e-Portfolio von Michael Lausberg
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Kunst im 19. Jahrhundert in Deutschland

Die Notwendigkeit zur Erarbeitung einer neuen Methode zur Wirklichkeitserfassung ergab sich aus dem tiefgreifenden Gesellschaftswandel. Dieser hatte aber nicht nur objektiv die Position der Intelligenz verändert, sondern zugleich auch ihr Selbstbewusstsein und Selbstverständnis in Frage gestellt. Hatte sie sich im Zeitalter der Aufklärung zunächst Schritt für Schritt von der Vormundschaft des Adels gelöst und schließlich allein die geistigen Maßstäbe und die ethischen Normen bestimmt, so sah sich diese im wesentlichen bürgerliche Intelligenz nach dem Siege der Bourgeoisie weggeschoben, zur Wirkungslosigkeit verurteilt und mit einer Welt konfrontiert, die ganz auf materielle Bereicherung ausgerichtet war. Die anfängliche Begeisterung für den großen gesellschaftlichen Umbruch wich einem weitverbreiteten Gefühl der Melancholie, an die Stelle des gesellschaftlichen Engagements trat der fortschreitende Rückzug auf die private Sphäre.[1] Vor der politischen Realität nach der großen Revolution enttäuscht, begannen sich die Künstler von der Gesellschaft abzuwenden: Während der Alltag ein Reich bitter empfundener Notwendigkeit war und blieb, glaubte man in der Sphäre des Geistigen ein Reich der Freiheit errichten zu können, in dem die Widersprüche sich aufhoben und das ein Glück verhieß, auf das man in der Realität verzichten musste.[2]

Von diesen allgemeinen Zügen einer neuen Welthaltung aus lassen sich jene Merkmale ableiten, welche die romantische Kunst, insbesondere die romantische Dichtung kennzeichnen.[3] Die Entgrenzung aller Formsysteme, die völlige Freiheit bei der Stoffbehandlung als Ausdruck der absolut gesetzten Subjektivität; die überragende Rolle neuer konstituierender Elemente der Dichtung wie des Gefühls, der Stimmung, der Intuition, der Offenbarung, des Impulsiven - alles Phänomene, die dem vernunftgläubigen 18. Jahrhundert suspekt erschienen waren-, damit aber auch die Inthronisierung der Liebe in all ihren Erscheinungsformen (von der platonischen bis zur dämonischen) als beherrschendem Handlungsmotiv; die Verherrlichung des Organischen, ohne rationale Einwirkung Gewachsenen, so insbesondere der Natur, die zum schönen Gegenbild der jetzt als hässlich und demoralisierend verachteten Zivilisation wird, aber auch des Volkes, das als ein einheitlicher, also nicht durch Klassenspannungen zerrissener Organismus betrachtet wird und in dessen scheinbar harmonische Vergangenheit man sich künstlerisch versetzt, sie zu erneuern sucht.[4]

Das neue Lebensgefühl der Künstler, ihre neuartige Sehweise bewirkt eine beträchtliche Erweiterung der stofflichen und gestalterischen Möglichkeiten.[5] Es entwickelt sich die Naturdichtung, der historische Roman, die orientalische, exotische Dichtung; Mischgattungen wie das Poem oder die Ballade werden beliebt und zeugen von der Neigung, die innerästhetischen Grenzen zu verwischen; ein neuer literarischer Held beherrscht die Szene: es ist der außergewöhnliche, einmalige Mensch, der Einzelgänger, nicht mehr der normsetzende Vertreter einer bestimmter sozialen Gruppe beziehungsweise der Träger einer ethischen Haltung; das außergewöhnliche Ereignis und Geschehen, nicht das Alltägliche, das Unheimliche, das Rätselhafte sucht.[6]

In der deutschen Romantik lassen sich geographisch wie chronologisch recht klar abgrenzbare Entwicklungsstränge unterscheiden: Der theoretisch ausgerichteten „Jenaer“ oder „Frühromantik“ der ersten Generation folgt seit 1805 die „Heidelberger“ Romantik; schließlich sammelt sich in Berlin eine stärker politisch interessierte Gruppe von romantischen Philosophen und Staatstheoretikern.[7] Die zwischen 1770 und 1780 geborene Generation der Romantiker zeichnet sich aus durch ein spezifisches Wirklichkeitsverständnis, das eine eigene Literaturauffassung hervorbringt. Das Heranwachsen dieser Generation und ihr erstes Hervortreten fallen in die Zeit der krisenhaften europäischen Entwicklungen um 1800. Die sozialen Erschütterungen der Französischen Revolution werden begleitet von einer Frühphase der Industrialisierung und schließlich von einer grundlegenden Neuordnung der staatlichen, gesellschaftlichen und sozialen Wirklichkeit. Andererseits ist die rationalistische Daseinsvorsorge eine selbstverständlich akzeptierte Errungenschaft der Zeit geworden.[8]

Die zeittypische Ambivalenz von Krise und Ordnung gibt der romantischen Bewegung ihren entscheidenden Impuls. Es ist auffällig, dass kein Schriftsteller der deutschen Romantik einen klar definierten Ort im sozialen Leben seiner Zeit gefunden hat. Obwohl sie durchgehend aus kulturell und ökonomisch privilegierten Schichten stammten, teilweise auch adeliger Herkunft waren, haben sie sich den Zwängen einer geregelten Lebensform entzogen.[9] Ihre Biographien sind unter den Gesichtspunkten bürgerlicher Karrieren meist Zeugnisse des Scheiterns. Auch daher mag die Eigenart herkommen, dass die romantische Bewegung einen Hang zur Gruppenbildung zeigte. Die Romantiker standen meist in engen Bindungen zueinander, die teilweise familiär grundiert waren, und sie fanden dort ihren sozialen Halt, den sie im bürgerlichen Alltagsleben nicht finden konnten.[10]

Ein wichtiges Merkmal der romantischen Epoche war auch die Verklärung des Mittelalters als Ort der Sehnsucht.[11] Dieses idealisierte Bild traf in strenger Auslegung jedoch nicht die historischen Tatsachen dieser Epoche, was aber auch gar nicht von den Romantikern beabsichtigt wurde. Sie projizierten vielmehr ihre eigenen subjektiven Vorstellung und Werte ins Mittelalter und schufen so ein idealisiertes Mittelalterbild. Der Versuch, das Vorurteil des rohen und barbarischen Mittelalters zu widerlegen und damit den Deutschen das Prädikat „barbarus“ abzunehmen, begann also im 15. Jahrhundert, setzte sich im 17. Jahrhundert sowie im 18. Jahrhundert fort und hatte seinen Höhepunkt während der Romantik. An der Schwelle zum 18. Jahrhundert motivierten neue patriotische Impulse das Interesse an der literarischen Tradition. Während dieser Zeit geht es den Menschen vor allem um eine Opposition gegen den Vorwurf der Barbarei, sie wendeten sich aber auch gegen das römische Papsttum, sowie gegen die romanische Sprache und Kultur. Außerdem wehrten sich die Autoren dieser Zeit gegen den übermächtigen Einfluss der antiken Dichtkunst gegenüber der deutschen Sprache.[12]

Ein wichtiger Wegbereiter der romantischen Mittelaltervorstellung war Bodmer, dessen wichtige Werke zum Mittelalter um 1750 bis 1760 erschienen sind, diesen Arbeiten lag ein Mittelalterbild zugrunde, welches auffällig dem zeitgenössischen romantischen Wertekodex verhaftet ist. Er projizierte seine Vorstellung und Werte ins Mittelalter und schuf so ein idealisiertes Mittelalterbild, um so die Vorurteile des rohen und barbarischen Mittelalters zu widerlegen.[13] Die Mittelaltervorstellung der Romantiker war stark ideologisiert, denn auch die Romantiker übertrugen ihre eigenen Ideen wie die Vorstellung des Volks, der nationalen Identität oder der Einheit von Kunst und Leben ins Mittelalter. Für Bodmer war der große Vorteil der epischen Dichtung des Mittelalters die anziehende Einfalt und große Klarheit. Die Nachteile waren für ihn die mangelnde Einheit der Handlung, das Abenteuerliche, das Unglaubliche und das falsche Wunderbare, deshalb bevorzugte er Nachdichtungen gegenüber wissenschaftlichen Editionen. Auch das Verfahren der Nachdichtung wird von Romantikern wie Novalis, Uhland oder Tieck angewendet, aber in der Romantik werden von diesen Autoren auch die anderen Verfahren angewendet und kontrovers diskutiert.

Friedrich Schlegel ist der erste richtige Repräsentant der deutschen Romantik; die Gründung der Zeitschrift Athenaeum, die er zusammen mit seinem Bruder August Wilhelm Schlegel von 1798 bis 1800 herausgab, darf als Beginn der deutschen Romantik gelten.[14] Friedrich Schlegel findet im 116. Athenaeum-Fragment die Formel von der „progressiven Universalpoesie“, mit der er die romantische Literaturkonzeption kennzeichnete. Diese „Universalpoesie“ kennt keine Gattungsgrenzen mehr und fühlt sich nicht mehr auf eine Darstellung der Wirklichkeit verpflichtet. Ihr Prinzip ist die „romantische Ironie“, die eine ständige Aufhebung der Aussage und Brechung der Form bewirkt.[15] Form und Inhalt des Kunstwerks spiegeln sich in sich selbst und heben jede Geschlossenheit auf, das Kunstwerk wird dadurch zum unendlichen Akt, der nie abschließbar ist. Gegenüber ihren theoretischen und polemischen Bemühungen blieb die literarische Produktion der beiden Schlegel-Brüder als den Protagonisten der theoretischen Frühromantik sehr beschränkt. August Wilhelm Schlegel hat sich als Gelehrter, Literaturhistoriker, Übersetzer und Kritiker hervorgetan, seine Sonette, Balladen und Dramen hatten nur marginalen Erfolg. Der einflussreichere jüngere Bruder Friedrich ist ebenfalls stärker der Theorie verpflichtet als der literarischen Produktion. Als Probe aufs Exempel seiner Theorie kann lediglich sein kurzer Roman Lucinde von 1799 gelten, in dem ebenso ein literarisches Programm wie ein Lebensentwurf vorgestellt wird. Der schmale Roman führt eine Reihe von Formen vor – von der Reflexion über den Brief und die Allegorie bis zur fortlaufenden Handlungserzählung des Mittelteils -, um damit dem Ideal der „progressiven Universalpoesie“ nahezukommen.[16] Das Interesse seines Autors wie des Publikums richtet sich aber wohl eher auf den Inhalt. Schlegel entwirft eine Konzeption der Liebe, in dem die körperliche und geistige Komponente gleichberechtigt miteinander verschmolzen werden sollen. Der Skandal, den der Roman hervorrief, war durchaus von Schlegel gewollt. Schlegel demonstriert in seiner Missachtung bürgerlicher Konventionen die Grundidee des romantischen Selbstverständnisses, das eben nicht nur die Literatur, sondern auch die individuelle Lebensgestaltung betraf.[17]

Der Roman Lucinde bleibt die Hauptgattung der Romantik.[18] Das Thema des Romans ist die Liebe und das Reflektieren über die Liebe in jeder denkbaren schriftlichen Form: Briefe, Tagebuch, hingekritzelte Gedanken, Zettelchen, aufgezeichnete Dialoge. Es ist oben bereits erwähnt worden, dass die Lucinde keine kohärente Handlung aufweist. Dennoch liegt dem Buch natürlich ein bestimmter Stoff zugrunde und dieser ist autobiographisch. Es hat dies seinen Grund ebenfalls wieder in der Theorie Friedrich Schlegels. Ist der Roman doch dazu gemacht, den Geist des Autors vollständig auszudrücken: so dass manche Künstler, die nur auch einen Roman schreiben wollten, von ungefähr sich selbst dargestellt haben. Ein romantischer Roman stellt also notwendigerweise die ganz persönlichen Empfindungen und Taten, kurz: die Lebensweise des Autors dar.

Anthologien über die Entwicklung des Liebes- und Ehemodells und des dazugehörenden Liebesdiskurses in Deutschland und Europa – seien es soziologische, historische oder literaturwissenschaftliche Arbeiten – sehen in der Lucinde stets das paradigmatische Beispiel für die Liebe in der Romantik, wenngleich der „Licht-Name“ der Titelheldin und somit auch des gesamten Buches über diese Metapher zunächst der Aufklärung verpflichtet zu sein scheint.[19] In Schlegels Lucinde finden wir zum ersten Mal in der Geschichte der Liebe in der Neuzeit die explizite Forderung danach, dass radikale Liebe und Ehe, also die große, wilde Leidenschaft und der bürgerlich-brave Bund fürs Leben, zusammengehören. Dem Einwand, dass es sich dabei um eine Utopie handele und dass lodernde Gefühle nur schwer zwischen „Kindergeschrei und Küchendämpfen“ dauerhaft vorstellbar seien, setzen die Romantiker die Unterscheidung zwischen poetischen Menschen (Enthusiasten) und Spießbürgern (Philister) entgegen: Dem romantischen Menschen spricht man die Fähigkeit zur ekstatischen Harmonie per definitionem zu. Und die romantische Kunst wie auch die richtige Art, hingebungsvoll zu lieben, helfen dem Menschen, seine poetische Seite auszubilden.

In Schlegels philosophischem System, mit dem er Ende des 18. Jahrhunderts versuchte, die unermessliche Welt der Poesie zu ergründen, hat die Liebe einen besonderen Stellenwert: Sie galt ihm als der erste Schritt zu deren Verständnis. Denn sie ist unmittelbar zu empfinden und führt dennoch zu dem Wunsch zur Reflexion darüber, so dass in ihr zwei sich gemeinhin konträr gegenüber stehenden Prinzipien – Unmittelbarkeit und Reflexion, Unbewusstheit und höchstes Bewusstsein – gleichzeitig umgesetzt werden. Zudem ist die romantische Liebe unendlich wie die Poesie. Das Reflektieren der Liebe ist notwendig, um eine Distanz herzustellen, die letztlich zu einer Steigerung des Erlebten führt. In Lucinde wird in Form von literarischen Dialogen reflektiert, jedes Textstück ist sowohl an Lucinde als auch an den Leser gerichtet. Ja, man kann sagen, dass es sich dabei um einen einzigen großen Liebesbrief handelt, in den der Leser hinein schauen darf.

Friedrich von Schlegel, Adam Müller und Karl Wilhelm Ferdinand Solger deuten die Ironie als ein Prinzip des Selbstbewusstseins der künstlerischen Tätigkeit.[20] Sie sehen die Ironie als ein für die Kunst hoch bedeutsames philosophisches Vermögen, das Bedingung und Ermöglichung einer unendlich fortlaufenden geistigen Bewegung ist. Die von ihnen vorgetragene Ironie-Konzeption hat im Wesentlichen einen einheitlichen Grundsinn: Sie vereinen Philosophisches, Kritisches und das historisch-betrachtende und interpretierende Vermögen miteinander, um möglichst ein umfassendes Denken und Betrachten zu erzeugen.[21]

Die Konzeption der Ironie ist mit ihrer Deutung der Kunst, den Anschauungen entgegengesetzt, welche die Kunst als ein unmittelbares Ausströmen aus dem Innern des Künstlers sehen möchten, worauf der Schaffende selber keinen Einfluss hat, sondern dieser schöpferische Prozess soll nur durch eine höhere Macht zustande kommen, so als würde Gott selbst aus der Kunst zu ihnen sprechen.[22] Es ist nicht nur Friedrich von Schlegel, der mit seinem Ironie-Postulat, die Poesie, die Besonnenheit, das logische Vermögen und die Selbstbeschränkung des Künstlers fordert, auch Adam Müller verlangt mit seiner Auffassung von der Ironie, das Bewusstsein statt des mystischen Verhaltens des Künstlers, will, dass er aus der Hingabe zurückfinden soll zu sich selbst und zu seiner Freiheit. Aber mehr noch als diese beiden, betont Karl Wilhelm Ferdinand Solger in seiner Ironie-Konzeption den künstlerischen Verstand, die logische Kraft in der Kunst und warnt vor dem Wahnsinn der schaffenden Seele. Der Mensch soll sich der Besonnenheit und einem bewusst individuellen Handeln hingeben. Wenn in der Theorie der Ironie die selbstbewusste und sich selbstbeschränkende Individualität des Künstlers hervorgehoben werden, dann geschieht das nur, wenn gleichzeitig auch das philosophisch-logische Vermögen, das man einfacherweise unter dem Begriff Bewusstsein zusammenfasst, so behandelt wird. Dies stellt die erste wesentliche Kategorie in der romantischen Ironie dar.[23] Bewusstsein ist nach dem Denken der Romantiker, wie auch im Fichteschen Denken ein Handelndes, ist Bewegung.

Die Romane der Epoche zeichnen sich dadurch aus, dass sie die ohnehin noch nicht fest etablierten Formen der aufklärerischen Romantradition aufsprengen wollen. Ein frühes Modell bietet Wilhelm Heinrich Wackenroder mit seinem Werk Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, das von Ludwig Tieck anonym herausgegeben und ergänzt wurde. In der zeittypischen Mischung aus Poesie und Reflexion schlagen die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders ein Zentralthema der Romantik an: das Problem der Kunst und der Künstlerexistenz.[24] Diesem Vorbild folgten weitere Romane in dieselbe Richtung: Ludwig Tieck veröffentlichte 1798 im unmittelbaren Anschluss an Wackenroder Franz Sternbaldts Wanderungen. Auch Tieck behandelt am Beispiel von Franz Sternbaldts, dem Schüler Dürers, die Frage der Künstlerexistenz. Er proklamiert das originäre Kunstkonzept der Romantik mit seiner Unendlichkeitssehnsucht, die sich insbesondere in den Landschaftsschilderungen des Romans allegorisch artikuliert.

Generell ist zu betonen, dass die Romantik unter der inneren Abkehr von der Aufklärung und des Klassizismus’ beginnt. Denn die hochgepriesenen Worte von ‚Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit‘, welche in der Französischen Revolution ihren Ursprung hatten, wurden nicht erfüllt. Die Künstler und Künstlerinnen reagierten darauf, indem sie sich mehr in sich selbst zurückzogen. Das Ich, welches schon im Klassizismus wichtig wurde, wird in der Romantik zum Mittelpunkt der Kunst. So prägten sich die einzelnen Stimmungen und Gefühle unterschiedlich aus.

Während sich, wie bereits erwähnt, die französische Romantik eher der Heroisierung des Leidens in ihren historischen Gemälden widmete, beschäftigen sich die Engländer und Deutschen sehr stark mit der Landschaft und Natur, bei denen die Natur als Symbol für Freiheit und Grenzenlosigkeit anzusehen ist. Über die Stimmungsbilder hinaus wurden auch sehr viele Menschen, vor allem aber in einsamer Natur, Portraits aus Alltagsszenen heraus gemalt, bei welchen gewöhnliche Personen abgebildet wurden, gemalt. Volkstümliche Themen, wie Religion und Märchen sind ebenfalls vertreten.

Auch dem Licht des „siècle de la lumière“ wurde, wie Schlegel es formulierte, die Nacht entgegengestellt: „Der Sonnenschein ist die Vernunft als Sittlichkeit- auf das tätige Leben angewandt, wo wir an die Bedingungen der Wirklichkeit gebunden sind. Die Nacht aber umhüllt uns mit einem wohltätigen Schleier und eröffnet uns dagegen durch die Gestirne die Aussicht in die Räume der Möglichkeit; Sie ist die Zeit der Träume.“ Künstlerisch durchbrach die Romantik vor allem das Prinzip der Nachahmung. In der klassizistischen Landschaftsmalerei konzentrierte man sich auf die Nachahmung von Werken Nikolas Poussins oder Claude Lorraine. Doch das Sehnen nach dem Ideal der Schönheit, dass durch das Kopieren alter Meister zu finden erhofft wurde, blieb auf diesem Wege unerfüllt. Nicht die Wissenschaft ermöglicht schöne Bilder, sondern der Künstler selbst ist der Urheber dieses bewussten Schaffensprozesses. Kunst wird zu einer Institution, der Selbstständigkeit zugeschrieben wird und deren Schöpfer die Vorstellung eines Genies erfüllen. Schlegel spricht von der romantischen Strömung als „ästhetische Revolution“.

