e-Portfolio von Michael Lausberg
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Kulturland Spanien

Von Margarete Lausberg

Das 17. Jahrhundert ist das »goldene Zeitalter« der spanischen Malerei, das »Siglo de oro«, das von El Greco und Goya begrenzt wird und in Velasquez gipfelt. Getragen wurde diese Kunst im Wesentlichen von der Kirche, die damit weitgehend nicht nur den Geschmack, sondern auch die Themen bestimmte: So finden sich etwa aus Furcht vor der Inquisition, die als staatliche Einrichtung auch den Kunstbetrieb überwachte, in der spanischen Malerei nur wenige »unzüchtige« mythologische Szenen. Das Bürgertum spielte - anders als in Holland - als Auftraggeber oder Käufer von Kunst kaum eine Rolle. Ein wichtiger Mäzen war dagegen der königliche Hof, den Philipp II. 1561 wegen der Nähe zum Escorial von Toledo nach Madrid verlegt hatte. Der Wunsch, die neue Residenz gebührend auszustatten, verschaffte den Künstlern hier zahlreiche Aufträge - auch noch in einer Zeit des politischen Niedergangs, in der Spanien in den Kriegen gegen England, Holland und Frankreich seine Weltmachtstellung einbüßte.

Die spanische Barockmalerei begann in Valencia mit Francisco Ribalta. Vermittelt wohl über Neapel, das in dieser Zeit unter spanischer Herrschaft stand, geriet Ribalta seit etwa 1600 ganz in den Bann der italienischen Hell-Dunkel-Malerei in der Nachfolge Caravaggios. Zur Verbreitung seiner für Spanien neuen religiösen Kunst von hartem Realismus, ja von ungeschönter Hässlichkeit richtete Ribalta in Valencia eine Malerakademie ein, der aber kein dauerhafter Erfolg beschieden war. Sicherlich bedeutender als Ribalta war dessen wichtigster Schüler, Jusepe de Ribera, der seit 1616 als Hofmaler des spanischen Vizekönigs in Neapel lebte und die düstere neapolitanische Spielart der Hell-Dunkel-Malerei begründete. Da Ribera bis zu seinem Tod 1652 nie mehr nach Spanien zurückkehrte, muss man ihn halb der spanischen, halb der italienischen Kunstgeschichte zurechnen.

Das Zentrum der spanischen Barockmalerei aber war während des ganzen 17. Jahrhunderts Sevilla. Weltpolitische Bedeutung hatte die Hauptstadt Andalusiens nach der Entdeckung Amerikas erlangt: Hier war zunächst der einzige Umschlagplatz des Überseehandels, auch für Kunstwerke, hier wurde fast das ganze Gold aus den Kolonien umgeschmolzen, hier landeten bei ihrer Rückkehr die Kolonisten, die »Indianos«, mit sagenhaften Reichtümern. In Sevilla - daneben noch in Toledo und Granada - entstand eine eigene Gattung der Malerei, das »Bodegón«: In diesen Küchenstücken, benannt nach dem spanischen Wort für Schenke, werden volkstümliche Genreszenen mit Stillleben niederländischer Proveniez zu einem spezifischen Sittenbild vereinigt; als einer ihrer Begründer gilt Francisco Herrera der Ältere.

Der prägende Maler der Schule von Sevilla war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Francisco de Zurbaran, dessen Kunst zum Inbegriff des Spanischen in der Malerei dieser Zeit wurde. Zurbarán, ein glühender Verfechter der Gegenreformation, stand vor allem im Dienst glaubensstrenger Mönchsorden. In seinen Bilderzyklen für die Klöster der Kartäuser, Hieronymiten, Dominikaner und Mercedarier stellte er vielfach die Lebensgeschichten von Heiligen dar, die erst im 17. Jahrhundert zu besonderer Verehrung gelangten und für die es deshalb bis dahin kaum eine Bildtradition gegeben hatte. Aus diesem Grund wurde Zurbarán einer der fruchtbarsten Bilderfinder der spanischen Malerei. Daneben malte er auch einige Stillleben; sie zeichnen sich durch ein schlichtes, fast simples Arrangement der Gegenstände aus, die in hellstem Licht ausgestellt werden. Offen für die verschiedensten Einflüsse, auch für die niederländische Malerei, reagierte Zurbarán besonders auf das Hell-Dunkel der Cravaggisten. Hierbei entwickelte er eine unverwechselbare Malweise von herber Strenge in der Menschenauffassung und von intensiver Kraft im Kolorit. Nachdem Zurbarán schon 1634 in Madrid für den König tätig gewesen war, siedelte er 1658 endgültig dorthin über. Er vermochte hier aber kaum Fuß zu fassen, da sich seine allzu harte Hell-Dunkel-Manier inzwischen überlebt hatte.

In Sevilla wurde Zurbarán von dem neuen Stern der Malerei dieser Stadt verdrängt: Bartolomé Esteban Murillo konnte für seine Bilder bald schon das zehnfache Honorar Zurbaráns verlangen. Murillo kehrte der Hell-Dunkel-Malerei, in der er ausgebildet worden war, bald den Rücken und schulte sich an Raffael und Correggio, an Rubens und van Dyck. Seit etwa 1650 fand er zu seiner eigenen Malweise, dem »Estilo vaporoso«, dem »duftigen Stil« mit verschwimmenden, manchmal fast schon aufgelösten Konturen, weichen Modellierungen, sanften tonigen Übergängen und einem silbrig goldenen Licht, das zu einem milden, leicht dunstigen Gesamtton führt, zu einer Art Farbschleier. Im Spätwerk gemahnt dieser Stil bereits an das Rokoko. Diese malerischen Mittel erlaubten Murillo, Menschenbilder von stiller, tief empfundener Seelenreinheit und makelloser Herrlichkeit zu schaffen. Insbesondere in seinen Madonnenbildern sah man jahrhundertelang das Ideal der Schönheit schlechthin verkörpert. Noch populärer wurden seine Genreszenen mit Gestalten aus dem einfachen Volk, etwa den engelsgleichen Trauben- oder Melonenessern, in denen er zerlumpte Gassenbuben salonfähig machte.

Murillo war in Sevilla, wo er 1660 eine Kunstakdemie gründete, der er als Präsident vorstand, die unbestrittene Autorität der Malerei. Ein gewisser Konkurrent war für ihn hier nur Juan de Valdes Leal, ein exzentrischer Maler mit Hang zur Übertreibung, zu einer expressiv skizzierenden Malweise mit unwirklich visionären Farb- und Lichteffekten. Der leidenschaftlichen Exaltiertheit seiner Bilder entsprechen ihre oft ungewöhnlichen, bisweilen skurrilen Themen: Für den heutigen Betrachter wirkt es makaber, wenn in einem Stillleben der Tod als Sensenmann aufdringlich auf die Vergänglichkeit verweist. Mit Valdes ging die Blüte der Schule von Sevilla zu Ende.

Die Malereischulen in Toledo und Madrid erlangten nur lokale Bedeutung. Weltrang erreichte in Madrid allein Diego Rodriquez de Silva y Velázquez, der 1599 in Sevilla geboren worden war. Dort hatte er im seines Schwiegervaters Francisco Pacheco, der mit dem 1649 erstmals veröffentlichten Traktat »El arte de la pintura« eine der wichtigsten kunsttheoretischen Schriften Spaniens hinterließ, seine sieben Jahre lang währende Ausbildung erfahren. 1623 berief ihn Graf von Olivares der leitende Minister Philipps IV., als einen der sechs königlichen Maler an den Hof nach Madrid, wo Velázquez dann eine steile Karriere machte: 1643 wurde er zum königlichen Hofmaler ernannt, 1652 zum Hofmarshall, 1658 wurde er in den Ritterstand erhoben. Dieser Werdegang war in Spanien einzigartig, weil die Maler hier noch im 17. Jahrhundert nur den gesellschaftlichen Rang von Handwerkern innehatten und meist in überaus bescheidenen materiellen Verhältnissen lebten.

Da Velázquez als Hofmaler des Königs Kontakt zu den höchsten Adelskreisen hatte, war er von der Kirche weitgehend unabhängig. Deshalb bekam er nur selten Aufträge für Altarbilder, sondern meist für profane und mythologische Themen, vor allem für Porträts. 1628 begegnete er dem in diplomatischer Mission in Madrid weilenden Rubens. Wohl auf dessen Anregung hin reiste er 1629 nach Italien, wo er 1630 Ribera in Neapel aufsuchte. Eine zweite Italienreise führte ihn zwischen 1649 und 1651 unter anderem nach Venedig und Rom. Hier wurde Velázquez die ehrenvolle Aufgabe zuteil, Papst Innozenz X. zu porträtieren: Das Bildnis, ein eindringliches Charakterporträt, wurde zu einem der Meisterwerke des ganzen Jahrhunderts.

Velázquez begann in der für seine Zeit typischen Hell-Dunkel-Manier des internationalen Caravaggismus und bevorzugte zunächst in einer brauntonigen Frabskala das »Bodegón«, eine Gattung, die er selbst mitbegründet hatte. Doch unter dem Eindruck von Rubens und der venezianischen Kunst änderte sich seine Malweise allmählich: Die nun locker aufgetragene, im Spätwerk fast schon »impressionistisch« wirkende Tonigkeit und die flüchtige Pinselführung waren wie geschaffen für schillernde Oberflächen von Stoffen und für atmosphärische Stimmungen. Mit schärfster Beobachtungsgabe fand Velázquez zu einem lebensnahen, wirlichkeitsbetonten Realismus, der auch den religiösen und mythologischen Themen einen Zug distanzloser Alltäglichkeit gab. Zugleich neigte er dazu, seinen Gemälden mehrere Sinnschichten zu geben, die wie ein verschlüsselter Kommentar verstanden werden können. Dieses Denken war getragen von einer unkonventionellen Humanität: So behandelt in dem historischen Ereignisbild der »Übergabe von Breda« der siegreiche spanische Feldherr den unterlegenen niederländischen Kommandanten in nobler Ritterlichkeit wie seinesgleichen und beweist in der Haltung versöhnlicher Menschlichkeit erst die wahre Größe, die einem spanischen Granden ansteht. Den spanischen Hof hielt Velázquez in berühmten Porträts fest, in denen selbst Kinder dem Zwang der steifen Etikette unterworfen scheinen und trotzdem ihre lebendige menschliche Wärme bewahren

Salvador Dali

Entgegen der gängigen Meinung, Dalí habe unter konfliktgeladenen Familienverhältnissen und unter schweren Traumata in seinen jungen Jahren gelitten, ist genau das Gegenteil der Fall. Er hatte eine beneidenswerte Kindheit und wuchs auf in einer wohlhabenden und liebevollen Familie, die ihn in seinem künstlerischen Werdegang immer unterstützte, solange er es ihr gestattete.

Salvador Felipe Jacinto Dalí Doménech wurde 1904 als Sohn des wohlhabenden Notars Salvador Dalí Cusí (ab nun werde ich ihn, um Verwechslungen zu vermeiden, Cusí nennen) in dem katalanischen Städtchen Figueres geboren. Schon früh bemerkten die Eltern die Intelligenz des Sohnes, und ließen es ihm an nichts fehlen, sogar als die vier Jahre jüngere Schwester Ana Maria auf die Welt kam, blieb er der Hahn im Korb Seiner frühen Vorliebe fürs Malen und dem wachsenden Talent stand nichts im Wege. Als der Vater sah, wie der Sohn seinem Hobby leidenschaftlich nachging, schickte er den 12 Jährigen zu Abendkursen bei dem qualifizierten Kupferstecher Juan Núñez in die städtische Zeichenschule, ließ die Waschküche auf der eigenen Dachterrasse zu einem Malerstudio umbauen und schaffte eine Druckerpresse an. Als dem Zeichenschüler zur Beendigung des Lehrgangs ein Diplom ausgestellt wird, das Núñez und der Bürgermeister von Figueres unterschreiben, stellt der Vater die Kohlezeichnungen des Sohnes zuhause aus und veranstaltet ein Fest.

1922, als sich der Abiturient fest entschlossen hatte, Maler zu werden, inskribierte ihn sein praxisorientierter Vater mit der Empfehlung des Zeichenlehrers Núñez an der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando. Die Elite-Kunsthochschule in Madrid erlaubte es, den Titel des Zeichenprofessors zu erwerben. Cusí wollte damit die finanzielle Zukunft des Sohnes als Künstler gewährleistet sehen.

Eine Unterkunft bekam der Neuankömmling in Madrid in der elitären Residencia de Estudiantes, einem Studentenheim, das aber eher einem Begegnungszentrum der Intellektuellen ähnelte. Die bedeutendsten Erneuerer der Kunst, Literatur und Wissenschaft (z.B. Corbusier, Stravinsky, Valéry, Claudel, Curie, Einstein usw.) hielten hier ihre Vorträge, was der Institution die rühmliche Bezeichnung als Oxford und Cambridge in Madrid einbrachte.

In Literatenzirkeln, Konferenzen über Dichtung und Prosa wurde auch sein Interesse am Lesen geweckt. Zu einer Leidenschaft wurde die Literatur als er einem Jüngling begegnete, der jahrelang sein bester Freund bleiben würde: Federico García Lorca, später einer der bekanntesten literarischen Persönlichkeiten Spaniens, dessen Gedichte, Romane, Theaterstücke etc. in der ganzen westlichen und lateinamerikanischen Welt begeistert aufgenommen wurden. Dalí lernte hier auch den zukünftigen Cineasten Luis Buñuel kennen. Das Zusammenwohnen und gemeinsam die Freizeit verbringen schweißte die drei Freunde eng zusammen, die sich Lesetipps und kulturelle Vorlieben austauschten.

Salvadors erste Einzelausstellung fand dank der Beziehungen des Vaters bereits 1925 in Barcelona in der Galeria Dalmau statt. Josep Dalmau war der bedeutendste katalanische Förderer für avantgardistische Kunst. Am relevantesten war jedoch für den jungen Dali die Tatsache, dass sein Onkel, der Doktor Rafael Dali, mit dem Galeristen eng befreundet war. Die Ausstellung wurde ein finanzieller Erfolg, der Großteil der Bilder wurde von Bekannten der Familie aufgekauft. Onkel Rafael Dali war auch eng mit dem Drahtzieher des barceloneser Intellektuellenkreises, Joaquim Borralleras, befreundet und die Ausstellung bekam nur die besten Kritiken.5Die Flut an Rezensionen hielt der Vater in einem Album fest, in dem in hinkunft alle Berichte über den Sohn eingeheftet wurden.

Der junge Katalane war aber auch in der Literaturszene vertreten und publizierte literarische Texte in avantgardistischen Zeitschriften wie L’Amic de les Arts und bald darauf in La Gaceta Literaria, die in ganz Spanien und Südamerika erschienen. Nicht nur seine späteren Schriften weisen einen fließenden Stil und eine auf den Punkt gebrachte Ausdrucksweise auf; schon in seiner Jugend werden seine Artikel aufgrund des scharfen kritischen Geistes von Intellektuellen gelobt.

Luis Buñuel, sein Freund aus der Studentenresidenz, bot ihm ein neues Sprungbrett in seiner Karriere, als er ihn zu den Dreharbeiten für seinen surrealistischen Film Ein andalusischer Hund 1929 nach Paris holte. Sein Landsmann Miró betreute ihn dort und führte ihn in den Kern der Surrealisten ein, die zu Beginn aus den Künstlern André Breton, Philippe Soupault und Louis Aragon bestand. Als der Dichter Paul Éluard als vierter im selben Jahr zur Gruppe stieß, lernte Salvador dessen Frau Gala kennen. Gala und Éluard verband eine stürmische, promiskuitive Ehe, die auch zu dritt vollzogen wurde, nachdem sich der Maler Max Ernst in die Russin verliebt hatte. René Magritte, Yves Tanguy, Andre Masson und der Dichter und Schauspieler Antonin Artaud schlossen sich ebenfalls der Gruppe an. Jeder einzelne dieser jungen Künstler war mit einer traumatischen und problematischen Jugend behaftet, wie Mark Polizzotti in seiner Biographie Bretons recherchiert hat

André Breton litt als Einzelkind unter der herrischen Dominanz seiner kleinbürgerlichen Mutter, die aus Geldmangel versuchte, seine Liebe zur, in ihren Augen, nicht genügend ertragreichen Literatur zu unterdrücken, und dem universitären Filius befahl, seine medizinischen Handbücher laut in ihrer Hörweite zu studieren,da sie fürchtete ihn sonst mit einem Gedichtsband in den Händen zu ertappen.

Philippe Soupaults Familie war zwar wohlhabend und verwandt mit dem Automobilmagnaten Louis Renault, seine literarischen Betätigungen bedeuteten für sie jedoch einen Skandal, und er wurde beordert Jura zu studieren. Eine Typhusimpfung endete für ihn lebensbedrohlich, und er verlor bei der Genesung im Krankenhaus jahre seinerjugend. Louis Aragon, aufgrund ökonomischen Drucks Medizinstudent, hatte einen erfundenen Nachnahmen, und wurde von einer Mutter großgezogen, die sich als seine Schwester ausgab, um zu vertuschen, dass sie als 17-Jährige von einem verheirateten Mann geschwängert worden war. Selbst nach Aufklärung der Familienverhältnisse, stellte er weiterhin seine Mutter als Schwester vor.

Im ersten, von Breton herausgegebenen „Manifest des Surrealismus“ scheinen die beiden Losungsworte der revolutionären Bewegung durch: 1. „Das Leben ändern“ (Arthur Rimbaud) und 2. „Die Welt verändern“ (Karl Marx). Die theoretischen Prämissen des Surrealismus wurden allerdings schon einige Jahre vor dem Erscheinen des Manifestes gelegt. Zwischen 1914 und 1918 lernte Breton die Schriftsteller kennen, die sein späteres Schaffen entscheidend beeinflussen sollten: Rimbaud, Vaché, Jarry, Apollinaire, Freud, de Sade und Lautréamont. Während seines Militärdienstes arbeitete er am neuro-psychiatrischen Zentrum in Saint-Diziers, wo er sich insbesondere für die Träume und die gedanklichen Assoziationsketten von Geisteskranken interessierte und diese auch aufzeichnete. Aus diesen Beobachtungen heraus entwickelte Breton die „écriture automatique“ – das automatische Schreiben. Gemeinsam mit Philippe Soupault, den er durch Apollinaire und Aragon kennen lernte, verfasste Breton Texte, die als die ersten Versuche der „écriture automatique“ zu verstehen sind, und die 1919 unter dem Titel „Les Champs magnétiques“ veröffentlicht wurden. Bei dieser Schreibweise unterwirft sich der Autor einem vorher festgelegten Zeitmaß und verzichtet auf eine Zäsur im Schreibfluss, die zu Kritik und Reflexion über das Geschriebene führen könnte, er widmet sich einem spontanen Gedankenstrom. Breton schreibt dazu im ersten Manifest: „Ich beschäftigte mich damals noch eingehend mit Freud und war mit seinen Untersuchungsmethoden vertraut, die ich im Kriege gelegentlich selbst bei Kranken hatte anwenden können, und beschloss nun, von mir selbst das zu erreichen, was man von ihnen haben wollte: nämlich einen so rasch wie möglich fließenden Monolog, der dem kritischen Verstand des Subjekts in keiner Weise unterliegt, der sich infolgedessen keinerlei Zurückhaltung auferlegt und der so weit wie nur möglich gesprochener Gedanke wäre.“

Im Jahr 1919 gründeten André Breton, Louis Aragon und Philippe Soupault die literarische Zeitschrift „Littérature“. Diese Zeitschrift erschien bis 1924 und entwickelte sich zum Instrument und zum Ausdruck der geistigen Grundhaltung der jungen Dichtergeneration in Paris. Ein entscheidender Antrieb für die drei Gründungsmitglieder bildete Tristan Tzaras „DADA“ Manifest, das 1918 erschienen war, und das den begeisterten Breton veranlasste, Tzara zu schreiben und seine Verehrung auszudrücken. In der Zeit zwischen 1920 und 1922 kreuzten sich die Wege des bereits seit 1916 existierenden Dadaismus und des sich entwickelnden Surrealismus – Tristan Tzara kommt 1920 nach Paris und versucht, die Gruppe der „Protosurrealisten“ in die Bahnen des Dadaismus zu lenken. Breton schreibt nach der Ankunft Tzaras: „Uns verbinden vor allem Unterschiede“[10]. In der Folgezeit versucht er, „DADA“ und den ästhetischen Nihilismus, den die Bewegung auf immer neue Weise praktiziert hatte, zu überwinden. 1922 beschließt Breton der Bewegung keinen Anteil und Einfluss mehr in „Littérature“ einzuräumen. Die Zeitschrift bricht dieses Mal sowohl mit der literarischen ‚Avant-garde’ als auch mit dem Dadaismus. In dieser Zeit, der sogenannten „Schlaf-Epoche“ („époque de sommeil“) führten Breton und seine Freunde verstärkt Schlafexperimente („expériences de sommeil“) durch, die im darauffolgenden Jahr erstmals unter dem Titel „Entrée des médiums“ in „Littérature“ veröffentlicht wurden. Dabei schlafen Crevel, Desnos und Péret ein und „[...] sprechen, schreiben oder zeichnen im Trancezustand. Das drei Jahre lang geübte automatische Schreiben erfährt in ‚Schlafzuständen’ eine Art ergänzende Nachprüfung.“

Mit dem ersten surrealistischen Manifest 1924 wurde die Bewegung endgültig festgelegt. Breton schwebte eine Bewegung vor, die tatsächliche Veränderungen – in der Gesellschaft sowie im Bewusstsein – mit ihren Aktivitäten anstrebte. Das Ziel war ein tieferes Verständnis des menschlichen Wesens durch die Erforschung des Unterbewussten unter Berücksichtigung der Freud’schen Psychoanalyse. Die Surrealisten verehrten Freud, sein Denkprinzip bildete eine Basis ihres Handelns.

Inzwischen bestand die Gruppe um Breton nicht nur aus Literaten, sondern immer mehr bildende Künstler schlossen sich der Bewegung an. Sie alle teilten eine Abneigung gegen die bürgerliche, materialistische Gesellschaft, die ihrer Meinung nach den Ersten Weltkrieg zu verantworten hatte, und ihre selbstzufriedene Oberflächlichkeit. Auf der Suche nach einer allumfassenden Wirklichkeit, einer „Überwirklichkeit“, galt ihr Hauptinteresse den Träumen und den psychischen Exaltationen, den Abgründen und Tabus. Um diese „Regionen“ zu erreichen, erweiterten die Surrealisten ihre Techniken. Neben den Traumsitzungen und dem Verfahren des Automatismus, mit dem sowohl die Literaten als auch die Maler experimentierten, unterstützten kollektive Spiele die Kreativität der Gruppenmitglieder. Das wohl bedeutendste Spiel – „Le Cadavre exquis“ verdankt seinen Namen dem ersten Satz, der mit seiner Hilfe geschaffen wurde: „Le cadavre – exquis – boira – le vin – nouveau“ (Der köstliche Leichnam trinkt den neuen Wein). Es gab sowohl geschriebene als auch gezeichnete „Cadavres exquis“, bei denen ein erster Spieler am oberen Blattrand etwas zeichnete oder schrieb, um dann das Blatt zu knicken, so dass nur das letzte Stück der Zeichnung beziehungsweise nichts von dem Geschriebenen zu sehen war. Die nächsten Spieler verfuhren gleichermaßen, wobei bei der Zeichnung an das Ende des bereits Gemalten angeknüpft wurde.

Im November 1925 fand die erste Gruppenausstellung der Surrealisten in der Galerie Pierre in Paris statt. Unter dem programmatischen Titel „La peinture surréaliste“ war sie der erste offizielle Nachweis einer Kunst, die mit der von André Breton durch das Manifest von 1924 begründeten Bewegung des Surrealismus in Verbindung gebracht wurde. Die in der Ausstellung gezeigten Werke „[...] repräsentieren neun künstlerische Konzeptionen mit ganz verschiedenen formalen Voraussetzungen und inhaltlichen Absichten und einigen inhaltlich vergleichbaren Gemeinsamkeiten. [...] Der Widerspruch als Methode wird für die Künstler ein Mittel der Kritik an der Entfremdung des Menschen von sich selbst und von der Natur.“ In den darauf folgenden Jahren spaltet sich der Kreis der Surrealisten als Folge des Eintritt Bretons und einiger anderer Künstler in die Kommunistische Partei Frankreichs. Um die Gruppe zusammenzuhalten, gibt Breton 1929 das „Zweite Manifest des Surrealismus“ heraus, das die Gefahren, die dem Surrealismus von der Aufgabe revolutionärer Positionen drohen, unterstreicht und der Bewegung neue Perspektiven erschließt. Im darauffolgenden Jahr wird das erste offizielle Organ der Bewegung – die Zeitschrift „La Révolution surréaliste“ – von „Le Surréalisme au service de la révolution“ abgelöst. Die erste Ausgabe erscheint mit einer Solidaritätserklärung der Surrealisten an Breton, der von den ausgetretenen Surrealisten stark kritisiert worden war. Die Publikationen, die der Surrealismus hervorgebracht hat, und die nicht mit üblichen Kunstzeitschriften zu vergleichen waren, zeigten immer wieder, dass die Bewegung mehr als eine Kunstrichtung ist. „Auf den ersten Blick wirken ‚La Révolution surréaliste’ und ‚Le Surréalisme au service de la révolution’ sogar wie abweisende Fachzeitschriften. In ihnen spielen poetische, politische, polemische Texte eine überragende Rolle.“ Die revolutionäre Haltung versuchte Breton in den Vorkriegsjahren aufrechtzuerhalten. Jedoch

löste sich die surrealistische Gruppe - mit der wachsenden faschistischen Bedrohung und dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 - in Frankreich nach und nach auf, als viele der Künstler ins Exil gehen mussten. Um 1942 wurde New York zum neuen surrealistischen Zentrum, jedoch konnte die Pariser Atmosphäre nicht verpflanzt werden. Max Ernst schrieb dazu: „Das Leben im Café fehlte uns. [...] So hatten wir Künstler in New York aber keine Kunst. Einer allein kann keine Kunst machen. Sie ist weitgehend davon abhängig, dass man seine Ideen mit anderen austauschen kann.“ Mit der Rückkehr Bretons nach Paris im Jahr 1946 wurde die surrealistische Bewegung wiederbelebt und auch noch nach seinem Tod 1966 von vielen Künstlern aufrecht erhalten.

Die Ziele des Surrealismus gingen immer über die Auseinandersetzung mit der Funktion des Bildes hinaus, entscheidend war die Imagination, der Blick ins Innere. „Das Sehen ist neuen Bedingungen unterworfen und damit auch die Produktion des surrealistischen Künstlers, der der inneren Stimme, der Vision, der Halluzination, dem Traum folgt.“

Der Surrealismus war im Grunde genommen eine Weiterentwicklung des Dadaismus. Deswegen waren viele der Hauptmerkmale des Surrealismus auch bereits, in einem chaotischeren Zustand, bei den Dadaisten vorhanden, z.B. das Experimentieren mit Automatismus, Zufall und gefundenen Objekten, innerhalb eines von sozialer Revolution geprägten gesellschaftlichen Umfelds. Im Gegensatz zum Dadaismus, der bei einigen zur einfachen Parole ‚Gegen alles!’ mutierte, wollte der Surrealismus die Kunst und die Gesellschaft, in der er lebte, verändern. Der Surrealismus war von Sigmund Freud und seinen Schriften zur Traumdeutung und zum Unterbewussten inspiriert, und strebte eine neue Ordnung an, wogegen der Dadaismus jede Art von Ordnung und Regeln ablehnte. Man Rays Verbindung zu den Surrealisten lag hauptsächlich in der gemeinsamen politischen Distanzierung vom aufkommenden Faschismus, und der künstlerischen Hinwendung zum Objekt.

In Man Rays Werken findet man viele Aspekte, die beide Kunstrichtungen gemeinsam haben, z.B. die Infragestellung der Wirklichkeit des Realismus, und die große Rolle, die das Zufällige in ihrer Kunst spielt. Wegen seiner amerikanischen Herkunft sahen die Pariser Avantgardekünstler in Man Ray sogar den „ Mythos des ‚Neuanfangs’“ verkörpert, der für sie eine große Rolle spielte.

Die Surrealisten waren der Ansicht, dass die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft, wie die Psychoanalyse, eine neue Haltung gegenüber dem Leben erforderten. Sie gingen bei ihrem künstlerischen Handeln von der Psychoanalyse Sigmund Freuds aus. Er wandte bei seinen Patienten die Hypnose an, um verdrängte, traumatische Kindheitserlebnisse wieder bewusst zu machen und dadurch psychische Störungen zu heilen. Er betonte den Wert von Erinnerung und Erfahrungen und die Bedeutung von Träumen als Mittel, das Unterbewusstsein ans Licht zu bringen.

Freud erkannte anhand von Erfahrungen mit seinen Patienten, dass es räumliche Unterscheidungen von drei psychischen Bereichen der menschlichen Seele gibt:

1. Das Bewusste: Den verschiedenen Inhalten des Bewusstseins kann nach Belieben Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie können aber auch beiseite gelegt werden (Vorstellungen, Gedanken und Wahrnehmungen).2. Das Vorbewusste: Das sind seelische Inhalte, auf die das Bewusstsein nicht sofort zugreifen kann, sie tauchen jedoch beim Suchen nach Zusammenhängen auf (wie der Name eines länger nicht gesehenen Bekannten, den man auf der Straße trifft). Diese Inhalte sind relativ leicht zugängliche Gedächtnisinhalte.3. Das Unbewusste: Trotz großer Anstrengung kann ein seelischer Inhalt nicht direkt bewusst gemacht werden; man benötigt dazu bestimmte Methoden wie die psychoanalytische Technik oder auch die Hypnose. Die Hypnose wird in der Psychoanalyse jedoch nicht mehr eingesetzt. Nach Freud ist das Unbewusste des Menschen ein System, das vor allem aus verdrängten oder abgewehrten Bewusstseinsinhalten besteht. Das Unbewusste beinhaltet vor allem die Triebe. Diese unterliegen nach Freud, einer „Urverdrängung“. Sie beeinflussen aber dennoch, auch ohne bewusstes Wissen, die Handlungen der Menschen. Diese Verdrängung erleben wir symbolisch in unseren Träumen. In den Träumen erleben wir was uns tief im Unbewussten beschäftigt.

Die Künstler versuchten nicht, die äußere Wirklichkeit darzustellen sondern machten das Unbewusste und Triebhafte zum Thema. Sie wollten das unbewusste Erleben festhalten und versuchten die Phantasie durch Rausch- und Traumzustände zu befreien. Sie wollten den kontrollierten Verstand ausschalten und Visionen und surrealistische Vorstellungen hervorrufen. Deswegen verwendeten sie künstlichen Schlaf, Hypnose und Halluzinationen. Spontane Einfälle und Visionen nach der Einnahme von Drogen, im Halbschlaf oder aufgrund von Hypnose waren die Ausgangsbasis für ihre Werke.

Sigmund Freud vertritt die Ansicht, dass Träume verdeckte Wunscherfüllungen sind. Die Wunscherfüllung im Traum gehört zum inneren Wesen des Traumes.

Für ihn waren alle Träume Wunscherfüllungen, d.h., in den Träumen treten verdrängte und verbotene Wünsche in symbolisch verkleideter Form auf, die ins Bewusstsein drängen, aber von diesem zunächst abgewehrt werden.

Es gibt 3 Klassen von Träumen:

Das Hineinsteigern in persönliche Miseren lebten die Surrealisten vor und erhoben es zu einer Maxime der Bewegung, die zu Beginn literarisch ausgerichtet war. Im Ersten Manifest wird verkündet: „Die Poesie trägt in sich den Ausgleich für das Elend, das wir ertragen“10. Der wohlbehütete Dali fühlte sich darin wohl als Außenseiter. So ersann er psychische Probleme, oder verknüpfte fremde dramatische Ereignisse mit seinem eigenen Leben.

In seinem Aufsatz „Die Liebe“ von 1930 beschreibt er die Atmosphäre eines schäbigen, beklemmenden Elternhauses richtig greifbar:Ich denke an das ekelhafte, schändliche Land, wo ich geboren und. aufgewachsen bin... Fern. von. derLiebe. Im Schoße derFamilie, im muffigen Eltemschlafzimmer, das am Morgen einen grässlichen Gestanknach Harnsäure, schlechtem Tabak, Biederkeit und Scheiße verbreitete... Fern, von derLiebe...“

Dalí paßte sich schnell an die Lebensläufe der neuen pariser Bekannten an und erweiterte seine Kunst und Persönlichkeit mit fremden Wesenszügen, um nicht zurück zu bleiben beim surrealistischen Erforschen der Dunkelheit des Selbst. Dazu gehörte auch die Simulation krankhaft psychischer Zustände wie Angstneurosen und Paranoia. Er entwickelte sich zum Meister des „angenommenen Wahns.. Kraepelin hat beim Paranoiker die Tendenz festgestellt, die Lebenserfahrungen in der Biographie willkürlich zu verändern und subjektiv zu werten, das Verhältnis zur Umwelt unter Vernachlässigung der Wirklichkeit so auszumalen, wie es die geheimen Wünsche, das Streben nach Macht und Selbstbehauptung verlangt. Dalí, der Freud mehrere Male gelesen hatte und sich auch für den Psychopathologen Kraepelin interessierte, setzt die vorsätzliche Manipulation der sozialen Bedingungen in die Praxis um. Er bezeichnete seinen Vater als Tyrannen, demonstrierte plötzlich angeblichen Hass auf Religion und Familie und beschmutzte sogar das Bild seiner verstorbenen Mutter. Dafür wurde er von André Breton, der über die Aktionen der Mitglieder der Surrealistengruppe wachte, sehr gelobt. Sein Vater und seine Familie waren fassungslos, doch Dalí sah sich nicht genötigt, die Gründe für sein Verhalten aufzuklären. Er schien sich scheinbar sicher zu sein, auf die väterliche Unterstützung von nun ab verzichten zu können.

Im Sommer 1929 wurde er in seinem katalanischen Ferienort Cadaqués von einigen Freunden besucht, darunter Buñuel, dem pariser Galeristen Goemans, dem Ehepaar Magritte, sowie Paul Éluard und dessen Frau Gala. Bei dieser Gelegenheit verliebten sich Dali und die gebürtige Russin ineinander.

Dalis erste surrealistische Werke entstanden. Der Künstler baute seinen Vater in seine Gemälde ein und bediente sich dabei der Mythologie literarischer Vatergestalten mit tyrannischem Gemüt, wie z.B. im Enigma des Wilhelm Teil, 1933, der das Leben seines Sohnes aufs Spiel setzt. In dem Gemälde wird Wilhelm Tell durch die Sockenhalter, die für Angestellte im öffentlichen Dienst Bestandteil der Uniform waren, als Bürokrat gekennzeichnet, wodurch eine weitere Identifikation mit dem Vater, dem Notar, erfolgt.

Die Lebensumstände zu verfälschen, angenehme Erfahrungen zu verschweigen und sie stattdessen durch elende Kindheitserlebnisse zu ersetzen ging natürlich auf Kosten der Familie, die ohne vorgewarnt worden zu sein, seine biographischen Lügen und Erfindungen als Vorwurf bzw. Persönlichkeitswandel mißverstand.

Diesen dokumentiert die Schwester, die den französischen Surrealisten die Schuld gibt, dass sich ihr Bruder zu einem Lügner entwickelt hatte. Ihrer Meinung nach war er ein reizender Mensch, ein Mustersohn und ein ehrlicher Künstler gewesen, bis er in Kontakt trat mit der innovativen Gruppe. Danach sieht sie in ihm einen Heuchler im wahrsten Sinne des Wortes.Dali hatte die neue Gesinnung vollkommen assimiliert...:

In dieser Zeit schafft er Gemälde zu denen es gleichnamige Gedichte gibt und gesteht der Literatur sowie der Malerei gleichermaßen Ausdrucksfähigkeit zu. In diesem Sinne ist auch David Gascoynes Kommentar in einer Kritikerkolumne zu verstehen: Dieser junge Dichter wurde dem Maler von Éluard vorgestellt und verkündete in einer Ausstellungsrezension: „Salvador Dali ist der wichtigste lebende literarische Maler“.

Die Idee, die einem begegnenden Personen als mystisch und göttlich vorherbestimmt aufzufassen, war unter den Surrealisten allgemein verbreitet. Breton selbst wollte in jeder Frau, in die er sich verliebte, die Eine, die Frau fürs Leben, die für ihn geschaffene Geistesverwandte sehen und betrachtete die Zufälle, die zu einer Bekanntschaft geführt hatten als Prädestination, die ihn ins Glück führen würde.

Auch Dali mystifizierte seine Beziehung zu Gala, indem er je nach Schaffensphase verschiedene mythologische, psychoanalytische oder literarische Szenen in seine Biographie einbaute um seine Muse zu erhöhen.

Zu diesem Zweck schreckt er, in gewohnter Manier, vor biographischen Verfälschungen nicht zurück und behauptet wieder von seiner Familie schlecht behandelt worden zu sein (der reale Bruch mit dem Vater fand schon 1929 statt und wurde vom Sohn selbst provoziert):

Tatsächlich war sie zu Beginn seiner internationalen Karriere seine Managerin und Händlerin, die mit nervenzerreißender Ausdauer die Kunden auftrieb. Sie ließ all ihre sozialen Kontakte spielen, einschließlich jene zu ihrem Mann Éluard, der in der Surrealistengruppe immer ein gutes Wort für den Spanier einlegen sollte. Dali hatte nie ein Gefühl für Geld entwickelt, da es ihm in der Familie nie an etwas fehlte und sein Vater sämtliche finanzielle Angelegenheiten geregelt hatte. Gala übernahm nun die Vermarktung und Verwaltung des Vermögens und dirigierte auch seinen Arbeitsrhythmus militärisch. Auch in literarischer Hinsicht bedeutete sie mit ihrem kritischen Sinn bei der Beurteilung von Texten eine Bereicherung für Dali, dem sie Literaturtipps weitergab. Ihr ist es auch zu verdanken, dass Dalis eigene Texte, in denen Katalonisch, Spanisch und Französisch nahtlos ineinander fließen ließ, einheitlich übersetzt vorliegen. Die Mythologisierung ging so weit, dass er den Namen Galas mit Gestalten aus antiken Sagen verknüpfte und so das Bild einer übermächtigen Frau und Muse kultivierte, mit der er in einer mythologisch-göttlichen Verbindung lebte. Er erschuf eine irdische Saga des Paares Salvador-Gala. Er malte Gala als prunkvoll ausgestattete Madonna, als mythologische Leda mit dem Schwan, oder schöne Helena von Troja. Letztere Identifikation liegt nahe, da der Taufname seiner Muse Jelena Dmitrijewna DJakonowa lautete, wobei Jelena nichts anderes als die slawische Version von „Helena“ ist.

Im Jahr 1929 fand Dali nicht nur die Liebe, sondern auch schlagartig seinen Stil: Weitläufige trockene Sonnenlandschaften mit blauem Himmel, sonderbare Formen und sexuell geprägte Handlungen wurden vor weiten Ebenen und Landschaftspanoramen dargestellt. Die Vorliebe Dalis zur Wiedergabe seiner heimatlichen Umgebung bildet ein Stilmerkmal. Es sind die weiten Ebenen von Ampurdän, die Ufer des Ferienortes Cadaqués, die Küste des Cap de Creus, die als Hintergrundmotive dienten, in die er seine surrealistischen Bildelemente hineinstellte. Ein immer wiederkehrendes Motiv war der Felsen von Ligné, 1926, Abb. 2. Die Aussicht auf eine weite glatte Fläche, begrenzt von Felsformationen oder Landzungen, die von den Seiten des Bildrandes ins Meer ragen, stellte er ab 1929 programmatisch dar.

Der Künstler konstruiert den Bildraum, indem er ihn in bildparallele Flächenversetzungen unterteilt. Das steinerne Ufer liegt dabei im Vordergrund, die ins Meer ragenden Landzungen bilden den Mittelgrund, die Felsformation im Meer befinden sich im Hintergrund.

Stellt man sich die Meeresoberfläche als Boden vor, brauchte der Künstler nur die verschiedenen Elemente darin zu positionieren. Es ist wie auf einer Bühne, in die die Kulissen gestellt werden, die, nach vorne oder hinten verschoben, die perspektivische Wirkung erzeugen. Die Elemente sind dabei in kulissenhafter, räumlicher Staffelung so angeordnet, dass sie das Auge stufenweise in die Tiefe führen.

Die Verwendung der Landschaftskulisse aus seiner Heimat konnte er als melancholische Regung, die ganz im Sinne des Surrealismus lag, verbuchen. Damit sollte das Heimweh nach der Umgebung aus der Kindheit ausgedrückt werden. Dieses Panorama mit seinem starken, klaren Licht, der trockenen Atmosphäre und der kargen Ebene erschien ihm genau richtig, um den katalanischen Geist wiederzugeben. Andererseits dürfte er erkannt haben, dass die Darstellung dieser speziellen Landschaft in einem surrealistischen Bild etwas Neues war, das er sich zunutze machen konnte. Auf diese „Bühne“ des Bildraums stellte er dann literarische und andere Elemente, ohne auf deren Herkunft und Quellen zu verweisen.

Seine Eltern, die sein wachsendes Talent erkannten, schickten ihn zu Ramón Pitchot, einem wohlhabenden Kunstkenner und begabtem impressionistischen Maler, bei dem Dalí ein Jahr lebte und von den impressionistischen Werken des Meisters beeinflusst wurde. Von Pitchot ermutigt schickte Dalís Vater seinen Sohn in die Kunstklasse des Señor Nuñez in Figueras. Nuñez scheint von der späteren Brillianz seines exzentrischen, aber eifrigen Schülers etwas zu spüren. Stimuliert von der Aufmerksamkeit die ihm zuteil wurde, kehrte Dalí zu seiner Leidenschaft für die Meister der Renaissance zurück. Er begann sich ebenfalls für das Lesen, insbesondere philosophischer Werke zu interessieren.

Allmählich erregten seine Gemälde Aufmerksamkeit und es folgten die ersten Einladungen zu Ausstellungen in der näheren Umgebung.

Seine schulische Ausbildung bei den Maristen setzte er fort, wenn er auch regelmäßig versuchte dem Unterricht zu entkommen.

Obwohl seine Familie Zweifel in Hinsicht auf Dalís Leidenschaft hatte und nicht glaubte, dass er seinen Lebensunterhalt mit der Kunst verdienen könnte, schlossen sie und Dalí einen Kompromiss. Dalí würde die Kunstakademie in Madrid besuchen, sich als Lehrer qualifizieren und in seiner Freizeit könnte er so viel malen wie es ihm beliebt. Im Jahre 1921 begann er sein Studium, dem eine Aufnahmeprüfung vorausgegangen war: es sollte eine Zeichnung nach einem klassischen Thema mit festgelegten Größenverhältnissen angefertigt werden. Dalí ignorierte diese Anweisungen, folglich war seine erste Zeichnung zu klein, die Zweite groß und die Dritte kleiner als die Erste. Dennoch waren seine Studien so perfekt, dass er angenommen wurde.

Er machte die Bekanntschaft von Luis Buñuel, Federico García Lorca und Pedro Garfia und wurde von Juan Gris sowie dem Kubismus beeinflusst.

1922 wurde er aufgrund einer Rebellion für ein Jahr von der Akademie verwiesen. Zurück in Figueras wurde er von der Polizei festgenommen. Eine revolutionäre Erregung lag damals über dem Land und Dalí hatte sich mit seinen wilden Reden über Anarchie und Monarchie verdächtig gemacht. Da man aber keine Anklage Punkte gegen ihn finden konnte, wurde schließlich freigelassen. Im Jahre 1925 kehrt er an die Madrider Akademie zurück und beschäftigt sich von nun an mit den Schriften Sigmund Freuds. 

Dalí ließ sich sehr beeinflussen. Während seiner Zeit bei Ramon Pitchot (1918 – 1919), steht er unter dem Einfluß dessen impressionistischem Stil. 1920 wir er durch den italienischen Futurismus beeinflusst, nachdem er Kataloge und Manifeste gesehen hatte, die seine Eltern aus Paris mitgebracht hatten. Als Schüler der Madrider Akademie lernt er Luis Buñuel, Federico García Lorca und Pedro Garfia kennen und wird von ihnen als auch von Juan Gris sowie dem Kubismus beeinflusst. Nach seinem Besuch bei Picasso (1925) macht sich 1926 dessen Einfluss auf Dalís Kunst bemerkbar. Nach dem Anschluss an die surrealistische Bewegung um André Breton und der Bekanntschaft mit Joan Miró zeigen seine Bilder deren Einfluss. 1929 – 1930 ließ er sich vom Jugendstil und der Architektur Antoni Gaudís beeinflussen.  „Der einzige Unterschied zwischen einem Verrücktem und mir ist der, dass ich nicht verrückt bin.“

Man kann Dalí durchaus für verrückt halten jedoch wurde diese Tatsache nie medizinisch überprüft. Einige denken, dass er oft kurz davor stand verrückt zu werden, allerdings schützte er sich durch Verhalten und Bilder, in dem er alles was ihn belastete aus seinem Inneren entfernte und so den inneren Frieden fand. Dalí behauptet sich an seine Geburt und Schwangerschaft lebhaft zu erinnern. Schon als Kind legt er außergewöhnliches Verhaltensweise zu Tage, die sich u.a. in rechthaberisch, Wutanfälle und extravaganter Kleidung äußern.

Er behauptete mit 3 Jahren erste Halluzinationen gehabt zu haben. Mit 10 Jahren zeigt sich seine exhibitionistische Veranlagung, in Form von Nacktheit.

