismus sei lediglich Ausdruck einer nur subjektiven Emotionalität, sollte jedoch die Kunstdebatten bis in die 1980er Jahre begleiten. Nicht zufällig wurde damals ein "neuer Expressionismus“ mit selbstbestimmten künstlerischen Arbeitsweisen in Verbindung gebracht.

Das Schlusswort Erich Honeckers auf der 4. Tagung des ZK der SED im Dezember 1971 – in dem er jegliche Tabus in "Fragen der inhaltlichen Gestaltung als auch des Stils“ verwarf, sofern die "feste Position des Sozialismus“ der Ausgangspunkt sei – schien die Bestätigung dieser Liberalisierungstendenzen zu sein. Der Widerspruch zwischen "Bedürfnissen“ und "Möglichkeiten“, behaupteter gesellschaftlichen Interessenidentität und individueller Nachfrage löste sich auf in der Interpretation der Wirklichkeit als "real existierender Sozialismus“. Die VII. Kunstausstellung der DDR 1972/73 in Dresden präsentierte die ausgerufene "Weite und Vielfalt“ auch künstlerisch.

Ob man die Entwicklung als nachträgliche Billigung ohnehin bereits fortgeschrittener Differenzierungsprozesse künstlerischer Ausdrucksformen versteht oder als Aufforderung zum "Aufbruch zu neuen Ufern“, der "Abweichungen“ solcher Art unweigerlich nach sich zog, ist eine Frage der Interpretation. In jedem Fall war die Zwangsexilierung Wolf Biermanns im November 1976 das Ende jeglicher Illusionen. Das alte Feindbild vom "Kulturschaffenden“, der die DDR "unterwandert“ und "zersetzt“, wurde aktualisiert, um die Kontrolle durch die staatlichen Leitungen und die Partei erneut zu verschärfen. Zur Überwachung und Verhinderung einer möglichen "inneren Opposition“ wurde eigens eine neue Abteilung im Ministerium für Staatssicherheit eingerichtet. Im Gefolge verließen bekanntlich zahlreiche Schriftsteller, Schauspieler, Regisseure, Musiker und bildende Künstler das Land.

Ernst Hassebrauk prägte auch bis zu seinem Tod am 30. August 1974 in Dresden die Kunstszene der DDR.[40] Seine erste Ausstellung hatte er Ende der Weimarer Republik im Museum der Bildenden Künste in Dresden. Im Jahr 1932 erhielt er den Sächsischen Staatspreis und das Holstein-Stipendium. Weil die Nationalsozialisten seinen Malstil als „französisch“ ablehnten, wurde sein öffentliches Wirken unterbunden.[41]

So unternahm er in den 1930er Jahren in einer Art innerer Emigration mehrere Reisen, vor allem in den Südwesten Deutschlands, in die Schweiz und ins Elsass. Auf einer Hollandreise 1937 beeindruckte ihn eine Frans-Hals-Ausstellung nachhaltig. Nach Kriegsende folgte er einem Ruf an die Akademie für Graphik und Buchkunst in Leipzig. Im Jahr 1947 erfolgte seine Ernennung zum Professor. Werner Tübke wurde sein Schüler. Im Zuge der „Formalismus-Debatte“ wurde Hassebrauk 1949 aus dem Lehramt entlassen. Er kehrte nach Dresden zurück. Dort arbeitete er als freischaffender Künstler. Herausragend war seine Arbeit von 1958 bis 1960 in den Dresdner Museen, deren schönstes Ergebnis im Dresdner Bilderbuch veröffentlicht wurde. Im Jahr 1964 unternahm er eine Reise nach Bayern, Oberitalien und Venedig.[42]

Er war gleichermaßen Maler wie Zeichner. In seinem Werk treten neben Landschaften, Portraits und Stillleben Adaptionen Alter Kunst. Sein umfangreiches Schaffen bewegte sich zwischen impressionistischen und expressionistischen Traditionen sowie in der steten Auseinandersetzung mit holländischen und flämischen Meistern.

1960 wurden im Anger Museum Erfurt seine Einzelausstellung „Gemälde und Graphik“ gezeigt. 1978 folgte in Galerie am Palmengarten Frankfurt a. M. die Ausstellung „Werke aus fünf Jahrzehnten“ Ein Jahr später konnte man in der Galerie Neue Meister im Albertinum Dresden „Ernst Hassebrauk 1905–1974“ sehen. 1988 wurde in der Galerie am Sachsenplatz Leipzig die Ausstellung „Ernst Hassebrauk 100 Werke. Malerei, farbige Blätter und Zeichnungen“ gezeigt. 1956 sah man in Kunstausstellung im Albertinum „750 Jahre Dresden“ auch Werke von ihm, genauso 1956 in der Deutsche Akademie der Künste Berlin bei der Ausstellung „Der graphische Zyklus. Von Max Klinger bis zur Gegenwart, 1880–1955“, 1962 in den Staatlichen Museen zu Berlin, Nationalgalerie „Deutsche Bildnisse, 1800–1960“ sowie 1976: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister „200 Jahre Malerei Dresden“.[43]

Ulrich Hachulla zählt zu den Vertretern der Leipziger Schule und der Neuen Sachlichkeit. Er begann 1963 sein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.[44] Seine Lehrer waren Harry Blume, Hans Mayer-Foreyt, Bernhard Heisig und Werner Tübke. In den Jahren 1968 bis 1972 war Hachulla als freischaffender Künstler in Leipzig tätig, bevor er 1972 als Aspirant bei Werner Tübke an die Hochschule zurückkehrte und anschließend dessen Meisterschüler wurde.

1974 erhielt er einen Lehrauftrag, zwei Jahre später wurde ihm die Leitung der Werkstatt für Radierung übertragen. Seit 1993 hatte Hachulla die Professur für Grafik/Radierung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig inne. 2008 leitete er die Grafikklasse der bekannten Kunstakademie. Noch in der DDR unternahm er Studienreisen nach Italien, Ägypten, Korea, Jugoslawien, in die Schweiz, USA, die Sowjetunion und in den Irak, die seinen Horizont entscheidend erweiterten.[45]

Zusammen mit Volker Stelzmann, Arno Rink und Wolfgang Peuker gehört Ulrich Hachulla zu nahestehenden Vertretern der Neuen Sachlichkeit. Das künstlerische Werk von Ulrich Hachulla schließt sich den Tendenzen des kritischen Realismus seiner Zeit an. Es führt Traditionslinien von Otto Dix und Christian Schad fort, entwickelt diese weiter und überführt sie in die Gegenwart.[46] Im Sinnbildhaften, in den mythologisch allegorischen Verweisen lassen sich die Spuren seiner Lehre bei Werner Tübke erkennen.[47] Hachullas Bilder kommunizieren erstarrte, menschliche Verhaltensweisen, Zustände der Distanz und Fremdheit. Sie erzählen, von bedrückender Enge und aufbegehrenden Fluchtversuchen. Das Porträt spielt hierbei eine zentrale Rolle. Die Bildnisse Hachullas zeigen neben immer wiederkehrenden Selbstdarstellungen den Menschen allein, unkommunikativ, kühl distanziert, verortet in privater Umgebung oder in seinem Arbeitsumfeld.[48] Auf diese Weise entstehen zahlreiche charakteristische Typenbildnisse, individuelle Geschichten, Gesichter der Zeit.[49]

Ansehen erlangte Ulrich Hachulla in besonderem Maße für sein umfangreiches grafisches Werk.[50] Er nutzte das Feld des farbigen Mehrplattendrucks, entdeckt in Vergessenheit geratene Techniken wie Vernis mou, Roulette und Weißdruck neu und gibt dieses Wissen in seiner langjährigen Hochschultätigkeit weiter an die Folgegeneration der sogenannten Neuen Leipziger Schule.

1978 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Leipzig und 1983 den Kunstpreis der DDR. Einzelausstellungen seiner Werke gab es in Leipzig, Merseburg, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Schwerin, Güstrow, Frankfurt am Main, Oldenburg sowie Olpe zu sehen. Internationale Ausstellungen gab es in Györ (Ungarn), Kairo, Prag, Bratislava und Krakau.[51]

Die offiziellen Kunstausstellungen der DDR fanden zwischen 1946 und 1988 in Dresden statt.[52] Neben den „klassischen“ Ausstellungssparten Malerei, Grafik sowie Plastik wurden gerade während der letzten Ausstellungen auch vermehrt neuste Werke und Entwicklungen aus Mode, Formgestaltung, Gebrauchsgrafik, Fotografie und dem Kunsthandwerk gezeigt. Stetig steigende Künstler- und Besucherzahlen zeigten die zunehmende Popularität dieser Ausstellungen.

Waren die ersten Ausstellungen noch vom Pathos des Wiederaufbaus geprägt, dominierten in den 1960er Jahren Bilder, die im Rahmen des Bitterfelder Weges entstanden sind. Mit der Zunahme an ausstellenden Künstlern in den Folgejahren nahm auch die Vielfalt der Kunstrichtungen zu. Dies wiederum ließ die Popularität der Kunstausstellungen nochmals steigen. Die hohen Besucherzahlen kamen nicht zuletzt dadurch zustande, dass von den Betrieben während der Arbeitszeit Fahrten zu den Kunstausstellungen organisiert wurden und oft ganze Brigaden die Ausstellungen besuchten. Hierbei kam Kunstinteresse nicht immer an erster Stelle.

Die DDR-Kunstausstellungen waren immer auch ein Politikum. Funktionäre wie Willi Sitte, Bernhard Heisig und Walter Womacka erhielten exponierte Standorte in der Ausstellung.

Ulrich Hachulla zählt zu den Vertretern der Leipziger Schule und der Neuen Sachlichkeit. Er begann 1963 sein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.[53] Seine Lehrer waren Harry Blume, Hans Mayer-Foreyt, Bernhard Heisig und Werner Tübke. In den Jahren 1968 bis 1972 war Hachulla als freischaffender Künstler in Leipzig tätig, bevor er 1972 als Aspirant bei Werner Tübke an die Hochschule zurückkehrte und anschließend dessen Meisterschüler wurde.

1974 erhielt er einen Lehrauftrag, zwei Jahre später wurde ihm die Leitung der Werkstatt für Radierung übertragen. Seit 1993 hatte Hachulla die Professur für Grafik/Radierung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig inne. 2008 leitete er die Grafikklasse der bekannten Kunstakademie. Noch in der DDR unternahm er Studienreisen nach Italien, Ägypten, Korea, Jugoslawien, in die Schweiz, USA, die Sowjetunion und in den Irak, die seinen Horizont entscheidend erweiterten.[54]

Zusammen mit Volker Stelzmann, Arno Rink und Wolfgang Peuker gehört Ulrich Hachulla zu nahestehenden Vertretern der Neuen Sachlichkeit. Das künstlerische Werk von Ulrich Hachulla schließt sich den Tendenzen des kritischen Realismus seiner Zeit an. Es führt Traditionslinien von Otto Dix und Christian Schad fort, entwickelt diese weiter und überführt sie in die Gegenwart.[55] Im Sinnbildhaften, in den mythologisch allegorischen Verweisen lassen sich die Spuren seiner Lehre bei Werner Tübke erkennen.[56] Hachullas Bilder kommunizieren erstarrte, menschliche Verhaltensweisen, Zustände der Distanz und Fremdheit. Sie erzählen, von bedrückender Enge und aufbegehrenden Fluchtversuchen. Das Porträt spielt hierbei eine zentrale Rolle. Die Bildnisse Hachullas zeigen neben immer wiederkehrenden Selbstdarstellungen den Menschen allein, unkommunikativ, kühl distanziert, verortet in privater Umgebung oder in seinem Arbeitsumfeld.[57] Auf diese Weise entstehen zahlreiche charakteristische Typenbildnisse, individuelle Geschichten, Gesichter der Zeit.[58]

Ansehen erlangte Ulrich Hachulla in besonderem Maße für sein umfangreiches grafisches Werk.[59] Er nutzte das Feld des farbigen Mehrplattendrucks, entdeckt in Vergessenheit geratene Techniken wie Vernis mou, Roulette und Weißdruck neu und gibt dieses Wissen in seiner langjährigen Hochschultätigkeit weiter an die Folgegeneration der sogenannten Neuen Leipziger Schule.

1978 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Leipzig und 1983 den Kunstpreis der DDR. Einzelausstellungen seiner Werke gab es in Leipzig, Merseburg, Magdeburg, Karl-Marx-Stadt, Dresden, Schwerin, Güstrow, Frankfurt am Main, Oldenburg sowie Olpe zu sehen. Internationale Ausstellungen gab es in Györ (Ungarn), Kairo, Prag, Bratislava und Krakau.[60]

Josef Hegenbarth war Grafiker, Maler und Illustrator und einer der Begründer der Anfangsjahre der DDR im Sektor der Kunst.

Hegenbarth war ab 1908 Schüler der Kunstakademie Dresden bei Carl Bantzer und Oskar Zwintscher.[61] Nach absolvierter Malklasse wurde er bis 1915 Meisterschüler von Gotthardt Kuehl. Bei ihm lernte er die Auseinandersetzung mit der äußeren Realität, die ihn stärkte aus der eigenen Schöpferkraft zu gestalten. So hielt er sich von 1917 bis 1919 in Prag auf und fand bald freundschaftlichen Anschluss an den Kreis um August Brömse, der an der Akademie der Bildenden Künste als Professor wirkte. Hegenbarth wurde Mitglied der von jungen Künstlern aus Brömses Umkreis gegründeten Künstlergruppe „Die Pilger“, die aus dessen Schülern bestand und aus der nach Brömses Tod 1925 die Prager Secession hervorging.

Hegenbarth kehrte 1919 aus Prag nach Dresden zurück. Hier hatte sich noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine junge Künstlergruppe zu dem Verband Künstlervereinigung Dresden zusammengeschlossen, an deren Ausstellungen er bis 1939 teilnahm. In ihr fanden zunächst die Impressionisten eine repräsentative Vertretung und es folgte die mit Expressionismus nur unvollkommen bezeichnete Generation. Die erste Ausstellung fand im Herbst 1910 in den Räumen des Sächsischen Kunstvereins auf der Brühlschen Terrasse statt. Die Künstlervereinigung Dresden veranstaltete regelmäßige Verkaufsausstellungen und pachtete dazu 1916 das Neue Städtische Ausstellungsgebäude an der Lennéstraße. Das Neue Städtische Ausstellungsgebäude war eine von Hans Erlwein und Karl Hirschmann 1914 bis 1916 gebaute Erweiterung des Städtischen Ausstellungspalastes. Das Ausstellungsgebäude umfasste über zehn Räume. Die Künstlervereinigung verfügte damit über weitgehend uneingeschränkte Ausstellungsmöglichkeiten. Es wurden jährlich mehrere Ausstellungen organisiert, ergänzt durch Sonderausstellungen namhafter Künstler wie Hans Thoma (1925) und Edvard Munch (1918 und 1929). Eine Mitgliedschaft in der Künstlervereinigung war entsprechend begehrt. Jungen Künstlern wurde erst nach mehrmaliger Ausstellungsbeteilung eine Mitgliedschaft gewährt. In den Jahren 1932 und 1933 zählte die Künstlervereinigung über 70 Mitglieder.

Aufgrund des politischen Drucks in den Zeiten des Nationalsozialismus wurde die Künstlervereinigung im Mai 1933 gleichgeschaltet. Im Februar 1934 anerkannte sie das „Führerprinzip“ und wurde ein paar Monate später in den Bund Deutscher Künstlervereinigungen aufgenommen. 1939 ging die Künstlervereinigung Dresden im Dresdner Künstlerbund auf, der ab 1940 das Ausstellungsgeschehen in Dresden dominierte.[62]

Josef Hegenbarth prägte auch die Kunst in der DDR.[63] Seit 1924 war Hegenbarth freier Mitarbeiter der Zeitschrift „Die Jugend“ und seit 1925 des „Simplicissimus“.[64] Der Simplicissimus war eine satirische Wochenzeitschrift, die von 1896 bis 1944 erschien. Die Redaktion hatte ihren Sitz in München. Die Zeitschrift zielte auf die wilhelminische Politik, die bürgerliche Moral, die Kirchen, die Beamten, Juristen und das Militär.

Im Jahr 1926 wurde er Mitglied der Wiener Secession und drei Jahre später Mitglied der Prager Secession.[65] Vor den Risiken des beginnenden 2. Weltkriegs flüchtete er mit seinen Bildern in seine alte Heimat. Er verließ nach dem Ende des Nationalsozialismus Böhmisch Kamnitz ohne seine Werke und ging wieder nach Dresden zurück. [66]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Josef Hegenbarth Mitarbeiter der Zeitschriften „Ulenspiegel“ und „Der Simpl“.[67] Ab 1946 arbeitete er als Professor und Leiter einer Illustrationsklasse an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Als Mitglied des Deutschen Künstlerbundes war Josef Hegenbarth ab 1952 auch auf allen großen westdeutschen Jahresausstellungen bis 1964 vertreten.[68]

Frank Ruddigkeit ist Maler, Grafiker und Buchkünstler und lebt heute noch in Leipzig. Ruddigkeit studierte von 1957 bis 1962 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Heinz Wagner und Hans Mayer-Foreyt.[69]

Nach einem Lehrauftrag am Institut für Kunsterziehung der Universität Leipzig von 1962 bis 1963 und einer Aspirantur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig war er freischaffend als Maler, Grafiker, Bildhauer und Medailleur tätig. Von 1974 bis 2004 lehrte er an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle, an der er 1981 zum Professor berufen wurde. 1974 bis 1978 war er Vorsitzender des Bezirksverbandes Leipzig des Verbandes Bildender Künstler der DDR.[70]

Das von Frank Ruddigkeit, Klaus Schwabe, und Rolf Kuhrt geschaffene Bronzerelief Aufbruch vor der Universität Leipzig wurde anlässlich des Neubaues der Universität 1973 errichtet. Sie hatten sich bei einem Wettbewerb um die Gestaltung des Denkmals unter anderem gegen Bernhard Heisig und Willi Sitte durchgesetzt. Das Bronzerelief ist 14 Meter lang, 7 Meter hoch und 33 Tonnen schwer. Im Jahre 2006 wurde das Relief abgebaut.

Das Bronzerelief Aufbruch ist ein 1973 für den damaligen Neubau der Universität Leipzig geschaffenes Kunstwerk im Stil des Sozialistischen Realismus.[71] Da sich in seinem Zentrum der Kopf von Karl Marx befindet, dem damaligen Namenspatron der Universität, wird es allgemein auch als (Karl-)Marx-Relief bezeichnet. 2007 und 2008 gab es in Leipzig anlässlich der Bauarbeiten auf dem Campus am Augustusplatz eine breite gesellschaftliche Debatte über die Wiederaufstellung des Reliefs.[72]

Nach der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli im Jahr 1968 entstand an ihrer Stelle bis 1974 das inzwischen abgerissene Hauptgebäude der Universität an der Westseite des Augustusplatzes (damals Karl-Marx-Platz). An der Stelle der Giebelwand der Paulinerkirche wurde das wuchtig wirkende, massive Bronzerelief 1974 zum 25. Jahrestag der DDR am Uni-Hauptgebäude aufgestellt.

Sein 1978 geschaffenes Auftragswerk für den öffentlichen Raum zur Geschichte des Leipziger Marktplatzes darf zu den Hauptwerken des Künstlers gezählt werden 1971 wurde er ausgezeichnet auf der Triennale „Intergrafik 71“ des Verbandes Bildender Künstler der DDR ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt er den Kunstpreis des FDGB, 1974 den Kunstpreis der Stadt Leipzig. 1978 bekam er den Kunstpreis der DDR und 1983 bei der Grafik-Biennale in Frechen eine Medaille.[73]

Sighard Gille studierte von 1965 bis 1970 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer und erwarb das Diplom für Malerei. Von 1973 bis 1976 war er Meisterschüler bei Bernhard Heisig an der Deutschen Akademie der Künste in Ost-Berlin.[74] Von 1976 bis 1980 war er Assistent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig im Fachbereich Malerei. Seit 1986 lehrte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig als Professor.

Zwischen 1980 und 1981 fertigte er für die Foyers des Gewandhauses Leipzig das 714 Quadratmeter große (ca. 31,80 Meter hohe und ca. 22,40 Meter breite) Deckengemälde „Gesang vom Leben“ an, das als größtes Deckengemälde in Europa gilt.

Ursprünglich erhielt Wolfgang Peuker im Jahre 1978 den Auftrag für ein großformatiges Wandgemälde im gerade im Bau befindlichen Gewandhaus. 1980 begann er mit dem Werk, das allerdings noch vor seiner Fertigstellung übermalt und verbrettert wurde. Heute befindet sich also das Gemälde von Gille an der ursprünglich für Peuker vorgesehenen Stelle. Mit der Gesamtgröße von ca. 712 qm erstreckt sich das Deckengemälde im Hauptfoyer des Neuen Gewandhauses Leipzig (NGH) über vier Schrägdecken und drei Zwischenstufen.[75] Obwohl in der ursprünglichen, gestalterischen Grundkonzeption des NGH nicht vorgesehen, läßt sich das Deckengemälde aufgrund seiner eindringlichen weiterhin Innen- wie Außenwirkung heute nicht mehr wegdenken. Die Transparenz des massiven Baukörpers ermöglicht das "Hinausleuchten" des Gemäldes in den öffentlichen Raum und betont gleichzeitig den festlichen Charakter der Konzertstätte. Unter schwierigsten Arbeitsbedingungen und unter Zeitdruck entwickelte Sighard Gille das Kunstwerk von Oktober 1980 bis September 1981. Anregung für das Deckengemälde erhielt Gille durch Gustav Mahlers "Lied von der Erde". Dieses Werk bot dem Maler genügend Freiräume um so im Rahmen der Vorgaben zu bleiben. Das gesamte Deckengemälde ist von keinem Standpunkt überschaubar. Nur ein abschreiten des Werkes, Schritt für Schritt, von Detail zu Detail, wird dem Betrachter eine unvermutete Variationsbreite enthüllen.

Die Deckenmalerei gliedert sich in vier Themenkreise, welche wiederum den vier Deckenschrägen entsprechen:

  1. Orchester
  1. Mächte der Finsternis
  1. Lied der Stadt
  1. Lied vom Glück

Die drei Zwischenstufen verbinden die einzelnen Schrägen miteinander, und ebenso erzeugen die farbig heller gestalteten Mittelteile der Schrägen eine vertikale Verbindung. Diese helle Farbgebung unterstützt, neben dem thematischen "Aufstreben", auch das Entgegenwirken wider der Schwere des Baukörpers.[76] Sighard Gille verbindet verschiedene Stielarten zu einem in sich korrespondierenden Gesamtwerk. Ständig wechselnde Perspektiven vom realistischen Bildtopoi über Ironisierungen, Karikierungen, die für Ihn typisch sind, bis zu Abstraktionen zeigt er eine künstlerische Vielfalt. Weiterhin greift der Künstler auf mythologische Themen und symbolträchtige Ikonografie zurück. Trotz Gesamtbezug ist sein Deckengemälde auf Detailbetrachtung angelegt. "Das Bild handelt von der Schöpferkraft des Menschen, der Bedrohung des Lebens, der Vielfalt des Alltags und der Sehnsucht nach Harmonie, Liebe und Glück."[77]

Nur durch diese aktive Begegnung mit dem Kunstwerk läßt sich eine organische Verbindung zwischen den vier Themenkreisen. Feldübergreifende und korrespondierende Elemente erhalten die Einheit im Werk. Einen Farbenteppich voll Details wurde unter Verwendung ständig wechselnder Perspektiven von Sighard Gille entwickelt. Durch die Mannigfaltigkeit der stilistischen Mittel läßt das Werk dem Besucher genügend Raum, kreative Interpretationen zu entfalten. Sein Ziel war es alle Spielarten des Lebens mit seinen, immer auch zutiefst persönlichen, stilistischen Möglichkeiten auszudrücken.

1982 erhielt Gille den Nationalpreis der DDR III. Klasse für Kunst und Literatur.

Willy Wolff wurde vor allem durch seine Anlehnung an die „Pop-Art“ bekannt, was das Misstrauen der Kulturfunktionäre der DDR erregte.[78] Erst nach langen Jahren wurden die Vorbehalte gegen seine Kunst weniger.

Walter Womacka galt wegen seiner systemkonformen Arbeiten als „Staatskünstler“.[79] 1968 begrüßte er in einem Zeitungsartikel ausdrücklich den Einmarsch der Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei und somit die Niederschlagung des Prager Frühlings.

1953 wechselte Walter Womacka an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo er zunächst als Assistent und ab 1963 als Leiter der Abteilung Malerei arbeitete. 1965 wurde er zum Professor ernannt. 1968 löste er Fritz Dähn als Rektor der Hochschule ab und blieb dies bis 1988. Während seiner Rektorentätigkeit an der Kunsthochschule wurden mindestens 40 Studenten aus politischen Gründen exmatrikuliert. Von 1959 bis 1988 war er der Vizepräsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Er war Mitglied der SED und wurde von Staats- und Parteichef Walter Ulbricht maßgeblich gefördert. 1968 wurde Womacka Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Aufgrund seiner zahlreichen architekturgebundenen Arbeiten im öffentlichen Raum, der Präsenz seiner Arbeiten in Schulbüchern und in Form von Reproduktionen zählt Walter Womacka bis heute zu den bekannten Malern der DDR.

Er war einer der wichtigsten Vertreter des sozialistischen Realismus in der DDR. Neben Tafelbildern, Grafiken und Aquarellen entwarf er in den 1950er-Jahren auch Glasfenster, so zum Beispiel im ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin und in der Humboldt-Universität zu Berlin, weiterhin Mosaiken und Emailarbeiten.[80] 1968 leitete er die künstlerische Gestaltung der Neubauten am Alexanderplatz. Dort entwarf er den 7 × 125 m großen Bildfries Unser Leben am Haus des Lehrers (1964), den Brunnen der Völkerfreundschaft (1970) und das Kupferrelief am Haus des Reisens Mensch und Raum (1971).[81]

Porträts als Auftragsarbeiten entstanden unter anderem von Walter Ulbricht, dem Mediziner Moritz Mebel und den Berliner Oberbürgermeistern Arthur Werner, Friedrich Ebert und Herbert Fechner.[82] 1987 porträtierte Womacka den syrischen Diktator Hafiz al-Assad, der ihm als Dank eine Urlaubsreise zu seiner Tochter nach Zypern schenkte. Seit der Dritten Deutschen Kunstausstellung 1953 waren Arbeiten von Walter Womacka im Rahmen der Kunstausstellung der DDR in Dresden zu sehen.

Für das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (1967) schuf er drei großformatige Wandbilder, die beim Abriss des Gebäudes 1995/96 vernichtet wurden. Gleiches drohte seinem Wandbild Der Mensch, das Maß aller Dinge (1968) am Ministerium für Bauwesen. Der Bund als Eigentümer wollte das Wandbild mit dem Gebäude abreißen. Am Ende einer öffentlichen Diskussion übernahm die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte das Wandbild 2010, restaurierte es und brachte es im Oktober 2013 an einem anderen Ort neu an.

Womackas Tafelbild „Wenn Kommunisten träumen“ hing im Hauptfoyer des Palastes der Republik, heute wird es im Depot des Deutschen Historischen Museums verwahrt. Sein Gemälde Am Strand 1962, war das meistverkaufte Gemäldereproduktion der DDR, das auch als Briefmarke erschienen ist.[83]

1960/61 malte er drei Bleiglasfenster in der Eingangshalle zum Museum der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhaussen .1963/64 stellte er Glasfenster im Gebäude des ehemaligen Staatsrates der DDR in Berlin fertig. 1959 erhielt er den Kunstpreis der DDR für das Gemälde Rast bei der Ernte, 1960 den Kunstpreis des FDGB für das Gemälde Junge Genossenschaftsbäuerin. 1965 bekam er den Vaterländischer Verdienstorden in Gold, 1985: Nationalpreis der DDR I. Klasse.[84]

Werke von Walter Womacka befinden sich unter anderem im Besitz der Nationalgalerie (Berlin), der Sammlung Peter Ludwig, der Stiftung Stadtmuseum Berlin, dem Kunstarchiv Beeskow, dem Museum Junge Kunst, Frankfurt (Oder), dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen und zahlreicher privater Sammler.[85]

Nach 1990 beschäftigte sich Womacka neben Stillleben- und Landschaftsmalerei mit Themen der heutigen Gesellschaft und der angeblich freiheitsbringenden Rolle der USA. Für die 1991 gegründete und zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtete Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde entwarf er das Logo. Am 18. September 2010 verstarb Walter Womacka in Berlin und wurde am 7. Oktober 2010 in Berlin auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt.

Willy Wolff galt in der DDR als unkonformer Künstler, der sich nicht dem Diktum des sozialistischen Realismus beugte. Bei den Luftangriffen auf Dresden am 13. Februar 1945 ging der größte Teil seines bisherigen künstlerischen Werkes verloren, auch die Gemälde und Zeichnungen aus der Dix-Zeit, so dass er nach Kriegsende künstlerisch faktisch vor einem Neubeginn stand, bei dem der direkte Einfluss von Otto Dix und der Akademiezeit immer mehr verschwand. 1946 gründete Willy Wolff mit anderen Künstlern die Dresdner Künstlergemeinschaft „Das Ufer“ und war auch mit ihrer Gründung Mitglied im Verband Bildender Künstler (VBK-DDR). Während sich Willy Wolff vor 1950 auf die Malerei richtete, stand danach bis zur Mitte der 60er Jahre die Zeichnung im Mittelpunkt seines Interesses. Bis 1954 waren es vor allem Pinsel und Rohrfeder. In den anschließenden sechs Jahren war es fast ausschließlich die Feder, mit der Wolff in äußerster Präzision den Gegenstandscharakter des Darzustellenden sowohl in ironischem als auch in beängstigendem Unterton hervorhob. und seine Zeichnungen eine surrealistische Note gab.

Besonderen Einfluss auf sein Werk hatten zwei Reisen, die er mit seiner Familie jeweils für einen Monat 1957 und 1958 nach London und Derby, Mittelengland unternahm.[86] Zu jener Zeit begann sich in England wie in den USA die Pop-Art herauszubilden. Willy Wolff ließ sich von der Pop-Art inspirieren, um Jahre später eine eigene Variante zu entwickeln. Als Führungsassistent der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, des Historischen Museums und im Grünen Gewölbe bis 1970 gelang es ihm 1959 bis 1971 jeweils eine Teilbeschäftigung zu finden, während er weiter freischaffend an seinem künstlerischen Werk arbeitet.