Die Künstler der Romantik entnehmen den Stil aus verschiedenen Epochen -man bedient sich sowohl klassizistischen als auch mittelalterlichen-romanischen und gotischen Formengutes- der Vergangenheit, denen er sich durch „Wahlverwandschaft“ verbunden bzw. zugehörig fühlt. So ist die Romantik eine Erneuerung vieler Stile, nicht eines bestimmten. Malerei und Literatur stehen in besonders innigem gegenseitigen Austausch, hier kommen die neuen Inhalte romantischen Denkens und Empfindens am deutlichsten zum Ausdruck. Beide sind national-chauvinistisch geprägt wie in keiner anderen Epoche zuvor. Die Romantik steht in einem Spannungsfeld, sie ist reaktionär und zugleich weltoffen, ihr Geist beeinflusst die Kunst bis zur heutigen Zeit. Im Namen der Natur huldigt der Romantiker, dem was ihn begeistert: Freiheit, Macht, Liebe, Gewalt, den Griechen, dem Mittelalter, etc. - der Gefühlskult wird immer um seiner selbst willen betrieben. Die romantischen Künstler werden folgendermaßen klassifiziert:

Die Romantiker sind Entdecker der menschlichen Abgründe, stehen „auf der Kippe“, sind mit Tod und Chaos wohlvertraut. Charakteristisch ist eine Auseinandersetzung mit der Nachtseite der Natur, mit Traum, Somnambulismus und Psychosomatik. (Nach Novalis kann man jede Krankheit Seelenkrankheit nennen.) Die Romantik ist eine Zeit der innigsten Freundschaften, es herrscht ein Verlangen nach Gemeinschaft. Wandern ist ein romantisches Zauberwort und seligmachend. Als Topoi dient der Wald als Symbol von Innerlichkeit und geheimen Schauer. Dämmernder Wald und schattige Felsenschlucht sind Lieblingspanoramen der Romantik. Ebenso die Jagd, das (brennende) Schloß, der Eremit (Pilger, Mönch), das Gewitter, die Mondnacht, das Fenster als Motiv der Sehnsucht und dem Verlangen nach Weite, außerdem die die Endzeit symbolisierende Feuersbrunst.

Obwohl sich sein künstlerisches Talent schon früh ankündigte (erste Zeichnung aus dem Jahre 1823), war Carl Spitzweg folgsam und begann im Jahre 1825 seine Lehrzeit unter dem Principal Franz Pettenkofer in der Königlich-Bayrischen Hofapotheke in München. Am 1. Dezember 1828, in Carls letztem Lehrjahr, starb sein Vater.

1829 arbeitete er in der Löwenapotheke der Stadt Straubing, wo er ein Jahr zusammen mit Theaterleuten und Malern verlebte. In diesem Jahr starb der älteste Bruder als Kaufmann im ägyptischen Alexandria.

Carl Spitzweg begann 1830 mit dem Studium der Pharmazie, Botanik und Chemie an der Münchner Universität, das er 1832 mit Auszeichnung abschloss. Er war nun als praktischer Apotheker zugelassen und arbeitete als solcher u. a. auch in der Stadtapotheke in Erding. 1833 brach Spitzweg seine Apotheker-Laufbahn ab. Während eines Kuraufenthaltes in Bad Sulz (Peißenberg) nach einer Krankheit fasste er den Entschluss, sich hauptberuflich der Malerei zu widmen. Die Entscheidung wurde dadurch erleichtert, dass er zu dieser Zeit seinen Erbanteil zugewiesen bekam.

1835 wurde er Mitglied des Münchner Kunstvereins. Carl Spitzweg hat nie eine Akademie besucht, er war ein Autodidakt. Es folgten Reisen nach Dalmatien (1839), nach Venedig (1850) und mit dem Landschaftsmaler Eduard Schleich nach Paris, London (zur ersten Weltausstellung) sowie auf dem Rückweg nach Antwerpen (1851), nach Frankfurt am Main und Heidelberg.

Seit 1844 war er Mitarbeiter der Fliegenden Blätter, die er mit zahlreichen humoristischen Zeichnungen versah.

Kurz nach dem Tod seines jüngeren Bruders starb Carl Spitzweg am 23. September 1885 im Alter von 77 Jahren an einem Schlaganfall, man fand ihn zurückgelehnt in seinem Stuhl in seiner Münchner Wohnung. In München wurde er auch begraben. Die Grabstätte von Spitzweg befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Gräberfeld 5 – Reihe 17 – Platz 10/11) Der Grabstein symbolisiert eine Apothekerflasche. Es ist ein Ersatz für den nicht mehr vorhandenen Originalgrabstein.

Carl Spitzweg schuf über 1500 Bilder und Zeichnungen. Ab 1824 begann er mit Ölfarben zu malen. Zu Lebzeiten konnte Spitzweg etwa vierhundert Gemälde verkaufen. Bewunderer und Käufer fand er vor allem in der zu neuer Kaufkraft gelangten Bürgerschaft, wenngleich die Popularität, die Spitzwegs Malerei heute genießt, erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte.

Sein Malstil gehört der Spätromantik an. Anfangs war Spitzweg noch der biedermeierlichen Richtung verbunden, später lockerte sich seine Malweise auf, dem Impressionismus sehr nahe. Bereits während seiner Jugend zeichnete Spitzweg viel; auch während seiner Arbeit in der Apotheke zeichnete er die Köpfe der wirklichen und eingebildeten Kranken, Jungen und Alten, sowie die Originale der Kleinstadt Straubing. An diesem idyllischen Städtchen gefiel Spitzweg besonders das malerische Kleinstadtbild mit den engen Gassen und zierlichen Erkern, die Türmchen, Brunnen und Steinfiguren. Immer wieder kommen diese Motive in seinen Bildern vor.

Spitzweg stellte Menschen in ihrem zeitbedingten bürgerlichen Milieu dar. Er schildert auf kleinformatigen Bildern das biedermeierliche Kleinbürgertum, die kauzigen Sonderlinge und romantische Begebenheiten. Zwar stellte er menschliche Schwächen dar, jedoch nicht das Verruchte oder das Gemeine; alles Derbe war Spitzweg fremd. Der arme Poet – das bekannteste und beliebteste Bild Spitzwegs überhaupt – stammt aus dem Jahre 1839. In dem Bild Der Kaktusliebhaber zeigt Spitzweg den Büromenschen vor seiner Lieblingspflanze, dem Kaktus. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch Gemälde wie Beim Antiquar, Schildwache am Tor, Der Sterndeuter, Der Alchimist, Der Bücherwurm, Ein Besuch, Abschied oder Der Bettelmusikant.

Durch die Freundschaft mit dem Landschaftsmaler Eduard Schleich, mit dem er viele Reisen unternahm, rückte die Landschaft stärker in sein Bewusstsein. Mit Natur- und Farbsinn malte er grandiose Bergmassive und deren freie Weite, romantische Waldwinkel, die grüne Hochebene mit Wald, Wiese und Erntefeld – zumeist bei schönem Wetter; er stellte lieber das Licht dar. Als Beispiele lassen sich Am Ammersee, Heuernte im Gebirge und Fahrendes Volk nennen.

Spitzweg hatte einen ausgeprägten Farbensinn. Durch die Apothekerausbildung gewann er chemische und technische Erfahrung bei der Herstellung seiner Farben. Er verwendete ein einmaliges, hell leuchtendes Blau, das man bei keinem anderen Maler wiederfindet. Er verstand es auch, dauerhafte Farben zu produzieren. Von seinen weiten Reisen brachte Spitzweg eine reiche Sammlung von Skizzen mit nach Hause, die er im Atelier in seine Gemälde einfügte.

Spitzweg entwickelte als seine Spezialität das witzige, manchmal ironische Pointenbild, das sich später oft zur Idylle wandelte. Spitzweg machte sich über viele Gepflogenheiten seiner Zeit lustig. Auch die Obrigkeit versieht er mit gutmütigem Spott, so in dem Bild, in dem ein Polizist fahrende Musikanten nach ihrem Pass fragt. Da der Polizist fränkischen Dialekt spricht, versteht einer der Musikanten „Bass“ und deutet auf das Musikinstrument.

Ein Sonntagsjäger aus der Stadt ist über Baumwurzeln gestolpert und den Hang hinuntergerutscht. Er hängt mit verrutschter Perücke hilflos am Riemen seiner Jagdtasche und hält verkrampft seine Büchse fest. Spitzweg hat dieses Malheur schadenfroh ausgemalt, indem er die vor Schrecken geweiteten Augen, die nach Halt suchende rechte Hand und die über dem Bauch gespannte Hose zeigt.Vom Jahr 1859 bis zu seinem Tod beschäftigte sich Spitzweg viel mit „kleinen Landschaften“, die er oft auf den Brettchen seiner Zigarrenkisten malte. Mit zunehmendem Alter überzeichnete Spitzweg seine Figuren weniger karikaturhaft, sondern betonte immer öfter das Idyllische.

Spitzweg charakterisierte gerne Menschen mit ihren Liebhabereien. Auf dem Bild Der Kaktusfreund betrachtet ein alter, Pfeife rauchender Herr im Hausrock seinen Kaktus, der eine Blüte hervorgebracht hat. Lange musste er darauf warten und freut sich jetzt still darüber. Spitzweg entwirft hier einen friedlichen Ort, an dem sich Natur und Mensch harmonisch zusammenfinden.

Beim Kaktusliebhaber zeigt der dicke Kaktus eine rote Blüte. Ein Schreiber mit Glatze, rötlicher Knubbelnase und hochgeschlossenen Rock beugt sich dem Kaktus entgegen, der sich ihm seinerseits zuneigt.

Der Schmetterlingsjäger zeigt noch einmal Spitzwegs ironische Ader. Mit starker Brille und einem zu kleinen Kescher steht der Hobbybiologe ziemlich hilflos mitten in einem tropisch anmutenden Wald, während zwei riesige blaue Schmetterlinge im Vordergrund frei herumgaukeln. Der Bildbetrachter sieht sie, der weiter entfernte unbeholfene Schmetterlingssammler nicht. Im Dachstübchen hält eine Szene fest, in der ein lehrerhaft aussehender Mann die Gelegenheit, seine Fensterblumen zu gießen, nutzt, um eine junge Nachbarin bei einer Hausarbeit am offenen Fenster zu beobachten, was sie mit einem Blick erwidert.

Seit den 1860er Jahren beschäftigte sich Spitzweg intensiv mit Nachtbildern und schuf die Werke wie Das Ständchen im Mondlicht oder Der eingeschlafene Nachtwächter

Der Geologe (alternative Titel: Der Mineraloge) ist ein Gemälde des deutschen Malers Carl Spitzweg (1808–1885) aus den 1860er Jahren. Es gehört zur Sammlung des Von der Heydt-Museums in Wuppertal, zu der es durch Vermächtnis 1913 kam. Spitzwegs Malstil gehört der Spätromantik an. Anfangs war Spitzweg, der in München wirkte, noch der biedermeierlichen Richtung verbunden, später lockerte sich seine Malweise auf, dem Impressionismus sehr nahe.

Das Gemälde zeigt einen Herrn, der dem Titel des Gemäldes nach ein Geologe ist. Er kniet vor einer Felswand und hält in seinen Händen jeweils einen Stein, die ein wenig größer als seine Hände sind. Den Stein in seiner linken Hand betrachtet der Geologe genauer, vielleicht hat er zuvor die beiden Steine gegeneinander geschlagen, um ein Bruchstück abzuschlagen. Zu seiner Linken hat er einen ca. 70 bis 80 cm langen Häckel abgelegt.

Der Geologe trägt eine blaue Hose und einen rötlichen Mantel mit dunkleren Kragen. Um seinen Hals trägt er einen dicken, beigen Schal, bei dem oben ein kleines Stück seines weißen Hemdkragens herausschaut. Er trägt einen brauen Hut und eine grüne Jagdtasche, die er sich so umgeschnallt hat, dass sie ihm auf seinem Rücken hängt.

Im Bild überwiegen rot-bräunliche Töne, neben dem Mantel des Gelogen auch durch die Felswände links und rechts im Bild. Am Platz, wo der Geologe kniet, überwiegen Gelbtöne, als wäre der Platz von der Sonne beschienen. Teilweise ist am Grund und an den Felswänden grüne Vegetation zu erkennen. Trotz des Schals des Geologen scheint es keine Situation im Winter zu sein.

Spitzwegs Werk ist mit Leimfarbe auf starkem Papier auf Leinwand ausgeführt und hat das Hochformat 44 × 34,5 cm. Ein Monogramm befindet sich unten rechts. Es trägt die Inventarnummer G 832 des Wuppertaler Von der Heydt-Museums.

Nach Hans Dietrich Lang hatte hier eine steile Schlucht mit einem Stollenmundloch im Peißenberger Glanzkohlenrevier bei Peißenberg als Vorbild gedient. Spitzweg hielt sich oft in Peißenberg auf, er fasste bei einem Kuraufenthalt 1833 den Entschluss, Maler zu werden. Nach Erika Günter handelt es sich bei diesem Felsmotiv um den Eingang zu einem Schaft des Hohen Peißenbergs.

Die Provenienz des Gemäldes ist nicht vollständig dokumentiert, sie stellt sich so dar: Seit 1863 ist das Gemälde im Besitz von W. Schauß in New York gewesen. Danach kam es über die Galerie Heinemann in München zu Fritz Reimann (1862–1913) in Elberfeld. Mit dem Tode Reimanns 1913 kamen durch Vermächtnis dieses und andere Gemälde in den Besitz des Von der Heydt-Museums.

Der Hexenmeister, auch Zauberer und Drache, ist der Titel zweier Gemälde von Carl Spitzweg, die 1875 und 1880 in Öl auf Leinwand entstanden. Sie befinden sich heute im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt und im Besitz der Kunstsammlung Rudolf August Oetker GmbH in Bielefeld. Die Bilder sind im Motiv nahezu identisch und unterscheiden sich in der Größe und in der Farbgebung.

In der unteren Bildhälfte steht inmitten einer finsteren Felslandschaft der Hexenmeister, um den herum sechs oder sieben Totenschädel kreisförmig angeordnet sind. In der Pose eines Schulmeisters oder Dompteurs hat er seinen Stab hochgereckt. Vor ihm erhebt sich mit offenem Maul ein nicht allzu großer Drache, der sich mit seinen Vordertatzen an einem Felsbrocken festkrallt, um den sich auch sein schlangenhafter Schwanz legt. Die Flügel heben sich schwarz gegen einen glutroten Schein ab, der aus dem Untergrund, wohl einer Felsspalte, dringt. Darüber kräuselt sich dichter, bleigrauer Rauch, hinter dem neben einer aufragenden Säule eine sonnenbeschienenes Märchenschloss sichtbar wird, nicht unähnlich dem Schloss Neuschwanstein, dessen Bau 1869 begonnen worden war. Die Signatur des Künstlers, das S mit dem stilisierten Spitzweck, findet sich unten links am Bildrand.

Ursula Seibold-Bultmann sieht den Drachen als Fafnir aus der nordischen Mythologie und das Gemälde als einen Seitenhieb auf „die Wagner-Begeisterung des Bayernkönigs Ludwig II. und [...] Michael Echters Nibelungen-Wandbildern aus der Münchner Residenz (1864).“ Lisa Zeitz würdigt den Hexenmeister und Spitzwegs Gemälde Justitia als „zwei besonders schöne Gemälde mit dem typisch leisen Humor von Carl Spitzweg.

Das kleinere der beiden Gemälde mit den Maßen 29,8 × 21,9 Zentimeter hat die Werkverzeichnisnummer 1394 und wurde mit der Sammlung des Industriellen Georg Schäfer in das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt übergeben und ist dort seit dem Jahr 2000 ausgestellt.

Das größere Gemälde hat die Maße 47,1 × 26,2 Zentimeter und die Werkverzeichnisnummer 1395. Es befand sich Anfang der 1930er Jahre im Besitz von Leo Bendel, Generalvertreter der Tabakunternehmen Ermeler und JOB Zigarettenpapier, in Berlin. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Bendel 1935 entlassen; er und seine Frau Else mussten Möbel und Kunstwerke unter Wert verkaufen, um Mittel für die Emigration aufzubringen. Den Hexenmeister verkaufte Bendel am 15. Juni 1937 für 18.000 Reichsmark an die Galerie Heinemann in München. Dieser Vorgang ist rechtlich als verfolgungsbedingter Vermögensverlust anzusehen, das Bild gilt damit als NS-Raubkunst. Am 12. August 1937 erwarb die Gattin des Backpulverfabrikanten August Oetker, Caroline „Lina“ Oetker das Gemälde zum Preis von 28.000 Reichsmark. 1968 kam es durch Erbfolge an Rudolf-August Oetker, es steht, seit deren Gründung, im Eigentum der Kunstsammlung Rudolf August Oetker GmbH.

Zeitungsleser im Garten, auch Die Morgenlektüre genannt, ist ein kleines Ölgemälde von Carl Spitzweg. Es befindet sich heute im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern. Die Datierung des Gemäldes ist nicht ganz sicher. Es entstand im Zeitraum 1845 bis 1858. Die Signatur Carl Spitzwegs, ein S im Rhombus, befindet sich vorne rechts im Mauerwerk.

Ein in einen dunkelroten Morgenmantel gewandeter Zeitungsleser hat sich in seinen abgeschiedenen Gartenbereich zurückgezogen. Eine hohe, von der Sonne beschienene Mauer trennt seinen Garten von dem des Nachbargrundstücks. An der Mauer befindet sich links ein Rankgerüst, das dicht von Clematis bewachsen ist. Weiter vorne im Bild steht auf der rechten Seite eine Laube, die mit Wein berankt ist. Sie wölbt sich über einen Tisch auf der das Frühstücksgeschirr steht. Die lange Tabakspfeife ist an die Bank gelehnt.

Der Zeitungsleser hebt sich dunkel vor der hell erleuchteten Wand ab. Die Augenbrauen sind hochgezogen, der Unterkiefer ist leicht vorgeschoben so als missbillige er, was er in der Zeitung liest, die er in der Hand hält. Morgenmantel und Kaffeegeschirr weisen den Zeitungsleser als wohlhabenden Bürger aus. Kaffee war zum Entstehungszeitpunkt des Bildes noch ein Getränk wohlhabender Bürger.

Das Bild wirkt auf den heutigen Betrachter vorwiegend idyllisch. Vor dem geschichtlichen Hintergrund der Revolution von 1848 bietet dieses Bild jedoch auch eine kritische Aussage. Als Revolutionen von 1848/49 werden die Aufstände und bürgerlich-revolutionären Erhebungen gegen die zu dieser Zeit herrschenden Mächte der Restauration und deren politische und soziale Strukturen in mehreren Ländern Mitteleuropas bezeichnet. Initialzündung der Unruhen war unter anderem die französische Februarrevolution von 1848 und die Ausrufung der Zweiten französischen Republik. In einzelnen Regionen eskalierte das Geschehen bis hin zu zwischenstaatlichen Kriegen (in Norditalien im ersten italienischen Unabhängigkeitskrieg und in Holstein/Schleswig/Dänemark im ersten Schleswig-Holsteinischen Krieg), oder nahm bürgerkriegsähnliche Ausmaße an (z. B. Wien: Oktober 1848, während der Reichsverfassungskampagne in Baden: Mai bis Juli 1849, Sachsen: Mai 1849 oder der Pfalz: Mai/Juni 1849, sowie in Ungarn: März bis Oktober 1849). Die Erhebungen waren in den jeweiligen Staaten und Regionen von unterschiedlicher Intensität und Dauer. Spätestens im Oktober 1849 endeten die letzten revolutionären Kämpfe mit der endgültigen Kapitulation der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung dieser Zeit.