Es ist ein  Ausdruck für Exzentrik und Bedürfnis im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er verblüffte immer wieder durch spektakuläre Auftritte und Aussagen seine Mitmenschen, z.B. in der Rede bei einer Ausstellung zu der er in Taucheranzug, Helm und Billardqueue in der Hand kam. Oft erzählte er von einem kleinem Fläschchen, dass im Safe aufbewahrt wurde und in angeblich in die Lage versetzte Meisterwerke zu malen.

Dali arbeitete hart an seinem Image eines exzentrischen und paranoiden Genies. Vermutlich war das nicht mehr als sein Weg sich zu vermarkten nach dem Motto: " Es zählt nicht was man macht, Hauptsache man steht in den Schlagzeilen."

Im Jahr 1949 veröffentlichte seine Schwester Ana María ein Buch über ihren Bruder, Dali as Seen by His Sister, in dem sie seine Jugend als sehr normal und glücklich beschrieb. Dali war außer sich vor Wut - und typisch für Dali - schuf ein Gemälde, das man nur als bösartige Rache an seiner Schwester bezeichnen kann - voll bespickt mit sexuellen Obszönitäten und Gemeinheiten.

In einem Interview mit einem Nachrichtenmagazin aus dem Jahr 2000, beschreibt Robert Descharnes, Dalis langjähriger Sekretär, den Künstler als ziemlich normalen Menschen.

Dali schuf seine Grafiken mithilfe der verschiedensten Techniken: Radierungen, Stahlstiche, Holzschnitte, Lithographien und andere gemischte Techniken. Die Mehrzahl sind Radierungen. Seine grafischen Arbeiten wurden entweder als Einzelblätter, als Serien, als Mappen oder in Form von limitierten Buchauflagen veröffentlicht.

Jedoch unterstand seine Bildtechnik ebenfalls dem Einfluss, dem er selbst unterlag.

So kam es z.B. in der Zeit von 1918 bis 1919 zu einem sehr verschwenderischen Farbauftrag, durch den nicht zu verkennenden Einfluss vonRamón Pitchot.

Ein sehr wichtiges Werkzeug Dalís ist die " paranoisch-kritische" Methode. Er selbst umschreibt sie als  irrationales Wissen, basierend auf ein  Delirium der  Interpretation. Sie stellt somit einen, für den Surrealisten neuen und einzigartigen Weg der Weltanschauung dar.

Dali erklärt die paranoid-kritische Methode erstmals in einem seiner wichtigsten Essays, " Die Eroberung des Irrationalen" (1935): " Mein ganzer Ehrgeiz auf dem Gebiet der Malerei besteht darin, die Vorstellungsbilder der konkreten Irrationalität mit der herrschsüchtigsten Wut der Genauigkeit sinnfällig zu machen [...] Vorstellungsbilder, die vorläufig weder durch Systeme der logischen Anschauung noch durch rationale Mechanismen erklärbar oder ableitbar sind."

Er meint damit, seine Bestrebungen, vom Verstand nicht fassbare Vorstellungsbilder mit einer hohen Präzision zu realisieren, wobei das Realisationsmedium keine Rolle spielt. Dali führt, wie folgt, seine Definition fort: " Paranoisch-kritische Aktivität bedeutet: spontane Methode irrationaler Erkenntnis, die auf der kritisch-interpretierenden  Assoziation wahnhafter Phänomene beruht." ,

Dies soll bedeuten, dass  imaginäre Momentaufnahmen auf psychologisch relevante Objekte projiziert werden, um diese Momentaufnahmen somit deutend erklären zu können. Diese Phänomene beinhalten bereits die komplette Struktur und Systematik und " objektivieren sich lediglich  a priori durch das Einschalten der Kritik" .

Somit war für Dali die Möglichkeit gegeben, seine zahllosen Phantasien und  Halluzinationen  illustrativ zu visualisieren.

Mit fantastischer Leichtigkeit verbindet er die realistische Dingwelt mit morbider und pathologischer Verfremdung. Er setzt die Gegenstände und Gestalten in neue surrealistische Zusammenhänge, indem er ihre Beziehung zueinander verändert. Oft bezieht er Bildthemen älterer Meister in seine Werke mit ein oder schafft so genannte „Doppelbilder“, in denen sich ein Mensch aus Gegenständen zusammensetzt.

Im Ausstellungskatalog der Einzelausstellung in der Galerie Julien Levy, New York, vom 22. April bis zum 23. Mai 1941, dessen Umschlag mit Dalís Selbstporträt mit gebratenem Speck versehen ist, erklärte der Künstler, er lüde ein „zu seinem letzten Skandal, dem Beginn seiner klassischen Malerei“. Diese Neubesinnung mit Akzentverschiebung sah man den neuen Werken nicht sofort an. Die politische Situation des aufbrechenden Chaos forderte Dalí zufolge Halt und Orientierung, eine Rückbesinnung auf die Werte der mittelalterlichen Epoche: „In diesem bevorstehenden Mittelalter wollte ich der erste sein, der, mit vollem Verständnis für die Gesetze von Leben und Tod der Ästhetik in der Lage sein würde, das Wort ‚Renaissance ‘ auszusprechen.“

Sein riesiges Gemälde Die Schlacht von Tetuan von 1962 nach dem gleichnamigen Werk von Fortuny wurde von seinen Gegnern als Kitsch bezeichnet, er selber nannte es Dalís Pop-Art. In seinen bis zu drei mal vier Meter großen historischen Gemälden (insgesamt malte er 18 Bilder in dieser Größe) und in der Ausgestaltung von Decken und Wänden seiner Häuser erreiche er die Grenze zwischen Kitsch und Kunst, so die immer wieder geführten Diskussionen.

In dem Gemälde Galacidalacidesoxiribunucleicacid aus dem Jahr 1963 konzentrierte sich Dalí auf das religiöse Thema der „Auferstehung“ und verband es mit seinem Interesse an moderner Wissenschaft und seinem Bewusstsein für zeitgenössische Ereignisse. Der Titel des Werkes bezieht sich auf die Entdeckung des DNA-Moleküls durch Francis Crick und James Watson im Jahr 1953 und ist beiden Wissenschaftlern gewidmet. Das DNA-Molekül mit seiner spiralförmigen Gestalt ist die Grundform des Lebens. Dalí sprach in den frühen 1950er-Jahren oftmals von der Verbindung zwischen Spiralformen und dem Leben, noch bevor das DNA-Molekül entdeckt war.

Mit dem großformatigen Gemälde Der Thunfischfang (1966/67) vereinigte Dalí seine verschiedenen Stilrichtungen wie den Surrealismus, den „überfeinerten Pompierismus“, Pointillismus, Action-Painting. Ein bekanntes Beispiel ist Dalí von hinten, Gala von hinten malend, die von sechs virtuellen, sich vorübergehend in sechs echten Spiegeln widerspiegelnden Hornhäuten verewigt von 1972/73, dargestellt auf zwei Tafeln.

Dalís bildhauerisches Interesse begann mit einem Modell der Venus von Milo, die er bereits als Kind nach einem Bild auf einer Federtasche imitierte. Sein dreidimensionales Werk begann er als surrealistischer Künstler in den 1930er-Jahren und führte es sein Leben lang fort. Auch in diesen Werken stellte er das Unbewusste, Träume und Gefühle dar und verwendete wie Marcel Duchamp mit seinen Ready-mades ungewöhnliche Materialien. Er schuf beispielsweise Objekte mit einer symbolischen Funktion wie die Retrospektive Frauenbüste aus dem Jahr 1933, die aus dem bemalten Porzellanmodell einer Hutmacherin, einem Baguette und anderen Altmaterialien bestand, wählte später jedoch traditionellere Techniken. So formte er aus weichem Wachs die gewünschte irrationale Form seiner Eingebung und goss diese sodann in Bronze unter Anwendung des Wachssausschmelzverfahrens.

Der Schwarzweißfilm „Ein andalusischer Hund“ besteht aus einer Aneinanderreihung surrealistischer Bilder und Szenen. Der Prolog zeigt einen Mann, der ein Rasiermesser schärft, dann eine Wolke, die vor dem Vollmond vorbeizieht. Der Mann schneidet einer vor ihm sitzenden Frau mit dem Rasiermesser durchs Auge.

Weitere absurde Szenen, die durch keine erkennbare Handlung zueinander gehören – wohl aber dieselben zwei Personen zeigen – sind durch Zwischentitel („Acht Jahre später“, „Gegen drei Uhr morgens“, „Vor sechzehn Jahren“, „Im Frühling“) grob voneinander getrennt. Bekannte Einstellungen sind die Brüste einer Frau, die sich unter den Händen des Mannes in ihr Gesäß verwandeln, eine in der Tür eingeklemmte Hand mit einem Loch, aus dem Ameisen kriechen und der Mann, der unterschiedliche Dinge an zwei Seilen hinter sich herzieht, darunter zwei mit je einem Eselskadaver gefüllte Konzertflügel und zwei Brüder der Armenschule (Seminaristen).

Luis Bunuel und Dali kannten sich bereits seit ihrer Studienzeit Mitte der 1920er. 1928 trafen sie sich erneut in Figueres (Spanien), der Heimatstadt von Dalí. Bei dieser Gelegenheit erzählten sie sich gegenseitig zwei ihrer Träume: Buñuels Traum soll eine langgezogene Wolke enthalten haben, die den Mond durchschnitt, „wie eine Rasierklinge ein Auge“ zerschneidet, und Dalís Traum eine Hand, die voller Ameisen war.

Sie beschlossen, ihre Ideen filmisch umzusetzen, und schrieben innerhalb einer Woche mit der Technik des „automatischen Schreibens“ ein Drehbuch: Nichts an dem Film sollte rational, logisch, psychologisch oder kulturell erklärbar sein. Auch der Titel wurde ohne Bezug zum Film gewählt. Beide Träume finden in dem fertigen Film Verwendung.

Das Geld für die Herstellung erhielt Buñuel von seiner Mutter, wobei er nach eigener Angabe die Hälfte des Geldes in Pariser Lokalen und nicht für den Film ausgab. Die Dreharbeiten fanden zum Jahreswechsel 1928/29 in einem Atelier in Billancourt statt, sie dauerten etwa vierzehn Tage. Buñuel schnitt den Film dann in Paris und zeigte ihn u.a. Man Ray und Louis Aragon, die begeistert waren. Im April 1929 folgte die öffentliche Uraufführung.

Aus Angst vor den wütenden Reaktionen des Publikums hatte Buñuel, wie er selbst später berichtete, bei der Pariser Premiere des Films seine Taschen vorsorglich mit Steinen gefüllt. Das Premierenpublikum reagierte jedoch überraschend wohlwollend. Auf den „drei- oder vierhundert Plätzen der ‚Ursulines‘“ hätten nur „Aristokraten und Künstler“ gesessen, erinnerte sich Buñuel. Lauter „Leute, die die Cahiers d’art lasen oder darin schrieben. […] Am Ende des Films erhoben sie sich und klatschten lange Beifall; die Steine wogen schwer in meinen Taschen.“ Zwar lösten die Szenen bei vielen Zuschauern erwartungsgemäß Befremden und Abscheu aus, und der englische Surrealist David Gascoyne sprach von einer wahren „Hysterie“, die der Skandalfilm hervorrief, aber Teile der Pariser Presse waren begeistert. Buñuel und Dalí reagierten unterschiedlich darauf: „Der Film erzielte die von mir erwarteten Resultate. Er machte an einem einzigen Abend zehn Jahre pseudointellektuellen Nachkriegsavantgardismus zunichte. Dieses schändliche Zeug, das man abstrakter Kunst nannte, fiel uns auf den Tod verwundet vor die Füße, um nie wieder aufzustehen, nachdem sie gesehen hatten, wie das Auge eines Mädchens von einer Rasierklinge durchschnitten wird. In Europa war kein Platz mehr für die manischen kleinen Rechtecke von Herrn Mondrian.“– Salvador Dalí: The Secret Life of Salvador Dalí

„‚Ein Erfolgsfilm‘, werden die meisten denken, die ihn gesehen haben. Doch was vermag ich gegen diejenigen, die geil sind auf alles Neue, selbst wenn es ihren tiefsten Überzeugungen ins Gesicht schlägt, gegen eine Presse, die unaufrichtig oder käuflich ist, gegen dieses stumpfsinnige Pack, das ‚schön‘ oder ‚poetisch‘ gefunden hat, was im Grunde nur ein verzweifelter, ein leidenschaftlicher Aufruf zum Mord ist.“ – Luis Buñuel: La Révolution surréaliste

Insbesondere die Eröffnungsszene, in der der jungen Frau mit einem Rasiermesser das Auge zerschnitten wird, erlangte Weltruhm. Diese Szene ruft Urängste bei allen Menschen wach, völlig unabhängig von ihrem kulturellen Kontext. Für den Dreh wurde ein Kuhauge benutzt, welches stark überbelichtet wurde, so dass das Kuhfell wie die weiche Haut des Mädchens erschien.

Der Film erfüllte in seiner totalen Irrationalität die Grundsätze, wie sie Andre Breton Manifest des Surrealismus (Paris 1924) einige Jahre vorher formuliert hatte. Buñuel und Dalí wurden schlagartig berühmt und in die Pariser Surrealistengruppe aufgenommen. Kurze Zeit später arbeiteten sie noch einmal zusammen an dem Film Das goldene zeitalter

Dalí unterscheidet sich von vielen anderen Künstlern, die sich Dienstleistern wie Lithografen oder Radierern bedient haben, um ihre Werke in der jeweiligen Technik umsetzen zu lassen. Er beherrschte nahezu jede Technik in Perfektion selbst. Bei seiner ersten Lithografieserie Don Quichotte de la mancha (1956/57) schoss er beispielsweise mit Arkebusen (Musketen) auf die Lithosteine, ließ Frösche über die Steine springen und Eier auf die Steine fallen oder versetzte die Steine in Rotation. Bei der Kaltnadelradierung bearbeitete er die Kupferplatte mit der Nadel, Roulette oder anderen Gegenständen, um sein Motiv entstehen zu lassen. Beispiele dafür sind die Kaltnadelradierungen zu Faust/Walpurgisnacht (1968) oder die Farbkaltnadelradierungen in der Serie Tristan und Isolde (1970). Bei seiner Serie 10 Rezepte zur Unsterblichkeit (Dix Recettes d’immortalité, 1973) schuf er die erste stereoskopische Grafik der Kunstgeschichte. „Die Stereoskopie verewigt und legitimiert die Geometrie, denn dank ihr verfügen wir über die dritte Dimension der Sphäre“ schrieb Dalí im Begleittext zu dem Werk selbst.

Die kunsttheoretische Schrift Das gelbe Manifest verfasste Dalí 1928 zusammen mit den Kunstkritikern Lluis Montañya und Sebastià Gasch. Diese Proklamation wurde zur wichtigsten Aktion der katalanischen und spanischen Avantgarde-Bewegung gegen die klassizistische und akademische Kultur und warb für eine neue Modernität.

Besonders faszinierte Dalí der systematische, konstruktive Aspekt der Paranoia. Er nennt sie die „paranoisch-kritische Methode“, die tendenziell alle Bereiche der Wirklichkeit ihrem wahnhaften Deutungssystem zu unterwerfen vermag. Ein daran ausgerichtetes Verfahren müsste daher geeignet sein, „zum Ruin der Wirklichkeit beizutragen“, schrieb er 1930 in seiner ersten surrealistischen Programmschrift Der Eselskadaver. Der rational geordneten, mit technischen Geräten ausgestatteten Welt der Moderne, die dem Realitätsprinzip gehorcht, setzt Dalí eine andere entgegen, eine pflanzlich wuchernde, in der das Lustprinzip gilt und selbst Uhren weiche Gebilde sind. Daher tritt er für den Jugendstil und die „paranoische“ Architektur Antoni Gaudis ein.

Dalí, der sich in seiner klassischen Periode als Ex-Surrealist bezeichnete, dennoch mehr denn je Surrealist blieb, stellte in seiner Schrift Fünfzig magische Geheimnisse aus dem Jahr 1948 eine Abhandlung zur Maltechnik dar. Er führte darin aus, dass man heute zwar wisse, wie man eine Atombombe baut, niemand kenne aber „heute mehr die Zusammensetzung des geheimnisvollen Saftes, des Malmittels, in das die Brüder van Eyck oder Vermeer van Delft ihre Pinsel eintauchten“. In seinen eigenen Rezepten befasste er sich mit dem Material: fünf verschiedene Pinsel, die fünf Bewegungsarten entsprechen. Der Maler solle nicht nur „sehen“, sondern „matphysisch sehen“.

Nach seinem „System“ der gelenkten Träume lautet der Rat: „Wenn Sie malen, denken Sie immer an etwas anderes.“ Er untermauert seine Ratschläge mit technischen Tricks, die er Schriften seiner Vorgänger entnommen hatte, wie beispielsweise Cennino Cennini, dessen Libro dell’arte seit dem 14. Jahrhundert als das Handbuch der Malkunst galt, sowie Lica Pacioli und die italienischen Renaissance-Meister.

Im Jahr 1942 erschien Dalís erste Autobiografie, Das geheime Leben des Salvador Dalí, bei Dial Press, New York, in der er seine Erlebnisse, Erinnerungen und Gefühle bis in die Zeit der späten 1930er Jahre darstellt. Die Fortsetzung, Tagebuch eines Genies (Diario de un Genio), erschien 1964. Das Selbstporträt erklärt dem Leser die Intentionen des Künstlers und führt zum Verständnis seiner Werke. 1970 erschien bei Harry. N. Abrams Inc., New York, Dalí by Dalí (So wird man Dalí) mit Illustrationen, die der Künstler zu verschiedenen Gruppen zusammenfasste: der „planetarische“, der „molekulare“, der „monarchische“, der „halluzinogene“ und der „futuristische“ Dalí, versehen mit Texten des Künstlers zu den einzelnen Sujets.

Bei seiner Ausbildung bei Ramón Pitchot beschäftigte er sich vor allem mit seiner Persönlichkeit, die er durch sein äußeres Erscheinungsbild, wie z. B. lange Haare, Backenbart, weites Hemd und Lavallière-Krawatte,

Er malte oft und gerne Hitler, obwohl er mit Politik nichts zu schaffen hatte. „Ich war fasziniert von Hitlers weichem und fleischigem Rücken, der immer so prall in seine Uniform geschürt war.“ Jedoch betone Dalí immer: „Ich bin kein Nazi.“

Seine häufigste Thematik ist die Welt des Raums, des Rausches, des Fiebers und der Religion; oft findet man in seinen Gemälden seine Frau wieder. Dalís politisch teils reaktionäre Einstellung führt vielfach zu Kontroversen bei der Bewertung seiner Person und seiner Werke. Außerdem verarbeitete seine Paranoia, die sich in Symptomen wie Verfolgungswahn oder fixen Ideen äußerte, oder Träume in seinen Bildern.

Er brachte sie aktiv, systematisch und assoziativ auf seinen Bildern zum Ausdruck, diese zeigen eine bedrohliche, geisterhafte, wie von Wahnvorstellungen verunstaltete Welt Sie  bilden den Zusammenfluss von Realität und Traum, Halluzination und Sexualität, Persönlichem und Mythologischem und zeigen, dass alles vertauschbar ist.

Einflusshabende Personen oder Stile auf Dalí und seine Kunst sind u.a.  Ramón Pitchot, Luis Buñuel, Federico García Lorca, Pedro Garfia, Juan Gris, Pablo Picasso, André Breton, Joan Miró, Antoni Gaudís, sowie der Impressionismus, der italienische Futurismus, der Kubismus und der Jugendstil.

Charakteristisch für Dalís Werke sind einige, immer wieder kommende Symbole.

„Wir hatten zum Abschluss unseres Abendessens einen sehr starken Camembert gegessen, und nachdem alle gegangen waren, blieb ich noch lange am Tisch sitzen und dachte über die philosophischen Probleme des „Superweichen“ nach, die der Käse mir vor Augen führte. Ich stand auf, ging in mein Atelier und machte Licht, um noch einen letzten Blick auf das Bild zu werfen, das ich gerade in Arbeit hatte, so wie es meine Gewohnheit ist."

 Dies Bild stellte eine Landschaft bei Port-Lligat dar; die Felsen lagen in einem transparenten, melancholischen Dämmerlicht, und im Vordergrund stand ein Ölbaum mit abgeschnittenen Zweigen und ohne Blätter.

Ich wusste, dass die Atmosphäre, die zu schaffen mir in dieser Landschaft gelungen war, als Hintergrund für eine Idee, für ein überraschendes Bild dienen sollte, aber ich wusste noch nicht im mindesten, was es sein würde.

Ich wollte schon das Licht ausknipsen, da sah ich plötzlich die Lösung. Ich sah zwei weiche Uhren, von denen die eine kläglich über dem Ast des Ölbaums hing. Obwohl meine Kopfschmerzen so stark geworden waren, dass sie mich sehr quälten, bereitete ich gierig meine Palette vor und machte mich an die Arbeit. Als Gala zwei Stunden später aus dem Kino zurückkehrte, war das Bild - es sollte eines meiner berühmtesten werden - vollendet. Ich ließ sie sich mit geschlossenen Augen davor hinsetzen und zählte: ´Eins, zwei, drei, mach die Augen auf!´ Ich blickte gespannt auf Galas Gesicht und sah darauf die unverkennbare Mischung aus Staunen und Hingerissenheit. Dies überzeugte mich von der Wirksamkeit meines neuen Bildes, denn Gala irrt nie, wenn es darum geht, die Echtheit eines Rätsel einzuschätzen[...]"

Dalí malte dieses Bild für einen Wettbewerb, den Albert Lewin ausgeschrieben hatte, ein amerikanischer Filmproduzent, der für einen Film nach Maupassant Novelle " Bel Ami" ein Bild von der Versuchung des heiligen Antonius benötigte. Elf Künstler beteiligten sich an diesem Wettbewerb, den Max Ernst gewann. Dessen Werk stand in der spätmittelalterlichen Tradition der Behandlung dieses Themas und stellte schreckliche Dämonen dar, während Dalì eine neuartige symbolische Welt schuf. Der heilige Antonius hält das Kreuz hoch, um die bösen Geister abzuwehren, die hier als Pferd (Symbol aggressiver Sinnlichkeit) und Elefanten mit verschiedenen symbolischen Gegenständen dargestellt sind. Auf dem Rücken des Elefanten entsteigt zum Beispiel eine nackte Frau, die Verkörperung der Wollust, einem Kelch.

Als dieses Gemälde 1952 für den irrsinnigen Preis von 8200 Pfund Sterling von der Glasgow Art Gallery erworben wurde, löste es wegen seiner angeblichen Sensationshascherei einen Sturm der Entrüstung aus. Seither gewann das Werk ungemein an Popularität. Der ungewöhnliche Blickwinkel aus dem Christus dargestellt ist war einer Zeichnung (heute im Kloster der Inkarnation in Avila, Spanien) entlehnt, die dem heiligen Johannes vom Kreuz, einem spanischen Mystiker des 16. Jahrhunderts, zugeschrieben wird.

Dalí ist der einzige Künstler, für den es bereits zu Lebzeiten zwei Museen gab, die ausschließlich seinen Werken gewidmet waren.

Das erste Museum, das Dalí Museum in St. Petersburg in Florida wurde im Jahr 1971 von dem Dalí-Sammler A. Reynolds Morse und seiner Frau Eleanor gegründet. Die Sammlung wurde zuerst in einem Gebäude in der Nähe ihrer Residenz in Cleveland, Ohio ausgestellt. Im Jahr 1982 zog das Museum nach St. Petersburg in Florida um. Es beherbergt 95 Ölgemälde, einschließlich sechs der insgesamt 18 großformatigen Historiengemälde Dalís.

Das zweite Museum, das Teatre-Museu Dalí in seiner Heimatstadt Figueres in Spanien, war das frühere Theater der kleinen Gemeinde. 1974 wurde es zu einem Museum umgebaut. Dalí selbst arbeitete daran mit, aus den verfallenen Ruinen des Stadttheaters wieder einen Anziehungspunkt für Menschen zu machen. Der Grund, warum er gerade dieses Gebäude wählte, ist simpel: Im Jahr 1918, als Dalí 14 Jahre alt war, fand dort seine erste Ausstellung statt. Nachdem das um 1850 von Roca i Bros gebaute Theater durch ein Feuer gegen Ende des spanischen Bürgerkriegs 1939 zerstört wurde, schlug Figueres′ Bürgermeister Ramon Guardiola 1961 Dalí vor, dort ein Museum zu errichten. Am 28. September 1974 wurde es eröffnet und zieht seitdem Millionen von Besuchern an.

In Spanien sind seit Mitte der 1990er Jahre zwei weitere Museen der Öffentlichkeit zugänglich, an denen Dalí maßgeblich beteiligt war. Es handelt sich dabei um das Schloss von Púbol, welches seit 1970 der Wohnsitz seiner Frau und nach ihrem Tod 1982 für zwei Jahre auch Dalís Wohnort war, und das Wohnhaus in Port Lligat, Gemeinde Cadaques, einem kleinen Fischerdorf nahe der spanisch-französischen Grenze. Nachdem er die Fischerhütte 1930 kaufte, richtete er es immer weiter her und nach dem USA-Aufenthalt zogen Salvador und Gala 1948 dort ein.

Nach 1948 entwickelte Dali ein Interesse an Wissenschaft, Religion und Geschichte. Er integrierte Dinge in seine Kunstwerke, die er von populären Wissenschaftsmagazinen aufgeschnappt hatte. Eine andere Quelle der Inspiration wurden die großen klassischen Meister wie Raphael, Velasquez oder der französische Maler Ingres.

Dali kommentierte seinen Stilwechsel mit den Worten:  " Für immer ein Surrealist zu bleiben ist wie wenn man sein ganzes Leben nur Augen und Nasen malt."

Im Jahr 1958 begann Dali die Serie seiner großformatigen Gemälde mit geschichtlichen Themen. Er malte ein solches Monumentalgemälde pro Jahr - jeweils in den Sommermonaten in Lligat. Das berühmteste, die Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus hängt im Dali Museum in St. Petersburg in Florida.

Dalí ist ein surrealistischer Künstler. Der Surrealismus ist eine Stilrichtung der Moderne des 20. Jahrhunderts und entstand im 1. Weltkrieg. Er ist die Reaktion auf den Zusammenbruch der traditionell-abendländischen Wertvorstellungen, deren Ziel die Wiederherstellung der ursprünglichen Ganzheit des Menschen und die Befreiung des Geistes aus inneren und äußeren Zwängen war.

Bei surrealistischen Kunstwerken wurde versucht, das rationale Denken während der Arbeit völlig auszuschalten. Man versuchte, Träume zeichnerisch darzustellen, wobei die Schnelligkeit, mit der man seinen Traum auf dem Papier brachte, die Traumnähe vergrößerte.

Die Bildaufbauten vieler bekannter Surrealisten ähneln sich sehr. So sind zum Beispiel weite  allgegenwärtig. Die Bilder der Surrealisten haben oftmals traumhafte und abstrakte Wirkung auf dem Betrachter.

Der Surrealismus hat auch in der Literatur seinen Einzug erhalten. Dort konnte mit Hilfe von literarischen Impulsen aus der deutschen Romantik und des französischen Symbolismus und unter dem Einbeziehen den zeitgenössischen Wissenschaften, wie Psychiatrie und Psychoanalyse die Literatur als Medium der Weltveränderung und Selbsterkenntnis neu definiert werden.

Während des  Futuristischen Manifests 1909 begannen die Anfänge des Surrealismus. Erst 1917 wurde der Surrealismus als solcher benannt. Er beschreibt eine künstlerische Richtung, die das " Überwirkliche" als Ziel hat. Er erhielt 1921 durch Breton Einzug in Paris. Gegen Ende der surrealistischen Kunstepoche flüchten viele der großen Künstler aufgrund der Bürgerunruhen in die USA.

Heute wird all das als surrealistisch bezeichnet, was traumhaftes oder mystisches so darstellt, das es einen möglichst hohen Realitätscharakter bekommt.

El Greco

El Greco war ein Maler griechischer Herkunft und Hauptmeister des spanischen Manierismus und der ausklingenden Renaissance.[1] Er war auch als Bildhauer und Architekt tätig. Seine künstlerische Arbeit begann auf Kreta mit der Ausbildung zum Ikonenmaler in der byzantinischen Tradition. Er siedelte nach Venedig über und kam mit der Kunst Tizians in Berührung, bevor er sich in Rom niederließ. Anschließend gelangte El Greco auf ungeklärte Weise nach Spanien und zog nach Toledo. Trotz einiger Konflikte konnte er sich dort durchsetzen und blieb bis zu seinem Lebensende.

El Greco malte hauptsächlich Bilder mit religiösen Themen und Porträts.[2] Hinzu kommen einige wenige Landschaften und Genrebilder. In Venedig und Rom adaptierte er westliche Bildthemen und künstlerische Techniken. So wandte er sich der Ölmalerei und Leinwänden als Malgrund zu. Gegen Ende seines Italienaufenthaltes fand El Greco zu einer starken Körperlichkeit seiner Figuren, was sich in Spanien fortsetzte. Dort arbeitete er an großen Altarprojekten und fertigte Porträts einflussreicher Personen an. Für seine Altarbilder entwarf El Greco oft auch das architektonische Rahmenwerk. Seine Malerei entwickelte sich weg vom Naturalismus hin zu einem Individualstil, indem er versuchte, einen neuen Ausdruck für spirituelle Phänomene zu suchen, und sich in seinem Spätwerk zunehmend auch wieder auf seine Herkunft als Ikonenmaler bezog. El Greco bereicherte die katholische Bilderwelt um neue Themen und um eine Neuinterpretation bekannter Ikonographien. Seine Kunst wurde weniger vom Adel gefördert, sondern von Intellektuellen, Geistlichen und Humanisten unterstützt.

Die Rezeption El Grecos fiel über die Zeit sehr unterschiedlich aus.[3] Mit seinem Individualstil ging er einen sehr eigenen Weg, der von der Entwicklung der Malerei in Spanien weitestgehend unabhängig war. Nach seinem Tod wurde seiner Kunst wenig Wertschätzung zuteil und sie wurde zum Teil gar nicht beachtet. Eine langsame Wiederentdeckung El Grecos setzte im 19. Jahrhundert ein, um 1900 hatte er dann seinen Durchbruch. Dieser war weniger von der Kunstwissenschaft getragen, sondern von Schriftstellern, der Kunstkritik und der künstlerischen Avantgarde. Er wurde von Künstlern der Moderne, besonders des Expressionismus, als ein wichtiger Bezugspunkt gesehen und in Werken rezipiert. Zudem wurde er von spanischen Künstlern und Intellektuellen zur Stärkung der nationalen Identität herangezogen.

Das früheste heute noch bekannte und von El Greco mit seinem bürgerlichen Namen signierte Werk ist ein Motiv der Entschlafung Mariens. Das 1567 gemalte Bild hängt seit etwa 1850 in der gleichnamigen Kirche von Ermoupoli auf der Insel Syros.

1568 war El Greco in Venedig anwesend, was durch einen Brief vom 18. August 1568 belegt ist. In ihm teilt er mit, dass er Zeichnungen an den griechischen Kartographen Giorgio Sideris, genannt Calapodas, geschickt habe. Sideris gehörte zu jenen Intellektuellen, die den langsamen Aufstieg El Grecos unterstützt hatten. Es ist möglich, dass der Kartograph sogar den Anstoß für die Übersiedlung nach Venedig gegeben hat. In der Forschung wird angenommen, dass El Greco bereits im Frühjahr oder Sommer des Jahres 1567 nach Venedig aufgebrochen war.[4]

Er hielt sich in Venedig drei Jahre lang auf und malte dort zahlreiche Bilder. Sie verbindet vor allem, dass El Greco sich in ihnen den einheimischen Künstlern wie Jacopo Bassano, Jacopo Tintoretto und Tizian annäherte. An die Stelle des Goldgrundes setzte El Greco nun einen perspektivischen Raum, wobei er etwa auf Architekturtraktate wie das von Sebastiano Serlio zurückgriff. Zudem gab er die Temperamalerei auf, wandte sich der im Westen seit Jan van Eyck verbreiteten Ölmalerei zu und begann, Leinwände als Bildträger zu verwenden. Dennoch legte er bis zu seinem Lebensende viele seiner Gemälde noch mit Temperafarben an, vollendete sie dann jedoch mit Ölfarben. Für die Lichtgestaltung und Farbwahl El Grecos war der Aufenthalt in Venedig prägend.[5]

El Grecos Bildnis von Fernando Niño de Guevara, das sich heute im New Yorker Metropolitan Museum of Art befindet, ist mit Öl auf Leinwand gemalt. Das hochformatige Gemälde misst in der Höhe 70,8 und in der Breite 108 cm.

Das ganzfigurige Porträt in Dreiviertelansicht zeigt den Kardinal in einem Lehnstuhl sitzend vor der dreiteiligen Rückwand eines Innenraums. Der hölzerne, mit Leder bezogene Lehnstuhl, bei dem es sich wohl um einen für Spanien typischen „frailero“ handelt , steht schräg im Raum und evoziert die Dreiviertelansicht der sitzenden Figur.Der graubärtige Geistliche trägt eine für die damalige Zeit äußerst moderne Fadenbrille, die mit Schnurschleifen an den Ohren befestigt ist. Er blickt mit leicht nach rechts geneigtem Kopf nahezu en face aus dem Bild heraus und scheint den Betrachter mit aufgeschrecktem Blick zu mustern). Die leicht vergrößernde Wirkung der Augengläser heben den Blick der Augen hervor. Die Arme des Prälaten ruhen auf den Armlehnen des Lehnstuhls. Während seine linke Hand die Vorderkante der Lehne umschließt, hängt seine Rechte entspannt herab.

Der Kardinal trägt neben dem mit Spitzen besetzten, weißen Chorhemd die purpurfarbene, seidene Kardinalstracht, die jedoch aufgrund starker Lichtreflexe eine eher blassrote Gesamtfarbigkeit annimmt. Die Gewandteile wirken durch Umriss- und Binnengliederung stark bewegt. Über dem Rochett trägt der hohe Geistliche die knielange, nach vorne offene Mantelletta. Den Oberkörper umschließt ein nach vorne geknöpfter Schulterkragen mit kleiner Kapuze, die Mozetta, getragen von der hohen katholischen Geistlichkeit. Auf dem Kopf trägt er das Birett. Unter dem ebenfalls roten Untergewand, das unter dem Chorhemd zum Vorschein kommt, ragen nur die Schuhspitzen rotbrauner Schuhe hervor.

Die zur Bildebene nahezu parallele Rückwand der Räumlichkeit gliedert sich in drei vertikale Wandstreifen, die mit unterschiedlichen Materialien verkleidet, beziehungsweise dekoriert sind. Ein Teil der linken Hälfte der Rückwand ist mit einer Holztäfelung mit Kassettenmuster verkleidet. An diese hölzerne Kassettenwand, die auch eine fest geschlossene Türe darstellen könnte , schließt sich ein schmaler, dunkelgrüner Vorhangsstreifen an. Die rechte Hälfte der Rückwand ist mit einer prunkvollen, goldschimmernden Tapete aus geprägtem Korduanleder bespannt.

Der aus Marmorplatten bestehende Fußboden des Raumes, der nicht konsequent perspektivisch durchkonstruiert erscheint, gliedert sich vorwiegend in perspektivisch verzerrte, braune Rechtecke und dunkle Kreisformen auf weißem Untergrund. Der schräg verlaufende, braune Plattenstreifen des Fußbodenmusters, dem die Schuhspitzen des Klerikers eingeschrieben sind, unterstreicht die schräge Position des Lehnstuhls im Raum. Zu Füßen des Kardinals liegt auf einer runden Fußbodeneinlage ein scheinbar achtlos hingeworfenes, gefaltetes Stück Papier, das Grecos Signatur in griechischen Lettern trägt. Der starke Hell-Dunkel-Kontrast zwischen dem Weiß des Schriftstücks und dem Schwarz der Bodenfliese hebt die Bedeutung der Künstlersignatur hervor.

El Grecos ganzfiguriges Kardinalsporträt zeichnet sich im Gegensatz zu anderen Porträts des Künstlers durch einen besonderen Naturalismus aus. Dieser Eindruck entsteht durch die Proportionen der Figur und durch den vom Malerischen bestimmten Farbauftrag. Die Wirklich-keitsnähe zeigt sich vorwiegend in der illusionistischen Darstellung der wertvollen Seidengewänder des Kardinals, die jedoch einem expressiven Licht- und Schattenspiel ausgesetzt sind und von der manieristischen Kunstauffassung des Künstlers zeugen.

Die stoffliche, nahezu impressionistisch wirkende Darstellung des mit Spitzen besetzten Chorhemdes belegt in besonderem Maße Grecos malerische Virtuosität. Das Weiß ist alla prima auf die dunkel grundierte Leinwand aufgetragen. Der flüchtige Farbauftrag und die durchscheinende Grundierung gliedern das Chorhemd in Licht- und Schattenzonen.

Im Jahre 1570 wies der Miniaturmaler Giulio Clovio seinen Mäzen Alessandro Farnese in Rom auf ein heute verlorenes Selbstporträt El Grecos hin, das die römischen Künstler erstaunt hätte, und empfahl, den Künstler in der Villa Farnese aufzunehmen. Er legte El Greco seinem Mäzen als Schüler Tizians ans Herz. Dieser malte daraufhin ein Porträt Clovios, das vielleicht als Gegenleistung für die Empfehlung gedacht war. Im Palazzo Farnese lernte er etwa den bedeutenden Humanisten und Bibliothekar Fulvio Orsini kennen, in dessen Sammlung sich später sieben Werke El Grecos befanden. Möglicherweise lernte er über Orsinis Freund Pedro Chacón zudem den kirchlichen Würdenträger Luis de Castilla aus Spanien kennen, mit dem El Greco in der Folge eine enge Freundschaft verband.[6]

Im Haus der Farnese war El Greco wenig beansprucht, da dort vor allem Freskomaler gebraucht wurden. Zwar wurde die Mitarbeit eines griechischen Malers an den Fresken überliefert, es lässt sich ihm aber kein Werk zuordnen. El Greco suchte sich mit seinem verlorenen Selbstporträt, dem Porträt Clovios und weiteren Werken seine eigene Marktnische als Bildnismaler. Mit innovativen Bildnissen und anderen Bildexperimenten wie dem Genrebild eines eine Kerze entzündenden Jungen machte er sich einen Namen in den Kreisen römischer Gelehrter und Intellektueller. Auch suchte er in anderen Gattungen nach Anerkennung, musste sich in Rom jedoch der Konkurrenz vieler hochrangiger Maler stellen, die in der Tradition Michelangelos wirkten. Um sich abzusetzen und seine Fremdheit als Stärke zur Geltung zu bringen, berief sich El Greco auf Tizian. In diesem Kontext steht auch die von Mancini überlieferte Anekdote, nach der El Greco dem Papst angeboten habe, das kritisierte Jüngste Gericht von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle zu übermalen. Daraufhin habe er aufgrund der Kritik der römischen Maler die Stadt verlassen müssen.[7]

El Greco wurde aus dem Haus Farnese entlassen und beschloss, eigene Wege in Rom zu gehen. Am 18. September 1572 entrichtete er die zwei Scudi Aufnahmegebühr und trat somit der römischen Lukasgilde unter dem Namen Dominico Greco bei. Er eröffnete in der Folge eine eigene Werkstatt in Rom, wobei er zuerst von dem Sieneser Maler Lattanzio Bonastri da Lucignano unterstützt wurde. Etwas später trat Francesco Prevoste, der El Greco auch später nach Spanien begleitete, der Werkstatt bei. Über die Zeit von September 1572 bis zum Oktober 1576 liegen keine Dokumente vor, die Hinweise geben könnten, was El Greco in dieser Zeitspanne tat. Auch weshalb er Italien verließ, ist nicht bekannt.[8]

Für den Oktober 1576 ist die Anwesenheit El Grecos in Spanien nachgewiesen – wie er dorthin gelangte, ist nicht bekannt. Zwischen Rom und Spanien bestanden damals enge Kontakte. In Rom hielten sich viele Spanier auf, und zahlreiche italienische Künstler zog es auf die Iberische Halbinsel. Während seines Aufenthaltes bei den Farneses konnte El Greco Kontakte zu Spaniern wie zum Beispiel Luis de Castilla knüpfen. Über de Castilla erhielt El Greco mehrere Aufträge in Toledo, vor allem in der Anfangszeit seines Spanienaufenthaltes. Auf Vermittlung von Diego de Castilla, dem Vater seines Freundes und Dekan der Kathedrale, schuf er einen Altar für das Kloster des hl. Dominikus von Silos in Toledo. Er gestaltete nicht nur das Bildprogramm, das mit der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel als zentralem Bild zur Begräbniskapelle passte, sondern entwarf auch die Architektur des Retabels, seines plastischen Schmucks und des Tabernakels.

Ebenfalls auf Vermittlung Diego de Castillas hin, der aber in diesem Fall nicht allein verantwortlich war, malte El Greco Christus wird seiner Kleider beraubt für die Kathedrale von Toledo.[9] Dabei kam es zum Konflikt um den Preis und die Gestaltung des Gemäldes, wie es ihn in der Folge auch bei weiteren Gemälden gab. Der Gemäldepreis wurde in Spanien zu dieser Zeit nach Vollendung des Gemäldes durch vom Künstler und vom Auftraggeber beauftragte Gutachter festgesetzt. El Grecos Vertreter schlug den hohen Preis von 900 Dukaten vor, während die Vertreter der Kathedrale nur 227 Dukaten zahlen wollten. Die große Abweichung wurde damit erklärt, dass es Kritik am Bild gegeben habe. Üblicherweise hätte El Greco die Kritik nacharbeiten müssen, er weigerte sich jedoch, weil er sich als Schöpfer seiner Werke und nicht als bloßes ausführendes Organ seiner Auftraggeber sah. Der Konflikt ergab sich somit aus der unterschiedlichen sozialen Stellung des Malers in Italien und Spanien. Im September 1579 gab es in diesem Streitfall eine erste Einigung auf 317 Dukaten, die jedoch nicht lange hielt. 1585 gab es einen weiteren Kompromiss, nach dem El Greco auch den Rahmen gestalten sollte. Dass der Rahmen in diesem Zusammenhang höher bewertet wurde als das Gemälde, lag in dem gegenüber der Malerei höheren Status der Skulptur im Spanien dieser Zeit. An der Ikonographie des Bildes veränderte El Greco im Laufe dieser Zeit nichts, obwohl das Bild weiterhin in der Hauptkirche des Bistums hing.

Zwischen 1577 und 1579 malte El Greco die Anbetung des Namen Jesu, mit der er sich bei König Philipp II. empfehlen wollte. In diesem Bild brachte er den König auch direkt als Figur ein.

In den Jahren 1580 bis 1582 malte El Greco Das Martyrium des heiligen Mauritius als Probebild für die Kirche des Escorial, um nach seinen Erfolgen in Toledo auch in Madrid bei Hofe Fuß zu fassen. In dieser Situation vollzog El Greco einen Stilwechsel vom Naturalismus hin zu einer Malerei, in der er nach gestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten für Spiritualismus suchte. Der König verfolgte mit dem Bau des Escorial die Absicht, die Ideen des von ihm mitgeprägten Konzils von Trient umzusetzen. Zu diesem Zweck wollte er eigentlich Juan Fernández de Navarrete mit der Gestaltung sämtlicher Altäre betrauen. Navarrete starb jedoch, so dass neue Maler gesucht werden mussten. Vielleicht aufgrund des ersten Bildes, mit dem sich El Greco am Hof empfehlen wollte, der Anbetung des Namen Jesu, fasste der König dann den Griechen als möglichen Ersatz ins Auge. El Greco lieferte zwar ein kunstvolles Bild, doch es widersprach in seiner Wendung gegen den Naturalismus den Idealen des Konzils.

Dieses Werk wurde zwar gut bezahlt und es kam nicht zu Korrekturen, dennoch erhielt El Greco keine weiteren königlichen Aufträge, da Philipp II. das Bild als für den Bestimmungsort ungeeignet empfand.[10] Statt an dem geplanten Ausstellungsort auf dem Altar der Escorialkirche wurde das Bild an einem weniger prominenten Ort in der Kirche aufgehängt. Philipp II. erteilte Romulo Cincinato den Auftrag, ein Bild zum gleichen Thema anzufertigen. Dieser orientierte sich an der Komposition El Grecos, veränderte jedoch deren Schwerpunktsetzung. Das Verhalten des Königs zeigte die aufkommende Unterscheidung zwischen Altar- und Sammlerbild. Insgesamt steht dieses Vorgehen den Anekdoten und Berichten über den starken Einfluss der Inquisition auf die Kunstproduktion in Spanien entgegen. Gerade mit Unterstützung aufgeschlossener Kirchenkreise konnte der Grieche El Greco in Spanien barocke Bildideen entwickeln, die sich andernorts erst im 17. Jahrhundert durchsetzen konnten.[11]

El Greco hatte zweimal Kontakt mit der Inquisition. Im ersten Fall arbeitete er an neun Terminen zwischen Mai und Dezember 1582 als Übersetzer bei einem Verfahren gegen einen griechischen Diener, der wegen Häresie angeklagt, jedoch freigesprochen wurde. Der zweite Kontakt hatte direkt mit El Greco und seiner Kunst zu tun. Nach dem Fehlschlag am Hof suchte der Maler unter der Geistlichkeit von Toledo neue Mäzene. Sein Probebild war das Porträt eines Kardinales, das Fernando Niño de Guevara zeigte, der um 1600 Großinquisitor in Toledo war.