1959 war für Willy Wolff künstlerisch eine Zäsur, in dem er seine Eindrücke auf den Auslandsreisen umsetzte. Seine Darstellung wechselte von der sachlich-präzisen, gegen Ende der 50er Jahre auch surrealen in eine Welt der abstrakten Formen.[87] 1960 bis 1962 waren es vor allem Ritterhelme, die er als Führungsassistent in den Dresdner Kunstsammlungen bewunderte, und die er zeichnend analysierte und dabei immer stärker vereinfachte. 1963 bis 1964 entstanden gegenstandslose Strukturen, die seinem Naturell und Bedürfnis entsprechend Neues und Experimentelles ausprobierten. Unter dem Einfluss seiner Frau entstanden auch Collagen und Assemblagen aus Holzteilen. Seit 1967 entwickelte er seine eigene Art der Pop-Art weshalb er auch meist als der „Andy Warhol der DDR“ galt. Seine neue Stilrichtung missfiel der Partei und der Staatsführung. Bis 1972 wurde Willy Wolff auf verschiedenen Ausstellungen, insbesondere auf den offiziellen Kunstausstellungen der DDR, nicht ausgestellt. Seine Personalausstellung in der Genossenschaftsgalerie Kunst der Zeit Dresden wurde 1968 schlichtweg verboten.

Aus gesundheitlichen Gründen musste Wolff 1970 das Malen aufgeben und experimentierte seit dieser Zeit mit unterschiedlichsten grafischen und plastischen Techniken, wie Monotypien, Collagen, Assemblagen und Objekten. Die Wiener Albertina erwarb in den 1970er Jahren Zeichnungen und Monotypien von Willy Wolff bei einer Ausstellung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts in der Albertina. 1971 verkaufte Willy Wolff sein Gemälde „Das Liebespaar“ von 1932 an die Dresdner Galerie Neue Meister. Es war der erste offizielle Ankauf eines seiner Werke. Zögernd wurde sein künstlerisches Schaffen auch in der DDR anerkannt.[88]

Als bekannteste plastische Darstellung in der DDR gilt das Karl-Marx-Monument im heutigen Chemnitz. Es ist eine mit Sockel über 13 Meter hohe und ca. 40 Tonnen schwere Plastik, die den Kopf von Karl Marx stilisiert darstellt.[89] Es ist heute noch das bekannteste Wahrzeichen der Stadt Chemnitz und befindet sich im Stadtzentrum. Bei diesem Denkmal handelt es sich, nach dem 60 cm höheren Lenin-Kopf in Ulan-Ude[90], um die zweitgrößte Porträtbüste der Welt. Auf der hinter dem Monument gelegenen Wand sieht man den Schriftzug „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ aus dem Kommunistischen Manifest in den vier Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch. Diese Wand gestaltete ein Künstlerkollektiv, an dem unter anderem der Grafiker Helmut Humann aus Aue beteiligt war.[91]

Die Stadt und der Bezirk Chemnitz wurden nach dem Zweiten Weltkrieg am 10. Mai 1953 in Karl-Marx-Stadt umbenannt. Diese Umbenennung war der Grundstein für die Umwandlung der Industriestadt in eine „sozialistische Musterstadt“. Damit wurde auch der Wiederaufbau der Stadt nach Plänen des sozialistischen Städtebaus eingeleitet. Mit einem Monument zu Ehren des Namensgebers der Stadt sollte diese Umwandlung in eine Stadt sozialistischen Typs verkörpert werden.

Für die Erstellung einer solchen Plastik wurden von dem sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel mehr als zehn Grundentwürfe vorgeschlagen, von denen nur eines dem des eigentlich umgesetzten Monuments eines Kopfes auf einem Sockel entsprach. Alle anderen Entwürfe waren als ganzheitliche Darstellungen des Körpers von Karl Marx konzipiert. Die Entscheidung fiel für die alleinige Darstellung des Kopfes, da der Betrachter bei einer Ganzkörperdarstellung in Kopfhöhe die Schuhe des Philosophen gesehen hätte.[92]

Das Monument wurde Monate vor der Errichtung in Karl-Marx-Stadt in der Kunstgießerei Monument Skulptura in Leningrad in Bronze gegossen und dann in 95 Einzelteile zerlegt. In Karl-Marx-Stadt sollten diese Einzelteile wieder zusammengeschweißt werden, doch die sowjetische Technik war nicht geeignet, sodass man sich entschloss, den Auftrag an den VEB Germania zu übertragen, da sonst ein Auseinanderreißen der zusammengeschweißten Teile zu befürchten war. Das Denkmal steht auf zwei Sockeln, die mit Granit plattenartig überdeckt sind.

Am 9. Oktober 1971 wurde das Denkmal für den Verfasser des Kommunistischen Manifests vor rund 250.000 Menschen eingeweiht, die sich auf der am Monument entlang führenden Karl-Marx-Allee befanden. Anwesend bei der Enthüllung des neuen Wahrzeichens der Stadt waren unter anderem Erich Honecker und Robert-Jean Longuet, Urenkel von Karl Marx. Das Symbol der Stadt Karl-Marx-Stadt war auch Motiv der häufig genutzten Briefmarke zu 35 Pfennigen, das dem Porto in die damalige Bundesrepublik Deutschland entsprach, der Dauerserie „Bauwerke“ der DDR.[93]

Als Wahrzeichen der Stadt Karl-Marx-Stadt diente es bei Festtagen der DDR als Kulisse für Festzüge und andere Massenveranstaltungen.[94] Dieses Symbol des Sozialismus ist der Stadt Chemnitz auch nach der „Wiedervereinigung“ erhalten geblieben, obgleich mit der Umbenennung in den früheren Stadtnamen ein Abriss des Denkmals heftig diskutiert wurde.

Die offiziellen Kunstausstellungen der DDR fanden zwischen 1946 und 1988 in Dresden statt.[95] Neben den „klassischen“ Ausstellungssparten Malerei, Grafik sowie Plastik wurden gerade während der letzten Ausstellungen auch vermehrt neuste Werke und Entwicklungen aus Mode, Formgestaltung, Gebrauchsgrafik, Fotografie und dem Kunsthandwerk gezeigt. Stetig steigende Künstler- und Besucherzahlen zeigten die zunehmende Popularität dieser Ausstellungen.

Waren die ersten Ausstellungen noch vom Pathos des Wiederaufbaus geprägt, dominierten in den 1960er Jahren Bilder, die im Rahmen des Bitterfelder Weges entstanden sind. Mit der Zunahme an ausstellenden Künstlern in den Folgejahren nahm auch die Vielfalt der Kunstrichtungen zu. Dies wiederum ließ die Popularität der Kunstausstellungen nochmals steigen. Die hohen Besucherzahlen kamen nicht zuletzt dadurch zustande, dass von den Betrieben während der Arbeitszeit Fahrten zu den Kunstausstellungen organisiert wurden und oft ganze Brigaden die Ausstellungen besuchten. Hierbei kam Kunstinteresse nicht immer an erster Stelle.

Die DDR-Kunstausstellungen waren immer auch ein Politikum. Funktionäre wie Willi Sitte, Bernhard Heisig und Walter Womacka erhielten exponierte Standorte in der Ausstellung.[96]

Das Theater in der DDR wurde nach kurzer Freiheit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Marxismus-Leninismus von staatlicher Seite ausgerichtet. Die Bühnen der DDR unterstanden der Aufsicht der staatlichen Behörden sowie der SED, die in den Theatern selbst durch Parteigruppen und Parteisekretäre vertreten war.[97] Diese Instanzen wachten darüber, dass die dem Medium zugewiesenen Funktionen erfüllt wurden. Die wichtigste war die Popularisierung des Marxismus-Leninismus als herrschende Staatsideologie sowie die Propaganda für den Aufbau und die Festigung des Sozialismus. Der nach Ostberlin zurückgekehrte Bertolt Brecht baute zusammen mit seiner Frau Helene Weigel das „Berliner Ensemble“ auf. Bertolt Brecht begründete die Neuform des episch-dialektischen Theaters. Der Schauspieler identifiziert sich nicht mit, sondern distanziert sich von der Figur. Der Bitterfelder Weg sollte eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik einläuten. Dabei sollte geklärt werden, wie den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden kann. Die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ sollte überwunden, die Arbeiterklasse am Aufbau des Sozialismus umfassender beteiligt werden.[98] Erst zu Beginn der Honecker-Ära wurde die Doktrin des sozialistischen Realismus gelockert.[99] Die Ästhetik der Moderne war für die Schriftsteller jetzt nicht mehr tabu. Wie in Lyrik und Prosa weitete sich auch im Drama die Thematik ins Allgemeine und Individuelle. Abseits der Theaterzentren duldete die Kulturpolitik der SED Anfang der 80er Jahre die ästhetisch-politischen Experimente des Regisseurs Frank Castorf.

Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 hatten sich die Künstler auf eine sozialistische Perspektive zu besinnen. Übersetzt bedeutete dies, dass die Künstler aufgerufen waren, das Publikum über die Vorzüge des jungen Staates aufzuklären. Die Arbeiter und Bauern sollten bewusst an die Kultur herangeführt werden. Dies sollte nicht nur mit entsprechenden Themen verwirklicht werden, sondern auch mit einem differenzierten Anrechts- und Preissystem sowie durch generell niedrige Eintrittspreise. Jeder sollte sich den Theaterbesuch leisten können.

Das Theater in der DDR wurde nach kurzer Freiheit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Marxismus-Leninismus von staatlicher Seite ausgerichtet.[100] Die Bühnen der DDR unterstanden der Aufsicht der staatlichen Behörden sowie der SED, die in den Theatern selbst durch Parteigruppen und Parteisekretäre vertreten war. Diese Instanzen wachten darüber, dass die dem Medium zugewiesenen Funktionen erfüllt wurden. Die wichtigste war die Popularisierung des Marxismus-Leninismus als herrschende Staatsideologie sowie die Propaganda für den Aufbau und die Festigung des Sozialismus. Dieser Aufgabe kamen die Dramatiker und Theatermacher durchaus nach, doch zeigten sie zugleich auch immer wieder den Abstand zwischen dem Idealzustand und der Realität auf. Neben dieser politisch-pädagogischen Aufgabe war den Bühnen auch die der Entspannung und Unterhaltung ohne große politische Inhalte gestellt. Dieses wurde vor allem in selbständigen „Volkstheatern“ mit zum Teil selbst geschriebenen Stücken in allen Teilen der DDR verwirklicht. Schon am 16. Mai 1945 erteilte die sowjetische Militärverwaltung den Berliner Theatern Spielerlaubnis.[101] Vielfalt und Vitalität begünstigten die Entfaltung einer hohen Theaterkultur. Die deutsche Erstaufführung von Brechts "Mutter Courage" am Deutschen Theater in Berlin war der Höhepunkt der Saison 1948/49. Das Stück bettete sich hervorragend in die kulturpolitischen Forderungen an das Theater ein: Abgesehen von der Rezeption des klassischen Erbes sollten sich die Bühnen der Werke der Exil-Autoren, wie eben von Bertolt Brecht oder Friedrich Wolf, annehmen.

Der nach Ostberlin zurückgekehrte Bertolt Brecht baute zusammen mit seiner Frau Helene Weigel das „Berliner Ensemble“ auf.[102] Brecht blieb in den Jahren der SBZ und der DDR bis zu seinem Tod ein kultureller Außenseiter, der von der offiziellen Literatur der DDR kaum beachtet wurde. Seine Theaterproduktion im „Berliner Ensemble“ beschränke sich auf modellbildende Inszenierungsarbeit an seinen eigenen Stücken und auf wenige Dramenbearbeitungen.[103] Als 1948 in der sowjetischen Besatzungszone dann mehrere Theater wiedereröffnet wurden und auch in Berlin der Wiederaufbau der Volksbühne beschlossene Sache war, reiste er im Oktober 1948 auf Einladung des Kulturbundes der DDR von Zürich über Salzburg und Prag nach Berlin[104][105] von 1948 in der UdSSR unweigerlich auch den Kunst- und Kulturbetrieb der DDR erreichen würde.[106] Anfang 1950 wandte sich Brecht[107] dem Stück „Der Hofmeister“ des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz zu, für den er Zeit seines Lebens eine große Sympathie empfand. Die Premiere seiner Bearbeitung fand am 15.April 1950 statt, es war der größte Erfolg des Ensembles zu Lebzeiten Brechts, auch wurde er hier zum ersten mal von der Öffentlichkeit als Regisseur wahrgenommen.[108] In den ersten Jahren schien das Konzept der gemeinsamen Arbeit begabter Schauspieler und Regisseure aus der Exilszene und junger Talente aus dem Inland aufzugehen, doch zeigten der Kalte Krieg und die Debatte um Brechts episches Theater auch in diesem Bereich bald Wirkung. Absprachen konnten nicht eingehalten werden, von Brecht erwartete Künstler wie Peter Lorre kamen nicht nach Berlin. Andere, mit Formalismusvorwürfen konfrontierte Künstler wie Teo Otto, beendeten die Zusammenarbeit.

Im inzwischen umbenannten Berliner Ensemble umgab sich Brecht oft und gern mit Schülern wie Benno Besson, Peter Palitzsch und Egon Monk. Anfang 1950 wandte sich Brecht dem Stück Der Hofmeister des „Sturm und Drang“-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz zu, für den er zeit seines Lebens eine große Sympathie empfand. Die Premiere seiner Bearbeitung fand am 15. April 1950 statt, es war der größte Erfolg des Ensembles zu Lebzeiten Brechts, auch wurde er hier zum ersten Mal von der Öffentlichkeit als Regisseur wahrgenommen.

Er bereitete mit der Neuinszenierung von Die Mutter 1950/51 sein Publikum auf das von ihm gewollte „didaktische Theater“ vor. In der zu dieser Inszenierung einsetzenden eher mahnend-wohlwollenden Kritik wurde wieder einmal die Sonderrolle Brechts deutlich, die er im DDR-Kunstbetrieb genoss. Andere Künstler wie Paul Dessau bekamen die Formalismusvorwürfe der Funktionäre weitaus deutlicher zu spüren. Jedoch geriet auch Brechts Inszenierung der Oper Die Verurteilung des Lukullus, deren Erstaufführung am 17. März 1951 noch unter dem Titel Das Verhör des Lukullus stattfand, in die Auseinandersetzung. Durch gezielte Kartenvergabe seitens des Ministeriums für Volksbildung sollte offenbar ein Misserfolg organisiert werden. Der Plan schlug gründlich fehl. Auch in den folgenden Diskussionen zum Stück, an denen sich höchste Staatsfunktionäre beteiligten, agierte Brecht geschickt, immer den Kompromiss suchend. Am 7. Oktober 1951 erhielt Brecht den Nationalpreis der DDR I. Klasse. Brecht habe mit seinen Werken geholfen, "den Kampf für Frieden und Fortschritt und für eine glückliche Zukunft der Menschheit zu führen".

Als es am 17. Juni 1953 in Berlin zu Massenprotesten der Arbeiter in der DDR kam, äußerte Brecht noch am selben Tag in einem Brief an Walter Ulbricht Zustimmung zu den Maßnahmen der DDR-Regierung und zum Eingreifen der sowjetischen Truppen, mahnte aber auch gleichzeitig „eine große Aussprache mit den Massen" an.[109] In der poetischen Reflexion der Ereignisse nahm er Juli/August 1953 eine deutlicher distanzierte Haltung der DDR-Regierung gegenüber ein, die er in den Buckower Elegien im Gedicht „Die Lösung“ artikulierte.[110] Eine Aussprache, wie Brecht sie sich gewünscht hatte, kam nicht zustande, er zog sich aus den dann folgenden für ihn fruchtlosen Debatten zurück.[111]

Im Januar 1954 wurde das Ministerium für Kultur der DDR gegründet, Johannes R. Becher wurde zum Minister und Brecht in den künstlerischen Beirat berufen. Die alten Verwaltungsstrukturen wurden aufgelöst. Damit sollte die allgegenwärtige Spannung zwischen den Künstlern und den Staatsfunktionären endlich beseitigt werden. Die Formalismuskonzeption verschwand aus den Debatten. Brecht begrüßte die Änderungen und rief seine Künstlerkollegen dazu auf, die neuen Chancen zu nutzen. Am 19. März 1954 eröffnete Brecht mit seinen Mitarbeitern das Theater am Schiffbauerdamm mit einer Bearbeitung von Molières Don Juan. Vor dem Hintergrund der sich immer mehr verschärfenden Ost-West-Konfrontation beteiligte sich Brecht 1955 an Diskussionsabenden in West-Berlin und betrieb die Herausgabe seiner Kriegsfibel. Am 21. Dezember 1954 wurde Brecht mit dem Internationalen Stalin-Friedenspreis ausgezeichnet, der ihm am 25. Mai 1955 im Kreml überreicht wurde.

Das Theater am Schiffbauerdamm erreichte bald internationalen Ruf. Gastspiele des Berliner Ensembles in aller Welt ließen Devisen in der Staatskasse klingeln. Aber schon 1951 trübte sich das Verhältnis zwischen Brecht und dem neuen Deutschland. Als er sich weigerte, den Text der Oper "Die Verurteilung des Lukullus" dem Parteikurs anzupassen, verschwand das Stück aus dem Spielplan. Das großzügige staatliche Mäzenatentum sorgte für eine der dichtesten Theaterlandschaften der Welt. In den 1950er Jahren gab es die Formalismusdebatte zwischen Bertolt Brecht und Friedrich Wolf, die sich 1949 an einer Inszenierung von Brechts "Mutter Courage" entzündete. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Wolf 1945 aus der Emigration nach Deutschland zurück und gehörte zur Aufbau-Generation der DDR. Hier war er vor allem schriftstellerisch und kulturpolitisch tätig und an der Gründung der DEFA beteiligt. 1947 gelang ihm die Rückholung des Tänzers und Choreographen Jean Weidt aus dem französischen Exil nach Berlin. 1948 gehörte er zu den Mitbegründern der deutschen Sektion der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N., war Herausgeber der Zeitschrift Kunst und Volk und wurde Erster Vorsitzender des Bundes Deutscher Volksbühnen. Von 1949 bis 1951 war er erster Botschafter der DDR in Polen. Wolf gehörte 1950 zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost). Am 5. Oktober 1953 starb Friedrich Wolf in seinem Arbeitszimmer in Lehnitz an einem Herzinfarkt. Seine Urne wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt.[112] Friedrich Wolf hing einem realistischen dramatischen Prinzip an (Verwirklichung des Stanislawski-Prinzips an, wo die Wirklichkeit realisiert sich in Identifikation des Schauspielers mit der Figur realisiert Das Stück weist dramatische Spannung auf; es enthält emotionale Höhepunkte. Nicht der Zuschauer, sondern die Figur lernt aus der Handlung. Eine widerspruchsfreie Lösung wird angeboten.

Bertolt Brecht dagegen begründete die Neuform des episch-dialektischen Theaters. Der Schauspieler identifiziert sich nicht mit, sondern distanziert sich von der Figur. Solche Überlegungen münden bei Brecht schließlich in eine „Theorie des epischen Theaters“.[113] Diese existiert jedoch nicht in Form eines geschlossenen Systems und wird von Brecht offensichtlich als solches auch gar nicht beabsichtigt. Bis auf wenige zusammenhängende Schriften wie die "Anmerkungen zur Oper 'Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny'" schlägt sich das Konzept des "epischen Theaters" in Essays, Arbeitsnotizen, Hinweisen und Erläuterungen nieder und hat daher weitgehend fragmentarischen Charakter. Erst durch die Brechtrezeption werden aus diesen bunt zusammengewürfelten Textfragmenten Theorien entwickelt.

Das epische Theater soll nach Brecht gesellschaftliche und politische Veränderungen in Gang setzen.[114] Die Demonstration gesellschaftlicher Widersprüche auf der Bühne soll Zuschauer aktivieren, Kritik am Schicksalsglauben und eine materialistische Haltung vermitteln. Das Theater soll vom Repräsentations- und Unterhaltungsinstrument für die Oberschicht zu einer kritischen Veranstaltung insbesondere für das Proletariat werden. Um aufzuklären, müsse beim Zuschauer ein Denkprozess ausgelöst werden.

Dazu sollte er sich der Illusion des Theaters bewusst werden und dürfe sich nicht, wie in der klassischen Theatertheorie der aristotelischen Katharsis gefordert, von der Handlung gefangen nehmen lassen, mit dem Protagonisten Mitleid empfinden, das Geschehene als individuelles Schicksal empfinden und als solches hinnehmen. Er soll das Dargebotene vielmehr als Parabel auf allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse sehen und sich fragen, wie etwas an den dargestellten Missständen verändert werden könnte. Brechts Dramentheorie ist eine politische Theorie, seine im Exil geschriebenen Stücke versteht er als Versuche für ein neuartiges Theater.

Angesichts der zunehmenden Spaltung Deutschlands wurde der Gedanke eines sozialistischen Nationaltheaters geäußert.[115] Für die Spielpläne bedeutete das eine Ausrichtung der traditionellen Dramatik auf die Grundsätze des Marxismus-Leninismus, andererseits sollte aber auch die Gegenwartsdramatik in den Mittelpunkt rücken.

Typisch für die kritische Dramatik der DDR ist der Verweis auf die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit, mal verschlüsselt, mal direkt, wie es Peter Hacks in "Die Sorgen und die Macht" zeigte: "Kommunismus, wenn ihr euch/Den vorstelln wollt, dann richtet eure Augen/Auf, was jetzt ist, und nehmt das Gegenteil." Das Stück hatte im Mai 1960 Uraufführung am Theater der Bergarbeiter in Senftenberg unter der Regie von Klaus Gendries. Mit dem Bitterfelder Weg sollten auch die Theatermacher den Arbeitern näher kommen. Die Einrichtung von Arbeitertheatern in vielen Betrieben schuf nicht nur Gelegenheit für laienhaftes Spielen, sondern gab den Anstoß zur Beschäftigung mit professioneller Theaterkunst.

Der Bitterfelder Weg sollte eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik einläuten. Diese sollte den „wachsenden künstlerisch-ästhetischen Bedürfnissen der Werktätigen“ entgegenkommen. Namensgebend war eine am 24. April 1959 veranstaltete Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld, dem späteren VEB Chemiekombinat Bitterfeld. Dabei sollte geklärt werden, wie den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden kann. Die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ sollte überwunden, die Arbeiterklasse am Aufbau des Sozialismus umfassender beteiligt werden.[116]

Dazu sollten u. a. Künstler und Schriftsteller in den Fabriken arbeiten und Arbeiter bei deren eigener künstlerischer Tätigkeit unterstützen. Schon auf dem V. Parteitag hatte Staats- und Parteichef Walter Ulbricht 1958 eine stärkere Verknüpfung der Arbeiter mit der Kultur gefordert.  Nach der 1959 stattfindenden Konferenz wurde dieses Ziel nun als "Bitterfelder Weg" bekannt. Unter dem Motto "Greif zur Feder, Kumpel! Die sozialistische Nationalkultur braucht Dich!"[117]

Obgleich sich einige Vorstellungen der SED mit dem Bitterfelder Weg nicht realisieren ließen, behielt sie die Kultur der Arbeiter im Auge.[118] Der FDGB etwa veranstaltete jährlich, ab 1972 alle zwei Jahre, Arbeiterfestspiele, auf denen die Aufführungen der Arbeiter- und Amateurtheater zu sehen waren. Die Bearbeitung von Mythen- und Geschichtsdramen (Heiner Müller, Peter Hacks) bot Gelegenheit, um von einer normierten Gegenwartsdramatik abzuweichen. Durch eine zeitgemäße Interpretation auf der Bühne warfen diese Stücke Schlaglichter auf die Gesellschaft der DDR.

Einer der bekanntesten und auch umstrittensten Dramaturgen war Heiner Müller. 1954 wurde Müller Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbandes (DSV), wo er ab 1957 die Funktion eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Abteilung Drama bekleidete. In dieser Zeit erfolgte die Erstaufführung seines Stückes Zehn Tage, die die Welt erschütterten. 1957/58 betätigte er sich als Redakteur der FDJ-Zeitschrift Junge Kunst, wurde 1958 Mitarbeiter am Maxim-Gorki-Theater in Berlin und freischaffender Autor. Im gleichen Jahr erfolgten die Erstaufführungen der Stücke Die Korrektur und Der Lohndrücker. Das Stück Die Umsiedlerin wurde 1961 nach der Uraufführung abgesetzt, Müller wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Unterstützung erhielt Müller dagegen von Peter Hacks, Hanns Eisler und Hans Mayer.[119] Es folgten Arbeiten für Rundfunk, DEFA und Fernsehen, meist unter Pseudonym. 1965 wurde Müller erneut von der SED kritisiert. Die Partei ließ die Aufführung von Der Bau absetzen. Müller schrieb die Stücke Philoktet (Uraufführung München 1968) und übersetzte für Benno Besson Sophokles‘ Ödipus Tyrann (Uraufführung am Deutschen Theater Berlin 1967).[120] Das in der DDR verbotene Stück Mauser wurde 1975 in den USA uraufgeführt, 1980 in Köln. Germania Tod in Berlin wurde 1978 an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. 1988 wurde Müller dann wieder in den DDR-Schriftstellerverband aufgenommen.

Abseits der Theaterzentren duldete die Kulturpolitik der SED Anfang der 80er Jahre die ästhetisch-politischen Experimente des Regisseurs Frank Castorf.[121] Er sprach in seinen Inszenierungen an, was ansonsten zensiert und tabuisiert wurde. In den Aufführungen des Anklamer Theaters schien sich ein Lebensgefühl auszudrücken, das in der DDR so nicht ausgelebt werden konnte und daher als subversiv verstanden wurde. In der Tat zog das Theater hauptsächlich junge, potentiell oppositionell gestimmte Leute an.[122] Schließlich wurde Castorf als Oberspielleiter fristlos entlassen. Die Bedeutung der Unterhaltungsfunktion des Theaters in der DDR, ablesbar an der hohen Zahl von leichten Operetten und Komödien in den Spielplänen, zeigte sich auch in der Beliebtheit der neun Freilichttheater, die bekanntesten wohl das Harzer Bergtheater und Ralswiek auf Rügen. Hier hatte Kurt Barthels (Kuba) Ballade "Klaus Störtebecker" unter der Regie von Hanns Anselm Perten 1959 Premiere.

Erst zu Beginn der Honecker-Ära wurde die Doktrin des sozialistischen Realismus gelockert.[123] Die Ästhetik der Moderne war für die Schriftsteller jetzt nicht mehr tabu. Wie in Lyrik und Prosa weitete sich auch im Drama die Thematik ins Allgemeine und Individuelle. Die Behauptung des einzelnen gegenüber der Gesellschaft erschien als neues Motiv. Ulrich Plenzdorf gestaltete es exemplarisch in seinem in Ost und West gleichermaßen erfolgreichen Stück "Die neuen Leiden des jungen W". zieht Parallelen zwischen Goethes Werther (aus Die Leiden des jungen Werthers), Salingers Holden (aus Der Fänger im Roggen), Robinson (aus Daniel Defoes Robinson Crusoe) und Edgar Wibeau als siebzehnjährigem Ostdeutschen in der DDR.[124] Plenzdorf schrieb 1968 eine Urfassung als Filmszenarium, die er bei der DEFA einreichte, welche aber abgelehnt wurde. Darauf schrieb Plenzdorf Die neuen Leiden des jungen W. als Prosatext und bot das Manuskript mehreren Verlagen an. 1972 wurde in der DDR-Literaturzeitschrift Sinn und Form der Prosatext veröffentlicht.[125]

1973 bot der Hinstorff Verlag Plenzdorf eine Buchveröffentlichung mit einer größeren Seitenzahl als die Sinn und Form-Veröffentlichung an.[126] So konnte Plenzdorf seinen Prosatext überarbeiten. 1976 wurde das Stück mit Klaus Hoffmann und Léonie Thelen in den Hauptrollen verfilmt. Erschienen ist das Buch zu jener Zeit in der DDR, in der Schriftsteller neue Freiräume genießen und Gesellschaftskritik üben durften, lässt Plenzdorf seinen Protagonisten Edgar Wibeau in seinem Roman rebellieren.