Die Niederschlagung der Aufstände ging mit einer weitgehenden Einschränkung bürgerlicher Rechte einher. Zeitungen und Lesegesellschaften wurden verboten oder nur nach strenger Zensur publiziert. Selbst das Rauchen auf öffentlichen Plätzen und Straßen war untersagt. Angesichts der unruhigen Zeiten des deutschen Vormärzes war es für den einzelnen Bürger ratsam, sich politisch nicht zu äußern. Allein der Rückzug in den privaten Raum bot die Möglichkeit, sich vor der Zensur zu schützen. Unbeobachtet und fern ab der Gesellschaft kann der Zeitungsleser wenigstens mimisch seine Missbilligung über das zum Ausdruck bringen, was in der Zeitung steht. Silke Friedrich Sander bezeichnet den Zeitungsleser, der im Garten seinem gemütlichen Laster frönt, als einen Systemkritiker, ja gar als einen Anarchisten im Morgenmantel. In dieser Zeit war jedoch auch das Ansehen von Zeitungslesern selbst in Frage gestellt.

Gnom, Eisenbahn betrachtend, auch Gnomen, ist ein Gemälde von Carl Spitzweg, das um 1848 in Öl auf Holz (dem Deckel einer Zigarrenschachtel) entstand. Es befindet sich heute in einer Privatsammlung in Franken.

Gegenüber der Bildmitte etwas nach rechts versetzt steht im Schatten eines Höhleneingangs im schroffen, braunen Fels einer Bergflanke eine kleinwüchsige, bärtige Gestalt mit rotbraunem Kapuzenmantel. Der Höhleneingang wird von Wurzeln und belaubten Zweigen gesäumt. Der Gnom setzt sich deutlich von der dahinterliegenden, in helles Sonnenlicht getauchten Landschaft ab. Mit auf dem Rücken verschränkten Armen blickt er hinunter ins Tal, wo auf der linken Seite eine fahrende Dampfeisenbahn mit mehreren Waggons zu sehen ist. Der weitere Streckenverlauf in Richtung Bildmitte lässt sich erahnen. Dort leuchten im Bildhintergrund die Kirche und weitere Gebäude einer Ortschaft in der Sonne, darüber türmen sich weiße Wolken vor einem blauen Himmel auf. In der rechten unteren Bildecke befindet sich Spitzwegs Monogramm, das S mit dem stilisierten Spitzweck.

Für Klaus Dietz, Sachverständiger beim Auktionshaus Ketterer Kunst, ist das Gemälde „ein hervorragendes Beispiel der kompositorischen Meisterschaft Spitzwegs.“ Die alte Welt der Märchen und Sagengestalten werde der neuen Welt des Wandels und des technischen Fortschritts auch kritisch gegenübergestellt. Der Gnom als Verkörperung der unberührten Natur sei nur für den Augenblick sicher, über kurz oder lang werde er durch die neuen Entwicklungen verdrängt.

Florian Illies bezeichnet das Bild im Zeit-Magazin als „das vielleicht verrückteste Gemälde von Spitzweg“ und nutzt die Besprechung zur Versteigerung am 5. April 2008 zu einem spöttischen Seitenhieb auf den Transrapid München – dessen Scheitern am Erscheinungstag des Artikels erklärt wurde – und seinen Unterstützer Edmund Stoiber. Illies stellt die Frage, ob Gnom, Eisenbahn betrachtend gegenüber dem vier Jahre älteren Gemälde Regen, Dampf und Geschwindigkeit – der Zug der „Great Western Railway“ von William Turner ein Rückschritt sei, und beantwortet sie damit, dass zum einen zwar die Kleinbürgerlichkeit von Spitzwegs Gemälden sichtbar werde. Zum anderen aber karikiere Spitzweg meisterhaft seine Gegenwart „als märchenhafte Zwergenwelt […], die glaubt, das Kommen und Gehen der Moderne aus ihren sicheren Höhlen beobachten zu können.“ Dabei spare Spitzweg nicht an Kritik an sich selbst – der Blickwinkel des Malers zeigt, dass seine Position schließlich noch tiefer in der Höhle liegt als die des Gnoms. Selbstironisch kommentiere Spitzweg also „seinen Ruf als biedermeierlicher Sonntagsmaler, der die Zeit anhalten will.“ Abschließend würdigt Illies Spitzweg als „vor allem malerisch und kompositorisch eine[n] der besten Maler […], die es im deutschen 19. Jahrhundert gab.“

Gnom, Eisenbahn betrachtend gehörte zunächst Major Karl Loreck, einem angeheirateten Neffen von Spitzweg, und ging dann in den Besitz von Hugo Helbing, München, über. In der Folge wurde es Teil der Sammlung E. Ullmann, Wien. Dann ging es an H. Meyer, München und 1951 an H. E. Martini, Augsburg. Der alternative Titel Gnomen entstand wohl in dieser Zeit, weil Günther Rönnefahrt für sein Werksverzeichnis nur eine Schwarzweißfotografie vorlag und er im Schatten der Höhle einen zweiten Gnom zu erkennen glaubte. Am 5. April 2008 wurde das Bild, das auf 30.000 Euro geschätzt worden war, bei Ketterer Kunst für 69.600 Euro an einen fränkischen Sammler verkauft

Der Bücherwurm (Der Bibliothekar) ist eines der bekanntesten Motive des Münchner Malers Carl Spitzweg. Es existieren drei Gemälde mit diesem Titel.

Die erste Fassung malte Spitzweg um 1850 und führte es in seinem Verkaufsverzeichnis als „Der Bibliothekar“ unter der Nr. 102 auf. Es wurde 1852 an Ignaz Kuranda in Wien verkauft und gehört heute zur Sammlung des Museum Georg Schäfer in Schweinfurt. Ein weiteres gleich großes Bild malte Spitzweg ein Jahr später und sandte es zum Verkauf an seinen New Yorker Kunsthändler Herman Schaus in New York. Dieses Exemplar gelangte über die Kunstsammlung René von Schleinitz in die Milwaukee Public Library, Milwaukee. Eine letzte Version malte Spitzweg 1884.

Das Bild zeigt einen bibliophilen Mann, umgangssprachlich „Bücherwurm“ genannt, auf einer Leiter in einer Bibliothek und karikiert eine der für Spitzweg besonders typischen kauzigen männlichen Einzelfiguren.

Der Bücherwurm befindet sich in einer Bibliothek der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, deren Bücher systematisch nach Wissensgebieten geordnet sind, eine Systematik, die die Göttinger Universitätsbibliothek im Jahr 1737 einführte.

Ein Lichtstrahl leuchtet die Szene aus. Höchstwahrscheinlich ist es eine Öffnung, durch welche Sonnenstrahlen fallen. Der Bücherwurm liest konzentriert in einem Buch, das er sich dicht vor seine kurzsichtigen Augen hält. In seiner rechten Hand hält er ein zweites aufgeschlagenes Buch und zwischen die Knie und unter seinen linken Arm hat er je ein weiteres Buch geklemmt.

Im Hintergrund sind weitere Bücherregale zu sehen, in denen einige Bücher fehlen.

Die Buchrücken erinnern an ähnliche Details auf holländischen Bildern des 17. Jahrhunderts. Die Abteilung, in der sich der Bücherwurm gerade aufhält, ist mit Metaphysik überschrieben. Eventuell soll damit ein weltfremder Gelehrter dargestellt werden, der nicht rechts noch links guckt und sich völlig von der Außenwelt abgeschirmt hat.

Die Komposition des Bildes besteht im Prinzip aus zwei Diagonalen. Ein von rechts oben aus einem nicht sichtbaren Dachfenster im barocken Deckengemälde der Bibliothek mit blauer Himmelsdarstellung etwa zur Mittagszeit einfallender Lichtkegel beleuchtet das Bücherregal, die Figur und streift den links unten teilweise erkennbaren Globus nur am Rand. Die andere Diagonale führt von dem links oben am Regal angebrachten Schriftzug Metaphysik nach rechts unten über die Schräge der Stehleiter in ein bodenloses leicht nebulöses oder staubiges Nichts. Im Zentrum des Bildes bildet die Figur des leicht karikierten alten Mannes mit Schnupftuch, hängenden Schultern, und erkennbarer Kurzsichtigkeit, mit ihren zwischen den Knien und dem linken Ellenbogen eingeklemmten absturzgefährdeten Büchern das Symbol für einen alten Gegensatz. Dem zwischen der Banalität des Körperlichen und den lichten Höhen, in die der menschliche Geist sich aufzuschwingen vermag.

1869 fand die internationale Kunstausstellung im Münchener Glaspalast mit Werken bedeutender französischer Künstler statt. Hier und auf seiner Parisreise kann Spitzweg Anstöße für die Veränderung seiner Malweise gefunden haben. Er geht weg vom Karikaturenhaften und verharmlost seine unterschwellige Kritik. Gleichzeitig werden die Bilder farbenfroher und die Figuren durch lockerere Pinselführung in die Umgebung eingebunden. Dies lässt darauf schließen, dass die Kontakte zu den Barbizon-Künstlern und den Freilichtmalern zumindest einen gewissen Einfluss auf Spitzweg genommen haben, wobei die eigentliche Veränderung in seinen Bildern erst im Spätwerk ab den 1870er Jahren zum Tragen kommen. Die Schule von Barbizon beeinflusst die Münchener Maler bedingt, da sie mit ihrer Freilichtmalerei und der eigentlichen Umsetzung der Natur auf der Leinwand weiter entfernt vom Naturalismus ist als es die Münchener Maler sind, denn sie versuchen genaue Abbildungen nach der Natur. Spitzweg nimmt hier eine gesonderte Rolle ein, da er zwar im Umfeld der Münchener Maler wirkt, sich jedoch ebenso von ihnen distanziert: Obwohl er seine Bilder zum Teil der Natur entnimmt, werden sie jedoch grundsätzlich in seinem Kopf komponiert und zusammengesetzt – sie finden also ihren Ursprung in seiner Fantasie.

Die Idylle bezeichnet aus der Antike stammende Idee, dass das Leben in einen unveränderlichen Zustand fest steht und losgelöst von der Zeit ein Traum vom verlorenen Paradies ist. Im 18. Jahrhundert kommt es bei dieser Vorstellung zu einem Wandel, bei dem das Ideale in den Hintergrund rückt und reale Gegebenheiten mit in die Idylle aufgenommen werden. Dies bezeichnet die „realistische Idylle“, welche auch Spitzweg bei seinen späteren Bildern zeigt. Sie erzeugt ein Spannungsfeld zwischen Realität und Utopie. Spitzweg lässt sich mit seinen Bildern nicht völlig dem Biedermeier zuordnen, es gibt jedoch Tendenzen: die Denkart des Biedermeiers war eher kleingeistig und naiv, aber gleichzeitig bezeichnet sie das Begnügen mit beschränkten Verhältnissen. Eben dies geschieht bei Spitzweg, der im Kontext einer äußerst schwierigen Zeit mit politischen und sozialen ungünstigen Verhältnissen die Zuflucht in der Malerei sucht. „Das Bewusstsein vom verlorenen Paradies hat immer wieder dazu geführt, Paradiese zu errichten.“ Seine Bilder von Idyllen zeugen an manchen Stellen davon und zeigen das nicht ganz freiwillige Verharren im Privaten und den Rückzug dahin. Letztendlich baut er die Idyllen jedoch nicht in ihrer Urform in seine Bilder ein, denn es gibt immer etwas, dass sie zu stören versucht. Er nutzt Idyllen in seinen Werken, wandelt sie jedoch ab, zieht daraus seine Schlüsse und baut sie in Variationen ein.

Der Kaktusfreund von vor 1858 zeigt eine stehende Figur zentral im Bild, welche in einem ummauerten Bereich vor einem Haus auf der linken Bildhälfte positioniert ist. Im Hintergrund ist ein grasbewachsener Erdwall mit Bäumen. Die zentrale männliche Figur ist von höherem Alter und besitzt eine breite Statur. Der Mann trägt einen hellbraunen Morgenmantel, graue Mütze, Brille und einen Bart. Im Mund hat er eine lange Pfeife und in seinen Händen befindet sich ein grün-blauer Topf mit einem Kaktus, welcher eine rote Blüte trägt. Der Alte begutachtet jenen Kaktus mit seiner Blüte. Die umliegende Terrasse ist von einer Steinmauer umringt, welche im Vordergrund mit einer Treppe endet, dort von Kakteen in Töpfen bedeckt und im Hintergrund mit einem eisernen Gitter unterbrochen ist. Am rechten Bildrand befinden sich unter bzw. neben einem hölzernen Rankbogen ein Stuhl und Tisch mit Kaffee-/Teeservice und aufgeklappter Zeitung. Das Bild zeigt eine Abfolge von Handlungen, denn der Mann hat seinen morgendlichen Aufenthalt an dem Tisch auf seiner Terrasse mit Kaffee und Zeitung unterbrochen, weil etwas seine Aufmerksamkeit erregt hat: der aufblühende Kaktus. Er ist aufgestanden und begutachtet die Ernte seiner Bemühungen. Hier wird ein Aspekt deutlich, der für nahezu alle Bilder Spitzwegs gilt, nämlich die Blickrichtung. Jene und die Blicke der Figuren selbst sind in Spitzwegs Bildern oft essenziell, denn sie verweisen auf das Hauptgeschehen und den Auslöser für bestimmte Handlungen. Das Lesen ist eine häufige Tätigkeit von Spitzwegs Figuren, welche dabei ihre Umgebung vergessen. Einzig für ein hübsches Mädchen senken sie vielleicht das Buch und unterbrechen ihre Lektüre, wie es beispielsweise bei der Gestörten Lektüre der Fall ist. Hier wird ersichtlich, dass der aufblühende Kaktus für den Alten also ein sehr wichtiges Ereignis ist, denn dafür hat er die Lektüre sogar beiseitegelegt und ist aufgestanden.

Spitzweg zeigt in dieser Szene eine realistische Idylle, wie sie zuvor beschrieben wurde. Im abgeschlossenen Bereich unterliegt der Mensch mit seinem Handeln keinem Zweck, also ist sein Handeln frei. Zudem ist der Schlafrock, in dem der Alte sich in seinem Garten bewegt, Indiz dafür, dass es sich um eine private und persönliche Atmosphäre handelt, welche die Verbundenheit zur Natur zum Ausdruck bringt. Der Genuss, den der Mann dabei hat, kommt durch eben dies und einige weitere Details zum Ausdruck: die Pfeife, die er genüsslich beim Kaffee raucht und der plätschernde Springbrunnen neben dem Stuhl ebenso wie die aufgeklappte Zeitung, der er sich ursprünglich gewidmet hat. Diese eigentlich schon sinnliche Gegebenheit wird durch ein kleines Detail – die rote Kaktusblüte – unterbrochen, was der idyllischen Atmosphäre jedoch nicht schadet, denn hier wird die Freude des Mannes geweckt, indem der Eifer, mit der er seine Kakteen pflegt, Rechnung getragen wird. All dies geschieht abgeschirmt von der Stadt, welche sich durch den Erdwall andeutet und auf einen Locus amoenus, einen idyllischen Lustort, verweist. Hier kann sich die Natur frei entfalten ebenso wie der Mann dort in Ruhe verweilen kann, was durch den Schlafrock und seine Gelassenheit angedeutet wird.[15] Im Gegensatz zu anderen Bildern ist der Betrachter hier jedoch durch die vor ihm platzierte Mauer ebenso vom Geschehen abgeschirmt. Zwar handelt es sich nur um eine niedriger Mauer und dem Betrachter wäre es durch den Treppenaufstieg gestattet, zu dem Mann auf die Terrasse zu steigen, jedoch schirmt ihn die kleine Mauer für den Moment ab. Dies verstärkt den Bühnencharakter, der sich so oft in Spitzwegs Bildern zeigt. Der Betrachter befindet sich hier wie bei einem Theaterstück vor dem Geschehen, welches wie auf einer Bühne platziert ist. Ihm ist es so möglich, ohne einzugreifen, das Geschehen wahrzunehmen und dabei alle versteckten Details zu erfassen. Durch den Verweis auf einen Locus amoenus gelingt hier der Vergleich zum „Arkadien im Kleinformat“, welches sich dadurch auszeichnet, dass Mensch und Natur in idyllischer Harmonie und Eintracht nebeneinander existieren und sich gegenseitig Beglücken: der Kaktus mit der Blüte, der Mann mit der Gießkanne. Spitzweg erschafft somit in diesem kleinen, abgeschiedenen Bereich eine Utopie. Jedoch ist diese Utopie der Idylle nicht vollständig und die Details sind es auch hier wieder, die dem Betrachter über den ersten Anschein hinweg bringen. Die Idylle ist laut antiker Vorstellung zeitlos und das Leben in ihr befindet sich in einem unveränderten Zustand, jedoch wird bei Spitzwegs Kaktusfreund diese Zeitlosigkeit durch die aufgeblätterte Zeitung aufgehoben, denn sie ist Indiz dafür, dass das Leben des Mannes nicht unverändert ist: er hat aufgehört zu lesen, ist aufgestanden und zu seinem Kaktus gegangen, um sich ihn anzusehen. Zudem zeigt die Tageszeitung, dass trotz der Abgeschlossenheit der Terrasse doch Dinge von außen in ihn hinein gelangen und so der Locus amoenus trotz seiner scheinbaren Idylle und Harmonie nicht unbeeinflusst bleibt. Spitzwegs Idyllen sind immer nur auf den ersten Blick vollkommen, auf den zweiten Blick erkennt man neben dem Offensichtlichen immer etwas, das eine Nebengeschichte erzählt und die scheinbare Idylle stört.

Spitzwegs Bilder sind als Suchbilder angelegt, die neben der eigentlichen Geschichte immer noch etwas Verstecktes übermitteln. So kann der Springbrunnen zum Beispiel als Verweis auf sein Interesse als Naturforscher gesehen werden: Cholera-, Pest- und Typhusepidemien sind zu seiner Zeit oft ein Problem, welche unter anderem durch die örtliche Wasserversorgung durch Brunnen verbreitet werden. Die Medizin hat den Zweck von Hygiene noch nicht völlig erkannt und so zieht sich Spitzweg während solcher Epidemien auf das Land in die unteren Bergregionen zurück, wo das Wasser sauber ist.