Die Zurückweisung in Madrid verstärkte El Grecos Bindung an Toledo. Im Jahre 1589 wurde El Greco in einem Dokument als Bürger der Stadt bezeichnet. Am 18. März 1586 erteilte der Priester seiner eigenen Pfarrei den Auftrag für das Gemälde Das Begräbnis des Grafen von Orgaz. Zwischen 1596 und 1600 malte El Greco das Retabel für das Augustinerkolleg der Doña María de Aragón in Madrid. Für dieses Werk erhielt er mit 6000 Dukaten den höchsten Preis, den er je für ein Gemälde erzielen konnte.[12]

Am 9. November 1597 erhielt El Greco den Großauftrag, die Capilla de San José in Toledo auszugestalten, seinen bedeutendsten Auftrag in Toledo nach Santo Domingo el Antiguo[13]. Der Vertrag umfasste die beiden Altargemälde sowie die Gestaltung und Vergoldung des Rahmens. Sein Sohn, der für ihn in diesem Jahr zu arbeiten begann, tauchte als Name in einem Dokument auf, in dem er sich verpflichtete, im Falle des Todes seines Vaters ein Werk zu vollenden. Ab 1603 findet sich der Sohn häufiger in Dokumenten zum Werkstattbetrieb.

Trotz zahlreicher gut dotierter Aufträge befand sich El Greco oft in ökonomischen Schwierigkeiten, da er einen sehr gehobenen Lebensstil pflegte. So beschäftigte er zeitweise Musikanten, die ihn während der Mahlzeiten unterhielten. Zwischen 1603 und 1607 gab es Konflikte um das Bildprogramm für das Hospital de la Caridad in Illescas. Der Vertrag enthielt für El Greco ungünstige Konditionen, so dass ihm kaum seine Kosten erstattet wurden und ein Prozess notwendig wurde. Kritik rief unter anderem hervor, dass unter dem Schutzmantel der Madonna reiche Bürger anstatt arme gezeigt wurden. Nach dem Tod El Grecos wurden aus diesem Grund die Halskrausen übermalt. In dieser Zeit bildete er Luis Tristán aus, der nach El Grecos Tod zum bedeutendsten Maler von Toledo wurde und zwischen 1603 und 1606 als Schüler in El Grecos Atelier nachweisbar ist. 1607 übernahm El Grecos Sohn an Stelle des verstorbenen Prevoste eine leitende Position im Atelier. Vater und Sohn erhielten von der Erzdiözese Toledo Aufträge, die Ausstattung von Kirchen auf die Orthodoxie ihrer Bildprogramme zu untersuchen. Im Anschluss konnten sie sich mehrmals lukrative Aufträge sichern.

Im folgenden Jahr übernahm El Greco von Pedro Salazar de Mendoza den Auftrag für drei Altarbilder für das Hospital de Tavera.[14] Dieses Werk blieb jedoch unvollendet. 1611 besuchte Francisco Pacheco El Greco in Toledo. Er fertigte sowohl ein Porträt des Malers als auch eine Biographie an, die in seinem Buch über berühmte Maler erschien. Beide Zeugnisse sind heute verschollen. In seinem 1649 erschienenen Buch El arte de la pintura veröffentlichte Pacheco Informationen über die Arbeitsweise und künstlerischen Ideen El Grecos. Von ihm wurde überliefert, dass El Greco auch als Theoretiker arbeitete. Am 7. April 1614 starb El Greco. Luis de Castilla regelte in der Folge seinen Nachlass. Zum Zeitpunkt seines Todes war El Greco hoch verschuldet. Er hinterließ kein Testament, was zur damaligen Zeit ungewöhnlich war.

El Greco wurde zunächst im Kloster des hl. Dominikus von Silos bestattet, wo er 1612 die Einrichtung einer Begräbniskapelle mit Altar und dem Altarbild der Anbetung der Hirten vereinbart hatte. 1618 starb Luis de Castilla, der Patron des Klosters, und in der Folge kam es mit den Nonnen zum Streit über den Preis. Deshalb ließ der Sohn El Grecos dessen Leichnam 1619 nach San Torcuato umbetten. Diese Kirche wurde später abgerissen, wobei die sterblichen Überreste El Grecos verlorengingen.[15]

Jorge Manuel Greco erstellte ein Inventar des Besitzes seines Vaters, worunter sich 143 meist fertige Gemälde, unter anderem drei Laokoon-Versionen, 15 Gipsmodelle, 30 Tonmodelle, 150 Zeichnungen, 30 Pläne, 200 Druckgrafiken und über 100 Bücher befanden.

El Greco malte viele religiöse Bilder und Porträts. Hinzu kamen einige wenige Genrebilder und Landschaften. Von seinen Zeichnungen haben sich nur wenige Exemplare erhalten. Sein Werk lässt sich in drei geographisch definierte Phasen unterteilen. Seine Anfänge auf Kreta waren in der Forschung lange umstritten. Heute ist es kunsthistorischer Konsens, dass El Greco dort seine künstlerische Laufbahn als Ikonenmaler begann. Die zweite Phase ist seine Zeit in Italien, wo er westliche Techniken und Kompositionen adaptierte. Er arbeitete in Venedig und Rom, bevor er nach Spanien übersiedelte. Dort fand er zu seinem eigenständigen Stil und schuf seine Hauptwerke.[16]

El Greco war ein technisch versierter Künstler, der hochwertige Materialien verwendete. Deshalb befinden sich seine Werke in der Regel in einem guten Erhaltungszustand. Er behielt von jedem Bild eine kleinformatige Ölreproduktion in seiner Werkstatt und griff Motive zu verschiedenen Zeiten erneut auf. Sein Beitrag zur künstlerischen Reform der katholischen Bilderwelt lag vor allem in der Formulierung neuer Bildthemen und Ikonographie und in der Abwandlung bereits bekannter Motive. Zudem experimentierte er mit einer neuen Bildsprache. Für sie besann er sich im hohen Alter erneut auf seine Wurzeln in der östlichen Ikonenmalerei und verknüpfte diese mit seinen westlichen Erfahrungen zu einem erfolgreichen Individualstil. El Greco maß der Zeichnung im Arbeitsprozess wohl eine wichtige Bedeutung zu. So ist es nicht verwunderlich, dass sich 1614 im Inventar seines Nachlasses 150 Zeichnungen befanden.[17] Jedoch haben sich nur sehr wenige Zeichnungen El Grecos erhalten, da diesem Medium auf der Iberischen Halbinsel keine Bedeutung zugemessen und somit keine große Aufmerksamkeit geschenkt worden war.

Das früheste bekannte Gemälde El Grecos ist ein Marientod, den er um 1567 gemalt hat und der heute in der Kirche der Entschlafung Mariens in Ermoupoli auf der Insel Syros zu sehen ist.[18] Er signierte das Gemälde mit Domenikos Theotokopoulos. Der Marientod lässt in seiner Konzeption erkennen, dass El Greco als Ikonenmaler ausgebildet worden war, jedoch löste er sich bereits von den typisierten Vorbildern, den zweidimensionalen und gleichen Formen folgenden Figuren samt Kleidung und dem aus dem Inneren der Form kommenden Licht. Die vom Heiligen Geist ausstrahlende Lichtaureole, in deren Zentrum sich eine Taube befindet, verbindet die schlafende mit der thronenden Madonna. Zudem neigt sich Christus in einer zärtlichen Geste. Ein weiteres auffälliges Detail sind die drei Kandelaber, die sich im Vordergrund befinden. Der mittlere weist an seiner Basis Karyatiden auf, die auf eine druckgraphische Vorlage verweist. Diese Bildelemente waren eigene künstlerische Beiträge des Malers, die über den bestehenden Bildtypus hinausgingen. Dass er das Bild signierte, war zudem ungewöhnlich, da Ikonen in der Regel nicht signiert wurden. Damit unterstrich er seinen humanistischen Anspruch und seine weiter gehenden künstlerischen Ambitionen.[19]

Ein weiteres Bild aus seiner kretischen Phase ist Der Heilige Lukas malt eine Ikone der Jungfrau mit dem Kind, das zwar stark beschädigt ist, aber immer noch Teile seiner Signatur trägt. Das zentrale Motiv des Evangelisten Lukas und der Maria in der Form einer Hodegetria malte El Greco in traditioneller byzantinischer Weise, während er in den Randmotiven neue Motive einführte wie etwa Malerwerkzeug, Renaissancestuhl und malerisch umgesetzte Engel. Die bekannten Werke, die El Greco auf Kreta schuf, weisen alle eine hohe künstlerische Qualität auf mit ihrer Lichtführung und dem starken Ausdruck. Zudem haben sie alle freihändige Vorzeichnungen.

Die erste Werkphase war lange Zeit umstritten, da El Greco als Ikonenmaler nicht in den westlichen Kunstkanon passte. Zudem gab es auf Kreta zwei weitere Maler namens Domenikos. Erst als der Marientod gefunden wurde, der auch den Nachnamen Theotokopoulos trug, gab es ein eindeutiges Referenzwerk, das stilistische Vergleiche zweifelsfrei zuließ. In der aktuellen Forschung ist der Beginn der künstlerischen Laufbahn auf Kreta allgemein anerkannt.

In Venedig wandte El Greco sich der Ölmalerei zu und verwendete Leinwände als Bildträger. Wie dort üblich nutzte er grobe Leinwände, die mit ihrer plastischen Textur expressive Wirkungen unterstützten. Zuerst trug er eine dünne weiße Grundierung auf, über die er nochmals eine zweite Grundierung auftrug, die rosa bis dunkelrot gefärbt war. Dann trug er mit einem Pinsel und schwarzer Farbe die Konturen der Figuren als Vorzeichnung auf und setzte zudem mit Weiß Lichtpunkte und mit Schwarz und Karmin die dunkelsten Stellen über die ganze Bildfläche. Erst in einem weiteren Schritt wurde in einem komplexen Verfahren der eigentliche Farbauftrag vorgenommen. Die Formate blieben aber weiterhin eher klein, was auch der Auftragslage El Grecos geschuldet gewesen sein kann. Technisch blieb El Greco venezianisch geprägt.

Am Übergang zwischen seiner byzantinischen und venezianischen Malweise steht der als Modena-Triptychon bekannte Tragealtar, dessen Auftraggeber wahrscheinlich aus einer kreto-venezianischen Familie stammte. Der Objekttypus mit den vergoldeten Rahmenteilen war im 16. Jahrhundert auf Kreta üblich, die Ikonographie ist jedoch deutlich westlich geprägt. Der Altar trägt die Signatur El Grecos und ist somit ein wichtiges Referenzwerk für die Beurteilung von Werken aus dieser Zeit.

El Greco malte im Laufe seines Lebens mehrmals dasselbe Thema zu verschiedenen Zeiten.[20] An diesen Bildern ist seine künstlerische Entwicklung nachvollziehbar. So malte er die erste Version der Blindenheilung in Venedig noch auf Holz. In ihr bezog er sich auf Bilder Tintorettos, aus denen er die Aufteilung in zwei Figurengruppen, den Fernblick und den in venezianischen Bildern beliebten Hund im Vordergrund entlehnte. Die Posen der Figuren beziehen sich auf verschiedene Druckgraphiken, die El Greco als Vorlagen nutzte. Die zweite Version entstand wahrscheinlich bereits in Rom und wurde auf Leinwand gemalt. Im Hintergrund ergänzte El Greco Ruinen, die Figuren ähnelten mehr antiken Skulpturen und Michelangelos Akten. Der nur leicht mit einem Tuch bekleidete Mann ähnelt dem Herkules Farnese.

Zwar blieb El Greco in seinem Schaffen zeit seines Lebens venezianischen Einflüssen treu; er nahm jedoch zum Ende seines Romaufenthaltes und zu Beginn seines Aufenthaltes in Spanien Bezüge zu Michelangelo auf.[21] So malte er in den frühen 1570er-Jahren eine Pieta auf Holz, die sich auf Michelangelos um 1550 entstandene Skulpturengruppe Pieta di Palestrina in Florenz bezog. Im Gegensatz zum Vorbild stellte El Greco an die Spitze der Komposition Maria. Er verlieh dem Bild eine Dramatik, die sich bis dahin nicht in seinen Werken fand und schon stärker in Richtung Barock wies. Die Christusfigur hatte für El Grecos Werke eine ungewöhnliche Körperlichkeit. Eine weitere Version der Pieta malte er auf Leinwand. Sie wirkt noch monumentaler und die Gewänder stärker ausgearbeitet, auch wenn sie am rechten Arm noch Probleme mit den Proportionen erkennen lässt. Formal hat das Gemälde bereits Parallelen zu den frühen in Spanien entstandenen Werken. Dass es aber dort entstanden sein soll, wird jedoch in der Forschung abgelehnt.

Diese Entwicklung zur Körperlichkeit setzte El Greco in seinen ersten Aufträgen in Toledo fort.[22] Dies ist am Altar für das Monasterio Santo Domingo el Antiguo in Toledo nachvollziehbar. Passend zur Aufstellung in der Begräbniskapelle ist das zentrale Bild eine Himmelfahrt Marias, das von den ganzfigurigen Bildern Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist eingefasst wird, sowie den Brustbildern Heiliger Bernhardt und Heiliger Benedikt. Im Giebelfeld befindet sich ein Bild des Schweißtuchs der Veronika und im folgenden Stockwerk mit der Heiligen Dreifaltigkeit ein weiteres großformatiges Bild. Der Hauptaltar wird von einer Anbetung der Hirten und der Auferstehung Christi als kleineren seitlichen Retabeln gerahmt. Dieser Altar war ein deutlich größerer Auftrag als seine von Kreta oder aus Italien bekannten Gemälde.

El Greco bereitete die Arbeiten gründlich mit Vorzeichnungen vor. Eine Vorzeichnung von Johannes dem Täufer und zwei von Johannes dem Evangelisten haben sich erhalten. In den ersten Entwürfen positionierte er die beiden in Nischen und der Evangelist war im Profil dargestellt und blickte auf die Himmelfahrt. In der zweiten Zeichnung positionierte der Künstler ihn bereits so, wie er auch gemalt wurde. Bei der endgültigen Ausführung verzichtete El Greco jedoch auf den in der Zeichnung als Symboltier beigefügten Adler.

Unter dem Einfluss Michelangelos fand El Greco zu einem sehr naturalistischen Stil mit monumentalen Figuren. Zudem folgte seine Farbwahl der römischen Schule und verlieh etwa der Himmelfahrt Marias eine große Leuchtkraft, während er bei der Heiligen Dreifaltigkeit die kontraststarken kalten Farbtöne Grün, Gelb und Blau verwendete und zudem Weiß in einer dominierenden Rolle im Bildzentrum einsetzte. Das architektonische Rahmenwerk, das El Greco entwarf, weist klare klassizistische Formen auf.

Mit dem Martyrium des Heiligen Mauritius aus den Jahren 1580 bis 1582 vollzog El Greco den Wechsel vom Naturalismus hin zu einer Malerei, in der er nach einem gestalterischen Ausdruck für spirituelle Phänomene suchte.[23] In den 1580er-Jahren wandte er sich immer mehr von den Regeln der Renaissance für Proportion und Perspektive ab. Statt lebende Modelle zu studieren, begann El Greco wie Tintoretto mit Tonmodellen zu arbeiten. Er ließ dem Licht eine deutlich stärkere symbolische Funktion zukommen, statt es bloß in natürlicher Weise zu verwenden. So entstanden starke Hell-Dunkel-Kontraste. Die verwendeten Farben wurden deutlich expressiver. Statt wie üblich den Fokus der Darstellung auf das Martyrium zu legen, zeigte El Greco vor allem das von rhetorischen Gesten begleitete Gespräch in Anlehnung an eine Sacra Conversazione. Der Stilwechsel wurde von El Greco auch in anderen Werken dieser Zeit vollzogen.

Eines seiner bekanntesten Gemälde schuf El Greco mit dem Begräbnis des Grafen von Orgaz, das er 1586 bis 1588 malte und das später zu einem Hauptwerk zum Studium des Malers wurde.[24] Das Bild ist in zwei Zonen aufgeteilt. Im unteren Teil stellte El Greco die Begräbnisfeier dar, die einem Begräbnis wie zu dieser Zeit in Toledo üblich nachempfunden worden war. Der Adelige wird von den Heiligen Stephanus und Augustinus in das Grab gelegt, womit sich der Künstler auf die Legende zum Begräbnis bezog. Rechts liest wahrscheinlich der Auftraggeber das Requiem. Die obere Zone zeigt den Himmel, in den die Seele des Verstorbenen als Kind von einem Engel eingeführt wird, die dem Weltenrichter sowie Johannes und Maria als seine Fürsprecher und weiteren Heiligen gegenübertritt. In diesem Bild verwendete El Greco Licht nur noch als symbolisches Element. Im Himmel malte er ein unruhig erscheinendes Streiflicht. Die untere Hälfte ist dagegen gut ausgeleuchtet wie eine Bühne, die dortigen Fackeln haben keine reale Lichtwirkung. Das Gemälde nimmt zum einen auf eine historische Begebenheit, die religiös verklärt wurde, Bezug, ist zum anderen aber auch ein Gruppenporträt.[25]

Ein Beispiel für ein von El Greco entwickeltes neues ikonographisches Thema ist die reuige Heilige in Halbfigur, das bereits in den folgenden Barock verweist. Eine einzelne Heiligenfigur wurde isoliert und monumental dargestellt und bot dem Betrachter die Möglichkeit, die Figur als gefühlsmäßigen Ansprechpartner zu sehen. Diese Bilderfindung kann als revolutionär eingeschätzt werden. Beispiele sind etwa Die büßende Magdalena, die im Gegensatz zu dem gleichnamigen Bild Tizians jedoch ohne erotische Bezüge auskommt, oder Der reuige Heilige Petrus. Ebenso populär waren Bilder des Heiligen Franziskus. El Greco malte Franziskus nicht wie bis dahin üblich beim Empfang der Wundmale Christi, sondern bei der Reflexion mit einem Totenkopf. Von dieser Bildidee gibt es noch etwa 40 erhaltene Versionen. Pacheco lobte, dass El Greco die in den Chroniken überlieferte Gestalt des Ordensgründers besonders gut dargestellt habe. Die Vielzahl der Bilder dieses Themas lag in der Popularität des Franziskus in Spanien begründet. Zudem setzte El Greco, wie er es aus Italien kannte, auf die druckgraphische Verbreitung, um seine Komposition zu popularisieren. Er ließ das Franziskus-Gemälde von seinem Schüler Diego de Astor nachstechen.[26]

Neben neuen Bildideen erneuerte El Greco die katholische Bilderwelt mit stilistischen Innovationen. Zum einen bezog er sich auf seine Wurzeln als kretischer Ikonenmaler wie beim Das Begräbnis des Grafen von Orgaz, das sich etwa in der Komposition auf den frühen Marientod bezog. Auf der anderen Seite zeigt sich bei einer späten Version der Tempelreinigung von 1610 bis 1614 eine hohe Abstrahierung von der Naturbeobachtung. Die Bewegung und das Licht sind in solchem Maße gesteigert, dass sie teils als „expressionistisch“ charakterisiert wurden. Das Visionäre von El Grecos Kunst lässt sich auch in dem Gemälde Die Öffnung des fünften Siegels, das die Vision des Evangelisten Johannes zum Thema hat und ein Fragment eines späten Altarprojekts war, entdecken. Im Gegensatz zu anderen Bildern, die diese Vision thematisieren, integrierte El Greco den Heiligen in das Bild und verschob somit die Bedeutung von der Darstellung des erschienenen Ereignisses hin zum Moment der Erscheinung selbst.[27]

In diesem Bild erreichte die Entmaterialisierung der Form bei El Greco ihren Höhepunkt. Erst 1908 wurde die Thematik des Bildes erkannt und hat sich in seiner Bestimmung durchgesetzt. Zuvor existierten zahlreiche Interpretationen. Der obere Teil des Gemäldes ist verloren und die Stellung im geplanten Gesamtensemble ist nicht zu rekonstruieren. Visionen, wie hier eine von El Greco gemalt wurde, sind ein häufiges Thema in der spanischen Barockmalerei. Deshalb ist dieses Gemälde kein isoliertes Werk, sondern steht im Kontext der spanischen Malereientwicklung und verwies auf sie voraus.

Eines seiner bekanntesten Gemälde schuf El Greco mit dem Begräbnis des Grafen von Orgaz, das er 1586 bis 1588 malte und das später zu einem Hauptwerk zum Studium des Malers wurde.[28] Das Bild ist in zwei Zonen aufgeteilt. Im unteren Teil stellte El Greco die Begräbnisfeier dar, die einem Begräbnis wie zu dieser Zeit in Toledo üblich nachempfunden worden war. Der Adelige wird von den Heiligen Stephanus und Augustinus in das Grab gelegt, womit sich der Künstler auf die Legende zum Begräbnis bezog. Rechts liest wahrscheinlich der Auftraggeber das Requiem. Die obere Zone zeigt den Himmel, in den die Seele des Verstorbenen als Kind von einem Engel eingeführt wird, die dem Weltenrichter sowie Johannes und Maria als seine Fürsprecher und weiteren Heiligen gegenübertritt. In diesem Bild verwendete El Greco Licht nur noch als symbolisches Element. Im Himmel malte er ein unruhig erscheinendes Streiflicht. Die untere Hälfte ist dagegen gut ausgeleuchtet wie eine Bühne, die dortigen Fackeln haben keine reale Lichtwirkung. Das Gemälde nimmt zum einen auf eine historische Begebenheit, die religiös verklärt wurde, Bezug, ist zum anderen aber auch ein Gruppenporträt.[29]

Ein Beispiel für ein von El Greco entwickeltes neues ikonographisches Thema ist die reuige Heilige in Halbfigur, das bereits in den folgenden Barock verweist. Eine einzelne Heiligenfigur wurde isoliert und monumental dargestellt und bot dem Betrachter die Möglichkeit, die Figur als gefühlsmäßigen Ansprechpartner zu sehen. Diese Bilderfindung kann als revolutionär eingeschätzt werden. Beispiele sind etwa Die büßende Magdalena, die im Gegensatz zu dem gleichnamigen Bild Tizians jedoch ohne erotische Bezüge auskommt, oder Der reuige Heilige Petrus. Ebenso populär waren Bilder des Heiligen Franziskus. El Greco malte Franziskus nicht wie bis dahin üblich beim Empfang der Wundmale Christi, sondern bei der Reflexion mit einem Totenkopf. Von dieser Bildidee gibt es noch etwa 40 erhaltene Versionen. Pacheco lobte, dass El Greco die in den Chroniken überlieferte Gestalt des Ordensgründers besonders gut dargestellt habe. Die Vielzahl der Bilder dieses Themas lag in der Popularität des Franziskus in Spanien begründet. Zudem setzte El Greco, wie er es aus Italien kannte, auf die druckgraphische Verbreitung, um seine Komposition zu popularisieren. Er ließ das Franziskus-Gemälde von seinem Schüler Diego de Astor nachstechen.[30]

Neben neuen Bildideen erneuerte El Greco die katholische Bilderwelt mit stilistischen Innovationen. Zum einen bezog er sich auf seine Wurzeln als kretischer Ikonenmaler wie beim Das Begräbnis des Grafen von Orgaz, das sich etwa in der Komposition auf den frühen Marientod bezog. Auf der anderen Seite zeigt sich bei einer späten Version der Tempelreinigung von 1610 bis 1614 eine hohe Abstrahierung von der Naturbeobachtung. Die Bewegung und das Licht sind in solchem Maße gesteigert, dass sie teils als „expressionistisch“ charakterisiert wurden. Das Visionäre von El Grecos Kunst lässt sich auch in dem Gemälde Die Öffnung des fünften Siegels, das die Vision des Evangelisten Johannes zum Thema hat und ein Fragment eines späten Altarprojekts war, entdecken. Im Gegensatz zu anderen Bildern, die diese Vision thematisieren, integrierte El Greco den Heiligen in das Bild und verschob somit die Bedeutung von der Darstellung des erschienenen Ereignisses hin zum Moment der Erscheinung selbst.[31]

In diesem Bild erreichte die Entmaterialisierung der Form bei El Greco ihren Höhepunkt. Erst 1908 wurde die Thematik des Bildes erkannt und hat sich in seiner Bestimmung durchgesetzt. Zuvor existierten zahlreiche Interpretationen. Der obere Teil des Gemäldes ist verloren und die Stellung im geplanten Gesamtensemble ist nicht zu rekonstruieren. Visionen, wie hier eine von El Greco gemalt wurde, sind ein häufiges Thema in der spanischen Barockmalerei. Deshalb ist dieses Gemälde kein isoliertes Werk, sondern steht im Kontext der spanischen Malereientwicklung und verwies auf sie voraus.

Zwischen 1610 und 1614 malte El Greco drei Versionen des Laokoon, die sein Atelier nicht verließen und nach seinem Tod im Inventar verzeichnet wurden. Nur eine Version ist erhalten geblieben. Es handelt sich um das einzige mythologische Werk El Grecos und steht in einer reichen Bildtradition, die auf Vergils Aeneis und auf der 1506 in Rom entdeckten Plastik des Laokoon basierte.[32] Das Bild konnte der Künstler vor seinem Tod nicht mehr fertigstellen, weshalb die Figuren am rechten Bildrand nicht vollständig ausgeführt wurden. Bei einer Restaurierung wurden 1955 die Pentimenti freigelegt, so dass nun ein dritter Kopf und ein fünftes Bein in der rechten Figurengruppe zu sehen sind. Diese Figuren wurden unterschiedlich interpretiert, unter anderem als Adam und Eva, womit El Greco eine Synthese von Mythos und Religion geschaffen hätte. An Stelle Trojas setzte der Maler seine Heimatstadt Toledo ins Bild.

El Greco war ein anerkannter Porträtmaler. Seit seinem Aufenthalt in Italien bis in seine letzten Lebensjahre fertigte er Bildnisse an, die ihm ein regelmäßiges Einkommen sicherten. Kurz nach seiner Übersiedlung nach Rom um 1570 malte er das Porträt von Giulio Clovio, das den anerkannten Miniaturmaler als Halbfigur mit dem Stundenbuch der Farnese in seiner Hand zeigt. Das Fenster am rechten Bildrand zeigt einen Ausblick auf eine Landschaft mit stürmischem Himmel. Das Querformat dieses Porträts ist ungewöhnlich für ein Porträt.

Eines der herausragendsten Beispiele für El Grecos Bildnismalerei ist das Ganzfigurenporträt des Malteserritters Vincenzo Anastagi, das 1571–1576 entstanden ist.[33] Der Ritter ist mit samtener Pluderhose und Brustpanzer vor einem dunklen Vorhang dargestellt. Der Raum, in dem ein Helm auf dem Boden liegt, ist sehr kahl und durch das Licht modelliert. Ein weiteres Porträt aus dieser Zeit, das El Greco zugeschrieben wird, ist das Bildnis von Charles de Guise, Kardinal von Lothringen aus dem Jahr 1572. Der sitzende Kardinal hält mit seiner rechten Hand ein Buch offen, in dem das Entstehungsjahr und das Alter des Dargestellten angegeben sind. Der Papagei im Fenster soll die Ambition des Kardinals auf das Amt des Papstes aufzeigen. In Toledo malte El Greco um 1600 mit Ein Kardinal (der Großinquisitor Fernando Niño de Guevara) ein sehr ähnliches Gemälde. Der Porträtierte trägt eine Bügelbrille, die zu der Zeit sehr modern und noch umstritten war. Dieses Attribut weist den Kardinal als dem Neuen aufgeschlossen aus, ebenso wie seine Wahl, El Greco als Künstler zu engagieren.

In Toledo war El Greco ein bedeutender Porträtmaler, der künstlerisch herausragend arbeitete.[34] Das Bildnis eines Edelmannes mit der Hand auf der Brust aus den Jahren 1583 bis 1585 hat eine in der venezianischen Tradition stehende sehr reiche Farbigkeit des Hintergrundes und der Kleidung. El Greco nutzte für das Bild im Gegensatz zu den Madrider Hofmalern eine offene Malweise in der Tradition von Tizian, bei der im vollendeten Bild der Pinselstrich noch immer erkennbar ist.[35] Die Haltung des Dargestellten mit seiner Schwurgeste ist streng. El Greco verzichtete abgesehen vom goldenen Knauf des Degens gänzlich auf Symbolik. Er porträtierte wichtige Persönlichkeiten Toledos wie den Mönch Hortensio Félix Paravicino y Arteaga, Antonio de Covarrubias und Jerónimo de Cevallos. In seinem Spätwerk findet sich zudem das Porträt des Kardinal Tavera, der unter Karl V. Großinquisitor und Regierungschef von Kastilien und zum Zeitpunkt des Malens bereits über ein halbes Jahrhundert tot war.

In seinem Spätwerk fertigte El Greco einige wenige Landschaftsgemälde an und ließ Elemente aus ihnen in andere Werke einfließen.[36] So malte er in den Jahren 1597 bis 1599 die Ansicht von Toledo, in der er zum einen auf die bedeutende Geschichte der Stadt und die zu dieser Zeit erfolgten städtebaulichen Neuerungen Bezug nahm. Er schuf eine eigenwillige Sicht auf die Stadt, die sich stark von anderen Darstellungen unterschied und sich nicht um historische Treue bemühte.

El Greco malte eine Sicht auf den östlichen Teil der Stadt mit dem Palast, der Alcántara-Brücke, der Burg von San Servando und dem nach rechts versetzten Glockenturm der Kathedrale. Damit steigerte er den Anstieg des Stadtberges in dramatischer Weise. Er ließ zudem die Stadtmauer weg und veränderte im Bild den Flusslauf im Vordergrund. Das höchstgelegene Gebäude auf der rechten Seite ist der Alcázar, das Gebäude unter ihm mit dem Arkadengeschoss als Abschluss entspricht keinem realen Gebäude in Toledo. Es wurde als symbolischer Verweis auf die vielen Stadtpaläste reicher Bürger gedeutet. In einem weiteren Gemälde Ansicht und Plan von Toledo, das zwischen 1610 und 1614 entstand, verlieh der Maler der Stadt eine innere Leuchtkraft, die sie von ihrer realen Existenz in die Richtung des Himmlischen Jerusalem entrückte. Auch in dem Altargemälde Der Heilige Joseph mit dem Christuskind, das zwischen 1597 und 1599 gemalt wurde, und in weiteren Heiligenbildern nahm El Greco in der Landschaft Bezug auf Toledo. Auch im Hintergrund seines Laokoons ist eine Ansicht von Toledo zu sehen.

El Greco entwarf für viele seiner Altargemälde zudem das architektonische Rahmenwerk und den Skulpturenschmuck.[37] Damit verschaffte er sich zusätzliche Einnahmen, vor allem den Umstand nutzend, dass damals die Skulptur in Spanien höher geschätzt und besser entlohnt wurde als die Malerei. Jedoch führte er diese Skulpturen meist nicht persönlich aus, sondern beauftragte andere Bildhauer. Dennoch stellte er wohl vor allem kleinere Skulpturen in verschiedenen Techniken her, die er meist als Modelle nutzte, wie er es bei Jacopo Tintoretto kennengelernt hatte. Diese Figuren aus Gips, Wachs oder Ton waren jedoch nicht sehr haltbar und gingen im Laufe der Zeit verloren. Daneben gab es eine Holzfigur, die sich im Besitz des Sohnes befand und zu Andachtszwecken genutzt wurde.

Es sind nur wenige Skulpturen El Grecos erhalten geblieben, zu denen zudem nur wenige Erkenntnisse vorliegen.[38] Sie bezeugen vielfältige Einflüsse und sind damit für das Werk des Künstlers charakteristisch. Zu den heute noch erhaltenen Skulpturen zählen Epimetheus und Pandora, die zwischen 1600 und 1610 geschaffen wurden. Als Aktfiguren sind sie für die spanische Kunst der Renaissance ungewöhnlich. Zudem war das mythologische Thema nicht üblich, entsprach jedoch der humanistischen Bildung des Künstlers und seines Umfeldes in Toledo. Zudem wurde der Mythos von Epimetheus und Pandora zu dieser Zeit als heidnische Version von Adam und Eva interpretiert. Technisch führte El Greco sie in spanischer Tradition in polychromatischem Holz aus. Von der Gestaltung her ähneln die Figuren dem Manierismus von Alonso Berruguete, jedoch ist die Darstellung der Körper zugleich eine individuelle Gestaltungsweise El Grecos, die sich auch in seiner Malerei findet. Eine weitere erhalten gebliebene Skulptur ist ein Auferstandener Christus, den El Greco um 1595/1598 schuf. Sie war Teil des Tabernakels des Hauptaltars im Hospital de San Juan Bautista in Toledo. Die Haltung ähnelt gemalten Christusfiguren El Grecos dieser Zeit. Der männliche Akt war für das Spanien des 16. Jahrhunderts ein ungewöhnliches Sujet, wie etwa Harold E. Wethey betonte. Somit ging El Greco auch in der Skulptur seinen eigenen künstlerischen Weg.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit setzte sich El Greco auch mit der Kunst- und Architekturtheorie auseinander. Seine Überlegungen sind aber nur in Fragmenten als Annotationen in Büchern aus seiner Bibliothek überliefert. Sie zählen zu den wertvollsten handschriftlichen Dokumenten El Grecos. Im 17. Jahrhundert kursierte in Spanien ein Traktat El Grecos mit seinen theoretischen Überlegungen, welches der Künstler dem König präsentiert hatte. Diese Schrift ist jedoch verlorengegangen.

Die heute bekannten Überlegungen finden sich als Anmerkungen in einer Ausgabe von Giorgio Vasaris Viten und Vitruvs De architettura aus der Bibliothek des Künstlers.[39] Insgesamt umfassen die Äußerungen El Grecos 18.000 Wörter, 7.000 zu Vasari, 11.000 zu Vitruv. Im Hinblick auf seine Position in Spanien ist bemerkenswert, dass er die religiöse Funktion der Kunst in den bekannten Äußerungen nicht behandelte. Hingegen stellte El Greco die Autonomie des Künstlers in Bezug auf die Gestaltung des Bildes heraus. Er betonte die Erkenntnisabsicht der Malerei in Hinblick auf Philosophie und Naturalismus.[40] In seinen Anmerkungen setzte er sich von der mathematisch-theoretischen Richtung ab, die stark auf ein Studium der Proportionen abzielte. Außerdem wandte sich El Greco gegen den Klassizismus, der in der Tradition Michelangelos in Spanien populär geworden war. Die Viten forderten den Maler zur Stellungnahme heraus. Er lobte Tizian, während er Michelangelos Farbbehandlung und Raffaels starke Antikenrezeption kritisierte. Zudem lehnte El Greco Vasaris Modell des Verlaufs der Kunstgeschichte ab, das die byzantinische Kunst, aus deren Tradition El Greco selbst stammte, als plump und der italienischen Kunst unterlegen.[41]

Die Rezeption El Grecos fiel im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich aus. Er wurde nicht vom Adel gefördert, sondern stützte sich vor allem auf Intellektuelle, Geistliche, Humanisten und andere Künstler. Nach seinem Tod wurde seiner Kunst wenig Wertschätzung zuteil und sie wurde zum Teil gar nicht beachtet. Seine langsame Wiederentdeckung setzte im 19. Jahrhundert ein, um 1900 hatte El Greco dann seinen Durchbruch. Dieser war weniger von der Kunstwissenschaft getragen, sondern von Schriftstellern, der Kunstkritik und der künstlerischen Avantgarde.

El Greco war die herausragende Künstlerpersönlichkeit im Spanien von Philipp II. und Philipp III.[42] Sowohl künstlerisch als auch mit seinem Auftreten, mit dem er sich als Künstler ins Zentrum seines Schaffens rückte, wirkte er revolutionär, was bei seinen Zeitgenossen zum einen Bewunderung, zum anderen aber auch Ablehnung hervorrief. Er suchte nach neuen Ausdrucksformen und reformierte die Ikonographie und die Bildthemen der religiösen Malerei. Zu seinem Lebensende hin wandte er sich in seiner Kunst wieder seinen Anfängen als kretischer Ikonenmaler zu und ließ sich damit insgesamt nur schwer in die spanische Kunst des beginnenden 17. Jahrhunderts einordnen. Selbst sein Sohn setzte seinen Individualstil nicht fort. Dennoch wirkte sein Werk als Vorbereitung des Barock.

Aufgrund seines Werkes und Auftretens war El Greco zu Lebzeiten bereits eine Berühmtheit, ihm wurde jedoch abseits seiner Porträts und seiner koloristischen und naturalistischen Werke wenig Wertschätzung zuteil.[43] Zeitgenössische Zeugnisse stammten etwa von Alonso de Villegas, Francisco de Pisa und dem Italiener Giulio Mancini, dessen um 1615 entstandene Aufzeichnungen jedoch erst 1956 publiziert wurden. Auch Pacheco hatte El Greco in Toledo besucht. Er malte ein Porträt von ihm und schrieb eine Biographie, die jedoch beide verloren gingen. Der Mönch Hortensio Félix Paravicino y Arteaga lobte El Greco in seinem 1641 erschienenen Werk Obras postumas, divinas y humanas. In ihm befand sich ein Sonett, in dem er das von ihm geschaffene Porträt seiner selbst pries. In vier weiteren Sonetten lobte er zudem allgemein die Kunst El Grecos.

El Greco wurde bereits im 17. Jahrhundert in geringem Umfang künstlerisch in Spanien rezipiert, auch wenn sich keine Nachfolge in seinem Individualstil ausbildete.[44] Diego Velázquez besaß drei Porträts von El Greco und lehnte sich in seiner Modellierung durch Licht an dessen Malweise an. Die römische Barockkunst nahm die Existenz der Kunst El Grecos jedoch kaum zur Kenntnis. In Spanien wurden besonders während des Klassizismus und der Aufklärung um 1800 die Werke El Grecos abgelehnt und der Künstler etwa aus dem Umfeld Goyas heraus kritisiert.

Der erste Schritt zur Aufwertung des Schaffens El Grecos war 1838 die Eröffnung der Spanischen Galerie im Louvre durch König Louis-Philippe I. In ihr wurden neun Gemälde des Künstlers präsentiert. Aber erst um 1900 wurde El Greco durch spanische Intellektuelle und Künstler, die auf der Suche nach einer nationalen Identität waren, als für Spanien typischer Maler rezipiert. Dabei nahm Ignacio Zuloaga eine führende Rolle ein. Er kopierte 1887 erste Werke El Grecos im Museo del Prado und adaptierte dann einige seiner Motive in eigenen Werken. 1905 erwarb er Die Öffnung des fünften Siegels, das er als „Vorbote der Moderne“ bezeichnete, und verwendete es als Hintergrund in seinem Bild Mis amigos, in dem er einige der wichtigsten Schriftsteller seiner Zeit porträtierte. Pablo Picasso hatte diese Wiederentdeckung El Grecos in Barcelona und Madrid selber erfahren.[45] In seiner ersten wichtigen Arbeitsphase, der Blauen Periode, verwies sein Bild Das Begräbnis von Casagemas auf Das Begräbnis des Grafen Orgaz. Eine Zeichnung Picassos trug sogar den Titel Yo El Greco („Ich El Greco“). In der Rosa Periode griff er in seinem als Skandal aufgenommenen Gemälde Les Demoiselles d’Avignon Motive aus Die Öffnung des fünften Siegels auf. Auch in den 1950er Jahren setzte sich Picasso in seiner Kunst noch mit El Greco auseinander.[46]

In Frankreich kopierte zudem etwa Paul Cézanne Die Dame mit dem Hermelin nach einer Reproduktion, als diese noch eindeutig El Greco zugeschrieben wurde. Julius Meier-Graefe schrieb außerdem von einer inneren Verwandtschaft zwischen Cézanne und El Greco, was in der Folge etwa von Rilke oder von Franz Marc in Der Blaue Reiter aufgegriffen wurde.[47] Das Interesse der französischen Künstler an El Greco war insgesamt groß. Édouard Manet reiste zusammen mit Théodore Duret 1865 nach Toledo. Jean-François Millet und dann Edgar Degas besaß das Porträt Kniender Domingo. Bei Eugène Delacroix findet sich unter anderem eine Pieta, die an El Grecos Komposition angelehnt ist und die wiederum von Vincent van Gogh aufgegriffen wurde. Auch Marcel Duchamp setzte sich zum Ende seines malerischen Werkes etwa mit den Bildern Portrait (Dulcinée) und Le Printemps (Jeune homme et jeune fille dans le printemps) aus dem Jahr 1911 mit El Greco auseinander.[48]

In Deutschland hatte Julius Meier-Graefes Buch Spanische Reise bedeutenden Einfluss auf die El-Greco-Begeisterung und beeinflusste die Künstler der Moderne.[49] Im unter anderem von Franz Marc verantworteten Almanach Der Blaue Reiter wurde dann auch El Grecos Heiliger Johannes auf einer Doppelseite mit dem Tour Eiffel von Robert Delaunay gezeigt. Marc betont zudem den Zusammenhang zwischen der Wertschätzung für El Greco und dem Aufstieg der zeitgenössischen Kunst. Dieser ideelle Einfluss ist bei Marc deutlich stärker als ein künstlerischer Niederschlag, was auch für August Macke gilt. Die Gegenüberstellung von Delaunay und El Greco ist einschlägig, da dieser den Spanier als einen Einfluss benennt. Sein Gemälde La Ville de Paris greift die rechte Figurengruppe des Bildes Die Öffnung des fünften Siegels auf.

Im Jahre 1912 setzte sich die Befruchtung der Moderne durch El Greco im Rheinland fort. In Köln fand die Sonderbundausstellung statt, die eine besondere Bedeutung für die Avantgarde hatte, und war mit einer Hommage an El Greco verbunden. Wie viele und welche Bilder dort gezeigt wurden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Wahrscheinlich waren es zwei im Kontext einer retrospektiven Schau mit Werken von für die Moderne wichtigen Künstlern. Zugleich wurde in der Kunsthalle in Düsseldorf die Sammlung Nemes gezeigt, in der auch die zehn Grecos ausgestellt wurden. Bei Walter Ophey, Wilhelm Lehmbruck und Heinrich Nauen, die an der Sonderbundausstellung teilnahmen, ist die Auseinandersetzung mit El Greco nachgewiesen.

Die Rezeption El Grecos setzte sich auch abseits der klassischen Moderne fort.[50] Das Frühwerk von Jackson Pollock war von seiner Beschäftigung mit der Kunst der Renaissance beeinflusst. In den beiden umfangreichsten Zeichenbüchern aus dieser Zeit finden sich einige Skizzen nach Kompositionen von El Greco. Hinzu kommen mehr als 60 lose Blätter mit Zeichnungen nach Werken des spanischen Künstlers. Dabei verwendete er zwei verschiedene Techniken. Zum einen überführte er Kompositionen El Grecos in reduzierte Darstellungen, die die Körper in wenigen dominanten Strichen übertrugen, zum anderen fertigte er detaillierte Studien nach einzelnen Figuren an, wobei Pollock in beiden Fällen individuelle Details wie Hände und Füße wegließ. Neben den Zeichnungen fertigte Jackson Pollock zudem auch Gemälde an, die sich etwa in der Gestaltung von Licht und Schatten an El Greco anlehnten. Zugleich lehnte er aber die Bedeutung der symbolischen Komponenten der Werke El Grecos ab. Bis in die Gegenwart hinein wurde El Greco künstlerisch bearbeitet.[51] So malte Michael Mathias Prechtl in den 1980ern Bilder, die sich mit dem Spanier auseinandersetzen. Dabei schuf er etwa das ironische Werk Das Leben des Lazarillo von Tormes, das sich auf das Porträt Ein Kardinal (der Großinquisitor Fernando Niño de Guevara) bezog, dem er eine vollbusige Frau auf den Schoß setzte. Mit Der Traum Toledo – El Grecos Begräbnis schuf Prechtl ein Bild, das er der Ansicht Toledos des Spaniers nachempfunden hatte.[52]

Beeinflusst von Zuloaga reiste Rainer Maria Rilke 1912 nach Toledo, um dort Werke El Grecos zu sehen. Er schrieb in seinen Briefen dieser Zeit viel über El Greco, etwa an Auguste Rodin oder an die Fürstin von Taxis. Dabei beschrieb er die Begegnung mit dessen Werk als eines der größten Ereignisse dieser Jahre; seine Beweggründe für die Reise sei die Absicht gewesen, den Künstler in El Greco ohne großen Publikumsrummel in dessen Heimatstadt erfahren zu können. Der Schriftsteller Stefan Andres schildert in seiner 1936 erschienenen Novelle El Greco malt den Großinquisitor die Bedingungen von Kunst in einer Diktatur anhand des Porträts des Großinquisitors Fernando Niño de Guevara, das El Greco um 1600 malte.[53]

Pablo Picasso

Ab Juni 1898 verbrachte er acht Monate mit seinem Malerfreund Mauel Pallrares (1876–1974) in dessen Heimatstadt Horta de Sant Joan. 1899 lernte er den Dichter Jaime Sabartes kennen, der sein enger Freund und 1935 sein Sekretär werden sollte.

Im Februar 1900 wurde im „Els Quatre Gats“ die erste Einzelausstellung Picassos gezeigt, die jedoch, kritisch rezensiert, nur zu einem mäßigen Verkaufserfolg führte. Im selben Jahr unternahm Picasso anlässlich der Weltausstellung gemeinsam mit seinem Freund Casagemas eine erste Reise in die Kunstmetropole Paris.

Im Januar 1901 kehrte Picasso nach Madrid zurück. Er erhielt eine Nachricht, die ihn tief erschütterte: Sein Freund Carlos Casagemas hatte sich am 17. Februar aus enttäuschter Liebe zu der Tänzerin Germaine Gargallo in Paris erschossen.