Der Protest Edgars richtet sich an die gesellschaftlichen Verhältnisse, die es dem Jugendlichen schwer machen, sich selbst zu finden und zu entfalten, nicht jedoch an die Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft an sich.[127] Die Leitideen dieser Gesellschaft der DDR sind im Roman allgegenwärtig. Während in der BRD verschiedene Weltanschauungen ihren Platz finden, gibt es in der DDR neben der kommunistischen Ideologie für andere Weltanschauungen keinen Raum. Die SED sieht in der Jugendpolitik eine große Rolle und nutzt die FDJ zur ideologischen Beeinflussung und politischen Mobilisierung. Im Rahmen der Erziehung zu einer sozialistischen Persönlichkeit, sind Spontaneität und Kreativität unerwünscht. Dieses Fehlen von Entfaltungsmöglichkeiten kritisiert Edgar Wibeau im Roman und widersetzt sich immer wieder den Erwartungen, sei es durch sein Äußeres oder auch nach seinem Fehlverhalten zu Beginn des Romans durch seine Flucht nach Berlin, welche verdeutlicht, dass sein Selbstbewusstsein sich nicht mit den Ansprüchen einer Gesellschaft vereinbaren lässt, die den sozialistischen Fortschritt der Gesellschaft vor die Selbstverwirklichungsansprüche des Einzelnen stellt.[128]

Er legte seinem Helden Sätze in den Mund, die die Stimmungslage einer Mehrheit der DDR-Bevölkerung trafen: „Sie haben nichts gegen den Kommunismus. Kein einziger intelligenter Mensch kann etwas gegen den Kommunismus haben. Aber ansonsten sind sie dagegen.“[129]

Das Entstehen alternativer künstlerischer Milieus, die sich dem ideologischen und ästhetischen Eindeutigkeitsgebot von Partei und Staat verweigerten, ist zum einen durch den Mauerbau 1961 entscheidend befördert worden. Da sie nicht mehr einfach in den Westen ausweichen konnten, waren unangepasste Künstler gezwungen, innerhalb der DDR eigenständige Infrastrukturen aufzubauen. Das neue antiautoritäre Denken im Gefolge der 1968er-Bewegung, die sich im östlichen Europa in den Ereignissen des Prager Frühlings offenbarte, führte zum anderen zu einer kulturellen "Binnendifferenzierung" (Detlef Pollack), weil es sich nicht in politisches und gesellschaftliches Handeln transformieren ließ. Die Künstler, die Anfang bis Mitte der 1960er Jahre in die DDR-Öffentlichkeit traten, verlangten vor allem mehr Freiraum innerhalb der Institutionen. Das Vertrauen in die Legitimität und Reformfähigkeit der DDR und ihrer Kunst- und Kultureinrichtungen war zwar nach dem 11. Plenum der SED empfindlich gestört, wurde aber nicht in Frage gestellt. Ein Beispiel dafür ist die so genannte "Leipziger Schule“: Ihre Repräsentanten – Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke, aber auch die Jüngeren wie Sighard Gille, Volker Stelzmann und Arno Rink – waren zu Beginn ihrer Laufbahn in den 1960er Jahren selbst Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Nachdem sie von der Kulturbürokratie anerkannt worden waren, glaubten diese Künstler jedoch, dass damit die Kunst als solche in der sozialistischen Gesellschaft liberalisiert sei. Sie verwechselten ihre eigene Befreiung mit der der Kunst. Mit ihrer Institutionalisierung – nahezu alle renommierten Vertreter bekamen Lehrstühle und zogen die nächsten Jahrgänge in ihrem Geist heran – begann die Erstarrung. Die Kunst verband sich untrennbar mit politischer Opportunität. Die Studentenbewegung in Westeuropa, besonders aber die Reformbewegungen in Warschau und Prag wurden für die Akteure der 1970er und frühen 1980er Jahre zur prägenden Generationserfahrung. Sie wendeten sich nicht gegen Staat und Partei, sondern klagten das immer wieder proklamierte Ziel der sozialistischen Menschengemeinschaft ein: Die eigenen Reformbemühungen sollten dabei dem notwendigen "Umbau“ des Sozialismus dienen und stellten die staatliche Hegemonie zunächst nicht zur Disposition. Das änderte sich nach der Biermann-Ausbürgerung 1976, die als eine Aufkündigung des zwar brüchigen, aber dennoch "bewährten“ Vertrauensverhältnisses zwischen Künstlern und staatlichen Verwaltern verstanden wurde. Seit Ende der 1970er Jahre kehrte deshalb die Künstlerszene den Institutionen mehr und mehr den Rücken. Eigene Produktions- und Lebensräume, die Etablierung von Öffentlichkeit außerhalb und unabhängig vom DDR-Kulturbetrieb wurden wichtig. Beispielhaft für diese Generation stehen die Leipziger Lutz Dammbeck, Hans Hendrik Grimmling, Frieder Heinze, Günther Huniat, Karin Plessing, Gregor-Torsten Schade und Jürgen Schäfer. Sie entwickelten 1977 die Idee der "grenzüberschreitenden“ Ausstellung „Tangente“, scheiterten mit ihrem Konzept zunächst an den Behörden und konnten es 1984 mit dem „1. Leipziger Herbstsalon handstreichartig verwirklichen. Alle Beteiligten waren Mitglieder des Verbandes Bildender Künstler und bewegten sich mit ihrem Antrag auf dem offiziellen, bürokratischen Verfahrensweg durch die Instanzen. Das Exposé des Projekts entsprach jedoch nicht den üblichen Anforderungen: Grundsätzlich waren nur staatliche Institutionen befugt, Ausstellungen zu organisieren und die beteiligten Künstler festzulegen. Eine "klare politisch-ideologische Konzeption“ der Ausstellung sollte ebenfalls erkennbar sein. Der Titel "Tangente“ wurde dagegen als Kritik am Verband empfunden ebenso wie die Wahl des Zeitpunktes im Oktober und November 1977 – "der 60. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und die VIII. Kunstausstellung der DDR in Dresden“ würden mit einer solchen Ausstellung hinterfragt werden. Schließlich fasste die Verbandsleitung den Entschluss, die Ausstellung zur Schau "Junger Künstler des Bezirkes Leipzig“ zu erweitern und die Initiatoren der "Tangente“ umfänglich auf der VIII. Kunstausstellung zu zeigen.[1 ] Die Gruppe lehnte es jedoch ab, sich integrieren zu lassen und trat im Juli 1977 unter Protest von der Realisierung ihrer Ausstellung zurück. Obwohl sie mit ihrem Projekt gescheitert waren, glaubten die Künstler auch weiterhin, die erstarrten Verhältnisse innerhalb des Verbandes aufbrechen und verändern zu können. Hans Hendrik Grimmling, Frieder Heinze und Günther Huniat gelang es, in die Sektionsleitung Malerei und Grafik gewählt zu werden, wo sie bei der Vergabe von Aufträgen oder Ausstellungsbeteiligungen mitbestimmen konnten. Vor allem aber wollten sie die lange schwelenden Konflikte innerhalb der Leipziger Künstlerschaft diskutieren: die Dominanz der Hochschule für Grafik und Buchkunst und ihres Rektors Bernhard Heisig bei den zu treffenden Entscheidungen, die fehlende Transparenz, die allein taktische Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, den zentralistisch verwalteten Privilegienhaushalt und nicht zuletzt die Frage der Reisefreiheit.

Zum Eklat kam es, als ein Großteil der Anträge, im Frühjahr 1984 die Beckmann-Ausstellung in Westberlin besuchen zu dürfen, abgelehnt wurde. 46 Mitglieder des Bezirksverbandes Leipzig unterzeichneten ein Schreiben an den Präsidenten des Verbandes Bildender Künstler, Willi Sitte, in dem sie forderten, die Kriterien für die Auswahl und Befürwortung von Reisen in das NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) offenzulegen und Ablehnungen von Reiseanträgen umfassend zu begründen. Es war ein Politikum von höchster Brisanz. Nicht nur die Verbandsgremien und die Bezirksleitung der Partei sahen sich von dieser Anmaßung attackiert, sondern auch das ZK der SED. Die als Delinquenten ausgemachten Künstler Grimmling, Huniat und Schäfer wurden der "Täuschung“, "des psychischen Meinungsterrors“, der "Nötigung und Erpressung“ bezichtigt – weil sie darauf insistierten, "Kriterien politischer Entscheidungen offenzulegen, die die Sicherheitsinteressen [des] Staates und sein internationales Ansehen unmittelbar berühr[t]en“. Die Lektionen für die Rädelsführer reichten von der geforderten Selbstkritik und Suspendierung von den Leitungsfunktionen bis zur gezielten Isolation der Gruppe innerhalb des Verbandes.

Die Produktionsbedingungen für Künstler wandelten sich in den 1980er Jahren fundamental. Der ökonomische und gesellschaftliche Niedergang der DDR ebenso wie die Verkommenheit ihrer politischen Utopie spiegelten sich im äußeren Verfall vieler Innenstädte. Junge Künstler, Studenten und Absolventen der Universitäten und Hochschulen erkannten die "Nische“ und besetzten stillschweigend die leerstehenden Wohnungen in der Dresdner Neustadt, im Osten, Westen und Süden von Leipzig, im Prenzlauer Berg und im Friedrichshain in Berlin, um jenseits von Familie und Arbeitsbrigade den Ausweg zwischen widerspruchloser Anpassung und verzichtendem Ausstieg zu finden. Die Produktionsbedingungen für Künstler wandelten sich in den 1980er Jahren fundamental. Der ökonomische und gesellschaftliche Niedergang der DDR ebenso wie die Verkommenheit ihrer politischen Utopie spiegelten sich im äußeren Verfall vieler Innenstädte. Junge Künstler, Studenten und Absolventen der Universitäten und Hochschulen erkannten die "Nische“ und besetzten stillschweigend die leerstehenden Wohnungen in der Dresdner Neustadt, im Osten, Westen und Süden von Leipzig, im Prenzlauer Berg und im Friedrichshain in Berlin, um jenseits von Familie und Arbeitsbrigade den Ausweg zwischen widerspruchloser Anpassung und verzichtendem Ausstieg zu finden.Anders als in den vorangegangenen Jahrzehnten waren soziale Aufstiegschancen blockiert. Die Hierarchien waren auf Lebenszeit von Funktionären besetzt. Höherer Schulabschluss, attraktive Ausbildung und beruflicher Erfolg – noch immer mit Indoktrination und affirmativen politischen Alltagsdemonstrationen verbunden – versprachen kaum mehr sinnvolle Verwirklichung oder soziale Vorteile. Die Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen waren oft denkbar schlecht und materielle Gewinne keine Verlockung, weil es immer weniger zu konsumieren gab. Vor allem die Generation der in den 1960er Jahren Geborenen verweigerte sich zunehmend geradliniger Sozialisation, weil der Ausstieg eben nicht nur Verzicht bedeutete, sondern auch, einer permanenten Demütigung durch Inkompetenz und Bevormundung zu entkommen. Für die nötige Rückendeckung der Aushandlung von Spielräumen und die Behauptung individueller Ansprüche sorgten familiäre Beziehungen, Freundeskreise, kirchliche Integrationsangebote (so man wollte) und die staatliche Sozialpolitik. Mit einer Krankenversicherung für zehn Mark, der subventionierten Miete und Pfennigen für Butter und Brot war der Rückzug ins Private gesichert. Die mögliche Kriminalisierung wegen "asozialen Verhaltens“ wurde dabei in Kauf genommen. Für das Besetzen kultureller Terrains zeichnete sich darüber hinaus ein neues Vorgehen ab: Das Misslingen des Versuchs, durch das Abschieben lästiger Intellektueller, Schauspieler, Dichter und bildender Künstler den nicht enden wollenden Unmut nach der Biermann-Ausweisung zu befrieden, veranlasste die Behörden, eher "flexibel“ auf die Künstler zu reagieren. Doch die jüngste Künstlergeneration hatte aus dem Scheitern der Älteren gelernt: Wollten sie nicht nur privat oder in kirchlichen Räumen unabhängig von Fremdbestimmung sein, mussten sie einen „eigenen“ Kulturbetrieb etablieren – und zwar auch innerhalb oder mittels staatlicher Strukturen. Kaum in Gefahr, noch korrumpiert zu werden, suchte diese Generation offensiv die Spannung zwischen Divergenz und Assimilation, Verweigerung und Entgegenkommen. Die staatlichen Bemühungen, die alternative Kunstszene, soweit sie nicht zum politischen Widerstand zu rechnen war, wieder in den offiziellen Kulturbetrieb zu integrieren, führte denn auch nicht zur erhofften Stabilisierung der kulturellen Institutionen, sondern beschleunigte deren Verfall. So waren beispielsweise mit den Jugendklubs und Kulturhäusern im Umfeld der Kunsthochschulen und der Universitäten sowie den Stadtbezirks- und Kulturbundgalerien schon seit den 1970er Jahren staatliche Institutionen entstanden, die sich die alternative Szene aneignen konnte. Die Vielzahl der Orte, an denen Kultur individuelle Aktivität bedeutete, führte zu einer "neuen Unübersichtlichkeit“, der mit den geläufigen Methoden der Kontrolle schwer beizukommen war – schon aus Mangel an Personal. Obendrein sympathisierten die Veranstalter, die hier ihre Vorstellungen von einem sinnstiftenden kulturellen Angebot zu verwirklichen trachteten, aber auch einige Amtsträger in den Kulturverwaltungen immer offener mit den bislang Ausgegrenzten. Auf diese Weise entstanden mit der Zeit andere, selbstbestimmte Öffentlichkeiten.

Beispiele für die Strategien junger Künstler dieser "Früchtegeneration“ (Hans Hendrik Grimmling) sind die Aktionen der „Plagwitzer Interessengemeinschaft“ (PIG) und des ihr nahestehenden Freundeskreises um die 1985 gegründete Galerie Eigen+Art in Leipzig: Ohne sich um mögliche Konsequenzen zu scheren, besetzten Frank Berendt, Ulrike Dornis, Jörg Herold, Uwe Kowski, Ulf Puder und Jan Raue ein ausgedientes Fabrikgebäude an der Karl-Heine-Straße und eröffneten am 7. Oktober 1983 – dem "Republikgeburtstag“ – ein gemeinsames Atelier. Kennengelernt hatte sich die Gruppe beim "Abendstudium“ an der Hochschule für Grafik und Buchkunst – einer Art Vorkurs für Studienwillige mit Berufsabschluss. Mit dem akademischen Profil der Ausbildung wussten die jungen Lehrabsolventen nichts anzufangen, ihnen ging es eher um die Aneignung des öffentlichen Raums im spielerischen Umgang mit der Kunst: Die Aktion "36 x ICH“ behauptete diesen Anspruch mit dem Sprühen des Begriffs ICH auf 36 Leipziger Häuserwände. "Ich finde es normal, einen Klotz zu setzen“ setzte die Zeichen bereits deutlicher: Als vorgeblicher Mitarbeiter des Tiefbaukombinats Leipzig ließ Jörg Herold einen Teil des Parkplatzes vor der Oper im Zentrum Leipzigs wegen "Aufstellen eines Fahnensockels“ sperren und goss öffentlich einen Betonklotz, der etwa ein Jahr dort stand – sehr zur Freude der Eingeweihten. An der Persiflage eines "vollen Arbeitstages“, aus dessen Dokumentation später der Film "BeiWerk“ von Herold entstand, beteiligten sich neben einigen Mitgliedern der Gruppe eine Reihe von Freunden, unter ihnen Gerd Harry Lybke, ein ehemaliger "kulturpolitischer Mitarbeiter“ der Stadt und späterer Galerist der Eigen+Art, sowie Götz Lehmann, seit 1982 Hausmeister des Kulturhauses der "Nationalen Front“ in der Karl-Liebknecht-Straße. In dieser Funktion entwickelte der gelernte Maschinenbauschlosser innerhalb kürzester Zeit den "Klub an der Ecke“, der unter der Obhut der Stadtbezirksrätin für Kultur Jutta Duclaud zu einem der bedeutendsten Veranstaltungsorte für experimentelles Theater, Pantomime- und Kabarettprogramme, sowie Folk-, Jazz- und Punkskonzerte in Leipzig werden sollte.

Auch mehre Multimediainszenierungen fanden dort statt – so vier Veranstaltungen der Reihe "Akustischen Aspekte“ der unter anderem mit Thom di Roes, Hartwig Ebersbach, Sascha Anderson und Cornelia Schleime sowie "La Sarraz“ von Lutz Dammbeck. Lehmann war es auch, der die Aktivitäten mit den künstlerischen Hochschulen, dem von Adolf Endler und Brigitte Schreier geführten Jugendklubhaus "Arthur Hoffmann“ in der Leipziger Steinstraße, in dem vor allem Lesungen, Ausstellungen und Vorträge stattfanden, der Stadtbezirksgalerie Süd und dem nahegelegenen Kino Connewitz vernetzte. Nicht eine der Veranstaltungen, deren Konzeptionen selbstverständlich im Vorfeld bei Stadtbezirk darzulegen und beim Amt für Ordnung und Sicherheit anzumelden waren, wurde verboten. Dabei registrierte die Staatssicherheit sehr wohl, dass die Themen "der angemeldeten Veranstaltungen oft nicht mit den tatsächlichen Inhalten“ übereinstimmten. Auch grundsätzlich stellte das MfS erhebliche Mängel „bei der Abwehr und Unterbindung feindlicher Aktivitäten im kulturellen Bereich der Stadt Leipzig“ fest: Die zuständigen Genossen waren nicht nur "in der Regel nicht informiert“, weder über "Vorkommnisse und Probleme“, noch über die "politisch-operativ relevanten Personen und ihre Aktivitäten“, sie unternahmen nicht einmal die "Anstrengung“ dazu.

Zu den legendärsten Aktionen des Freundeskreises um Götz Lehmann, Gerd Harry Lybke und die "Plagwitzer Interessengemeinschaft“ gehörte die 1984 die mit geradezu mondänem Aufwand organisierte Preisverleihung des "Prix de Jagot“ („Jagot“ entstand aus den Vornamen der Initiatoren) für Literatur, bildende Kunst und Musik im Klubhaus "Nationale Front“. Im offiziellen Mitteilungsblatt des Verbandes Bildender Künstler erschien daraufhin mit größter Selbstverständlichkeit die sachliche Meldung, der ungarische Maler Akos Novaky – der bald darauf für Lybke die zukünftigen Räume der Galerie Eigen+Art mietete – habe den "Prix de Jagot“ für bildende Kunst erhalten. Die Alternative war damit zur Institution geworden. Die Herausbildung der Kunst- und Kulturszene jenseits der DDR-Staatskultur ist nicht im Ausschluss des offiziellen Diskurses und nicht ohne die ausgefochtenen Kämpfe der jeweils älteren Generationen zu denken. Beides beeinflusste das subversive Verständnis von Kunst und ihrer Funktion in der Gesellschaft. Den meisten Künstlern der sich in den 1980er Jahren durchsetzenden alternativen Szene ging es weniger um einen neuen Formbegriff als darum, neben den Ausstellungen und Aktionen ein kommunikatives Umfeld zu schaffen, an dem alle partizipieren konnten. Was die einen mit den anderen verband, war das Zugehörigkeitsgefühl zu einer losen Solidargemeinschaft, die gesellschaftliche Konventionen ignorierte und dies durch den Lebensstil von Bohemiens demonstrierte. Womöglich nur von den Umständen diktiert, haben sich hier die traditionellen Kunstkonzepte aufgelöst: Die ästhetische Produktion war Mittel, Identität zu stiften, sich abzugrenzen und zu positionieren, gleichzeitig Freiraum für den Austausch, der dafür notwendig war – und somit Affront gegen die Reduktion der Kunst auf Bilder. Als gemeinsame Erfahrung provozierte das einen Kunstbegriff, für den Kunst Experiment und Kulturraum war. Es ergab sich von selbst, dass weder die Abkehr vom Gesellschaftssystem um jeden Preis noch direktes politisches Engagement zum vorrangigen Prinzip avancierten, sondern das der Vernetzung – von Leben und Wohnen auf der einen, ästhetischer Organisation auf der anderen Seite, von Publikum und Kunstprodukt, privat und öffentlich.

Die Konzepte alternativer Kunst und Kultur waren weder homogen, noch ließen sie sich mit einer einheitlichen politischen Zielsetzung verbinden. Es gab gruppenspezifische Verhaltensmuster, unterschiedliche künstlerische Formensprachen und kommunikative Codes. Während in den 1970er Jahren ästhetische Neukonzeptionen durchaus politische Alternativkonzepte beinhalten konnten, war das Meiden der politischen Festlegung für die jüngere Künstlergeneration in der DDR konstitutiv. Die Motive für das Entstehen der sich als autonom verstehenden Kunstszenen – die von außen als Orte der Einheit von Revolution, Kunst und Leben imaginiert wurden – sind daher weniger im bewussten Widerstand gegen den Staat als in der Erfahrung kultureller Ausgrenzung zu suchen. Im Gegensatz zu den politisch oppositionellen Gruppen, die für eine generelle Reform der DDR und für einen Umbau des politischen Systems eintraten, zeigte sich, dass das kritische Engagement von Künstlern in der Regel auf die Durchsetzung individueller oder künstlerischer Freiheiten beschränkt blieb. Ihnen ging es in erster Linie um einen Autonomiebegriff von Kunst und den autonomen Status des Künstlers, der sich als Außenseiter in der Gesellschaft definiert.

Bereits in den 1960er Jahren hatten Künstler wie Herbert Sandberg und Fritz Cremer sowie Kunsthistoriker wie Günter Feist, Siegfried Heinz Begenau und Diether Schmidt immer wieder versucht, die Moderne als wesentliche Tradition deutscher Gegenwartskunst in der DDR auszuweisen. Doch erst seit Mitte der 1970er Jahre wurden die fortschrittlichen Kunstbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts – und die zeitgenössische "Westkunst“ – wieder in den Museen der DDR gezeigt.

Noch 1967 fand eine Bauhaus-Ausstellung in Dessau in aller Stille statt. Ab 1976 entwickelte sich das Bauhaus Dessau in Kooperation mit der Weimarer Hochschule für Architektur und Bauwesen zum wissenschaftlichen Zentrum der Bauhausforschung in der DDR – mit jährlich etwa zwei bis drei Ausstellungen zu dieser Tradition der Moderne in Architektur und Design. Die Vielfalt avantgardistischer Entwürfe wurde in Studioausstellungen der Nationalgalerie – beispielsweise in "Von der Collage zur Assemblage“ (1978) – oder der großen Expressionismus-Ausstellung im Alten Museum (1986/87) sichtbar, während das Lindenau-Museum in Altenburg die Aufarbeitung der Moderne in Konzeptionen umsetzte, die bestimmte Richtungen der Avantgarde in Literatur, Musik, bildender Kunst und Fotografie mit ihrem Echo in der Gegenwartkunst verbanden: "Segel der Zeit – Gedichte, Bücher, Bilder, Dokumente aus der Geschichte des Russischen Futurismus“ zum 100. Geburtstag des Dichters Chlebnikow (1985/86) befasste sich mit dem Zukunftsentwurf und "Von Merz bis heute“ zum 100. Geburtstag von Kurt Schwitters (1987/88) mit der Rebellion.

Die Ausstellung "Positionen. Malerei aus der Bundesrepublik Deutschland“ im Herbst 1986 im Alten Museum in Berlin und danach im Albertinum in Dresden war schließlich ein Ergebnis des im Mai des Jahres unterzeichneten Kulturabkommens zwischen beiden deutschen Staaten. Sie sollte Gelegenheit geben, mit den Arbeiten der Altmeister Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay und Emil Schumacher, der in den 1930er Jahren geborenen Künstler Raimund Girke, Günther Uecker, Gotthard Graubner, Gerhard Richter, Konrad Klapheck und Horst Antes sowie der damals etwa 40jährigen Sigmar Polke und Anselm Kiefer die zeitgenössische westdeutsche Malerei kennenzulernen. Mit Graubner, Richter und Uecker wurden dabei auch Künstler präsentiert, die zwischen 1954 und 1961 die DDR verlassen hatten. Beispiele für die Strategien junger Künstler dieser "Früchtegeneration“ (Hans Hendrik Grimmling) sind die Aktionen der „Plagwitzer Interessengemeinschaft“ (PIG) und des ihr nahestehenden Freundeskreises um die 1985 gegründete Galerie Eigen+Art in Leipzig: Ohne sich um mögliche Konsequenzen zu scheren, besetzten Frank Berendt, Ulrike Dornis, Jörg Herold, Uwe Kowski, Ulf Puder und Jan Raue ein ausgedientes Fabrikgebäude an der Karl-Heine-Straße und eröffneten am 7. Oktober 1983 – dem "Republikgeburtstag“ – ein gemeinsames Atelier. Kennengelernt hatte sich die Gruppe beim "Abendstudium“ an der Hochschule für Grafik und Buchkunst – einer Art Vorkurs für Studienwillige mit Berufsabschluss. Mit dem akademischen Profil der Ausbildung wussten die jungen Lehrabsolventen nichts anzufangen, ihnen ging es eher um die Aneignung des öffentlichen Raums im spielerischen Umgang mit der Kunst: Die Aktion "36 x ICH“ behauptete diesen Anspruch mit dem Sprühen des Begriffs ICH auf 36 Leipziger Häuserwände. "Ich finde es normal, einen Klotz zu setzen“ setzte die Zeichen bereits deutlicher: Als vorgeblicher Mitarbeiter des Tiefbaukombinats Leipzig ließ Jörg Herold einen Teil des Parkplatzes vor der Oper im Zentrum Leipzigs wegen "Aufstellen eines Fahnensockels“ sperren und goss öffentlich einen Betonklotz, der etwa ein Jahr dort stand – sehr zur Freude der Eingeweihten. An der Persiflage eines "vollen Arbeitstages“, aus dessen Dokumentation später der Film "BeiWerk“ von Herold entstand, beteiligten sich neben einigen Mitgliedern der Gruppe eine Reihe von Freunden, unter ihnen Gerd Harry Lybke, ein ehemaliger "kulturpolitischer Mitarbeiter“ der Stadt und späterer Galerist der Eigen+Art, sowie Götz Lehmann, seit 1982 Hausmeister des Kulturhauses der "Nationalen Front“ in der Karl-Liebknecht-Straße. In dieser Funktion entwickelte der gelernte Maschinenbauschlosser innerhalb kürzester Zeit den "Klub an der Ecke“, der unter der Obhut der Stadtbezirksrätin für Kultur Jutta Duclaud zu einem der bedeutendsten Veranstaltungsorte für experimentelles Theater, Pantomime- und Kabarettprogramme, sowie Folk-, Jazz- und Punkskonzerte in Leipzig werden sollte.

Auch mehre Multimediainszenierungen fanden dort statt – so vier Veranstaltungen der Reihe "Akustischen Aspekte“ der unter anderem mit Thom di Roes, Hartwig Ebersbach, Sascha Anderson und Cornelia Schleime sowie "La Sarraz“ von Lutz Dammbeck. Lehmann war es auch, der die Aktivitäten mit den künstlerischen Hochschulen, dem von Adolf Endler und Brigitte Schreier geführten Jugendklubhaus "Arthur Hoffmann“ in der Leipziger Steinstraße, in dem vor allem Lesungen, Ausstellungen und Vorträge stattfanden, der Stadtbezirksgalerie Süd und dem nahegelegenen Kino Connewitz vernetzte. Nicht eine der Veranstaltungen, deren Konzeptionen selbstverständlich im Vorfeld bei Stadtbezirk darzulegen und beim Amt für Ordnung und Sicherheit anzumelden waren, wurde verboten. Dabei registrierte die Staatssicherheit sehr wohl, dass die Themen "der angemeldeten Veranstaltungen oft nicht mit den tatsächlichen Inhalten“ übereinstimmten. Auch grundsätzlich stellte das MfS erhebliche Mängel „bei der Abwehr und Unterbindung feindlicher Aktivitäten im kulturellen Bereich der Stadt Leipzig“ fest: Die zuständigen Genossen waren nicht nur "in der Regel nicht informiert“, weder über "Vorkommnisse und Probleme“, noch über die "politisch-operativ relevanten Personen und ihre Aktivitäten“, sie unternahmen nicht einmal die "Anstrengung“ dazu.

Zu den legendärsten Aktionen des Freundeskreises um Götz Lehmann, Gerd Harry Lybke und die "Plagwitzer Interessengemeinschaft“ gehörte die 1984 die mit geradezu mondänem Aufwand organisierte Preisverleihung des "Prix de Jagot“ („Jagot“ entstand aus den Vornamen der Initiatoren) für Literatur, bildende Kunst und Musik im Klubhaus "Nationale Front“. Im offiziellen Mitteilungsblatt des Verbandes Bildender Künstler erschien daraufhin mit größter Selbstverständlichkeit die sachliche Meldung, der ungarische Maler Akos Novaky – der bald darauf für Lybke die zukünftigen Räume der Galerie Eigen+Art mietete – habe den "Prix de Jagot“ für bildende Kunst erhalten. Die Alternative war damit zur Institution geworden. Die Herausbildung der Kunst- und Kulturszene jenseits der DDR-Staatskultur ist nicht im Ausschluss des offiziellen Diskurses und nicht ohne die ausgefochtenen Kämpfe der jeweils älteren Generationen zu denken. Beides beeinflusste das subversive Verständnis von Kunst und ihrer Funktion in der Gesellschaft. Den meisten Künstlern der sich in den 1980er Jahren durchsetzenden alternativen Szene ging es weniger um einen neuen Formbegriff als darum, neben den Ausstellungen und Aktionen ein kommunikatives Umfeld zu schaffen, an dem alle partizipieren konnten. Was die einen mit den anderen verband, war das Zugehörigkeitsgefühl zu einer losen Solidargemeinschaft, die gesellschaftliche Konventionen ignorierte und dies durch den Lebensstil von Bohemiens demonstrierte. Womöglich nur von den Umständen diktiert, haben sich hier die traditionellen Kunstkonzepte aufgelöst: Die ästhetische Produktion war Mittel, Identität zu stiften, sich abzugrenzen und zu positionieren, gleichzeitig Freiraum für den Austausch, der dafür notwendig war – und somit Affront gegen die Reduktion der Kunst auf Bilder. Als gemeinsame Erfahrung provozierte das einen Kunstbegriff, für den Kunst Experiment und Kulturraum war. Es ergab sich von selbst, dass weder die Abkehr vom Gesellschaftssystem um jeden Preis noch direktes politisches Engagement zum vorrangigen Prinzip avancierten, sondern das der Vernetzung – von Leben und Wohnen auf der einen, ästhetischer Organisation auf der anderen Seite, von Publikum und Kunstprodukt, privat und öffentlich.

Die Konzepte alternativer Kunst und Kultur waren weder homogen, noch ließen sie sich mit einer einheitlichen politischen Zielsetzung verbinden. Es gab gruppenspezifische Verhaltensmuster, unterschiedliche künstlerische Formensprachen und kommunikative Codes. Während in den 1970er Jahren ästhetische Neukonzeptionen durchaus politische Alternativkonzepte beinhalten konnten, war das Meiden der politischen Festlegung für die jüngere Künstlergeneration in der DDR konstitutiv. Die Motive für das Entstehen der sich als autonom verstehenden Kunstszenen – die von außen als Orte der Einheit von Revolution, Kunst und Leben imaginiert wurden – sind daher weniger im bewussten Widerstand gegen den Staat als in der Erfahrung kultureller Ausgrenzung zu suchen. Im Gegensatz zu den politisch oppositionellen Gruppen, die für eine generelle Reform der DDR und für einen Umbau des politischen Systems eintraten, zeigte sich, dass das kritische Engagement von Künstlern in der Regel auf die Durchsetzung individueller oder künstlerischer Freiheiten beschränkt blieb. Ihnen ging es in erster Linie um einen Autonomiebegriff von Kunst und den autonomen Status des Künstlers, der sich als Außenseiter in der Gesellschaft definiert.

Bereits in den 1960er Jahren hatten Künstler wie Herbert Sandberg und Fritz Cremer sowie Kunsthistoriker wie Günter Feist, Siegfried Heinz Begenau und Diether Schmidt immer wieder versucht, die Moderne als wesentliche Tradition deutscher Gegenwartskunst in der DDR auszuweisen. Doch erst seit Mitte der 1970er Jahre wurden die fortschrittlichen Kunstbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts – und die zeitgenössische "Westkunst“ – wieder in den Museen der DDR gezeigt.

Noch 1967 fand eine Bauhaus-Ausstellung in Dessau in aller Stille statt. Ab 1976 entwickelte sich das Bauhaus Dessau in Kooperation mit der Weimarer Hochschule für Architektur und Bauwesen zum wissenschaftlichen Zentrum der Bauhausforschung in der DDR – mit jährlich etwa zwei bis drei Ausstellungen zu dieser Tradition der Moderne in Architektur und Design. Die Vielfalt avantgardistischer Entwürfe wurde in Studioausstellungen der Nationalgalerie – beispielsweise in "Von der Collage zur Assemblage“ (1978) – oder der großen Expressionismus-Ausstellung im Alten Museum (1986/87) sichtbar, während das Lindenau-Museum in Altenburg die Aufarbeitung der Moderne in Konzeptionen umsetzte, die bestimmte Richtungen der Avantgarde in Literatur, Musik, bildender Kunst und Fotografie mit ihrem Echo in der Gegenwartkunst verbanden: "Segel der Zeit – Gedichte, Bücher, Bilder, Dokumente aus der Geschichte des Russischen Futurismus“ zum 100. Geburtstag des Dichters Chlebnikow (1985/86) befasste sich mit dem Zukunftsentwurf und "Von Merz bis heute“ zum 100. Geburtstag von Kurt Schwitters (1987/88) mit der Rebellion.