Der Kaktusfreund kann als Schritt zwischen den Pointenbildern und den späteren Landschaftsbildern gesehen werden, denn in ihm ist die Idylle wichtiger Bestandteil und die Figur ist nicht mehr so isoliert dargestellt, wie sie es bei früheren Bildern noch war. Auf Spitzwegs Gesamtwerk bezogen nehmen Bilder mit Landschaftselementen einen wichtigen Platz ein. Besondere Beachtung soll dabei der idyllischen Landschaft gegeben werden. Diese ist oft verkannt, da man mit Spitzweg eigentlich eher die berühmten Anekdotenbilder verbindet und somit einer einseitigen Betrachtung unterliegt. Zwar sind erzählerische Züge auch bei den Landschaften nicht von der Hand zu weisen, jedoch verschwinden diese im Spätwerk immer weiter. Die Landschaftsmalerei diente schon am Anfang des 19. Jh. nicht mehr der topografischen Fixierung, sondern entwickelte sich schnell zu einer eigenen Richtung, welche jedoch von den Figurenmalern an den Akademien nicht anerkannt wurde. Die meisten von Spitzwegs Landschaften sind wie bereits erwähnt nicht, wie bei den französischen Freiluftmalern, direkt vor Ort, sondern in ruhiger Atmosphäre in seinem Atelier entstanden. Er griff dabei unter anderem auf seine Herbarien zurück, die er während seiner Ausbildung zum Apotheker akribisch angelegt und mit Zeichnungen versehen hat. Als weitere Quelle sind die unzähligen Skizzen zu erwähnen, die er während seinen vielen Reisen angefertigt hat. Im 18. und 19. Jh. sind viele Künstler von den bayrischen Berglandschaften begeistert und halten diese in Bildern fest. Spitzweg schließt sich zu Beginn seiner Karriere als Künstler Kunstvereinen an, welche gemeinsame Künstlerreisen veranstalten. Hier lernt Spitzweg seinen langjährigen Malerfreund Eduard Schleich kennen, mit dem er viele Reisen unternimmt. Für Spitzweg nimmt das Reisen eine wichtige Rolle in seinem Leben ein, denn hier sammelt er Eindrücke und trägt sie wie ein „Schmetterlingsjäger“ in seinen Skizzenbüchern zusammen. In einem Brief an seinen Bruder schreibt er: „Du kannst Dir gar nicht vorstellen, welche Sehnsucht und Lust zu reisen ich habe.“ Dabei bliebt er nicht nur in Bayern, sondern bereiste unter anderen auch die Schweiz, Italien, Paris und Prag. Dies scheint besonders bemerkenswert, wenn man sich vor Augen führt, was es in der damaligen Zeit bedeutete derartige Reisen auf sich zu nehmen. Beispielsweise die Strecke von München nach Augsburg – heute in 20 bis 30 Minuten schaffbar – bedurfte in damaliger Zeit mit der Kutsche bis zu fünf Stunden oder mit der Eisenbahn anderthalb bis zwei Stunden. Spitzweg übt sich beim Malen in der Darstellung von unterschiedlichen Lichtverhältnissen und er entwickelt im Laufe der Zeit immer spontanere, skizzenhaftere und bewegter werdende Bilder, wovon besonders die Landschaften profitieren. Er besitzt dabei eine „nahezu impressionistisch anmutende Freiheit in seiner Naturauffassung“, was sich zum Beispiel bei dem Bild Das Liebespaar im Wald zeigt. Diese Veränderung, die ca. ab den 1850er Jahren beginnt, bringt seinen Landschaften jene impressionistisch wirkenden Tendenzen, welche sich thematisch durch biedermeier-romantische Inhalte (Idyllen) von der Malweise abgrenzen. Seine späten Landschaftsbilder verweisen in ihrer Komposition und Pinselführung auf moderne Malerei. Er übernimmt teilweise die Malerei der Künstler von Barbizon nach seiner Parisreise 1851 und ergänzt sie später mit fleckiger Licht- und Schattensetzung. Die Darstellung der Idylle erfolgt nun nicht mehr durch Anekdoten, welche mit vielen Details versehen sind, sondern durch feinfühlige Licht- und Landschaftsmalerei.

Carl Gustav Carus wurde als Sohn des märkischen Schönfärbers und Färbereipächters Gottlob Ehrenfried Carus (1763–1842) und seiner Ehefrau, der aus Mühlhausen in Thüringen stammenden Färbermeistertochter Christiana Elisabeth geb. Jäger (1763–1846) im Haus „Zum Blauen Lamm“ im Leipziger Ranstädter Steinweg 14 geboren. Er verlebte seine Kindheit in Mühlhausen und Leipzig, seine Jugend in Leipzig. Als Externer besuchte er von 1801 bis 1804 die Thomasschule. Von April 1804 bis 1806 studierte er an der Universität Leipzig die Fächer Physik, Botanik und Chemie, ab 1806 Medizin. Gleichzeitig nahm er an der Zeichenakademie Unterricht. Nach einer Tätigkeit ab 1809 im Leipziger Jacobshospital, der 1811 erfolgten Promotion zum Doktor der Philosophie und Habilitation, wurde er in Leipzig ebenfalls 1811 zum Doktor der Medizin promoviert.

Der hochbegabte Carus besaß im Alter von 22 Jahren somit zwei Doktorgrade und hielt als Novum Vorlesungen über vergleichende Anatomie, in Deutschland erstmals als selbständiges Fach an einer Universität.

Carus war eine Persönlichkeit zur Zeit Goethes und gehörte zur Generation der Romantiker. Zu seinen Freunden zählten Caspar David Friedrich, Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Ludwig Tieck, Ida von Lüttichau und König Johann I. von Sachsen. Er wird zusammen mit Novalis zu einer philosophischen Gruppe gezählt, die man als „magischen Idealismus“ bezeichnet und die zum Gefolge des Deutschen Idealismus gehört.

Er war seit 1811 mit Caroline geb. Carus (1784–1859), der Tochter seines Großvaters Johann Gottlob Ehrenfried Carus, verheiratet. Das Ehepaar hatte 6 Söhne und 5 Töchter; ihre Tochter Charlotte (1810–1838) war die Ehefrau des Bildhauers Ernst Rietschel.

Carl Gustav Carus wurde auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden beigesetzt.

Nachdem Carus seit 1811 Assistent von Johann Christian Jörg am Trierschen Institut in Leipzig war, übertrugen ihm die französischen Behörden 1813 in der Zeit der Völkerschlacht die Leitung des im Vorwerk Pfaffendorf provisorisch eingerichteten Lazaretts. Er infizierte sich bei der in Leipzig herrschenden Epidemie mit Typhus und entging nur knapp dem Tode. Nach seiner Genesung wechselte er 1814 an die königliche Hebammenschule nach Dresden. Er leitete die Schule und wirkte seit 1815 zusätzlich als Professor für Geburtshilfe. Im selben Jahr war er Mitbegründer der Chirurgisch-Medizinischen Akademie zu Dresden (untergebracht im Kurländer Palais). 1827 ernannte König Anton von Sachsen Carus zu einem seiner drei Leibärzte und verlieh ihm den Titel eines Hof- und Medizinalrates. 1828 gab Carus die Leitung der Hebammenschule an den Mediziner Carl Friedrich Haase (1788–1865) ab. Im Jahr 1839 wurde Carus Mitglied des Dante-Komitees unter Prinz Johann. 1853 wurde er erster Leibarzt des sächsischen Königs Friedrich August II. Im gleichen Jahr prägte er den Begriff „Un-Bewusstsein“. 1862 wählte man ihn zum 13. Präsidenten der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher (Leopoldina), in der er seit 1818 Mitglied war.

Carus gilt als philosophischer Vorgänger der Tiefenpsychologie. In seinem medizinischen Wirken steht Carus zwar wie Rudolf Virchow für eine naturwissenschaftlich begründete Medizin. Im Gegensatz zu Virchow wollte er sich jedoch nicht nur auf die objektivierbaren Gesetzmäßigkeiten von Mechanik, Physik und Chemie stützen, sondern den in der Natur und im Menschen wirksamen Geist (Spiritus) als Anteil der Medizin sichern. Er wird daher vielfach als ein romantischer Vorläufer jener Medizin betrachtet, die heute als Ganzheitsmedizin bezeichnet wird.

Anlässlich seines 50. Dienstjubiläums wurde am 2. November 1864 die Carus-Stiftung mit einem Kapital von 2.000 Talern gegründet. 1896 wurde der erste Preisträger mit dem Carus-Preis ausgezeichnet.

Auf den Vorschlag von Albert Fromme ehrte die Stadt Dresden Carus 1954 durch die Verleihung seines Namens an die Medizinische Akademie Dresden, aus der das gegenwärtig bestehende Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden der TU Dresden hervorging. Im Februar 1993 wurde in der Inneren Neustadt das Reichpietschufer in Carusufer umbenannt. Ebenfalls nach Carl Gustav Carus benannt wurden die anthroposophischen Medizin-Einrichtungen Carl Gustav Carus Akademie in Hamburg sowie das Carl Gustav Carus-Institut Niefern-Öschelbronn in Baden-Württemberg.

In Von der absichtlichen Erregung ungewöhnlicher Zustände der Nachtseite des Lebens überhaupt und von der mesmerischen Methode insbesondere untersucht Carus den Mesmerismus als „Lebensmagnetismus“ und nimmt an, dass Menschen mittels „Lebensmagnetismus“ mit der ganzen Welt in Verbindung stehen.

Genauso intensiv beschäftigte er sich anhand seiner Kenntnisse der damaligen Medizin und aus philosophisch-spekulativem Forscherdrang mit magischen Bewegungen wie Pendel, Wünschelrute und Tischrücken, erforschte vorausschauende Träume, Schlafwachen und Hellsehen, zweites Gesicht und Verzückung. Auch schrieb er drei Texte über „Magische Wirkungen im Leben, in der Wissenschaft und in Poesie und Kunst“.

In seiner Schrift Über die ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschenstämme für höhere geistige Entwicklung von 1849 entwarf Carus ein rassentheoretisch bestimmtes Menschenbild. Es gibt eine „wohlgeborene“ Abstammung, ausgezeichnet durch Einheit von Leib und Seele, wie bei Goethe, und es gibt das Gegenteil. Es gibt ebenfalls eine geborene Elite unter den Völkern, die daher in „Tagvölker“, das sind Europäer und Araber (z. B. Romanen, Germanen, Griechen, Perser, Kelten, Semiten; insges. 18); „Nachtvölker“, das sind Afrikaner; und „Völker der Morgen- und Abenddämmerung“, das sind Ostasiaten und Indianer, zu trennen sind. Allein die Tagvölker sind „kulturtragend“; die Dämmerungs-Völker können zwar einen Schatten von Kultur hervorbringen, der aber meist von den Tagvölkern hervorgerufen worden ist; die Nachtvölker vegetieren dumpf dahin. Diese Dreiteilung und die hierarchische Gliederung angeborener „Eigenschaften“ der Völker, die dadurch höher- oder geringerwertig einzustufen sind, übernahm der Rassist Arthur de Gobineau direkt von Carus. Beide Autoren sehen weltweit eine naturgegebene Oberwelt gegen die Untermenschen, und sie stellen in jeder einzelnen Gesellschaft, also den Einzelnen in seiner sozialen Umwelt gesehen, eine Elite gegen das gemeine Volk.

Schon als Jugendlicher interessierte sich Carus für die Malerei. Seine Landschaften spiegeln das Lebensgefühl der Romantik. Carus' Freund Goethe schätzte ihn als Denker und schöpferischen Menschen. Der Maler Caspar David Friedrich beeinflusste ihn vor allen anderen. Auch brachte er Carus im Jahr 1819 dazu, mit ihm auf die Insel Rügen zu reisen. Er durchwanderte die Insel und war von der „Urnatur“ stark beeindruckt. Motive wie die Mondnacht bei Rügen, Eichen am Meer und Hünengrab mit ruhendem Wanderer zeugen von den Eindrücken, welche die Insel bei ihm hinterlassen hatte. Diese schrieb er in seinem Bericht Eine Rügenreise im Jahre 1819 nieder. Später bereiste er zudem Frankreich (1835), Italien, England und Schottland (1844).

Seine Bildthemen waren vor allem ideale Kompositionen, die Mondnacht, Gebirge, Wald, gotische Architektur und Ruinen zeigen, wobei er vielfach an Friedrichs Motive anknüpfte. Carus verband romantische Naturauffassung mit dem klassischen Schönheitsideal: „Die gleichmäßige Durchdringung von Vernunft und Natur“ mache das Wesen eines Gemäldes aus. Das Schöne begriff er im Goetheschen Sinn als Dreiklang von Gott, Natur und Mensch. Häufig bevölkern Gestalten in altdeutscher Gewandung seine Bilder. Er malte auch Ansichten von Dresden und Umgebung. Beachtung verdienen ferner seine kleinformatigen, spontan im Freien angefertigten Landschaftsausschnitte und Wolkenbilder. Die Italienreise 1828 gab Anlass, die typisch deutsche Sehnsucht nach dem „Land, wo die Zitronen blühen“ (Goethe) in romantische Empfindungsmalerei umzusetzen, exemplarisch zum Beispiel in Erinnerung an Sorrent.

In der Motivauswahl lehnte sich Carus in frühen Jahren oft an den Freund Caspar David Friedrich an, gelangte aber seit der zweiten Italienreise 1828 zunehmend zu ganz eigenständigen, weniger ikonographielastigen Bilderfindungen. Bedeutend und einflussreich für die Kunst der Romantik wurde er auch durch seine kunsttheoretischen Briefe über Landschaftsmalerei, die er 1831 veröffentlichte.

Das Bild Goethe Denkmal von Carl Gustav Carus ist in drei Ebenen aufgeteilt. Vordergrund, „Mittelgrund“ und Hintergrund. Die untere Hälfte des Bildes stellt den Vordergrund da. Der Mittelgrund ist das von Nebel verdeckte Tal. Den Vordergrund erkennt man daran, dass die Gegenstände die untere Hälfte größer sind als in der oberen Hälfte. Der Effekt der perspektivischen Verkürzung. Durch einen Hell- Dunkel- Kontrast zwischen Denkmal und Gebirgslandschaft wird dieser Eindruck besonders verstärkt.

Auffällig ist, dass der Vordergrund im Gegensatz zum Hintergrund eine sehr geringe Fläche einnimmt. Der Vordergrund umfaßt nur den Sarkophag und den Felsvorsprung, auf dem er sich befindet. Auffällig sind auch die beiden Engel, die links und rechts neben der Harfe knien. Mit dieser ehrfürchtigen Gestik die, die beiden einnehmen, wirken sie wie die "Bewacher" des Sarkophags. Die Linien, die den Vordergrund begrenzen sind sehr klar und gerade, man kann erkennen, dass das Objekt, das von ihnen eingegrenzt ist, von Menschen erschaffen wurde. Als Beweis für die eindeutig menschliche Herkunft des Objektes sei gesagt, dass solche Kunstobjekte nicht auf Bäumen wachsen, läßt man eine mögliche Anwesenheit Gottes mal außer Acht.

Darin besteht der Unterschied zum Hintergrund, denn die Linien, die z.B. die Berge umfassen, sind unregelmäßig und verleihen ihnen ein schroffes und natürliches Aussehen. Die Berge befinden sich, vom Zentrum des Hintergrundes, nach beiden Seiten hin versetzt. Sie neigen sich beide dem Zentrum zu, dadurch laufen ihre Begrenzungslinien versetzt aufeinander zu, gleichen sich aber genau deshalb gegenseitig wieder aus. Der Nebel, der bläulich- grün bis zu der Mitte der Berge aufsteigt, lässt vermuten, dass sich unter ihm ein Tal verbirgt. Links und rechts am Bildrand befinden sich Tannen. Der Himmel erstreckt sich von der Mitte des Bildes, bis zum Bildrand. Bei dieser Betrachtung sticht einem sofort die Besonderheit dieses Bildes auf: Der obere Bildrand ist abgerundet, wie bei einer Ikone. Als Betrachter wird man aufgrund der Perspektive in die Rolle eines Bergwanderers der direkt vor dem Denkmal steht. Der Blick ist genau auf den Stern fixiert, mit dem die Harfe verziert ist. Dieser Punkt beschreibt den gedachten und tatsächlichen Mittelpunkt des Bildes .

Eine aktuelle Handlung ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Es ist nicht Lebendiges, wie Menschen oder Tiere dargestellt. Dennoch befindet sich das Bild indirekt in Bewegung. Die Wolken die am Himmel vorüber ziehen und dabei den schwach leuchtenden Mond verdecken, der im Hintergrund angedeutete aber klar erkennbare Wasserfall, der Nebel der die Sicht ins Tal versperrt. All dies sind, wenn obgleich teilweise auch sehr langsam ablaufend, dynamische Prozesse.

Die im Vordergrund abgebildete Vegetation steht gerade, was auf Windstille, im Bereich des Tals, hinweist. Dies würde allerdings der Wolkenbewegung widersprechen, ist jedoch durch das Phänomen der Höhenwinde erklärbar. Eine Art von eingefrorener Situation ist dennoch in Form der Engel dargestellt. Beide knien vor der Harfe, dem Zentrum des Bildes, nieder und beten (Engel rechts) oder pressen ihre Arme an die Brust (Engel links). Gleichzeitig sind die Flügel des linken Engels herab gesenkt und die des rechten ausgespannt. Sie bringen zunächst einmal der Harfe ihre Ehrerbietung entgegen.

Landschaft: Himmel, blau leuchtend, freundlich, liegt am obersten Rand des Bildes. Es ist das vom Betrachter am weit entfernteste Element des Bildes. Wolken, liegen über den Bergen, angrenzend zum Himmel, vereinzelt und in aufgelockerten Gruppen. Sie sind an den Rändern hell weiß und in der Mitte abgedunkelt, da der schimmernde Mond hinter ihnen steht. Mond, hinter den Wolken versteckt/ bloß angedeutet. Ein Grund für die gedämpfte Atmosphäre. Berge, sind bräunlich ragen teilweise mit abgestumpften Gipfeln in den Himmel. Auf den Gipfeln sind Nadelhölzer zu erkennen. Wasserfall, fließt im Berg des rechten oberen Bildrandes. Nicht sofort erkennbar. Nadelhölzer, sind über das gesamte Bild verteilt, sind mal mehr mal weniger gut zu erkennen. Einzelne durchbrechen den Nebel der über dem Tal liegt. Nebel, liegt über dem vermeintlichen Tal und hat eine bläulich grüne Tönung. Auch er wirkt sich dämpfend auf die Atmosphäre aus. Das Denkmal: Das Goethe- Denkmal, wirkt wie ein Sarkophag. Ist mit den Statuen zweier weiblicher Engel, die einer auf der Mitte des Denkmals stehenden Harfe zugewandt sind, besetzt. Das Wort „Goethe“ bzw. „Gothe“ ist in großen, einzeln für sich stehenden und nochmals verzierten, Lettern, an der dem Betrachter zugewandten Seite des Denkmals, zu lesen. Das gesamte Gebilde ist in Brauntönen gehalten. Das Denkmal steht auf einem beigen und verwitterten Sockel, der wiederum auf einem Berg steht.

Harfe, geschwungene Form mit mehr als 20 Saiten. Mit einer sternförmigen Verzierung versehen die fast genau im Zentrum des gesamten Bildes liegt. Es scheint so als ob sich die Harfe über die Nebeldecke erhebt. Vegetation, sie ist ringsherum um das Denkmal auf dem Fels verteilt und hebt den kargen Eindruck des bräunlichen Gesteins leicht auf.

Das Bild wirft zunächst die Frage auf welche Funktion der „Klassiker“ Goethe in Form eines Denkmals in einem eindeutig romantischen Bild übernimmt. Aus der Biographie C. G. Carus geht hervor dass er mit Goethe in starker Korrespondenz stand.(C. G. Carus) Er setzt ihm also mit diesem Bild ein künstlerisches Denkmal. Das Denkmal innerhalb des Bildes wirkt fehl am Platz. Die umgebende Landschaft ähnelt in nichts dem Land in dem Goethe lebte noch mit seiner künstlerischen Richtung. (Goethe)

Es handelt sich bei der dargestellten Bergformation um den sogenannten Turm-oder auch Kegelkarst. Diese Karstform entsteht vornehmlich in den Tropen. Goethe hat jedoch überwiegend in den gemäßigten Breiten gelebt und gewirkt. Es scheint eher eine Ideallandschaft zu sein. Bäume wachsen z.B. oberhalb der Baumgrenze. Der Eindruck eines schönen Tages wird primär mit einem blauen Himmel verbunden. Ein schöner Tag gibt einem Hoffnung. Der im Bild dargestellte im Halbkreis eingefaßte Himmel könnte für die Hoffnung stehen die einem nach schwerwiegenden Ereignissen, wie dem Tod eines Künstlers den man sehr verehrt hat, bleibt.