Seiner Bewunderung für El Greco war offensichtlich. Das früheste bekannte Gemälde El Grecos ist ein Marientod, den er um 1567 gemalt hat und der heute in der Kirche der Entschlafung Mariens in Ermoupoli auf der Insel Syros zu sehen ist. Er signierte das Gemälde mit Domenikos Theotokopoulos. Der Marientod lässt in seiner Konzeption erkennen, dass El Greco als Ikonenmaler ausgebildet worden war, jedoch löste er sich bereits von den typisierten Vorbildern, den zweidimensionalen und gleichen Formen folgenden Figuren samt Kleidung und dem aus dem Inneren der Form kommenden Licht. Die vom Heiligen Geist ausstrahlende Lichtaureole, in deren Zentrum sich eine Taube befindet, verbindet die schlafende mit der thronenden Madonna. Zudem neigt sich Christus in einer zärtlichen Geste. Ein weiteres auffälliges Detail sind die drei Kandelaber, die sich im Vordergrund befinden. Der mittlere weist an seiner Basis Karyatiden auf, die auf eine druckgraphische Vorlage verweist. Diese Bildelemente waren eigene künstlerische Beiträge des Malers, die über den bestehenden Bildtypus hinausgingen. Dass er das Bild signierte, war zudem ungewöhnlich, da Ikonen in der Regel nicht signiert wurden. Damit unterstrich er seinen humanistischen Anspruch und seine weiter gehenden künstlerischen Ambitionen.

Ein weiteres Bild aus seiner kretischen Phase ist Der Heilige Lukas malt eine Ikone der Jungfrau mit dem Kind, das zwar stark beschädigt ist, aber immer noch Teile seiner Signatur trägt. Das zentrale Motiv des Evangelisten Lukas und der Maria in der Form einer Hodegetria malte El Greco in traditioneller byzantinischer Weise, während er in den Randmotiven neue Motive einführte wie etwa Malerwerkzeug, Renaissancestuhl und malerisch umgesetzte Engel. Die bekannten Werke, die El Greco auf Kreta schuf, weisen alle eine hohe künstlerische Qualität auf mit ihrer Lichtführung und dem starken Ausdruck. Zudem haben sie alle freihändige Vorzeichnungen.

Die erste Werkphase war lange Zeit umstritten, da El Greco als Ikonenmaler nicht in den westlichen Kunstkanon passte. Zudem gab es auf Kreta zwei weitere Maler namens Domenikos. Erst als der Marientod gefunden wurde, der auch den Nachnamen Theotokopoulos trug, gab es ein eindeutiges Referenzwerk, das stilistische Vergleiche zweifelsfrei zuließ. In der aktuellen Forschung ist der Beginn der künstlerischen Laufbahn auf Kreta allgemein anerkannt.

In Venedig wandte El Greco sich der Ölmalerei zu und verwendete Leinwände als Bildträger. Wie dort üblich nutzte er grobe Leinwände, die mit ihrer plastischen Textur expressive Wirkungen unterstützten. Zuerst trug er eine dünne weiße Grundierung auf, über die er nochmals eine zweite Grundierung auftrug, die rosa bis dunkelrot gefärbt war. Dann trug er mit einem Pinsel und schwarzer Farbe die Konturen der Figuren als Vorzeichnung auf und setzte zudem mit Weiß Lichtpunkte und mit Schwarz und Karmin die dunkelsten Stellen über die ganze Bildfläche. Erst in einem weiteren Schritt wurde in einem komplexen Verfahren der eigentliche Farbauftrag vorgenommen. Die Formate blieben aber weiterhin eher klein, was auch der Auftragslage El Grecos geschuldet gewesen sein kann. Technisch blieb El Greco venezianisch geprägt.

Am Übergang zwischen seiner byzantinischen und venezianischen Malweise steht der als Modena-Triptychon bekannte Tragealtar, dessen Auftraggeber wahrscheinlich aus einer kreto-venezianischen Familie stammte. Der Objekttypus mit den vergoldeten Rahmenteilen war im 16. Jahrhundert auf Kreta üblich, die Ikonographie ist jedoch deutlich westlich geprägt. Der Altar trägt die Signatur El Grecos und ist somit ein wichtiges Referenzwerk für die Beurteilung von Werken aus dieser Zeit.

El Greco malte im Laufe seines Lebens mehrmals dasselbe Thema zu verschiedenen Zeiten. An diesen Bildern ist seine künstlerische Entwicklung nachvollziehbar. So malte er die erste Version der Blindenheilung in Venedig noch auf Holz. In ihr bezog er sich auf Bilder Tintorettos, aus denen er die Aufteilung in zwei Figurengruppen, den Fernblick und den in venezianischen Bildern beliebten Hund im Vordergrund entlehnte. Die Posen der Figuren beziehen sich auf verschiedene Druckgraphiken, die El Greco als Vorlagen nutzte. Die zweite Version entstand wahrscheinlich bereits in Rom und wurde auf Leinwand gemalt. Im Hintergrund ergänzte El Greco Ruinen, die Figuren ähnelten mehr antiken Skulpturen und Michelangelos Akten. Der nur leicht mit einem Tuch bekleidete Mann ähnelt dem Herkules Farnese.

Zwar blieb El Greco in seinem Schaffen zeit seines Lebens venezianischen Einflüssen treu; er nahm jedoch zum Ende seines Romaufenthaltes und zu Beginn seines Aufenthaltes in Spanien Bezüge zu Michelangelo auf. So malte er in den frühen 1570er-Jahren eine Pieta auf Holz, die sich auf Michelangelos um 1550 entstandene Skulpturengruppe Pieta di Palestrina in Florenz bezog. Im Gegensatz zum Vorbild stellte El Greco an die Spitze der Komposition Maria. Er verlieh dem Bild eine Dramatik, die sich bis dahin nicht in seinen Werken fand und schon stärker in Richtung Barock wies. Die Christusfigur hatte für El Grecos Werke eine ungewöhnliche Körperlichkeit. Eine weitere Version der Pieta malte er auf Leinwand. Sie wirkt noch monumentaler und die Gewänder stärker ausgearbeitet, auch wenn sie am rechten Arm noch Probleme mit den Proportionen erkennen lässt. Formal hat das Gemälde bereits Parallelen zu den frühen in Spanien entstandenen Werken. Dass es aber dort entstanden sein soll, wird jedoch in der Forschung abgelehnt.

Diese Entwicklung zur Körperlichkeit setzte El Greco in seinen ersten Aufträgen in Toledo fort. Dies ist am Altar für das Monasterio Santo Domingo el Antiguo in Toledo nachvollziehbar. Passend zur Aufstellung in der Begräbniskapelle ist das zentrale Bild eine Himmelfahrt Marias, das von den ganzfigurigen Bildern Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist eingefasst wird, sowie den Brustbildern Heiliger Bernhardt und Heiliger Benedikt. Im Giebelfeld befindet sich ein Bild des Schweißtuchs der Veronika und im folgenden Stockwerk mit der Heiligen Dreifaltigkeit ein weiteres großformatiges Bild. Der Hauptaltar wird von einer Anbetung der Hirten und der Auferstehung Christi als kleineren seitlichen Retabeln gerahmt. Dieser Altar war ein deutlich größerer Auftrag als seine von Kreta oder aus Italien bekannten Gemälde.

El Greco bereitete die Arbeiten gründlich mit Vorzeichnungen vor. Eine Vorzeichnung von Johannes dem Täufer und zwei von Johannes dem Evangelisten haben sich erhalten. In den ersten Entwürfen positionierte er die beiden in Nischen und der Evangelist war im Profil dargestellt und blickte auf die Himmelfahrt. In der zweiten Zeichnung positionierte der Künstler ihn bereits so, wie er auch gemalt wurde. Bei der endgültigen Ausführung verzichtete El Greco jedoch auf den in der Zeichnung als Symboltier beigefügten Adler.

Unter dem Einfluss Michelangelos fand El Greco zu einem sehr naturalistischen Stil mit monumentalen Figuren. Zudem folgte seine Farbwahl der römischen Schule und verlieh etwa der Himmelfahrt Marias eine große Leuchtkraft, während er bei der Heiligen Dreifaltigkeit die kontraststarken kalten Farbtöne Grün, Gelb und Blau verwendete und zudem Weiß in einer dominierenden Rolle im Bildzentrum einsetzte. Das architektonische Rahmenwerk, das El Greco entwarf, weist klare klassizistische Formen auf.

Mit dem Martyrium des Heiligen Mauritius aus den Jahren 1580 bis 1582 vollzog El Greco den Wechsel vom Naturalismus hin zu einer Malerei, in der er nach einem gestalterischen Ausdruck für spirituelle Phänomene suchte. In den 1580er-Jahren wandte er sich immer mehr von den Regeln der Renaissance für Proportion und Perspektive ab. Statt lebende Modelle zu studieren, begann El Greco wie Tintoretto mit Tonmodellen zu arbeiten. Er ließ dem Licht eine deutlich stärkere symbolische Funktion zukommen, statt es bloß in natürlicher Weise zu verwenden. So entstanden starke Hell-Dunkel-Kontraste. Die verwendeten Farben wurden deutlich expressiver. Statt wie üblich den Fokus der Darstellung auf das Martyrium zu legen, zeigte El Greco vor allem das von rhetorischen Gesten begleitete Gespräch in Anlehnung an eine Sacra Conversazione. Der Stilwechsel wurde von El Greco auch in anderen Werken dieser Zeit vollzogen.

Eines seiner bekanntesten Gemälde schuf El Greco mit dem Begräbnis des Grafen von Orgaz, das er 1586 bis 1588 malte und das später zu einem Hauptwerk zum Studium des Malers wurde. Das Bild ist in zwei Zonen aufgeteilt. Im unteren Teil stellte El Greco die Begräbnisfeier dar, die einem Begräbnis wie zu dieser Zeit in Toledo üblich nachempfunden worden war. Der Adelige wird von den Heiligen Stephanus und Augustinus in das Grab gelegt, womit sich der Künstler auf die Legende zum Begräbnis bezog. Rechts liest wahrscheinlich der Auftraggeber das Requiem. Die obere Zone zeigt den Himmel, in den die Seele des Verstorbenen als Kind von einem Engel eingeführt wird, die dem Weltenrichter sowie Johannes und Maria als seine Fürsprecher und weiteren Heiligen gegenübertritt. In diesem Bild verwendete El Greco Licht nur noch als symbolisches Element. Im Himmel malte er ein unruhig erscheinendes Streiflicht. Die untere Hälfte ist dagegen gut ausgeleuchtet wie eine Bühne, die dortigen Fackeln haben keine reale Lichtwirkung. Das Gemälde nimmt zum einen auf eine historische Begebenheit, die religiös verklärt wurde, Bezug, ist zum anderen aber auch ein Gruppenporträt.

Ein Beispiel für ein von El Greco entwickeltes neues ikonographisches Thema ist die reuige Heilige in Halbfigur, das bereits in den folgenden Barock verweist. Eine einzelne Heiligenfigur wurde isoliert und monumental dargestellt und bot dem Betrachter die Möglichkeit, die Figur als gefühlsmäßigen Ansprechpartner zu sehen. Diese Bilderfindung kann als revolutionär eingeschätzt werden. Beispiele sind etwa Die büßende Magdalena, die im Gegensatz zu dem gleichnamigen Bild Tizians jedoch ohne erotische Bezüge auskommt, oder Der reuige Heilige Petrus. Ebenso populär waren Bilder des Heiligen Franziskus. El Greco malte Franziskus nicht wie bis dahin üblich beim Empfang der Wundmale Christi, sondern bei der Reflexion mit einem Totenkopf. Von dieser Bildidee gibt es noch etwa 40 erhaltene Versionen. Pacheco lobte, dass El Greco die in den Chroniken überlieferte Gestalt des Ordensgründers besonders gut dargestellt habe. Die Vielzahl der Bilder dieses Themas lag in der Popularität des Franziskus in Spanien begründet. Zudem setzte El Greco, wie er es aus Italien kannte, auf die druckgraphische Verbreitung, um seine Komposition zu popularisieren. Er ließ das Franziskus-Gemälde von seinem Schüler Diego de Astor nachstechen.

Neben neuen Bildideen erneuerte El Greco die katholische Bilderwelt mit stilistischen Innovationen. Zum einen bezog er sich auf seine Wurzeln als kretischer Ikonenmaler wie beim Das Begräbnis des Grafen von Orgaz, das sich etwa in der Komposition auf den frühen Marientod bezog. Auf der anderen Seite zeigt sich bei einer späten Version der Tempelreinigung von 1610 bis 1614 eine hohe Abstrahierung von der Naturbeobachtung. Die Bewegung und das Licht sind in solchem Maße gesteigert, dass sie teils als „expressionistisch“ charakterisiert wurden. Das Visionäre von El Grecos Kunst lässt sich auch in dem Gemälde Die Öffnung des fünften Siegels, das die Vision des Evangelisten Johannes zum Thema hat und ein Fragment eines späten Altarprojekts war, entdecken. Im Gegensatz zu anderen Bildern, die diese Vision thematisieren, integrierte El Greco den Heiligen in das Bild und verschob somit die Bedeutung von der Darstellung des erschienenen Ereignisses hin zum Moment der Erscheinung selbst.

In diesem Bild erreichte die Entmaterialisierung der Form bei El Greco ihren Höhepunkt. Erst 1908 wurde die Thematik des Bildes erkannt und hat sich in seiner Bestimmung durchgesetzt. Zuvor existierten zahlreiche Interpretationen. Der obere Teil des Gemäldes ist verloren und die Stellung im geplanten Gesamtensemble ist nicht zu rekonstruieren. Visionen, wie hier eine von El Greco gemalt wurde, sind ein häufiges Thema in der spanischen Barockmalerei. Deshalb ist dieses Gemälde kein isoliertes Werk, sondern steht im Kontext der spanischen Malereientwicklung und verwies auf sie voraus.

In Toledo war El Greco ein bedeutender Porträtmaler, der künstlerisch herausragend arbeitete. Das Bildnis eines Edelmannes mit der Hand auf der Brust aus den Jahren 1583 bis 1585 hat eine in der venezianischen Tradition stehende sehr reiche Farbigkeit des Hintergrundes und der Kleidung. El Greco nutzte für das Bild im Gegensatz zu den Madrider Hofmalern eine offene Malweise in der Tradition von Tizian, bei der im vollendeten Bild der Pinselstrich noch immer erkennbar ist. Die Haltung des Dargestellten mit seiner Schwurgeste ist streng. El Greco verzichtete abgesehen vom goldenen Knauf des Degens gänzlich auf Symbolik. Er porträtierte wichtige Persönlichkeiten Toledos wie den Mönch Hortensio Félix Paravicino y Arteaga, Antonio de Covarrubias und Jerónimo de Cevallos. In seinem Spätwerk findet sich zudem das Porträt des Kardinal Tavera, der unter Karl V. Großinquisitor und Regierungschef von Kastilien und zum Zeitpunkt des Malens bereits über ein halbes Jahrhundert tot war.

In seinem Spätwerk fertigte El Greco einige wenige Landschaftsgemälde an und ließ Elemente aus ihnen in andere Werke einfließen. So malte er in den Jahren 1597 bis 1599 die Ansicht von Toledo, in der er zum einen auf die bedeutende Geschichte der Stadt und die zu dieser Zeit erfolgten städtebaulichen Neuerungen Bezug nahm. Er schuf eine eigenwillige Sicht auf die Stadt, die sich stark von anderen Darstellungen unterschied und sich nicht um historische Treue bemühte.

El Greco malte eine Sicht auf den östlichen Teil der Stadt mit dem Palast, der Alcántara-Brücke, der Burg von San Servando und dem nach rechts versetzten Glockenturm der Kathedrale. Damit steigerte er den Anstieg des Stadtberges in dramatischer Weise. Er ließ zudem die Stadtmauer weg und veränderte im Bild den Flusslauf im Vordergrund. Das höchstgelegene Gebäude auf der rechten Seite ist der Alcázar, das Gebäude unter ihm mit dem Arkadengeschoss als Abschluss entspricht keinem realen Gebäude in Toledo. Es wurde als symbolischer Verweis auf die vielen Stadtpaläste reicher Bürger gedeutet. In einem weiteren Gemälde Ansicht und Plan von Toledo, das zwischen 1610 und 1614 entstand, verlieh der Maler der Stadt eine innere Leuchtkraft, die sie von ihrer realen Existenz in die Richtung des Himmlischen Jerusalem entrückte. Auch in dem Altargemälde Der Heilige Joseph mit dem Christuskind, das zwischen 1597 und 1599 gemalt wurde, und in weiteren Heiligenbildern nahm El Greco in der Landschaft Bezug auf Toledo. Auch im Hintergrund seines Laokoons ist eine Ansicht von Toledo zu sehen.

El Greco entwarf für viele seiner Altargemälde zudem das architektonische Rahmenwerk und den Skulpturenschmuck. Damit verschaffte er sich zusätzliche Einnahmen, vor allem den Umstand nutzend, dass damals die Skulptur in Spanien höher geschätzt und besser entlohnt wurde als die Malerei. Jedoch führte er diese Skulpturen meist nicht persönlich aus, sondern beauftragte andere Bildhauer. Dennoch stellte er wohl vor allem kleinere Skulpturen in verschiedenen Techniken her, die er meist als Modelle nutzte, wie er es bei Jacopo Tintoretto kennengelernt hatte. Diese Figuren aus Gips, Wachs oder Ton waren jedoch nicht sehr haltbar und gingen im Laufe der Zeit verloren. Daneben gab es eine Holzfigur, die sich im Besitz des Sohnes befand und zu Andachtszwecken genutzt wurde.

Es sind nur wenige Skulpturen El Grecos erhalten geblieben, zu denen zudem nur wenige Erkenntnisse vorliegen. Sie bezeugen vielfältige Einflüsse und sind damit für das Werk des Künstlers charakteristisch. Zu den heute noch erhaltenen Skulpturen zählen Epimetheus und Pandora, die zwischen 1600 und 1610 geschaffen wurden. Als Aktfiguren sind sie für die spanische Kunst der Renaissance ungewöhnlich. Zudem war das mythologische Thema nicht üblich, entsprach jedoch der humanistischen Bildung des Künstlers und seines Umfeldes in Toledo. Zudem wurde der Mythos von Epimetheus und Pandora zu dieser Zeit als heidnische Version von Adam und Eva interpretiert. Technisch führte El Greco sie in spanischer Tradition in polychromatischem Holz aus. Von der Gestaltung her ähneln die Figuren dem Manierismus von Alonso Berruguete, jedoch ist die Darstellung der Körper zugleich eine individuelle Gestaltungsweise El Grecos, die sich auch in seiner Malerei findet. Eine weitere erhalten gebliebene Skulptur ist ein Auferstandener Christus, den El Greco um 1595/1598 schuf. Sie war Teil des Tabernakels des Hauptaltars im Hospital de San Juan Bautista in Toledo. Die Haltung ähnelt gemalten Christusfiguren El Grecos dieser Zeit. Der männliche Akt war für das Spanien des 16. Jahrhunderts ein ungewöhnliches Sujet, wie etwa Harold E. Wethey betonte. Somit ging El Greco auch in der Skulptur seinen eigenen künstlerischen Weg.

Zwischen 1610 und 1614 malte El Greco drei Versionen des Laokoon, die sein Atelier nicht verließen und nach seinem Tod im Inventar verzeichnet wurden. Nur eine Version ist erhalten geblieben. Es handelt sich um das einzige mythologische Werk El Grecos und steht in einer reichen Bildtradition, die auf Vergils Aeneis und auf der 1506 in Rom entdeckten Plastik des Laokoon basierte. Das Bild konnte der Künstler vor seinem Tod nicht mehr fertigstellen, weshalb die Figuren am rechten Bildrand nicht vollständig ausgeführt wurden. Bei einer Restaurierung wurden 1955 die Pentimenti freigelegt, so dass nun ein dritter Kopf und ein fünftes Bein in der rechten Figurengruppe zu sehen sind. Diese Figuren wurden unterschiedlich interpretiert, unter anderem als Adam und Eva, womit El Greco eine Synthese von Mythos und Religion geschaffen hätte. An Stelle Trojas setzte der Maler seine Heimatstadt Toledo ins Bild.

El Greco war ein anerkannter Porträtmaler. Seit seinem Aufenthalt in Italien bis in seine letzten Lebensjahre fertigte er Bildnisse an, die ihm ein regelmäßiges Einkommen sicherten. Kurz nach seiner Übersiedlung nach Rom um 1570 malte er das Porträt von Giulio Clovio, das den anerkannten Miniaturmaler als Halbfigur mit dem Stundenbuch der Farnese in seiner Hand zeigt. Das Fenster am rechten Bildrand zeigt einen Ausblick auf eine Landschaft mit stürmischem Himmel. Das Querformat dieses Porträts ist ungewöhnlich für ein Porträt.

Eines der herausragendsten Beispiele für El Grecos Bildnismalerei ist das Ganzfigurenporträt des Malteserritters Vincenzo Anastagi, das 1571–1576 entstanden ist. Der Ritter ist mit samtener Pluderhose und Brustpanzer vor einem dunklen Vorhang dargestellt. Der Raum, in dem ein Helm auf dem Boden liegt, ist sehr kahl und durch das Licht modelliert. Ein weiteres Porträt aus dieser Zeit, das El Greco zugeschrieben wird, ist das Bildnis von Charles de Guise, Kardinal von Lothringen aus dem Jahr 1572. Der sitzende Kardinal hält mit seiner rechten Hand ein Buch offen, in dem das Entstehungsjahr und das Alter des Dargestellten angegeben sind. Der Papagei im Fenster soll die Ambition des Kardinals auf das Amt des Papstes aufzeigen. In Toledo malte El Greco um 1600 mit Ein Kardinal (der Großinquisitor Fernando Niño de Guevara) ein sehr ähnliches Gemälde. Der Porträtierte trägt eine Bügelbrille, die zu der Zeit sehr modern und noch umstritten war. Dieses Attribut weist den Kardinal als dem Neuen aufgeschlossen aus, ebenso wie seine Wahl, El Greco als Künstler zu engagieren.

In Toledo war El Greco ein bedeutender Porträtmaler, der künstlerisch herausragend arbeitete. Das Bildnis eines Edelmannes mit der Hand auf der Brust aus den Jahren 1583 bis 1585 hat eine in der venezianischen Tradition stehende sehr reiche Farbigkeit des Hintergrundes und der Kleidung. El Greco nutzte für das Bild im Gegensatz zu den Madrider Hofmalern eine offene Malweise in der Tradition von Tizian, bei der im vollendeten Bild der Pinselstrich noch immer erkennbar ist. Die Haltung des Dargestellten mit seiner Schwurgeste ist streng. El Greco verzichtete abgesehen vom goldenen Knauf des Degens gänzlich auf Symbolik. Er porträtierte wichtige Persönlichkeiten Toledos wie den Mönch Hortensio Félix Paravicino y Arteaga, Antonio de Covarrubias und Jerónimo de Cevallos. In seinem Spätwerk findet sich zudem das Porträt des Kardinal Tavera, der unter Karl V. Großinquisitor und Regierungschef von Kastilien und zum Zeitpunkt des Malens bereits über ein halbes Jahrhundert tot war.

In seinem Spätwerk fertigte El Greco einige wenige Landschaftsgemälde an und ließ Elemente aus ihnen in andere Werke einfließen. So malte er in den Jahren 1597 bis 1599 die Ansicht von Toledo, in der er zum einen auf die bedeutende Geschichte der Stadt und die zu dieser Zeit erfolgten städtebaulichen Neuerungen Bezug nahm. Er schuf eine eigenwillige Sicht auf die Stadt, die sich stark von anderen Darstellungen unterschied und sich nicht um historische Treue bemühte.

El Greco malte eine Sicht auf den östlichen Teil der Stadt mit dem Palast, der Alcántara-Brücke, der Burg von San Servando und dem nach rechts versetzten Glockenturm der Kathedrale. Damit steigerte er den Anstieg des Stadtberges in dramatischer Weise. Er ließ zudem die Stadtmauer weg und veränderte im Bild den Flusslauf im Vordergrund. Das höchstgelegene Gebäude auf der rechten Seite ist der Alcázar, das Gebäude unter ihm mit dem Arkadengeschoss als Abschluss entspricht keinem realen Gebäude in Toledo. Es wurde als symbolischer Verweis auf die vielen Stadtpaläste reicher Bürger gedeutet. In einem weiteren Gemälde Ansicht und Plan von Toledo, das zwischen 1610 und 1614 entstand, verlieh der Maler der Stadt eine innere Leuchtkraft, die sie von ihrer realen Existenz in die Richtung des Himmlischen Jerusalem entrückte. Auch in dem Altargemälde Der Heilige Joseph mit dem Christuskind, das zwischen 1597 und 1599 gemalt wurde, und in weiteren Heiligenbildern nahm El Greco in der Landschaft Bezug auf Toledo. Auch im Hintergrund seines Laokoons ist eine Ansicht von Toledo zu sehen.

El Greco entwarf für viele seiner Altargemälde zudem das architektonische Rahmenwerk und den Skulpturenschmuck. Damit verschaffte er sich zusätzliche Einnahmen, vor allem den Umstand nutzend, dass damals die Skulptur in Spanien höher geschätzt und besser entlohnt wurde als die Malerei. Jedoch führte er diese Skulpturen meist nicht persönlich aus, sondern beauftragte andere Bildhauer. Dennoch stellte er wohl vor allem kleinere Skulpturen in verschiedenen Techniken her, die er meist als Modelle nutzte, wie er es bei Jacopo Tintoretto kennengelernt hatte. Diese Figuren aus Gips, Wachs oder Ton waren jedoch nicht sehr haltbar und gingen im Laufe der Zeit verloren. Daneben gab es eine Holzfigur, die sich im Besitz des Sohnes befand und zu Andachtszwecken genutzt wurde.

Es sind nur wenige Skulpturen El Grecos erhalten geblieben, zu denen zudem nur wenige Erkenntnisse vorliegen. Sie bezeugen vielfältige Einflüsse und sind damit für das Werk des Künstlers charakteristisch. Zu den heute noch erhaltenen Skulpturen zählen Epimetheus und Pandora, die zwischen 1600 und 1610 geschaffen wurden. Als Aktfiguren sind sie für die spanische Kunst der Renaissance ungewöhnlich. Zudem war das mythologische Thema nicht üblich, entsprach jedoch der humanistischen Bildung des Künstlers und seines Umfeldes in Toledo. Zudem wurde der Mythos von Epimetheus und Pandora zu dieser Zeit als heidnische Version von Adam und Eva interpretiert. Technisch führte El Greco sie in spanischer Tradition in polychromatischem Holz aus. Von der Gestaltung her ähneln die Figuren dem Manierismus von Alonso Berruguete, jedoch ist die Darstellung der Körper zugleich eine individuelle Gestaltungsweise El Grecos, die sich auch in seiner Malerei findet. Eine weitere erhalten gebliebene Skulptur ist ein Auferstandener Christus, den El Greco um 1595/1598 schuf. Sie war Teil des Tabernakels des Hauptaltars im Hospital de San Juan Bautista in Toledo. Die Haltung ähnelt gemalten Christusfiguren El Grecos dieser Zeit. Der männliche Akt war für das Spanien des 16. Jahrhunderts ein ungewöhnliches Sujet, wie etwa Harold E. Wethey betonte. Somit ging El Greco auch in der Skulptur seinen eigenen künstlerischen Weg.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit setzte sich El Greco auch mit der Kunst- und Architekturtheorie auseinander. Seine Überlegungen sind aber nur in Fragmenten als Annotationen in Büchern aus seiner Bibliothek überliefert. Sie zählen zu den wertvollsten handschriftlichen Dokumenten El Grecos. Im 17. Jahrhundert kursierte in Spanien ein Traktat El Grecos mit seinen theoretischen Überlegungen, welches der Künstler dem König präsentiert hatte. Diese Schrift ist jedoch verlorengegangen.

Die heute bekannten Überlegungen finden sich als Anmerkungen in einer Ausgabe von Giorgio Vasaris Viten und Vitruvs De architettura aus der Bibliothek des Künstlers. Insgesamt umfassen die Äußerungen El Grecos 18.000 Wörter, 7.000 zu Vasari, 11.000 zu Vitruv. Im Hinblick auf seine Position in Spanien ist bemerkenswert, dass er die religiöse Funktion der Kunst in den bekannten Äußerungen nicht behandelte. Hingegen stellte El Greco die Autonomie des Künstlers in Bezug auf die Gestaltung des Bildes heraus. Er betonte die Erkenntnisabsicht der Malerei in Hinblick auf Philosophie und Naturalismus. In seinen Anmerkungen setzte er sich von der mathematisch-theoretischen Richtung ab, die stark auf ein Studium der Proportionen abzielte. Außerdem wandte sich El Greco gegen den Klassizismus, der in der Tradition Michelangelos in Spanien populär geworden war. Die Viten forderten den Maler zur Stellungnahme heraus. Er lobte Tizian, während er Michelangelos Farbbehandlung und Raffaels starke Antikenrezeption kritisierte. Zudem lehnte El Greco Vasaris Modell des Verlaufs der Kunstgeschichte ab, das die byzantinische Kunst, aus deren Tradition El Greco selbst stammte, als plump und der italienischen Kunst unterlegen.

Die Rezeption El Grecos fiel im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich aus. Er wurde nicht vom Adel gefördert, sondern stützte sich vor allem auf Intellektuelle, Geistliche, Humanisten und andere Künstler. Nach seinem Tod wurde seiner Kunst wenig Wertschätzung zuteil und sie wurde zum Teil gar nicht beachtet. Seine langsame Wiederentdeckung setzte im 19. Jahrhundert ein, um 1900 hatte El Greco dann seinen Durchbruch. Dieser war weniger von der Kunstwissenschaft getragen, sondern von Schriftstellern, der Kunstkritik und der künstlerischen Avantgarde.

El Greco war die herausragende Künstlerpersönlichkeit im Spanien von Philipp II. und Philipp III. Sowohl künstlerisch als auch mit seinem Auftreten, mit dem er sich als Künstler ins Zentrum seines Schaffens rückte, wirkte er revolutionär, was bei seinen Zeitgenossen zum einen Bewunderung, zum anderen aber auch Ablehnung hervorrief. Er suchte nach neuen Ausdrucksformen und reformierte die Ikonographie und die Bildthemen der religiösen Malerei. Zu seinem Lebensende hin wandte er sich in seiner Kunst wieder seinen Anfängen als kretischer Ikonenmaler zu und ließ sich damit insgesamt nur schwer in die spanische Kunst des beginnenden 17. Jahrhunderts einordnen. Selbst sein Sohn setzte seinen Individualstil nicht fort. Dennoch wirkte sein Werk als Vorbereitung des Barock.

Aufgrund seines Werkes und Auftretens war El Greco zu Lebzeiten bereits eine Berühmtheit, ihm wurde jedoch abseits seiner Porträts und seiner koloristischen und naturalistischen Werke wenig Wertschätzung zuteil. Zeitgenössische Zeugnisse stammten etwa von Alonso de Villegas, Francisco de Pisa und dem Italiener Giulio Mancini, dessen um 1615 entstandene Aufzeichnungen jedoch erst 1956 publiziert wurden. Auch Pacheco hatte El Greco in Toledo besucht. Er malte ein Porträt von ihm und schrieb eine Biographie, die jedoch beide verloren gingen. Der Mönch Hortensio Félix Paravicino y Arteaga lobte El Greco in seinem 1641 erschienenen Werk Obras postumas, divinas y humanas. In ihm befand sich ein Sonett, in dem er das von ihm geschaffene Porträt seiner selbst pries. In vier weiteren Sonetten lobte er zudem allgemein die Kunst El Grecos.

El Greco wurde bereits im 17. Jahrhundert in geringem Umfang künstlerisch in Spanien rezipiert, auch wenn sich keine Nachfolge in seinem Individualstil ausbildete. Diego Velázquez besaß drei Porträts von El Greco und lehnte sich in seiner Modellierung durch Licht an dessen Malweise an. Die römische Barockkunst nahm die Existenz der Kunst El Grecos jedoch kaum zur Kenntnis. In Spanien wurden besonders während des Klassizismus und der Aufklärung um 1800 die Werke El Grecos abgelehnt und der Künstler etwa aus dem Umfeld Goyas heraus kritisiert.

Der erste Schritt zur Aufwertung des Schaffens El Grecos war 1838 die Eröffnung der Spanischen Galerie im Louvre durch König Louis-Philippe I. In ihr wurden neun Gemälde des Künstlers präsentiert. Aber erst um 1900 wurde El Greco durch spanische Intellektuelle und Künstler, die auf der Suche nach einer nationalen Identität waren, als für Spanien typischer Maler rezipiert. Dabei nahm Ignacio Zuloaga eine führende Rolle ein. Er kopierte 1887 erste Werke El Grecos im Museo del Prado und adaptierte dann einige seiner Motive in eigenen Werken. 1905 erwarb er Die Öffnung des fünften Siegels, das er als „Vorbote der Moderne“ bezeichnete, und verwendete es als Hintergrund in seinem Bild Mis amigos, in dem er einige der wichtigsten Schriftsteller seiner Zeit porträtierte. Pablo Picasso hatte diese Wiederentdeckung El Grecos in Barcelona und Madrid selber erfahren. In seiner ersten wichtigen Arbeitsphase, der Blauen Periode, verwies sein Bild Das Begräbnis von Casagemas auf Das Begräbnis des Grafen Orgaz. Eine Zeichnung Picassos trug sogar den Titel Yo El Greco („Ich El Greco“). In der Rosa Periode griff er in seinem als Skandal aufgenommenen Gemälde Les Demoiselles d’Avignon Motive aus Die Öffnung des fünften Siegels auf. Auch in den 1950er Jahren setzte sich Picasso in seiner Kunst noch mit El Greco auseinander.

In Frankreich kopierte zudem etwa Paul Cézanne Die Dame mit dem Hermelin nach einer Reproduktion, als diese noch eindeutig El Greco zugeschrieben wurde. Julius Meier-Graefe schrieb außerdem von einer inneren Verwandtschaft zwischen Cézanne und El Greco, was in der Folge etwa von Rilke oder von Franz Marc in Der Blaue Reiter aufgegriffen wurde. Das Interesse der französischen Künstler an El Greco war insgesamt groß. Édouard Manet reiste zusammen mit Théodore Duret 1865 nach Toledo. Jean-François Millet und dann Edgar Degas besaß das Porträt Kniender Domingo. Bei Eugène Delacroix findet sich unter anderem eine Pieta, die an El Grecos Komposition angelehnt ist und die wiederum von Vincent van Gogh aufgegriffen wurde. Auch Marcel Duchamp setzte sich zum Ende seines malerischen Werkes etwa mit den Bildern Portrait (Dulcinée) und Le Printemps (Jeune homme et jeune fille dans le printemps) aus dem Jahr 1911 mit El Greco auseinander.

Picasso versuchte sich in Madrid an einer neuen Karriere: ab März des Jahres erschien das erste von insgesamt fünf Heften der Kunstzeitschrift Arte Joven (Junge Kunst), herausgegeben von dem katalanischen Schriftsteller Francisco de Asis Soler, die Picasso als Mitherausgeber mit Illustrationen versah. Seine Signatur änderte sich erneut, er signierte nur noch mit „Picasso“. Die Zeitschrift musste jedoch nach kurzer Zeit aus finanziellen Gründen eingestellt werden. Picasso verließ nach der Einstellung von Arte Joven Madrid und kehrte nach Barcelona zurück. Zwei Jahre später schuf er ein Porträt des Schriftstellers.

Im Mai besuchte der aufstrebende Künstler wiederum Paris.. Sein erster Kunsthändler Pere Manach, bei dem er logierte, die Galeristin Berthe Weill und vor allem der Kunsthändler und Verleger Ambroise Vollard bemühten sich um den vielversprechenden jungen Künstler. Ab dem 24. Juni 1901 zeigte Vollard in seiner Galerie, 6 Rue Laffite, Picassos Werke erstmals in einer Pariser Ausstellung und wurde sein Förderer in Picassos Blauer und Rosa Periode. Dem nachfolgenden kubistischen Werk stand er nicht so positiv gegenüber. Picassos kubistisches Porträt von Vollard entstand 1910.

Picasso widmete 1901 seinem Freund Casagemas das Bild Evokation – Das Begräbnis Casagemas. Es gilt als das erste Bild der Blauen Periode. Casagemas’ Porträt ist ebenfalls in der männlichen Figur des melancholischen Gemäldes aus dem Jahr 1903, La Vie (Das Leben) dargestellt. Die Werke aus dieser Zeit brachten dem Künstler mehr Zustimmung von Galeristen und Kritikern ein als seine früheren Bilder. Ein Freund Gauguins, der Dichter Charles Morice, sah in einer Besprechung die „unfruchtbare Traurigkeit“, bescheinigte Picasso dennoch ein „wahres Talent“.

Im Oktober 1902 kehrte Picasso zum dritten Mal nach Paris zurück und wohnte erst in Hotels, hiernach bei dem Dichter Max Jacob , der als Gehilfe in einem Modegeschäft arbeiten musste. Im Winter heizten die Freunde mit Picassos Zeichnungen den Raum, weil Geld für Heizmaterial fehlte, aus demselben Grund benutzte Picasso Leuchtpetroleum statt Öl zum Malen und sparte an Bindemitteln.

Er schloss mit dem Dichter Apollinaire Freundschaft und lernte 1904 Fernande Olivier kennen, die von 1905 bis 1912 seine Begleiterin und Muse wurde. Fernande war eine aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende geschiedene Frau, die sich für die Malerei der Impressionisten begeisterte. Über die Begegnung mit Picasso berichtet sie in ihren Erinnerungen Picasso et ses amis, erschienen 1933: „Er hatte nichts Verführerisches, wenn man ihn nicht kannte. Allerdings, sein seltsam eindringlicher Blick erzwang die Aufmerksamkeit […] dieses innere Feuer, das man in ihm spürte, verliehen ihm eine Art Magnetismus, dem ich nicht widerstand. Und als er mich kennenzulernen wünschte, wollte ich es auch.“

Fernande Olivier bildete er unter anderem in dem Ölgemälde La Toilette im Jahr 1906 ab oder 1909 in Bronze gegossen als Tête de femme. Die Unterkunft im Bateau-Lavoir war kärglich. Picassos Kunsthändler Kahnweiler erinnert sich an das eiskalte und zugige Atelier im Winter und berichtet, dass im Sommer, „wenn es zu heiß war, Picasso bei geöffneten Türen völlig nackt im Korridor mit nur einem Tuch um die Lenden arbeitete.“

Clovis Sogot, ein früherer Zirkusclown, hatte in einer ehemaligen Apotheke in der Rue Laffitte eine Galerie eingerichtet. Dort entdeckte der in Paris lebende US-amerikanische Kunstsammler Leo Stein, der Bruder der Dichterin und Kunstsammlerin Gurtrude Stein, 1905 Picassos Gemälde. Das erste Bild des Künstlers, das Leo Stein kaufte, Junges Mädchen mit dem Blumenkorb, gefiel seiner Schwester nicht. Als Picasso die Geschwister bei Sagot kennengelernt hatte, lud er sie in sein Atelier ein und konnte ihnen Bilder für 800 Francs verkaufen, die auch Gertrude Steins Interesse weckten.

Der Galerist Vollard kaufte Picasso bald darauf Werke für 2000 Franc ab, was seine finanzielle Situation wesentlich verbesserte. Sein Bildnis Gertrude Stein entstand im Jahr 1906, für das die Schriftstellerin bis zu neunzigmal Modell gesessen haben soll. Im Frühjahr brach Picasso die Porträtsitzungen mit Gertrude Stein ab. Er traf Darain durch Vermittlung von Alice Princet. Im Sommer desselben Jahres hielt er sich mit Fernande Olivier in Gósol auf. Als er wieder nach Paris zurückkehrte, vollendete Picasso das Porträt Gertrude Steins aus dem Gedächtnis und reduzierte die Gesichtszüge auf die Schlichtheit iberischer Masken.

Ab 1905 beginnen rosa Töne in Picassos Werken vorzuherrschen. So bildet das Gemälde Junge mit Pfeife aus dem Jahr 1905 den Übergang von der Blauen zur Rosa Periode. Im Vergleich zur Blauen Periode gibt es nur noch wenig Melancholie in den Werken dieser Periode. Das Blau weicht in den Hintergrund. Besonders Gaukler, Seiltänzer und Harlekins, traurige Spaßmacher aus der Commedia dell’arte, zählen zu seinen Bildmotiven.

Seit dem Winter des Jahres 1906 bereitete Picasso in zahlreichen Studien und Variationen das große Gemälde Les Demoiselles d’Avignon vor, das er im Juli 1907 beendete. Mit den Demoiselles legte er den Grundstein kubistischen Denkens und leitete die als „période nègre“ bezeichnete Periode ein.

Die ersten Reaktionen bei der Begegnung mit den Demoiselles in Picassos Atelier waren überwiegend negativ. Das Bild wurde weitgehend als unmoralisch angesehen und von vielen, selbst engen Freunden Picassos, heftig kritisiert. Neben Wilhelm Uhde hatte nur Leo Stein zunächst Verständnis für die Demoiselles aufgebracht, kaufte seine neuen Werke jedoch nicht mehr.. Gertrude Stein förderte Picasso weiter und näherte sich in ihrem literarischen Ausdruck dem Kubismus. Im Jahr 1938 schrieb sie eine Broschüre über Picasso.

Wilhelm Uhde machte den jungen deutschen Galeristen Kahnweiler, der in der Rue Vignon 28 seine erste Galerie eröffnet hatte, auf Picasso aufmerksam. Kahnweiler wurde sein wichtigster Förderer und stellte im selben Jahr Picassos Werke aus. Picasso hatte die große Retrospektive von Paul Cezannes Werken 1907 im Pariser Solon d’Automne besucht, die ein Jahr nach dem Tod des Künstlers ausgerichtet worden war. Durch Apollinaire lernte Picasso den gleichaltrigen Maler Georges Braque gegen Ende des Jahres kennen; die Freundschaft mit Braque sollte große Auswirkungen auf den Verlauf der modernen Kunstgeschichte haben.

Den Sommer 1908 verbrachte Picasso mit Fernande Olivier in La Rue-des-Bois nördlich von Paris. Im Herbst desselben Jahres verglichen Braque und Picasso ihre im Sommer geschaffenen Bilder – Braque in L’Estaque und Picasso in La Rue-des-Bois. Sie waren merkwürdig ähnlich. Braque stellte im Gegensatz zu Picasso im November des Jahres seine Werke in der Galerie Kahnweiler aus. In der Besprechung zur Ausstellung der Bilder Braques prägte der französische Kunstkritiker Louis Vauxcelles in der Kunstzeitschrift Gil Blas zum ersten Mal den Begriff der „cubes“ (Kuben).

Zwischen September 1908 und Mai 1909 sahen sich Picasso und Braque beinahe täglich; Kahnweiler war der Dritte im Bunde und vermittelte zwischen den vom Naturell her sehr unterschiedlichen Künstlern, dem besonnenen, systematisch arbeitenden Braque und dem temperamentvollen Picasso. Ihre Arbeitsgemeinschaft war so intensiv, dass sich die Künstler mit den Brüder Wright verglichen, den Flugpionieren, und sich wie Mechaniker kleideten.

Ebenfalls 1908 war der spanische Maler Juan Gris in das Bateau-Lavoir gezogen, wo er Ateliernachbar von Picasso wurde. Nachdem er 1911 begonnen hatte, sich mit dem Kubismus auseinanderzusetzen, entstand im Jahr 1912 das kubistische Porträt Hommage à Picasso von Gris.

Im November 1908 gab Picasso in seinem Atelier im Bateau-Lavoir ein großes Fest zu Ehren Henri Rousseau, von dem er das lebensgroße Bildnis einer früheren Freundin Rousseaus, die sogenannte Yadwigha, erworben hatte und das er sein Leben lang behalten sollte. Über das kunsthistorisch bekannt gewordene Bankett für Rousseau, berichtete Raynal als Augenzeuge: „Es war eine richtige Scheune. […] An den Mauern, die man von ihrem gewöhnlichen Schmuck befreit hatte, hingen nur einige schöne Negermasken, eine Münztabelle und auf dem Ehrenplatz das große, von Rousseau gemalte Porträt Yadwigha“ Nicht lange nach dem Bankett verließ Picasso im Jahr 1909 das Bateau-Lavoir und wohnte bis 1912 in einer Atelierwohnung am Boulevard de Clichy 130.

Fernand Leger und Robert Delauny und lernten die Arbeiten Picassos und Braques durch Vermittlung von Kahnweiler kennen. Die Einflüsse Picassos und Braques machten sich von nun an in den Bildwerken vieler Maler bemerkbar. Es bildete sich 1911 eine Gruppierung von Malern, die als Salonkubisten bezeichnet wurden.

Im Sommer 1911 gerieten die Freunde Apollinaire und Picasso in den Verdacht, am Diebstahl des bekanntesten Gemäldes des Louvre, der Mona Lisa, beteiligt zu sein. Sie war am 21. August 1911 spurlos verschwunden, und beide gerieten in das Visier der Polizei durch den Besitz von iberischen Steinmasken, die über Géry Pieret – ein belgischer Abenteurer und zeitweise Angestellter Apollinaires – erworben worden waren. Nach einer Hausdurchsuchung wurde Apollinaire am 8. September wegen Beherbergung eines Kriminellen und Verwahrung von Diebesgut verhaftet; er verriet nach zwei Tagen Picassos Beteiligung. Dieser wurde zwar verhört, aber nicht arretiert. Apollinaire wurde wenige Tage später aus der Haft entlassen und der Prozess gegen ihn im Januar 1912 aus Mangel an Beweisen eingestellt. Die Mona Lisa tauchte erst wieder am 13. Dezember 1913 in Florenz auf und kehrte am 1. Januar 1914 in den Louvre zurück

Die frühe Phase des Kubismus bis etwa 1912 wird als „Analytischer Kubismus“ bezeichnet. Ein Beispiel hierfür ist das Bildnis Ambroise Vollard (1910). Ab dem Jahr 1912 entstanden die Papier colles eine Frühform der Collagen. Der Übergang zum „Synthetischen Kubismus“ hatte begonnen.