Die Ausstellung "Positionen. Malerei aus der Bundesrepublik Deutschland“ im Herbst 1986 im Alten Museum in Berlin und danach im Albertinum in Dresden war schließlich ein Ergebnis des im Mai des Jahres unterzeichneten Kulturabkommens zwischen beiden deutschen Staaten. Sie sollte Gelegenheit geben, mit den Arbeiten der Altmeister Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay und Emil Schumacher, der in den 1930er Jahren geborenen Künstler Raimund Girke, Günther Uecker, Gotthard Graubner, Gerhard Richter, Konrad Klapheck und Horst Antes sowie der damals etwa 40jährigen Sigmar Polke und Anselm Kiefer die zeitgenössische westdeutsche Malerei kennenzulernen. Mit Graubner, Richter und Uecker wurden dabei auch Künstler präsentiert, die zwischen 1954 und 1961 die DDR verlassen hatten.Eine Sonderstellung in der programmatischen Vermittlung der klassischen Moderne und zahlreicher Positionen der westlichen Gegenwartskunst nahm die 1979 gegründete Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ein. Sie war der Ort zahlreicher großer Themen- und Personalausstellungen internationaler Kunst – für die Grafiken von Pablo Picasso (1980) und Fotografien von August Sander (1981), El Lissitzky (1983), die "Amerikanischen Pop-Art“ und Hans Hartung (1984), die Plakate von Horst Janssen und Alfred Hrdlicka (1985), die Fotografien von Man Ray (1986) und Henri Cartier-Bresson, "Ernst Ludwig Kirchner und die Künstler der Brücke“, Klaus Staeck (1987) und Joseph Beuys (1988). Dass es Rektor Bernhard Heisig gelang, ein solches Ausstellungsprogramm durchzusetzen, war besonderen Umständen zu verdanken: Heisig gehörte zu den in den 1970er und 1980er Jahren als "Leipziger Schule“ auch in der Bundesrepublik bekannt gewordenen Malern, zu deren Aufstieg der Aachener Schokoladenfabrikant und Kunstsammler Peter Ludwig wesentlich beigetragen hatte, von dem wiederum ein Großteil der Leihgaben für die Hochschulgalerie stammten. Damit wurde die Hochschule für die anderen Museen der DDR zum wichtigsten Kooperationspartner. Zudem war Heisig erster Stellvertreter des VBK-Präsidenten Willi Sitte und Leiter der Gesamtjury und der Jury für Malerei und Grafik bei den zentralen Kunstausstellungen der DDR in der Honecker-Ära. Beide Machtpositionen erlaubten es ihm, von der Bürokratie unabhängige Entscheidungen zu treffen.

Bernhard Heisig spielte gleichfalls eine wesentliche Rolle bei der Entstehung des Staatlichen Kunsthandels für zeitgenössische Kunst. Bereits von 1955 an hatte das Ministerium für Kultur einen vom Staat kontrollierten Kunsthandel aufgebaut, der vor allem den Verkauf von Antiquitäten ins Ausland abwickelte. Anfang 1972 forderte Heisig, der nach seiner Kündigung als Professor an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (1968) wieder freischaffend arbeitete, in der Zeitschrift "Bildende Kunst“ unter dem Titel "Wo bleibt der sozialistische Kunsthandel?” den privaten "Markt für den Künstler“ zu erschließen. Er verschaffte seinem Freund, dem Leipziger Kunstsammler Hans-Peter Schulz den Auftrag des Ministeriums für Kultur, auf der VII. Kunstausstellung der DDR vom Oktober 1972 bis März 1973 einen Verkaufsstand für originale DDR-Kunst einzurichten. Am Ende der Ausstellung hatte Schulz für 300.000 Mark Malerei, Grafik und Kleinplastik verkauft. Daraufhin stellte ihm der Rat der Stadt Leipzig Räume für eine eigene Galerie zur Verfügung. Der Erfolg veranlasste das Ministerium in Berlin darüber hinaus, den "Volkseigenen Handel Antiquitäten” 1973 zum "Volkseigenen Handelsbetrieb Kunst und Antiquitäten“ umzustrukturieren, aus dem sich das System des „Staatlichen Kunsthandels der DDR“ mit 40 Verkaufsgalerien in 26 Städten der Republik (1989) entwickelte.

Der Staatliche Kunsthandel besaß nicht nur das Verkaufsmonopol für bildende Kunst im Inland, sondern beanspruchte auch die Alleinvertretung von DDR-Künstlern im Ausland – unter anderem seit 1981 auf den Kunstmessen in Basel, Köln und Chicago. Gleichzeitig beeinflusste die Institution das Ausstellungsprofil der einzelnen Galerien in hohem Maße: Ausstellungskonzeptionen, Katalogvorhaben und Umsatzpläne wurden zwar von den Galeristen eigenständig erarbeitet, waren aber den jeweiligen Bezirksleitungen zur Bestätigung vorzulegen, die wiederum dem Generaldirektor Rechenschaft abzulegen hatten. Deshalb blieben unerwünschte Künstler in der Regel von Ausstellungen und in der Folge von der materiellen Existenzsicherung durch den Verkauf ihrer Arbeiten ausgeschlossen. Die im Prinzip einzige Galerie des Staatlichen Kunsthandels mit einem Ausstellungsprogramm, das diese Künstler favorisierte, war die Galerie Arkade in Berlin. Sie stellte 1981 ihre Arbeit ein, nachdem ihr Leiter Klaus Werner entlassen worden war.

Im Frühjahr 1975 ließ der Ministerrat der DDR den Inhabern der Galerie am Sachsenplatz Gisela und Hans-Peter Schulz per Telegramm mitteilen, dass die Einrichtung als erste dem Staatlichen Kunsthandel der DDR angegliedert werde. Zwei Jahre zuvor zunächst als privates Unternehmen eröffnet, gehörte sie neben der Galerie Arkade in Berlin nicht nur zu den programmatisch bedeutendsten und unabhängigsten offiziellen Verkaufsgalerien, sondern war auch die mit Abstand wirtschaftlich erfolgreichste. Hans-Peter Schulz (1933–1996) kam ursprünglich aus dem Kürschnergewerbe, hatte 1964 eine Umschulung zum Isolierer im Chemiewerk Buna in Schkopau absolviert und anschließend seine Leidenschaft zum Sammeln von Kunst zur Profession gemacht. 1965 begann er, im Foyer des werkseigenen Kulturhauses Ausstellungen mit moderner Kunst zu organisieren. Schulz geriet mit dieser Konzeption unweigerlich in Konflikt mit der Kulturbürokratie – Ausstellungstitel mussten geändert werden, Kataloge wurden eingestampft und Bilder aus den Ausstellungen entfernt. Privat pflegte das Ehepaar Schulz seine Kontakte zu den Künstlern weiter und baute eine eigene Kunstsammlung auf – die persönlichen Vorlieben bestimmten im Wesentlichen auch das Profil der späteren Galerie am Sachsenplatz. Dazu gehörte die Kunst des Bauhauses. 1976 fand die erste Bauhaus-Verkaufsausstellung statt – sie wurde zur Gepflogenheit ebenso wie die sogenannten Bauhaus-Kataloge, von denen bis 1989 sieben Ausgaben erschienen. Im Laufe der Jahre zeigte die Galerie zahlreiche Künstler dieser Tradition in Einzelausstellungen – unter anderem Carl Marx, Irene Blühova, Albert Hennig, Otto Hofmann, Rüdiger Berlit, Theo Balden, Grete Reichardt und Franz Ehrlich. Mit feinem Gespür und großem Engagement suchten Gisela und Hans-Peter Schulz nach Künstlern und Werken, die vergessen worden waren oder sich in der "inneren Emigration“ befanden wie Herbert Behrens-Hangeler, Otto Müller-Eibenstock, Hermann Glöckner, Edmund Kesting, Max Lachnit, Albert Wigand und Willy Wolff. Gleichzeitig förderten sie jüngere Künstler, die sich auf die Moderne beriefen. Nicht selten gelang es, ihnen damit den Weg zur Aufnahme in den Verband zu ebnen, was wiederum die Möglichkeiten erweiterte, auch andernorts auszustellen zu können. Über ihre Ausstellungstätigkeit hinaus veranstaltete die Galerie im Zwei-Jahres-Rhythmus die wichtigsten Auktionen für bildende Kunst des 20. Jahrhunderts in der DDR, bei denen sich oft Hunderte von Interessierten, nicht selten aus dem westlichen Ausland, drängten. Bereits im ersten Jahr der Übernahme erwirtschaftete das Ehepaar Schulz einen Umsatz von 240.000 Mark, später waren es etwa zwei Millionen Mark pro Jahr. Dass die Pläne des stets linientreuen Direktors des Staatlichen Kunsthandels Horst Weiß, den Galeristen ihrer offensichtlichen ideologischen Unabhängigkeit wegen die Lizenz zu entziehen, letztlich nicht umgesetzt wurden, war ausschließlich dem erzielten Profit zu verdanken.

Die fehlenden Ausstellungsmöglichkeiten hatten Künstler immer wieder dazu veranlasst, privat die Initiative zur Präsentation ihrer Arbeiten zu ergreifen. Um diese Bestrebungen zu kanalisieren und damit kontrollieren zu können, forcierte die staatliche Kulturpolitik in den 1970er Jahren neben der Gründung von Galerien des Staatlichen Kunsthandels das Entstehen von etwa 450 "Kleinen Galerien“ des Kulturbundes und der städtischen Regierungsbezirke – sogenannte Stadtbezirksgalerien. Trotz der institutionellen Einbindung gelang es engagierten Vermittlern, ein individuelles Profil zu entwickeln und ihr Programm auf bisher nicht in den offiziellen Kanon aufgenommene Künstler und Projekte zu erweitern. In Dresden beschloss der Rat der Stadt im Gefolge der privat organisierten Ausstellungen der Künstlergruppe „Lücke“ , die bei der Dresdner Künstlerschaft große Resonanz erfahren hatten, von den Behörden aber bestenfalls geduldet worden waren, in jedem Stadtbezirk ein "Ausstellungsunternehmen“ zu schaffen. 1974 wurde die erste kommunale "Kleine Galerie“, die Galerie Nord, anlässlich des 25. Jahrestages der DDR eröffnet. 1979 folgte die Galerie Mitte. Beide sollten für die Entwicklung alternativer Konzepte jenseits der Kunstdoktrin des Sozialistischen Realismus von Bedeutung sein. Tatsächlich entdeckte eine Gruppe junger Künstler um Joachim Böttcher, Stefan Plenkers und Rainer Zille – das Trio hatte ein Jahr zuvor auch die Ausstellung zur Wiedereröffnung des Leonhardi-Museums initiiert – den Ladenraum einer ehemaligen Eisdiele in einem Altbau auf der Leipziger Straße Nr. 54 und war am Ausbau beteiligt. Die Künstler, größtenteils Absolventen des Jahrgangs 1972 der Hochschule für Bildende Künste Dresden , wohnten im Stadtbezirk Nord und hatten eine Möglichkeit gesucht, ihre Arbeiten auch öffentlich zu zeigen. Im Gegensatz zur Galerie Mitte vertraten die Galerie Nord und ihre Leiterin Sigrid Walther ein Generationenkonzept, das sich vor allem auf die Dresdner Maler und Grafiker konzentrierte. Die meisten der sieben bis acht jährlichen Ausstellungen blieben Künstlern der jüngeren und mittleren Generation vorbehalten, jeweils einmal im Jahr wurden ein älterer Künstler, ein Dresden "durch Herkunft oder Ausbildung“ verbundener Künstler und Hochschulabsolventen der HfBK in einer Gruppen-Ausstellung gezeigt.

Das Profil der Galerie Mitte, im September 1979 als städtische Galerie im Erdgeschoss eines alten Bürgerhauses am Fetscherplatz gegründet, bestimmte sich eher durch Gruppen- und thematische Ausstellungen, die systematische Vergleiche und "horizontale Kritik“ (Klaus Werner) erlaubten. Auch kamen die gezeigten vorrangig jungen Künstler zumindest anfangs nicht überwiegend aus Dresden, was an der aus Berlin stammenden Kunstwissenschaftlerin Gabriele Muschter lag, die die Galerie bis 1984 leitete. Nach ihrem Weggang setzte Karin Weber Fotografie und Installationen ins Zentrum ihrer Ausstellungstätigkeit – beides eher Randerscheinungen in der offiziellen DDR-Ausstellungskultur. Besonders die Ausstellung "Junge Fotografen der achtziger Jahre“ mit 17 Fotografen aus der DDR und Lutz Dammbecks Mediencollage „Herakles“ (beide 1986) stießen auf großes Publikumsinteresse. In Leipzig präsentierte die 1981 entstandene Galerie Nord des Kulturbundes im Viertelsweg 47 unter der Leitung der Leipziger Kunstwissenschaftlerin Ina Gille zwischen 1986 und 1989 ein eigenwilliges Programm junger Kunst. Hier fanden Filmaktionen von Lutz Dammbeck ebenso statt wie Ausstellungen der Künstlerin und früheren Organisatorin der Erfurter Wohnungsgalerie im Flur  Gabriele Kachold oder der Fotografin Christiane Eisler. Sie hatte bereits im Mai 1986 mit ihrer Ausstellung von Porträtstudien Berliner und Leipziger Punks in der Galerie P, die kurz nach der Eröffnung von den Behörden geschlossen wurde, für Aufsehen gesorgt.

Die Galerie P, 1981 als erste Plakatgalerie des Staatlichen Kunsthandels von der Kulturwissenschaftlerin Elke Pietzsch in der Erich-Ferl-Straße 13 eröffnet, konzentrierte ihre Arbeit auf das Medium der Fotografie, die in den 1980er Jahren zum künstlerischen Synonym der Abwendung von ideologisch geprägten Bildformeln wurde. Die bildnerischen Ausdrucksmittel der gezeigten Fotografen, darunter viele Absolventen der Fachrichtung Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst , reichten vom subjektiven Blick auf soziale Zustände bis hin zu inszenatorischen und konzeptuellen Ansätzen. Die Ausstellungen "Jugend in Grünau“ von Harald Kirchner (1985), "Arbeit mit Behinderten“ von Karin Wieckhorst (1985), die Milieustudien von Gundula Schulze, Thomas Kläber oder Gerhard Weber (1989) sowie die multimedialen Experimente von Klaus Elle und Peter Oehlmann, die beide aus der Experimentalklasse von Hartwig Ebersbach kamen, die "Konzeptionelle Fotografie“ von Kurt Buchwald (1988) und das Fotografie-Text-Musik-Projekt von Edith Tar, Christian Heckel und Erwin Stache (1989) sind Beispiele.[4 ] Die Fotografie als experimentelles Instrument der Selbsterforschung und Selbstinszenierung, nicht selten in aktionistische oder installative Zusammenhänge gestellt, dominierte auch das Programm der Berliner Galerie Treptow im Kreiskulturhaus des am südlichen Rand Ostberlins gelegenen Stadtbezirks. Mit den Debüts von Tina Bara, Sven Marquardt, Jens Rötzsch oder Maria Sewcz, den Ausstellungen von Claus Bach, Kurt Buchwald, Klaus Elle, Harald Hauswald, Florian Merkel, Michael Scheffer, Gundula Schulze, Ulrich Wüst und den Einzelauftritten der als bekannt gewordenen Michael Brendel, Rainer Görß und Else Gabriel verschaffte Longest F. Stein, seit 1983 Leiter der Galerie in der Puschkinallee 5, der interessierten Öffentlichkeit einen breiten Einblick in die wesentlichen Entwicklungen dieser Bewegung. Für eine der letzten Neugründungen staatlich finanzierter Ausstellungsplattformen – die Galerie Weißer Elefant in Berlin-Mitte – waren Fotografie, Installationen und Aktionskunst dann die Voraussetzungen ihrer Konzeption. Alle Beispiele zeigen, dass Künstler und Kunstvermittler von staatlicher Seite gewährte Freiräume konsequent erweiterten. Seit den 1970er und vor allem in den 1980er Jahren, parallel zum politischen und ökonomischen Niedergang der DDR, konnten sich deshalb auch in staatlichen Galerien und Ausstellungsinstitutionen souveräne Entscheidungen und selbstständiges Handeln programmatisch durchsetzen – sofern die jeweiligen Protagonisten nachdrücklich auf ihren Vorstellungen künstlerischer Freiheit bestanden.

Das Monopol der Kulturbürokratie über den öffentlichen Raum in der DDR und auf die Entscheidung darüber, welche Künstler welche Ausstellung an welchem Ort zeigen dürfen, wurde endgültig mit dem "1. Leipziger Herbstsalon“ gebrochen. Er widerlegte die Vorstellung von der Kontrollfähigkeit der Gesellschaft über die Kunst und war als Präsentation unterschiedlichster Positionen jenseits der auf Malerei und Zeichnung fixierten Haltungen der "Leipziger Schule“ eine Provokation. Im Sommer 1984, am achten Jahrestag des gescheiterten Ausstellungsprojektes „Tangente“, trafen sich die Leipziger Maler Hans-Hendrik Grimmling, Frieder Heinze, Lutz Dammbeck, Günther Huniat, Olaf Wegewitz und Günter Firit, um noch einmal in Eigenregie eine unzensierte Ausstellung anzuregen, die ihre Arbeitsbegriffe thematisierte – den Umgang mit Material, die Vernetzung der künstlerischen Bereiche, die Einbeziehung neuer Möglichkeiten der Kommunikation, den Übergang zu Sprache, Musik, zum Objekt. Der Titel "1. Leipziger Herbstsalon“ wurde in Anspielung auf Herwarth Waldens Ausstellung im Jahr 1913 gewählt. Grimmling, Heinze und Huniat mieteten als Mitglieder der Sektionsleitung des Verbandes Bildender Künstler für November eine Etage von über 1.000 qm im Messehaus am Markt in der Innenstadt. Das gelang, weil das Messeamt die längste Zeit glaubte, den Vertrag für eine offizielle Veranstaltung geschlossen zu haben. Erst nachdem die Arbeiten aus den Ateliers in die Halle transportiert, die Installationen aufgebaut und die Einladungen in den Briefkästen gelandet waren, wurden die Behörden aufmerksam und versuchten, die Ausstellung zu verhindern.

Doch auch die Öffentlichkeit war bereits hellhörig geworden: Die Nachricht von der Konfrontation mit dem Verband und dem Rat der Stadt verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt und wurde nicht nur in Künstlerkreisen debattiert. Selbst ältere Kollegen wie Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig, damals hoher Funktionär der Verbands- und Parteileitung, solidarisierten sich, obwohl gerade die Abkehr von den Traditionen der "Leipziger Schule“ zum erklärten Programm der Organisatoren des Herbstsalons gehörte. Vermutlich war es die Intervention Heisigs in der Kulturabteilung des ZK der SED, die schließlich die Rücknahme des vom Rat des Bezirkes beschlossenen Ausstellungsverbots und der Vertragsannullierung durch die Leipziger Messe bewirkte. Die bereits in die Wege geleitete Räumung der Ausstellung wurde offenbar ausgesetzt, weil die Funktionäre nicht riskieren wollten, dass die Präsentation eines nicht genehmen künstlerischen Konzepts zur politisch brisanten Protestaktion geriet: Die Künstler hatten gedroht, mit ihren Bildern den Marktplatz zu besetzen.

In den folgenden vier Wochen sahen fast zehntausend Menschen aus dem In- und Ausland die Ausstellung, obwohl es in der Öffentlichkeit keinerlei Hinweise auf sie gab. Vor allem die jüngere Generation von Künstlern sah sich ermuntert, fortan die Ideen des "Herbstsalons“ zu multiplizieren, ohne sich um Lehre, Traditionen und kulturpolitische Floskeln zu kümmern. Wenig später stifteten die Beteiligten der Ausstellungsaktion einige Werke zum Verkauf für die Renovierung der Räume einer stillgelegten Fabrik in der Leipziger Südvorstadt, in der eine Gruppe junger Hochschulabsolventen eine Produzentengalerie betreiben wollteZur Person

Uta Grundmann

Geb. 1965, Kunsthistorikerin, arbeitet als freiberufliche Autorin und Lektorin in Berlin.

Das Leonhardi-Museum in der Grundstraße 26 im Dresdner Stadtteil Loschwitz gehörte zu den ungewöhnlichsten Foren der Gegenwartskunst in der DDR, weil es ein von Künstlern selbst bestimmtes Ausstellungsprogramm unter der Obhut staatlicher Aufsicht behauptete.

Das Leonhardi-Museum in der Grundstraße 26 im Dresdner Stadtteil Loschwitz – benannt nach dem spätromantischen Landschaftsmaler Eduard Leonhardi (1828–1905) – gehörte zu den ungewöhnlichsten Foren der Gegenwartskunst in der DDR. Es behauptete mehr als zwanzig Jahre lang ein von Künstlern selbst bestimmtes Ausstellungsprogramm unter der Obhut des normalerweise streng reglementierenden Verbandes Bildender Künstler und des Stadtbezirks Dresden-Ost.

Wesentlich für die Unabhängigkeit von den vorgegebenen Richtlinien staatlicher Kunstpolitik war die Organisationsform der Verantwortlichen für das Programm: Das inhaltliche Profil der Ausstellungen wurde von einem "Aktiv“ junger Dresdner Maler, Grafiker und Bildhauer entwickelt, das in wechselnder Besetzung als AG Leonhardi-Museum agierte und in der die Funktionäre des Verbandes in der Minderheit waren. Alle Künstler, die sich an diesem Arbeitskreis beteiligten, und fast alle Künstler, die in den Räumen der Galerie ausstellten, waren selbst Mitglieder oder Kandidaten des Künstlerverbandes, weshalb die staatlichen Instanzen die Akteure meist gewähren ließen, bevor Verbote ausgesprochen wurden. Bereits die erste Arbeitsgruppe um Claus Weidensdorfer, Max Uhlig und den freiberuflichen Kunsthistoriker Diether Schmidt fühlte sich den in der DDR ausgegrenzten Traditionen der Moderne verpflicht und zeigte von Ende 1963 an vorwiegend Dresdner Künstler und Künstlervereinigungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verorten waren. Differenzen der AG mit dem Verband über die inhaltliche Ausrichtung der Galerie hatten im Herbst 1970 die Schließung der Ausstellungsräume zur Folge. Nach der Wiedereröffnung 1973 konzentrierte sich das Ausstellungsprogramm auf die jüngere Generation, die sich – auf diese lokalen Traditionen beziehend – ebenfalls abseits vorgegebener Sehgewohnheiten bewegte: Neben expressiven, abstrakten oder konkreten Werken wurden Arbeiten aus neuen Materialien, Objekte und erste Installationen gezeigt. Die Arbeitsgruppe setzte sich seit 1976 aus Peter Herrmann, Eberhard Göschel und Thea Richter zusammen; später kamen Michael Freudenberg, Helge Leiberg und Volker Henze hinzu. Die Künstler waren für die Planung einer Reihe von Gemeinschaftsausstellungen verantwortlich, die den legendären Ruf des Leonhardi-Museums als unkonventionellem Ausstellungsort festigten: 1979 stellte das dreiteilige "Dezennien“-Projekt drei Generationen Dresdner Künstler zwischen 20 und 50 Jahren ein Podium für aktuelle Arbeiten zur Verfügung. Michael Freudenberg schlug als Thema des ersten Teils das mehrdeutige Motiv der "Tür“ vor, das die beteiligten Zwanzig- bis Dreißigjährigen – unter ihnen Cornelia Schleime, Helge Leiberg, Volker Henze, Karla Woisnitza und die beiden HfBK-Studenten Ralf Kerbach und Reinhard Sandner – mit Objekten und Installationen in eine große Rauminszenierung umsetzten oder wie Thomas Wetzel als öffentliche Aktionen realisierten. Weil die Berliner Verbandsleitung in der Konzeption einen "Verstoß gegen die Parteipolitik“ sah und die Dresdner Sektion zur Rechenschaft zog, durfte der zweite Teil der Ausstellungsreihe nicht eröffnet werden. Begründung: Der Teilnehmer A.R. Penck sei kein Verbandsmitglied. Im dritten Teil wurde auf die Schließung freilich Bezug genommen.

1980 fand die Ausstellung „Gemeinschaftsbilder“ unter anderen mit Arbeiten der Dresdner Gruppe „Lücke“, Arbeitsprodukten von Land-Art-Aktionen und Pleinairs der Karl-Marx-Städter „Clara Mosch“ und der Leipziger Künstler um das "Tangente“-Projekt statt. Für großes Aufsehen sorgte 1982 die Exposition "Frühstück im Freien“. Parallel zur IX. Kunstausstellung der DDR lud die Arbeitsgruppe mehr als dreißig Künstler zu einer Hommage an Edouard Manet und sein berühmtes Bild "Frühstück im Freien“ von 1863 ein, das zu seiner Zeit vom offiziellen Pariser Salon der französischen Akademie abgelehnt worden war. Die Ausstellung konnte nicht nur als origineller Gegenentwurf zur institutionalisierten Kunst verstanden werden, sondern auch als subtiles politisches Statement: Die Arbeiten der meisten Beteiligten waren wiederholt nicht zu den Leistungsschauen der DDR zugelassen worden. Die Eröffnung geriet zum rauschenden Fest und wurde von der Staatsicherheit zu einer fingierten Unterschriftensammlung von Besuchern genutzt, um die vom Verband gewünschte Abberufung Michael Freudenbergs als Leiter der AG durchzusetzen. Nach der Auflösung der Arbeitsgruppe Ende 1982 wurde die Galerie aus "technischen Gründen“ geschlossen. Ab 1986 wurde die Programmarbeit wieder aufgenommen, aber die wichtigen unabhängigen Ausstellungsaktivitäten hatten inzwischen anderweitig ihren Ort gefunden.

Am ersten Juniwochenende des Jahres 1985 fand in Coswig bei Dresden das erste Intermedia-Festival der DDR mit etwa vierzig Malern, Musikern der Freejazz- und Punkszene, Super-8-Filmern, Performern und Tänzern statt.

Am ersten Juniwochenende des Jahres 1985 fand in Coswig bei Dresden das erste Intermedia-Festival der DDR statt. Mehr als 1.500 Eingeweihte waren in den alten Ballsaal des örtlichen Klubhauses gekommen, um einem genreübergreifenden Kunstereignis beizuwohnen,. Unter dem Motto "Intermedia. Klangbild/Farbklang“ versammelten die Organisatoren Micha Kapinos und Christoph Tannert etwa vierzig Maler, Musiker der Freejazz- und Punkszene, Super-8-Filmer, Performer und Tänzer aus Schwerin, Magdeburg, Leipzig, Erfurt, Dresden und Berlin. Wolfgang Zimmermann, der Leiter des Hauses bot den jungen Künstlern ein offizielles Podium, das durch eine Reihe erstklassiger Jazzkonzerte in den Jahren davor bereits landesweit eingeführt war. Für das Spektakel wurden eigens Faltrollos bemalt, beklebt und beschrieben, um als Kulisse für Performances, Konzerte, Super-8-Filme und Modenschauen zu dienen. Eröffnet wurde "Intermedia I” mit der Aufführung von Lutz Dammbecks Mediencollage "Herakles“, in deren Zentrum Dammbecks 1981 entstandener Film "Hommage à La Sarraz“ stand – ein Film, der das Treffen unabhängiger Filmemacher im Schweizer Ort gleichen Namens 1929 würdigte. Dammbeck hatte bereits Anfang der 1980er Jahre mit der Arbeit am Herakles-Konzept als Szenarium für einen Experimentalfilm begonnen, der sich mit der deutschen Vergangenheit und der politischen und sozialen Realität in der DDR auseinandersetzen sollte. Nach der Ablehnung durch die DEFA entwarf er es als Rauminszenierung und Multimediaperformance mit der Tänzerin Fine (Kwiatkowski) neu.

Fine tanzte auch am zweiten Abend des Festivals während der Vorführung eines Super-8-Films der Dresdner Malerin Christine Schlegel. Für Aufregung, wenn nicht Fassungslosigkeit sorgten die zum Teil infernalisch lauten Klangexperimente der "Malerbands“: der Dresdner "Rennbahnband“, der Bahn "Pf...“ des Leipzigers Hans-Joachim Schulze oder der "Kartoffelschälmaschine”des Karl-Marx-Städters Klaus Hähner-Springmühl. Die zuständigen Partei- und Kulturfunktionäre hatten das Festival zunächst ohne Einschränkungen genehmigt. Zwei Monate nach der Veranstaltung jedoch wurde Wolfgang Zimmermann fristlos von seinem Posten entbunden, aus der SED ausgeschlossen und mit einem kulturpolitischen Tätigkeitsverbot belegt, da er eine Veranstaltung ermöglicht hatte, die "den Prinzipien der sozialistischen Kulturpolitik“ vollständig widersprach.

Die Hochschule für Bildende Künste in Dresden galt bis in die späten 1970er Jahre als Musterlehranstalt des sozialistischen Realismus. Im folgenden Jahrzehnt erneuerten Studenten das Image der Institution auf radikale Weise.

Dresden war einer der zentralen Orte der Kunst in der DDR. Im Albertinum an den Brühlschen Terrassen fanden seit 1953 alle fünf Jahre die zentralen Kunstausstellungen der DDR statt. Und die Hochschule für Bildende Künste, in unmittelbarer Nachbarschaft gelegen, galt bis in die späten 1970er Jahre als Musterlehranstalt des sozialistischen Realismus. Bereits in dieser Zeit studierte dort eine Reihe von Künstlern, die in den alternativen Kunstszenen der DDR bekannt werden sollten: unter anderen Eberhard Göschel (bis 1969), gefolgt von Hans Scheib, Reinhard Stangl, Volker Henze, Helge Leiberg, Christine Schlegel, Cornelia Schleime und Ralf Kerbach. Stilistisch orientierten sich die jungen Künstler in ihren Anfängen an der expressionistischen Tradition der Dresdner "Brücke“, die in den offiziellen Kunstkanon der DDR längst nicht aufgenommen worden war. Aber weniger die zunehmende Freiheit in ihren Bild(er)findungen oder die medialen Grenzüberschreitungen ließen sie in Konflikt mit den staatlichen Instanzen geraten als vielmehr ihr Lebensstil und ihre Vorstellungen von einer eigenen Ausstellungs- und Veröffentlichungspraxis. So gehörte Eberhard Göschel zu den Mitbegründern der Dresdner Obergrabenpresse  und Hans Scheib eröffnete 1977 in der Raumerstraße 23  und 1980 in der Sredzkistraße 64  in Berlin-Prenzlauer Berg einen privaten Ausstellungsraum. Eberhard Göschel und Helge Leiberg planten als Mitglieder einer Arbeitsgruppe zur Programmgestaltung des Leonhardi-Museums  in Dresden-Loschwitz einige thematische Gruppenausstellungen, die großes Aufsehen erregten und deren letzte 1982 zur zeitweiligen Schließung des Museums führte. Alle Genannten wurden von den Existenz sichernden Auftragsvergaben über den Verband Bildender Künstler ausgeschlossen, erhielten Ausstellungs- oder Auftrittsverbote, waren "zersetzenden Maßnahmen“ durch die Staatssicherheit ausgesetzt und reisten bis auf Eberhard Göschel – einen gebürtigen Bayern, der in die DDR übergesiedelt war – in die Bundesrepublik aus. An der Hochschule wurden Lehrer wie Gerhard Kettner, seit 1969 Professor und über mehrere Jahre Rektor der Schule, oder Günther Hornig als undogmatisch geschätzt und künstlerisch ernst genommen. Kettner, als Person selbst tief in den Machtapparat der Partei verstrickt, und sein Nachfolger Ingo Sandner, bis 1988 im Amt, zeigten sich unbedingt überzeugt davon, die künstlerische Souveränität an der Akademie vor der politischer Einflussnahme von außen zu schützen. Besonders Günther Hornig gab in der Lehre wichtige Impulse nicht nur für den selbstbestimmten künstlerischen Schaffensprozess der Studenten, sondern auch für die Etablierung prozesshafter Kunstformen über die strikt voneinander getrennten Disziplinen des Lehrplans hinaus. Nach dem Studium der Malerei und Grafik an ebendieser Hochschule Anfang der 1960er Jahre – er war ein Kommilitone von Gerhard Richter – übernahm er die Ausbildung im Grundlagenstudium der Malerei, wurde aber bald darauf wegen seiner abstrakten Bildsprache in den Fachbereich Bühnenbild abgeschoben. Seine Lehrmethoden widersprachen grundsätzlich der herrschenden Kunstauffassung, indem sie den Anspruch an ein "ästhetisches“ Bild, das sich selbst im Medium der Malerei reflektiert und weniger an ein bestimmtes Material denn an das physische Erleben gebunden ist, in die Praxis übersetzten. Hornig führte experimentelle Körperübungen, freie Materialstudien und eine ergebnisoffene Gesprächskultur über Kunst in den Unterricht ein. Zu seinen Schülern zählten ab 1982 Micha Brendel, Else Gabriel, Volker (Via) Lewandowsky und der zwei Jahre später immatrikulierte Rainer Görß, die mit spektakulären Aktionen an der Hochschule in die Öffentlichkeit traten und damit das Image der Institution auf radikale Weise erneuerten. Blieb das Diplom der erstgenannten mit der Performance "Herz, Horn, Haut, Schrein“ von der Hochschulleitung 1987 noch unbenotet, konnte Rainer Görß die Zulassung eines "Sonderstudienplans“ erstreiten, der ihn zwei Jahre später zum Doppeldiplom als Bühnenbildner und Maler/Grafiker mit der Note "Ausgezeichnet“ führte. Wesentlich für die Entwicklung der Hochschule zum Zentrum der alternativen Kunstszene in Dresden war 1985 die Übernahme des von ihr so benannten FDJ-Studentenklubs "Wendel“ durch Claudia "Wanda“ Reichardt, die als Hochschulmitarbeiterin dort und in den Ausstellungsräumen der Hochschule ein engagiertes Veranstaltungsprogramm durchsetzte. Wanda, die zur gleichen Zeit auch eine inoffizielle Galerie in der von ihr bewohnten Villa Marie am Elbufer in Dresden-Blasewitz betrieb, organisierte 1987 bis 1989 die ersten Super-8-Filmfestivals der DDR. Für eine Reihe von Lesungen lud sie namhafte Schriftsteller der DDR ein. Die Höhepunkte ihrer Tätigkeit waren 1988 die zehnstündige Dauerperformance "Nachtmär“ und die zwischen 1987 und 1989 stattfindenden "Frühjahrssalons“, von den Studenten selbst initiierte und unzensierte Ausstellungen, zu denen das Publikum aus dem ganzen Land anreiste.