Goethe war der bekannteste Klassiker Deutschlands. Auch wenn Schillers Tod, aus Sicht der Historiker, diese Epoche im Jahre 1805 begrenzt, könnte der Gedanke der Klassik in den Köpfen der Menschen weitergelebt haben und erst mit dem Tod Goethes verschwunden sein.(Der Begriff der Weimarer Klassik) Das Bild „Goethe Denkmal“ will nun als Übergang bzw. Bindeglied zwischen der Klassik und der darauf folgenden Romantik verstanden werden.

Der in der Bildbeschreibung beschriebene mehrschichtige Aufbau des Bildes erzeugt im Zusammenspiel mit den zum Mittelpunkt des Bildes zusammenlaufenden Fluchtlinien und der perspektivischen Verkürzung einen Tunneleffekt. Der Nebel scheint mit zunehmender Entfernung immer höher zu steigen. Er soll die Aufmerksamkeit des Betrachters gen Horizont, geradeaus, vielleicht sogar in Richtung Zukunft lenken. Die sich im Tal möglicherweise abspielenden Prozesse sind nicht von Relevanz. Je tiefer man in das Bild blickt, desto „romantischer“ wird es.

Im Vordergrund liegt das, von karger Landschaft umgebe, Goethe Denkmal, das aufgrund seiner sarkophag- ähnlichen Form, mit seinen religiösen und detailreichen Verzierung, für dessen Tod und seine während seines Lebens vollbrachten literarischen, künstlerischen, jedoch menschlichen, Leistungen steht. Schaut man über das Denkmal hinweg so beginnen die klaren Linien zu verschwimmen und an Gebundenheit an menschliche Sorgen zu verlieren, je ferner die dargestellte Landschaft liegt. Der Natur wird viel mehr Beachtung geschenkt. Die Farben werden heller, man verläßt die braune und leblose Klassik. Der von Wolken zum teil verdeckte Mond und die gleichzeitige Anwesenheit von Tageslicht weisen auf einen bevorstehenden Sonnenuntergang und die darauf folgende Nacht bzw. Dunkelheit hin. Es kommen Stimmungen auf wie in der „spontanen Auseinandersetzung mit dem Kunstobjekt“ beschrieben (Link). Viele dieser Stimmungen durchläuft man am Ende von etwas großem, wie der Klassik. Gleichzeitig ist man jedoch voller Hoffnung und Neugier auf das was danach kommt. Die Harfe ist aufgrund der angedeuteten Dreiecksform und des Zusammenspiels von Holz, Saite und Hand, eine Metapher für die Dreieinigkeit bzw. die Stimme/ Anwesenheit Gottes. Ebenso wie die Engelsstatuen. Dies läßt den Schluß zu, dass Carus Goethe entweder mit Gott gleichsetzt, oder Gott die Ruhe- /Andachtsstätte Goethes bewachen bzw. mit seiner Präsenz heiligsprechen läßt.

Der Wasserfall und die zunehmende Vegetation deuten auf Leben/ Bewegung. Die auf den Bergen wachsenden, klar erkennbaren, Nadelhölzer vermitteln den Eindruck von Freiheit und dass nichts unerreichbar ist. Die Freiheit der Gefühle die in ein Bild einfließen ist wesentlicher Teil der Romantik. Wenn man innerhalb des Bildes in der Romantik angekommen ist folgt man nicht weiter dem durch den oben beschriebenen Tunneleffekt vorgegebenen geraden Weg man wird durch die, sich einem in den Weg stellenden, Berge abgelenkt, was ein weiteres Indiz für Freiheit ist.

Der wohl bekannteste deutsche Klassiker entstammte einer Frankfurter Patrizerfamilie. Er wuchs als einzig verbliebener Sohn in Frankfurt a.M. auf. Er begann schon als Schüler zu dichten. 1765 durfte er nach Leipzig, damals auch „Klein-Paris“ genannt. Nach der Wiederaufnahme des Studiums in Straßburg weißt ihn Herder auf die Literatur der Vergangenheit. Vom gotischen Münster war Goethe sehr angetan. Nach bestandenem Examen ist er als Anwalt in Frankfurt und Wetzlar tätig. Diese Jahre sind Goethes eigentliche Geniezeit. Gedichte wie Wandrers Sturmlied, Ganymed und Prometheus entstehen. Das reglose, in kräftiger Sprache geschrieben historische Drama Götz von Berlichingen erscheint, und nach der Bekanntschaft mit Charlotte Buff in Wetzlar entsteht der Briefroman Die Leiden des Jungen Werthers. Dieses Werk machte Goethe mit einem Schlag berühmt. Auch der erste Entwurf des Faust, später Urfaust genannt. Goethe war nun zum Wortführer der jungen Protestgeneration, dem sogenannten Sturm und Drang geworden.

Eine Wendemarke in seinem Leben wurde das Jahr 1775, als ihn der Herzog Karl August von Sachsen-Weimar einlud, in seine Residenzstadt Weimar zu ziehen. Goethe sagte zu und blieb. Der gebildete Weimarer Hofkreis und die praktische Tätigkeit in der Verwaltung des Herzogtums machten allmählich aus dem draufgängerischen „Stürmer und Dränger“ einen anderen Menschen. Er erkannte, dass der Einzelne sich in ein größeres Ganzes einordnen muss. Auf seiner großen Italienreise 1786/88, auf der er Abstand von beruflichen Verpflichtungen finden wollte, lernte er an den Denkmälern der griechischrömischen Antike die Beherrschtheit, Gemessenheit und Harmonie kennen. Die „Weimarer“-Klassik erreicht ihren Höhepunkt als Goethe Friedrich Schiller kennenlernt, mit dem ihm ab 1794 eine enge, auch dichterische fruchtbare Freundschaft verbindet. Nach Schillers Tod 1805 arbeitet Goethe erneut an seinem Faust-Drama. Den zweiten Teil -Fausts Rettung- vollendete er erst kurz vor seinem Tod. Seine Farbenlehre ist bis heute grundlegend. Goethe starb 1832 in Weimar.

Das Lebenswerk Philipp Otto Runges (1770-1810) ist der Bilderzyklus „Vier Zeiten“ an dem er von 1802 bis zu seinem Tod arbeitet. Für Runge sind Bilder Symbole unserer Gedanken über große Kräfte in der Welt: z. B. ist der Morgen die grenzenlose Erleuchtung des Universums. Genien als Allegorien der Erneuerung und Pflanzen sind Symbole der Natur: In allen Blumen und Gewächsen und in allen Naturerscheinungen sehen die Menschen sich und ihre Eigenschaften und Leidenschaften. In jedem von ihnen stecken ein gewisser menschlicher Geist und eine menschliche Empfindung. Die Natur verwandelt sich in ein Gleichnis. Die Landschaft wird bei Runge im Gegensatz zur heroischen Landschaft Josef Anton Kochs oder der Stimmungslandschaft Caspar David Friedrichs oder der Landschaftsidylle Ludwig Richters zur Sichtbarmachung des Universums. In jeder Blume, jedem Stein ist eine geheime Chiffre verborgen - Runge entwickelt eine Zeichensprache, die er selbst Hieroglyphik nannte. Wie es bei Novalis in seinem Heinrich von Ofterdingen die blaue Blume als Gegenstand der Suche und der Sehnsucht, Mittelpunkt von Träumen und Anlass zum Aufbruch, gibt, so gibt es bei Runge die Lichtlilie als zentrales Motiv. Verdeutlicht und gesteigert wird der geistige Gehalt des Bildes („Der kleine Morgen“) durch das dem Symbol der Lichtlilie hinzugefügte Kind als Sinnbild des absoluten Beginns. Ludwig Tieck, ein Freund Runges nennt die Kunst in „Franz Sternbalds Wanderungen“ (1798), „Gestaltung aus der Seele und der Empfindung, die wiederum auf die Seele und die Empfindung zurückwirke“.

Der Abend ist ein Kupferstich aus dem Jahr 1805 als Teil des vierteiligen Zyklus‘ Die vier Tageszeiten. Die vier Teile entstanden 1803 als Vorlage und wurden 1807 erneut in veränderter und größerer Form herausgegeben. Das Bild ist aufgeteilt in einen Rahmen und ein inneres Hauptbild. Die linke und die rechte Seite des Bildes sind symmetrisch; lediglich die im Bild auftauchenden Knaben zeigen Unterschiede. Der Rahmen zeigt mehrere Knaben. Der erste liegt am oberen Bildrand, seine Hand ergreift ein Lamm. Im Hintergrund dieser beiden befindet sich die Sonne und in den oberen Ecken jeweils ein Engel. Am unteren Bildrand sitzen zwei weitere Knaben, die Trompeten halten und sie „trauern […], hingewendet zum Passions- und Erlösungskelch Christi in der Mitte“. Auch an den unteren Ecken befinden sich Kelche, allerdings ohne die Initialen Jesu, INRI. Sie schweben oberhalb einer Aloe Vera Pflanze, auf dessen Blättern die trauernden Knaben sitzen. Auch an den linken und rechten Seitenrändern befindet sich noch jeweils ein Knabe. Sie stehen jeweils auf einer Blüte in der Mitte der Ränder. Unterhalb und oberhalb der Blüten zeigen sich die Stängel der Aloe Vera Blüten.

Das innere Hauptbild zeigt im oberen Bildteil eine Frau, die ein Tuch aufspannt, auf dem Sterne zu sehen sind. Innerhalb dieses Tuches steht sie hinter einer Mohnblume. Auf deren Stängeln liegen zwei Knaben innerhalb des Tuches und zwei außerhalb des Tuches mit Hörnern; dort geht das Tuch in Wolken über. Am unteren Bildrand sieht man die Rundung einer untergehenden Erdkugel, von der jeweils links und rechts eine Rose nach oben wächst. Auf diesen Rosen sitzen fast symmetrisch musizierende Knaben. In der Mitte stapeln sich von einer Lilie ausgehend neun Knaben, über denen sich ein Stern befindet.

Das Leben von Philipp Otto Runge war stark vom protestantischen Glauben geprägt. Dies zeigt sich in vielen seiner Bilder, so auch in Der Abend. Darüberhinaus zeigt sich hier, dass Runge sich Gedanken macht, welche Rolle der Mensch innerhalb des Universums einnimmt.

Wenn man sich in diesem Bild auf die Suche nach kosmischen Attributen macht, fällt gleich die Erdkugel auf, die am unteren Rand des Hauptbildes unterzugehen scheint. An dieser Stelle, lässt sich vermuten, dass Runge die Auffassung vertrat, dass die Erde nur einen kleinen Platz im Universum einnimmt. Diese These wird zusätzlich von der Frau weiter oben gestützt. So identifizierte schon Hermann Nasse diese Person als „Venus, über der der Morgenstern aufgeht“. Die Venus als Planet unseres Sonnensystems steht an dieser Stelle stellvertretend für den gesamten Kosmos und ihre Größe in diesem Bild zeigt das Verhältnis zwischen Erde und Universum.

Doch zeugt dieses Bild auch davon, dass für ihn der Himmel existent ist. So zeigen sich am Kopf des Bildes die zwei Engel und in der Mitte der Knabe mit dem Lamm. Das Lamm, das ein Zeichen für Jesus Christus ist, nimmt somit eine Position oberhalb des Kosmischen ein. Es setzt den Himmel, wo Jesus dem christlichen Glauben entsprechend zur Rechten Gottes sitzt, über das Universum. Genauso bildet das Kreuz mit dem Passionskelch Christi am unteren Rand des Bildes das Fundament. Insgesamt ist zu sagen, dass Runge den Glauben als Rahmen um die reale, beweisbare Kosmologie setzt und auch keinen Übergang, sondern zwei getrennte Welten schafft.

Doch Der Abend zeugt daneben von einer Auseinandersetzung mit menschlichen Gefühlen, die für die Entstehungszeit, die Romantik, sehr typisch war. Man romantisierte die Welt und dies wird auch im Hauptbild deutlich. So weist schon die Grundsituation, die Abenddämmerung, Gefühle wie Sehnsucht und Hoffnung auf. Sie ist ein „Sinnbild der Selbstreflexion“ und läd ein zum Nachdenken über den vergangenen und gibt Hoffnung für den nächsten Tag. Neben dieser Grundsituation deuten auch die Knaben, die eigentlich Genien sind, auf die Gefühlswelt hin. Ein Genius war ursprünglich ein Schutzgeist, der einen Menschen von der Geburt bis zum Tod begleitet[8] ; auch die Mohnpflanze, in der die Venus steht ist ein Symbol für den Tod.[9] Sogar die Venus selbst wird in Lexika als Personifikation des Vergänglichen gehandhabt.[10] Das Bild gibt so Spielraum für Gefühle; in diesem Fall Gefühle, die mit dem Tod verbunden sind. Doch zeugen gleichzeitig Rose und Lilie, als wiederblühende Pflanzen, und die Sonne am Kopf des Rahmens von der Auferstehung und bieten ebenso Raum für die hoffnungsvollen Gedanken über ein Leben nach dem Tod.

Caspar David Friedrich (1774-1840) ist mit Runge Mittelpunkt des „Dresdener Kreises“, Dresden war zu dieser Zeit ein Zentrum der romantischen Bewegung. Caspar David Friedrich wird am 5. September 1774 als Sohn des Seifensieders Adolf Gottlieb Friedrich und seiner Ehefrau Sophie Dorothea Friedrich, geb. Bechly, in Greifswald als sechstes Kind geboren. Nach seinem Studium an der Kopenhagener Kunstakademie zieht Caspar David Friedrich 1798 nach Dresden. Dort lernt er viele Romantiker kennen und unternimmt reisen nach Rügen und zum Harz, aus deren Eindrücken er später seinen Landschaftsbilder malt. Caspar David Friedrich lernt 1810 Goethe kennen. Caspar David Friedrich wird aufgrund seines Gemäldes „Zwei Männer am Meer“ 1817 in Verdacht gezogen „sich zu der national-republikanischen Opposition den Demagogen, zu bekennen.“ Im Jahre 1820 führen Caspar David Friedrich und der romantische Maler Johan Christian Clausen Dahl, ein gemeinsames Atelier. Am 7. Mai 1840 stirbt der 66-jährige Caspar David Friedrich aufgrund eines Schlaganfalls.

Caspar David Friedrich zählt zu den bedeutendsten Landschaftsmaler der Epoche der Romantik. Seine Vorliebe für die Landschaftsmalerei lässt sich zu seinem früheren Zeichenlehrer Quistorp in Greifswald zurückführen, da sein Lehrer ihn auf die Naturschönheiten hinwies. Seine künstlerische Karriere hat er auch Goethe zu verdanken, der ihn gefördert hatte. So wurden seine Bilder im Jahre 1805 das erste Mal einem Publikum vorgestellt, das sich im Jahre 1820 Nikolaus I. Pawlowitsch, dem Kaiser von Russland anschloss. Durch den Kaiser wurde sein Leben gesichert, da er zu sei­nen wichtigsten Auftragsgeber zählte, der von seiner Malweise sehr begeistert war. Seine Landschaftsbilder hat er oft realistisch und gefühlsvoll dargestellt. Das deutsche Volk war von der Bedeutung seiner Bilder und von ihm selbst sehr angetan, was ihn finanzi­ell aufbesserte, da eine hohe Nachfrage für seine Werke herrschte. Mit seinem Malstil prägte Caspar David Friedrich nicht nur die Epoche der Romantik, sondern auch die darauf folgenden Kunstepochen.

Einer seiner Vorlieben war es, die Personen von hinten als „Rückenbilder“ darzustellen. Außerdem war in Caspar David Friedrichs Gemälden die Verwendung von vertikaler und horizontaler Linien üblich. Zum Beispiel ragte ein Baum oder die Masten eines Segelschiffes ein Bildelement raus und stellten somit „eine Verbindung von Diesseits und Jenseits her“ Eine weitere Vorliebe Caspar David Friedrichs lag darin, eine unsichtbare Lichtquelle zu malen, die man selber erahnen muss. beispielsweise malte er nie direkt die Sonne, sondern „eine indirekte Lichtquelle, die geheimnisvoll wirken“ sollte. Wenn eine symmetrische Komposition vorliegt, hat Caspar David Friedrich oft den Vordergrund verdunkelt, damit das Gegenständliche zurückgedrängt wird und dadurch der Blick in die Tiefe gelenkt wird. In seinen Bildern nimmt der Himmel einen großen Teil des Bildes ein und das Wesentliche liegt darin, „...dass das Entscheidende ge­rade hinter dem Sichtbaren liegt.“

Das Öl Gemälde „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich wurde zwischen 1808 und 1810 gemalt und ist ca. 110 x 171 cm groß. Das Gemälde wurde im Herbst 1810 in einer Ausstellung in Berlin präsentiert und hängt heute im Schloss Charlottenburg in Berlin. Zu sehen ist ein kleiner Mönch, der an einer Klippe am Meer steht und mit seiner rechten Hand sein Kinn berührt. Der Mönch wurde als „Rückenfigur“ gemalt, doch schaut er nicht direkt auf das Meer, sondern er blickt eher halb nach rechts. Das Bild wurde in der Zentralperspektive gemalt und eine Horizontale durchkreuzt das Gemälde. Das Bild ist nicht nach einem Vorder-, Mittel- und Hintergrund gegliedert, sondern horizontal, was den Kosmos noch dominanter wirken lässt. Ein Fünftel des Bildes zeigt die Erde an und fast vier Fünftel des Bildes zeigen den Himmel an. „Der Mönch am Meer“ wurde in der Zentralperspektive gemalt und der Mönch ist in seiner ganzen Umgebung „das einzige vertikale Element im Bild, aber er ist zu klein, um die Horizontale zu überblicken.“. Friedrichs undeutlich gezeichneter kleiner Mönch ist nicht die bildhafte Darstellung eines einsamen Menschen, sondern er betont nur den Blick des Betrachters. Caspar David Friedrich arbeitete mehr als zwei Jahre an seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“, das früher auch unter dem Titel „Seelandschaft mit Kapuziner“ bekannt war, und dabei wurde es mehrfach völlig umgearbeitet. Zum Beispiel waren zuvor neben dem Mönch links und rechts zwei Segelschiffe und ein Mond, sowie ein Morgenstern vorhanden. Diese Veränderung, die Caspar David Friedrich durchgeführt hat, sagt aus, dass er sein Gemälde reduzieren wollte, damit die Ge­genständlichkeit des Bildes zurück genommen wird.

Caspar David Friedrich verwendete in seinen Bildern immer Rückenbilder, wie zum Beispiel in seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“. In der Malerei zur Zeit Caspar Da­vid Friedrichs war es ungewöhnlich Personen von hinten darzustellen, doch er verwendete diese Art und sie wurde zu seiner Vorliebe und sind ein „Zeichen“ für die Kunst Caspar David Friedrichs. Bei den Rückenbildern wird der Betrachter oft „aufgefordert, sich in das Bild hineinzuversetzen“, wie zum Beispiel im Gemälde „Frau in der Morgensonne“, wo eine Frau von hinten abgebildet wurde und ins Licht blickt. Da wird der Betrachter aufgefordert, sich in die Frau hineinzuversetzen und selber die Lichtquelle zu sehen. Auch in dem Gemälde „Frau am Fenster“ von 1822 hat Caspar David Friedrich eine Frau von hinten abgebildet, die seine eigene Frau darstellt. Hier kommt es wieder zu Stande, dass der Betrachter sich in die Person hineinversetzten muss, um zu sehen, was seine Frau (Christiane Caroline, geb. Bommer) sieht. Eine weitere wichtige und typische Rolle in der Epoche der Romantik spielt die Bedeutung der Fenster. Zentrale Aussagen dazu sind: „ Zugang nach draußen, Verbindung zum Außer persönlichen und Ausdruck des Wunsches nach innerer Befreiung und nach dem Erlebnis freier Natur“ Eine weitere Rolle spielt die Geborgenheit und Häus­lichkeit. Das Motiv des Fensters kommt nicht nur in der Kunst vor, sondern auch in vielen Texten der Epoche der Romantik.