Picassos Werke wurden allmählich im Ausland bekannt. In Deutschland war Picasso 1910 auf der Ausstellung der Neuen Künstlervereinigung München vertreten. Vier von Picassos Werken wurden im selben Jahr in die zweite Ausstellung des Blauen Reiter in der Münchner Galerie Goltz aufgenommen: Frauenkopf (1902), Umarmung (1903), Kopf (1909) und Stillleben (1910). 1912 wurde die Second Post-Impressionist Exhibition in den Grafton Galleries eröffnet.

Im folgenden Jahr ging er nach England zurück und vertrat die Interessen des Museums als „European advisor“. 1910 wurde er nach einem Streit mit dem Direktor des Museums, Morgan, entlassen Im Sommer des Jahres reiste Fry zusammen mit dem Literaturkritiker Mac Carthy nach Paris, um Gemälde für eine Ausstellung in London auszusuchen. MacCarthy, der die Aufgabe des Sekretärs der geplanten Ausstellung übernommen hatte, reiste allein weiter nach München und in die Niederlande.

Die von Roger Fry organisierte Ausstellung Manet and the Post-Impressionists in den Grafton Galleries, London, zeigte für das britische Publikum in vier Räumen bisher kaum bekannte Werke vom europäischen Festland. Das von Fry für die Ausstellung geprägte Wort „Post-Impressionism“ weist auf die impressionistischen Ideen sowie auf die von ihnen ausgehenden neuen Richtungen hin als Aufbruch aus der Vergangenheit in die Zukunft. Der zur Ausstellung erschienene Katalog verzeichnete 206 Gemälde und Zeichnungen sowie 22 Bronzen und Keramiken. Der unsignierte Einleitungstext wurde von Desmond MacCarthy verfasst und basierte auf Frys Notizen.

Der Titelgeber der Ausstellung, Manet, gehörte zwar einer vorherigen Künstlergeneration an, war aber 1910 wie die anderen in der Ausstellung gezeigten Künstler in Großbritannien einem breiten Publikum unbekannt. Während beispielsweise in Deutschland zahlreiche private Sammler und fortschrittliche Museen bereits Werke Manets besaßen, gab es in Großbritannien nur wenige Sammler seiner Arbeiten, und die Museen des Landes hatten noch keines seiner Bilder erworben- Zwar hatte der Kunsthändler Durand-Ruel bereits zuvor Werke Manets in London ausgestellt, aber diese Verkaufsausstellungen waren beim Publikum wenig erfolgreich.Alle Werke Manets in der Ausstellung Manet and the Post-Impressionists stammten aus der Sammlung von Auguste Pellerin, die die Kunsthändler Bernheim Jeune, Durand Ruel und Paul Cassirer gemeinschaftlich erworben hatten und für die sie nun neue Käufer suchten. Von den insgesamt 35 Werke Manets dieser Sammlung hatten die Kunsthändler 1910 bereits zahlreiche Werke in Berlin, München und Paris gezeigt und insbesondere in Deutschland für mehrere Bilder Kunden gefunden. Für die Londoner Ausstellung wählte Fry neun Bilder Manets aus: Neben dem späten Hauptwerk Bar in den Folies Bergères, der Barszene Au Café, einem Kinderbildnis und einem Aktbildnis, bestanden diese Werke aus einer Reihe von Porträts. Fry stellte die Gemälde Manets, der in den 1860er Jahren der jungen Künstlergeneration des aufkommenden Impressionismus als Vorbild diente, den Arbeiten der nachfolgenden Künstlergeneration gegenüber.

Das Londoner Publikum der Edwardischen Epoche zeigte sich von der Ausstellung schockiert, und die Presse veröffentlichte negative Kritiken. Der Sekretär der Ausstellung, Desmond MacCarthy, fasste die allgemeine Reaktion auf Frys Gemäldeauswahl wie folgt zusammen: „Kind people called him mad, and reminded others that his wife was in an asylum.“ („Freundliche Menschen nannten ihn verrückt und erinnerten andere daran, dass seine Frau in einem Heim war.“) Fry war tief betroffen, da seine Frau, die Malerin Helen Coombe, geistig erkrankt war. Cézannes Gemälde wurden mit Kinderkritzeleien verglichen.

Die britische Schriftstellerin Virgenia Wolff, eine Freundin von Roger Fry aus der Bloomsbury Group, schrieb dagegen 1924 in ihrem Essay Mr Bennett and Mrs Brown: „On or about December 1910 human character changed.“ Sie bezog sich damit auf Frys erste Kunstausstellung aus dem Jahr 1910.

Das Editorial in der Kunstzeitschrift The Bulington Magazine aus dem Jahr 2010 zu einem Bericht anlässlich des 100. Geburtstags der ersten Ausstellung verwies darauf, dass sie zwar schnell zusammengestellt und hauptsächlich eine Verkaufsausstellung gewesen sei, jedoch verneinte es, sie sei ein Provisorium gewesen, was ihr oft unterstellt worden war. Viele wichtige Kunsthändler und -sammler hätten Werke beigetragen, die eine erstaunlich repräsentative Zusammenstellung der Arbeiten von Cézanne, Gauguin und van Gogh geboten hätten. Nur die Auswahl von Werken damals noch lebender Künstler hätte Fachleuten, die mit der Pariser Kunstwelt vertraut waren, einen Grund zu berechtigter Kritik geben können. Im Gegensatz zu einer früheren Ausstellung in der Galerie über die Impressionisten im Jahr 1905 hatte diese über 25.000 Besucher und erzielte einen guten Gewinn.

Fry organisierte trotz dieser negativen Reaktionen 1912 eine zweite postimpressionistische Ausstellung, die Second Post-Impressionist Exhibition, die vom 5. Oktober bis zum 31. Dezember lief. Als Sekretär dieser Ausstellung fungierte Leonard Woolf. Sie zeigte neben zeitgenössischer britischer Malerei wie die der Freunde aus der Bloomsbury Group, wiederum die von Cézanne, Matisse und den Fauves sowie Picasso. Die Exponate hatten neben Fry Boris Anrep ausgewählt. Frys Einführung zur französischen Gruppe konzentrierte sich auf Cézanne, während van Gogh und Gauguin ignoriert wurden. Hinzu kamen russische Künstler, während Fry Werke aus Deutschland, der Schweiz und Österreich-Ungarn nicht aufnahm, da sie seiner Meinung nach keine wesentlichen neuen Ideen gezeigt hätten. Die Ausstellung stand unter der Schirmherrschaft von Lady Ottoline Morell, mit der Fry eine flüchtige Liebesbeziehung hatte. Wenig später, im Juli 1913, gründete Fry die Omega Workshops, eine experimentelle Designerwerkstatt für Inneneinrichtungen, an der Duncan Grant und Vanessa Bell beteiligt waren.

Die Ausstellungen rüttelten das etablierte Londoner Kunstpublikum auf und bewirkten einen großen Einfluss auf junge britische Künstler, die Künstler der Bloomsbury Group eingeschlossen. Fry gründete 1913 als Verfechter avantgardistischer Kunst die Ausstellungsgesellschaft Grafton Group als Nachfolger der Friday Group. Er organisierte weiterhin Ausstellungen moderner Kunst wie The New Movement in Art, die 1917 in London und Birmingham stattfand. Desmond MacCarthy bezeichnete die erste Ausstellung im The Listener vom 1. Februar 1945 als „The Art Quake of 1910“ („Das Kunstbeben von 1910“).

Zeitnahe Ausstellungen, in denen unter anderem das bahnbrechende Werk Cézannes gezeigt wurde, waren die der Galerie 291 im Jahr 1911sowie der Armory Show 1913 in New York. Sie hatten dort den Salon der Kunstsammler Leo und Gertrude Stein sowie Matisse aufgesucht. Die Ausstellung der Armory Show nahm als Folge die Präsentation französischer Künstler auf und folgte somit den Ideen des Kölner Sonderbunds sowie den zwei von Fry organisierten Ausstellungen. Auch in Köln und den Vereinigten Staaten stießen die Exponate jedoch auf Ablehnung.

In Übersee war die neue Kunstrichtung nach einer erstmaligen Ausstellung Picassos im Jahr 1911 in der Galerie 291, 1913 vertreten, in der beispielsweise Werke von Braque, Picasso und Matisse ausgestellt wurden. Gezeigt wurden von Pablo Picasso acht Arbeiten, darunter zwei Stillleben, die Zeichnung Frauenakt von 1910, Frau mit Senftopf von 1910, eine Leihgabe von Kahnweiler, und die Bronze Frauenkopf von 1909, eine Leihgabe von Stieglitz. Die Kritik bei allen Ausstellungen war jedoch beträchtlich, die moderne Kunst wurde noch nicht akzeptiert.

Als Picassos Beziehung mit Fernande Olivier im Jahr 1912 zerbrach, wurde Eva Gouel geborene Marcelle Humbert, die er Eva nannte, seine zweite Lebensgefährtin bis zu ihrem frühen Tod 1915. Den Sommer des Jahres 1913 verbrachte Picasso mit Braque und Juan Gris in Ceret. Im selben Jahr starb sein Vater. Seinen Wohnsitz schlug er in der Rue Schoelcher 5 am Montparnasse auf, nachdem er 1912 kurzfristig am Boulevard Raspail 242 gewohnt hatte.

Picasso verbrachte die Zeit von Ende Juni bis Mitte November 1914 mit Eva Gouel in Avignon. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieg änderte sich die Situation für viele Künstler schlagartig. Am 2. August 1914 begleitete Picasso Braque und Derain, die ihren Gestellungsbefehl erhalten hatten, zum Bahnhof in Avignon. Braque erlitt 1915 eine schwere Kopfverletzung und brauchte nach überstandener Operation länger als ein Jahr, um davon zu genesen. Ihr Kunsthändler Kahnweiler, der Deutscher war, musste Frankreich verlassen; Picasso, der als Spanier keinen Kriegsdienst leisten musste, blieb in Paris ohne seine Freunde zurück.

Er entwarf die Kostüme, Bühnenbilder und den aus der Reihe fallenden klassisch romantischen Bühnenvorhang. Der sowjetische Schriftsteller Ilja Ehrenburg, der in Paris im Exil lebte, beschrieb die spektakuläre Premiere im Mai 1917 im Pariser Theatre du Chatelet und den Aufruhr des Publikums, das den Abbruch der Vorstellung forderte: „Die Musik gab sich modern, das Bühnenbild war halb kubistisch […] Und als ein Pferd mit kubistischer Schnauze Zirkusnummer vorführte, verloren sie endgültig die Geduld: ‚Tod den Russen! Picasso ist ein Boche! Die Russen sind Boches!‘“ Picassos Freunde jedoch waren begeistert. Apollinaire beispielsweise betrachtete die erstmalige künstlerische Allianz zwischen Malerei und Tanz, Plastik und Darstellungskunst als Beginn einer umfassenden Kunst, als eine Art „sur-réalisme.

Während der Arbeiten zu Parade lernte Picasso die Tänzerin Olga Chochlowa, Primaballerina des „Ballets Russes“, kennen, die er am 12. Juli 1918 in Paris heiratete. Trauzeugen waren Cocteau, Max Jacob und Apollinaire. Das Ehepaar bezog im Dezember eine Wohnung in der Rue La Boétie 23. Nach der Heirat gab er sein lockeres Leben auf und wurde zum „Malerfürsten“ mit eigenem Chauffeur und Hauspersonal. Aus der Ehe ging Sohn Paulo hervor.

Nach Kahnweiler wurde Picasso ab 1918 von den Kunsthändlern Paul Rosenberg und Georges Wildenstein gemeinsam weltweit vertreten. Sie kauften jedes Jahr eine nennenswerte Anzahl seiner Bilder. Die Verbindung Picassos zu Rosenberg dauerte bis zum Jahr 1939, die zu Wildenstein bis 1932.

Bereits 1914 begann sich Picasso von dem Kreis der Kubisten zu entfernen. Er erinnerte sich an diesen Abschied und äußerte: „Aus dem Kubismus hat man eine Art Körperkultur machen wollen. […] Daraus ist eine verkünstelte Kunst hervorgegangen, ohne echte Beziehung zur logischen Arbeit, die ich zu tun trachte.“

Picasso konnte dank seines gewachsenen Ruhms mehr Zeit für die Entwicklung seiner Formensprache nutzen. Er experimentierte viel und legte einen neuen Schwerpunkt auf sein plastisches Werk, das er 1902 mit Sitzende Frau eröffnet hatte. Gleichzeitig entfremdete er sich von seiner Frau Olga.

Im Jahr 1923 traf Picasso Andre Breton. Bereits in der ersten Nummer der surrealistischen Zeitschrift La revolution surrealiste vom Dezember 1924 wurde eine plastische Konstruktion Picassos reproduziert. In der zweiten Nummer vom Januar 1925 zwei Seiten aus dem im Sommer 1924 in Juan-les-Pins geführten Skizzenbuch mit den Sternzeichnungen. In der vierten Ausgabe erschien eine Abbildung von Picassos Gemälde Les Trois Danseuses (Die drei Tänzerinnen) und – erstmals in Frankreich – von den Demoiselles d’Avignon.

Der langjährige Kontakt mit den Surrealisten war jedoch nicht konfliktfrei. Als 1924 Eric Saties Ballett Les Aventures de Mercure mit dem Bühnenbild und den Kostümen von Picasso aufgeführt wurde, protestierten mehrere Surrealisten gegen Picassos Mitwirkung und nannten das Ereignis eine Wohltätigkeitsveranstaltung für die internationale Aristokratie. Andre Breton, Louis Aragon und andere Surrealisten, die von Picassos Einfallsreichtum beeindruckt waren, veröffentlichten daraufhin im Paris-Journal eine als Hommage à Picasso deklarierte Entschuldigung.. Andererseits beschuldigte Picasso 1926 die Surrealisten in einer ausführlichen Stellungnahme zu den Absichten und Zielen seiner Kunst, ihn nicht verstanden zu haben.

Erstmals tauchte 1928 das Minotaurus -Motiv in seinen Werken auf – als Spanier war Picasso schon immer vom Stierkampf fasziniert. Die erste Nummer des surrealistischen Künstlermagazins Minotaure erschien am 25. Mai 1933 mit einem Cover von Picasso, der dem Titel gemäß einen Minotaurus zeigt. Darin wird in immer neuen Variationen der Zusammenhang von Sexualität, Gewalt und Tod ausgelotet.

Im Sommer 1936 lernte Picasso durch den surrealistischen Dichter Paul Eluard den Künstler und Kunstkritiker Roland Penrose kennen, mit dem er Freundschaft schloss und der im Jahr 1958 die erste Biografie über Picasso veröffentlichte, an der der Künstler mitwirkte. 1937 schuf er von Penrose’ späterer Ehefrau, der Fotografin Lee Miller, sechs Porträts. Die Fotografin machte bei gegenseitigen Besuchen um die 1000 Aufnahmen, die Picasso während der Arbeit und in der Freizeit zeigen.

Deutlichere Anklänge an seinen Spätstil zeigt ein weiteres Porträt der Marie-Thérèse Walter, das Interieur mit zeichnendem Mädchen aus dem Jahr 1935. Der Zusammenhang von Sexualität und künstlerischer Kreativität wird zu einem Thema, das Picasso bis zu seinem Lebensende beschäftigen wird. Das Jahr 1935 bezeichnet eine Krise in seinem Leben und Schaffen. Aus der Beziehung zu Marie-Thérèse, die bis 1937 andauerte, wurde die Tochter Maya in diesem Jahr geboren. Dies wurde seiner Frau hinterbracht, die daraufhin die Scheidung verlangte. Nach französischem Recht hätte Picasso seinen Besitz mit ihr teilen müssen. Daran hatte er kein Interesse, und sie blieben daher bis zu ihrem Tod im Februar 1955 verheiratet.

1936 hatte Picasso eine Affäre mit Alice Rahon, und lernte die französische Fotografin Dora Maar kennen, die in den 1940er Jahren seine ständige Begleiterin wurde und die ihm oft Modell saß. Im November 1937 besuchte er Paul Klee in Bern, um ihn moralisch zu unterstützen, da dessen Werke gerade in der berüchtigten Münchner Ausstellung über „Entartete Kunst“ von den Nationalsozialisten diffamiert wurden. 1941 entstand Dora Maars Porträt mit gleichzeitiger Vorder- und Seitenansicht, Dora Maar mit Katze. Sie konkurrierte mit Marie-Thérèse Walter um die Gunst Pablo Picassos. „Ich hatte kein Interesse daran, eine Entscheidung zu treffen. […] Ich sagte ihnen, sie sollten es unter sich ausmachen“ so der Maler über die Rivalität zwischen den beiden Frauen.

Die Ereignisse des Spanischen Bürgerkrieges erschütterten Picasso zutiefst, und es entstanden Bilder, die in ihrer Eindringlichkeit an Goyas Schrecken des Krieges erinnern, vor allem Guernica das das Grauen anlässlich der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica am 26. April 1937 durch die deutsche Legion Condor thematisiert. Unter diesem Eindruck begann Picasso bereits am 1. Mai mit Studien für das gleichnamige monumentale Bild, das ab dem 12. Juli 1937 als Wandbild im spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt wurde.

Während der Arbeiten zu Parade lernte Picasso die Tänzerin Olga Chochlowa, Primaballerina des „Ballets Russes“, kennen, die er am 12. Juli 1918 in Paris heiratete. Trauzeugen waren Cocteau, Max Jacob und Apollinaire. Das Ehepaar bezog im Dezember eine Wohnung in der Rue La Boétie 23. Nach der Heirat gab er sein lockeres Leben auf und wurde zum „Malerfürsten“ mit eigenem Chauffeur und Hauspersonal. Aus der Ehe ging Sohn Paulo hervor.

Nach Kahnweiler wurde Picasso ab 1918 von den Kunsthändlern Paul Rosenberg und Georges Wildenstein gemeinsam weltweit vertreten. Sie kauften jedes Jahr eine nennenswerte Anzahl seiner Bilder. Die Verbindung Picassos zu Rosenberg dauerte bis zum Jahr 1939, die zu Wildenstein bis 1932.

Bereits 1914 begann sich Picasso von dem Kreis der Kubisten zu entfernen. Er erinnerte sich an diesen Abschied und äußerte: „Aus dem Kubismus hat man eine Art Körperkultur machen wollen. […] Daraus ist eine verkünstelte Kunst hervorgegangen, ohne echte Beziehung zur logischen Arbeit, die ich zu tun trachte.“

Picasso konnte dank seines gewachsenen Ruhms mehr Zeit für die Entwicklung seiner Formensprache nutzen. Er experimentierte viel und legte einen neuen Schwerpunkt auf sein plastisches Werk, das er 1902 mit Sitzende Frau eröffnet hatte. Gleichzeitig entfremdete er sich von seiner Frau Olga.

Im Jahr 1923 traf Picasso Andre Breton. Bereits in der ersten Nummer der surrealistischen Zeitschrift La revolution surrealiste vom Dezember 1924 wurde eine plastische Konstruktion Picassos reproduziert. In der zweiten Nummer vom Januar 1925 zwei Seiten aus dem im Sommer 1924 in Juan-les-Pins geführten Skizzenbuch mit den Sternzeichnungen. In der vierten Ausgabe erschien eine Abbildung von Picassos Gemälde Les Trois Danseuses (Die drei Tänzerinnen) und – erstmals in Frankreich – von den Demoiselles d’Avignon.

Der langjährige Kontakt mit den Surrealisten war jedoch nicht konfliktfrei. Als 1924 Eric Saties Ballett Les Aventures de Mercure mit dem Bühnenbild und den Kostümen von Picasso aufgeführt wurde, protestierten mehrere Surrealisten gegen Picassos Mitwirkung und nannten das Ereignis eine Wohltätigkeitsveranstaltung für die internationale Aristokratie. Andre Breton, Louis Aragon und andere Surrealisten, die von Picassos Einfallsreichtum beeindruckt waren, veröffentlichten daraufhin im Paris-Journal eine als Hommage à Picasso deklarierte Entschuldigung.. Andererseits beschuldigte Picasso 1926 die Surrealisten in einer ausführlichen Stellungnahme zu den Absichten und Zielen seiner Kunst, ihn nicht verstanden zu haben.

Erstmals tauchte 1928 das Minotaurus -Motiv in seinen Werken auf – als Spanier war Picasso schon immer vom Stierkampf fasziniert. Die erste Nummer des surrealistischen Künstlermagazins Minotaure erschien am 25. Mai 1933 mit einem Cover von Picasso, der dem Titel gemäß einen Minotaurus zeigt. Darin wird in immer neuen Variationen der Zusammenhang von Sexualität, Gewalt und Tod ausgelotet.

Im Sommer 1936 lernte Picasso durch den surrealistischen Dichter Paul Eluard den Künstler und Kunstkritiker Roland Penrose kennen, mit dem er Freundschaft schloss und der im Jahr 1958 die erste Biografie über Picasso veröffentlichte, an der der Künstler mitwirkte. 1937 schuf er von Penrose’ späterer Ehefrau, der Fotografin Lee Miller, sechs Porträts. Die Fotografin machte bei gegenseitigen Besuchen um die 1000 Aufnahmen, die Picasso während der Arbeit und in der Freizeit zeigen.

Deutlichere Anklänge an seinen Spätstil zeigt ein weiteres Porträt der Marie-Thérèse Walter, das Interieur mit zeichnendem Mädchen aus dem Jahr 1935. Der Zusammenhang von Sexualität und künstlerischer Kreativität wird zu einem Thema, das Picasso bis zu seinem Lebensende beschäftigen wird. Das Jahr 1935 bezeichnet eine Krise in seinem Leben und Schaffen. Aus der Beziehung zu Marie-Thérèse, die bis 1937 andauerte, wurde die Tochter Maya in diesem Jahr geboren. Dies wurde seiner Frau hinterbracht, die daraufhin die Scheidung verlangte. Nach französischem Recht hätte Picasso seinen Besitz mit ihr teilen müssen. Daran hatte er kein Interesse, und sie blieben daher bis zu ihrem Tod im Februar 1955 verheiratet.

1936 hatte Picasso eine Affäre mit Alice Rahon, und lernte die französische Fotografin Dora Maar kennen, die in den 1940er Jahren seine ständige Begleiterin wurde und die ihm oft Modell saß. Im November 1937 besuchte er Paul Klee in Bern, um ihn moralisch zu unterstützen, da dessen Werke gerade in der berüchtigten Münchner Ausstellung über „Entartete Kunst“ von den Nationalsozialisten diffamiert wurden. 1941 entstand Dora Maars Porträt mit gleichzeitiger Vorder- und Seitenansicht, Dora Maar mit Katze. Sie konkurrierte mit Marie-Thérèse Walter um die Gunst Pablo Picassos. „Ich hatte kein Interesse daran, eine Entscheidung zu treffen. […] Ich sagte ihnen, sie sollten es unter sich ausmachen“ so der Maler über die Rivalität zwischen den beiden Frauen.

Die Ereignisse des Spanischen Bürgerkrieges erschütterten Picasso zutiefst, und es entstanden Bilder, die in ihrer Eindringlichkeit an Goyas Schrecken des Krieges erinnern, vor allem Guernica das das Grauen anlässlich der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica am 26. April 1937 durch die deutsche Legion Condor thematisiert. Unter diesem Eindruck begann Picasso bereits am 1. Mai mit Studien für das gleichnamige monumentale Bild, das ab dem 12. Juli 1937 als Wandbild im spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt wurde.

Picasso unterstützte ab 1936 von Paris aus die republikanische Regierung Spaniens, die sich gegen den Putschisten und künftigen Diktator Franco zur Wehr setzte. Er versuchte, gleichwohl vergeblich, die französische Regierung zum Eingreifen zu bewegen und wurde für seinen Einsatz von der republikanischen Regierung Spaniens 1937 in Abwesenheit zum Direktor des bedeutenden Kunstmuseums Prado in Madrid bestimmt.

Der Künstler arbeitete seit 1936 in Paris in einem Atelier in der 7 Rue des Grands-Augustins, in dem Guernica entstand und das er seit dem Frühjahr 1939 zudem als Wohnung nutzte. Die Nazis hatten ihm wegen seiner Gegnerschaft zu Franco Ausstellungsverbot erteilt. Der von Picasso 1940 gestellte Antrag auf den Erwerb der französischen Staatsbürgerschaft war abgelehnt worden, da den Behörden Dossiers aus dem Jahr 1905 vorlagen, in denen er als anarchisch eingestuft worden war.

Während der Besatzungszeit wurde die moderne Kunst von den Kollaborateuren nicht toleriert. Der Maler Andre Lhote erinnerte sich an die Schlachtrufe „Matisse in den Müllkasten“ und „Picasso ins Irrenhaus!“. Nach der Befreiung schätzte ihn die politische Linke zunächst als den Künstler ein, der „aufs Wirksamste den Geist des Widerstands versinnbildlichte“.

Im Jahr 1944 wurde Picasso Mitglied der KPF und blieb es bis ans Ende seines Lebens. Die Ernsthaftigkeit seines Eintritts wurde bezweifelt, und man beschuldigte ihn, dass seine Farben und Formen in seinen Arbeiten eine bestimmte symbolische Bedeutung besäßen, woraufhin er konterte: „Bloß wegen des Vergnügens, verstanden zu werden, werde ich nicht in einem gewöhnlichen Stil arbeiten.“ Eine Aussage, unter anderen, die zu der Anschuldigung führte, dass sein Kommunismus oberflächlich sei und er nicht an die Untrennbarkeit von Kunst und Politik glaube. Zu seiner Verteidigung schrieb er: „Was, glauben Sie denn, ist ein Künstler? Ein Schwachsinniger, der nur Augen hat, wenn er Maler ist, nur Ohren, wenn er Musiker ist, gar nur eine Lyra für alle Lagen des Herzens, wenn er Dichter ist, oder gar Muskeln, wenn er Boxer ist? Ganz im Gegenteil! Er ist gleichzeitig ein politisches Wesen, das ständig im Bewußtsein der zerstörerischen, brennenden oder beglückenden Weltereignisse lebt und sich ganz und gar nach ihrem Bilde formt. […] Nein, die Malerei ist nicht erfunden, um Wohnungen auszuschmücken! Sie ist eine Waffe zum Angriff und zur Verteidigung gegen den Feind.“

Nach sechs Jahren innerer Emigration und Isolation in Paris während des Zweiten Weltkriegs besuchte Picasso ab 1945 häufiger südfranzösische Orte wie Antibes. Dort besuchte er Matisse, dessen Malweise deutliche Einflüsse in Picassos Spätwerk hinterließ. Beide Künstler blieben über viele Jahre in loser Verbindung, wobei Matisse der einzige lebende Künstler war, den Picasso als ebenbürtig ansah. Beide erkannten die Bedeutung des Anderen, respektierten einander zeitlebens und beeinflussten sich trotz ihrer Andersartigkeit gegenseitig.

Die mediterrane Umgebung seiner Jugendzeit zog Picasso wieder in seinen Bann, denn ab dem Frühling 1948 wohnten er und Françoise Gilot nach Aufenthalten in Golfe-Juan in der Villa „La Galloise“ in Valluris, wo er sich schon im Jahr zuvor aufgehalten hatte. Dort experimentierte er unter Anleitung örtlicher Töpfer in der Manufaktur Madoura mit Ton und Glasuren, sprengte den traditionellen Produktrahmen und verhalf dem Ort zu überregionaler und später zu internationaler Bekanntheit.

Trotz des Eintritts in die Kommunistische Partei behielt Picasso eine unabhängige Einstellung. Das Gemälde Massaker in Korea das 1951 entstand, verärgerte die Amerikaner, sein Porträt Stalins von 1953 die Kommunisten, denn in der Sowjetunion galt seine Malweise offiziell als dekadent. Picasso engagierte sich allerdings, wann immer man ihn darum bat, für den Frieden. Im Jahr 1949 entwarf er ein Plakat mit einer Taube für den Pariser Weltfreidenskongress. Die Taube wurde in der Folge weltweit ein Symbol für den Frieden. 1952 entstanden zwei große Wandgemälde: Der Krieg und Der Frieden, für den „Friedenstempel“ in Vallauris.

Jacqueline Roque, eine Keramikverkäuferin bei Madoura in Vallauris, war Picassos neue Lebensgefährtin ab 1953, nachdem ihn Françoise Gilot verlassen hatte, und auch Genevieve Laporte, mit der er eine Affäre hatte, nicht zu ihm ziehen wollte. Er schuf zahlreiche Porträts von Roque wie beispielsweise 1954 Bildnis Madame Z. (Jacqueline Roque) und 1956 Jacqueline im Atelier.

1954 lernte er in Vallauris die 19-jährige Sylvette David kennen, eine junge Frau mit blondem Pferdeschwanz, die ihm Modell saß und die er in mehreren Monaten in über 50 Porträts darstellte.

Picasso wurde zunehmend von Touristen und Bewunderern belästigt. In unmittelbarer Nähe von „La Californie“ wurden Wohnhochhäuser gebaut, die ihm sowohl den Ausblick auf die Landschaft versperrten als auch Fremden den Einblick auf sein Grundstück ermöglichten. Er versuchte erfolglos, den Kunstsammler Cooper dazu zu bewegen, ihm dessen Schloss Château de Castille nahe Avignon zu überlassen. Picasso erwarb es und richtete sich dort ein Studio ein, kehrte aber immer wieder nach „La Californie“ zurück.

Picasso hatte sich von seiner Frau Olga aus finanziellen Gründen nie scheiden lassen. Mehrere Jahre nach ihrem Tod heiratete er 1961 Jacqueline Roque und zog mit ihr nach Mougins in das Herrenhaus „Mas Notre-Dame de Vie“, nördlich über den Hängen von Cannes. Die Ehe blieb kinderlos. Das Schloss Vauvenargues nutzte er als Lager für unzählige Bilder.

1963 wurde das Museu Picasso in Barcelona eröffnet, das später einen Großteil seines Nachlasses erhielt. Den Grundstock bildete die Schenkung von 574 Werken von Picassos Freund und Sekretär Sabartés.

Am 8. April 1973 starb Picasso in seinem Haus in Mougins an den Folgen eines Herzinfakts. Er wurde am 10. April im Garten seines Schlosses in Vauvenargues begraben. Picasso hatte kein Testament hinterlassen. Seine Erben entrichteten die Erbschaftsteuer in Form von Kunstwerken Picassos und anderen Gemälden aus seiner Sammlung, wie beispielsweise Werke von Matisse und die Yadwigha von Rousseau. Sie bildeten den Grundstock der Kollektion des Musee Picasso in Paris. Im Jahr 2003 weihten Verwandte das Picasso gewidmete Museum in seiner Geburtsstadt Málaga ein, das Musee Picasso, und überließen ihm viele Ausstellungsstücke.

Paulo Picasso (* 4. Februar 1921; † 5. Juni 1975) war das erste Kind Picassos aus seiner Ehe mit Olga Chochlowa. Paulo war als Kleinkind unter anderem das Modell für die Gemälde Paulo auf einem Esel (1923) und Paulo als Harlekin (1924). Maya Widmaier Picasso (* 5. September 1935) entstammt der Verbindung mit Marie-Therese Walter. Ihr Vater malte mehrere Bilder, die Maya zum Thema hatten, darunter Maya à la poupée (Maya mit Puppe). Im August 2008 wurden die Bilder und eine ebenfalls gestohlene Zeichnung von der französischen Polizei wiedergefunden.

Nach dem On-Line Picasso Projekt, 1997 von Enrique Mallen eingerichtet, wird die Gesamtzahl der Werke Picassos auf etwa 50.000 geschätzt, darunter 1885 Gemälde, 7089 Zeichnungen, 30.000 Drucke (Radierungen, Lithographien etc.), 150 Skizzenbücher, 1228 Skulpturen, 3222 Keramiken sowie Bildteppiche.Das On-Line-Projekt benutzt ein dem @-Zeichen nachempfundenes kleines P als Logo.

In den um 1895 entstandenen Bildern waren die spanischen Maler des 17. Jahrhunderts sein Vorbild. Zu dieser Zeit war er Schüler der Zeichenklasse der „La Llotja“ in Barcelona. Ab 1897 studierte Picasso für kurze Zeit an der königlichen Akademie von San Francisco in Madrid. Eine aus dieser Zeit stammende Zeichnung zeigt den Matador Luis Miguel Dominguin.

1896 war sein Gemälde Die Erstkommunionn in der Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe in Barcelona ausgestellt und wurde in einer bedeutenden Zeitung lobend besprochen. 1897 malte er die große Komposition Wissenschaft und Nächstenliebe. Sie entsprach der seinerzeit beliebten Spielart der Historienmalerei und erhielt in der Allgemeinen Kunstausstellung in Madrid eine offizielle ehrenvolle Erwähnung. Später erhielt es in seiner Geburtsstadt Málaga eine Goldmedaille.

Als Picasso 1897, im Alter von 16 Jahren, die Königliche Akademie verlassen hatte, begann seine selbständige Künstlerkarriere. Die Jahre zwischen 1898 und 1901 charakterisieren die Zeit der Orientierung: das konsequente Überprüfen der kreativen Prinzipien nahezu aller damals progressiven und avantgardistischen Richtungen. Er überwand seine rein akademische Ausbildung in einer für ihn bezeichnenden Weise, so wie er gelernt hatte, Neues aufzunehmen: als Aneignung durch Nachahmung.

Der Begriff Blaue Periode in Picassos Werk stellt die vorherrschende monocrome Farbigkeit in den Vordergrund. Die Grundlagen der Blauen Periode wurden in Paris entwickelt Das Bild Evokation – Das Begräbnis Casagemas ist das erste Bild jener Schaffensphase. Es soll das Ende einer Freundschaft und den Beginn von etwas Neuem darstellen. Es entstanden in Folge Werke wie Das Blaue Zimmer und das berühmte Selbstbildnisaus dem Jahr 1901.

Nach der Umsiedlung nach Barcelona im Jahr 1902 bildeten schwermütige Figurenbilder die Hauptthemen. Außenseiter der Gesellschaft wie Bettler, Obdachlose, aber auch einsame Menschen sowie Mutter und Kind kamen zur Darstellung. Mit Hilfe dieser Themen verarbeitete er sowohl seine Einsamkeit in der Fremde als auch den Tod des Freundes. Die Themenwahl der Werke Picassos ist mit den Werken Nonells vergleichbar. Gibt Nonell jedoch einen Wirklichkeitsausschnitt zu erkennen und lässt den Rückschluss auf größere Zusammenhänge zu, so verwirklicht Picasso das Schicksal als etwas einzelnes, in der Isolation.

1902 entstand Melancolie, das Bildnis einer melancholischen jungen Frau. Die überlange Darstellung der Personen wie beispielsweise bei der Büglerin (1904) ist auf die Auseinandersetzung mit El Greco zurückzuführen: „Daß meine Figuren in der Blauen Periode sich alle in die Länge strecken, liegt wahrscheinlich an seinem Einfluß.“ Andererseits schließt sich das Thema der Büglerin nahtlos an die Darstellungen von Daumier und großartige Studien von Degas an.

Die Kunstgeschichte trennt die Jahre 1901–1906 im Schaffen Picassos in zwei Perioden, die Blaue und die Rosa Periode. Für die Zeitgenossen hingegen bildeten die erwähnten Jahre eine Einheit. Die vorherrschende Verwendung der Farbe Rosa rechtfertigte für sie keineswegs eine Abtrennung vom Vorangegangenen, und sie sprachen durchgehend von der Blauen Periode. Auch der Künstler sah es in der Rückschau so.

Mit den Bildern der Blauen und der Rosa Periode setzte sich Picasso thematisch deutlich von der seinerzeit gefeierten offiziellen Kunst ab. Ab 1904 ersetzte Picasso allmählich das vorherrschende Blau durch rosa- und orangefarbene Töne. Die Motive der Rosa Periode stammen oft aus der Welt der Schauspieler und Artisten, die damals als Symbole für das Künstlertum verstanden wurden. So wird die Rosa Periode auch als Harlekin-Periode bezeichnet. Bedingt durch die Liebe Picassos zu Fernande Olivier, dem Modell für Bildhauer und Maler, die er 1904 in Paris getroffen hatte und die zum Thema vieler seiner Gemälde werden sollte, und zusätzlich durch seine ersten finanziellen Erfolge, erscheint das Werk optimistischer. Als Hauptwerk der Rosa Periode gilt das Gemälde Die Gaukler aus dem Jahr 1905.

Das Gemälde Les Demoiselles d’Avignon aus dem Jahr 1907 gilt heute unbestritten als Höhepunkt von Picassos Sturm-und-Drang-Periode. Als das Werk 1939 seinen Weg in die Öffentlichkeit fand, avancierte es zum Schlüsselbild der Moderne schlechthin.

Ausgangspunkt für Picasso war seine Auseinandersetzung mit der europäischen Kunstüberlieferung und der Rückgriff auf prähistorische Kunst, der sich in seiner im Sommer 1906 beginnenden Beschäftigung mit der iberischen Kunst zeigt. Seit dem Winter 1905/06 entstanden Formstudien, die diese Auseinandersetzung widerspiegeln. Mit dem abschließenden Werk der Demoiselles begann Picassos sogenannte période nègre (Negerperiode oder Iberische Periode). In jener Phase hatte Picasso Anregungen aus der afrikanischen und, in geringem Ausmaß, ozeanischen Kunst frei kombiniert Picasso selbst sprach immer nur von art nègre, da er die ozeanischen Vorbilder „afrikanisierte“. Ein Werk aus der période nègre ist das Gemälde Akt mit Kleidungsstück aus dem Sommer/Herbst 1907.

Zentraler Ausgangspunkt für Picasso war die malerische Kunstform Cézannes aus dessen letzten Lebensjahren. Picasso hatte dessen Werk studiert und äußerte später gegenüber dem Fotografen Brassai: „Cézanne! Er war unser aller Vater!“ Bevorzugte Motive waren Stillleben, insbesondere sind Musikinstrumente, Landschaften und Personen dargestellt.

Die kubistische Periode Picassos lässt sich in zwei Phasen einteilen: in den analytischen und synthetischen Kubismus..

Analytischer Kubismus (1908–1912). Picassos Methode – das „Öffnen“ der geschlossenen Form der dargestellten Körper zugunsten eines Formenrhythmus – gestattet, die Körperlichkeit der Dinge und ihre Lage im Raum darzustellen, anstatt sie durch illusionistische Mittel vorzutäuschen. Die Lichtführung spielte eine untergeordnete Rolle. In den Gemälden wurde nicht festgelegt, von welcher Seite das Licht kommt. Die dadurch hervortretenden unterschiedlichen Ansichten der Objekte bewirken die Erscheinung simultaner Perspektive, als könnten sie von allen Seiten gleichzeitig betrachtet werden. Auf diese Weise entsteht die Wirkung einer „kristallinen“ Struktur. Ein Beispiel ist das im Jahr 1910 geschaffene Porträt Ambroise Vollard.

Synthetischer Kubismus (1912–1916). Der synthetische Kubismus entstand durch die von Picasso und Braque praktizierte Collagetechnik.. Zu den papier collés wurden sie durch ihre zuvor entstandenen dreidimensionalen Konstruktionen, den Papierplastiken angeregt, die sie aus Papier und Karton, Picasso später aus Blech, fertigten.

In den Werken tauchten nun Papier, Zeitung, Tapete, imitierte Holzmaserung, Sägespäne, Sand und ähnliche Materialien auf. Die Grenzen zwischen gemaltem und realem Gegenstand bis hin zum Objekt gehen fließend ineinander über. Auf diese Weise schufen Braque und Picasso eine Synthese aus verschiedenen Elementen, woraus sich der Name dieser Schaffensperiode ergab. Die in dieser Weise bearbeiteten Bilder bekommen einen dinghaften, materiellen Charakter, der eine neue Realität des Bildes schafft. Picassos erstes Werk dieser Art war die im Jahr 1912 entstandene Arbeit Stillleben mit Rohrstuhl (Nature morte à la chaise cannée) die die erste Collage darstellt. Eine weitere Arbeit aus dieser Phase ist Geige und Weinglas auf einem Tisch.

Während des 1. Weltkrieges entstand in Europa eine Sehnsucht nach „Reinheit und Ordnung“. Es erfolgte eine Rückbesinnung auf die klassische Tradition und einer oft krass vorgetragenen Ablehnung aller Modernismen. Frankreich verstand sich in direkter Nachfolge der vorbildlichen Antike als Hort der Humanität und Gegner der „barbarischen Deutschen“. Die Rückbesinnung vollzog sich auch in anderen romanischen Ländern: so in Barcelona im Noucentisme, den Picasso 1917 bei seiner Spanienreise kennenlernte. In Frankreich bildeten sich zwei entgegengesetzte künstlerische Lager heraus. Das eine, mit dem Hauptvertreter Fernand Leger, versuchte, die formalen Errungenschaften des Kubismus mit den Formen der Klassik zu verbinden, um die Kunst politischen Zielen dienstbar zu machen. Das andere, mit Picasso als Hauptvertreter, folgte der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den klassischen Werten. Die Wiederbelebung des Klassizismus in Picassos Werk war die Folge.

So zeigen Picassos Arbeiten bereits ab 1914/15 Figurendarstellungen, die ganz nach der Tradition der Klassik und der europäischen Klassizismen von der formbestimmenden Linie ausgehen, wie etwa das Bildnis Olga in einem Sesselaus dem Jahr 1917. Neben den klassizistischen Akten, Porträts und szenischen Darstellungen entstanden jedoch gleichzeitig Werke des synthetischen Kubismus, wie etwa Stillleben vor einem Fenster in Saint-Raphaëlext. Ref.  aus dem Sommer 1919 oder Drei Musikanten aus dem Sommer 1921. Die Jahre 1916 bis 1924 bilden auf diese Weise scheinbar eine Zeit der Koexistenz der Gegensätze.

Von 1925 bis 1936 wandte sich Picasso erneut intensiv plastischer Gestaltung zu. Alle zwei- und dreidimensionale Ausdrucksformen wurden in einer geradezu „explodierenden“ Fülle gegenseitiger Entsprechungen neben- und nacheinander gesetzt Für sein Jonglieren mit der Form erhielt Picasso in jenen Jahren durch eine neue künstlerische Bewegung Rückhalt, die sich aus den Strömungen des Dadaismus herauskristallisiert hatte: den Surrealismus. Für die Surrealisten war Picasso eine Symbolfigur der Moderne. Jedoch kann Picasso im engeren Sinn nicht dem Surrealismus zugerechnet werden.

Picasso beteiligte sich 1925 an der ersten Ausstellung surrealistischer Maler in der Pariser Galerie Pierre. Rückschauend äußerte er sich dann in den fünfziger Jahren, vor 1933 frei von surrealistischen Einflüssen gearbeitet zu haben Dieser Äußerung Picassos steht jedoch gegenüber, dass er die Arbeiten von Joan Miro genau wahrgenommen und als Vorbild verwendet hatte. Besonders viele Anregungen gab ihm die surrealistische Plastik, vor allem Werke von Alberto Giacometti. Allerdings stehen diese Übernahmen nie isoliert, sondern werden von Picasso für seine Zwecke funktionalisiert und mit Anleihen aus völlig anders gearteten Kunstrichtungen kombiniert. Picasso äußerte: „Manche nennen die Arbeiten, die ich in einer bestimmten Periode geschaffen habe, surrealistisch. Ich bin kein Surrealist. Ich bin nie von der Wahrheit abgewichen: Ich bin immer in der Wirklichkeit geblieben.“

Als surrealistisch inspirierte Werke gelten beispielsweise Schlafende Frau im Armsessel, 1927, die Sitzende Badende am Meeresstrand und Die Kreuzigungaus dem Jahr 1930.

Das erste Werk, das Picasso zum Thema des Spanischen Bürgerkrieges schuf, war Traum und Lüge Francos, eine Folge von 18 Radierungen, die Picasso am 8. Januar 1937 begonnen hatte. Nach der Bombardierung Gernicas im April 1937 entstand unter diesem Eindruck das großformatige, rund dreieinhalb Meter hohe und fast acht Meter breite Wandbild Guernica, das zusammen mit Paul Eluards Gedicht Der Sieg von Guernica im Juni in der Pariser Weltausstellung im spanischen Pavillon ausgestellt war.

Nach anfänglicher Kritik, die sich gerade an seiner mangelnden politischen Eindeutigkeit festmachte, wurde es in der Rezeption zum berühmtesten Antikriegsbild des 20. Jahrhunderts erklärt – in weitem Abstand folgen die Bilder von Geroge Grosz und Otto Dix über den 1. Weltkrieg. Einige Schlüsselfiguren aus dem Gemälde, wie die Weinende Frau und das Sterbende Pferd, finden sich in seinen späteren Werken wieder.