Hans-Joachim Schulze gehörte zu den wenigen Künstlern in der DDR, der das intellektuelle Vermögen, die Sprachgewalt und den Mumm hatte, den permanenten Tabubruch der Grenzüberschreitung zwischen Kunst, Musik, Performance und Theorie zu proklamieren. (Christoph Tannert)Hans-Joachim Schulze war der erste Schüler Hartwig Ebersbachs, der 1981 sein Studium an der Hochscule für Grafik und Buchkunst mit einem "Experiment“ abschloss. Die Analyse der eigenen Tätigkeit hatte er konsequent in ein Environment seines Produktionsprozesses umgesetzt – als stilisierten Arbeitsraum, vom Fußboden bis zur Decke angefüllt mit Zeitungen, Fundstücken, Rudimenten früherer Arbeiten bis hin zu fertigen Systemzeichnungen und Fotodokumentationen seiner Aktionen. Das Interesse Schulzes an der Gestaltung von solchen Zusammenhängen entstand aus der Rezeption vor allem Marxscher Schriften. 1979 gründete er gemeinsam mit seiner damaligen Frau Gunda, seinem Lehrer Hartwig Ebersbach und dem Philosophen Wolfgang Peters einen Arbeitskreis, um über eine Neuorganisation künstlerischer Tätigkeit zu diskutieren. Die Arbeit in der Gruppe – Gespräche zu Problemen der Informationsverarbeitung und Psychologie, kritische Auseinandersetzungen zur Philosophie und Erkenntnistheorie, Gesprächsaufzeichnungen, Prozessanalysen, Modellentwürfe und praktische "Betriebsabläufe“ – sollte einen notwendig zu vollziehenden Paradigmenwechsel von einem starren, mechanistischen, autoritären Denken hin zu einem spielerischen, zufälligen und assoziativen ermöglichen. Die Bildproduktion diente dabei dem Entwurf eines Systems "symbolischer Repräsentanzen“, um nicht nur auf eine Sprache angewiesen zu sein, die als solche einem deterministischen Weltbild unterworfen war. Aus dem Arbeitskreis entstand im Sommer 1982 die "Gruppe 37,2“. Der Name war Programm: 37,2, ein Terminus, der in der Informationstheorie der Überraschungswert genannt wird, kennzeichnet in den verschiedensten Bereichen "kritische Momente“ oder "optimale Werte“. Erstes Ergebnis der Zusammenarbeit von Gunda und Hans-Joachim Schulze, Hartwig Ebersbach, dem Fotografen Peter Oehlmann, der Psychologin Annelie Harnisch und der Problemanalytikerin und Kybernetikerin Brunhild Matthias war ein Konzept für die "wissenschaftlich-künstlerische Arbeit in der sozialistischen Produktion“ und das "Pilotprojekt Jugendklub“. Durch Annelie Harnisch konzentrierte sich die Gruppe intern auf psychische Trainingsprozesse. Die künstlerische Produktion verstand sich in diesem Zusammenhang als Improvisation im kommunikativen Reagieren aufeinander oder als Protokoll eines Trainingsprozesses, das die unterschiedlichen Interaktionsformen präzise im gemeinsam entwickelten bildhaften Zeichensystem aufzeichnete. In der musikalischen Improvisation fand die Gruppe eine Verbindung zu den eigenen Ansätzen. Eine Reihe von öffentlichen Aktionen zwischen Happening und Performance fand von November 1982 bis März 1984 in Karl-Marx-Stadt, Berlin, Halle und Leipzig statt. Sie, "demonstrierten“ einerseits in der Interaktion von Musik, gestischer Malerei, Tanz und Pantomime die in der Gruppe entwickelten "Arbeitsabläufe“ und "Handlungsalgorithmen“. Andererseits waren sie der Versuch, mit dem Publikum in den kommunikativen Austausch zu treten. Im gleichen Jahr veranstaltete die Gruppe Kreativitätstrainings für sogenannte "staatliche Leiter“ der Bauakademie und des Kombinats VEB Carl Zeiss Jena sowie für Leiter von Jugendklubs. Die Teilnehmer waren aufgefordert, mit Pinsel und Farbe bestimmte Situationen und ihre Beziehung zueinander darzustellen. Was bei den Beteiligten großes Interesse und Zustimmung hervorrief, wurde von den betrieblich Verantwortlichen schnell torpediert. Die "praktizierte Selbstorganisation“, so fürchtete man wohl, würde sich den eingespielten Kontrollmechanismen entziehen. Die als Veranstaltungsreihe geplanten Aktivitäten wurden eingestellt. In dieser Zeit verließen Hartwig Ebersbach und Brunhild Matthias die Gruppe. Im September 1983 erhielt Hans-Joachim Schulze einen Vertrag mit der Bezirksleitung der FDJ, der ihm die Verwirklichung seiner Ideen in einem gesellschaftlich relevanten Rahmen erlaubte – der Vertrag beauftragte Schulze, nach der Analyse der Arbeit in den FDJ-Jugendklubs von Leipzig-Grünau einen "Modelljugendklub“ für den Stadtbezirk zu entwerfen. Die Analyse fasste Schulze in einem Text zusammen, in dem er für die Jugendlichen "freie Selbstbetätigung“ und einen „nicht vorstrukturierten Raum“ beanspruchte, der aktive Rezeption und Eigeninitiative erst ermöglicht. Nachdem in einem der Klubs unter seiner Anleitung eine Wand in einer orgiastischen Aktion bemalt worden war, erhielt Schulze Hausverbot für alle kulturellen Einrichtungen des Stadtbezirkes. Die monatliche Überweisung der vertraglich vereinbarten Summe war von nun an verbunden mit der nur bedingt wohlwollenden Ermahnung: "Sie machen am besten nichts.“ Auch die Staatssicherheit war inzwischen daran gegangen, die Vorgänge "aufzuklären“ – sie identifizierte Hans Schulze als einen „eindeutigen Vertreter der Aktionskunst“, der mit seinen Aktivitäten "politisch-negativen Einfluss“ ausübt, "indem er feindlich-negativ den Marxismus-Leninismus interpretiert und verbreitet“. Weil man darin die "Zielstellung, eine gesellschaftspolitische Konzeption für die DDR entsprechend [seiner] Auffassung zu erarbeiten“, erkannte, eröffnete die Abteilung XX/7, zuständig für die Observation von Schriftstellern und Künstlern, im Frühjahr 1983 eine "operative Personenkontrolle“ – Deckname: "Verbesserer“. Die Akte wurde 1986 geschlossen. Schulze verließ die DDR, "weil es nichts mehr zum Weiterkämpfen gab“.

Zu den wichtigsten öffentlichen Orten nichtideologischer Kunstproduktion in der DDR zählte die Galerie Arkade. Sie lag bis zu ihrer Schließung im Jahre 1981 am Strausberger Platz, einem sehr exponierten Platz an der Karl-Marx-Allee in Ostberlin.

Im März 1973 übernahm der Kunsthistoriker Klaus Werner die Geschäftsführung der Genossenschaft bildender Künstler, die dort ein Kunstgewerbegeschäft betrieb. Am 12. November desselben Jahres eröffnete er mit Unterstützung des Vorstandes der Genossenschaft eine Galerie für Gegenwartskunst, mit deren Programm er vor allem jüngeren, noch unbekannten und umstrittenen älteren Künstlerinnen und Künstlern Anerkennung verschaffen wollte. Im Juli 1975 wurde die Galerie vom im Jahr zuvor gegründeten Staatlichen Kunsthandel der DDR übernommen. Klaus Werner war bereits mehrfach reglementiert und aus Anstellungen entlassen worden, weil er sich dem Diktat einer politisch-ideologisch begründeten Kunstpolitik nicht unterworfen hatte und stattdessen unerwünschte Außenseiter protegierte. Er hatte Kunstgeschichte an der Berliner Humboldt-Universität studiert und war von 1963 bis 1964 Referent im Ministerium für Kultur der DDR. Nach seiner Entlassung profilierte er sich als freiberuflicher Kunstwissenschaftler. 1968 folgten eine Assistenz beim Rat für Kulturwissenschaften im Ministerium für Kultur unter Klaus Gysi, ein "Bewährungsaufenthalt“ als Referent für bildende Kunst beim Rat des Bezirkes in Neubrandenburg, die Leitung der Druckwerkstätten der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und schließlich 1973 die Beschäftigung bei der Künstlergenossenschaft. In den acht Jahren des Bestehens der Galerie Arkade entstanden 67 Ausstellungen. Klaus Werner konzipierte die Einzelpräsentationen mit den Künstlern selbst, verstand seine Arbeit jedoch in der Tradition der großen Galeristen des frühen 20. Jahrhunderts, die nicht nur die Künstler als Freunde und Mäzene unterstützten, sondern immer auch die Öffentlichkeit, das heißt den Sammler und Kunstliebhaber, im Blick hatten. Künstlern der älteren Generation wie Hermann Glöckner und Willy Wolff bot die Galerie ein Podium ebenso wie den damals Mitvierzigern Horst Bartnig, Carlfriedrich Claus, Harald Metzkes, Robert Rehfeldt, Gil Schlesinger und Max Uhlig. Das Programm wurde ergänzt durch neuere Positionen von Michael Morgner, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke und Gregor-Torsten Kozik (Schade) – sie gründeten 1977 die unabhängige Produzentengalerie „Clara Mosch“  in Karl-Marx-Stadt – oder Manfred Butzmann, Lutz Dammbeck, Eberhard Göschel, Hans-Hendrik Grimmling und Erhard Monden. Der Galerist legte gleichfalls großen Wert auf die kunstwissenschaftliche Dokumentation seiner Arbeit und vermittelte damit zeitgenössische Kunst auf eine Weise, die damals eher unüblich war: Er veröffentlichte Werkverzeichnisse, Editionen, Mappenwerke und Kataloge zu thematischen Ausstellungen mit dem Ziel, ein kleines Kompendium zur Kunst der DDR im Kontext neuester, auch internationaler Entwicklungen herauszugeben. Neben den Ausstellungen wurden von der Galerie Vorträge zu internationalen Kunstentwicklungen, Pleinairs, Auktionen sowie Studien- und Städtereisen organisiert. Diese Veranstaltungen, vor allem die Pleinairs, führten zu Werners fristloser Entlassung und zur Schließung der Galerie. Die Direktion des Staatlichen Kunsthandels warf ihm vor, Videokameras und Fotoapparate für die Aktionen illegal beschafft zu haben. Die Anschuldigungen dienten jedoch eher als Vorwand, dem engagierten Galeristen das Wirkungsfeld zu entziehen. Nach der Schließung der Galerie Arkade und seiner fristlosen Entlassung Ende 1981 lebte Klaus Werner als freier Kunsthistoriker in Leipzig. 1991 gründete er dort die Galerie für zeitgenössische Kunst, deren Direktor er 1998 bis 2000 war.

Zu Beginn der 1970er Jahre bereicherte eine kleine Gruppe künstlerischer Autodidakten um den damals Anfang Dreißigjährigen A.R. Penck die Dresdner Kunstszene.

Zu Beginn der 1970er Jahre bereicherte eine kleine Gruppe künstlerischer Autodidakten um den damals Anfang Dreißigjährigen A.R. Penck die Dresdner Kunstszene. Penck, 1939 in Dresden als Ralf Winkler geboren, hatte Anfang der 1950er Jahre bei Jürgen Böttcher (Strawalde) an der Volkshochschule Mal- und Zeichenunterricht erhalten und sich ab 1956 mehrmals vergeblich um die Aufnahme an der Dresdner und Berliner Kunstakademie beworben. Der Verband Bildender Kunst der DDR nahm ihn 1966 als Kandidat in seine Reihen auf, verwehrte ihm aber 1969 endgültig die Mitgliedschaft und damit die Legitimation als Künstler. Also ging Penck, wie er es selbst bezeichnete, "in den Untergrund“. In der Mietwohnung des Kunsterziehers Wolfgang Opitz im "Hechtviertel“ der Dresdner Neustadt fand im März 1971 die erste größere Ausstellung der Gruppe statt, zu deren engsten Mitgliedern neben Penck und Opitz Harald Gallasch und Steffen Kuhnert (Terk) gehörten. Die "Erste Integration junger Zeitgenossen“, so der Titel der Ausstellung, versammelte aber auch Werke älterer Kollegen wie Peter Graf, Peter Herrmann und Peter Makolies – die Penck bei Strawalde kennengelernt hatte.

Bereits seit längerem nutzten Penck und seine Mitstreiter die Räume von Opitz als Atelier für Kollektivbilder, Super-8-Filmprojekte und Proben der gemeinsamen Band. Im Mai 1971 formierte sich die zuvor informelle Vereinigung zur freien Künstlergruppe "Lücke“ – eine selbstbewusste und ironische Anspielung auf die Dresdner Expressionisten der "Brücke“ und bis dahin einmalig in der DDR. Penck, ohne Zweifel der Motor der Verbindung, mietete für die Gründungszeremonie das meist leerstehende Filmstudio des parteieigenen Zeitungs- und Zeitschriftenverlages "Zeit im Bild“. Die für die Vermietung zuständige Verlagsabteilung hatte wohl nicht realisiert, wem sie die Räume zur Verfügung stellte. In weiteren unangemeldeten und deshalb nach DDR-Recht illegalen Expositionen der nun so genannten Galerie Lücke frequentor in der Hechtstraße 25 stellten nicht nur die Gruppenmitglieder, sondern auch andere Dresdner Künstler aus. Eine größere Ausstellung mit Gemeinschaftsbildern der "Lücke”-Maler fand nach der Rückkehr Pencks vom Militärdienst im Mai 1973 im erneut gemieteten großzügigen Aufnahmesaal des erwähnten Staatsverlages statt. Während der Eröffnung kam es zur denkwürdigen Begegnung mit dem bedeutendsten Konstruktivisten der DDR, dem 83-jährigen Hermann Glöckner, der vom Direktor des Kupferstich-Kabinetts Werner Schmidt begleitet wurde. Um die weitere kontinuierliche Zusammenarbeit der Gruppe zu verhindern, wurden nach Penck auch die anderen drei Mitglieder der „Lücke” bis 1975 zeitversetzt zum Dienst bei der NVA verpflichtet. Nach der Rückkehr der beiden jüngeren Mitglieder löste sich die "Lücke“ auf. 1976 entstand das letzte große Kollektivbild, eine Materialcollage mit dem Titel "Lücke-Ende“. Einige der etwa sechzig in Zusammenarbeit entstandenen Werke wurden 1980 in der Ausstellung "Gemeinschaftsbilder“ imLeonardi-Museum gezeigt.

A.R. Penck war ohne Zweifel eine der wichtigsten Bezugspersonen für die sich entwickelnde alternative Kunstszene in Dresden und darüber hinaus. Er gehörte zu den Mitbegründern der Dresdner Obergrabenpresse Studierenden zählten ihn zu ihren Vorbildern. Penck hatte nicht nur neue künstlerische Ansätze entwickelt, sondern mit der Gründung der "Lücke“ als unabhängigem Künstlerverbund erstmals die politische Alternative zur hierarchisch strukturierten, ideologisch zwangskollektivierten Künstlergemeinschaft des Verbandes aufgezeigt. 1975 erhielt Penck den Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste in Westberlin. Im Herbst 1976 traf er den westdeutschen Malerkollegen Jörg Immendorff im Osten der Stadt. Mit ihm arbeitete er in den folgenden Jahren als "Kollektiv Immendorff-Penck“ zusammen – beide verpflichteten sich in ihren Bildern einer dezidiert politischen Thematik. Nach zahlreichen Einschüchterungsversuchen durch die Staatssicherheit – unter anderem wurde bei einem Einbruch in sein Atelier Arbeiten und Aufzeichnungen zerstört – wurde Penck im August 1980 vor die Alternative gestellt, inhaftiert zu werden oder die Staatsbürgerschaft zu verlieren. Daraufhin reiste Penck in die Bundesrepublik Deutschland aus. Penck lebt seit 1987 vorwiegend in Dublin/Irland.

Zeitungen mit einem großen Kunst- oder Kulturteil in der DDR unterlagen massiver Kontrolle und Repression.

Das Ministerium war zum einen in die staatliche Öffentlichkeitsarbeit eingebunden, es "belieferte" die Medien mit Argumentationsmaterialien und koordinierte geplante Veröffentlichungen, die im engeren Sinn die Arbeit des Ministeriums betrafen. Hier unterschied sich das MfS kaum von den anderen DDR-Ministerien. Das zweite Aufgabengebiet umfasste zum anderen die politisch-operative Absicherung der Redaktionen und Druckereien über ein Netzwerk an inoffiziellen und hauptamtlichen Mitarbeitern. Bei dieser geheimen Überwachung einzelner Personen ging es allerdings weniger um die Platzierung von Artikeln, sondern vielmehr um das Abschöpfen von Informationen. In der Zentrale des MfS gab es eine eigens für die Pressearbeit eingesetzte Abteilung Agitation (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen ZK-Abteilung), die in der Zeit zwischen Juli 1954 und März 1955 geplant, und schließlich im Sommer desselben Jahres als eigenständige Abteilung im damaligen Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS) eingerichtet wurde. Begründung für diese Maßnahme war, dass die Agitationsarbeit des Geheimdienstes bis dato nur "wenig organisiert" und "häufig sporadisch" erfolgte. Die Abteilung blieb auch nach der (Rück-)Umwandlung des SfS in das Ministerium für Staatssicherheit im November 1955 bestehen. Aus einem Stellenplanentwurf von Oktober 1957 geht nicht nur hervor, dass rund 50 Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt dort beschäftigt waren, sondern dass die Abteilung auch mit der ZK-Abteilung für Agitation, der Agitationskommission und dem Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates zusammenarbeitete. Später kamen weitere Arbeitskontakte hinzu: zum Beispiel zur Westkommission des Politbüros, zu anderen Ministerien sowie zum Ausschuss für Deutsche Einheit. Im Jahr 1957 übernahm Günter Halle die Leitung der Abteilung, der sie innerhalb eines Jahrzehnts auf knapp 60 Mitarbeiter ausbaute - damit war sie fast genauso groß wie die Schwesterabteilung im Zentralkomitee. Durch seinen Befehl Nr. 6/85 löste der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, die Abteilung Agitation schließlich mit Wirkung zum 1. Mai 1985 auf und ließ sie fortan als "Bereich 6" der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) der Führung von Oberst Karl Fischer unterstellen. Zu den Hauptaufgaben des Bereichs 6, der gegenüber der Öffentlichkeit als "Presseabteilung des MfS" zu bezeichnen war, gehörte wie schon bei der Abteilung Agitation die "Realisierung von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, Presse- und Buchprojekten mit den zentralen Medien und mit Autoren, Dramaturgen und Regisseuren." Seit den frühesten 1960er Jahren unterhielt die Abteilung Agitation des MfS offizielle Verbindungen zu den Chefredaktionen und Verlagen in Berlin, unter anderem zum ND, zur Berliner Zeitung, BZ am Abend, Jungen Welt, Wochenpost, Freien Welt, Tribüne, zu den Leitungen der beiden Staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen und zur Nachrichtenagentur Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN).[14 ] Die überlieferten Akten verdeutlichen, dass das Ministerium vor allem als Zulieferer und Vorzensor auftrat. Besonders üppig fällt das Aktenmaterial aus zu Artikeln für das SED-Zentralorgan Neues Deutschland (ND), die Wochenpost, die Armeerundschau oder sogar für die Jugendzeitschrift Trommel, die meist zu Jubiläen des Ministeriums, zu Geburtstagen von "Tschekisten" oder ähnlichen Anlässen von der MfS-Abteilung Agitation angefertigt wurden, häufig auch im Namen von Erich Mielke. Leitartikel - etwa für DynamoSport, das offizielle Magazin der Sportvereinigung Dynamo - schrieb Mielke als 1. Vorsitzender des Clubs manchmal auch selbst, zum 20. Jahrestag der DDR oder zum Ansporn der Sportler im neuen Jahr. Häufig wandten sich die Redaktionen an das Ministerium, um sich den Segen für kritische Artikel mit direktem oder indirektem MfS-Bezug einzuholen. Im August 1966 plante die Neue Berliner Illustrierte (NBI) zum Beispiel einen Bericht über Sporttaucher der Gesellschaft für Sport und Technik, die drei Akten aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen in einem See entdeckt hatten. Die Abteilung Agitation des MfS sagte eine Entscheidung über eine Veröffentlichung allerdings erst zu, "wenn der Sachstand geklärt" sei. Im Mai 1968 bat die Chefredaktion der Illustrierten das MfS sogar um Unterstützung bei der Vorbereitung einer Tatsachenserie über die Contergan-Affäre in Westdeutschland. Dass man bei der Staatssicherheit auch zielgruppenorientiert dachte, zeigt folgendes Beispiel: Im Januar 1970 rief Hermann Kalb, Chefredakteur der Neuen Zeit, in der MfS-Abteilung Agitation an und fragte nach einem Beitrag anlässlich des 20. Jahrestages des Ministeriums, weil "er niemand habe, der ihm einen solchen Artikel sachlich richtig machen würde". Daher würde er "es am liebsten sehen, wenn wir ihm einen solchen Artikel liefern würden", notierte Günter Halle - wobei "aber in jedem Fall bedacht werden" müsse, "daß er für die Leser einer immerhin christlich orientierten Parteizeitung geschrieben wird".Auch in anderen Fällen funktionierte Halles Team als Ratgeber und Rückversicherung. Im Februar 1969 wusste die Berliner Zeitung beispielsweise nicht, wie sie auf Leserbriefe reagieren sollte, die mit der Übersiedlung eines westdeutschen Wissenschaftlers in die DDR zusammenhingen. Ein Leser des Blatts war der Ansicht, dass dieser aus "unlauteren Motiven" in die DDR übergetreten sei. Daraufhin gab die MfS-Abteilung Agitation die Anweisung aus, dass Anfragen aus der Bevölkerung zu diesem Thema nicht veröffentlicht werden durften. Die Mitarbeiter der Staatssicherheit formulierten sogar den Wortlaut, wie auf künftige Leserbriefe reagiert werden sollte. Und im August 1970 ordnete die Abteilung an, dass in der Presse aufgrund von Nachahmungstätern nicht mehr über Flugzeugentführungen berichtet werden durfte, selbst wenn andere sozialistische Länder darüber etwas veröffentlichten. Diese Beispiele machen nicht nur deutlich, dass es einen offenen Kommunikationskanal zwischen den Redaktionen und der Pressestelle des MfS gab (sei es über das Telefon, sei es per Briefpost), sondern dass die Zusammenarbeit weitaus weniger konspirativ ablief, als in der Literatur allgemein behauptet wird. Im Oktober 1967 installierte das MfS extra eine direkte Fernschreibverbindung zwischen der Nachrichtenagentur ADN und dem Sekretariat des Ministers, um das Ministerium "schneller über wichtige Ereignisse" zu informieren. Auch "Sonderaufträge" liefen über diesen Ticker, wie zum Beispiel der Artikel "Alte Lügen neu aufpoliert" über angebliche Gefangenenmisshandlungen in DDR-Gefängnissen, der explizit "nur für ADN-West" bestimmt war.

Dort, wo der Staatsicherheitsdienst tatsächlich konspirativ arbeitete, ging es weniger um Inhalte als vielmehr darum, den Medienbetrieb im Land ohne Störung am Laufen zu halten. Die in den Redaktionen stationierten inoffiziellen Mitarbeiter nahmen keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte im Auftrag des MfS, sondern waren in erster Linie für die Überwachung der Kollegen zuständig und sammelten aufgrund ihrer umfangreichen Vernetzung als Journalisten gezielt Informationen weit über die Redaktionsstuben hinaus. Die sicherheitspolitische Zielstellung der Staatssicherheit bestand darin, vor allem Personen "mit operativ bedeutsamen Merkmalen" aufzuklären (etwa Mitarbeiter in Schlüsselpositionen, Geheimnisträger, Reisekader). Deshalb war die Stasi auch darauf aus, "die inoffizielle Basis in quantitativer Hinsicht" insbesondere in den Abteilungen Sport, Nachrichten und Außenpolitik der Presse "ständig auszubauen und zu erweitern." Nirgendwo sonst war der Kontakt zu Politikern und zum Ausland so eng wie hier. Schon vor dem Bau der Berliner Mauer arbeiteten Journalisten als inoffizielle Mitarbeiter für die Staatssicherheit. Während der Chefredakteur des Neuen Deutschland, Günter Schabowski (1978-1985), erst nachträglich erfahren haben will, wer in seiner Redaktion für das MfS spioniert hatte, lief das Rekrutierungsverfahren in den 1960er Jahren noch nicht gänzlich im Verborgenen ab. Im Januar 1961 tauchten Mitarbeiter der Hauptabteilung V/2 bei ND-Chef Hermann Axen (1956-1966) auf und fragten, wen sie aus der Redaktion als IM werben könnten. Als Grund führten sie an, dass "einige Feindzentralen stark daran interessiert sind, aus dem ND interne Materialien zu erhalten." Axen versprach, innerhalb von 14 Tagen einen Genossen zu nennen, mit dem das MfS in Verbindung treten könne und betonte zugleich, dass die Staatssicherheit "nur mit seiner Zustimmung innerhalb des Objektes ND-Redaktion arbeiten" dürfe, da schließlich nur er seine Mitarbeiter genau kenne. Dieser "lockere" Umgang in den Anfangsjahren verflüchtigte sich zwar mit der zunehmenden Professionalisierung und Ausweitung des Spionagenetzwerks. Trotzdem waren auch in den 1980er Jahren nur verhältnismäßig wenige Journalisten für die Stasi tätig, da diese Berufsgruppe als politisch zuverlässig galt. Unter den 130 Mitarbeitern des FDJ-Zentralorgans Junge Welt, die sich auf 15 Abteilungen und technische Bereiche verteilten, kooperierten im letzten Jahrzehnt der DDR zum Beispiel nur zwischen acht und zehn Redakteure mit dem Ministerium für Staatssicherheit. Die Akten der Stasiunterlagenbehörde aus drei Jahrzehnten machen deutlich, dass sämtliche Informationen über das Berufs- und Privatleben von Journalisten gesammelt wurden: Hinweise auf Alkoholismus, Eheprobleme, Gehälter, Personalwechsel, Kontakte in den Westen und natürlich auch die politische Zuverlässigkeit der Kader. Die Informanten ermittelten, wer in den Redaktionen mit wem befreundet oder zerstritten war, sie berichteten über den Fleiß der einen und die Faulheit der anderen. Die Stasi erstellte Statistiken über die Zahl der Nichtwähler und der ehemaligen Grenzgänger, der Rückkehrer, Zugezogenen, Haftentlassenen und Wehrdienstverweigerer in den Verlagen, Redaktionen und Druckereien. Sie ermittelte, wer wann und wie oft wegen Familienangelegenheiten in den Westen gereist war und teilte Journalisten, Drucker und Setzer in die Kategorien "Erscheinungsformen der politisch-ideologischen Hetze und Propaganda" und "Vorstrafen" ein. Briefe an und von Journalisten wurden abgefangen, geöffnet und archiviert, Telefonaufzeichnungsgeräte in den Redaktionen installiert. Zur Absicherung der Redaktions-, Verlags- und Druckereigebäude gehörte auch die Verfolgung von Drohanrufen, Bombendrohungen und sogenannten "Sabotageakten". Dieser Bereich lag schwerpunktmäßig bei der Abteilung XX der Staatssicherheit. Im Mai 1965 ging das MfS zum Beispiel dem "hakenkreuzähnlichen Gebilde" auf Ulbrichts Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold in einem Rasterbild im Neuen Deutschland nach. Mit großem Aufwand wurde ein Rasternegativ erstellt, um am Ende festzustellen, dass das Hakenkreuz "produktionsbedingt zufällig entstanden" war. Im Juni 1975 wurde im Zeitungskopf der Jungen Welt das Datum 17. Juni 1953 gesetzt. Der Fehler wurde zwar noch rechtzeitig bemerkt, die Stasi leitete trotzdem Ermittlungen ein. Noch mehr Energie steckte der Geheimdienst in die Auswertung von Leserbriefen. Hans-Dieter Schütt, Chefredakteur der Jungen Welt (1984-1989), berichtet in seiner Autobiografie, dass ein MfS-Mitarbeiter in den 1980er Jahren regelmäßig bei ihm vorbeikam, um die Säcke mit der Leserpost abzuholen. Was mit Leserbriefschreibern passieren konnte, die sich kritisch über den Staat und die Partei äußerten, zeigt ein fast vollständig bei der Stasiunterlagenbehörde abgelegter Operativer Vorgang über den Magdeburger Prokuristen Rudolph Winkler, der wegen mehrerer anonymer Leserbriefe an die Volksstimme (SED-Bezirksorgan Magdeburg) und das Neue Deutschland von der Stasi verfolgt und schließlich 1966 zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurde. Bei der Fahndung kooperierten die Redaktionen in aller Regel eng mit der Staatssicherheit. Im April 1963 bat der Geheimdienst den Verlag der Berliner Zeitung darum, in den nächsten Ausgaben Beiträge über die Staatsgrenze Berlin mit Fotomaterial zu veröffentlichen: "Wir bitten Sie, wenn möglich, Teile der Staatsgrenze und Angehörige der bewaffneten Organe auf diesen Bildern zu zeigen. Über die Durchführung dieser Veröffentlichung bitten wir Sie, uns vorher zu informieren." Das MfS hoffte, auf diesem Weg einem "Hetzschriftenverbreiter" auf die Spur zu kommen, der solches Bildmaterial aus der Berliner Zeitung für seine Schreiben verwendete. Im Juli 1983 fahndete der Geheimdienst nach einem "pseudonymen Drohbriefschreiber", der von Rostock aus vier Postkarten und einen Drohbrief verschickt hatte. "Der Täter bezieht sich auf verbreitete Gerüchte über die Delegierung von Fußballspielern des FC Hansa Rostock nach Berlin und Magdeburg laut Beschluß des DFV [Deutscher Fußball-Verband] der DDR." Bei Verwirklichung der Delegierungen drohe er mit "Flugblattaktionen und Protesten", teilte das MfS mit und forderte alle 1.437 Leserbriefe von der Jungen Welt an, die im Rahmen eines Leserinterviews mit Dieter Fuchs, Chefverbandstrainer und stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Fußball Verbandes, an die Zeitung geschickt worden waren. Verdächtige hand- und maschinengeschriebene Briefe speicherte das MfS in einer Schriftenvergleichsdatei ein, ganz gleich ob die Anschreiben anonymisiert waren oder einen Absender trugen. An dieser Stelle muss offen bleiben, was mit den einzelnen Leserbriefschreibern passierte, die Kritik am System übten. Wie im Fall von Rudolph Winkler müsste erst Antrag auf Zugang zu den personenbezogenen Akten gestellt werden. Gesichert kann nur gesagt werden, dass die Stasi die Leserbriefe häufig im Zusammenhang mit Personenermittlungen und Operativen Vorgängen auswertete und ablegte. Das Ministerium für Staatssicherheit war Teil der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit in der DDR. Über die hauseigene Abteilung Agitation, ab 1985 über die Pressestelle, lenkte die Stasi die Berichterstattung in den Bereichen, für die das MfS im engeren oder weiteren Sinne zuständig war: vor allem auf militärischem und geheimdienstlichen Gebiet. In dieser Aufgabe unterschied sich die Stasi kaum von anderen Ministerien und staatlichen Stellen des Landes.[42 ] Im Vordergrund stand stets, den Interessen der SED-Führung nicht zu schaden. So wurden Informationen unterdrückt, die als "staatsgefährdend" eingestuft wurden (etwa Meldungen über Flugzeugentführungen). Auf der anderen Seite wurden solche Nachrichten als besonders positiv herausgestellt, die den Interessen förderlich schienen (zum Beispiel Jubiläen, "MfS-Helden"). Meldungen, die für die Staatssicherheit von herausgehobener Bedeutung waren, schrieb Minister Erich Mielke zum Teil selbst. Die staatliche Öffentlichkeitsarbeit beinhaltete aber nicht nur die Versorgung der Presse mit Informationen. Häufig waren es die Redakteure selbst, die sich an das MfS wandten, wenn sie sich unsicher waren, wie ein Ereignis "richtig" gedeutet werden musste oder wie die offizielle Lesart lautete. In dieser Funktion kam das MfS zwar einer Art Vorzensor gleich; die Redakteure konnten sich durch die eingebaute Rückversicherungsschleife aber auch gegen potenzielle Rügen wappnen. Die Verantwortung wurde auf eine höhere Instanz "abgewälzt". Unabhängig von der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit hatte der Geheimdienst aber noch eine weitere Aufgabe, in der er sich von anderen Ministerien unterschied: die operative Absicherung der Redaktionsstuben. Journalisten wurden gezielt observiert, zum Teil auch als inoffizielle Mitarbeiter geworben, um einen reibungslosen Ablauf in der Pressearbeit zu gewährleisten. Gesammelt wurde buchstäblich alles, was die Staatssicherheit in die Finger bekommen konnte: von privaten Informationen bis hin zu beruflichen Auseinandersetzungen oder Problemen in der Redaktion. Allerdings, und auch das zeigen die gesichteten Akten, nahm das MfS über seine inoffiziellen Mitarbeiter keinerlei Einfluss auf Zeitungsinhalte. Vielmehr dienten die IMs in den Redaktionen als Garanten des Systems - Störenfriede innerhalb und außerhalb der Redaktion, etwa Kontaktpersonen im Umfeld der Journalisten oder kritische Leserbriefschreiber, konnten mit ihrer Hilfe blockiert, identifiziert oder sogar ausgeschaltet werden.