Er stellte die Forderung auf, der Maler soll nicht bloß malen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Themen Friedrichs sind die Unendlichkeit, die Einsamkeit, die Zurückgezogenheit und der Tod. Carl Gustav Carus schrieb in seinen Briefen über die Landschaftsmalerei, die Aufgabe ist „die Darstellung einer gewissen Stimmung des Gemütslebens“ durch die Nachbildung einer entsprechenden Stimmung des Naturlebens. Die Landschaft wird zum „Erdlebenbild“, dessen Wirkung eine Stille Andacht, eine Läuterung und Reinigung sein soll. Das Ich soll verschwinden, ein Nichts werden, Gott soll alles sein.

Bei Caspar David Friedrich haben alle dargestellten Personen und Gegenstände, auch die gewählten Tages- und Jahreszeiten symbolhaften Charakter. Viele Symbole entstammen der allgemein geläufigen Metaphorik, der christlichen Lehre und dem Aberglauben des Volkes. Dies wird in der Symbolik des Bildes „Hafen von Greifswald“ deutlich. Das Boot ist das Sinnbild für das am Ziel des Lebens angelangte Lebensschiff Der Fischer ist der Repräsentant des naturverbundenen tätigen Daseins Das Fischernetz bedeutet, zum Trocknen aufgehängt, die Ruhe des Todes nach der Tätigkeit des Lebens. Der Hafen ist Sinnbild für die Geborgenheit im Tod Der Mond ist das Symbol für Christus. Das im Hafen liegende Schiff versinnbildlicht das Lebensende, den Tod. Der Sonnenuntergang symbolisiert das Ende des Lebens Die Stadt, die man in der Ferne sieht, ist das Sinnbild für das Paradies, das himmlische Jerusalem.

1794 ging Friedrich nach Kopenhagen auf die dortige Kunstakademie und blieb da bis 1798. Noch im selben Jahr zieht er nach Dresden. Ein Jahr später nimmt er zum ersten Mal, mit Landschaftsaquarellen, an der Dresdner Akademieausstellung teil. In den folgenden Jahren folgen Reisen zwischen Dresden, Greifswald, Neubrandenburg und Rügen. Friedrich kennt bis 1803, als er erstmalig nach Böhmen reist, also nur die flache Küstenlandschaft Norddeutschlandes, und die sächsische Schweiz In Nordböhmen entdeckt Friedrich das Gebirge und später auch den, für diese Landschaft typischen, Eruptivberg als tektonisches Einzelgebilde, die für ihn zu Bildmotiven vieler Werke werden.[3] Alle weiteren Reisen Friedrichs führen ihn zwar in verschiedene Regionen Deutschlands doch nie in das Hochgebirge. Erst um 1825 wird er durch die Schilderungen von Freunden auf das Hochgebirge aufmerksam. Er findet darin die Möglichkeit einer „sinnbildhafte[n] Bedeutungssteigerung“ „Nur Einzelberge und nicht das Gebirge sind zu theologischer Bedeutung gelangt“

Der „Watzmann“ ist Friedrichs zweites Hochgebirgsbild, nach dem ein Jahr zuvor, also 1824, entstandenen „Hochgebirge“. Da er, wie schon erwähnt, nie selbst eine Hochgebirgslandschaft erblickt hat, liegt es auf der Hand, dass er dieses Ölgemälde nach einer Vorlage gemalt haben muss. Diese lieferte ihm sein, von ihm sehr geschätzter, Schüler August Heinrich, der 1821 ins Salzburgische gereist war. Diese Vorlage war ein Aquarell und stellte die beiden Gipfel des Watzmann dar. Neben dieser Vorlage verwendete er auch eigene Skizzen von seiner Harzreise, z.B. die des Ahrensklint, der in seinem Ölgemälde das Zentrum darstellt. Dieser wird oft als Erdbeerkopf idendifiziert, wurde aber von Tina Grütter als Ahrensklint erkannt. Wieder in anderen Quellen ist die Rede vom Tollenstein. Auf jeden Fall ist aber sicher, dass es eine Granitformation im Harz ist und nicht in die Alpen gehört. Die darauf Halt findende Fichte entstammt wiederum einer anderen Studie. Der etwas nach rechts versetzte, ambossartige Stein ist ebenfalls ein Motiv das Friedrich aus eigenen Studien in das Bild eingefügt hat.

Diese Zeichnung des Hexenaltar fand auch im „Nebel im Riesengebirge Verwendung. Das gesamte Bildmotiv stellt also eine Komposition verschiedener Skizzen und somit auch unterschiedlicher Regionen Deutschlands dar.

Das gleiche Aquarell das Friedrich als Vorlage gedient hat, nutzte später auch Dahl für ein Gemälde des Watzmann. Dieser Berg war bei vielen Künstlern ein beliebter Bildgegenstand. So finden sich weiterhin Werke von Richter, Olivier, Reinhold, Klein, Schinkel und vielen anderen, die dasselbe Motiv benutzten. Grund für diese außergewöhnliche Beliebtheit ist wahrscheinlich die allgemeine Faszination, die für die Künstler der Romantik von dem Gebirgszug der Alpen ausging. Da die meisten eine Reise nach Italien unternahmen, führte ihr Weg sie unweigerlich über besagtes Gebirge.Dabei wurden die hohen, gefährlichen Gipfel der Berge erst in der Renaissance als überhaupt darstellenswert entdeckt, wenn man von anderen Kulturen, wie der chinesischen, absieht. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Alpen gar als „Unratshaufen“ der Erde beschimpft. Man fürchtete sie. Erst in der Romantik begann man die Bergwelt zu erforschen und als touristisch interessant einzuschätzen. Man begann die unberührte Natur zu lieben und brachte sie mit der „menschlichen Individualität“ in Verbindung. Die unerforschte Bergwelt stellte in ihrer Ferne von der Alltagswelt einen Ort der Freiheit und Verbindung zum Göttlichen dar.„Die „wahre“ Natur als ästhetisch sublimierter, tröstlicher Freiraum und als visionäre Erlebniswelt wurde vom Künstler imaginiert.“ Caspar David Friedrich erkannte also bei weitem nicht als erster dieses Motiv. Eigentliche knüpfte er in dieser Hinsicht an einen Trend an. Allerdings waren Friedrichs Motive zur Produktion seines Gemäldes sehr persönlich und es wäre falsch seine Bildidee mit der seiner Zeitgenossen gleichzusetzen. Es gibt zum einen die Vermutung, dass das Bild einen Gedenkstein für den schon 1822 verstorbenen August Heinrich darstellt, was auf Grund der Hochachtung die Friedrich für diesen jungen Künstler empfand, durchaus möglich sein könnte. Auch gibt es den Gedanken, dass Friedrich aufgrund seiner finanziellen Situation das Hochgebirge als Motiv erkannte, dessen Beliebtheit stark im Kommen war und somit gute Verkaufsaussichten bot. Auch sein „Hochgebirge“ hatte sich ein Jahr zuvor an den größten Friedrichsammler Georg Andreas von Reimer gut verkauft. Die wahrscheinlichste Annahme zum Grundgedanken des Bildes, bzw. die für den Kunsthistoriker interessanteste, ist jedoch die, dass Friedrich mit seinem „Watzmann“ dem, ein Jahr zuvor in der Dresdner Ausstellung erschienenen, „Watzmann“ Ludwig Richters „seine Vorstellung einer Gebirgslandschaft entgegensetzt[en] wollte. Richters „biedermeierliche“ Landschaft, die sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreut hatte, stellte für Friedrich eine Herausforderung dar. Mit demselben Motiv, dass ein Jahr später in der Dresdner Akademieausstellung an derselben Stelle wie Richters hing, zeigte er was Landschaft und Natur für ihn waren.

Das auf Leinwand gemaltes Ölgemälde mit dem Titel „Kreidefelsen auf Rügen“, malte Caspar David Friedrich im Jahre 1818. Die Originalgröße des Bildes beträgt 90,5 x 71 cm.

Bereits im Namen des Bildes ist das wesentliche Thema zu erkennen. So ist im äußersten Hintergrund, hier im Mittelpunkt des Bildes das Meer zu erkennen. Das unendliche, bis zum Horizont reichende, Meer nimmt etwa 1/3 der Gesamtfläche des Bildes ein. An beiden Seiten des Bildes, sowie auch von unten, dort allerdings besonders zackig, wird das Meer von Kreidefelsen ,,eingerahmt. Die Kreidefelsen nehmen dabei von oben nach unten hin an Breite zu, so dass also die Sicht des Betrachters stark eingeschränkt ist.

Wiederum vor den Kreidefelsen befinden sich zwei Laubbäume. Jeweils ein Baumstamm befindet sich vor einem Kreidefelsen. Im Gegensatz zu den Kreidefelsen, die nach unten hin beide proportional zueinander breiter werde, ist genau der umgekehrte Fall bei den Bäumen zutreffend. Die beiden Baumkronen nehmen im obersten Drittel des Bildes die gesamte Fläche ein, und sind dort wie eine Hecke zu einer Einheit zusammengewachsen. Der über den Horizont liegende Himmel ist somit verdeckt. Durch die Bäume oben, sowie den Kreidefelsen an den Seiten ist das weite Meer somit total eingerahmt.

Noch vor den Bäumen, also im äußersten Vordergrund dieses Bildes befinden sich drei Personen. Am rechten Rand des Bildes, am Baumstamm anlehnend, steht, in dunkler Kleidung und mit einem Dreieckshut, die erste, männliche Person, was auch an der Körperhaltung zu erkennen ist. Ein weiterer Mann ist links vom ersten zu erkennen. Mit dem Gesicht nach unten am Boden liegend, sein Hut versetz von ihm, ist auch er sehr dunkel gekleidet. Am linken Baumstamm kniet eine Frau, wobei von ihr halbwegs Gesichtszüge zu erkennen sind. Gekleidet in ausschließlich roter Farbe, deutet sie mit ihren Arm auf einen Bruch in der Felswand hin. Von allen Personen ist jedoch die totale Anonymität durch die Wahrung deren Gesichter erhalten. Zusätzlich wirken sie völlig klein und bedeutungslos, vergleicht man sie nur im Größenverhältnis zum Meer, den Kreidefelsen oder den Bäumen. Dennoch bilden die Personen einen Bezugspunkt zwischen Betrachter und der Landschaft, da sie im äußersten Vordergrund stehen und füllen zusammen mit dem matt erscheinenden, dunkelgrünen Boden das letzte Drittel des Bildes. Durch das gesamte Bild ist zieht sich praktisch eine vertikale Achse, die sich allerdings nicht ganz in der Mitte befindet, sondern dort, wo der Untergrund, auf dem sich die Personen befinden, eine Art „Zacke“ zeigt. Dabei ist es sogar möglich diese Linie ungefähr durch die zwei Segelschiffe zu zeichnen. Diese sind schon vertikal angeordnet und könnten eine Symmetrie verdeutlichen.

Auf jeder Seite befindet sich jeweils ein Kreidefelsen, eine Hälfte vom Meer, sowie ein Baum, wobei der rechte Bereich stärker wirkt, da er etwas mehr Fläche vereinnahmt und auch der Baum beispielsweise größer und fester wirkt. Bei diesen Gegenständen muss jedoch auf ihre Natürlichkeit geachtet werden, da es sich um ein reales Landschaftsbild handelt. So können eben z.B. die Bäume nicht gleich aussehen. Trotzdem wirkt das Bild durch diese recht gleichmäßige Verteilung der Elemente in gewisser Weise symmetrisch. Auf die Positionen der menschlichen Figuren trifft diese Symmetrie nicht ganz so deutlich zu, da sich an einer Seite nur die Frau, auf der anderen Seite aber zwei Männer befinden. Dabei können die am Boden liegende Person und die Person ganz rechts den Kontrast zur Frau links darstellen, da Diese auffällig andere Farben trägt.

Die Kompositionsfiguren sind somit besonders von den Kreidefelsen bestimmt. Es handelt sich dabei um zwei Linien, die unten zusammentreffen und so ein unten geschlossenes, aber nach oben hin offenes Oval bilden, gut zu vergleichen währe diese Form mit einer Parabel. Geschlossen wird diese hier aber durch die quer liegende Baumäste, die somit eine fast horizontale Linie über der Horizontlinie des Meeres bilden. Durch die horizontale Linienführung des Meeres wirkt dieses fast gegensätzlich zu den Felsen. Zu den Bäumen aber ist ein anderer Gegensatz zu erkennen. Durch die verschiedenen Überschneidungen und Farben wirkt das Meer ,,fern des Betrachters, der von ziemlich weit oben auf das Geschehen blickt, die Bäume jedoch befinden sich im Vordergrund, ein Baumzweig verdeckt sogar ein Teil des Wassers, was diesen Kontrast noch weiter verstärkt.

Der Unterschied zwischen Meer, Felsen, Bäume und Personen ist auch durch Farbkontraste hervorgehoben. Der größte Farbunterschied besteht zwischen Kreidefelsen, die sich im Mittelgrund befinden, und den Personen im absoluten Vordergrund. Besonders bei den beiden Männern besteht ein schwarz- weißer Farbkontrast. (vgl. Hell-Dunkel Skizze). Ausschließlich von den Farbtönen gesehen, bilden Menschen und Pflanzen eine Einheit. Dies zeigt sich z.B daran, dass die Baumstümpfe ebenfalls dunkel dargestellt sind und erst nach oben hin aufhellen. Außerdem ist auf der Hell-Dunkel Skizze zu erkennen, dass die dunklen Elemente des Bildes praktisch einen Bogen von links nach rechts oben machen, und den Rest des Bildes damit einrahmen, wobei eben auch der Vordergrund mit den Menschen dazugehört. Bereits durch die Linienführung wurde das Meer bereits ,,eingerahmt, dies wird nochmals durch die bläuliche Färbung hervorgehoben. Außerdem befindet sich zusätzlich der geometrische Bildmittelpunkt in dem umrahmten Meer. (vgl. Skizze „geometrischer Bildmittelpunkt“) Der mit grünen und braunen Pflanzen durchsetzte Küstenstreifen zeigt allerdings, dass das Meer zur Pflanzenwelt und zur Natur dazugehört. Besonders durch die rote Farbe tritt eine menschliche Figur hervor. Das rote Kleid der am linken Rand hockenden Frau passt überhaupt nicht in das Landschaftsbild hinein und deutet auf eine besondere Stellung der Person im Bild hin. Über die man aber nur spekulieren kann. Zusammenfassend kann über die Farbgebung gesagt werden, dass sie harmonisch, im Einklang mit der Wirklichkeit zusammengestellt wurde. Absolute Farben, also reine Farbtöne sind nicht verwendet worden, durch gezielte Farbmischung sind reine Gegenstands- und Erscheinungsfarben genutzt worden, das Bild ist als Naturbild perfektioniert.

Durch die verschiedenen Farbgebungen ist im Bild eine unterschiedliche Räumlichkeit gegeben. Die Darstellung der wesentlichen Fläche des Meeres ist sehr beschränkt, die Nähe der Kreidefelsen und der Bäume wirken durchaus erdrückend. Dies kommt hauptsächlich durch Überdeckungen und die verschiedenen Farben zustande. Die Lichtquelle ist nicht direkt zu sehen, es ist aber erkennbar, dass vom Meer aus Helligkeit zwischen die Felsen durchdringt und sich somit der Schatten hinter den Felsen ausbreitet.

Genau in diesem Schatten befinden sich die bereits beschriebenen Personen, die sich dem Schatten durch ihre dunkle Kleidung anpassen. Hier liegt auch der Grund, warum die Bäume und Boden sehr dunkel dargestellt wurden. Die realistische Darstellung ist durch den Schatten nochmals verdeutlicht worden, Räumlichkeit ist gegeben.

Aufgrund der Farbgebungen, der Raumwirkung, der Komposition und der Ordnungsstrukturen kann man das Bild in vier unterschiedliche Teile deuten: Das Meer als einziger Teil der eine weite, offene Sicht bietet; die Kreidefelsen als erdrückende, spitze und unberechenbare Hindernisse für die Personen, die den dritten Teil bilden; und die Pflanzenwelt als äußerer Rahmen des Bildes. Werden die historischen Fakten zur Entstehungszeit sowie die eigenen Lebensauffassungen des Malers nicht berücksichtigt, so kann man diese vier Teile des Bildes als etwas Gegensätzliches deuten. Das Meer ist in diesem Bild wie der Lichtblick am Ende eines Tunnels.

Die Helligkeit und Größe ist wie das Ziel der dargestellten Menschen. Um diese neue, farbenfrohe Welt zu entdecken oder sie auch nur genauer zu betrachten, müssen Hindernisse, hier die Kreidefelsen überwunden werden. Die Menschen in dem Bild haben jedoch den Anschein, als ob sie nicht jeder gleichviel dafür machen wollen. Während die ganz links sitzende Person auf den Weg zum Ziel, durch die Kreidefelsen weist, und die mittlere sich bis zum Abhang hervorarbeitet, schaut die rechte Person nur stumpf auf das Meer. Die Personen selber befinden sich in einer dunklen Welt, der sie den Rücken gekehrt haben. Die Pflanzenwelt, insbesondere die Bäume sind hier als zusätzliches Hindernis dargestellt, doch gleichzeitig ist sie auch auf der anderen Seite, also auf dem Meer als Algenkultur vertreten. Die Natur, obwohl sie, rational gesehen, ein Hindernis ist, gehört in die Welt des Menschen.

Wenn man nun etwas recherchiert, so stößt man auf den Hinweis, dass die Personen des Bildes nicht wahllos gemalt sind, sondern bestimmte Charaktere bilden. Dies ist natürlich vom Bild her nicht sofort erkennbar, macht aber Sinn, wenn man sich näher damit beschäftigt: Die Frau soll die –gerade erst geheiratete - Gattin Friedrichs darstellen, während er sich selbst in der Mitte des Bildes als der hockende Mann präsentiert. Der stehende Mann ganz rechts soll sein Bruder Christian sein.

Somit bilden praktisch die beiden Verheirateten eine eigene Einheit die in verschiedenen Dingen verdeutlicht wird: Zunächst scheinen beide, wie oben bereits erwähnt, ein ganz anderes Ziel zu haben als der Mann rechts. Der Bruder träumt noch von der Helligkeit und dem Verlassen der dunklen Gegenwart, während die beiden Anderen darauf zustreben. Schaut man sich dazu nun die Kompositionsskizze an so ist auch hier eine deutliche Unterscheidung erkennbar, die Bewegungen des Paares nämlich streben nach Vorne und dabei auch aufeinander zu während, der Bruder fest stehen bleibt und nur der Blick in die Ferne streift, als würde er nur davon träumen können. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Frau geliebt wird ist das Merkmal, das sie ganz in Rot –oft verwendet als Farbe der Liebe- gekleidet ist.

Das Meer und damit die Hoffnung auf ein besseres Leben zu zweit wird aber eingerahmt durch die zackigen Felsen direkt vor dem Paar und einem Dickicht der Baumkronen, wodurch selbst der Himmel kaum mehr erkennbar ist. Damit könnten die Schwierigkeiten des gemeinsamen Weges verdeutlicht werden, und die Hindernisse die noch vor den Liebenden liegen. Am Meer angekommen hat man die die scheinbar unendliche Weite vor sich, in der man zunächst nicht sieht, dass es irgendwann zu Ende geht.