„Warum, glauben Sie, datiere ich alles, was ich mache? Weil es nicht genügt, die Arbeiten eines Künstlers zu kennen, man muss auch wissen, wann, warum, wie und unter welchen Bedingungen er sie schuf […] es ist mir wichtig, der Nachwelt eine möglichst vollständige Dokumentation zu hinterlassen […] Nun wissen Sie, warum ich alles, was ich mache, datiere.“– Pablo Picasso, 1943

Nach dem 2. Weltkrieg änderte sich Picassos Stil erneut, indem er die Kunst der alten Meister neu interpretierte und den Wettstreit mit ihnen suchte.. Die Nachschöpfungen zeichnen sich durch formalen Witz und inhaltliche Ironie aus. Die „Zitatkunst“ nahm er hiermit vorweg, sie sollte in den 1960er Jahren sehr verbreitet werden.

Die von Jean Crotti erfundene spezielle Form der Glasmalerei, „Gemmail“ (Plural „Gemmaux“), wendete Picasso beispielsweise in seinem Werk Ma jolie guitar aus dem Jahr 1955 an. In dieser Technik schuf er ab 1954 etwa 60 Werke, in denen er frühere Themen wiederholte.

Selbstporträts von Picasso sind selten: „Mit meinem Gesicht habe ich mich wirklich nicht oft beschäftigt.“ Stattdessen zeigte sich Picasso in verschlüsselten Selbstbildnissen, versteckt in Harlekinen, Jünglingen und Greisen sowie in den Porträts von Rembrandt und Balzac (1952). Gegen Ende seines Schaffens entstanden jedoch eine Reihe von Selbstbildnissen. Im April 1972 schuf Picasso Der junge Maler. Mit wenigen schlichten Strichen, die im Gegensatz zu den expressiven, pastos gemalten Werken der vergangenen Jahre stehen, porträtiert er sich mit breitkrempigem Hut, den Pinsel locker in der Hand haltend, vielleicht ein Versuch angesichts des Todes, wieder der kleine Pablo Ruiz zu sein Im Juni folgte ein weiteres Selbstporträt, das ihn als alten Mann zeigt und auf dem er den Betrachter mit schreckgeweiteten Augen anstarrt.

Picassos Portraits seines Sohnes Paulo stehen am Übergang aus der Domäne der „unpersönlichen“ Kinder. Nur zögernd nähert sich Picasso der väterlich familiären Intimität. Idealisierte Mutter- Kind- Darstellungen erscheinen nur kurz nach der Geburt Paulos 1921. Danach portraitiert er ihn frontal mit einem Spielzeug oder beim Zeichnen. Doch konkret beobachtete Szenen der Kindheit treten kaum ins Werk. Paulo erscheint viel mehr als steifer Statist in einer ihm durch entsprechende Kostüme auferlegten Rolle.[14]

Um einiges anders stellt er Jahre später seine Tochter Maya dar. Schon von ihrer Geburt 1935 an gibt Picasso Maya malerisch wieder. Picasso wendet sich der kindlichen Gebärdensprache zu und beginnt mit der Beobachtung des kindlichen Verhaltens.

Doch zu einem gewissen Maß beschränkt er sich dabei auch hier auf statische Kompositionen. Immer zeigt Picasso das Kind allein, frontal und ohne Spielkameraden, wie in Maya mit ihrer Puppe von 30. Januar 1938.. Es ist in seinem Kindsein genauso isoliert wie damals Paulo auf seinen Bildern. Durch den angewandten Stilpluralismus wird das Kindlich-Anmutige der Erscheinung durch einen tiefen Ernst ausbalanciert.

Entscheidend für die Identifikation des Kindes sind Attribute, also Accessoires wie die Garderobe, die Stoffe, die Rüschen, die Bänder im Haar und das Spielzeug. Deshalb braucht er sie nicht wie Paulo in einen Harlekin oder einen Torero zu verwandeln. Der Körper als ganzer, der große Kopf, die großen Hände und Füße, sie bringen zudem den Ausdruck des Kindlichen zustande.

Die Wiedergabe des Kindes bleibt vor dem Zugriff der Variation weitgehend bewahrt. Portraits von Kindern sind meist Einzelbilder deren Realitätsstufe nicht gesteigert werden. So scheint Picasso einer familiären und ästhetischen Kontrolle zu unterliegen. Auch später werden seine Kinder Claude und Paloma nicht im negativen Sinne deformiert. Man kann hier wohl von einer Deformationsscheu sprechen, die allerdings nur seine eigenen Kinder betrifft.[15]

Bis zum Ende der dreißiger Jahre also bleibt das Moment der kindlichen Offenheit Picassos eher latent spürbar; nach Mayas Geburt tritt es jedoch stärker hervor und um 1950 gewinnt es eine herausragende Bedeutung.

Mit dem Bild Die Umarmung, das am 1. Juni 1972 entstand, endete Picassos malerisches Werk; bis zu seinem Tod am 8. April 1973 zeichnete Picasso nur noch – es waren nicht weniger als zweihundert Bilder. Zwei Farben dominieren die Liebesszene: Blau und Rosa. Picasso greift hier noch einmal auf die Grundlagen seiner Kunst zurück: auf die Todesbilder, den Liebesrausch, die melancholische Blaue Periode und die spielerische Rosa Periode. In diesem letzten Bild rast eine blaue Welle auf ein Paar zu, das kaum zu erkennen ist; es ist nur aus dem Titel abzuleiten. Ein ekstatisches Knäuel aus Körper- und Geschlechtsteilen beherrscht das Bild.

Picassos früheste Skulptur ist die kleine Bronze Sitzende Frau von 1902, die er modellierte, als er gut 20 Jahre alt war. Seine erste bedeutende Skulptur war der annähernd lebensgroße Frauenkopf (Fernande) aus dem Sommer 1909, der im Zusammenhang mit Bildern von Fernande entstand, die nach der Auseinandersetzung mit Cézannes Spätwerk bereits einen neuen, nichtperspektivischen Bildaufbau, eine reduzierte Farbplatte und Formzerlegung aufwiesen. Bis zum Jahr 1912, als die erste Collage, Stillleben mit Rohrstuhlgeflecht geschaffen wurde, entstanden keine weiteren Plastiken. Im selben Jahr schuf er die Montage Gitarre, eine „Konstruktion“ aus zusammengeleimten, mit Schnüren versehenen Kartonstücken.

Aus dem Jahr 1914 stammt eine Serie von sechs Absinthgläsern, bestehend aus kubistisch geformtem Glas aus Bronze, dem ein echter Absinthlöffel und ein unechtes Stück Zucker hinzugefügt wurde und die eine unterschiedliche Bemalung aufweisen – eine unkonventionelle Behandlung des Werkstoffs Bronze. Es handelt sich hier um eine Assemblage. Ab 1923 arbeitete Picasso mit seinem Freund, dem Bildhauer Gonzalez zusammen, der ihn mit den verschiedenen Möglichkeiten der bildhauerischen Gestaltung weiter vertraut machte.

In den Jahren 1928 und 1929 entstanden die Eisen- und Drahtskulpturen, von denen eines seiner Schlüsselwerke die Drahtkonstruktion (Denkmal für Guillaume Apollinaire) ist; sie wurde in Paris Ende 1928 geschaffen. In seiner Werkphase zu Beginn der 1930er Jahre schuf Picasso Skulpturen in realistischer Ausformung wie den Frauenkopf (Marie Thérèse), 1931, der auf die Liebesbeziehung mit seiner neuen Partnerin Marie-Therese Walter verweist. Zu weiteren plastischen Werken gehören beispielsweise die Assemblage Der Stierschädel von 1942, Mann mit Lamm, 1942/43, sowie das Modell für die monumentale Plastik ohne Titel aus dem Jahr 1967 in Chicago auf dem Daley Plaza; die Bürger bezeichnen sie als Chicago Picasso, und sie wird gelegentlich mit einem Vogel oder Frauenkopf verglichen.

In den Jahren von 1930 bis 1937 schuf Picasso eine Serie von hundert Grafiken, die nach dem Verleger und Kunsthändler Vollard die Suite Vollard benannt wurde; dieser hatte sie bei dem Künstler in Auftrag gegeben. Picasso variiert darin Themen wie Künstler und Modell und das Minotaurus-Motiv.

Ein zentrales Thema wurde der Stierkampfes, den Picasso 1935 in einer Folge von Radierungen darstellte. Motive des Stiers und des Stierkampfes als traditionell spanisches Thema ziehen sich durch Picassos gesamtes Werk. Die Minotauromachie verknüpft den antiken Minotauros-Mythos mit modernen Stierkampfszenen, die beispielsweise in der 1937 entstandenen Radierungsfolge Traum und Lüge Francos und seinem Monumentalgemälde Guernica anzutreffen sind. Die 1957 geschaffene Serie La Tauromaquia mit 26 Aquatinta-Radierungen entstand als Illustration zum ersten Lehrbuch der Stierkampfkunst, La Tauromaquia, o arte de torear, ein Buch aus dem Jahre 1796, dessen Autor einer der bekanntesten Stierkämpfer seiner Zeit war, der Torero José Delgado y Galvez, genannt Pepe Illo.

Ab November 1945 wandte er sich, nach ersten Lithografien der Jahre 1919 bis 1930, in der Werkstatt von Fernand Mourlot in Paris erneut der Technik der Lithographie zu; es entstanden beispielsweise Tête de femme, Les deux femmes nues und Le Taureau.

1968 entstanden zwei große Radierfolgen: Maler und Modell sowie Die Liegenden, die nochmals die zentralen Themen seines Werkes aufnahmen: Zirkus, Stierkampf und erotische Motive.

Gebrauchsgrafik Picasso war ferner in der Gebrauchsgrafik tätig – Herstellung von Pressezeichnungen, Plakaten und Buchillustrationen sowie mit Entwürfen für Kalenderbilder, Karten und Notenheften. Die gebrauchsgrafischen Arbeiten dienten zunächst noch dem Broterwerb des jungen Künstlers, später entstanden sie als Gefälligkeiten für befreundete Schriftsteller, Komponisten, Verleger und Galeristen Er widmete sich in Vallauris 1948 neben der Keramik der Technik des Linolschnitts, den er zusammen mit dem Drucker Hidalgo Arnera ausführte. Plakate für Stierkämpfe und Keramikausstellungen der Gemeinde waren seine ersten Werke. Sein bekanntestes Plakat ist die Friedenstaube für den Pariser Weltfriedenskongress im Jahr 1949. Für die Friedenstaube, die zum weltweit bekannten Symbol wurde, schuf Picasso etwa hundert Zeichnungen; ihre Gestaltung beruht auf impressionistischen Stilmitteln. Im April 1949 wurde die Friedenstaube erstmals auf dem Pariser Kongress, dem „Congrès mondial des partisans de la paix“ ausgestellt. Weitere Tauben folgten für die Kongresse in Warschau und Wien

Buchillustrationen Picasso illustrierte Werke aus der griechischen Antike bis zu zeitgenössischer Literatur in bibliophilen Ausgaben. André Bretons Clair de terre aus dem Jahr 1923 enthält seine ersten Buchillustrationen. Das bekannteste Werk ist das von Vollard 1931 herausgegebene Le Chef d’Œuvre Inconnu (Das unbekannte Meisterwerk) von Honere de Balzac mit Illustrationen des Künstlers. Mit dem Protagonisten Frenhofer, einem Maler, verband ihn der Beruf und die Straße, in der jener gelebt hatte – die Rue des Grands-Augustins.

Bühnenbilder und -vorhänge, Kostüme Schon in frühen Jahren hatte Picasso das Theater als Inspirationsquelle für seine Kunst entdeckt. Ab 1905 hatte er den melancholischen Harlekin und traurige Artisten als Motive seiner Gemälde gewählt. Die Auseinandersetzung mit dem Theater zieht sich durch sein gesamtes Werk.. Die Frankfurter Schirn zeigte Ende 2006 bis Anfang 2007 mehr als 140 Werke: Entwürfe für Bühnenbilder, Fotografien, Kostüme, Bühnenvorhänge, Zeichnungen und Gemälde. Viele originale Bühnenbilder und Kostüme sind jedoch zerstört oder verschollen. Von den ursprünglichen Choreografien existieren oft nur noch wenige Schwarz-Weiß-Fotografien.

Keramik Im Frühjahr 1947 bezog Picasso ein Atelier in dem französischen Ort Vallauris, nachdem er im Jahr zuvor bei der jährlichen Töpferausstellung zufällig Suzanne und Georges Ramie, die Eigentümer der Werkstatt Madoura, einer Keramikfabrik, getroffen hatte. Picasso unternahm seine ersten Versuche mit Keramik und beschloss, sich dieser Kunst zu widmen. Seine Vorgehensweise war unorthodox. Er schuf Faune und Nympfen aus dem Ton, goss die Erde wie Bronze, dekorierte Platten und Teller mit seinen bevorzugten Motiven wie Stierkampf, Frauen, Eulen, Ziegen, benutzte ungewöhnliche Unterlagen (Pignates-Scherben, Brennkapseln oder zerbrochene Ziegel) und erfand eine weiße Tonmasse aus nicht emaillierter, mit Reliefs versehener Keramik. Innerhalb von zwanzig Jahren schuf Picasso eine große Anzahl keramischer Originalwerke.

Luminografie Obwohl sich Picasso selbst wenig mit der Fotografie befasste, wusste er die Möglichkeiten des Mediums durchaus für seine künstlerischen Experimente zu nutzen. So entstand 1949 in Vallauris in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Gion Mili eine Serie von Lichtmalereien, sogenannte Luminographen. Picasso tauschte dazu den Zeichenstift mit einer Taschenlampe und malte in einem abgedunkelten Raum vor Milis Kamera Figuren in die Luft.

Neben seinem bildnerischen Werk hinterließ Pablo Picasso Dutzende von Gedichten. Seine Texte finden sich in der Literaturliste unter Peter Schifferli: Pablo Picasso. Wort und Bekenntnis. Die gesammelten Dichtungen und Zeugnisse.

Zudem trat Picasso als Dramatiker in Erscheinung. Unter dem Eindruck der deutschen Besatzung von Paris und eines harten Winters entstand 1941 in nur wenigen Tagen das Stück Le Désir attrapé par la queue, das zuerst in der Zeitschrift Message erschien und im März 1944

Paul Celan übersetzte dieses Drama unter dem Titel Wie man Wünsche beim Schwanz packt ins Deutsche. Seine deutschsprachige Erstaufführung fand 1956 im Kleintheater Bern statt. Der Deutschlandfunk schrieb anlässlich der vom SDR 1980 produzierten Hörspielversion dieser „dadaistischen, erotischen Komödie“: „Das vom Geist der Psychoanalyse inspirierte Stück ist eine (aber)witzige Collage absurder Szenen und surrealer Begegnungen eines Dichters, in der Traumbilder und Elemente der realen Welt zu einer befremdlichen Synthese verschmelzen.“

1948 schrieb Picasso ein weiteres Schauspiel Les quatre petites, das unter dem Titel Vier kleine Mädchen ins Deutsche übersetzt und 1981 in London uraufgeführt wurde.

Picassos Landsmann Salvador Dali reiste 1926 zum ersten Mal nach Paris und besuchte Picasso. „Als ich bei Picasso ankam, war ich so tief bewegt und voller Respekt, als hätte ich eine Audienz beim Papst“. Im Jahr 1934 lieh Picasso Dalí das Geld für eine Überfahrt in die USA, das Dalí nie zurückzahlen sollte. Die Wertschätzung sollte sich später ändern, sie wurden Konkurrenten und Dalí im Gegensatz zu Picasso ein Anhänger Francos.

Der Schriftsteller Andre Breton lobt in seiner Schrift Der Surrealismus und die Malerei aus dem Jahr 1928 den Künstler: „Man muß bar sein allen Vorstellungsvermögens von der außerordentlichen Prädestination Picassos, um auch nur zu wagen, ein Nachlassen bei ihm zu befürchten. O Picasso, der Du den Geist bis zu seinem höchsten Grade nicht des Widerspruchs, aber der Befreiung getrieben hast […].“

Der Galerist Vollard berichtet in seiner Schrift Erinnerungen eines Kunsthändlers 1936 über die Reaktion des Publikums anlässlich der Ausstellungen seiner Werke: „Jedes neue Werk Picassos entsetzt das Publikum, bis das Erstaunen sich in Bewunderung verwandelt.“

Kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts war so umstritten und keiner ist so berühmt geworden wie Picasso. Keiner war so früh schon, so lange und schließlich so übereinstimmend als der entscheidende Künstler seiner Epoche gedeutet worden. Keiner wurde so oft zum Thema in Dichtungen oder Filmen. Schon Picassos Vater soll dem Sohn die Ehre erwiesen haben wie das von Sabartés wiedergegebene Zitat Picassos zeigt: „Da gab er mir seine Farben und seine Pinsel und hat nie mehr gemalt“. Der Vater soll dies zu einem Zeitpunkt getan haben, als der junge Pablo von ihm nichts mehr lernen konnte.

Die Meinungen über Picasso zeigen alle Extreme der gängigen Auffassungen von der Moderne und steigerten sich ins Unübersehbare- Bereits die beachtliche Menge an biografischer Überlieferung stellt „nur einen Tropfen“ dar im Vergleich zu dem seit Jahrzehnten fließenden Strom von Stellungnahmen, Kritiken, Untersuchungen und Büchern zum Werk Picassos. Nach William Rubin repräsentiert das Werk Picassos durch die „Vielfalt seiner Stile, dem Abwechslungsreichtum und seiner Schöpferkraft die Kunst des 20. Jahrhunderts als Ganzes.“

2002 zeigte das Bucerius Kunst Forum in Hamburg die Ausstellung „Picasso und die Mythen“. Petra Kipphoff rezensierte in der Zeit: „Picasso und die Frauen, Picasso und die Kinder, Picasso und der Tod, Picasso und der Krieg, Picasso, der Maler, der Plastiker, der Zeichner, der Grafiker: Kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts ist so viel ausgestellt, so extensiv publiziert und kommentiert worden. […] Für den Spanier und bekennenden Macho Pablo Picasso aber war der Stier der Fixpunkt der Mythen und die präferierte andere Identität. Der Minotaurus , Ergebnis eines sorgfältig vorbereiteten Seitensprungs der kretischen Königin Pasiphae mit einem Stier, ist der Anfang aller Männlichkeitssagen. Picasso hat ihn nicht nur immer wieder zitiert, sondern spielt selber auch mit der Doppelrolle von Mann und Stier, mal heiter, mal aggressiv. Und dass der Mythos der Vorzeit sich auch seine Bestätigung auf der Straße im 20. Jahrhundert holen kann, zeigt der berühmte Stierschädel von 1942, bei dem Picasso den Sattel und die Lenkstange eines Fahrrades so montierte, dass in der Tat die Silhouette eines Stierkopfes sichtbar wird.“

69 Exponate von zeitgenössischen Künstlern, die Picasso und sein Werk zitieren, präsentierte eine Ausstellung mit dem Titel „Hommage à Picasso“ anlässlich der 1000-Jahresfeier der Stadt Kronach im Jahr 2003. Die Künstler hatten ihm ihre künstlerische Reverenz zu seinem 90. Geburtstag im Jahr 1971 erweisen wollen. Die präsentierten Linolschnitte, Radierungen und Lithografien stammen aus den Jahren 1971 bis 1974, und wurden 1973 und 1974 erstmals in einem Mappenwerk, herausgegeben vom Propyläen Verlag, Berlin, und der Pantheon Presse, Rom, publiziert.

Die Deutsche Guggenheim zeigte 2006 eine von der Konzeptkünstlerin Hanne Darboven als Auftragsarbeit aktualisierte und erweiterte Version ihrer Arbeit Hommage à Picasso aus den Jahren 1995/96. Darboven stellte 9720 Schriftblätter in 270 Rahmen in einer Rauminstallation eine Kopie von Picassos Gemälde Sitzende Frau im türkischen Kostüm gegenüber, – sein Original entstand 1955 – die durch eine Serie von Skulpturen, einer bronzenen Büste Picassos bis hin zu aus Birkenzweigen geflochtenen Eseln komplettiert wurde. Ein weiterer Teil der Arbeit war Opus 60, eine während der Ausstellung aufgeführte musikalische Komposition.

Nachdem bereits 1992/93 die Neue Nationalgalerie, Berlin in der Ausstellung „Picasso, Die Zeit nach Guernica 1937–1973“ das Spätwerk des Künstlers zeigten, fand anlässlich von Picassos 125. Geburtstag in Ausstellungen der Albertina, Wien und der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, unter dem Titel „Picasso – Malen gegen die Zeit“ im Jahr 2006 eine Neubewertung von Picassos Spätwerk statt, das lange Zeit in der Kritik gestanden hatte. „Unzusammenhängende Schmierereien, ausgeführt von einem rasenden Greis im Vorzimmer des Todes“, urteilte beispielsweise der Sammler und Kunsthistoriker Douglas Cooper über das verstörende wilde Spätwerk Picassos.

Den Katalog zur Ausstellung gab Werner Spies heraus, der Picasso persönlich gekannt hatte und als ausgezeichneter Experte seines Werkes gilt. „Pablo Picasso hat die Kunst des 20. Jahrhunderts so nachhaltig geprägt wie kein zweiter. Unter den zahlreichen Phasen und Stilperioden in seinem Schaffen nimmt das Alterswerk eine besondere Stellung ein. Seine späten Bilder, die mit allen Fasern an Sinnlichkeit und Umarmung hängen, die Kuss und Kopulation in Großaufnahmen zeigen, sind geprägt von einer großen Rastlosigkeit, die darauf zielt, den Tod zu exorzieren. Den meisterhaft schnellen, ‚wilden‘ Gemälden stehen technisch akribisch ausgeführte Zeichnungen gegenüber, in denen eine einzigartige Erzählfreude vorherrscht. Anhand von fast 200 Werken – Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und Skulpturen – die besondere Arbeitsweise und Dialektik von Picassos später Kunst. Vor allem der spannungsvolle Dialog von Malerei und Zeichnung, entwickelt in den Jahren in Mougins, zeigt den größten Künstler des 20. Jahrhunderts im Wettlauf mit der ihm noch verbleibenden

Die Deutsche Guggenheim zeigte 2006 eine von der Konzeptkünstlerin Hanne Darboven als Auftragsarbeit aktualisierte und erweiterte Version ihrer Arbeit Hommage à Picasso aus den Jahren 1995/96. Darboven stellte 9720 Schriftblätter in 270 Rahmen in einer Rauminstallation eine Kopie von Picassos Gemälde Sitzende Frau im türkischen Kostüm gegenüber, – sein Original entstand 1955 – die durch eine Serie von Skulpturen, einer bronzenen Büste Picassos bis hin zu aus Birkenzweigen geflochtenen Eseln komplettiert wurde. Ein weiterer Teil der Arbeit war Opus 60, eine während der Ausstellung aufgeführte musikalische Komposition.

Nachdem bereits 1992/93 die Hamburger Kunsthalle und die Neue Nationalgelerie, Berlin in der Ausstellung „Picasso, Die Zeit nach Guernica 1937–1973“ das Spätwerk des Künstlers zeigten, fand anlässlich von Picassos 125. Geburtstag in Ausstellungen der Albertina Wien und der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, unter dem Titel „Picasso – Malen gegen die Zeit“ im Jahr 2006 eine Neubewertung von Picassos Spätwerk statt, das lange Zeit in der Kritik gestanden hatte. „Unzusammenhängende Schmierereien, ausgeführt von einem rasenden Greis im Vorzimmer des Todes“, urteilte beispielsweise der Sammler und Kunsthistoriker Douglas Cooper über das verstörende wilde Spätwerk Picassos.

Den Katalog zur Ausstellung gab Werner Spies heraus, der Picasso persönlich gekannt hatte und als ausgezeichneter Experte seines Werkes gilt. „Pablo Picasso hat die Kunst des 20. Jahrhunderts so nachhaltig geprägt wie kein zweiter. Unter den zahlreichen Phasen und Stilperioden in seinem Schaffen nimmt das Alterswerk eine besondere Stellung ein. Seine späten Bilder, die mit allen Fasern an Sinnlichkeit und Umarmung hängen, die Kuss und Kopulation in Großaufnahmen zeigen, sind geprägt von einer großen Rastlosigkeit, die darauf zielt, den Tod zu exorzieren. Den meisterhaft schnellen, ‚wilden‘ Gemälden stehen technisch akribisch ausgeführte Zeichnungen gegenüber, in denen eine einzigartige Erzählfreude vorherrscht. Anhand von fast 200 Werken – Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und Skulpturen – die besondere Arbeitsweise und Dialektik von Picassos später Kunst. Vor allem der spannungsvolle Dialog von Malerei und Zeichnung, entwickelt in den Jahren in Mougins, zeigt den größten Künstler des 20. Jahrhunderts im Wettlauf mit der ihm noch verbleibenden

Picassos Bild Mädchen mit Taube spielt eine zentrale Rolle in der von Adolf Kabatek ersonnenen Disney -Geschichte Picasso-Raub in Barcelona (1985), ein Comic, in der Dagobert Duck mit seiner Verwandtschaft allerlei Abenteuer in und um Barcelona erleben. In dem 184-minütigen Dokumentarfilm 13 Tage im Leben von Pablo Picasso (Frankreich 1999, ARTE-Edition/absolut Medien), hergestellt von Pierre Daix, Pierre Philippe und Pierre-André Boutang, werden dreizehn Tage, die Wendepunkte in Picassos Leben darstellen, anhand von Kunstwerken, Skizzenbüchern, Gesprächen und Filmausschnitten dokumentiert.

Der anderthalbstündige Fernsehfilm Matisse & Picasso: A Gentle Rivalry entstand im Jahr 2000; er befasst sich mit den Porträts der zwei „Giganten“ in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Er zeigt selten veröffentlichte Fotografien ihrer Gemälde und Skulpturen sowie Fotos und Filme aus Archiven, die sie bei der Arbeit zeigen.

Der italienische Dramatiker und Maler Dario Fo verfasste das Bühnenstück Picasso desnudo, das 2012 uraufgeführt wurde. Die hierfür entstandenen Bilder empfand er selbst nach als „Falso Picasso“, da ihm die Bildrechte zu teuer erschienen. Sie wurden im November 2014 in einer Stuttgarter Galerie gezeigt.

Die 2013 entstandene Dokumentation, Picasso, l’inventaire d’une vie (in der deutschen Fassung Looking for Picasso), zeigt chronologisch viele seiner Werke wie in einem Tagebuch, insbesondere auch bis dahin nicht gezeigte Werke aus dem persönlichen Nachlass. Seine Kernthese ist, Françoise Gilot zitierend, ebenso John Richardson, einem Wechsel in der Beziehung zu Frauen folgte bei Picasso ein Stilwechsel. Sie enthält Interviews mit Familienmitgliedern, Freunden, Anwälten und Biografen.

Bei Picassos früherem Elektriker Pierre Le Guennec und seiner Frau wurden 2010 271 bisher unbekannte Werke Picassos entdeckt, die angeblich in Guennecs Garage 40 Jahre lang lagerten und als Lohn für handwerkliche Arbeiten deklariert wurden. Ein sich anschließender Prozess wegen Hehlerei wurde im März 2015 mit einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung abgeschlossen.

Kubismus

Das Wort Kubismus ist abgeleitet von frz. cube bzw. lat. cubus für Würfel. Charles Morice verwendete den Begriff in einem Artikel vom 16. April 1909 im Mercure de France über Bilder Braques aus dem Salon des Indépendants. Louis Vauxcelles etablierte dann den Begriff cubisme in seinem Bericht über die Arbeiten Braques im Salon von 1909. Von nun an wurden die jüngsten Gemälde Pablo Picassos und Georges Braques der neu geschaffenen Stilrichtung zugeordnet. Nach Angaben von Guillaume Apollinaire hatte zuerst Henri Matisse bei der Betrachtung eines Landschaftsbildes von Braque im Herbst 1908 von „petits cubes“ gesprochen.

Der Galerist und Kunsthistoriker Daniel-Henry Kahnweiler schrieb in seinem 1920 erschienenen Buch Der Weg zum Kubismus, man solle den Namen nicht als Programm auffassen, weil man sonst „zu falschen Schlüssen“ gelange. Der Name und die zu Beginn der Bewegung in Frankreich weit verbreitete Bezeichnung als geometrischer Stil erwuchsen aus dem Eindruck der ersten Betrachter, die in den Gemälden geometrische Formen sahen. Die von Picasso und Braque gewünschte Sehvorstellung bestehe jedoch nicht in geometrischen Formen, sondern in der Darstellung der wiedergegebenen Gegenstände und dem Aufbau des Gemäldes.

Die frühen Bilder und der Begriff selbst erweckten jedoch den Eindruck, dass sich der Kubismus an der geometrisierenden Abstraktion der Form orientiere. Diese Sichtweise wurde durch die Arbeiten der Puteaux-Gruppe unterstützt. So wurde dem Publikum in der Schrift Du cubisme aus dem Jahr 1912 diese eingängigere Vorstellung dargeboten.

Unabhängig davon, wo man den Ursprung des Kubismus ausmacht, hat Pablo Picasso mit seinem großformatigen Gemälde Les Demoiselles d’Avignon (1906–1907) den Grundstein für das kubistische Denken gelegt. Die Demoiselles d’Avignon veränderten Natur und Begriff der Malerei selbst. Zuvor ging es darum, eine Illusion zu schaffen, die die Gegenstände räumlich und plastisch zeigte. Diese Darstellungsweise änderte sich nun.

Der Kubismus löste sich von den Fundamenten der bisherigen Malerei. Er kann auf zweierlei Art und Weise gelesen werden:

  1. als endgültiger Bruch. Das kubistische Bild möchte nun nicht mehr die (scheinbare) Welt darstellen. Stattdessen geht es in erster Linie darum, den Raum eines Gemäldes formal zu gliedern und die entstehenden Werte- und Kräfteverteilungen miteinander in Einklang zu bringen.
  2. oder aber er wird als konzeptioneller Bruch mit den seit der Renaissance vorherrschenden Regeln gesehen: Ausschaltung des traditionellen Chiaroscuro der Perspektive und des geschickten, handwerklichen Pinselstrichs.

Die Entwicklung des Kubismus wird in den kunsthistorischen Rezensionen als das größte Abenteuer der Kunst des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Durch die im Kubismus hervortretende dynamische Entwicklung und Verkettung von Einsichten und Entdeckungen schälte sich allmählich eine visuelle Dialektik für die Kunst des 20. Jahrhunderts heraus. Das wichtige Vermächtnis für die nachfolgenden Generationen liegt in der Umsetzung der Definition der Malerei Leonardos als cosa mentale – Angelegenheit des Geistes – in das 20. Jahrhundert.

Seit der Renaissance (ca. 16./17. Jahrhundert) lag der Sinn und die Aufgabe der Malerei darin, etwas bildhaft mitzuteilen. Die Malerei sollte die Natur nachahmen und ihre Erscheinungen illustrieren. Doch in der Mitte des 18. Jahrhunderts begann man, die Aufgaben der Malerei neu zu überdenken und das reine Abbilden rückte in den Vordergrund. Dann um 1800 zog man auch in Zweifel, dass die Malerei die (scheinbare) Welt abbilden könne, denn dies gelang ihr nur mit Illusionen, mit Mechanismen, die im Grunde rein technisch und auch unzuverlässig seien. Man löste die Mittel der Malerei, Zeichnung und Farbe, von ihren bisherigen Aufgaben und erkannte sie als etwas Selbstständiges an. Vordergründig war nun die ästhetische Wirkung des Bildes.

Mussten zuvor Inhalt und Form, Botschaft und Aussehen übereinstimmen, so war jetzt die Form wichtig. Form wurde Inhalt. Die damalige Philosophie lehrte, dass Anschauung, Begriff und Erkenntnis zusammengehören. Darauf aufbauend sollte die Malerei als reine Anschauungsform ihren geistigen Gehalt erlangen. Sowohl die französische Kunst des 19. Jahrhunderts als auch die damit nicht gleichlaufende nordische Kunst seit der deutschen Romantik drängten zu einer immer größeren Selbstständigkeit des Bildes.

Im 19. Jahrhundert entschieden nahezu allein die offiziellen Salons über die Anerkennung von Künstlern. Im weiteren Verlauf, etwa ab 1884, entzündeten sich die Diskussionen an Salon- und Anti-Salon-Kunst. Seit etwa 1900 war es dann vor allem der Kunsthandel im Verein mit einer mehr oder weniger unabhängigen Publizistik, der die Entwicklung lenkte. In den Galerien fanden die meisten wichtigen Werkübersichten avantgardistischer Kunst statt. Sie fungierten auch als Mittler zwischen den Ateliers und der Öffentlichkeit. Bestimmte Künstler wurden exklusiv aufgebaut und vermarktet: ein frühes Indiz für eine mit der bürgerlichen Gesellschaft auftretenden Kommerzialisierung der Kunst.

Die kubistische Entwicklung begann im Jahr 1906 im Werk Picassos. Sie fand in Arbeiten wie Brustbild einer Frau mit gefalteten Händen ihren ersten Ausdruck. Diese Periode Picassos wird protokubistische Phase genannt.

Er setzte sich nicht nur mit den Werken von Paolo Uccello, von Piero della Francesca, von El Greco, von Nicolas Poussin, von Jean-Auguste-Dominique Ingres und von Paul Cézanne auseinander, sondern auch mit „primitiver“ Kunst- Am Ende dieses Weges stand der Durchbruch zu einer Neuformulierung der Malerei. Seine in diesen Jahren betriebenen Vorstöße fanden mit dem berühmten Bild Les Demoiselles d’Avignon im Sommer 1907 ihren vorläufigen Abschluss. Josep Palau i Fabre sieht in dem Werk eine Art Superfauvismus so wurden die Demoiselles ebenso durch das Gemälde Le bonheur de vivre (1905/06) von Henri Matisse motiviert. Mit den Les Demoiselles d’Avignon leitete der junge Spanier neben Matisse und Derain die Diskussion um die Moderne ein.

Die ausführliche Retrospektive des Werks von Paul Cézanne im Herbstsalon 1907 beschäftigte die jungen Maler der damaligen Zeit, insbesondere Picasso, Braque und Derain. Der freiere Umgang Cézannes mit dem Naturvorbild, Form und Farbperspektive und dessen formale und analytische Vorgehensweise wurde zum Bezugspunkt des Umbruchs von 1907. Über den Einfluss Cézannes in dieser Periode sagte Braque später: „Es war mehr als ein Einfluß, es war eine Initiation. Cézanne war der erste, der sich von der gelehrten mechanischen Perspektive abwandte.“

Kahnweiler, der Galerist Picassos und Braques, notierte, Derain habe Cézannes Lehre erfasst und ihnen dessen neue Gedanken vermittelt. Es führt eine direkte Linie von Cézannes Badenden zu Matisse' Nu bleu: souvenir de Biskra (Blauer Akt (Erinnerung an Biskra)) und Derains Baigneuses (Badende) bis schließlich zu Les Demoiselles d'Avignon.

Nach Berichten des Schriftstellers Guillaume Apollinaire entstand der Kubismus aus der Begegnung und Auseinandersetzung Picassos mit Derain im Jahre 1906. Die kunsthistorische Rezension bezieht die Geburt des Kubismus auf den sechsjährigen Dialog

Ende des Jahres 1907 sah Braque die Demoiselles d’Avignon in Picassos Atelier im Bateau-Lavoir- Seine erste Reaktion war negativ: „Mit ihren Bildern wollen Sie anscheinend bei uns das Gefühl erwecken, Stricke schlucken und Kerosin trinken zu müssen.“ Auch Henri Matisse und André Derain äußerten sich ablehnend. Von nun an wurde in Picassos Atelier über seine weiteren Arbeiten und die Braques aus dem Fischerdorf L’Estaque, die im Sommer 1907 entstanden, diskutiert.

Während Picasso seine Arbeiten selten öffentlich zeigte, präsentierten Braque und Derain im März 1908 ihre neuen Werke im Salon des Indépendants. Die Schriftstellerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein berichtete: „Wir […] sahen […] zwei große Bilder, die sich ziemlich ähnlich sahen. Das eine ist von Braque, das andere von Derain, […] Die Bilder erschienen uns fremdartig, mit seltsam geformten Figuren wie aus Holzblöcken.“

Verdächtigte Picasso Braque im Frühjahr noch, seine Arbeiten verwerten zu wollen, ohne den Zusammenhang mit dem Urheber zu kennzeichnen, so verglichen sie im Herbst 1908 ihre im Sommer geschaffenen Werke. Die Bilder waren merkwürdig ähnlich, etwa Maisonette dans un jardin von Picasso und Häuser in L’Estaque von Braque.

Die im Herbstsalon (Salon d’Automne) 1908 abgelehnten Bilder Braques wurden in der Galerie Kahnweiler gezeigt. Die Ausstellung eröffnete am 9. November 1908, ein Tag nach Ende des Herbstsalons. Sie erregte in Künstlerkreisen viel Aufsehen. Louis Vauxcelles brachte die Werke in seiner Kritik im Gil Blas vom 14. November 1908 als erstes mit dem Begriff der „cubes“ in Verbindung: „Er verachtet Formen, reduziert alles […] auf geometrische Grundformen, auf Kuben.“ Einige Monate später nennt er diesen Stil „kubistisch“ und Ende 1909 ist dieser Ausdruck bei allen Malern und Kritikern in Gebrauch.

Ende des Jahres 1908 begannen Braque und Picasso, oft unter der Teilnahme Derains, einen regen Dialog zu führen. Braque erinnerte sich später: „Es dauerte nicht lange, und ich tauschte mich täglich mit Picasso aus; wir diskutierten und prüften die Ideen des anderen, […] und verglichen unsere jeweiligen Arbeiten.“ Die nun beginnende gemeinsame Schaffensperiode der beiden Künstler erlangte durch den Ausdruck „la cordée“ (die Seilschaft) Berühmtheit. Ihre Zusammenarbeit war derart eng und partnerschaftlich, dass sie sich mit den Brüdern Wright, den Flugpionieren, verglichen und wie Mechaniker kleideten. Derain entfernte sich 1911 von den Bestrebungen des Kubismus.

„Man hat den Kubismus mathematisch, geometrisch, psychoanalytisch zu erklären versucht. Das ist pure Literatur. Der Kubismus hat plastische Ziele. Wir sehen darin nur ein Mittel, das auszudrücken, was wir mit dem Auge und dem Geist wahrnehmen, unter Ausnützung der ganzen Möglichkeiten, die in den wesenhaften Eigenschaften von Zeichnung und Farbe liegen. Das wurde uns eine Quelle unerwarteter Freuden, eine Quelle der Entdeckungen.“

Ausgangspunkt des Kubismus war, den „uralten“ Widerstreit eines Gemäldes aufzuheben: der Veranschaulichung der Form – die Darstellung des Dreidimensionalen und seiner Lage im Raum – auf der zweidimensionalen Fläche unter Wahrung der Einheit des Werks. Es gestaltete sich ein Formenlyrismus oder mit Picassos Worten gesagt: „Kubismus ist nie etwas anderes gewesen als dies: Malen um der Malerei willen, unter Ausschluss aller Begriffe von nicht wesentlicher Wirklichkeit. Die Farbe spielt eine Rolle in dem Sinn, dass sie zur Darstellung der Volumen hilft.“ Braque und Picasso verließen so den Weg, die größtmögliche Naturwahrscheinlichkeit – die „wirkliche“ Form und die „wirkliche“ Farbe – des Darzustellenden zu bewahren.

Die ersten Werke Braques liefern ein entscheidendes strukturelles Vorbild für das Scheinrelief des frühen Kubismus. Mit dem maßstabsetzenden Bild Violine und Krug, Anfang 1910 vollendet, entspricht die Qualität seines Werks in vollem Maß seiner Erfindungskraft. Eine Arbeit Picassos aus der frühkubistischen Phase ist Die Dryade (Akt im Wald) aus dem Frühjahr–Herbst 1908.

Braque schloss sich nach der XXV. Ausstellung des Salon des Indépendants im Jahre 1909 der Entscheidung Picassos an, nicht mehr im Salon auszustellen. Die Arbeiten Picassos, die zuvor bereits selten öffentlich zu sehen waren, und Braques waren nur in den Galerieausstellungen bei Kahnweiler und Ambroise Vollard präsent. Zwischen 1908 und 1913 signierten Picasso und Braque ihre Bilder entweder überhaupt nicht oder nachträglich auf der Rückseite. Sie waren von dem Wunsch geleitet, den Charakter des Persönlichen auszuschalten.

Der Begriff analytischer Kubismus geht auf die Schrift Der Weg zum Kubismus von Kahnweiler aus dem Jahr 1920 zurück. Im analytischen Kubismus wurde die geschlossene Form der dargestellten Körper zugunsten des Formenrhythmus aufgebrochen. Die Körperlichkeit der Dinge und ihre Lage im Raum konnten auf diese Weise dargestellt werden, ohne sie durch illusionistische Mittel vorzutäuschen.

In der nun beginnenden Hauptphase des Kubismus vollzog sich ein Wandel in der Malerei. Seit der Renaissance hatte man das Licht als Farbe auf der Oberfläche des Körpers zu malen gesucht, um so die Form auf der Bildfläche vorzutäuschen. Der Farbe – als sichtbar gewordenes Licht – oblag als Helldunkel, die Form zu gestalten. Sie konnte so nicht zugleich als Lokalfarbe angebracht, noch überhaupt als „Farbe“ gebraucht werden, sondern vielmehr als objektiviertes Licht. Die Lichtführung spielte in den Arbeiten des analytischen Kubismus Picassos und Braques nun eine untergeordnete Rolle. In den Gemälden wurde nicht festgelegt, von welcher Seite das Licht kommt.

Auch die notwendig eintretende „Deformation“ der Körper im Bild störte die beiden Maler in ihren frühen Arbeiten, etwa in Die Dryade von Picasso. Sie wirkte bei vielen Beschauern quälend. Es entstand in ihnen der Konflikt zwischen der Deformation des „realen Gegenstandes“ als Ergebnis des „Formenrhythmus“, im Gegensatz zu den Erinnerungsbildern vom gleichen Gegenstand. Dies aber war unvermeidlich, solange eine auch nur entfernte „Naturähnlichkeit“ des Kunstwerkes diesen Konflikt auslöse.

Picasso und Braque gingen nun nicht mehr von einem angenommenen Vordergrund aus, sondern von einem festgelegten und dargestellten Hintergrund. Von diesem Hintergrund ausgehend malten sie nun nach vorne, in dem die Lage jedes Körpers deutlich durch sein Verhältnis zum festgelegten Hintergrund und den anderen Körpern dargestellt wurde. Auf diese Weise wurde die herkömmliche Aufteilung eines Bildes in Vorder-, Mittel- und Hintergrund aufgehoben.

Die Darstellungsweise ermöglicht es, die Bildgegenstände gleichzeitig (simultan) aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten (polyvalente Perspektive). Der Begriff der Simultaneität ist so in der kunsthistorischen Rezension zu einem Leitwort des Kubismus erwachsen. Oft erscheinen manche Bildteile transparent, wodurch simultan mehrere Ebenen sichtbar sind. Auf diese Weise entsteht die Wirkung einer „kristallinen“ Struktur.

Die beiden Künstler erweiterten die Ebene der Zeichenverwendung im Bild, verarbeiteten Symbole und setzten dagegen inhaltsfreie Farbstrukturen. Dieser Mechanismus wurde im Jahr 1910 bis an die Grenze der reinen Abstraktion geführt, wie etwa in Der Gitarrenspieler oder Die Klarinette. Sie erhoben den Prozess der Bilderfindung und -gestaltung selbst zum Gegenstand ihrer Bilder.

Mit den kubistischen Bildern konfrontiert, fühlten sich einige Künstler ästhetisch berührt. Sie ersannen schon sehr bald Theorien, was der Kubismus sei und was er sein solle.

Zu ihnen zählen die Maler Fernand Léger, Robert Delaunay, Marcel Duchamp, Jacques Villon, Francis Picabia, Roger de La Fresnaye, Henri Le Fauconnier, Albert Gleizes, Jean Metzinger, eine Zeitlang Raoul Dufy und Othon Friesz, André Lhote, Moise Kisling, Auguste Herbin, Léopold Survage, Louis Marcoussis, Diego Rivera, Piet Mondrian und die Bildhauer Alexander Archipenko, Constantin Brâncuși, Jacques Lipchitz und Raymond Duchamp-Villon Mehrere dieser Künstler schlossen sich 1910 mit Apollinaire zur Groupe de Puteaux zusammen, in der sich auch der Amerikaner Walter Pach bewegte. Ihr Treffpunkt bildete das Haus von Jacques Villon in Puteaux. Sie nannten sich nun Kubisten und erlebten im Frühjahr 1911 im Salon des Indépendants ihren öffentlichen Durchbruch. Die ausgestellten Bilder sind an der geometrisierenden Abstraktion der Form orientiert, wie sie die vom Kubus abgeleitete Begriffsbildung suggeriert. Fast alle Gemälde lassen sich als „gefällige“ Varianten von Picassos und Braques früher Phase um 1908 begreifen.

Jacques Villon beschrieb sich selbst als Impressionist-Kubisten. Werke aus dem Jahr 1911 sind Die Teestunde von Jean Metzinger, Der See von Henri Le Fauconnier und Die Kathedrale von Chartres von Albert Gleizes aus dem Jahr 1912.

Eine Ausnahme bildete das von Fernand Léger ausgestellte Bild Akte im Wald (Nus dans la forêt). Es veranlasste den Kunstkritiker Louis Vauxcelles dazu, im Zusammenhang mit Légers Kunst nicht mehr von Kubismus, sondern von Tubismus (Röhrenkunst) zu sprechen. Légers späterer Umgang mit der Farbe wird als vereinzelte Erscheinung innerhalb des Kubismus angesehen, etwa Der Rauch aus dem Jahr 1912. Er nimmt eine gesonderte Stellung ein und erweiterte die Bildthemen des Kubismus durch eine neue und aktuelle Thematik: die Beziehung zwischen Mensch, Maschine und Technik.