Die Produzentengalerie "Clara Mosch“ sollte der Utopie freien künstlerischen Schaffens jenseits der vorgegebenen Programmatik des Sozialistischen Realismus einen Ort geben.

"Wer ist Clara Mosch?“ – mit diesem Titel erschien im April 1977 in den Karl-Marx-Städter Sächsischen Neuesten Nachrichten eine Zeitungsnotiz. Sie kündigte die Eröffnung einer "kleinen, intimen“ Galerie an, deren Gründer Wert auf Experimente legten. Clara Mosch bezeichnete sowohl die Künstlergruppe selbst als auch ihre Galerie und war das Anagramm aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen von Carlfriedrich Claus, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke, Michael Morgner und Gregor-Torsten Schade. Die Künstler hatten zuerst an einen experimentellen Werkraum gedacht, eine Art offenes Atelier, als sie auf der Suche nach Arbeitsräumen auf den ehemaligen Dorf-Konsum im Karl-Marx-Städter Vorort Adelsberg gestoßen waren. Sie fühlten sich weniger durch ein bestimmtes künstlerisches Programm als durch ihre Ablehnung des Sozialistischen Realismus verbunden und hofften, ihr Recht auf freies bildnerisches Schaffen jenseits der vorgegebenen Programmatik wahrnehmen zu können. Eine selbstverwaltete Produzentengalerie sollte dieser Utopie einen Ort geben. Die Gründungsmitglieder hatten – bis auf den mehr als zehn Jahre älteren Autodidakten Claus, der im benachbarten Annaberg lebte – zwischen 1961 und 1972 in Leipzig studiert und waren in den 1970er Jahren nach Karl-Marx-Stadt zurückgekehrt, weil sie glaubten, abseits der Kunstzentren ein Umfeld schaffen zu können, in dem ihr künstlerischer Spielraum weniger eingeschränkt werden würde. Als der Verband Bildender Künstler, in dem außer Claus alle Mitglied waren, von den Plänen zur Eröffnung der Galerie erfuhr, hatten die „Moschisten“ bereits Tatsachen geschaffen: Die drei kleinen Räume des Ladens waren hergerichtet, die Einladungskarten für die erste Gemeinschaftsausstellung gedruckt und die Eröffnung auf den 30. Mai 1977 festgesetzt. Wenige Tage vor diesem Termin wurde die Gruppe vom Bezirksvorsitzenden des Künstlerverbandes zur Aussprache mit Vertretern des Verbandes, des Rates des Bezirkes, der SED-Leitung und des Kulturbundes geladen. Der Feststellung, dass die Gründung einer Galerie als private Initiative einer Künstlergruppe in der DDR nicht zulässig sei, folgte die Drohung, entweder die Galerie fusioniere mit einem "gesellschaftlichen Partner“ oder sie werde "von der Polizei versiegelt“. Die Künstler stimmten einer Zusammenarbeit mit dem Kulturbund unter der Bedingung zu, dass sie weiterhin über das Programm entscheiden und den Namen Clara Mosch – um die Bezeichnung "Kleine Galerie des Kulturbundes der DDR“ erweitert – behalten dürften.

Bis 1982 fanden in den Räumen der Galerie 29 Ausstellungen statt, darunter eigene Personalausstellungen und sechs Gemeinschaftspräsentationen, aber auch wichtige Einzelexpositionen von Kollegen wie Gil Schlesinger, Gerhard Altenbourg, Horst Bartnig, Max Uhlig oder Debüts der Autodidakten und Karl-Marx-Städter Enfants terrible Klaus Hähner-Springmühl und Wolfram Adalbert Scheffler. Neben den Ausstellungen organisierte das Kollektiv Künstlerfeste und eine Reihe von Pleinairs, bei denen zum gemeinsamen Arbeiten unter freiem Himmel befreundete Künstler aus allen Teilen der DDR zusammenkamen. Enger Kontakt bestand zum Beispiel zur im gleichen Jahr wie die Mosch-Gruppe gegründeten Obergrabenpresse um Eberhard Göschel in Dresden und – seit dem gemeinsamen Studium – zu den Leipziger Künstlern um das "Tagente“-Projekt. Die Programmplanung übernahm meist Klaus Werner von der Berliner Galerie Arkade. Auch die editorische Produktivität war erstaunlich groß: Es entstanden mehrere Mappenwerke und Kataloge, 26 Plakate sowie etwa 120 Künstlerpostkarten und Mail-Art-Objekte. Im November 1982 informierten Fotokarten und Aufkleber des Fotografen Ralf-Rainer Wasse in Form einer Traueranzeige über den Tod von Clara Mosch. Nach den anhaltenden Meinungsverschiedenheiten mit den Funktionären des Kulturbundes im Beirat und ihrer zunehmenden Einmischung in die Galeriearbeit war es auch zu Zerwürfnissen innerhalb der Gruppe gekommen. Das perfide "Zersetzungs-Programm“ der Staatssicherheit mit dem Ziel gegenseitiger Verdächtigung und Entsolidarisierung, das mit mehr als 120 informellen Mitarbeitern – unter ihnen Wasse – realisiert worden war, hatte Wirkung gezeigt: Als angeblichem MfS-Zuträger kündigte die Gruppe Gregor-Thorsten Schade die Freundschaft auf. Die gezielte "Schaffung von Ansatzpunkten für einen Ehekonflikt“ zwischen Thomas Ranft und Dagmar Ranft-Schinke führten zur deren Trennung. Und Michael Morgner wurde mit Großaufträgen für Wandbilder und einem Pass für Reisen ins nichtsozialistische Ausland versorgt, um Distanz zu den anderen herzustellen. Nach dem Ende der Galerie und der gemeinsamen Arbeit engagierten sich Michael Morgner und Thomas Ranft nach wie vor im Künstlerverband und in der Genossenschaft bildender Künstler, zu der auch die Galerie Oben gehörte. Hier konnten von der Mosch-Gruppe geplante Ausstellungen in den folgenden Jahren verwirklicht werden.

Bei den sogenannten Pleinairs in der Tradition der französischen Impressionisten tauschten sich Künstler unter freiem Himmel über experimentelle Kunstformen aus.

Die Impressionisten sahen die Welt ausdrücklich durch ihre Maleraugen. Sie bestanden darauf, ihren Zeitgenossen im richtigen Sehen voraus zu sein. So hoben sie hervor, dass sich die farbige Erscheinung eines Gegenstandes je nach Umgebung und Beleuchtung verändert; ebenso dass Schatten durch ihre Umgebung bestimmt sind und verschiedenartige Farbwerte annehmen können. Ferner sei es unerheblich, so behaupteten sie gelegentlich, welchen Gegenstand man male, die Lichtverhältnisse seien entscheidender. Oftmals wird in ihren Werken der Effekt einer bestimmten Tages- bzw. Jahreszeit hervorgehoben.

Das Wort Impressionismus, abgeleitet von lat. impressio (Eindruck) bzw. frz. impressionnisme, etablierte sich als kunstwissenschaftlicher Begriff bereits 1874. Der Kunstkritiker Louis Leroy leitete aus dem Gemälde Impression — soleil levant (Impression — Sonnenaufgang) von Claude Monet die abschätzig gemeinte und von den Betroffenen zunächst ungeliebte Bezeichnung ab. Das Werk wurde 1874 in der ersten gemeinsamen Ausstellung einer Gruppe junger Maler gezeigt, die sich um den etwas älteren, damals 44-jährigen Camille Pissarro in der Umgebung von Paris gebildet hatte. Sie entschlossen sich schließlich, den vom Urheber negativ gemeinten Begriff anzunehmen und künftig selbst, quasi als „Nom de guerre“, gegen die etablierte Kunstwelt des Salon de Paris einzusetzen, deren ablehnende Haltung Anlass für die selbst organisierte Ausstellung gewesen war.

Die Namengebung wurde begünstigt, da die von Monet eingesandten Arbeiten durch ihre monotonen Bildtitel wie Eingang zum Dorf, Ausgang aus dem Dorf, Morgen im Dorf, Edmond Renoir, den Bruder Auguste Renoirs, verärgerten. Da Monet das von ihm eingesandte Bild nun nicht mehr Ansicht von Le Havre nennen durfte, antwortete er Edmond Renoir: „Schreiben Sie Impression“. Im Katalog erschien die Arbeit als Impression — soleil levant.

Die Impressionisten malten oftmals unter freiem Himmel und sur le motif (vor dem Motiv). In vielen Bildwerken betonten sie die Reflexion des Lichtes und die Spektralfarben.

Für das Kunstleben, das Ausstellungswesen, den Kunsthandel und die Geschmacksbildung war Paris die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts. Entstehung und Ausbreitung der impressionistischen Malerei bedurften der Lebensweise und des kulturellen Klimas von Paris.

Die gesellschaftliche Entwicklung hatte es mit sich gebracht, dass Kunstwerke vorwiegend von unabhängigen Personen geschaffen wurden. Zwischen den Künstlern und den Käufern von Werken waren mit wachsender Bedeutung die Kunsthändler angesiedelt, die zur Herstellung der notwendigen Kontakte in ihren Galerien Kunstwerke präsentierten. Die Künstler wurden so zusätzlich in die Konkurrenzkämpfe ihrer Händler hineingezogen. Der Impressionismus nimmt eine Schlüsselposition in der Geschichte des Ausstellungswesens ein. Ohne die Streitigkeiten um Annahme oder Zurückweisung gerade impressionistischer Bilder wäre sie nicht verständlich.

In Frankreich überragte eine Ausstellungsmöglichkeit alle anderen an Bedeutung: der Salon de Paris. Der Salon befand sich im Louvre. In dem politisch und kulturell seit langem besonders zentralistisch orientierten Land ließen sich gültige Wertmaßstäbe nur in der Hauptstadt festlegen. Seit 1673 gab es regelmäßige Ausstellungen von Mitgliedern der königlichen Akademie der Künste. Nach der Revolution von 1789 ließ man 1791 auch Nichtakademiker zu. Über die Zulassung entschied eine Jury, die bis 1863 aus Mitgliedern der Académie des Beaux-Arts bestand, einer Abteilung des Institut de France, des vornehmsten Instruments staatlicher Kulturpolitik.

Die Kunstkritik befasste sich recht ausführlich mit dem Salon. Die Mehrheit des Publikums verließ sich in ihrem unselbständigen Urteil weitgehend auf die Expertenentscheidungen der Jury. Ein auf dem Keilrahmen als refüsiert, als zurückgewiesen markiertes Bild verkaufte sich nur selten.

In der klassizistischen Malerei war das Studium von musterhaften alten Kunstwerken, das Befolgen von Gestaltungsregeln, dem Naturstudium übergeordnet. Auf Farbigkeit konnte ein strenger Klassizist im Prinzip auch verzichten. Hauptvertreter des Klassizismus war Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780–1867), der noch als patriarchalische Autorität wirksam war, als die angehenden Impressionisten ihre künstlerische Auffassung zu profilieren begannen.

Als Gegenpol zu Ingres erschien Eugène Delacroix (1789–1863). Da ihm Farbe und nicht die Linie das ausschlaggebende Gestaltungsmittel war, verweigerten ihm die Klassizisten der Académie Française siebenmal, bis 1857, die Zuwahl in dieses höchste Gremium französischer Künstler. Delacroix wurde zum Vorbild vieler Impressionisten, die sich entschieden von der romantischen Schule und dem Klassizismus abgrenzten.

Einige Charakteristika impressionistischer Landschaftsmalerei, so u. a. unter freiem Himmel, sur-le-motif (vor dem Motiv), finden sich schon in der Schule von Barbizon, den Werken von William Turner (1775–1851), John Constable (1776–1837), Richard Bonington (1801–1828) und Johan Barthold Jongkind (1819–1891). So wurde die Landschaftsmalerei, die in der herrschenden klassischen Kunstlehre nur einen niedrigen Rang (petit genre) einnahm, bereits salonfähiger.

Für die Entwicklung des Realismus in der Malerei waren die Landschaftsmaler der Schule von Barbizon von größter Bedeutung. Die Beobachtung der Natur lenkte die Aufmerksamkeit der Maler auf die wechselnden Phänomene des Lichts und seine Bedeutung für die farbige Erscheinung der Dinge. Derartige künstlerische Interessen traten damals in nahezu allen europäischen Ländern auf. Diese Haltung wurde für den Impressionismus zu einem entscheidenden Motor.

Die Haltung realistischer Maler mit ihrem Hauptstreiter Gustave Courbet wurde ebenfalls grundlegend für den Impressionismus. So vertrauten diese ihrem Augensinn und machten ihre Bilder gleichsam zu Fenstern. Diese Treue zur Natur, wie man statt Realität auch sagte, die in ihren Augen erst ein wahrhaftiges Bild ergab, musste erlernt und jedes Mal hart erarbeitet werden. Auch das Sehen selbst galt es zu üben und zu verfeinern. So erfuhren die Maler, dass sie erst im Prozess ihres Tuns ein anderes Sehen erlernten.

Beim Impressionismus ist ein Mangel an klaren, fest umgriffenen Formen zu beobachten. Die Umrissformen der Objekte werden gezielt verwischt. Die Künstler stellten erstmals Farbigkeit von Schatten heraus. Es wurden ungebrochene Primär- und Sekundärfarben verwendet und auf der Leinwand gemischt, um der Helligkeit natürlicher Beleuchtung nahe zu kommen. Die Primärfarben Rot, Gelb und Blau sowie deren Komplementärfarben Grün, Lila und Orange wurden mit kurzen Pinselstrichen nebeneinander gesetzt. Somit entsteht erst bei angemessener Betrachtungsentfernung ein Bildeindruck. Der Impressionismus erforderte auch Schnelligkeit, die die Absicht des Festhaltens momentaner Eindrücke verlangte. Somit bevorzugten die Impressionisten die Technik der Skizze. Die Perspektivenwirkung fiel weg und die Flächigkeit wurde betont. Die Impressionisten stellten den augenblicksgebundenen natürlichen Eindrucks eines Objektes dar. Milchfarben und lichte Töne wurden verwendet; dadurch entstand ein sinnlicher Eindruck. Der fragmentierte Pinselstrich war jedoch wesentlich mehr als ein bloßes Mittel zum schnelleren Malen. Durch geschicktes Ausnutzen von Kontrasten und Komplementärfarben gelang es den Impressionisten, mit dieser Technik die Leuchtkraft und Farbintensität ihrer Bilder ganz wesentlich zu steigern. Indem sie so ihre Aufmerksamkeit dem Licht und der Farbe selbst mit ihren gesetzmäßigen Wirkungen widmeten und nicht mehr dem Motiv, schufen sie eine bis dahin unerhört helle, lichtdurchflutete Malerei, die im völligen Gegensatz zur dunklen, von Schwarztönen dominierten akademischen Malweise stand.

Im Zusammenhang mit dem Malen in freier Natur steht auch die Prima-Malerei , deren Signifikanz darin bestand, das Werk in einem Arbeitsgang zu vollenden. Wurden die Gemälde normalerweise grundiert und exakt vorgezeichnet, änderte sich diese Vorgehensweise nun grundlegend. Die neue Maxime hieß, das Gemälde in einem Zug und mit der endgültigen Fassung auf die noch weiße Leinwand zu bringen. Auch diese Vorgehensweise unterliegt dem Grundsatz des Impressionismus, den Augenblick festzuhalten, den bestimmten Moment, der von der Natur mit allen ihren Farben und Formen wahrgenommen wird. Um diesen einzigartigen Augenblick so auf das Papier bringen zu können, wie er sich dem Betrachter in diesem Moment darstellt, sollte eine Vorzeichnung oder Überarbeitung eigentlich hinfällig machen. Dennoch kam es trotz aller Bemühungen nicht selten dazu, dass der Arbeitsgang unterbrochen werden musste und das Werk korrigiert wurde.

Eine weitere Eigenschaft des Impressionismus ist die charakteristische flüchtige Zeichentechnik, die Spontaneität und Unmittelbarkeit zum Ausdruck bringt. Da die Motive in der freien Natur ständigen Änderungen der Licht- und Schattenverhältnisse und verschiedenen Bewegungen, beispielsweise durch den Wind, unterworfen sind, sollte nur der flüchtige und transitive Augenblick festgehalten werden. Um diesen Eindruck der Unmittelbarkeit wiedergeben zu können, war eine „artistische Maltechnik“ nötig, denn nur durch jahrelanges Training konnte es gelingen, die Malzeit so zu verkürzen, dass man auch mit flüchtigen Phänomenen, wie beispielsweise dem von den Tageszeiten abhängigen Lichteinfall, mithalten konnte . So kristallisierte sich die Stricheltechnik heraus, die geprägt ist von spezifische Pinselstriche- oder Punkte, die einzelne optische Eindrücke wiedergeben. Auch die Nuancierung der Farben spielt hier eine große Rolle: die Farben werden nicht, wie es sonst in der Malerei üblich ist, mit weiß oder schwarz gemischt, sondern ihnen wird eine individuelle Note verliehen, um so das Bild in der Gesamtheit zu schaffen. Eine harmonische Synthese des Gemäldes kann deshalb nur gelingen, wenn die minimalistisch aufgetragenen einzelnen Nachbarfarben zusammen in Einklang gebracht werden können.

Eugène Delacroix zählt in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts neben Louis André Théodore Gericault zu den führenden Vertretern einer neuen künstlerischen Strömung, die als „Romantische Schule“ in Frankreich bekannt wird. Delacroix entwickelt zum wichtigsten geistigen Wegbereiter des Impressionismus in Frankreich. Der sterbende Mensch und das Erlöschen des Lebens bilden Delacroix` Grundthematik in seiner existentiellen künstlerischen Auseinandersetzung in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. Im Bild „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 thematisiert Delacroix explizit Zerstörung und Tod mit einhergehender Trauer und schmerzhaftem Leid inmitten eines Kriegsschauplatzes. Hier reiht sich das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ ein. Dargestelltes wird zum psychologischen Spiegelbild des Malers und des Betrachters.

Das Gemälde „La mort de Sardanapale“ des französischen Malers Eugène Delacroix zählt zu den brisantesten Bildern der Kunstgeschichte. Es entsteht 1827 in Frankreich an der Schwelle zwischen Klassizismus und Romantik. „Der Tod des Sardanapal“ bezieht sich auf Byrons Drama „Sardanapalus“ aus dem Jahr 1821 und zeigt das Ende des assyrischen Herrschers Sardanapal dessen Palast von Aufständischen belagert wird. In seiner Erwartung der bevorstehenden eigenen Ermordung durch die Eindringlinge lässt Sardanapal alle seine Reichtümer zerstören und seine Frauen umbringen.

Das großformatige Gemälde fügt sich in den Kontext einer sich herausbildenden romantischen Schule Frankreichs, bei der die subjektiven psychischen Zustände des Künstlers in sinnbildlichen Aspekten wie Hölle, Nacht und Traum zum Anlass und zum Thema künstlerischer Auseinandersetzung werden um dabei den idealisierten Helden aus dem formalen und inhaltlichen Bildzentrum zu vertreiben. Das Bild benennt die Geburtsstunde einer Malerei, bei der die Farbe selbst konkreter wird und zum Bildausdruck bzw. Bildinhalt heranwächst. Der klassizistische, plastisch theatralische Bildraum[2] und seine illustrative Gegenständlichkeit werden im Werk von Eugène Delacroix in radikaler Weise zu Gunsten der bevorzugten Rangstellung der Farbe zerstört. Die Bilder „Dante-Barke“ von 1822 und das „Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 gehen dem Bild „Der Tod des Sardanapal“ voraus. Parallel dazu entstehen Delacroix` „Faust Illustrationen“ in den Jahren 1824 bis 1827. Etwas später malt er „Die Freiheit führt das Volk“.

Nachdem „Der Tod des Sardanapal“ 1827 im Salon auf großes Entsetzen und kollektive Ablehnung stößt, wird das Bild erst wieder 1862 ausgestellt und schließlich 1921 vom Louvre in Paris angekauft, wo es heute zu sehen ist. Im Bild „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 thematisiert Delacroix explizit Zerstörung und Tod mit einhergehender Trauer und schmerzhaftem Leid inmitten eines Kriegsschauplatzes. Hier reiht sich das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ ein. Dargestelltes wird zum psychologischen Spiegelbild des Malers und des Betrachters.

Delacroix sucht nach den verborgenen, dunklen Seiten des eigenen Ichs und der Seele des Körpers. Er untersucht eine schwarze Welt und die Verstrickungen der eigenen Psyche mit allen Widersprüchlichkeiten wie Erotik und Schmerz, Macht und Hingabe, Lust und Leid, Leben und Tod. Die eigene Psyche treibt den Maler Delacroix zum künstlerischen Umgang mit Farbe. Subjektive Betrachtungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Erotik zeigen, dass es im „Tod des Sardanapal“ darum geht, die eigenen Begierden, die eigene Lust im Bild zuzulassen und sie als Antrieb und Thema künstlerischer Arbeit zu akzeptieren.

In dunkel anmutenden Sinnbildern von Hölle, Nacht und Traum entwickelt Delacroix im „Tod des Sardanapal“ vor einem „Schwarzthema“ leuchtende Farben, indem er sie aus dem Dunkel des Hintergrundes, wie aus dem Nichts, malerisch über Grauabstufungen nach vorn heraus treten lässt. Es entfalten sich intensive aufregende Farbwelten durch das kontrastreiche Gegenüber von Licht und Dunkel, in der Entsprechung von Leben zu Tod und anderen Gegensätzlichkeiten unterbewusster Ängste die interpretiert werden können. Die Farbe wird dabei zum eigentlichen Argument des Bildes. „Der Tod des Sardanapal“ setzt sich in diesem Aspekt eindringlich von dem etwas früher entstandenen Gemälde „Das Floß der Medusa“ von Jean Louis André Théodore Gericault aus den Jahren 1818 und 1819 ab, da es die dreidimensionale Illusion des Gegenstandes innerhalb eines plastisch angelegten Tiefenraumes negiert um zu einem malerischen Bildraum in der Fläche vorzudringen, also die konkret gemalte Farbigkeit an der Oberfläche und ihre innewohnende Dramaturgie, aufzuzeigen.

Eugène Delacroix selbst verwendet die Metapher des „Massakers“. Er nimmt Bezug zu seinem früheren Gemälde „Das Massaker von Chios“ und bezeichnet das Bild „Der Tod des Sardanapal“ als sein „Massaker Nr.2“. Zunächst benutzt er diese Metapher angesichts der extrem negativen Aufnahme des Bildes beim Publikum während der Ausstellung im Salon von 1827, um seinen Selbstzweifel zu benennen. Die öffentliche Meinung spricht vom „Ende alles Romantischen“. Darüber hinaus ist das „Massaker“ in erster Linie ein von Delacroix bewusst verwendetes künstlerisches Mittel um der angestrebten Zerstörung einer veralteten Kunstauffassung Ausdruck zu verleihen. Strenge klassizistische Kompositionsprinzipien innerhalb etablierter, idealisierter Heldenbilder haben kein Potenzial weil sie artig und nicht brisant genug sind. Nur durch deren Überwindung können neue gestalterische Wege gefunden und mit modernen inhaltlichen Problematiken verknüpft werden.

Delacroix hinterfragt andere zeitgenössische künstlerische Standpunkte seiner Zeit radikal. Er entwirft psychologisch komplexe Gestalten in denen die dunkle Seite dominiert und benutzt keine vorgefundenen, gesellschaftlich sanktionierten Vorbilder oder Idealgestalten: Der Held weicht in den Hintergrund. Delacroix deckt neue Ausdrucksformen auf um letztlich individuelle Konfliktpotenziale mit gesellschaftlichen Spannungspotenzialen zu vereinen. Gegensätzlichkeiten werden jetzt zum Bildthema.

Das Gemälde schwankt zwischen erotisch-intimen Aspekten und der Darstellung eines historischen Ereignisses, der Belagerung des Palastes des Sardanapal, hin und her. Der Schrecken einer Untergangsstimmung und die Schönheit des Rausches einer nächtlichen Orgie begegnen sich in zwiespältig dramatischer Gegensätzlichkeit im Bild. Eine gewalttätige Szenerie mit dem Ineinander von Erotik und Gewalt löst ein bildzentrales Chaos aus. Hingabe und Zerstörung bestimmen das monumentale Gemälde. Hier wird das Motiv des Orients benutzt, weil freie Erotik und Sexualität in einer Kanalisierung von familiärer Ehe, unter dem Druck der Moralvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft, nicht möglich sind. Der Orientalismus ermöglicht hier ein gemeinschaftlich akzeptiertes Spiegelbild der westlich-europäischen Gesellschaft zu gestalten, weil der Orient als etwas Fremdes angesehen werden kann.

Am 29.4.1874 schrieb der Kunstkritiker Jules Castanary in der Zeitung Le Siecle folgendes: „Sie sind Impressionisten in dem Sinn, daß sie nicht eine Landschaft wiedergeben, sondern die von ihr hervorgerufenen Sinneswahrnehmung.“ Dabei bezog er sich auf eine Ausstellung der Künstler Camille Pissarro, Claude Monet, Alfred Sisley, Auguste Renoir und Berthe Morisot. Erst zwei Jahre zuvor hatte Monet der künstlerischen Richtung zu ihrem Namen verholfen. Auf einer Ausstellung nach dem Titel eines Werkes gefragt, das eine Hafenansicht im Nebel zeigte, antwortete der Maler, es handele sich einfach um eine Impression, einen Sinneseindruck.

Nicht nur an dem einfachen Motiv, auch an der Technik und insbesondere an der Skizzenhaftigkeit des Werkes störten sich Publikum und Kunstkritiker. Zusammen mit diesem Bild stellte Monet im Jahre 1874 den Boulevard des Capucines aus, von dem zwei Fassungen existieren. Mit einzelnen Pinselstrichen sind Häuser, Bäume und Menschen wiedergegeben. Eine eindeutige Perspektive ist nicht erkennbar, ebenso wenig sind die dargestellten Figuren durch Konturen abgegrenzt. Zwei Herren mit Zylinder, die auf einem Balkon stehen, verschwinden größtenteils am rechten Bildrand. Formen und Bildraum lösen sich nur durch farbliche Kontraste aus der Fläche. Monets Anliegen war es dabei, den flüchtigen Eindruck des Lichtes und das Farbenspiel in der Natur zu einer bestimmten Tageszeit wiederzugeben. In kurzen Pinselzügen trug er reine, ungemischte Farbe auf die Leinwand auf. Dabei griff er zurück auf wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen der Beobachter in der freien Natur weniger eine einzelne Gegenstandsfarbe ausmacht als ein Gemisch von Farbtönen, die sich erst im Auge zu Flächen formen.