Der Horizont mit dem Sonnenuntergang schließlich kann den Tod bedeuten, was sich zunächst in diesen Zusammenhang verwunderlicht anhört, aber an Logik gewinnt, wenn man sich bewusst macht, dass der Weg dorthin für beide zusammen über das schöne offene Meer führt, heißt es doch bei der Eheschließung …bis dass der Tod euch scheidet, und bis zu diesem Tod fern am Horizont möchte Caspar David Friedrich mit deiner Frau die helle Zukunft erkunden. Insgesamt kann dadurch dieses Bild, welches zunächst als einfaches Landschaftsbild erscheint, als Allegorie auf die Liebe Friedrichs zu seiner Frau verstanden werden.

1806 bildet sich eine Protestgruppe von Studenten der Wiener Akademie. Ihr Protest richtet sich gegen die überkommenen Unterrichtsmethoden, das Kopieren von Gemälden alter Meister oder abzeichnen von Gipsabdrücken antiker Plastiken. Sie gründen den Lukasbund, genannt nach dem hl. Lukas, dem Patron der Maler und ziehen nach Ausschluss vom weiteren Besuch der Akademie 1810 nach Rom in das von Napoleon säkularisierte Kloster Sant Isidoro auf dem Monte Pincio. Ihre Überzeugung gipfelt darin, dass die Kunst in Deutschland völlig heruntergekommen ist, es fehlt ihr an Herz, Seele und Empfindung, sie bedarf einer Erneuerung auf den Grundpfeilern von Religion und Nationalität. Ihr Ziel war die Schaffung einer religiös-patriotischen Kunst. Um auf möglichst weite Teile des Volkes zu wirken, sollen Freskenzyklen nach dem Vorbild Giottos und Raffaels mit biblischen Motiven entstehen. Wahrhaft reine Werke sollen hervorgebracht werden.

Peter Cornelius malt mit dem „Jüngsten Gericht“ das größte Fresko des 19ten Jahrhunderts, von ihm stammen eine Freskendekoration in der Ludwigskirche sowie Fresken in der Glyptothek. 1825 wird ihm die Leitung der Kunstakademie München angetragen, 1846 wird er Akademiedirektor in Dresden. Julius Schnorr von Carolsfeld bezeichnet seine Kunst als die Frucht einer jahrelangen Vertiefung in das romantische Heldenwesen. Er wird 1827 von Ludwig I an die Münchner Akademie geholt: 5 Säle der Residenz sollen mit Szenen aus der Nibelungensage dekoriert werden.

In der Spätromantik etwa ab 1830 schrumpfen kosmische Ideen oft zu heimeligen Idyllen zusammen, der Biedermeier kündigt sich an. Die Spätromantik ist nicht mehr getragen von den ursprünglichen Ideen der Freiheit d. Individuums und der unendlichen Natur. Adrian Ludwig Richter (1803-1884) ist weitgehend literarisch orientiert, seine Landschaften sind zumeist beschränkt auf den Ausdruck eines harmonischen Verwobenseins von Mensch und Natur. Richter will im Gegensatz zu Friedrich, der seine Landschaften „mit Zeichen, Hieroglyphen und Gedanken überfrachtet“, die Natur ihre eigene Sprache sprechen lassen. „Jedes Ding spricht aus sich selbst, der Geist, die Sprache liegt in jeder Form und Farbe.“ Landschaften sind bei Richter Idyllen, wie zum Beispiel das Werk „Genoveva in der Waldeinsamkeit“. Die Anregung zu diesem Bild bezog Richter durch Tiecks Trauerspiel: „Leben und Tod der heiligen Genoveva“ aus dem Jahre 1799. Später malt Richter vorwiegend Buchillustrationen: Das ABC-Buch für große und kleine Kinder, Märchenbücher von Beckstein, Musäus und den Gebrüdern Grimm.

Moritz von Schwind (1804-1871) setzte die von der Romantik wiederentdeckte Welt der Volks und Heldendichtung, der Märchen und Sagen in Bilder um. Schon als 18jähriger illustrierte er Ritter- und Heldensagen sowie die Märchen aus 1001 Nacht. Für manche Märchengestalten, wie z. B. den Rübezahl, hat er überhaupt erst eine Vorstellung geschaffen, in der sie bis heute ihre volkstümliche Geltung besitzt. Durch Verbindung mit Peter Cornelius erhält er einen Freskenauftrag im Tieck- Saal der Münchner Residenz, 1847 erhält er eine Professur an der Münchner Akademie.

Das Jahr 1848 als Anfang des bürgerlichen Realismus festzulegen, lässt sich mit dem Beginn weitreichender sozio-ökonomischen Veränderung eben in diesem Jahr begründen. Die Pariser Februarrevolution weckte die revolutionäre Begeisterung im deutschen Bürgertum, welches sich auch tätlich zusammen mit der Unterschicht gegen die Einschränkung politischer Grundrechte und einer einheitlichen Nationalstaatlichkeit einzusetzen versuchte. Zwar scheiterten die Bewegungen zunächst, es konnte sich unter diesen Umständen aber auch eine völlig neue Art der politischen Öffentlichkeit formieren.

Dem bürgerlichen Mittelstand muss eine enorme Gewichtung im Hinblick auf seine wirtschaftliche und auch soziale Stärke im 19. Jahrhundert schließlich und endlich zugestanden werden. Durch die mit dem Wirtschaftswachstum einhergehenden Landflucht stieg der Anteil der Angestellten und Beamten, sowohl in staatlichen als auch nicht nichtstaatlichen Bereichen enorm an. Der Begriff des Bürgers gehört inzwischen stärker aufgefächert: so zählen eben nicht nur eben genannte, sondern auch gehobene Handwerker oder sonst wie Selbstständige zu jener Bevölkerungsgruppe. Der wirtschaftliche Aufschwung ist bezeichnend für die Zeit zwischen 1850 und 1873 – wir befinden uns mitten in der Industriellen Revolution.Als wesentlich für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kann zudem die ständig zunehmende Mobilität, sowohl im räumlichen als auch sozialen Sinne, gelten. Die Droschke wird von der Eisenbahn abgelöst, die Schifffahrt erfährt Fortschritte durch die Dampfturbine – Europa wird für den Einzelnen erschließbarer.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Literaturlandschaft in Deutschland geprägt von der Vormärzliteratur. In der Folge der Märzrevolution von 1848 wurden die verschiedenen literarischen Bewegungen jener Zeit einem Wandel unterworfen. Die Revolution führte zum Rücktritt des Staatskanzlers Metternich, der Ausarbeitung einer deutschen Verfassung und der Lockerung der Zensur und des Spitzelwesens. Letztlich erwies sich die Revolution jedoch als ein „Sturm im Wasserglas“, da die Forderungen des liberalen Bürgertums, das die Revolution hauptsächlich trug, nur ansatzweise erfüllt wurden. Die Ideen von staatlicher Einheit und politischer Freiheit blieben unerfüllt.

Der Wandel von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu einer nüchternen Betrachtung der Gegenwart lässt sich auch im frühen Marxismus erkennen. Marx war als Schüler Hegels vom deutschen Idealismus beeinflusst. Von dort kommt seine Vorstellung eines zielgerichteten Verlaufs der Geschichte. Gleichzeitig war er Materialist und wollte nur die ökonomische Entwicklung als Grundlage der Geschichte anerkennen.

Zeitgenössische Theoretiker des Realismus gruppierten sich um Zeitschriften und veröffentlichten ihre Ansichten über die momentane Situation in der Literatur. Die Meinungsführerschaft in den 50er Jahren lag bei den „Grenzboten“ und dort vor allem bei Julian Schmidt. Er entwickelte mit seinen Kollegen die Programmatik der neuen Literatur. Dabei spielen die Begriffe „Realidealismus“, „Poetischer Realismus“ und „Bürgerlicher Realismus“ eine entscheidende Rolle, denn der Realismusbegriff war durch die ästhetische Tradition zu belastet, als dass er in unproblematischer Weise das Selbstverständnis einer Literaturbewegung hätte kennzeichnen können. Theodor Fontane weist als einer der Hauptvertreter des Realismus „das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten“ ab. Er definiert den Realismus als „die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst“. Wichtige literarische Formen im Realismus sind die Dorfgeschichten, das Dinggedicht, der Gesellschaftsroman, der historische Roman und der Entwicklungsroman. Eine besondere Rolle spielte der Roman an sich.

Zu Beginn lehnte sich der Realismus an die Philosophie von Ludwig Feuerbach an, dessen Religionskritik nicht in einen resignativen Nihilismus mündete, sondern stattdessen die Hinwendung zur Diesseitigkeit propagierte. Der Mensch solle das Göttliche in sich erkennen und in diesem Sinne sein Leben leben und gleichzeitig für andere Menschen tätig sein (Homo homini deus est „Der Mensch ist dem Menschen ein Gott“). Der technische Fortschritt durch die Industrielle Revolution und der daraus entstehende Fortschrittsglaube verstärkten diese optimistische Haltung. Spätere Vertreter des Realismus waren hingegen von einem starken Pessimismus beeinflusst. Die sich infolge der Industrialisierung verschärfenden sozialen Probleme erschütterten das Vertrauen in den technischen Fortschritt nachhaltig. Die Erkenntnisse bedeutender Naturwissenschaftler wie Charles Darwin verschafften der Geisteshaltung des Determinismus Zulauf. Das menschliche Individuum sei ein Produkt der Evolution und seine Handlungen würden von physiologischen Prozessen in seinem Körper bestimmt. Die besondere Tragik dieser sinnlosen Existenz bestehe darin, dass der Mensch diesem Fatalismus ausgeliefert sei und sich ihm stellen müsse, wohl wissend, dass er den Kampf im Moment seines Todes letztlich verlieren werde. Diese Art der Betrachtung negiert jegliche Transzendenz im menschlichen Leben.

Der Grundgedanke des Realismus ist die Reflektion der Wirklichkeit durch Kunst und Literatur. Das heißt, der Realismus gibt die Welt nicht nach einem Idealbild wieder, sondern wie sie tatsächlich ist. Der Realismus lässt sich in ,,Poetischen Realismus“ und ,,Bürgerlichen Realismus“ aufteilen. Poetischer Realismus bedeutet Konflikte in der Wirklichkeit lyrisch zu entschärfen. Bei dem bürgerlichen Realismus wird häufig der Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft thematisiert. Dies soll keine Kritik an der Gesellschaft bzw. am Milieu sein, sondern eine Ästhetisierung und damit eine Verklärung. Es ist die Abgrenzung von der Idealistischen Epoche (insbesondere von der Romantik).

Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Literatur vom Vormärz geprägt und dem damit verbunden politisch-historischen Maßstab. Die folgenden Erscheinungen wurden unter dem Blickwinkel ihres Zusteuerns auf die Märzrevolution im Jahre 1848 gesehen. 1850 folgte das ,,Junge Deutschland“, welches sich aus Gruppierungen von Autoren im poetischen und bürgerlichen Realismus zusammensetzte. Dem Menschen steht im Realismus, sein persönliches Schicksal und seine individuelle Eigenart im Hinblick auf die soziale Umgebung im Vordergrund. Die Kraft des Materiellen war in dieser Zeit sehr hoch. Zugleich entsteht die Fragwürdigkeit, ob eine Welt in der die bloße Materie zählt (Nihilismus) wirklich erstrebenswert sei. Im Zuge der naturwissenschaftlich-technischen Orientierung und bedeutenden Erfindungen setzt sich ein Glaube an die Wissenschaft durch.

Ausgehend von der französischen Februarrevolution, bildete die bürgerliche Revolution im März 1848 das große Ereignis der Jahrhundertmitte, mit dem die Forderungen nach bürgerlichen Freiheiten, einer geschriebene Verfassung und der Einrichtung eines gesamtdeutschen Parlaments verbunden waren. Am 18. Mai trat in der Frankfurter Paulskirche eine frei gewählte Nationalversammlung zusammen. Deren Arbeit wurde aber durch die Spaltung zwischen Liberalen, die nur eine politische Veränderung anstrebten, und Republikanern, die sich auch für eine Änderung der sozialen Verhältnisse einsetzten, erschwert. Als schließlich im März 1849 eine neue Verfassung verkündet wurde, lehnte der preußische König Friedrich Wilhelm IV die von der Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone als gesamtdeutsches Staatsoberhaupt ab. Damit waren die Bestrebungen, einen einheitlichen Nationalstaat zu schaffen, gescheitert. Die Fürsten übernahmen als Landesherren wieder die gewohnte Macht. Viele enttäuschte Bürger zogen sich aus der Politik zurück und wandten sich ihrem Privatleben zu. Erst nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) gegen den "Erbfeind" Frankreich kam es am 18.01.1871 im Spiegelsaal von Versailles unter dem Jubel der deutschen Bevölkerung zur Gründung des "Deutschen Kaiserreichs". Damit war im Herzen Europas eine neue Großmacht entstanden, die durch ihre militärische Stärke und ihre Hinwendung zu Nationalismus und Imperialismus das europäische Gleichgewicht zu erschüttern drohte.

Etwa seit Ende der napoleonischen Befreiungskriege und der folgenden Zeit der Restauration entwickelte sich die Kunst des Biedermeier. Die teils spießbürgerlich wirkende Malerei knüpfte an romantische Ideale an, umfasste nunmehr aber auch die begrenzte Welt des Alltagsmenschen. Diese Genrebilder zeigten primär das häusliche Leben und eine kleinbürgerliche Idylle. Das Thema der Arbeit wurde bis auf wenige Ausnahmen weiterhin gemieden. Lediglich landwirtschaftliche Darstellungen, innerhalb einer verklärten Bauernmalerei, streiften diese Thematik. Hier wurde eine bäuerliche Atmosphäre hergestellt, in der die Familie, als Indikator für eine harmonische Häuslichkeit, eine besondere Stellung einnahm. Das Milieu des Bauerntums ist in diesen Bildern zwar präsent, die damit verbundene Arbeit wird bis auf wenige Ausnahmen nicht thematisiert. Den klassisch-historisch inspirierten Werken als auch den romantischen Bildern sowie der Genremalerei des Biedermeiers war jedoch trotz der Unterschiede gemein, dass sie nur selten die Wirklichkeit wiedergaben. Der Idealismus herrschte als grundsätzliches Bindeglied vor und ist somit charakteristisch für diese Zeit. Es ist nicht verwunderlich, dass sich allmählich zu diesem Idealismus eine Gegenbewegung bildete - in Anbetracht der vergangenen Epochen, die in der Regel als Reaktionen auf vorherige Stilperioden auftraten, erscheint es evident, dass sich ebenso eine Erwiderung zum Idealismus finden musste.

Als Ausgangspunkt für das Schaffen der Realisten muss ein genau bestimmtes Geschichts-und Wirklichkeitsbild betrachtet werden. Danach ist jede Kunst realistisch, ,,die zunächst darauf ausgeht, die Dinge in ihrer wesenhaften Realität zu geben, Welt und Menschen, Natur und Leben so darzustellen, wie sie sich ihrem Wesen und ihrer Idee, ihrer Seele und ihren Charakter nach offenbaren,..." (Sigisbert Meier: Der Realismus als Prinzip der schönen Künste, S.9) Der Realismus mit seiner objektiven Darstellung des Zeitgenössischen ist ferner gekennzeichnet durch Gottferne (Atheismus), Entfremdung und Zusammenhangslosigkeit, die sich in allegorischer, satirischer oder grotesker Darstellungsweise widerspiegeln. In der realistischen Literatur geht es nicht um Versöhnung oder Einheit, sondern vielmehr um deren Versagen und um den endgültigen Verlust von Gott, Idee oder Sinn, an deren Stelle das Nichts getreten ist. Für den Realisten ist der Mensch deshalb ein Narr, der verloren ist in der bösen Welt; das Leben bedeutet ständig neue Desorientierung. Der Realismus ist didaktisch, lehrhaft und reformierend und will die historische Wirklichkeit sittlich und ästhetisch interpretieren bzw. künstlerisch bewältigen.

Mit dem Realismus war keine neue Epoche entstanden, vielmehr wurde die Aufmerksamkeit für eine Wirklichkeitsanschauung gesucht, was bedeutet, dass dieser Kunststil „weder rein inhaltlich, noch rein formal zu fassen“ ist. Die Intentionen eines realistischen Werks ist nicht immer eindeutig zu ermitteln. Einerseits kann die Wirklichkeitsdarstellung lediglich deskriptiv ohne politischen Hintergedanken sein. Andererseits können realistische Bilder gesellschaftskritische und sozialistische Intentionen in sich vereinen, indem sie durch die Veranschaulichung von gesellschaftlichen Missständen oder den Hinweis auf problematische Lebensbedingungen soziale Ungerechtigkeiten anprangern. Dadurch kann bei dem Betrachter Mitgefühl evoziert, aber auch gleichzeitig bewusst Anklage erhoben werden. Diese Vielfalt der Intentionen führte damals und auch noch heute oftmals zu Missverständnissen bei der Einordnung der Künstler.

In Frankreich boten die Romane der 1830er und 1840er Jahre von Stendhal (1783–1843) und Honoré de Balzac (1799–1850) zwar realistische Schauplätze, Handlungen und Charakterisierungen, standen aber noch unter der romantischen Perspektive einsamer Helden, großer Handlungen und tieferer Symbolik. Der eigentliche Durchbruch zum Realismus gelang Gustave Flaubert (1821–1880) mit seinem Roman Madame Bovary (1857), der Alltagsgeschichte der Desillusionierung einer an romantischen Idealen orientierten Ehefrau in der Provinz, die im Ehebruch und Selbstmord endet. Flaubert schrieb in einem Brief 1852: „In mir stecken buchstäblich zwei Menschen: der eine liebt Großmäuligkeit, Lyrisches, die großen Adlerflüge wohlklingender Sätze; der andere wühlt und gräbt nach dem Wahren, so gut er kann, will das kleine Faktum ebenso gewaltig wie das große zeigen, möchte den Lesenden die wiedergegebenen Dinge beinahe materiell spüren lassen“.

Die Prinzipien von Flauberts Realismus sind: umfassende dokumentarische Vorarbeiten, Zurücktreten des Autors (sog. impassibilité) hinter die Fakten und Geschehnisse (die aber so ausgewählt, angeordnet und behandelt sind, dass gleichwohl des Autors meist pessimistische Sicht erkennbar bleibt), strenger Kult der Sprachform (Gegengewicht zur langweiligen Mittelmäßigkeit des Alltagslebens).

Ab 1860 entstand als Steigerung des Realismus der Naturalismus, dessen wichtigster Vertreter Émile Zola (1840–1902) wurde, der neben seinen Rougon-Macquart-Romanen (1871–1893), einer zwanzigbändigen Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich (d. h. Frankreich unter Louis Napoleon 1852–1870) auch Literaturtheoretisches schrieb. „Unser Held ist nicht der reine Geist, der abstrakte Mensch des 18. Jahrhunderts, sondern er ist das physiologische Objekt unserer jetzigen Wissenschaft, ein Wesen, das aus Organen zusammengesetzt ist und das von einem Milieu zeugt, von dem es jeden Moment durchdrungen wird. (…) Alle seine Sinne wirken auf seine Seele ein; in jeder ihrer Bewegungen wird diese vorangetrieben oder zurückgehalten durch das Sehen, das Riechen, Hören, den Geschmack, den Tastsinn. Die Vorstellung einer unabhängigen Seele, die ganz im Leeren funktioniert, ist falsch - das ist die psychologische Mechanik, und nicht mehr das Leben. (1881) Der Naturalismus in der Literatur ist (…) die Rückkehr zur Natur des Menschen, die direkte Beobachtung, die genaue Anatomie, die Feststellung und Wiedergabe dessen, was ist.“ (1882).