Robert Delaunay begann von 1909 bis 1912 eine Bildfolge zum Eiffelturm. Das Bild Durchblick auf den Eiffelturm aus dem Jahr 1910 zeigt den Eiffelturm durch ein Fenster gesehen. Als die reine Farbe zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Bilder wurde, taufte Apollinaire diesen Stil im Jahr 1912 Orphismus.

Marcel Duchamp integrierte die Bewegung in das kubistische Bild. Er reichte 1912 sein Bild Nu descendant un escalier no. 2 (Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2) in den Salon des Indépendants ein, wo es von den übrigen Mitgliedern der Gruppe abgelehnt wurde. In der Kunstgeschichte wird es zu den Schlüsselwerken der Malerei des 20. Jahrhunderts gezählt, da es die Bestrebungen des Futurismus, die Darstellung der Bewegung im Bild, beinhaltet.

Von kunsttheoretischer Seite werden die Werke der Spätkubisten mit einer zunehmenden Humanisierung des Kubismus in Verbindung gebracht. Im Laufe der Zeit gaben viele Künstler der Puteaux-Gruppe das Objekt und mit ihm jeden Bezug zur Wirklichkeit gänzlich auf. Ihre Bilder wurden völlig abstrakt. Im Gegensatz zur Groupe de Puteaux lehnten Picasso und Braque den Weg zur reinen Abstraktion ab. Aus ihrer Sicht missverstehe und fälsche man den Aufbau eines Kunstwerks, den sie als Cézannes höchstes Verdienst nennen, wenn man glaube, zu ihm gelangt zu sein, indem man die Fläche eines Gemäldes einzig in angenehme Verhältnisse zergliedert. Eine solche Tendenz bahne nur den Weg zur tiefsten Erniedrigung der Malerei zum reinen Schmuckwerk, zur Ornamentik.

Die Puteaux-Gruppe trat ab 1912 auch unter dem Namen Section d’Or auf, einer Ausstellungsgemeinschaft, der auch Juan Gris angehörte.

Der synthetische Kubismus baut im Wesentlichen auf die von Pablo Picasso, Georges Braque, später auch von Juan Gris praktizierte Collagetechnik, das papier collé, auf. Zu den papier collés, die als Grundlage aller nachfolgenden Collage-Techniken bis hin zum Ready-made zu sehen ist, wurden Braque und Picasso durch ihre zuvor entstandenen dreidimensionalen Konstruktionen, die Papierplastiken, angeregt, die sie aus Papier und Karton, Picasso später aus Blech, fertigten.

Mit Braques Bild Compotier, bouteille et verre (Obstschale, Flasche und Glas) (1912) entstand das erste papier collé. Von nun an tauchten Papier, Zeitung, Tapete, imitierte Holzmaserung, Sägespäne, Sand und ähnliche Materialien in ihren Bildern auf. Die Grenzen zwischen gemaltem und realem Gegenstand bis hin zum Objekt gehen fließend ineinander über. Die in dieser Weise bearbeiteten Bilder bekommen einen dinghaften, materiellen Charakter, der eine neue Realität des Bildes schafft.

Neben Picasso und Braque gilt Juan Gris als der Hauptvertreter des synthetischen Kubismus. Gris lebte seit 1908 im Bateau-Lavoir und traf dort auf Picasso. Sie waren Ateliernachbarn. Im Jahr 1911 begann Gris, sich mit dem Kubismus auseinanderzusetzen. Es entstehen seine ersten Arbeiten wie Maisons à Paris (Häuser in Paris).

Gris war ein Theoretiker und fügte die neuen Gestaltungsprinzipien in ein rationales System ein. Er war zeit seines Schaffens bemüht, sein künstlerisches Vorgehen auch theoretisch zu vermitteln. Picasso wiederum lehnte eine theoretische Herangehensweise an den Kubismus ganz und gar ab. Weder Picasso noch Braque hatten die Absicht, eine Schule ins Leben zu rufen. Es ging ihnen um eine Intelligenz, deren Reich weder die Domäne der Wissenschaft noch des Verbalen, sondern allein des Bildnerischen ist.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs änderte sich die Situation für die Künstler schlagartig. Viele von ihnen wurden zum Kriegsdienst einberufen. Die Puteaux-Gruppe löste sich nach 1914 auf. Der Informationsaustausch der Künstler kam fast gänzlich zum Erliegen. Der Kubismus als Bewegung ging in den Wirren des Ersten Weltkriegs unter. Ihr Weiterleben als Stilrichtung hat jedoch in der Kunstproduktion bis in unsere Tage nicht nachgelassen.

Am 2. August 1914 begleitete Picasso Braque und Derain, die ihren Stellungsbefehl erhalten hatten, zum Bahnhof in Avignon. Braque erlitt 1915 eine schwere Kopfverletzung und brauchte nach überstandener Operation länger als ein Jahr, um davon zu genesen. Der Krieg ließ die tiefe Freundschaft zwischen Picasso und Braque zerbrechen, dessen Wesensart sich infolge der schweren Kopfverletzungen verändert hatte.

Picasso erinnerte sich an seinen Abschied vom Kubismus: „Aus dem Kubismus hat man eine Art Körperkultur machen wollen. […] Daraus ist eine verkünstelte Kunst hervorgegangen, ohne echte Beziehung zur logischen Arbeit, die ich zu tun trachte.“

Die offiziellen Ausstellungen der Puteaux-Gruppe ab 1911 führten zu einer öffentlichen Diskussion um den Kubismus, die die Werke Picassos und Braques allgemein bekannt machte. Seit dem Salon des Indépendants von 1911 werden die Kubisten in zwei Gruppen unterteilt. Den sogenannten Salonkubisten standen die Galeriekubisten Braque und Picasso gegenüber. Eine Ausnahme bildete Fernand Léger, dessen Werke ab 1912 in der Galerie Kahnweiler gezeigt wurden. Der Zutritt zu den Ateliers von Braque und Picasso blieb den Salonkubisten verwehrt. Es kam in Serien von Presseberichten sogar in politischen Gremien zu heftigen Diskussionen. Die zweite Ausstellung der Puteaux-Kubisten im Salon des Indépendants 1912, deren Gruppe sich inzwischen vergrößert hatte, führte zu einem Skandal, der sich nur mit dem Wirbel um das Auftreten der Fauves 1905 vergleichen lässt.

Die Kontroversen traten bereits zutage, als sich die Künstler der Puteaux-Gruppe 1910/11 Kubisten nannten. In einer Rezension der Picasso-Ausstellung in der Galerie Vollard vom 20. Dezember 1910 bis Februar 1911 von André Salmon war daraufhin im Paris-Journal zu lesen: „Picasso hat keine Anhänger, und wir müssen die Unverfrorenheit derjenigen aushalten, die in Manifesten öffentlich behaupten, seine Anhänger zu sein, und andere leichtfertige Seelen in die Irre führen.“

In Zusammenarbeit mit dem als Maler, Illustrator und Kunstschriftsteller tätigen Gleizes verfasste Metzinger die theoretische Abhandlung Du cubisme (Über den Kubismus), die 1912 im Verlag Figuière in Paris erschien. In dieser Sammlung leicht verständlicher Formeln, die sich auf das Vorbild Cézanne beziehen, verweisen die Aussagen auf eine analytische Herangehensweise bei der Erstellung eines Bildes, die dem Verständnis des Kubismus nicht förderlich war. Ihre Bilder zeigen deutlich, dass die kubistisch arbeitenden Künstler zu sehr unterschiedlichen Mitteln gefunden hatten. Ungeachtet aller Kritik an der Veröffentlichung kam der Publikation aufgrund der wenigen Ausstellungen eine besondere Rolle als gesellschaftlicher Multiplikator zu.

Den zahlreichen Veröffentlichungen aus dem Kreis der Puteaux-Gruppe stellten sich nun ebenso viele der Literaten des Picasso-Kreises entgegen. 1912 publizierte André Salmon zwei Bücher, die heute noch als Quellenschriften zur Kunst der klassischen Moderne angesehen werden: die anekdotische Geschichte des Kubismus (Histoire anecdotique du cubisme) und eine Abhandlung über die neue Malerei in Frankreich (La jeune peinture française). Salmon machte als erster auf die Schlüsselrolle Picassos und seines Gemäldes Les Demoiselles d’Avignon für die Gründung des Kubismus aufmerksam.

Im März 1913 veröffentlichte Apollinaire mit Les peintres cubistes: médiations esthétiques eine Sammlung von Aufsätzen über den Kubismus und die Kubisten. In dieser Schrift wurde bereits versucht, die unterschiedlichen Fraktionen dieser Richtung zu ordnen und zu charakterisieren. Braque und Picasso werden dabei als „wissenschaftliche Kubisten“ aufgefasst. Picasso ließ seinen Galeristen und Vertrauten Kahnweiler wissen: „Ihre Nachrichten über die Diskussionen der Malerei sind wirklich traurig. Ich habe Apollinaires Buch über den Kubismus erhalten. Ich bin von diesem ganzen Geschwätz wirklich deprimiert.“

Im Jahr 1928 erschien in der Reihe der Bauhausbücher eine weitere Publikation Gleizes über den Kubismus. In dieser Schrift hebt der Verfasser den Widerstreit mit den Urhebern aufs Neue hervor: „Braque und Picasso stellten nur in der Galerie Kahnweiler aus, wo wir sie ignorierten.“ Gleizes schildert des Weiteren, dass der Begriff Kubismus 1910 noch nicht in Umlauf gewesen sei und erst durch die Präsentation der Werke der Puteaux-Gruppe im Salon des Indépendants im März 1911 publik wurde.

Der Galerist Daniel-Henry Kahnweiler war als wissenschaftlicher Autor und Ausstellungskurator maßgeblich für die Verbreitung des Kubismus als Kunststil verantwortlich. Er war einer der ersten Betrachter der Demoiselles d’Avignon und schloss 1907 seine ersten Exklusivverträge mit Derain, Braque und Vlaminck ab. 1911 nahm er erstmals Picasso unter Vertrag, im darauffolgenden Jahr Juan Gris und 1913 Fernand Léger.

In seiner 1920 im Delphin Verlag, München, erschienenen Publikation Der Weg zum Kubismus beschreibt Kahnweiler die Gedanken und den chronologischen Verlauf des Kubismus aus der Sicht der Galeriekubisten. Die Hauptteile der Schrift wurden bereits zwischen 1914 und 1915 verfasst, 1916 erstmals in Die Weißen Blätter in Zürich veröffentlicht, kriegsbedingt erschien sie 1920.

Die offiziellen Ausstellungen der Puteaux-Gruppe ab 1911 führten zu einer öffentlichen Diskussion um den Kubismus, die die Werke Picassos und Braques allgemein bekannt machte. Seit dem Salon des Indépendants von 1911 werden die Kubisten in zwei Gruppen unterteilt. Den sogenannten Salonkubisten standen die Galeriekubisten Braque und Picasso gegenüber. Eine Ausnahme bildete Fernand Léger, dessen Werke ab 1912 in der Galerie Kahnweiler gezeigt wurden. Der Zutritt zu den Ateliers von Braque und Picasso blieb den Salonkubisten verwehrt. Es kam in Serien von Presseberichten sogar in politischen Gremien zu heftigen Diskussionen. Die zweite Ausstellung der Puteaux-Kubisten im Salon des Indépendants 1912, deren Gruppe sich inzwischen vergrößert hatte, führte zu einem Skandal, der sich nur mit dem Wirbel um das Auftreten der Fauves 1905 vergleichen lässt.

Die Kontroversen traten bereits zutage, als sich die Künstler der Puteaux-Gruppe 1910/11 Kubisten nannten. In einer Rezension der Picasso-Ausstellung in der Galerie Vollard vom 20. Dezember 1910 bis Februar 1911 von André Salmon war daraufhin im Paris-Journal zu lesen: „Picasso hat keine Anhänger, und wir müssen die Unverfrorenheit derjenigen aushalten, die in Manifesten öffentlich behaupten, seine Anhänger zu sein, und andere leichtfertige Seelen in die Irre führen.“

In Zusammenarbeit mit dem als Maler, Illustrator und Kunstschriftsteller tätigen Gleizes verfasste Metzinger die theoretische Abhandlung Du cubisme (Über den Kubismus), die 1912 im Verlag Figuière in Paris erschien. In dieser Sammlung leicht verständlicher Formeln, die sich auf das Vorbild Cézanne beziehen, verweisen die Aussagen auf eine analytische Herangehensweise bei der Erstellung eines Bildes, die dem Verständnis des Kubismus nicht förderlich war. Ihre Bilder zeigen deutlich, dass die kubistisch arbeitenden Künstler zu sehr unterschiedlichen Mitteln gefunden hatten. Ungeachtet aller Kritik an der Veröffentlichung kam der Publikation aufgrund der wenigen Ausstellungen eine besondere Rolle als gesellschaftlicher Multiplikator zu.

Den zahlreichen Veröffentlichungen aus dem Kreis der Puteaux-Gruppe stellten sich nun ebenso viele der Literaten des Picasso-Kreises entgegen. 1912 publizierte André Salmon zwei Bücher, die heute noch als Quellenschriften zur Kunst der klassischen Moderne angesehen werden: die anekdotische Geschichte des Kubismus (Histoire anecdotique du cubisme) und eine Abhandlung über die neue Malerei in Frankreich (La jeune peinture française). Salmon machte als erster auf die Schlüsselrolle Picassos und seines Gemäldes Les Demoiselles d’Avignon für die Gründung des Kubismus aufmerksam.

Im März 1913 veröffentlichte Apollinaire mit Les peintres cubistes: médiations esthétiques eine Sammlung von Aufsätzen über den Kubismus und die Kubisten. In dieser Schrift wurde bereits versucht, die unterschiedlichen Fraktionen dieser Richtung zu ordnen und zu charakterisieren. Braque und Picasso werden dabei als „wissenschaftliche Kubisten“ aufgefasst. Picasso ließ seinen Galeristen und Vertrauten Kahnweiler wissen: „Ihre Nachrichten über die Diskussionen der Malerei sind wirklich traurig. Ich habe Apollinaires Buch über den Kubismus erhalten. Ich bin von diesem ganzen Geschwätz wirklich deprimiert.“

Im Jahr 1928 erschien in der Reihe der Bauhausbücher eine weitere Publikation Gleizes über den Kubismus. In dieser Schrift hebt der Verfasser den Widerstreit mit den Urhebern aufs Neue hervor: „Braque und Picasso stellten nur in der Galerie Kahnweiler aus, wo wir sie ignorierten.“ Gleizes schildert des Weiteren, dass der Begriff Kubismus 1910 noch nicht in Umlauf gewesen sei und erst durch die Präsentation der Werke der Puteaux-Gruppe im Salon des Indépendants im März 1911 publik wurde.

Der Galerist Daniel-Henry Kahnweiler war als wissenschaftlicher Autor und Ausstellungskurator maßgeblich für die Verbreitung des Kubismus als Kunststil verantwortlich. Er war einer der ersten Betrachter der Demoiselles d’Avignon und schloss 1907 seine ersten Exklusivverträge mit Derain, Braque und Vlaminck ab. 1911 nahm er erstmals Picasso unter Vertrag, im darauffolgenden Jahr Juan Gris und 1913 Fernand Léger.

In seiner 1920 im Delphin Verlag, München, erschienenen Publikation Der Weg zum Kubismus beschreibt Kahnweiler die Gedanken und den chronologischen Verlauf des Kubismus aus der Sicht der Galeriekubisten. Die Hauptteile der Schrift wurden bereits zwischen 1914 und 1915 verfasst, 1916 erstmals in Die Weißen Blätter in Zürich veröffentlicht, kriegsbedingt erschien sie 1920.

Die Schrift ist in fünf Hauptteile untergliedert: Das Wesen der neuen Malerei. Der Formenlyrismus. Der Widerstreit von Darstellung und Aufbau – Die Vorläufer: Cézanne und Derain – Der Kubismus. Erstes Stadium: Das Problem der Form. Picasso und Braque – Der Kubismus. Zweites Stadium: Die Durchbrechung der geschlossenen Form. Das Problem der Farbe. Sehkategorien. Picasso und Braque in gemeinsamer Arbeit – Die klassische Vollendung des Kubismus. Juan Gris.

In der Zeit zwischen 1908 und 1914 gab es nur wenige Galeriepräsentationen bei Kahnweiler oder Vollard. Die Salonkubisten zeigten ihre Werke im Frühjahr und Herbst in den Salons. Der Galerist Kahnweiler schickte seit 1910 Arbeiten der von ihm vertretenen Künstler zu Avantgarde-Ausstellungen ins Ausland, so in die wechselweise in Düsseldorf und Köln stattfindenden Sonderbundausstellungen. In diesen wurden in den Jahren 1910, 1911 und 1912 Bilder von Braque und Picasso gezeigt.

Die Galerie Thannhauser zeigte im September 1910 in München Werke Braques und Picassos. In der Ausstellung Karo-Bube in Moskau waren 1910 Arbeiten der Salonkubisten Gleizes, Le Fauconnier und Lhote zu sehen. 1911 wurden nur Werke von Gleizes ausgestellt, 1912 von Gleizes, Léger, Picasso und Le Fauconnier, 1913 von Picasso und Braque. Delaunay beteiligte sich 1911 mit vier Gemälden an der ersten Ausstellung des Blauen Reiters in München.

Von Oktober bis November 1912 präsentierte die Ausstellung Moderne Kunst Kring in Amsterdam Arbeiten von Braque, Gleizes, Léger, Metzinger und Picasso. Die Galerie 291 von Alfred Stieglitz in New York zeigte von März bis April 1911 Zeichnungen und Aquarelle Picassos. Stieglitz besuchte zuvor die Ateliers von Matisse, Rodin und Picasso in Paris und erinnerte sich an ein „gewaltiges Erlebnis“. Vom 17. Februar bis zum 15. März 1913 wurden auf der ersten Armory Show, der internationalen Ausstellung moderner Kunst im ehemaligen Zeughaus des 69. Kavallerieregiments in New York, Arbeiten von Picasso, Braque, Picabia, Léger, Gleizes, Duchamp-Villon, Villon, Duchamp, Delaunay und de La Fresnaye gezeigt. Weitere Ausstellungsstationen waren anschließend Chicago und Boston.

1913 fand die erste Picasso-Retrospektive in der Münchner Galerie von Heinrich Thannhauser in Deutschland statt. Sie war im Anschluss noch in Prag und Berlin zu sehen. Vom Dezember 1914 bis zum Januar 1915 präsentierte Stieglitz 20 Werke Braques und Picassos in New York. Die Werke stammten aus der Sammlung von Gabrielle und Francis Picabia.

Louis Vauxcelles schrieb am 20. März 1908 im Gil Blas zu den im Salon des Indépendants gezeigten Arbeiten Braques: „In Braques Gegenwart verliere ich jegliche Orientierung. Dies ist eine wilde, entschlossene, auf aggressive Weise undurchschaubare Kunst.“

In der Ausgabe von La Liberté vom 24. März 1908 war aus der Feder Étienne Charles im zweiten Teil einer in zwei Folgen angelegten Besprechung des Salon des Indépendants über die Arbeiten Braques und Derains zu lesen: „Man spürt eine starke Vorliebe für deformierte, überzeichnete und häßliche Frauen. Bei den Vertretern der neuen Richtung ist Galanterie nicht in Mode.

Am 16. April 1909 schrieb Charles Morice in einem Artikel des Mercure de France, in dem zum ersten Mal der Begriff Kubismus schriftlich auftrat, über die Arbeiten Braques, die in der XXV. Ausstellung des Salon des Indépendants zu sehen waren: „Und ich glaube, Herr Braque ist – den Kubismus ausgenommen – auf der ganzen Linie ein Opfer seiner Bewunderung für Cézanne, die zu ausschließlich oder einseitig ist.“

Henri Guilbeaux schrieb am 7. Januar 1911 in Hommes du Jour: „Es heißt, Picasso sei bereit, den falschen Weg aufzugeben, den er seit einiger Zeit beschreitet. Das wäre besser, denn dieser Maler ist sehr talentiert. So blieben nur die Kubisten und Subkubisten übrig, die Herr Charles Morice zu einer Kohorte sammeln könnte […]“

Michael Puy schrieb 1911 in der Zeitschrift Les Marges: „Der Kubismus ist die Kulmination der Vereinfachung, die von Cézanne begonnen wurde und von Matisse und Derain fortgeführt wird […] Man sagt, es habe mit Herrn Picasso begonnen, da dieser Maler aber seine Werke selten ausstellt, wurde die kubistische Entwicklung hauptsächlich bei Herrn Braque beobachtet.“

Nach der von Alfred Stieglitz in seiner Galerie 291 organisierten Ausstellung von 83 Zeichnungen und Aquarellen Picassos in New York 1911 war in der Ausgabe vom 1. Mai 1911 in The Craftsman zu lesen: „Wenn aber Picasso in seinen Studien ernsthaft sein Naturgefühl kundtut, dann muß man ihn doch für einen tobenden Irren halten, denn etwas Unverbundeneres, Beziehungsloseres und Unschöneres als diese Darstellung seiner eigenen Gefühle ist schwer vorstellbar.“

Alexander Archipenko resümiert 1922 in einem Artikel in der Internationalen Rundschau der Kunst der Gegenwart: „Man kann sagen, daß der Kubismus eine neue Denkordnung gegenüber dem Bild geschaffen hat. Der Betrachter ergötzt sich nicht länger, der Betrachter ist selbst schöpferisch tätig, sinnt und schafft ein Bild, indem er sich auf die plastischen Merkmale jener Gegenstände stützt, die als Formen skizziert sind.“

Die kubistische Plastik entwickelte sich zeitversetzt zum Kubismus in der Malerei. So sehen einige Autoren die Plastik Kopf einer Frau (1909) von Picasso als die erste Plastik im kubistischen Stil an. Jedoch erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlangte die kubistische Plastik ihre Blütezeit.

Aristide Maillol, der sich von den malerischen Konzepten Rodins löste und die Plastik zum rhythmisch abstrahierten Volumen führte, gilt als Vorläufer der kubistischen Plastik. Die eigentliche kubistische Plastik wurde von Picassos Reliefs und den dreidimensionalen Arbeiten des Russen Alexander Archipenko getragen. Weitere frühe Vertreter sind der Deutsche Rudolf Belling, Constantin Brâncuși und Raymond Duchamp-Villon.

Der französische Bildhauer Henri Laurens begegnete Braque im Jahr 1911 und begann seine Malerei, Collagen und Skulpturen im kubistischen Stil zu schaffen. Ein weiterer bedeutender Vertreter ist Jacques Lipchitz, dessen bildhauerisches Werk vom Kubismus beeinflusst ist.

Die facettierte, vielschichtige Gestaltung inspirierte den italienischen Futuristen Umberto Boccioni, der 1912 die neuen Skulpturen der Kubisten bei Atelierbesuchen in Paris gesehen hatte. Boccioni erweiterte das Gestaltungsprinzip der kubistischen „Vielperspektivik“ um den Faktor der Dynamik.

Trotz der relativ geringen öffentlichen Akzeptanz der Kubisten war das Interesse vieler Künstler an ihrer Arbeit groß. Ein Zeugnis bilden die vielen Atelierbesuche ausländischer Künstler. So besuchten beispielsweise Umberto Boccioni und Carlo Carrà Picasso in seinem Atelier. Boccioni war nach seinem Zusammentreffen mit Picasso stets daran interessiert, alle Neuigkeiten zu erfahren. Ebenfalls suchte Wladimir Tatlin Picassos Atelier auf und sehr wahrscheinlich auch das Braques. 1912 besuchten Paul Klee, Franz Marc, August Macke und Hans Arp Delaunay in Paris. Delaunay und Apollinaire trafen wiederum Macke in Bonn. Le Fauconnier war zwischen 1909 und 1911 Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München, als diese drei wichtige Ausstellungen in der Münchner Galerie Thannhauser veranstaltet hatte.

Die Werke der den Kubismus prägenden Künstler – allen voran Picasso und Braque – haben die zeitgenössische Kunst und insbesondere die Malerei zwischen 1907 und 1914 revolutioniert. Apollinaire hielt im Januar 1913 anlässlich einer Ausstellung von Robert Delaunay in der Galerie Der Sturm in Berlin einen Vortrag, der später unter dem Titel Die moderne Malerei in der Zeitschrift Der Sturm veröffentlicht wurde. Hier findet sich einer der frühesten Hinweise auf das neue Verfahren des papier collé und der Collage.

Rückblickend nahm der Kubismus tiefgehend Einfluss auf die späteren künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts, im Einzelnen auf den italienischen Futurismus, den russischen Kubofuturismus, Rayonismus und Suprematismus, den französischen Orphismus und Purismus, den Blauen Reiter in Deutschland, die De-Stijl-Bewegung in den Niederlanden und schließlich den international verbreiteten Dadaismus, sowie auf die gesamte konstruktive Kunst, etwa den Konstruktivismus In den Vereinigten Staaten erfuhr der Kubismus als Folge der Armory Show eine kurzfristige Nachlese durch regionale Künstler, die im sogenannten Präzisionismus zu einer „kuborealistischen“ Bildsprache fanden. So waren alle führenden Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihrer frühen Schaffensphase vom Kubismus beeinflusst und einige wiederum deutlich durch dessen Erfindungen, etwa das papier collé, und Bildformen geprägt[

Auch die Fotografie und die Filmavantgarde der 1920er Jahre war stark von der kubistischen Malerei beeinflusst. Fernand Léger drehte 1924 ein „mechanisches Ballett“, einen Film, in dem eine Frau eine Treppe hinaufsteigt, ohne anzukommen. Man Ray und Marcel Duchamp drehten abstrakte Filme mit geometrischer Formensprache. vom Kubismus und Präzisionismus beeinflusst waren auch die Fotgraphien der 1920er Jahre von Alfred Stieglitz, der ursprünglich Maschinenbau studiert hatte.

Obwohl die Übertragung von Begriffen der Bildenden Kunst auf andere Künste und insbesondere auf die Musik problematisch ist und vielfach kritisiert wird, gelten vor allem zwei zeitgenössische Kompositionen ebenfalls als kubistische Werke: die beiden Ballette. Letzteres war von Picasso mit Bühnenbildern und Kostümen in kubistischem Stil ausgestattet worden. Abgesehen von der geistigen Nähe der Komponisten zu den Ideen des Kubismus sprechen dafür vor allem das Aufbrechen herkömmlicher Kompositionsmethoden und das Zusammenfügen eines Kunstwerks durch die Aneinanderreihung von sperrigen, weitestgehend unveränderten, nicht selten heterogenen Einzelelementen.

Velázquez’

Sein Vater Juan Rodríguez de Silva war ein Anwalt portugiesischer Abstammung, dessen Eltern knapp zwanzig Jahre vor Velázquez’ Geburt von Porto nach Sevilla umgesiedelt waren. Seine Mutter Jerónima Velázquez entstammte einer Hidalgo -Familie aus Sevilla. Entsprechend den Gewohnheiten seiner Zeit und seines Landes erhielt Velázquez als ältester Sohn den Nachnamen seiner Mutter. Seine Lehre trat er daher als Diego Velázquez an und als solcher ist er auch in den Kirchenregistern anlässlich seiner späteren Hochzeit und der Taufe seiner zwei Töchter festgehalten. In die Malergilde dagegen ist er unter dem Namen Diego Velázquez de Silva aufgenommen worden, und am Hof zu Madrid führte er gelegentlich den Namen Diego de Silva y Velázquez. Die heutige Kunstgeschichte bezeichnet ihn meist schlicht als Diego Velázquez.

Sevilla war zu Zeiten Velázquez’ die Stadt Spaniens mit den meisten Einwohnern. Sie war außerdem eines der geistigen und kulturellen Zentren des Landes und Heimat einer Reihe von Malern. Diese belieferten nicht nur die Kirchen von Sevilla und der weiteren Umgebung mit Gemälden, sondern schufen seit dem frühen 16. Jahrhundert auch europäische Kunstwerke für die neu entstehenden Kirchen und Klöster.

Velázquez' Erziehung umfasste – wie es den Gepflogenheit seiner Zeit entsprach – zuerst eine Ausbildung in Sprachen und in Philosophie. Aufgrund seiner künstlerischen Begabung begann er bereits mit knapp zehn Jahren eine Lehre bei dem Maler Francisco Herrera. Unsicher ist, wie lange diese Ausbildung bei dem als sehr emotional geltenden Lehrer währte. Sicherer ist dagegen, dass er ab dem 1. Dezember 1610 seine Lehre in der Werkstatt von Francisco Pacheco del Río fortsetzte. Pacheco wird heute eher als wenig bemerkenswerter Maler eingestuft, aber seine Malerei zeigt gelegentlich einen einfachen, realistischen Stil, der in deutlichem Kontrast zu den zeitgenössischen Malereien von Raffael stand. Pacheco war außerdem ein hervorragender Kunsttheoretiker. In den fünf Jahren, die Velázquez bei Pacheco blieb, lernte er vor allem den Einsatz von Proportionen und Perspektiven. Wesentlich beeinflusst wurde Velázquez' Ausbildung von den Werken Caravaggios, den Pacheco als hervorragenden Maler schätzte und von dessen Schaffen Velázquez bereits während seiner Lehre mehrere Gemälde im Original beziehungsweise als Kopie studierte.

1618 heiratete Velázquez mit Pachecos Zustimmung dessen Tochter Juana und begann als eigenständiger Künstler zu arbeiten. Ein großes Vorbild war für den jungen Künstler die Natur. Er malte nach dem lebenden Modell und entwickelte sich so zum größten Naturalisten der spanischen Schule. Einer der Schwerpunkte seines Schaffens wurde die Bildnismalerei. Unter seinen frühesten Werken finden sich Portraits von einzelnen Personen und Gruppen aus dem Volksleben.. Unter Bodegón versteht man Stillleben und Küchenstücke spanischer Maler, die im Gegensatz zu den Stillleben ihrer holländischen Zeitgenossen Menschen und Dinge gleichwertig behandeln und weitaus zurückhaltender ausstaffiert sind. Zu diesen gehören der Wasserverkäufer von Sevilla, ein Bild, das sich durch unbefangene Natürlichkeit der Auffassung und Freiheit der malerischen Behandlung auszeichnet, sowie das Gemälde Vieja friendo huevos, auf dem eine alte Frau dargestellt ist, die Eier brät. Die starken Kontraste heller und dunkler Farben weisen unverkennbar auf Anregungen durch das Werk Caravaggios hin. In diese Zeit fallen auch zwei naturalistisch aufgefasste religiöse Bilder: Die Anbetung der Könige.

Bereits zu Beginn der 1620er-Jahre hatte sich Velázquez einen großen künstlerischen Ruf in Sevilla erworben. Gleichzeitig wurde er Vater – seine Frau gebar ihm zwei Töchter. Die jüngere Tochter starb noch als Kleinkind, die ältere Tochter Francisca heiratete später den Maler del Mazo.

In der zweiten Aprilhälfte 1622 begab sich Velázquez nach Madrid. Unklar ist, ob er dies bereits mit dem Ziel tat, dort eine Anstellung als Hofmaler zu erlangen. Belegt ist, dass er in El Escorial die dort ausgestellten Meisterwerke sehen wollte. Der spanische Hof stand unter der Regentschaft von Philipp IV., der seit einem Jahr auf dem Thron saß und knapp 17 Jahre zählte. Von seinem Vater Phillip III. hatte er vier Hofmaler übernommen: Alle vier Maler waren im unterschiedlichen Maße von dem Naturalismus Caravaggios beeinflusst. Carducho und Caxés waren noch am stärksten dem Manierismus verbunden, der im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in Spanien von großer Bedeutung war. Während heute Carducho als der wichtigste unter diesen vier Malern gilt, schätzte der junge Philipp IV. vor allem Villandrando, der ihn und seine Frau Isabella von Bourbon mehrfach porträtierte. Die Geschichtsschreibung ordnet Philipp IV. als einen eher unbedeutenden Monarchen ein. Er war jedoch ein Kunstliebhaber und war stolz darauf, selbst einen Ruf als Maler und Dichter zu besitzen.

Die Staatsgeschäfte des spanischen Hofes wurden von dem Grafen Olivares geführt, der vermutlich die Arbeiten Velázquez’ von einem mehrmonatigen Aufenthalt in Sevilla kannte. Velázquez erhielt zunächst keine Gelegenheit, König oder Königin zu porträtieren, erregte jedoch die Aufmerksamkeit des spanischen Hofes mit einem Porträt des spanischen Dichters Luiz de Gongora.

Im Dezember 1622 starb der von Philipp IV. geschätzte Villandrando, und bereits im Frühjahr 1623 wurde Velázquez auf Veranlassung von Olivares nach Madrid berufen. Juan de Fonseca quartierte den jungen Maler bei sich ein und saß ihm Porträt. Die Bewunderung, die dieses Porträt bei Hofe erregte, verschuf Velázquez jetzt endlich auch die Gelegenheit, Philipp IV. zu malen. Das Porträt Philipps IV., aufgrund dessen der Künstler zum königlichen Maler ernannt wurde, ist in einer übermalten Fassung erhalten geblieben. Es zeigt ein sensibles, nicht idealisiertes Bild des Königs, das trotz eines Verzichts auf die üblichen Insignien der Macht königliche Würde ausstrahlt.

Am 6. Oktober 1623 trat Velázquez als Hofmaler in den Dienst des spanischen Königs. Velázquez erhielt ein Atelier im königlichen Schloss sowie 1624 die Summe von 300 Dukaten aus der königlichen Schatulle, um den Umzug seiner Familie nach Madrid zu finanzieren.

Philipp IV. hatte rasch das außergewöhnliche Talent von Velázquez erkannt und erklärt, dass kein anderer Maler mehr seine Porträts ausführen sollte – eine Aussage, die allerdings nicht lange Bestand hatte, denn Rubens malte mehrere Porträts des spanischen Königs. 1625 schuf Velázquez ein heute verschollenes Reiterporträt von Philipp IV., das ihn noch weiter in der Hierarchie der Hofmaler aufsteigen ließ. Als Dank erhielt Velázquez vom König 300 Dukaten sowie den gleichen Betrag als jährliche Rente auf Lebenszeit. Im Prado hängen heute noch zwei Porträts von Philipp IV., die zeigen, dass Velázquez' Malstil im Vergleich zu den Gemälden der Sevillaer Zeit weicher geworden war. Velázquez’ Ruf als hervorragender Porträtmaler stieg sehr schnell, so dass auch der spätere englische König Charles I. während eines Aufenthalts am spanischen Hof Velázquez Modell saß. Leider ist auch dieses Gemälde verloren gegangen. Der Erfolg von Velázquez wurde von den drei übrigen Hofmalern nicht ohne Neid gesehen. Insbesondere Carducho ließ sich in seinen kunsttheoretischen Schriften immer wieder spöttisch über Velázquez' Stil aus.

1627 veranlasste der spanische König einen Malwettbewerb unter seinen vier Hofmalern und gab als Thema für den Wettbewerb die Vertreibung der Mauren aus Spanien vor. Velázquez’ Wettbewerbsbeitrag war ein Gemälde, das Philipp III. zeigte, der mit seinem Marschallstab einer Gruppe von Menschen den Weg aus Spanien weist. Beide Jurymitglieder erklärten Velázquez zum eindeutigen Sieger des Wettbewerbs, und Philipp IV. bestätigte ihre Entscheidung. Als Lohn für seinen Sieg wurde Velázquez zum Kammerherrn ernannt. Für Velázquez bedeutete dies eine mietfreie Wohnung im Palast, kostenlose ärztliche Behandlung sowie kostenfreie Medikamente. Unter den vier Hofmalern hatte Velázquez damit eine eindeutige Vorrangstellung erworben.

1628 war Rubens für neun Monate in Madrid zu Gast, und der spanische König beauftragte Velázquez damit, ihn mit der Kunst Spaniens vertraut zu machen. Rubens war zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, und Pacheco, der als Schwiegervater von Velázquez möglicherweise parteiisch war, stellte stolz die Behauptung auf, dass sich Rubens mit keinem anderen Künstler unterhielt als mit seinem Schwiegersohn. Die Begegnung mit Rubens hatte auf Velázquez' malerischen Stil keinen Einfluss, jedoch bestärkte Rubens bei Velázquez den Wunsch, in Italien die großen Werke der italienischen Maler zu sehen.

1629 gewährte Philipp IV. Velázquez bezahlten Urlaub und ermöglichte ihm damit, Italien zu besuchen. Im August 1629 segelte er im Gefolge des Marques de Spinola, der in Mailand das Kommando über die dort stehenden spanischen Truppen übernehmen sollte. Während dieser Reise muss Velázquez Details der Übergabe von Breda von dem damaligen Kommandanten des spanischen Heeres gehört und eine erste Porträtstudie für sein späteres Historiengemälde der Übergabe von Breda gemacht haben.

In Venedig machte er Kopien von Tintorettos Gemälden Kreuzigung und Abendmahl und sandte diese an den spanischen Königshof. In Rom fertigte er Kopien der Werke von Raffael und Michelangelo. Während seines Aufenthalts in Italien, wo er bis Anfang 1631 blieb, entstanden unter anderem die zwei Historeinbilder Die Söhne Jakobs bringen diesem Josephs blutigen Rock (El Escorial, Madrid) und Apollo in der Schmiede des Vulkans (Prado). In beiden Gemälden zeigt sich der Einfluss der italienischen Meister.

In dem Gemälde Apollo in der Schmiede des Vulkans fängt Velázquez den Moment ein, als der jugendlich strahlende Apollo die Schmiede betritt und dem Gott Vulkan den Seitensprung seiner Gattin Venus mit dem Kriegsgott Mars verkündet. Vom Eintritt Apollos überrascht, verharren die Gehilfen des Vulkans in Posen, die deutlich den Einfluss der italienischen Maler zeigen. Auch die Form der Pinselführung und der Rotton der Tunika Apollos verweist auf den Einfluss von Tintoretto und Tizian. In Die Söhne Jakobs bringen diesem Josephs blutigen Rock spielt das Geschehen in einem offenen Saal, dessen Fußboden aus einem bei Tizian und Tintoretto beliebten Schachbrettmuster besteht. Die Söhne Jakobs werden außerdem von einem kleinen Hündchen verbellt, wie es bei Tintoretto häufig erscheint.

Der Sommerhitze von Rom entfloh Velázquez für zwei Monate in die Villa Medici, wo er Kunstwerke der Antike studierte. Vermutlich dort entstanden zwei Landschaftsstudien, die aufgrund ihrer Pinselführung wie impressionistische Gemälde des ausgehenden 19. Jahrhunderts anmuten. Über Neapel, wo er 1631 mit seinem Landsmann, dem Maler de Ribera zusammentraf, kehrte er wieder nach Spanien zurück.

In Madrid wurde er von Philipp IV. wieder mit der Schaffung zahlloser Porträtgemälde der Mitglieder des spanischen Königsfamilie sowie des spanischen Hofes beauftragt. Die große Anzahl an Gemälden, die Velázquez nach seiner Rückkehr schuf, waren nur dank einer leistungsfähigen Werkstatt möglich, in der seit 1633 auch sein Schwiegersohn Martnez del Mazo mitarbeitete. Mazo hatte in diesem Jahr Velázquez' erst vierzehnjährige Tochter Francisca geheiratet.

In den zwanzig Jahren, die bis zu seiner zweiten Italienreise vergingen, festigte sich sein Ruf am königlichen Hof. Ihm wurde die künstlerische Ausgestaltung zahlreicher Bauten des spanischen Königs übertragen. So schuf er 1634/35 eine Reihe von Gemälden für den großen Prunksaal im neuen Königspalast "Buen Retiro" in Madrid und ergänzte 1636 den mit zahlreichen Bildern aus der Rubens-Werkstatt ausgestatteten Jagdpavillon mit Jagdporträts und Bildnissen von Zwergen und Hofnarren. Die wachsende Wertschätzung, die Velázquez erlebte, drückt sich auch in seinem Aufstieg innerhalb der Hofhierarchie aus. 1636 ernannte der König den Hofmaler zum ayuda de guardarropa, zum Gehilfen der Garderobe ohne Gehalt. 1643 durfte sich Velázquez bereits mit dem Titel Kammerherr der Privatgemächer schmücken. Noch im selben Jahr wurde er zum Assistenten des Superintendenten für besondere Bauvorhaben ernannt.

Zu den von ihm Porträtierten zählte unter anderem der Thronerbe, Prinz Baltasar Carlos  . Die Gemälde, die Velázquez schuf, gehören zu den schönsten Kinderporträts des Barocks.

Prinz Baltasar Carlos und sein Zwerg, welches unmittelbar nach Velázquez’ Rückkehr aus Italien entstand, zeigt im Zentrum des Bildes ein knapp zweijähriges Kleinkind in einem prächtigen Zeremonialkleid, das mit seinem fein modellierten Kopf bereits königliche Würde ausstrahlt. Degen, Kommandostab und der im Hintergrund geraffte weinrote Vorhang weisen darauf hin, dass hier der lang ersehnte Nachfolger Philipps IV. dargestellt ist. Der Kopf der Zwergin ist dagegen wesentlich gröber gearbeitet und mit silberner Kinderklapper und einem Apfel.

Fünf Jahre später stellte Velázquez den Thronerben auf einem sich aufbäumenden Pferd dar. Wieder verlieh Velázquez dem nun in der Uniform eines Feldmarschalls dargestellten Kind Würde und Ernsthaftigkeit. Während der Hintergrund des Bildes nur angedeutet ist, ist das Gesicht des Thronerbens in Licht getaucht. Selbst der Schatten, den die Hutkrempe des Thronerben wirft, ist transparent. Mit müder Noblesse, die im Widerspruch zu der Kindlichkeit des Dargestellten steht, blickt der junge Prinz auf seinen Betrachter herab. Die meisten Porträts, die Velázquez von dem jungen Prinzen schuf, zeigen ihn als ein Kind, das von den Rollenzwängen seiner Stellung beherrscht ist. Eine Ausnahme stellt das 1635/1636 entstandene Bild Prinz Baltasar Carlos als Jäger dar, das als Gegenstück des Bildes Philipp IV. als Jäger entstand. Dargestellt ist ein aufmerksam dem Betrachter entgegenblickendes Kind, dem zu Füßen ein Hühnerhund döst, während das im bläulichen Grün dargestellte Gras noch vom Tau feucht zu sein scheint. Hier weist nur die reiche Kleidung des Sechsjährigen auf die ihm vorbestimmte Rolle hin.

Würde und Ernsthaftigkeit strahlen auch die Porträts der Hofzwerge des königlichen Hofes aus, die Velázquez in den zwanzig Jahren bis zu seiner zweiten Italienreise malte.

Das närrische Gesinde, das zum spanischen Hof gehörte, teilte sich in drei Gruppen: Die Aufgabe der truhanes, der Hofnarren, war es, den Hof mit witzigen Einfällen zu unterhalten. Zu ihnen gehörte beispielsweise der von Velázquez 1632/35 porträtierte Hofnarr Pablo de Valladolid, den er in der deklamatorischen Geste eines Schauspielers darstellte und dessen Bild 230 Jahre später Manet zu seinem Gemälde Der Tragöde inspirierte. Die zweite Gruppe des närrischen Gesindes waren die Kleinwüchsigen, über die man sich am Hofe aufgrund ihres als unproportional empfundenen Körpers amüsierte und die man den königlichen Kindern häufig als Spielgefährten zuwies. Sie tauchen deswegen in zahlreichen Gemälden der königlichen Familie auf. Für ihre Einzelporträts wählte Velázquez häufig das Format eines niedrigen Rechtecks. Kunsthistoriker haben dieses gedrungen wirkende Format gelegentlich als Velázquez' Versuch gewertet, die eng umschriebene Welt der Hofzwerge künstlerisch wiederzugeben. Möglicherweise war dieses Format jedoch auch dadurch bestimmt, dass diese Gemälde für die Ausstattung des königlichen Jagdpavillons bestimmt waren.

Die dritte Gruppe des närrischen Gesindes stellten die Menschen mit Missbildungen oder geistigen Behinderungen dar, die man damals als Naturspiele bezeichnete. Auch sie sollten den Hof amüsieren, wenn sie ungewollt und ahnungslos in komische Situationen gerieten. Velázquez hat auch sie in mehreren Gemälden dargestellt. Zu diesen zählt das Bildnis Das Kind von Vallecas, das den etwa 15-jährigen körperlich behinderten und geistig zurückgebliebenen Francisco Lezcano beim Spielen mit Karten zeigt, und das Gemälde Hofnarr Calabazillas, das künstlerisch so ausgereift und ausgewogen komponiert ist, dass Kunsthistoriker es lange dem Spätwerk Velázquez’ zugeordnet hatten. Wie fast alle Porträts des närrischen Gesindes ist auch dieses Bild nicht datiert. Erst aufgrund von Abrechnungen des Hofes, die zeigten, dass der Hofnarr Juan Calabazas bereits 1639 starb, datiert man den Entstehungszeitpunkt dieses Bildes auf den Zeitraum von 1637 bis 1639 zurück.

Velázquez verzichtete darauf, die Dargestellten zu karikieren, sondern malte sie mit derselben Beobachtungskraft und mit demselben seelischen Feingefühl wie die Angehörigen des spanischen Hochadels. Dalí beispielsweise schuf nach dem Gemälde des Don Sebastián de Morra 1982 ein Gemälde, das erneut den Hofnarren darstellt, und nannte es Hinter dem Fenster linker Hand, dort, wo ein Löffel hervorkommt, liegt Velázquez im Sterben.