In skizzenhafter Malweise die Stimmung eines kurzen Moments zu zeigen, was allerdings nicht nur Monets Anliegen. Schon Mitte der 1860er Jahre malten Frédéric Bazille, Auguste Renoir und Alfred Sisley zusammen mit Monet im Wald von Fontainebleau Landschaften, in denen sie den Wechsel des Lichts festhielten. Die Aufwertung der Landschaftsmalerei trug dazu bei, dass sich das Malen in freier Natur größerer Beliebtheit erfreute. Monet zeigte in seinen Bilderserien auch die verschiedenen Stimmungen, die durch die Brechungen des Lichts entstanden. Seine gewählten Motive waren vielfältig: die Kathedrale von Rouen, Seerosen oder ein einfacher Heuschober. Einige Bilder von Monets Künstlerkollegen zeigen ihn beim Malen in der freien Natur, etwa in seinem Garten in Giverny, wo auch die Seerosen-Bilder entstanden.

Die impressionistischen Künstler haben aber nicht ausschließlich unter freiem Himmel gemalt. Diese Möglichkeit der Ölmalerei unter freiem Himmel bot sich überhaupt erst durch eine technische Neuerung: Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die Künstler Ölfarben in Tuben kaufen und waren nicht mehr auf das aufwendige Mischen von Bindemitteln und Pigmenten angewiesen.

Für die Impressionisten war jede Veränderung der Lichtstimmung von Bedeutung, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Wetterlage ergaben jeweils neue Ansichten desselben Motivs und deren Wiedergabe war vor allem eine Frage der Farben. 1890/91 entstand eine Serie mit einem im ländlichen Gebiet alltäglichen Motiv, dem aufgetürmten Heu auf den Wiesen. In Claude Monets Gemälde Heuhaufen im Spätsommer herrscht ein goldgelben Grundton mit bläulichem Schatten vor. In seinem anderen Werk Verschneite Heuhufen im Winter verwendet er kalte Farbtöne, doch auch der von der blassen Wintersonne beleuchtete Schnee hat blaue Schatten.

Die Metropole Paris übte auch eine große Faszination für die Künstler des Impressionismus aus und bot ihnen zugleich unzählige Motive und Studienobjekte. Auguste Renoir liebte es, gesellschaftliche Anlässe wie Ballabende und Volksfeste darzustellen, während das Treiben auf den Straßen und Boulevards, flanierende Menschen und Passanten sowie die Lichter der Großstadt, das Thema zahlreicher Studien Camille Pissarros wie in dem Bild Boulevard Montmartre bei Nacht aus dem Jahre 1897 war.

Die Seine-Landschaft mit ihrem langen und gewundenen Flussverlauf, bot den impressionistischen Künstlern die Möglichkeit, das Spiel der Farben und die Reflexe des Wassers in allen Variationen zu studieren. Monet mal 1869 das Gemälde La Grenouillere, das dafür als Beispiel dienen kann. Die Pariser Bevölkerung liebte es, die Sonntage im Freien zu verbringen, in öffentlichen Parks und Gärten oder bei den zu jener Zeit sehr beliebten Regatten. Die impressionistischen Maler bannten einfach das auf die Leinwand, was sie sahen. Sie fanden bei diesen Anlässen unzählige Motive und Sujets für ihre Bilder.

Das Interesse der Impressionisten galt neben dem Licht, der Landschaft und der Atmosphäre auch den Szenen aus dem Alltag und den diversen Vergnügen im gesellschaftlichen Leben. Edgar Degas bevorzugte in seinen Werken als Hauptmotiv die menschliche Figur in Bewegung und stellte sie vor allem in Innenräumen dar. Das klassische Ballett erfreute sich auch in Paris zu jener Zeit großer Beliebtheit. Degas malte daher unzählige Schülerinnen in duftigen weißen Kostümen auf der Bühne oder während des Tanzunterrichtes. Das Werk Tanzstunde aus dem Jahre 1879 gibt dies beeindruckend wieder. Eine weitere Leidenschaft der Pariser Bevölkerung war der Gesellschaftstanz. Ballabende und Volksfeste verzeichneten einen unerwartet großen Zulauf. Sie sind das Thema dreier großer Gemälde von Renoir, wo glückliche und heitere Menschen dargestellt werden.

Von seinem Boot aus malte Monet bevorzugt Flusslandschaften, die er dann nachher häufig in seinem Atelier überarbeitete. Der Pariser Maler Edouard Manet hielt im Jahre 1874 Monet mit Camille in seinem Atelier-Boot auf Leinwand fest. Der junge Maler wurde von berühmten Künstlern wie Franz Hals, Diego Velázquez, Tizian, Tintoretto, Goya und Delacroix beeinflusst. Dieser Bann macht sich in seinen Werken motivisch und maltechnisch bemerkbar. Er kopierte diese Gemälde meist aus dem Louvre oder auf ausgedehnten Auslandsreisen nach Deutschland, Österreich, Italien, Niederlande und Spanien. 1856 bezieht Manet mit einem Freund sein erstes Atelier in Paris. Er malte Genrebilder, auf denen er das Alltagsleben der armen Menschen darstellte. Aber in dieser Zeit entstanden auch Kaffeehausszenen und Stierkampfszenen. 1859 versucht er das erste Mal im Salon auszustellen, doch Manets Bilder werden abgelehnt, weil seine Bilder zu realistisch sind, wie zum Beispiel „Der Absinthtrinker“. 1860 richtet er sich ein neues Atelier ein und bezieht gemeinsam mit seiner Frau Suzanne und seinem Sohn eine Wohnung. 1861 wird das erste Bild von Manet im Pariser Salon ausgestellt. Mit einer Auszeichnung für das Bild "Gitarrenspiel", bekam er die ersehnte Bestätigung als Künstler. Ein Jahr darauf stirbt sein Vater und Manet wird durch sein Erbe reich. 1863 wollte der Künstler wieder im Salon ausstellen und stößt wiederum auf Ablehnung.

Daraufhin werden seine Bilder im Salon des Refusés ausgestellt, wo abgewiesene Maler ihre Kunstwerke präsentieren können. Das Gemälde „Frühstück im Grünen“ (1861) verursacht einen großen Skandal und Entrüstung. 1865 stellt Manet weitere Bilder aus, unter ihnen lösen seine Gemälde die "Verspottung Christi" und die "Olympia" erneut Empörung aus. Im gleichen Jahr reiste Manet nach Spanien. Außerdem besucht er das Café Guerbois, wo er sich mit jungen Pariser Malern trifft, wie zum Beispiel Nadar, De Nittis, Fantin-Latour, Bazille, Degas, und Monet. 1867 wird Manet von der Pariser Weltausstellung ausgeschlossen und so macht er seine eigene Messe, aber nicht mit dem erhofften Erfolg. Seine Bilder anlässlich der Erschießung Kaiser Maximilians 1869 in Mexiko werden verboten.

Die Jahre darauf zeigt er einige Gemälde wie zum Beispiel das „Porträt Zolas“ und „Frühstück im Atelier“ im Salon. 1870 geht Manet freiwillig zur Nationalgarde im Deutsch-Französischen Krieg. Manet verkauft Bilder und stellt im Salon aus, mit einigen Gemälden hat er große Erfolge. Durch die Beeinflussung von Claude Monet beschäftigte sich Manet mit der Freiluftmalerei. Er holte sich Anregungen für Lichteffekte und Farbkombinationen. Die Konsequenz daraus war, dass er eine freundlichere, lockere und sanftere Pinselführung entwickelte. Seine Farbpalette hellte sich auf und seine Themen wandelten sich von Landschaften, Alltagsszenen bis hin zum Stillleben. Er verstand es eine große Farbfläche aufzulösen und somit die Zweidimensionalität zu unterstreichen. Manet löste sich in seinen Bildern von dem perspektivischen und leitete somit ein Teil der modernen Kunst ein. Er wird auch als Bahnbrecher des Impressionismus genannt. Manet selbst bezeichnete sich nie als Impressionist und hatte sich den jungen Künstlern nur freundschaftlich angeschlossen. Er lehnt sogar eine Teilnahme an der ersten Gruppenausstellung seiner Freunde ab. Aber für die jungen Maler war Manet ein Vorbild und so hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung des Impressionismus.

1876 gibt es erste Anzeichen einer Rückenmarksschwindsucht, welche als solche nicht erkannt wird. Trotz seiner Erfolge in den vergangenen Jahren, werden 1877 einige Kunstwerke immer noch zurückgewiesen und nicht zur Ausstellung zugelassen, wie zum Beispiel der „Nana“. So bleibt Manet stets umstritten. Doch die Weltausstellung 1878 in Paris und auch Jahre später in New York und Boston sind große Erfolge gewesen. Er bekommt auf einige Bilder Medaillen und wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Seine Krankheit zwang ihn auf das Malen im Freien zu verzichten. Manet beschäftigte sich also mit der Pastell-Technik und der Miniaturmalerei, welche ihm noch ermöglichten weiter zu malen. Damals entstanden sehr viele Porträts, die in der Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen wurden sind. Außerdem entstanden emotionale und empfindsame Gemälde, wie zum Beispiel die „Blonde Frau mit entblößten Brüsten“ (1878).

Manet malte im Sommer 1874 zusammen mit Monet und Renoir im südlich von Paris gelegenen Argenteuil. Unter dem Einfluss von Monet nahm Manet die impressionistische Malweise auf. Er verzichtete auf eine Modellierung seiner Figuren mit Licht und Schatten und wandte sich starken Farbkontrasten zu Auch der Maler vor seiner Leinwand ist nur durch die hellen Farben seiner Kleidung abgegrenzt. Die Darstellung von Figuren im Freien erforderte eine schnelle Arbeitsweise, da sich die Lichtverhältnisse im Gegensatz zum Atelier rasch veränderten. Der Fluss zum Beispiel ist in Manets Arbeiten mit breiten Pinselstrichen in Blau, Weiß- und Gelbtönen zusammengesetzt, die die Brechung des Lichts dann wiedergeben. Manets Herkunft aus dem französischen Großbürgertum gestattete ihm größere Freiheiten. Er nahm an keiner der insgesamt acht Impressionistenausstellungen zwischen 1874 und 1886 teil, reichte ganz im Gegenteil viele seiner Bilder zu den Salonausstellungen ein. Sein Bild von Monet im Atelier-Boot stellte einen Wendepunkt in seinem Schaffen dar, denn seit dieser Zeit malte Manet auch oft in freier Natur.

Die impressionistischen Künstler haben aber nicht ausschließlich unter freiem Himmel gemalt. Diese Möglichkeit der Ölmalerei unter freiem Himmel bot sich überhaupt erst durch eine technische Neuerung: Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die Künstler Ölfarben in Tuben kaufen und waren nicht mehr auf das aufwendige Mischen von Bindemitteln und Pigmenten angewiesen.

Für die Impressionisten war jede Veränderung der Lichtstimmung von Bedeutung, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Wetterlage ergaben jeweils neue Ansichten desselben Motivs und deren Wiedergabe war vor allem eine Frage der Farben. 1890/91 entstand eine Serie mit einem im ländlichen Gebiet alltäglichen Motiv, dem aufgetürmten Heu auf den Wiesen. In Claude Monets Gemälde Heuhaufen im Spätsommer herrscht ein goldgelben Grundton mit bläulichem Schatten vor. In seinem anderen Werk Verschneite Heuhufen im Winter verwendet er kalte Farbtöne, doch auch der von der blassen Wintersonne beleuchtete Schnee hat blaue Schatten.

Die Metropole Paris übte auch eine große Faszination für die Künstler des Impressionismus aus und bot ihnen zugleich unzählige Motive und Studienobjekte. Auguste Renoir liebte es, gesellschaftliche Anlässe wie Ballabende und Volksfeste darzustellen, während das Treiben auf den Straßen und Boulevards, flanierende Menschen und Passanten sowie die Lichter der Großstadt, das Thema zahlreicher Studien Camille Pissarros wie in dem Bild Boulevard Montmartre bei Nacht aus dem Jahre 1897 war.

Die Seine-Landschaft mit ihrem langen und gewundenen Flussverlauf, bot den impressionistischen Künstlern die Möglichkeit, das Spiel der Farben und die Reflexe des Wassers in allen Variationen zu studieren. Monet mal 1869 das Gemälde La Grenouillere, das dafür als Beispiel dienen kann. Die Pariser Bevölkerung liebte es, die Sonntage im Freien zu verbringen, in öffentlichen Parks und Gärten oder bei den zu jener Zeit sehr beliebten Regatten. Die impressionistischen Maler bannten einfach das auf die Leinwand, was sie sahen. Sie fanden bei diesen Anlässen unzählige Motive und Sujets für ihre Bilder.

Das Interesse der Impressionisten galt neben dem Licht, der Landschaft und der Atmosphäre auch den Szenen aus dem Alltag und den diversen Vergnügen im gesellschaftlichen Leben. Edgar Degas bevorzugte in seinen Werken als Hauptmotiv die menschliche Figur in Bewegung und stellte sie vor allem in Innenräumen dar. Das klassische Ballett erfreute sich auch in Paris zu jener Zeit großer Beliebtheit. Degas malte daher unzählige Schülerinnen in duftigen weißen Kostümen auf der Bühne oder während des Tanzunterrichtes. Das Werk Tanzstunde aus dem Jahre 1879 gibt dies beeindruckend wieder. Eine weitere Leidenschaft der Pariser Bevölkerung war der Gesellschaftstanz. Ballabende und Volksfeste verzeichneten einen unerwartet großen Zulauf. Sie sind das Thema dreier großer Gemälde von Renoir, wo glückliche und heitere Menschen dargestellt werden.

Von seinem Boot aus malte Monet bevorzugt Flusslandschaften, die er dann nachher häufig in seinem Atelier überarbeitete. Der Pariser Maler Edouard Manet hielt im Jahre 1874 Monet mit Camille in seinem Atelier-Boot auf Leinwand fest. Der junge Maler wurde von berühmten Künstlern wie Franz Hals, Diego Velázquez, Tizian, Tintoretto, Goya und Delacroix beeinflusst. Dieser Bann macht sich in seinen Werken motivisch und maltechnisch bemerkbar. Er kopierte diese Gemälde meist aus dem Louvre oder auf ausgedehnten Auslandsreisen nach Deutschland, Österreich, Italien, Niederlande und Spanien. 1856 bezieht Manet mit einem Freund sein erstes Atelier in Paris. Er malte Genrebilder, auf denen er das Alltagsleben der armen Menschen darstellte. Aber in dieser Zeit entstanden auch Kaffeehausszenen und Stierkampfszenen. 1859 versucht er das erste Mal im Salon auszustellen, doch Manets Bilder werden abgelehnt, weil seine Bilder zu realistisch sind, wie zum Beispiel „Der Absinthtrinker“. 1860 richtet er sich ein neues Atelier ein und bezieht gemeinsam mit seiner Frau Suzanne und seinem Sohn eine Wohnung. 1861 wird das erste Bild von Manet im Pariser Salon ausgestellt. Mit einer Auszeichnung für das Bild "Gitarrenspiel", bekam er die ersehnte Bestätigung als Künstler. Ein Jahr darauf stirbt sein Vater und Manet wird durch sein Erbe reich. 1863 wollte der Künstler wieder im Salon ausstellen und stößt wiederum auf Ablehnung.

Daraufhin werden seine Bilder im Salon des Refusés ausgestellt, wo abgewiesene Maler ihre Kunstwerke präsentieren können. Das Gemälde „Frühstück im Grünen“ (1861) verursacht einen großen Skandal und Entrüstung. 1865 stellt Manet weitere Bilder aus, unter ihnen lösen seine Gemälde die "Verspottung Christi" und die "Olympia" erneut Empörung aus. Im gleichen Jahr reiste Manet nach Spanien. Außerdem besucht er das Café Guerbois, wo er sich mit jungen Pariser Malern trifft, wie zum Beispiel Nadar, De Nittis, Fantin-Latour, Bazille, Degas, und Monet. 1867 wird Manet von der Pariser Weltausstellung ausgeschlossen und so macht er seine eigene Messe, aber nicht mit dem erhofften Erfolg. Seine Bilder anlässlich der Erschießung Kaiser Maximilians 1869 in Mexiko werden verboten.

Die Jahre darauf zeigt er einige Gemälde wie zum Beispiel das „Porträt Zolas“ und „Frühstück im Atelier“ im Salon. 1870 geht Manet freiwillig zur Nationalgarde im Deutsch-Französischen Krieg. Manet verkauft Bilder und stellt im Salon aus, mit einigen Gemälden hat er große Erfolge. Durch die Beeinflussung von Claude Monet beschäftigte sich Manet mit der Freiluftmalerei. Er holte sich Anregungen für Lichteffekte und Farbkombinationen. Die Konsequenz daraus war, dass er eine freundlichere, lockere und sanftere Pinselführung entwickelte. Seine Farbpalette hellte sich auf und seine Themen wandelten sich von Landschaften, Alltagsszenen bis hin zum Stillleben. Er verstand es eine große Farbfläche aufzulösen und somit die Zweidimensionalität zu unterstreichen. Manet löste sich in seinen Bildern von dem perspektivischen und leitete somit ein Teil der modernen Kunst ein. Er wird auch als Bahnbrecher des Impressionismus genannt. Manet selbst bezeichnete sich nie als Impressionist und hatte sich den jungen Künstlern nur freundschaftlich angeschlossen. Er lehnt sogar eine Teilnahme an der ersten Gruppenausstellung seiner Freunde ab. Aber für die jungen Maler war Manet ein Vorbild und so hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung des Impressionismus.

1876 gibt es erste Anzeichen einer Rückenmarksschwindsucht, welche als solche nicht erkannt wird. Trotz seiner Erfolge in den vergangenen Jahren, werden 1877 einige Kunstwerke immer noch zurückgewiesen und nicht zur Ausstellung zugelassen, wie zum Beispiel der „Nana“. So bleibt Manet stets umstritten. Doch die Weltausstellung 1878 in Paris und auch Jahre später in New York und Boston sind große Erfolge gewesen. Er bekommt auf einige Bilder Medaillen und wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Seine Krankheit zwang ihn auf das Malen im Freien zu verzichten. Manet beschäftigte sich also mit der Pastell-Technik und der Miniaturmalerei, welche ihm noch ermöglichten weiter zu malen. Damals entstanden sehr viele Porträts, die in der Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen wurden sind. Außerdem entstanden emotionale und empfindsame Gemälde, wie zum Beispiel die „Blonde Frau mit entblößten Brüsten“ (1878).

Manet malte im Sommer 1874 zusammen mit Monet und Renoir im südlich von Paris gelegenen Argenteuil. Unter dem Einfluss von Monet nahm Manet die impressionistische Malweise auf. Er verzichtete auf eine Modellierung seiner Figuren mit Licht und Schatten und wandte sich starken Farbkontrasten zu Auch der Maler vor seiner Leinwand ist nur durch die hellen Farben seiner Kleidung abgegrenzt. Die Darstellung von Figuren im Freien erforderte eine schnelle Arbeitsweise, da sich die Lichtverhältnisse im Gegensatz zum Atelier rasch veränderten. Der Fluss zum Beispiel ist in Manets Arbeiten mit breiten Pinselstrichen in Blau, Weiß- und Gelbtönen zusammengesetzt, die die Brechung des Lichts dann wiedergeben. Manets Herkunft aus dem französischen Großbürgertum gestattete ihm größere Freiheiten. Er nahm an keiner der insgesamt acht Impressionistenausstellungen zwischen 1874 und 1886 teil, reichte ganz im Gegenteil viele seiner Bilder zu den Salonausstellungen ein. Sein Bild von Monet im Atelier-Boot stellte einen Wendepunkt in seinem Schaffen dar, denn seit dieser Zeit malte Manet auch oft in freier Natur.

Camille Pissarro galt schon in der frühimpressionistischen Periode zusammen mit Claude Monet als Anführer der Künstlergruppe, die am 15. April 1874 am Boulevard des Capuciens in Paris unter dem Namen Sociéte anonyme des artistes, peintres, sculpteurs, graveurs die erste Impressionisten-Ausstellung eröffnet hatte. Auch war er der einzige Künstler, der an allen acht Ausstellungen der Impressionisten teilgenommen hatte.

Impressionistische Tendenzen im Werk Pissarros lassen sich ab 1866 erkennen. Die allmähliche Befreiung vom Einfluss Corots zeigte sich in der Aufhellung seiner Palette und dem Verschwinden der neutralen Farbtöne. Auch begann Pissarro nun mit dem Spachtel in großzügigen, leuchtenden Strichen zu arbeiten. Zwar fand Pissarro seine Motive in dieser Zeit fast ausschließlich in der Umgebung von Paris und in Pontoise; im Gegensatz zu Renoir und Monet malte er jedoch nicht die Ausflugsorte an den Ufern der Seine, in denen die Pariser ihre sonntäglichen Vergnügungen suchten, sondern „die schwermütige, von der bäuerlichen Arbeit geprägte Landschaft.“

Angesichts des drohenden Einmarsches der preußischen Truppen übersiedelte Pissarro 1870 nach London. Dieser Londoner Aufenthalt, der insgesamt sieben Monate gedauert hatte, war mehr als eine Zeit des Exils und des unruhigen Wartens auf die Rückkehr in die Heimat. Er stellte eine Phase des Umbruchs und des Neubeginns in Pissarros künstlerischer Laufbahn dar. „Neue Bildvorstellungen, Farben, Techniken und Stimmungen fanden plötzlich Eingang in sein Schaffen und unterbrachen zunächst die strengeren und architektonischen Themen, die er in Louveciennes verfolgt hatte.“ Wesentlich wurde dieser Bruch mit der Vergangenheit durch Pissarros Zusammenkünfte mit Monet eingeleitet, der ebenfalls nach London emigriert war. Pissarro und Monet trafen sich regelmäßig. Sie besuchten gemeinsam die Museen und entdeckten Turner und seine „leuchtenden und durchsichtigen Farben und gleichsam verzauberten Naturdarstellungen, seine Art, Wolken zu malen, ohne daß sie zu erstarrten Flecken werden.“

Monet und Pissarro gelten gleichermaßen als die Haupt-figuren der impressionistischen Bewegung. Ihre gemeinsame Londoner Zeit und der damit verbundene Gedankenaustausch setzten wesentliche Impulse für die Genese dieser neuen Malerei, die 1874 eine neue Epoche der Kunstgeschichte einleiten sollte. In einem Brief, den er 1902 an den englischen Landschaftsmaler Wynford Dewhurst schrieb, erinnert sich Pissarro an das Londoner Exil: „Monet arbeitete in den Parks, während ich Nebel-, Schnee- und Frühlingsstimmungen festhielt“. Dieses Textfragment könnte, zugegebenermaßen nicht ohne Vorbehalte, als Geburtsurkunde der impressionistischen Kunst betrachtet werden. Zumindest aber dokumentiert es den Beginn dieser Periode innerhalb Pissarros Schaffensprozesses. Denn gerade in dem Fokussieren auf die flüchtige Stimmung manifestiert sich die impressionistische Theorie: Am Motiv „interessiert nicht seine objektive Struktur, sondern die von ihm ausgelöste Stimmung.“

Als Pissarro 1871 nach Frankreich zurückkehrt, findet er von den 1.500 Bildern, die er in seinem Atelier in Louveciennes zurückgelassen hat, kein einziges mehr vor. Und dieser Verlust „wirkt wie ein weiteres Signal zu einem neuen Anfang. (...) Er fängt wieder von vorne an, losgelöst von der Vergangenheit, im Besitz einer nunmehr sicheren Technik und einer genauen Vorstellung von dem, was er machen will, nämlich nur noch die Natur befragen.“

Nach einem kurzen Aufenthalt in Louveciennes siedelt Pissarro 1872 nach Pontoise über. Das Hauptmotiv für Pissarros Umzug nach Pontoise lag in der Tatsache begründet, dass sich Dr. Paul Gachet, der Hausarzt seiner Mutter und ein begeisterter Radierer und Sammler der Gruppe von Batignolles, im Frühjahr 1872 ein Haus in Auvers gekauft hatte. Pontoise, eine Marktstadt ca. 40 Kilometer nordwestlich von Paris gelegen, war zu Pissarros Zeiten ein lebhaftes Zentrum des Gemüse- und Geflügelhandels. Auvers, ein kleines langgestrecktes Dorf, befindet sich im näheren Umkreis dieser Kleinstadt. Im Frühjahr 1872 hatte sich Cézanne mit seiner Familie ebenfalls in Pontoise niedergelassen um dort mit Pissarro zusammen zu arbeiten. Am Ende desselben Jahres zog er nach Auvers, wo Dr. Gachet ein Haus für ihn gefunden hatte. Cézanne blieb zwei Jahre in Auvers. Doch 1877 kam er wieder zurück um erneut mit Pissarro zu arbeiten. Danach kam er 1881 noch einmal nach Pontoise. 1882 arbeiteten die beiden Künstler zum letzten Mal zusammen. Zwischen 1872 und 1874 hatten Paul Cézanne und Camille Pissarro oft Seite an Seite gearbeitet und Cézanne wurde im Laufe dieser gemeinsamen Arbeit immer mehr in Pissarros Anschauungen und Methoden involviert. Das gemeinsame Motiv war die Landschaft in der Umgebung von Pontoise und Auvers. Der Einfluss Pissarros auf Cézannes Werk dieser Zeit war unverkennbar: Auf Anraten Pissarros hellte Cézanne seine Farben auf, bediente sich der Spachteltechnik und arbeitete von nun an nur noch mit den drei Grundfarben und ihren unmittelbaren Derivaten.

Georges Seurat (1859-1891) trat am 19. März 1878 in die Malklasse von Henri Lehmann, einem weniger bedeutenden Schüler von Jean-Auguste-Dominique Ingres, ein, wo er Ernest Laurent kennenlernte. Daneben studierte er die Alten Meister im Louvre.

1879 verließ Georges Seurat die École des Beaux-Arts. Diese Entscheidung folgte auf einem Besuch der 1879er Ausstellung der Impressionisten, in der Bilder von Edgar Degas, Camille Pissarro und Claude Monet zu sehen waren. Seurat wendete sich zunehmend von den akademischen Idealen ab. Zusammen mit Edmond Aman Jean und Ernest Laurent mietete er ein Atelier in der Rue de l’arbalète. Zwischen November 1879 und November 1880 leistete Seurat seinen Militärdienst in Brest ab. Währenddessen fertigte er Skizzen an und las „Die Phänomene des Sehens“ von David Sutters. Nach der Rückkehr aus Brest mietete er einen Raum in der Rue de Chabrol, in dem er in der Folge seine Werke malte. Er setzte sich wie kaum ein anderer Künstler mit optischen Problemen auseinander und beschäftigte sich mit Physik, Geometrie und verschiedenen theoretischen Werken. Unter anderem studierte er Eugène Chevreuls Werk über den Simultankontrast der Farben und den Farbkreis

Im Jahr 1881 unternahm Seurat zusammen mit Aman-Jean einige kleine Reisen in das Umland von Paris. Er setzte seine theoretischen Studien fort und sich mit der Farbenlehre von Ogden Nicholas Rood auseinander und beschäftigte sich mit den Werken Eugène Delacroix', der in der Sankt-Agnes-Kapelle von Saint-Sulpice Versuche mit dem System der Komplementärfarben gemacht hatte. Mit Charles Henry diskutierte Seurat über Dynamogenie, worunter der junge Wissenschaftler die Lehre von Kontrast, Rhythmus und Maß fasste. Ausgehend von der Beschäftigung mit den Farbtheorien führte Seurat Versuche auf Holztafeln und Leinwänden durch, zuerst mit Farbmischungen, dann mit getrennten Farbpunkten. In seiner Maltechnik nutzte er vor allem den Simultankontrast. Der Simultankontrast beschreibt das gleichzeitige (simultane) Wechselwirken von nebeneinanderliegenden Farbflächen. Im Zusammenspiel der Teile kommt es zu einer „optischen Überflutung“. Der Sehsinn sucht zu einer dargestellten Farbe die Komplementärfarbe, um ein „Farbganzes“ herzustellen. Fehlt dieser Farbeindruck so stellt die Wahrnehmung bei einer angrenzenden Farbe sie in einer Nuance her. Derart subjektiv empfundene Farben werden als induzierte Farben bezeichnet. Dieser illusionäre Charakter der Wahrnehmung bewirkt beim Betrachter eine Erregtheit. Die Stabilität der sich gegenüberstehenden Farben ist aufgelöst, sie kommen in ein wechselvolles Vibrieren und leuchten in neuen Wirkungen auf. Betrachtet man etwa eine weiße Fläche, die von einer grünen Fläche umgeben ist, so erscheint sie nicht als neutrales weiß, sondern besitzt einen rötlichen Schimmer, den „Schatten“ der imaginären Gegenfarbe. Ein reines Rot wird entsprechend mehr als Orange wahrgenommen, wenn man es vor einem blauen Hintergrund betrachtet, da das Blau seine Komplementärfarbe Gelborange induziert, die sich dann schließlich auf der Netzhaut des Auges mit dem Rot „mischt“. Der Simultankontrast beeinflusst nicht nur die Tönung, sondern auch die Helligkeit. Das graue Quadrat vor dem gelben Hintergrund erscheint gegenüber dem von Weiß umschlossenen blaustichiger und heller, obwohl beide Quadrate exakt dieselbe Farbe haben.

Georges Seurat war im Jahr 1883 erstmals und zum einzigen Mal im Pariser Salon vertreten. Dort wurde seine Zeichnung Porträt von Aman-Jean gezeigt. Im Folgejahr wurde das erste große Gemälde Seurats, Eine Badestelle bei Asnières vom Salon abgelehnt. Stattdessen wurde dieses Bild in der Ausstellung der Societé des Artistes Indépendants präsentiert. Dort lernte er Paul Signac kennen, mit dem ihn in der Folge eine Freundschaft verband.

Im folgenden Jahr wurde er durch Signac in die künstlerische Avantgarde und den Kreis der symbolistischen Literaten eingeführt. Dabei war er im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern dieser Zeit nicht von einer großen Bewundererschar umgeben und beim Publikum besonders beliebt. Seurat pflegte Kontakte zu den letzten Malern des Realismus, sowie zu Symbolisten und Dekadenten. Im Jahr 1886 stellte Seurat sein Bild Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte und neun weitere Werke in der letzten Ausstellung der Impressionisten aus. Seine Malweise wurde von dem Kunstkritiker Félix Fénéon ausführlich und sachlich erläutert. Der belgische Dichter Émile Verhaeren lud Georges Seurat zur nächsten Ausstellung der Avantgardegruppe „Les Vingt“ ein. Im Herbst 1886 zog Seurat in sein neues Atelier am Boulevard de Clichy.