Zu den Meisterwerken, die Velázquez in dieser Zeit schuf, gehört das Reiterporträt Conde Duque de Olivares zu Pferde von 1634. Der mächtige Minister war der frühe und langjährige Patron des Malers, und sein unbewegtes Gesicht ist uns von vielen Gemälden Velázquez' bekannt. Velázquez hatte diesem Mann auch die Treue gehalten, nachdem er am königlichen Hof in Ungnade gefallen war. Auf diesem berühmten Gemälde ist Olivares als Feldmarschall mit Federhut, goldverziertem Brustharnisch und Kommandostab dargestellt. Sein kastanienbraunes Pferd sprengt einem Schlachtgetümmel entgegen, während er selbst hochmütig auf seinen Betrachter herunterblickt. Es ist eine Darstellungsweise, die normalerweise nur regierenden Herrschern zugebilligt wurde.

Das Reiterporträt des Conde Olivares war als Ausstattung des Salón de Reinos (Salon der Königreiche) im neuen Palast Buen Retiro geschaffen worden. In diesem Salon sollten auch zwei Gemälde von Tizian und Rubens hängen, die Philipp II. und Karl IV. und jeweils zu Pferde darstellten. Velázquez überarbeitete die von unbekannten Malern geschaffenen Reiterporträts von Philipp III. und Königin Margarete von Spanien, den Eltern von Philipp IV., sowie das Reiterporträt von Isabella von Bourbon, der Ehefrau Philipps IV.

Mit dem Gemälde Philipp IV. zu Pferde schuf Velázquez das Bild, das aufgrund des Ranges des Dargestellten das wichtigste Werk in diesem Zyklus darstellt. Es zeigt den König und sein Pferd in Profilstellung ohne jegliches allegorisches Beiwerk vor einer in Grau- und Blautönen gemalten, sanft abfallenden und weit ausgedehnten Ideallandschaft, während Pferd und Reiter die Kurbette ausführen, eine reiterliche Figur, bei der das Pferd steigt und die dem Reiter höchste Konzentration abfordert. In dieser reduzierten Bildrhetorik unterscheidet sich Velázquez erneut deutlich von seinem Zeitgenossen Rubens, der die Bedeutung der von ihm Dargestellten regelmäßig dadurch unterstrich, dass er sie entweder übertrieben groß vor einem tiefen Horizont darstellte oder seine Bilder stärker durch Schlachtszenen oder allegorische Figuren inszenierte. Von den zahlreichen Reiterporträts, die Velázequez von Philipp IV. schuf, diente eines dem Bildhauer Montafles als Vorbild für eine Bronzestatue, die sich heute auf der Plaza del Oriente in Madrid befindet.

Ähnlich wie bei dem Reiterporträt Philipp IV. zu Pferde verzichtete Velázquez auch bei dem Gemälde Übergabe von Breda auf jegliches allegorisches oder mythologisierendes Beiwerk und konzentrierte sich auf den Moment, als am 5. Juni 1625 die unterlegenen Holländer dem Marques de Spinola, dem Führer der spanischen Heeres, nach einer fast einjährigen Belagerung, die Schlüssel zur Stadt Breda überreichen. Wegen der Konzentration auf die reine Darstellung dieses historischen Moments gilt Die Übergabe von Breda als erstes reines Geschichtsbild der neueren europäischen Malerei. Es zählt zu deren Höhepunkten und wird von vielen Kunsthistorikern als eines der vollkommensten Kriegsgemälde gewertet.

Die Stadt Breda war die wichtigste Festung der südlichen Niederlande in Brabant . Die Eroberung dieser Festung war ein entscheidender Schritt im langwierigen Kampf um die Niederlande, der über die künftige Position Spaniens als Weltmacht entschied. Dazu gehörte, dass die besiegte Armee die Stadt Breda mit Fahnen und Waffen verlassen durfte. Für diese großzügige Geste wurde er von vielen Spaniern gerühmt, und Velázquez gelang es, Spinolas Handlungsweise in diesem Gemälde einzufangen. In nobler Geste empfängt Spinola den Unterlegenen und legt diesem ritterlich die Hand auf die Schulter, ohne auf den demütig dargebotenen Schlüssel zu den Stadttoren zu achten.

Ende 1648 ging Velázquez zum zweiten Mal nach Italien, um im Auftrag des Königs Kunstwerke als Vorbilder für eine in Madrid zu gründende Kunstakademie anzukaufen. Er blieb bis Juni 1651 in Italien, wo er unter anderem ein Bildnis des Papstes Innozenz X. schuf, das zu den besten Papstporträts zählt, die je gemalt wurden. Nach Madrid zurückgekehrt, sah sich Velázquez wegen der zweiten Heirat des spanischen Königs mit Maria Anna von Österreich genötigt, seine Aktivitäten als Hofmaler noch zu verstärken. Ferner wurde er zum Hofmarschall ernannt. Daneben fand er aber auch noch Zeit, ein religiöses Bild wie den Besuch des heiligen Abtes Antonius bei dem heiligen Einsiedler Paulus in der Wüste und drei Meisterwerke ersten Ranges zu malen: Die Teppichwirkerinnen, ein Bild, das die Fabel der Arachne darstellt, die Venus vor dem Spiegel, seinen einzigen Akt, und das unter dem Titel Las Meninas (Die Hofdamen) bekannte Gemälde, das Velázquez selbst zeigt, wie er die königliche Familie malt.

Las Meninas zeigt einen großen Raum des Alcazar von Madrid, der Hauptresidenz von König Philipp IV von Spanien. Zu sehen sind mehrere, überwiegend eindeutig identifizierbare Personen des spanischen Hofes. Im Mittelpunkt befindet sich die fünfjährige Königstochter Margarita umgeben von Hoffräulein, einem Wächter, zwei so genannten Hofzwergen und einem Hund. Links von ihnen steht Velázquez, der gerade an einer großen Leinwand arbeitet und seinen Blick zum Betrachter richtetEin Spiegel hängt im Hintergrund und reflektiert die Oberkörper von König und Königin. Das königliche Paar scheint außerhalb des abgebildeten Raums zu stehen und, ähnlich wie der Betrachter des Gemäldes, zu den abgebildeten Personen zu blicken. Nach Ansicht einiger Kunsthistoriker reflektiert der Spiegel jedoch lediglich das Gemälde, an dem Velázquez gerade arbeitet. Las Meninas ist eines der meistdiskutierten Gemälde der Kunstgeschichte. Der Barockmaler Luca Giordano behauptete von dem Gemälde, dass es die „Theologie des Malens“ darstelle. Der Maler Thomas Lawrence nannte es im 19. Jahrhundert ein Werk über die „Philosophie der Kunst“. Bis heute wird es immer wieder als das bedeutendste Gemälde von Velázquez beschrieben und gilt als eine selbstbewusste, durchdachte Reflexion darüber, was ein Gemälde darstellen kann.

Wesentlich für die Analyse des Bildes ist sowohl, welche Rolle Malerei im Spanien des 17. Jahrhunderts einnahm, als auch die Frage, welche Rolle Diego Velázquez am spanischen Hof innehatte.

Im Spanien des 17. Jahrhunderts galt die Malerei als Handwerk und weniger als Kunst wie etwa Poesie oder Musik. Den Beruf des Malers auszuüben galt als so unedle Tätigkeit, dass vor der Aufnahme von Velázquez in den Orden der Santiago-Ritter 100 Zeugen bestätigen mussten, dass Velázquez nie um des Geldes willen gemalt habe, sondern lediglich um König Philipp IV. eine Freude zu bereiten. Der aus Sevilla stammende Diego Velázquez hatte am spanischen Königshof zunächst als Hofmaler gedient und übernahm zusätzlich mehrere kleine Hofämter, die ihm ausreichend Zeit zum Malen ließen. Zwischen 1640 und 1650 hatte er unter anderem die Funktion eines Kurators für den königlichen Hof inne. In dieser Rolle war er dafür verantwortlich, Gemälde zu erwerben, sie zu verwalten und die einzelnen königlichen Residenzen mit ihnen auszustatten.

Im Februar 1651 wurde Velázquez zum Palast-Marschall (aposentador mayor del palacio) ernannt. Dieses Amt brachte ihm Ansehen und ein verhältnismäßig hohes Gehalt. Die umfangreichen Aufgaben, zu denen, neben der Beschaffung von Holz und Kohle für die königliche Hofhaltung und der Beaufsichtigung des Reinigungspersonals, auch die Funktion eines Quartiermeisters bei den Reisen des Hofes gehörte, beanspruchten ihn zeitlich dagegen sehr viel mehr. In den letzten acht Jahren seines Lebens entstanden nur noch wenige Gemälde. Meist handelt es sich dabei um Porträts der königlichen Familie. Philipp IV. ließ bereits zu Beginn der 1650er Jahre Diego Velázquez den Pieza Principal (‚Hauptraum‘) der Wohnräume des verstorbenen Prinzen Baltasar Carlos zuweisen, der dem Maler fortan als Atelier diente. Es ist dieser Raum, den Las Meninas zeigt. Zwischen Philipp IV. und Velázquez bestand, trotz der strengen Hofetikette, ein enges Band. Für Philipp IV. stand im ehemaligen Pieza Principal ein Stuhl bereit, und der spanische König fand sich häufig im Atelier ein, um Velázquez bei der Arbeit zu beobachten. Der Besuch des spanischen Königspaares, den Diego Velázquez andeutet, ist vor diesem Hintergrund nichts Ungewöhnliches.

Die erste ausführliche Beschreibung von Las Meninas, die die Wahrnehmung und Rezeptionsgeschichte des Werkes bis heute mitbestimmte, stammt aus dem Jahr 1724 und geht auf den spanischen Maler und Kunsttheoretiker PALOMINO zurück. Ihm verdankt sie auch die Identifikation aller auf dem Bild dargestellten Personen sowie genaues Datum und Ort der Bildvollendung: Die Szene zeigt nach den Angaben von Palomino einen Raum im alten Alcázar in Madrid und ist ein Porträt der noch jungen Infantin Margarita.

Der Raum ist Velázquez’ Atelier, das ihm auf Anweisung von Philipp IV. zugewiesen wurde. Im Mittelpunkt steht hell beleuchtet die fünfjährige Infanta, die jüngste Tochter König Philipps IV. von Spanien und seiner Gemahlin Maria Anna. Barthalsar Caros, der einzige Sohn aus dieser Verbindung, lebte nur bis 1646. Dem spanischen Hof fehlte es damit an einem Thronerben. Philipp IV. heiratete deshalb 1649 seine Nichte Maria Anna von Österreich, die ursprünglich mit dem verstorbenen Thronerben verlobt war. Die 1651 geborene Infantin Margarita war das erste und zum Zeitpunkt der Entstehung des Gemäldes das einzige Kind dieser siebenjährigen Ehe. Königin Maria Anna war danach wiederholt schwanger geworden, hatte jedoch bis 1656 nur Totgeburten zur Welt gebracht. Die Infanta Margarita repräsentierte für das Königspaar die Hoffnung, dass noch ein gesunder Thronfolger folgen werde. Auf dem Gemälde hat die reich gekleidete Infantin Margarita ihren Blick dem Betrachter zugewendet, während sie gleichzeitig nach einem Tonkrug greift, den ihr die kniende Hofdame María Agustina Sarmiento de Sotomayor auf einem Tablett reicht. Die zweite Hofdame, Isabel de Velasco, steht rechts von der Infantin und ist in einer leicht knicksenden Haltung dargestellt. Dargestellt ist damit auch ein Teil des umständlich-formalistischen Hofzeremoniells. Nur wenige Personen haben das Vorrecht, den Angehörigen der königlichen Familie etwas zu reichen, und wenn sie dies tun, hat eines ihrer Knie den Boden zu berühren.

Im Vordergrund befinden sich ein liegender spanischer Mastiff sowie zwei Kleinwüchsige, so genannte Hofzwerge: die aus Deutschland stammende Maria Bárbola und der Italiener Nicolasito Pertusato, der spielerisch versucht, mit seinem Fuß den schlafenden Hund aufzuwecken. Im halbschattigen Hintergrund steht die Ehrendame Marcela de Ulloa, die in Trauerkleidung abgebildet ist und die mit einem nicht identifizierten Wächter (guardadamas) spricht.

Auf den Stufen einer Treppe schaut der mit einem Mantel bekleidete und den Hut in der Linken haltende Hofmarshall José Nieto durch eine geöffnete Tür in den Raum. Die meisten Forschungsquellen betrachten José Nieto heute als königlichen Beistand. Er hatte, der höfischen Etikette entsprechend, der königlichen Majestät zur Verfügung zu stehen – auch um etwa Türen zu öffnen. Aus seiner Haltung – das rechte Knie gebeugt, die Füße auf zwei verschiedenen Stufen – lässt sich nicht schließen, ob er den Raum gerade verlässt oder ob er ihn betreten wird. José Nieto scheint einen Vorhang beiseitezuschieben, der sich vor der kurzen, hell erleuchteten Treppe befindet. Sowohl dieser kleine, helle Bildausschnitt als auch die aus dem Raum führende Treppe geben dem Gemälde Tiefe. Der perspektivische Fluchtpunkt befindet sich gleichfalls hier, was diesen Eindruck verstärkt.

José Nietos Erscheinen gilt als Indiz dafür, dass das spanische Königspaar tatsächlich präsent ist. Links neben dem Hofmarschall identifizierte Palomino einen Spiegel, in dem sich das Königspaar reflektiert. Es zeigt nur die Oberkörper des königlichen Paares. Offen bleibt, was die Quelle der Reflexion ist: das Gemälde, an dem Velázquez gerade arbeitet, oder das anwesende Königspaar.

Schließlich, im linken Bildmittelgrund, hat sich Diego Velázquez selbst dargestellt. Er blickt an der Leinwand vorbei in Richtung des Betrachters. An seinem Gürtel hängen die symbolischen Schlüssel seiner Hofämter Auf seinem Wams trägt er das Kreuz des Santiago-Ordens. Erst 1659, drei Jahre nach der Fertigstellung von Las Meninas, wurde Diego Velázquez in diesen Aristokraten-Orden aufgenommen. Er benötigte dazu eine Ausnahmegenehmigung, da er seine adelige Ahnenreihe nicht vollständig belegen konnte, und Zeugen, die bestätigten, dass er die Malerei nicht als Handwerk ausgeübt habe. Nach den Angaben von Palomino ordnete Philipp IV. nach dem Tod von Velázquez an, dass das Kreuz dieses Ordens auf das Wams gemalt werde, und Palomino wies sogar darauf hin, dass nach Ansicht einiger Philipp IV. mit eigener Hand das Kreuz hinzugefügt habe.

Zu Palominos Beschreibung traten in der Folge weitere Beobachtungen. Besonders auffällig erscheint die Anordnung der Figuren, deren Köpfe und Hände geschwungene Wellenbewegungen vollziehen, während der Raum selbst durch horizontale und vertikale Linienführung stabilisiert wird. Jede Figur der Hoffamilie verfüge über die ihr angemessene Gebärde, die sich in einer Rangskala von Gesten einordne und zu einem Regelsystem führe, das der Maxime gehorche, dass eine Person sich umso weniger bewege, je höher ihr sozialer Stand sei Der Kunsthistoriker Victor Stoichiţă hat darauf hingewiesen, dass die figurale Verdichtung mit dem Bildhintergrund abnimmt. Es entsteht ein Kontrast zwischen „Naturkörper“ (Hund, die beiden Hofzwerge) und „geistigem Körper“ (Königspaar auf der Spiegelfläche). Augenscheinlicher noch ist die Teilung des Bildes durch die horizontale Mittelachse. Alle Figuren sind unterhalb dieser zentralen Linie platziert. Stoichita gibt auch Hinweise zu wahrscheinlichen Vorlagen für Velázquez’ Komposition.

Eines der Hauptcharakteristika des Gemäldes ist sein „Rätselcharakter“, der zu immer neuen Interpretationsansätzen führt. Uneinigkeit besteht bereits über das abgebildete Handlungsgeschehen sowie die Gattung, der das Bild zugeordnet werden kann. Las Meninas ist als ein Porträt der Infantin, ein Selbstporträt Velázquez, ein Gruppenporträt, als Hoffamilienbild, Genrebild und als ein Capriccio verstanden worden.

Über die Bedeutung des im Hintergrund befindlichen Spiegels, auf dem das Königspaar zu sehen ist, wurde eine Vielzahl von Behauptungen und Spekulationen angestellt. So wurde bezweifelt, dass es sich bei dem Gegenstand an der Wand überhaupt um einen Spiegel handele. Der Widerspruch stellte darauf ab, das Bildnis sei in Wirklichkeit ein Gemälde. Die meisten Interpreten Las Meninas‘ folgen heute jedoch der Auffassung, das Königsportrait sei ein Spiegelbild. Unklarheit herrscht hingegen über die Quelle der Reflexion.

Das Doppelportrait sei weder gemaltes Bild, noch direkte Reflexion realer Personen. Vielmehr reflektiere es einen Ausschnitt der Leinwand auf dem Bild, behauptet Victor Stoichita. Völlig untypisch sei es zudem gewesen, den Souverän „en buste“ zu porträtieren, das der Domäne des privaten Bildnisses vorbehalten bliebe. Der König hingegen erhebe stets Anspruch auf das Vollporträt. Erst Velázquez raffiniertes Perspektivenspiel mache das Königs- zu einem Halb-Porträt mit all seinen Implikationen.

Diese These passt zu den Berechnungen von John F. Moffits. Der Kunsthistoriker hatte den vermeintlichen Ort der Darstellung vermessen und konnte mit einer Reihe geometrischer Aussagen darlegen, dass der Spiegel im Hintergrund die Vorderseite der in Las Meninas dargestellten Leinwand reflektieren müsse, wodurch eindeutig bewiesen sei, was der Maler male. Gegen diese Annahme spricht jedoch die Nichtexistenz eines Doppelporträts des Königspaares. Unter den Arbeiten von Velázquez ist ein solches nicht bekannt.

Schon einmal hatte Velázquez mit einer mehrdeutigen Bildkomposition den Betrachter verwirrt. In seinem Gemälde Christus im Hause von Maria und Martha von 1618 war die Hintergrundszene, die das Bildthema beschreibt, von der kunstgeschichtlichen Rezeption unterschiedlich aufgenommen worden. Die Darstellung Christus‘ war als Spiegelreflexion, als ein an der Wand hängendes Bild und als direkte Durchsicht einer Wandöffnung interpretiert worden.

Gegen Ende der 1970er Jahre eröffnete Jonathan Brown mit einer sozialhistorischen Analyse von Las Meninas einen neuen Deutungsweg in der kunstgeschichtlichen Betrachtung des Gemäldes. Nach seiner These ist Las Meninas ein als Gemälde getarntes Traktat, das die Nobilitation des Malers und die Etablierung der Malerei als eine der Artes liberales zum Thema hat.

Anders als in Italien galt die Malkunst in Spanien Mitte des 17. Jahrhunderts noch als dem Handwerk ähnliche bloße Handfertigkeit und damit etwa der Schneiderei oder dem Schuhmacherhandwerk gleichgestellt. Auf solch manuelle Tätigkeiten wurden entsprechende Steuern und Abgaben erhoben, gegen die so mancher Maler vor Gericht zog, um der Anerkennung der Malerei als Kunst Vorschub zu leisten. Auch Velázquez war von der Abgabe betroffen, obgleich er bereits als Hofmaler zu einer gehobenen gesellschaftlichen Stellung gelangt war. Velázquez muss dies, so die Darstellung Browns, als Herabwürdigung empfunden haben, gegen die er den Ehrgeiz setzte, seinen Aufstieg bei Hofe zu forcieren und mit der Ritterwürde zu krönen. Zehn Jahre dauerte Velázquez’ Kampf um die Aufnahme in den Santiago-Ritterorden, die, obwohl vom König protegiert und lanciert, durch den Widerstand des Adels immer wieder verworfen wurde. Erst 1659, wenige Monate vor seinem Tod, erfuhr der Maler die ersehnte Adelung.

Vor diesem Hintergrund sieht Jonathan Brown nun den „unmittelbaren Anlass für die Entstehung von Las Meninas“. Das Bild stehe nicht lediglich für die Nobilitierung der freien Kunst als solcher ein, die als Form des Wissens weit über das Handwerk hinausgehe, sondern sei als eine Art persönliches Werben Velázquez’ um Gunst und Anerkennung zu verstehen. Las Meninas sei von Velázquez folglich als strategisches Bild komponiert und eingesetzt. Der Rang des Malers und seines Werks wäre entsprechend durch die Anwesenheit des Monarchen bewiesen.

Der Argumentation liegt die Annahme zugrunde, eine durch den Souverän geförderte Kunst müsse bereits durch das bloße Interesse des Königs eine auserlesene Kunst sein, so dass allein die Gegenwart der Majestät die Kunst als solche adele. Brown versucht nachzuweisen, dass ein nahes Verhältnis zwischen König Philipp IV. und Velázquez tatsächlich bestanden habe, und nennt Quellen, die die Freundschaft von König und Maler belegen. Dazu gehört der Hinweis, Philipp IV. habe einen Schlüssel zu Velázquez’ Atelier gehabt und ihn dort beinahe täglich aufgesucht.

Die enge, gleichsam symbiotische Beziehung zwischen Maler und König, die einen solchen Zusammenhang stütze, sei in Velázquez’ Gemälde an mehreren Stellen ausgewiesen und bürge für den hohen Status der Malkunst. So wird vermutet, König Philipp IV. sei der Zweck des Gemäldes bekannt gewesen. Nur so lasse sich erklären, warum er sich, entgegen der königlichen Etikette, in atelierähnlicher Umgebung darstellen ließ Auf den Monarchen sei auch die nachträgliche Hinzufügung des Santiago-Kreuzes auf Velázquez’ Brust zurückzuführen. Zudem weise der Generalschlüssel, der noch ansatzweise an Velázquez’ Gürtel erkennbar ist, den Hofmaler als Amtsträger aus, der als aposentador des Königs selbst Zugang zu den königlichen Privatgemächern hatte. Neben seiner Funktion als Amtszeichen bestätige der Schlüssel zudem die besondere Beziehung zwischen König und Maler.

In einem zentralen Punkt erfuhr Browns These Unterstützung und Erhellung. Brown hatte argumentiert, Velázquez’ Entwurf weise mit Absicht eine komplizierte perspektivische Form auf. Schließlich galten Beherrschung und Anwendung der Perspektive als höchste Disziplin und waren den Artes liberales Arithmetik und Geometrie darin nicht unähnlich. „Die Perspektive wurde […] zur Garantin der Malkunst als ars liberalis, und möglicherweise ist das der Grund, warum Velázquez uns als sein künstlerisches Manifest eines der perspektivisch brillantesten Gemälde hinterließ, die es gibt.“

An diesen Aspekt schließt der 1983 erschienene Beitrag von John F. Moffitt an, in dem anhand von historischen Grundrissplänen plausibilisiert werden konnte, dass der gesamte in Las Meninas dargestellte Raum die Wiedergabe eines damals real existierenden Raumes sei, der bereits von Antonio Palomino in seiner Beschreibung von 1724 Erwähnung fand. Dabei soll es sich um ein längliches Prinzengemach mit den Maßen 20,4 m × 5,36 m × 4,4 m in der Südweststrecke des Alcázar, des Königspalastes in Madrid, handeln. Velázquez nun habe diesen Ort für sein Gemälde gewählt, weil er selbst einer der Architekten war, wodurch er seine unzweifelhafte Zugehörigkeit zu den Artes Liberales zu erkennen gegeben habe.

Ein Abgleich zwischen Moffitts Raumrekonstruktion und Velázquez’ Gemälde zeige, dass die Raumdarstellung perspektivisch dermaßen korrekt eingehalten sei, dass sie an die Exaktheit einer Photographie heranreiche. Um eine solch wirklichkeitsgetreue Abbildung zu gewährleisten, müsse sich der Maler eines technischen Hilfsmittels bedient haben. Moffitt vermutet, Velázquez habe eine modernisierte Form des in der Hochrenaissance gebräuchlichen Fadengitters benutzt oder eine Camera obscura, von der angenommen wird, dass sie auch Velázquez' Zeitgenosse Jan Vermeer eingesetzt habe. In Las Meninas sei die Exaktheit der wissenschaftlichen Perspektive demnach zu Demonstrationszwecken ausgebreitet. Mit dieser Anschauung korrespondiere, dass sich der Künstler selbst nicht beim Malakt zeige, sondern in „aristokratischer Pose und seine unmittelbare Nähe zur Königswürde unterstreichend“.

Browns Analysen werden von der Kunstwissenschaft heute sowohl als grundlegender Zugang zur Interpretation zu Las Meninas angeführt, als auch in vielen Punkten angefochten, da seine Interpretation den Zusammenhang zwischen Analyse und Bildinhalt nicht mehr ausreichend reflektiere. Ein weiterer Kritikpunkt findet sich in der Vermutung, Velázquez selbst habe den unterstellten Unterschied zwischen Malerei und Handwerk gar nicht gesehen, habe er doch auf anderen Gemälden gerade die Kunstfertigkeit des Handwerks hervorgehoben.

Michel Foucault geht davon aus, dass es Velázquez aufgrund seiner kulturhistorischen und sozialgeschichtlichen Konditionierung (noch) nicht möglich war, die Episteme des Menschen und seine Ableitung, das Subjekt, darzustellen. Weil der Barockmaler noch dem Ordnungssystem der Repräsentation verhaftet sei, veranschauliche sein Gemälde lediglich die reine Repräsentation und damit die Abwesenheit des Subjekts. Las Meninas ziele in diesem Sinne auf die Darstellung einer „essentiellen Leere“, einer unbesetzten Stelle, auf die im Bild verwiesen sei, die aber außerhalb des Bildes gedacht werden müsse.

Am Anfang von Foucaults Analyse steht die Betrachtung des Malers. Er blicke auf das Modell, das dem Zuschauer, also dem Betrachter, verborgen bleibe. Zwischen dem Maler auf der Leinwand und dem Betrachter davor manifestiere sich eine „beherrschende Linie“, die den repräsentierten Raum mit seinem Gegenpol verbinde, dem Raum, in dem sich der Betrachter befindet. Auch andere Bildlinien verwiesen auf einen Punkt außerhalb des Dargestellten. So der Spiegel im Hintergrund, der nicht die Raumumgebung aufnimmt, sondern das Königspaar reflektiere, das Foucault als das Modell des Malers annimmt und sich ebenfalls in dem als Verlängerung des Bildes gedachten Betrachterraum befinde. Obwohl Las Meninas von Repräsentation handele und eine Reihe von klassischen Repräsentationsinstrumenten aufweise, so etwa die Leinwand, die gehängten Bilder, den Spiegel und den Lichtschein der Fenster, bleibe das Sujet der Repräsentation selbst unsichtbar. Diese Auslassung aber, die ihre Realität außerhalb der Leinwand finden muss, besetzt Foucault nun gleich dreifach mit elementaren Konstituenten der Repräsentation: mit dem Modell (Herrscher), dem Betrachter (Zuschauer) und dem Autor (Velázquez). Sie alle befänden sich in einer Position vor der Leinwand, in einem „idealen Punkt“ von dem aus sie ins Innere des Bildes zurückprojiziert würden. Der Herrscher in den Spiegel, der Betrachter in die Figur des José Nieto und der Autor in das Selbstbildnis des Malers.

Das Zentrum der dargestellten Szenerie aber bildeten die im Spiegel sichtbaren Monarchen. Obwohl sie das zerbrechlichste, vernachlässigste und von niemandem in der Darstellung angeblickte Bild darstellten, ordneten sie die gesamte Repräsentation. Die Macht des Souveräns dringe damit umso stärker in das Zentrum der Repräsentation vor, je weniger er zum Bild selbst gehöre. Gerade dessen Abwesenheit strukturiere folglich das ganze Schauspiel, setze sich zum Ursprung ein, obwohl er sich nur über imaginäre Linien Zugang verschaffen könne.

Foucaults Interpretation begreift Las Meninas als ein Metabild, als eine Reflexion über Repräsentation, die in ihrer Struktur selbstbezüglich ist, weil sie in der „Repräsentation der klassischen Repräsentation“ verharre und der Darstellung bloßer Stellvertretung verhaftet bleibe. Foucaults Analyse hatte in der Kunstgeschichte großen Einfluss und wurde aufgrund ihrer elaborierten Form und Raffinesse geschätzt. Neuere Texte weisen aber auch Fehler nach, so etwa die In-eins-Setzung von Herrscher und Betrachter, die eigentlich unterschiedliche Fluchtpunkte haben. Zudem wird überwiegend angenommen, dass der Spiegel nicht das Königspaar im Raum reflektiere, sondern die Leinwand des Malers, die ihrerseits ein königliches Doppelporträt zum Gegenstand habe.

Eine Außenseiterposition nimmt innerhalb der Las-Meninas-Forschung die These ein, der gesamte Entwurf sei die Darstellung einer großen Spiegelfläche. Das Bildpersonal schaue in Wahrheit nicht aus dem Bild heraus, sondern in einen Spiegel hinein und erblicke sein eigenes Spiegelbild. Die These war 1981 von Hermann Ulrich Asemissen geäußert worden. Nur diese Spiegelbildthese könne plausibel erklären, wie Velázquez seine Modelle von vorne sehen und malen könne, obwohl er im Bild hinter ihnen steht. Asemissen versucht nachzuweisen, dass Figuren und Raum seitenverkehrt dargestellt seien. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die Infantin auf späteren Porträts Velázquez’ den Scheitel auf der anderen Seite trage. Gegen die These spricht jedoch, dass die Seitenverkehrung, sollte sie stattgefunden haben, nicht konsequent vollzogen wurde. Das Spiegelbild wiese den Maler als Linkshänder aus. Zudem sind auch die Gemäldereproduktionen auf der Rückwand des Raumes nicht spiegelverkehrt dargestellt.

Die Chefkonservatorin für spanische Malerei des 18. Jahrhunderts am Museo del Prado, Manuela B. Mena Marqués, hatte 1997 mit einer gleichermaßen spektakulären wie umstrittenen These zu Las Meninas der Forschung neue Impulse gegeben.Auf der Grundlage ihres Restaurierungsberichtes von 1984 und durch Konzentration auf viele Detailbereiche des Gemäldes, hatte sie, gestützt auf radiographische Untersuchungen, die These vertreten, unter dem heutigen Bild habe sich ehemals ein Vorgängerbild Velázquez’ befunden. Das sei später durch Teilübermalungen zu der heute bekannten Form von Las Meninas umgearbeitet worden. Erst die Einbeziehung dieses in seiner Konzeption eigenständigen Vorgängerbildes in die Betrachtung mache Las Meninas verständlich und seine Widersprüche plausibel.

Eine Allegorie der Treue und des Gehorsams gegenüber dem Monarchen und Margarita habe Velázquez ursprünglich dargestellt. Emblematisch ausgewiesen werde die Behauptung durch die Figur der Maria Bárbola, die zwischen ihren Fingern einen Ring halte. In Kombination mit dem Hund sei dies typischer Ausdrucksträger solch allegorischer Darstellungen. Auch die Mazo-Kopien auf der Rückwand des Raumes seien als Allegorien auf die Macht und Autorität von König und Thronfolgerin zu verstehen.

Ein Treuebekenntnis ergebe sich aus der spezifischen Situation am Spanischen Hof. Weil ein männlicher Erbe fehlte und die Dynastie der Habsburger in Spanien zu erlöschen drohte, dachte man darüber nach, die Infantin Margarita als Erbin der Spanischen Krone einzusetzen. Las Meninas sei in diesem Sinne als „Manifest“ ausgeführt worden; als Veröffentlichung der königlichen Absicht, die Thronfolge an eine Frau zu übergeben. Für die öffentliche Bestimmung des Gemäldes spreche nicht zuletzt seine Größe. Das Gemälde sei auf seiner linken Seite stark beschnitten worden. Das Königsabbild im Spiegel habe ursprünglich im Zentrum der Bild-Mittelachsen gelegen und sei eine Entsprechung der politisch-thematischen Bedeutung gewesen. Weder Leinwand noch Velázquez wären in der vorhergehenden Darstellung abgebildet. An die Stelle des Malers sei ehemals eine andere Figur (vielleicht ein junger Page) getreten, die sich auf Röntgenaufnahmen des Bildes nachweisen ließe. Ebenso verschwunden sei ein roter Samtvorhang, ein seit der Antike für die Autorität des Souveräns verbürgtes Symbol.

Der gesamte Entwurf, so Mena Marqués, habe für Prunk und Tradition gestanden. Als „Allegorie der Monarchie“ und „Verteidigung der kleinen Margarita als Thronerbin“ sei die Darstellung letztlich ein „mahnender und kategorischer Befehl zu Treue und Folgsamkeit gegenüber den Wünschen des Königs“.

Erst mit der Geburt des ersehnten männlichen Thronerben Prospero 1657 sei die ursprüngliche Darstellung nutzlos geworden. Velázquez habe die Leinwand, deren Bestimmung ja verloren war, zu einem späteren Zeitpunkt erneut genutzt, Stellen übermalt und seine eigene Person hinzugefügt, dann bereits als Santiago-Ritter mit Kreuz auf dem Wams. Die Frage, was der Maler in Las Meninas auf seiner Leinwand male, könne so beantwortet werden: Er male sich selbst beim Übermalen des ursprünglichen Bildes.

Der Beitrag Mena Marqués führte innerhalb der Las-Meninas-Forschung zu heftigen Kontroversen. Auf der Basis radiographischer Untersuchungen ist zwar der Nachweis einer anderen Figur unter der Selbstdarstellung des Malers insgesamt bekannt, jedoch geht der überwiegende Teil der Las-Meninas-Forschung davon aus, dass es sich dabei um eine bloße Positionierungsalternative Diego Velázquez’ handele. 1998 wurden Mena Marques' Thesen von Jonathan Brown, dem Historiker John H. Elliott und der Restauratorin Carmen Garrido „als subjektiv und fiktiv“ zurückgewiesen

In den Verzeichnissen über die Gemälde des spanischen Hofes wurde Las Meninas zunächst als La Familia (Die Familie) geführt. Die erste detaillierte Beschreibung wurde 1724 von Palomino veröffentlicht. Infrarot-Untersuchungen haben gezeigt, dass Diego Velázquez im künstlerischen Gestaltungsprozess nur wenige Änderungen am Gemäldeaufbau oder der Haltung der dargestellten Personen vorgenommen hat. So war Diego Velázquez' Kopf ursprünglich nicht nach rechts, sondern nach links geneigt.

Das Gemälde ist an seinen beiden Längsseiten beschnitten, wobei nach Ansicht des Kunsthistorikers López-Rey die Beschneidung auf der rechten Bildseite auffälliger ist. Anlass und Zeitpunkt der Beschneidung sind nicht bekannt. In dem Brand, der den Alcázar 1734 fast vollständig zerstörte, wurde auch Las Meninas beschädigt und der Originalrahmen ging verloren. Der Hofmaler de Miranda nahm danach die Restaurierung des Gemäldes vor und malte dabei die linke Wange der Infanta fast völlig neu. In der Bestandsaufnahme der königlichen Gemäldesammlung in den Jahren 1747–1748 wird das Gemälde als kürzlich restauriert geführt; das Verzeichnis identifiziert die Königstochter jedoch fälschlich als María Teresa, eine Halbschwester der Infanta Margarita. Die falsche Zuschreibung taucht auch im Inventarverzeichnis des neuen Madrider Königspalastes auf, das im Jahre 1772 aufgestellt wurde. Die Inventare aus den Jahren 1794 und 1814 bezeichnen das Gemälde als „Die Familie von Philipp IV.“. Zum Bestand des Prado gehört Las Meninas seit seiner Gründung im Jahre 1819. Im Katalog des Jahres 1843 führte das Museum das Werk das erste Mal unter dem Titel Las Meninas, mit dem es bis heute üblicherweise bezeichnet wirdWährend der letzten Monate des Spanischen Bürgerkrieges befand sich das Gemälde gemeinsam mit dem größten Teil des Bestandes des Prados in Genf.

1984 wurde das Gemälde letztmals einer gründlichen Reinigung unterzogen. Auf der Gemäldeoberfläche hatte sich ein gelblicher Staubschleier abgesetzt. Die Reinigung, die unter der Aufsicht des Konservators John Brealey vorgenommen wurde, provozierte wütende Proteste. Das Gemälde wurde zwar im Reinigungsprozess nicht beschädigt, aber auf Grund der nun besser in Erscheinung tretenden Farbkontraste wirkte es deutlich anders als zuvor. Der Kunsthistoriker López-Rey bezeichnet die vorgenommene Reinigung jedoch als tadellos.

Wegen seiner Größe, seiner kunstgeschichtlichen Bedeutung und seines Wertes wird das Gemälde heute vom Prado nicht mehr verliehen. Es ist ausschließlich in diesem Museum zu sehen.

Seine aufreibende Tätigkeit im Dienste des Königs blieb nicht ohne Auswirkungen auf seine Gesundheit. Er zog sich ein „hitziges Fieber“ zu, an welchem er am 6. August 1660 in Madrid starb. Velázquez wurde am folgenden Tag in der Pfarrkirche des Heiligen Johannes (Iglesia Parroquial de San Juan), die einen Block vom Königspalast auf der Plaza de Ramales stand begraben. Um 1809 wurde die Kirche im Auftrag von Joseph Bonaparte, dem damaligen Herrscher Spaniens und älteren Bruder Napoleon Bonapates niedergelegt, um einen Platz anzulegen. Die Gebeine von Velázquez sind seither verschollen; spätere Grabungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, insbesondere im Velázquez-Jahr 1999, haben ihren Verbleib nicht klären können.

Velázquez ist einer der größten Bildnismaler aller Zeiten, der neben der seinerzeit vorherrschenden idealistischen Kunstauffassung auch den Naturalismus zu einem gleichberechtigten Stil erhoben hat. Sein höchstes Ziel war die streng objektive Nachahmung der Natur bei geistreicher und individueller Auffassung. Deshalb übte sein Stil auf die ihm geistesverwandte Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen großen Einfluss aus. Manet beispielsweise schuf sein Gemälde Der Tragöde unter dem Einfluss von Velázquez' Gemälde Hoffnarr Pablo de Valladolid. Beide sind in einem eigentümlich unbestimmten Raum ohne Bodenlinie dargestellt und ähneln sich in ihrer Fußstellung.

Velázquez' Malweise hat verschiedene Wandlungen durchgemacht: Von einer kräftig-pastoren, warmen Farbgebung mit bräunlichen Schatten ausgehend, lernte er allmählich die Einwirkung des natürlichen Tageslichtes auf die Farbigkeit der Figuren und Gegenstände kennen. Schließlich hüllte er alle Lokalfarben in einen kühlen, grauen Ton, durch den seine reifsten Schöpfungen gekennzeichnet sind. In seinen letzten Arbeiten löste er die dargestellten Motive in lauter einzelne, leicht hingesetzte Pinselstriche auf, die erst bei der Betrachtung aus größerer Entfernung zu einem einheitlichen Ganzen von geschlossener Harmonie zusammenwachsen. Er kam in seinem Spätwerk daher der Auffassung sehr nahe, die im Impressionismus vorherrschend wurde.

Ein Jahr vor seinem Tod schuf Velázquez die Porträts der Infantin Margarita Teresa in blauem Kleid und das ihres kleinen Bruders Philipp Prosper als seine letzten vollendeten Arbeiten. Der persönliche Stil des Malers erreichte in diesen Bildern seinen Höhepunkt. Flimmernde Farbflecken erzeugen auf breiten Malflächen einen fast impressionistischen Effekt. Erst in angemessener Distanz ergibt sich für den Betrachter der Eindruck geschlossener Plastizität. Die Bilder gingen im gleichen Jahr nach Wien als Geschenk an Kaiser Leopold I., der die Infantin 1666 heiratete.

Velázquez' Porträt von Infant Philipp Prosper ist das einzig erhalten gebliebene. Wie in allen späten Gemälden des Künstlers ist sein Umgang mit den Farben außerordentlich flüssig und lebendig. Aus dieser Darstellung des zarten und kränklichen Sohnes von König Philipp IV. spricht die Hoffnung, die man in den damals einzigen Erben der spanischen Krone setzte. Frisches Rot und Weiß stehen in Kontrast zu spätherbstlich morbiden Farben. Ein kleiner Hund blickt aus übergroßen Augen wie fragend auf den Betrachter, auch der weiträumig fahle Hintergrund lässt ein düsteres Schicksal erahnen - kaum vierjährig starb der kleine Prinz.

Kunsthistoriker unterteilen das Schaffenswerk Velázquez’ in drei Perioden, ausgehend von den beiden Italienreisen des Künstlers (1629 bis 1631 bzw. 1649 bis 1651), die als Zäsuren angesehen werden. Diese Einteilung ist teilweise willkürlich, weil sie nicht durchgängig Velázquez' künstlerischer Entwicklung entspricht. Wie bei vielen anderen Künstlern durchdringen sich auch bei Velázquez' Lebenswerk die unterschiedlichen Stile. Eine sichere Einordnung in die drei Schaffensperioden wird außerdem dadurch erschwert, dass er seine Werke nur selten signierte und datierte. Das königliche spanische Archiv hielt nur die Fertigstellungsdaten der wichtigsten Werke fest.

Fußnoten

  1.  ↑ Seipel, W. (Hrsg.): El Greco. Wien 2001, S. 17
  2.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 19
  3.  ↑ Scholz-Hänsel, M.: El Greco 1541–1614., Köln 2004, S. 132ff
  4.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 21f
  5.  ↑ Panagiotakes, N.M.: El Greco. The Cretan Years, Farnham 2009, S. 59
  6.  ↑ Wismer, B./ Scholz-Hänsel, M. (Hrsg.): El Greco und die Moderne, Ostfildern 2012, S. 29
  7.  ↑ Álvarez Lopera, J. (Hrsg.): El Greco. Identity and transformation. Crete, Italy, Spain, Skira, Mailand 1999, S. 28
  8.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 30
  9.  ↑ Scholz-Hänsel, M.: El Greco 1541–1614., Köln 2004, S. 29
  10.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 148
  11.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 35
  12.  ↑ Wismer, B./ Scholz-Hänsel, M. (Hrsg.): El Greco und die Moderne, Ostfildern 2012, S. 49
  13.  ↑ Scholz-Hänsel, M.: El Greco 1541–1614., Köln 2004, S. 42
  14.  ↑ Jaumann, H.: Manierismus und das Zeitalter der Entdeckungen, Berlin 2003, S. 90
  15.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 124
  16.  ↑ Álvarez Lopera, J. (Hrsg.): El Greco. Identity and transformation. Crete, Italy, Spain, Skira, Mailand 1999, S. 49
  17.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 149
  18.  ↑ Seipel, W. (Hrsg.): El Greco. Wien 2001, S. 38
  19.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 39
  20.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 41
  21.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 147
  22.  ↑ Álvarez Lopera, J. (Hrsg.): El Greco. Identity and transformation. Crete, Italy, Spain, Skira, Mailand 1999, S. 89
  23.  ↑ Scholz-Hänsel, M.: El Greco 1541–1614., Köln 2004, S. 54
  24.  ↑ Jaumann, H.: Manierismus und das Zeitalter der Entdeckungen, Berlin 2003, S. 92
  25.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 49
  26.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 149
  27.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 55
  28.  ↑ Jaumann, H.: Manierismus und das Zeitalter der Entdeckungen, Berlin 2003, S. 92
  29.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 49
  30.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 149
  31.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 55
  32.  ↑ Wismer, B./ Scholz-Hänsel, M. (Hrsg.): El Greco und die Moderne, Ostfildern 2012, S. 66
  33.  ↑ Panagiotakes, N.M.: El Greco. The Cretan Years, Farnham 2009, S. 89
  34.  ↑ Scholz-Hänsel, M.: El Greco 1541–1614., Köln 2004, S. 87
  35.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 47
  36.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 87
  37.  ↑ Panagiotakes, N.M.: El Greco. The Cretan Years, Farnham 2009, S. 71
  38.  ↑ Álvarez Lopera, J. (Hrsg.): El Greco. Identity and transformation. Crete, Italy, Spain, Skira, Mailand 1999, S. 127
  39.  ↑ Seipel, W. (Hrsg.): El Greco. Wien 2001, S. 65
  40.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 103
  41.  ↑ Seipel, W. (Hrsg.): El Greco. Wien 2001, S. 87ff
  42.  ↑ Panagiotakes, N.M.: El Greco. The Cretan Years, Farnham 2009, S. 128
  43.  ↑ Wismer, B./ Scholz-Hänsel, M. (Hrsg.): El Greco und die Moderne, Ostfildern 2012, S. 80
  44.  ↑ Jaumann, H.: Manierismus und das Zeitalter der Entdeckungen, Berlin 2003S. 101
  45.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 151
  46.  ↑ Wismer, B./ Scholz-Hänsel, M. (Hrsg.): El Greco und die Moderne, Ostfildern 2012, S. 97
  47.  ↑ Baer, R./Sarah Schroth, S.: El Greco to Velázquez. Art during the Reign of Philip III., Boston 2008, S. 122
  48.  ↑ Jaumann, H.: Manierismus und das Zeitalter der Entdeckungen, Berlin 2003, S. 124
  49.  ↑ Scholz-Hänsel, M.: El Greco 1541–1614., Köln 2004, S. 137f
  50.  ↑ Davies, D./ Huxtable Elliott, J. (Hrsg.): El Greco, London 2003,S. 120f
  51.  ↑ Wismer, B./ Scholz-Hänsel, M. (Hrsg.): El Greco und die Moderne, Ostfildern 2012, S. 113
  52.  ↑ Lösch, M.: Kultur in der Frühen Neuzeit, Bonn 1979, S. 151
  53.  ↑ Seipel, W. (Hrsg.): El Greco. Wien 2001, S. 109