Am 2. Februar 1887 nahm Georges Seurat zusammen mit Signac an der Eröffnung der Ausstellung von Les Vingt teil. Dort war er mit sieben Gemälden vertreten. Im selben Jahr formierte sich die von Signac begründete Gruppe der Neoimpressionisten, in der unter anderem mit Charles Angrand, Maximilien Luce und Albert Dubois-Pillet neben Seurat Vertreter der pointillistischen Maltechnik waren. Im Januar 1888 stellte Georges Seurat neben seinen Künstlerfreunden in den Räumlichkeiten der von Fénéon geleiteten „Revue Indépendante“ aus. Im Sommer reiste er an den Ärmelkanal. Dort fertigte er zahlreiche Seestücke an. Seurat nahm im Februar des Folgejahres zum zweiten Mal an der Ausstellung der Künstlervereinigung Les Vingt in Brüssel teil. Von internen Streitigkeiten verunsichert, entfernte sich Seurat zunehmend von seinen Freunden. Georges Seurat wurde von Jules Christophe ein Heft gewidmet, das in der von Fénéon geleiteten Reihe „Les Hommes d’Aujourd’hui“ erschien. Den Sommer verbrachte er in Gravelines. Dort malte er erneut Seestücke an der Nordsee. In der Ausstellung der Brüssler Künstlergruppe Les Vingt des Jahres 1891 nahm Georges Seurat erneut teil und zeigte dort das Bild Le Chahut und sechs Landschaftsgemälde. Im Salon des Indépendants zeigte er das noch nicht fertiggestellte Bild Zirkus.

Seurat wurde hauptsächlich durch sein von 1884-1886 entstandenes Bild Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte bekannt. Seurat vollendete im Jahr 1884 Die Badenden in Asnières (Baigneurs à Asnières), die von der Jury des Pariser Salons zurückgewiesen wurden. Im Sommer des gleichen Jahres begann er mit seinen Vorstudien zu Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte. Im Dezember stellte er bei den Indépendants noch einmal Die Badenden zusammen mit Studien zur Grande Jatte aus.

Der Versuch, das künstlerisch wiederzugeben, was man sieht, nicht das, was man weiß, erstreckte sich nicht nur auf die freie Natur: Paris mit seinen Boulevards und Plätzen, Cafés und Varietés voller Menschen, mit Parks, Bahnhöfen oder Pferderennbahnen bot ebenso zahlreiche Motive. Auch die Wiedergabe von Bewegung faszinierte viele Impressionisten, nicht nur in Frankreich. In den deutschen Kunstzentren Berlin und München malten Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth im impressionistischen Stil.

Die deutsche Variante des Impressionismus fand ihren geistig - künstlerischen Höhepunkt in den 1890er Jahren, also 20 Jahre später als in Frankreich, doch lassen sich die Folgeerscheinungen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs beobachten. Anders als der französische Impressionismus, der sich bei erster Betrachtung als eine weitgehend homogene, auf Paris und dessen Umgebung konzentrierte künstlerische Bewegung darstellt, ist der deutsche Impressionismus stärker an einzelne Künstlerpersönlichkeiten gebunden. „In Deutschland gab es durch das Gefüge zahlreicher Einzelstaaten keinen Zentralismus, die Akademien waren der Verfügungsgewalt und damit auch dem Geschmacksurteil des jeweiligen Regenten unterstellt. Im Zuge der deutschen Reichsgründung 1871 und der Ernennung von Berlin zur Reichshauptstadt bildete sich dort in den 1890er Jahren ein neues kulturelles Zentrum heraus, das der alten Hauptstadt der Kunst, München, den Rang abzulaufen begann.“

Auch aus den anderen Kulturmetropolen, neben München waren dies vor allem Dresden und Düsseldorf, wanderten damals zahlreiche avantgardistisch orientierte Künstler nach Berlin ab. Dies galt ebenfalls für das impressionistische Maler Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt, die im Rahmen der Berliner Sezession eine fast schon missionarische Tätigkeit für die neue Malerei entfalteten. Die Gemeinsamkeiten der einzelnen Vertreter des deutschen Impressionismus sind weniger klar und umfangreich als die der französischen Impressionisten. Vergleichbar ist vor allem die seit den 1890er Jahren bei den deutschen Malern skizzenhafte Technik wie auch die Vorliebe für die Freilichtmalerei, die allerdings in Deutschland auf ganz eigenen Vorbedingungen beruhte.

Darüber hinaus stellte der Impressionismus für viele deutsche Künstler lediglich ein kurzes Durchgangsstadium dar. „Die deutschen impressionistischen Maler kamen überwiegend aus dem naturalistischen Lager. So wirkt der deutsche Impressionismus auf den ersten Blick wegen seiner stärker sozial ausgerichteten Themen problematischer und aufgrund der zum Teil vorherrschenden tonalen Palette trüber und dunkler als der französische. Überdies blieb das graphische Element für die deutschen Impressionisten stets bedeutsamer als für die Franzosen. Nur wenige deutsche Vertreter gingen in der impressionistischen Formauflösung so weit, daß sie die pointillistische Technik anwandten.“

Der deutsche Impressionismus beruht also keineswegs einseitig auf französischen Einflüssen, ist aber dennoch ohne diese nicht denkbar. Neben der Rezeption der modernen französischen Malerei wurde der deutsche Impressionismus vor allem von der holländischen Malerei des 17. und 19. Jahrhunderts sowie der Entwicklung der Freilichtmalerei in Deutschland inspiriert. Dies muß nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zahlreichen, unabhängigen Künstlergruppen und Sezessionen gesehen werden. Entscheidend für die Generation jener Künstler, die den impressionistischen Stil in den 1890 Jahren in Deutschland entwickelten, war zunächst die Auseinandersetzung mit der Malerei von Wilhelm Leibl (1844-1900) und seinen Künstlerfreunden, des sogenannten Leibl-Kreises.

Auf der ersten Ausstellung der 1898 neugegründeten Berliner Sezession wurden Leibls Arbeiten als exemplarisch für einen neuen, als richtungweisend empfundenen Ansatz in der Malerei gezeigt, der Maler selbst 1900 zum Ehrenmitglied ernannt. Zahlreiche Vertreter aus dem Leibl-Kreis arbeiteten später entweder selbst im impressionistischen Stil, darunter Wilhelm Trübner (1851-1917) und Carl Schuch (1846-1903), oder sie vermittelten der jüngeren Generation impressionistischer Maler entscheidende Anregungen: Schuch zum Beispiel dem befreundeten Karl Hagemeister (1848-1933), Trübner an Max Slevogt und Lovis Corinth. Max Liebermann soll bereits bei seiner Übersiedelung nach München den Wünsch geäußert haben, Schüler von Leibl zu werden. Neben Leibl war auf der ersten Berliner Sezessionsausstellung, auch der hochgeschätzte Adolph Menzel (1815-1905) vertreten. Menzels Bildmotive, die später in einer unpolitisch – ästhetischen Rezeption aufgrund der lockeren, skizzenhaften Malweise und der subtilen Lichtführung als Gestaltungsmittel in Bezug zum deutschen Impressionismus gesehen wurden, waren allerdings zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Dazu gehörten Arbeiten wie das „Balkonzimmer“(1905) und „Die Berlin-Potsdamer Eisenbahn“(1847).“

In Deutschland trat Impressionismus erst wesentlich später ein. Immer wieder taucht dabei die Vermutung auf, daß die deutsche Impressionisten ihre entscheidenden Impulse vielleicht doch während ihrer Parisaufenthalte erhalten könnten. Auch Wilhelm Leibl weilte bereits 1869/70 in Paris, um dort vor allem den Kontakt zu dem befreundeten realistischen Maler Gustave Courbet zu erneuern, den Leibl 1869 anläßlich der im Münchner Glaspalast kennengelernt hatte.“

Liebermann studierte an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin, später an der Universität Weimar. 1868 reiste er erstmals nach München für einen kurzen Aufenthalt, 1871 nach Holland. Im selben Jahr macht er die Bekanntschaft mit Theodor Hagen im Düsseldorfer Atelier Munkacsys. Ein Jahr später entsteht das bekannte Gemälde mit dem Titel „Gänserupferinnen“ und „Gemüseputzerinnen“.

Der Künstler reist ernuet nach Holland und nach Paris, wohin er 1873 übersiedelt. In den folgenden Jahren, auch als „Pariser Zeit“ bezeichnet, besucht der Deutsche öfter den Ort Barbizon und die dort schaffende Künstlergemeinschaft, ausserdem reist er nach Holland. Frans Hals Bilder beeindrucken Liebermann, er fertigt zahlreiche Kopien von dessen Bildern an. Ab 1878 lebt der Künstler in München. Kaum ein Jahr in der bayerischen Hauptstadt, da sorgte Liebermann bereits für einen öffentlichen Skandalmit seiner Interpretation des Sujets „Jesus unter den Schriftgelehrten“. Er zieht sich nach Dachau und Etzenhausen zurück, wo er unter anderem die Bekanntschaft mit den Münchner Künstlern Leibl und Sperl macht.

Ab 1880 erfahren Liebermanns Werke internationale Aufmerksamkeit und Annerkennung. Beispielsweise die Gemälde „Altmännerhaus“, „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“ und die „Schusterwerkstatt“, die auf der Ausstellung im Pariser Salon großen Erfolg erzielten. Die beiden letzten Bilder werden sogar vom Kunstsammler Faure käuflich erworben. Im selben Jahr, 1882, reist Liebermann nach Holland und malt das berühmte Bild „Der Weber“. Außerdem wird im die Ehre zuteil, als Mitglied in den Pariser „Cercle des XV“ aufgenommen zu werden.

1883 entstehen die Studien zum „Münchner Biergarten“. Das Ölgemälde wird schon ein Jahr später im Pariser Salon ausgestellt. Im selben Jahr vermählt sich Liebermann in Berlin, die Münchner Jahre sind damit beendet.

Es folgt eine weitere Reise nach Holland, die „Judengasse in Amsterdam“ entsteht und Liebermann macht die Bekanntschaft von Anton Mauve. 1885 ist der „Münchner Biergarten“ Teil der Weltausstellung in Antwerpen. Der Maler wird Mitglied im Verein Berliner Künstler und erhält 1888, reichlich verspätet, eine erste offizielle Anerkennung in seiner Heimat - die Kleine Goldene Medaille für „Stille Arbeit“. Ein Jahr später vollendet er die „Netzflickerin“ und die „Frau mit Ziege“, für das er drei Jahre später die Grosse Goldene Medaille erhält. Das Bild wird auf einer großen Einzelausstellung beim Münchner Kunstverein durch die Neue Pinakothek erworben, wo es noch heute zu sehen ist.

Liebermann knüpft in den folgenden Jahren Kontakte zu Hugo von Tschudi und Whistler. Er unternimmt Reisen nach London und Paris und hält sich mehrfach in Holland auf. Im Jahre 1897 wird Liebermann große öffentliche Anerkennung zuteil, als ihm zu Ehren eine Sonderausstellung an seinem 50. Geburtstag in Berlin gezeigt wird. 1899 wird Liebermann Präsident der neugegründeten Berliner Secession.

Der Maler unternimmt in den folgenden Jahren mehrere Reisen nach Italien und Holland und siedelt im Jahr 1910 in sein neues Haus in Wannsee bei Berlin um. Sowohl anlässlich des 60. als auch des 70. und 80. Geburtstages wird Liebermanns Bedeutung durch große Einzelausstellungen gewürdigt. 1913 verlässt der Künstler zusammen mit seinen Kollegen Barlach, Beckmann, Kollwitz und Pechstein die Berliner Secession und tritt zur „Freien Secession“ über. Unter dem Regime der Nationalsozialisten tritt Liebermann 1933 aus der Akademie der Künste aus und legt seine Ehrenpräsidentschaft nieder.

1897 präsentiert Max Slevogt seine Arbeiten in Wien zum ersten Mal in einer Einzelausstellung. Seine Teilnahme an der Schau der Münchner Secession 1899 mit dem Gemälde „Danaë“ gerät zum Skandal; das Bild wird als obszön aus der Schau entfernt. Dagegen feiert er mit dem Triptychon „Der verlorene Sohn“ auf der ersten Ausstellung der Berliner Sezession einen überragenden Erfolg, in dessen Folge er als einer der offiziellen Vertreter der Kunst des Deutschen Reiches auf der Weltausstellung von 1900 in Paris vertreten ist. Aus diesem Anlass reist er zum zweiten Mal nach Paris, wo er sich nun verstärkt mit der Malerei des französischen Impressionismus auseinandersetzt. Im Zentrum seines Interesses steht das Werk von Edouard Manet ; ausgestattet mit einer Empfehlung seines Freundes Paul Cassirer hat er Zugang zu privaten Sammlungen und kann so auch Werke des französischen Künstlers studieren, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.

1901 wird Slevogt auf Veranlassung des bayrischen Prinzregenten Luitpold als Professor an die Münchner Akademie berufen. Ermutigt von seinen Erfolgen an-lässlich der Berliner Ausstellung übersiedelt er, nach kurzem Aufenthalt in Frank­furt, wie Lovis Corinth nach Berlin, wo er Mitglied der dortigen Sezession wird. 1914 wird er an die königliche Akademie der Künste berufen, wo er ab 1917 ein Meisteratelier für Malerei leitet. Bei seinem Tod 1932 hinterlässt er ein umfang-reiches und vielfältiges Oeuvre. Es umfasst neben zahlreichen Gemälden, darunter viele Porträts und Auftragsarbeiten wie z. B. für Prinzregent Luitpold, mehrere grafische Zyklen, so zu Mozarts Oper „Die Zauberflöte“, Illustrationen zu Märchenstoffen wie „Ali Baba und die vierzig Räuber“ und Romanen wie James Fenimore Coopers „Lederstrumpf“, Bühnenbilder für Max Reinhardt am Deutschen Theater Berlin und für die Dresdner Oper, Wandbilder in seinen Arbeitsräumen auf Neukastel und für die Friedenskirche in Ludwigshafen.

Max Slevogt studiert an der Akademie der Künste in München; dort wird die Tradition des Historienbildes gepflegt, geprägt von Künstlern wie Moritz von Schwind[, Wilhelm von Kaulbach, Franz von Lenbach und Karl von Piloty. Mit der Romantik gewinnt die Landschaftsmalerei an Bedeutung, angeregt durch die Schule von Barbizon orientiert sie sich vor allem an der Pleinairmalerei. Unter den impressionistischen Malern Deutschlands ist Max Slevogt der große Erzähler, geprägt von der Tradition der Historienmalerei. Mythen und Legenden, biblische Stoffe und Märchen regen ihn auch nach seiner akademischen Aus-bildung zu vielfältigen bildnerischen Arbeiten an. Sein Interesse gilt dem Menschen, dessen Ausdrucksmöglichkeiten er in zahlreichen Werken auslotet, vom klassischen Porträt über Künstler- und Bühnenstudien am Beispiel des Sängers Francisco d´Andrade und Familienbildnisse bis hin zu einer großen Zahl von Selbstdarstellungen aus allen Schaffensperioden. Leitbilder sind für ihn Edouard Manet und Rembrandt, mit deren Schaffen er sich intensiv auseinander setzt. So nutzt er Reise]n, um Werke der Künstler vor Ort, in Paris und Amsterdam, zu studieren, nicht zuletzt angeregt durch seinen Freundeskreis, zu dem der Kunsthistoriker Karl Voll und Sammler und Galeristen wie die beiden Cousins Cassirer gehören. Die Landschaftsdarstellung gewinnt in seinem Werk mit den Aufenthalten in der Pfalz und letztlich mit dem Erwerb des Sommersitzes Neukastel an Bedeutung. Hier entstehen viele Landschaftsbilder, die den Wechsel der Tages- und Jahreszeiten und die mit ihnen einhergehende Wahrnehmung der Natur reflektieren.

Ausgangspunkt für Max Slevogts Arbeiten sind in vielen Fällen umfangreiche Skizzen und Vorstudien in Aquarell, Kohl, Kreide und Tusche, aber auch Fotos. Er ist unter den impressionistischen Künstlern der Grafiker. Die Faszination der Farbe und des Lichts steht bei ihm gleichberechtigt neben der Begeisterung für die Dynamik der Linie und die Klarheit grafischer Gestaltung. So finden sich in seinem Oeuvre neben vielen Einzelarbeiten mehrere bedeutende grafische Zyklen, mit denen Slevogt zumeist als Illustrator literarischer Vorlagen in Erscheinung tritt. In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts arbeitet er für die Zeitschriften „Jugend“ und „Simplicissimus“, später gestaltet er grafische Folgen, die ihre Motive aus Märchen wie denen der Gebrüder Grimm oder den Erzählungen aus tausendundeiner Nacht, aus Coopers „Lederstrumpf“ oder Goethes „Faust“ schöpfen. Neben seinem Engagement als Maler und Grafiker ist Max Slevogt nicht nur ein profunder Kenner, sondern auch ein großer Liebhaber der klassischen Literatur und Musik, er verehrt Wolfgang Amadeus Mozart ebenso wie Richard Wagner.

Der amerikanische Maler James Abbott Mc Neill Whister studierte in Paris und verfolgte, nachdem er sich in London niedergelassen hatte, die impressionistische Malweise weiter.

Für die Fine Arts Society stellte Whistler in der Dowdeswelle Gallery im Februar 1883 hauptsächlich Radierungen aus, von denen die meisten Venedig 1879–1880 zeigten. Whistler beschrieb seine Installation als ”strahlend und anmutig – weiße Wände in unterschiedlichen Weißtönen, mit gemalten Ausformungen – nicht vergoldet! – gelbe Samtvorhänge – hellgelbe Stroh-Matten – gelbe Sofas und kleine Bambusrohr-Stühle - schöne kleine, gelbe Tische, eigener Entwurf – orientalische Keramik mit gelben Blumen in verschiedenen Farbtönen und Tiger-Lilien! Vierzig ausgezeichnete Radierungen .. in ihren exquisiten weißen Rahmen – mit ihren kleinen Schmetterlingen – große weiße Schmetterlinge auf gelben Gardinen und gelbe Schmetterlinge auf weißen Wänden – und schließlich ein Diener in gelber Livré“. Die Kunstwelt musste neidlos anerkennen, dass Whistler einen Hintergrund geschaffen hatte, der in bewundernswerter Weise seine Radierungen zur Geltung brachte. Der Diener, der Programme verkaufte, wurde als "Poached Egg Man" bekannt.

Die grundlegende Beschäftigung mit dem Phänomen des Sehens hatte im 19. Jahrhundert zu neuen Erkenntnissen in der Optik geführt. Auf diesen Erkenntnissen bauten die Impressionisten auf. Auch der Maler Georges Seurat setzte sich mit der Wahrnehmung von Farben durch das menschliche Gehirn auseinander. In seinen Gemälden setzte er unzählige Farbpunkte in den Grund- und Komplementärfarben nebeneinander. Erst das Gehirn ist in der Lage, aus diesen Farbpunkten, bei der Betrachtung durch optische Mischung Gegenstände auszumachen. Seurats pointillistischen Bilder begeisterten viele andere Künstler, unter ihnen Vincent van Gogh. Wegen der Zerlegung des Motivs in Farbpunkte wurde Seurats Maltechnik auch als Divisionismus bezeichnet.

Lange Zeit standen die Impressionisten wegen ihrer neuen Malweise in der Kritik der Öffentlichkeit. Der Kunstkritiker Louis Leroy spottete 1877, die Bilder der Impressionisten bestünden aus Vanille-, Johannisbeer- und Pistazieneis und seien sogar essbar. In den 1880er Jahren trat jedoch ein Wandel im Kunstgeschmack und in der Beurteilung des impressionistischen Malstils auf. Die Bilder und die Künstler selbst wurden in der Öffentlichkeit weitaus positiver bewertet.Georg Brühl, der Karl-Marx-Städter Leiter der Galerie Oben, hatte als Erster die Idee. Im Winter 1975 organisierte er gemeinsam mit dem Ostberliner Kunsthistoriker, Klaus Werner, im DDR-Künstlerort Ahrenshoop das erste sogenannte Pleinair. Die Tradition der französischen Impressionisten, unter freiem Himmel zu arbeiten, wurde aufgenommen, um sich jeweils etwa zehn Tage ungestört und im kollektiven Austausch neuen Impulsen experimenteller Kunstformen zu widmen. Es entstanden Installationen und Videos, dazu gab es Vorträge über internationale Kunst, Filme und Exkursionen.

Insgesamt organisierten Klaus Werner und Thomas Ranft, Mitbegründer der „Clara Mosch“ in Karl-Marx-Stadt, bis 1986 neun Pleinairs in Mecklenburg, an der Ostsee und in Thüringen. Finanziert wurden die Unternehmungen von der Genossenschaft bildender Künstler, der die beiden Galerien Arkade und Oben gehörten, den Künstlern selbst und von 1976 bis 1979 mit Unterstützung des Staatlichen Kunsthandels. Zum engeren Kreis der Teilnehmer gehörten neben den Berlinern Manfred Butzmann und Dieter Goltzsche die "Mosch“-Künstler, die Leipziger Künstler um das "Tangente“-Projekt sowie die Dresdner Eberhard Göschel, Max Uhlig, Claus Weidensdorfer und Werner Wittig.

Das Pleinair in Leussow 1977, dessen Ergebnisse – Originalgrafiken, Fotos und ein Multiple aus vier Reagenzgläsern mit der Asche verbrannter Installationen – im berühmt gewordenen "Leussow-Recycling“-Koffer enthalten waren, wurde noch elf Jahre später auf dem IX. Kongress des Verbandes Bildender Künstler als Beispiel für einen ungehörigen Kunstbegriff jenseits "irgendwelcher künstlerischer Kriterien“ (Willi Sitte) gewertet. Das zweite wichtige Pleinair in Gallentin 1981 hatte weniger harmlose Folgen: Zum ersten interdisziplinären Treffen kamen nicht nur bildende Künstler an den Schweriner See, sondern auch die Schriftsteller Christa und Gerhard Wolf, Stefan Döring, Eberhard Häfner, Bert Papenfuß-Gorek und Sascha Anderson. Mit Klaus Staeck reiste zum ersten Mal ein Künstler aus Westdeutschland an. Klaus Werner filmte mit einer über Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR beschafften Videokamera die Aktion Michael Morgners "M. überschreitet den See bei Gallentin“. Von Anfang an waren die Begegnungen vom "Mosch“-Fotografen Ralf-Rainer Wasse für die Staatssicherheit dokumentiert worden. Diesmal schrieb auch Sascha Anderson Berichte. Die "illegale Beschaffung“ geriet Klaus Werner so zum Verhängnis – er wurde im selben Jahr als Leiter der Galerie Arkade entlassen.

Die Jenaer Hofvernissagen fanden von 1986 bis 1988 auf einem besetzten Hinterhof statt. Sie ließen Jena zu einem wichtigen Ort der künstlerischen Opposition und Gegenkultur in Thüringen werden.

Auf das Verbot seiner Ausstellung in der Jenaer Stadtgalerie reagierte der Jenaer Maler Gerd Wandrer mit einem Ausreiseantrag. Da ihm mit dem Antrag zugleich öffentliche Auftritts- und Ausstellungsmöglichkeiten verwehrt waren, suchte er nach einer möglichen Alternative. Sie ergab sich im Hof zwischen Johannisstraße 16 und Jenergasse 7. Im baufälligen Hinterhaus der Johannisstraße 16, das von Theologie- und Germanistikstudenten bewohnt wurde, richtete sich Wandrer ein Ausweichatelier ein. Im Herbst 1986 regte er an, den Hof von Schutt zu befreien, um dort in loser Folge Ausstellungen zu organisieren. Zur Einweihung im November zeigte der Künstler eigene Werke.

Im Frühjahr des nächsten Jahres folgte eine weitere Ausstellung Wandrers. Unter dem Titel "Akt und Figur“ stellten im Mai 1987 Künstler aus Jena aus. Bis zur Ausreise des Malers im Herbst 1987 wuchs die Zahl auf sieben Ausstellungen, deren Eröffnungen bei Künstlern und Oppositionellen aus Thüringen schnell beliebt wurden. Die überregionale Ausstrahlung der Hofvernissagen provozierte zunächst Misstrauen, dann das Einschreiten der Behörden. Im Juli 1987 wurde Wandrer wegen der mit den Eröffnungsfesten verbundenen "Ruhestörung“ mit einem Ordnungsstrafverfahren von eintausend Mark belegt. Die Strafe wurde jedoch aufgehoben, weil Wandrer dagegen Widerspruch einlegte und sich unter der Anwohnerschaft kein Kläger fand.

Nach der Ausreise von Annette und Gerd Wandrer 1987 wurden die Vernissagen von einer Gruppe unter Leitung des Zahnarztes und späteren SDP-Gründers Joachim Hofmann und des Fotografen Bertram Hesse fortgeführt. Es folgten im Mai 1988 eine Ausstellung von Tim Rotschoenberg aus Freiberg, deren Eröffnung von einer Lesung von Johannes Jansen begleitet wurde, und Expositionen Jenaer Künstler wie Arnulf Ehrlich, die in den 1980er Jahren über keine oder nur eingeschränkte Ausstellungsmöglichkeiten verfügten. Die 11. Ausstellung mit großformatigen Plastiken von Eva Anderson (Eva Backofen) und Ölbildern von Detlef Schweiger, die am 25. Juni 1988 mit einer Lesung von Bernd Igel, mit Filmen von Gino Hahnemann und der "Rennbahnband“ der Dresdner Maler und Grafiker Christiane Just und Andreas Hegewald eröffnete, wurde zum Menetekel für zukünftige Veranstaltungen. Da man von Seiten der Staatsmacht befürchtete, dass sich Jena, bis in die frühen 1980er Jahre ein führendes Zentrum der politischen Opposition und seit 1983 Versammlungsort für Ausreisewillige aus dem gesamten Süden der DDR, auch zu einem Ort der künstlerischen Opposition und Gegenkultur entwickeln könnte, beschloss man in einer abgestimmten Aktion von Partei, Staatssicherheit, Polizei und Stadtverwaltung, die Hofvernissagen zu beenden. Auf Anweisung des stellvertretenden Oberbürgermeisters Krause und im Auftrag der Städtischen Gebäudewirtschaft wurden die Plastiken von Eva Anderson und ein Ölbild Detlef Schweigers am 29. Juli 1988 auf die Mülldeponie Großlöbichau gebracht und zerstört. Abgesichert wurde diese Aktion von einem umfangreichen Polizeiaufgebot und von Vertretern der Staatssicherheit. Um weitere Ausstellungen und Veranstaltungen zu verhindern, wurde eine Mauer quer über den Hof gezogen. Die staatliche Intervention, kurz vor dem Ende der DDR, führte zu landesweiten Protesten, handelte es sich bei Anderson und Schweiger doch nicht um "rechtlose“ Oppositionelle, sondern um etablierte Mitglieder des Dresdner Verbandes Bildender Künstler, die gegen die Zerstörung ihrer Arbeiten juristisch vorgingen. Darüber hinaus wandte sich Joachim Hoffmann mit einem Protestschreiben an den Stellvertretenden Minister für Kultur Dietmar Keller. Auch die Künstlerszene des Prenzlauer Bergs formulierte einen "Offenen Brief“, der am 10. August 1988 in der nicht offiziellen Zeitschrift "Verwendung“ veröffentlicht wurde. Die Proteste führten zwar zu einer Entschädigung der beteiligten Künstler und schließlich zur Ablösung der Kulturstadträtin Gudrun Niemann, fortgesetzt wurden die Jenaer Hofvernissagen jedoch nicht.

Fußnoten

  1.  ↑ Kocka, J./Sobrow, M. (Hrsg.): Die DDR als Geschichte. Fragen-Hypotheken-Perspektiven, Berlin 1994, S. 27
  2.  ↑ Wellard, I.: Das Regierungssystem der DDR, Berlin 1999, S. 18
  3.  ↑
     ↑  ↑ http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-3353
  4.  ↑ Mampel, S.: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Kommentar; mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung. 3. Auflage 1997, S. 24ff
  5.  ↑ Zitiert aus Geißler, G.: ''Geschichte des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962,'' Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 16
  6.  ↑ Grauer, M.: DDR-Bildungspolitik 1949-1961, Köln 1989, S. 13f
  7.  ↑ Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (Hrsg.): Dokumente zur Berlinfrage, München 1959, S. 43
  8.  ↑ Ebd. S. 56ff
  9.  ↑ Zimmermann, P.: Industrieliteratur in der DDR. Vom Helden der Arbeit zum Planer und Leiter, Stuttgart 1984, S. 82
  10.  ↑ Walther, J.: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1996, S. 25
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  12.  ↑
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  14.  ↑ Grauer, M.: DDR-Bildungspolitik 1949-1961, Köln 1989, S. 103f
  15.  ↑ Ebd., S. 106
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  17.  ↑ Arnold, H. u.a. (Hrsg.): Literatur in der DDR. Rückblicke, München 1991, S. 101
  18.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 186
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  25.  ↑
     ↑
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  44.  ↑ Staatlicher Kunsthandel der DDR (Hrsg.). Vier Maler aus der DDR. Ulrich Hachulla, Uwe Pfeiffer, Arno Rink, Volker Stelzmann. Kunstverein Neustadt an d. Weinstraße. Katalog zu der Ausstellung vom 20. März – 17. April 1983 in der Villa Böhm. Neustadt an d. Weinstraße 1983, S. 15
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  49.  ↑ Staatlicher Kunsthandel der DDR (Hrsg.). Vier Maler aus der DDR. Ulrich Hachulla, Uwe Pfeiffer, Arno Rink, Volker Stelzmann. Kunstverein Neustadt an d. Weinstraße. Katalog zu der Ausstellung vom 20. März – 17. April 1983 in der Villa Böhm. Neustadt an d. Weinstraße 1983, S. 15
  50.  ↑ Staatlicher Kunsthandel der DDR (Hrsg.). Ulrich Hachulla. Malerei Zeichnungen Radierungen. Neue Dresdner Galerie, Dresden 1986, S. 5
  51.  ↑ Ralf Schröder (Hrsg.): Der Platz für das Denkmal. Mit 16 Federzeichnungen von Ulrich Hachulla, Leipzig 1975, S. 7f
  52.  ↑ Becher, J.R.: Abschied. Mit Illustrationen von Ulrich Hachulla, Berlin 1979, S. 6
  53.  ↑ Staatlicher Kunsthandel der DDR (Hrsg.). Vier Maler aus der DDR. Ulrich Hachulla, Uwe Pfeiffer, Arno Rink, Volker Stelzmann. Kunstverein Neustadt an d. Weinstraße. Katalog zu der Ausstellung vom 20. März – 17. April 1983 in der Villa Böhm. Neustadt an d. Weinstraße 1983, S. 15
  54.  ↑ Staatlicher Kunsthandel der DDR (Hrsg.). Ulrich Hachulla. Maler und Grafiker. Galerie Berlin, Berlin 1978, S. 11
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  60.  ↑ Schwanecke, E.: Die Buchillustration der Deutschen Demokratischen Republik'','' Leipzig 1974, S. 28
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