Freund und Schüler Zolas war Guy de Maupassant (1850–1893), der vor allem Novellen schrieb. Er beschränkte sich auf das selektive Konzept einer ausgewählten und (dadurch) expressiven Wahrheit: „Der Realist, wenn er ein (guter) Handwerker ist, versucht nicht, uns die banale Photographie des Lebens zu geben, sondern uns eine Vision zu liefern, die vollständiger, ergreifender, beweiskräftiger als die Wirklichkeit selbst ist.“ Die theoretische Begründung dieses Naturalismus lieferte der Literaturhistoriker Hippolyte Taine (1823–1893, nach und mit Auguste Comte Vertreter des sog. Positivismus, der nur erfahrungsmässig-wissenschaftliche Tatsachen, nichts Übersinnliches oder Spekulatives anerkennt). Er erklärte das literarische Schaffen aus den es bestimmenden (daher der Name Determinismus) Faktoren Ethnie (Volk; angeborene psychische Veranlagung), Milieu (geographisch-soziale Umgebung) und Zeit (historische Situation, Augenblick der Niederschrift).

Auguste Comtes Versuch, den Positivismus zur wissenschaftlich fundierten Weltkultur auszubauen, wurde eines der großen utopistischen Projekte des 19. Jahrhunderts. Comte entwarf ein Geschichtsmodell, nach dem sich die von ihm vertretene Philosophie mit historischer Notwendigkeit durchsetzen musste. Die Menschheitsentwicklung durchschritt historisch notwendige Entwicklungsstadien von den ersten religiösen Kulten über den Monotheismus zu einer von den Wissenschaften bestimmten Kultur („Dreistadientheorie / théorie des trois états“: theologische, metaphysische und positive Epoche). Der Motor der historischen Entwicklung war nicht ein Klassenkonflikt, der in eine Weltrevolution mündete, und in der die Arbeiterklasse die Herrschaft übernahm, sondern die schlichte Ausbreitung der zukünftigen Gesellschaft mit dem wissenschaftlichen Fortschritt. Die Menschheit selbst geriet in diesem Prozess in das Zentrum des Interesses.

Die Soziologie würde –als von Comte begründete Wissenschaft – alles Handeln bestimmen, und das menschliche Zusammenleben zum größten Nutzen der Menschheit organisieren. Daher bezeichnete er sie auch als die „Königin der Wissenschaften“. Mitgefühl und Altruismus, Achtung vor menschlichen Leistungen würden im Zentrum des Zusammenlebens in der zukünftigen Gesellschaft stehen.

Mit dem Aufbau der Religion des Positivismus sollte der historischen Entwicklung zum Durchbruch verholfen werden. Deren Organisation und die Dogmatik orientierten sich am Aufbau des Katholizismus. Die Huldigung der Menschheit in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft wurde zu einem Kultus ausgestattet, dem eine eigene Priesterschaft zum Durchbruch verhelfen sollte. Die Unsterblichkeit wurde als „Unsterblichkeit im Gedächtnis der Menschheit“ sozialisiert. Der positivistische Kalender trug dem wiederum Rechnung durch sein dreizehnmonatiges Jahr, das symbolisch die Weltgeschichte durchmisst. Die einzelnen 28-tägigen Monate nehmen die jüdische und die christliche Tradition auf, wie die Wissenschaftsgeschichte und die politischen Traditionen Europas. Monatsrepräsentanten sind unter anderem Moses, Archimedes und Friedrich II. von Preußen. Die einzelnen Tage sind, einem Heiligenkalender gleich, den „größten Individuen gewidmet, die zum Fortschritt der Menschheit beitrugen“. Die übergreifende These, dass die Welt sich über die Religion und den Aufbau von Staaten, und Wissenschaften in die Zukunft entwickelte, erlaubte die Würdigung und die Integration der überwundenen religiösen und staatlichen Organisationsformen.

Positivistische Gesellschaften wurden gegründet. Sonntägliche Treffen mit Zeremonien standen auf dem Programm, und erweckten Misstrauen und Spott. Die Bewegung zeichnete sich durch den Ordnungsfanatismus und die Detailversessenheit ihres Gründers aus, ebenso wie durch eine prekäre Annäherung an genau das System, das sie ersetzen sollte, und durch möglichst lückenlose Übernahme von Organisationsformen und Techniken ersetzen wollte: Die katholische Religion, die gerade im naturwissenschaftsfreundlichen angelsächsischen Sprachraum nicht als Traditionsangebot in Frage kam. Eine spezielle Verehrung der Frau prägte den Positivismus. Für Comte, der seinen persönlichen Leidensweg am Ende in der Verehrung einer Frau fand, war die Frau „das emotional höher entwickelte Wesen“, das durch die ausgeprägtere Fähigkeit zum Mitgefühl prädestiniert war, die Kernaufgabe in der Familie wahrzunehmen.

Mit der Zeit richtete sich der Fokus aber auch auf die Produktionsstätten an sich. Industriebilder entstanden vor allem als Auftragsarbeiten für große Industriebarone. Namentlich hervorzuheben ist hier der Lokomotivfabrikant Albert Borsig, dessen Fabrik zahlreich gemalt wurde und die daraus entstehenden Bilder exemplarisch für die Entwicklung von Industriebildern dienen können: Bereits 1847 malte Carl Eduard Biermann Borsigs Maschinenbau-Anstalt zu Berlin Die Fabrik ist hier zwar als solche porträtiert, die Arbeit, die in dieser stattfindet, ist aber nur sporadisch auszumachen, beziehungsweise unterschwellig durch rauchende Schlote angedeutet. Ein Jahr später schuf Paul Habelmann für die Leipziger Illustrierte Zeitung eine Bildreportage über die Fabrik. In den Graphiken des Künstlers sind nun auch die Fabrikhallen von innen zu sehen und die zahlreichen Arbeiter bei den Tätigkeiten des Gießens oder Schmiedens dokumentiert.

Die Arbeiter im Detail sind im groß angelegten Gemäldezyklus zur Geschichte der Lokomotive zu sehen, die Paul Meyerheim von 1873 bis 1876 malte. Die Männer in Meyerheims Darstellungen strotzen vor körperlicher Kraft und Energie, was einen Kontrast zu den Werken französischer Realisten darstellt, in denen die Arbeiter von Schmerz und Anstrengung gezeichnet sind. Im Gegensatz zu sozialrealistischen Werken appellieren sie nicht an das Mitgefühl des Betrachters, sondern machen auf den Fortschritt einer Firma oder einer Technologie aufmerksam. Im Eisenwalzwerk von Adolf Menzel wird dieser zusätzlich noch durch das monumentale Format des Gemäldes unterstützt. Industriebilder sind als repräsentative Werke zu betrachten, da sie die Macht der industriellen Auftraggeber als auch den Fortschritt des jungen Kaiserreichs nach 1871 zeigen sollten. Ungeachtet dessen können aber auch diese Arbeitsbilder als realistisch betrachtet werden, obwohl die industrielle Wirklichkeit hier als Fortschritt und Weiterentwicklung positiv konnotiert ist.

Der wichtigste Maler des Realismus in Deutschland war Adoph Menzel. Themen der Gegenwart nehmen in Adolph Menzels Werk einen breiten Raum ein. Er malte die Menschen, unter denen er sich bewegte, also Angehörige des Bürger- und, ab 1861, des Großbürgertums. Dabei gab er wieder, was er sah. In Abkehr von dieser objektivierenden Darstellungsweise lassen sich auf seinen Bildern der besseren Gesellschaft allenfalls hin und wieder gewisse karikaturhafte Züge feststellen. So auf dem bekannten Ballsouper (dargestellt ist eine Festveranstaltung am kaiserlichen Hof): Der Offizier im Vordergrund versucht mit wenig Erfolg, im Stehen Messer und Gabel zu handhaben und dabei gleichzeitig Teller, Glas und Hut zu halten.

Völlig frei von Ironie sind dagegen Menzels Darstellungen von Handwerkern und Arbeitern. Sie drücken den Respekt aus, den der Maler vor ernsthafter, gut gemachter Arbeit gleich welcher Art empfand. In diese Kategorie gehört Das Eisenwalzwerk (1872–1875). Bei dem Bild handelt es sich um eine Auftragsarbeit, jedoch hatte Menzel das Motiv selbst gewählt. Das Eisenwalzwerk gilt als die erste größere Industriedarstellung in Deutschland. Zur Vorbereitung des Bildes reiste Menzel ins schlesische Königshütte, in die damals –nach dem Ruhrgebiet– modernste Industrieregion Deutschlands. In einem dortigen Walzwerk fertigte er etwa hundert Detailzeichnungen an, die als Grundlage für das spätere Gemälde dienten. Dargestellt ist die Herstellung von Eisenbahnschienen. Menzel zeigt aber nicht nur den Produktionsprozess selbst. Vorne rechts verzehren Arbeiter das Essen, das eine junge Frau (die als einzige Figur den Blick zum Betrachter gewendet hat) gebracht hat. Links sieht man sich waschende Arbeiter, und im linken Hintergrund den Ingenieur oder Werksleiter (mit rundem Hut), der die Arbeiter und den Produktionsablauf überwacht.

Schon bald nach seiner Fertigstellung erhielt das Bild den Beinamen Moderne Cyclopen. Cyclopen sind in der griechischen Sage die Gehilfen des Schmiedegottes, die im Inneren der Vulkane Blitze sowie die Waffen der Götter schmieden. Offenbar hielt man eine mythologische Überhöhung für notwendig, um dem Publikum das neuartige Thema schmackhaft zu machen. Die Zeitgenossen begriffen das Gemälde, entsprechend der Fortschrittsgläubigkeit der Epoche, als ein Sinnbild für die unbegrenzten Möglichkeiten der modernen Technik. Später ist es gern als eine Anklage gegen die elende Situation der Arbeiterschaft interpretiert worden. Dagegen spricht, dass Menzels Arbeiter als selbstbewusste Individuen erscheinen, die stolz sind auf ihre Fähigkeiten und den Wert ihrer geleisteten Arbeit. Zur Entstehungszeit des Bildes steckte der soziale Gedanke noch in den Anfängen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Menzel heimlich mit den Ideen der entstehenden Arbeiterbewegung sympathisiert hat. Er malte, was er sah, und das waren in diesem Fall eben auch die harten Arbeitsbedingungen in der Industrie.

Für Menzel war die realitätsgetreue Darstellung auch kleinster Details ein wichtiges Anliegen. Darüber hinaus weist aber besonders das Werk seiner reiferen Jahre eine Reihe von charakteristischen Stilmerkmalen auf. Vielleicht war Menzels Streben nach größtmöglicher Wirklichkeitstreue ein Grund für die Detailfülle, die viele vor allem seiner späteren Bilder auszeichnet: Pariser Wochentag (1869), Piazza d’Erbe in Verona (1882–1884), Brunnenpromenade in Kissingen (1890), Frühstücksbuffet der Feinbäckerei in Kissingen (1893). Jedoch verbindet in diesen Bildern die verwirrende Menge der Personen und der Einzelheiten sich nicht zu einem harmonischen Ganzen; jedes Element bleibt autonom, wodurch der Eindruck des Chaotischen ebenso erzeugt wird wie der der Isolation und der in verschiedenste Richtungen strebenden Dynamik. Auch weisen die Bilder kein Zentrum auf, das den Blick und die Aufmerksamkeit des Betrachters festhalten könnte. Diese Malweise zeigt die „Unmöglichkeit, die Welt als harmonische Einheit zu erfassen“. Der Eindruck der Isolation wird verstärkt dadurch, dass die Personen auf diesen Bildern meist nicht nur in keiner kompositorischen, sondern auch in keiner Handlungsbeziehung zueinander stehen: Sie blicken aneinander vorbei, kein Gespräch findet statt, jeder ist mit seinen eigenen Dingen beschäftigt.

Darüber hinaus wählte Adolph Menzel gern Bildausschnitte, die wie zufällig wirken und dadurch an die Schnappschüsse eines Fotografen erinnern, in Wirklichkeit aber sorgfältig arrangiert sind. Auf diesen Bildern werden Gegenstände und Menschen manchmal fast gewaltsam von den Bildrändern abgeschnitten. Ein Beispiel ist die Brunnenpromenade in Kissingen: Das Gemälde zeigt im Vordergrund eine Hand, die einen an der Leine ziehenden Hund hält; der dazugehörige Arm aber und der Rest der Person sind dem Bildrand zum Opfer gefallen.

Beim Impressionismus ist ein Mangel an klaren, fest umgriffenen Formen zu beobachten. Die Umrissformen der Objekte werden gezielt verwischt. Die Künstler stellten erstmals Farbigkeit von Schatten heraus. Es wurden ungebrochene Primär- und Sekundärfarben verwendet und auf der Leinwand gemischt, um der Helligkeit natürlicher Beleuchtung nahe zu kommen. Die Primärfarben Rot, Gelb und Blau sowie deren Komplementärfarben Grün, Lila und Orange wurden mit kurzen Pinselstrichen nebeneinander gesetzt. Somit entsteht erst bei angemessener Betrachtungsentfernung ein Bildeindruck. Der Impressionismus erforderte auch Schnelligkeit, die die Absicht des Festhaltens momentaner Eindrücke verlangte. Somit bevorzugten die Impressionisten die Technik der Skizze. Die Perspektivenwirkung fiel weg und die Flächigkeit wurde betont. Die Impressionisten stellten den augenblicksgebundenen natürlichen Eindrucks eines Objektes dar. Milchfarben und lichte Töne wurden verwendet; dadurch entstand ein sinnlicher Eindruck. Der fragmentierte Pinselstrich war jedoch wesentlich mehr als ein bloßes Mittel zum schnelleren Malen. Durch geschicktes Ausnutzen von Kontrasten und Komplementärfarben gelang es den Impressionisten, mit dieser Technik die Leuchtkraft und Farbintensität ihrer Bilder ganz wesentlich zu steigern. Indem sie so ihre Aufmerksamkeit dem Licht und der Farbe selbst mit ihren gesetzmäßigen Wirkungen widmeten und nicht mehr dem Motiv, schufen sie eine bis dahin unerhört helle, lichtdurchflutete Malerei, die im völligen Gegensatz zur dunklen, von Schwarztönen dominierten akademischen Malweise stand.

Im Zusammenhang mit dem Malen in freier Natur steht auch die Prima-Malerei , deren Signifikanz darin bestand, das Werk in einem Arbeitsgang zu vollenden. Wurden die Gemälde normalerweise grundiert und exakt vorgezeichnet, änderte sich diese Vorgehensweise nun grundlegend. Die neue Maxime hieß, das Gemälde in einem Zug und mit der endgültigen Fassung auf die noch weiße Leinwand zu bringen. Auch diese Vorgehensweise unterliegt dem Grundsatz des Impressionismus, den Augenblick festzuhalten, den bestimmten Moment, der von der Natur mit allen ihren Farben und Formen wahrgenommen wird. Um diesen einzigartigen Augenblick so auf das Papier bringen zu können, wie er sich dem Betrachter in diesem Moment darstellt, sollte eine Vorzeichnung oder Überarbeitung eigentlich hinfällig machen. Dennoch kam es trotz aller Bemühungen nicht selten dazu, dass der Arbeitsgang unterbrochen werden musste und das Werk korrigiert wurde.

Eine weitere Eigenschaft des Impressionismus ist die charakteristische flüchtige Zeichentechnik, die Spontaneität und Unmittelbarkeit zum Ausdruck bringt. Da die Motive in der freien Natur ständigen Änderungen der Licht- und Schattenverhältnisse und verschiedenen Bewegungen, beispielsweise durch den Wind, unterworfen sind, sollte nur der flüchtige und transitive Augenblick festgehalten werden. Um diesen Eindruck der Unmittelbarkeit wiedergeben zu können, war eine „artistische Maltechnik“ nötig, denn nur durch jahrelanges Training konnte es gelingen, die Malzeit so zu verkürzen, dass man auch mit flüchtigen Phänomenen, wie beispielsweise dem von den Tageszeiten abhängigen Lichteinfall, mithalten konnte . So kristallisierte sich die Stricheltechnik heraus, die geprägt ist von spezifische Pinselstriche- oder Punkte, die einzelne optische Eindrücke wiedergeben. Auch die Nuancierung der Farben spielt hier eine große Rolle: die Farben werden nicht, wie es sonst in der Malerei üblich ist, mit weiß oder schwarz gemischt, sondern ihnen wird eine individuelle Note verliehen, um so das Bild in der Gesamtheit zu schaffen. Eine harmonische Synthese des Gemäldes kann deshalb nur gelingen, wenn die minimalistisch aufgetragenen einzelnen Nachbarfarben zusammen in Einklang gebracht werden können.

Eugène Delacroix zählt in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts neben Louis André Théodore Gericault zu den führenden Vertretern einer neuen künstlerischen Strömung, die als „Romantische Schule“ in Frankreich bekannt wird. Delacroix entwickelt zum wichtigsten geistigen Wegbereiter des Impressionismus in Frankreich. Der sterbende Mensch und das Erlöschen des Lebens bilden Delacroix` Grundthematik in seiner existentiellen künstlerischen Auseinandersetzung in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. Im Bild „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 thematisiert Delacroix explizit Zerstörung und Tod mit einhergehender Trauer und schmerzhaftem Leid inmitten eines Kriegsschauplatzes. Hier reiht sich das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ ein. Dargestelltes wird zum psychologischen Spiegelbild des Malers und des Betrachters.

Das Gemälde „La mort de Sardanapale“ des französischen Malers Eugène Delacroix zählt zu den brisantesten Bildern der Kunstgeschichte. Es entsteht 1827 in Frankreich an der Schwelle zwischen Klassizismus und Romantik. „Der Tod des Sardanapal“ bezieht sich auf Byrons Drama „Sardanapalus“ aus dem Jahr 1821 und zeigt das Ende des assyrischen Herrschers Sardanapal dessen Palast von Aufständischen belagert wird. In seiner Erwartung der bevorstehenden eigenen Ermordung durch die Eindringlinge lässt Sardanapal alle seine Reichtümer zerstören und seine Frauen umbringen.

Das großformatige Gemälde fügt sich in den Kontext einer sich herausbildenden romantischen Schule Frankreichs, bei der die subjektiven psychischen Zustände des Künstlers in sinnbildlichen Aspekten wie Hölle, Nacht und Traum zum Anlass und zum Thema künstlerischer Auseinandersetzung werden um dabei den idealisierten Helden aus dem formalen und inhaltlichen Bildzentrum zu vertreiben. Das Bild benennt die Geburtsstunde einer Malerei, bei der die Farbe selbst konkreter wird und zum Bildausdruck bzw. Bildinhalt heranwächst. Der klassizistische, plastisch theatralische Bildraum und seine illustrative Gegenständlichkeit werden im Werk von Eugène Delacroix in radikaler Weise zu Gunsten der bevorzugten Rangstellung der Farbe zerstört. Die Bilder „Dante-Barke“ von 1822 und das „Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 gehen dem Bild „Der Tod des Sardanapal“ voraus. Parallel dazu entstehen Delacroix` „Faust Illustrationen“ in den Jahren 1824 bis 1827. Etwas später malt er „Die Freiheit führt das Volk“.

Nachdem „Der Tod des Sardanapal“ 1827 im Salon auf großes Entsetzen und kollektive Ablehnung stößt, wird das Bild erst wieder 1862 ausgestellt und schließlich 1921 vom Louvre in Paris angekauft, wo es heute zu sehen ist. Im Bild „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 thematisiert Delacroix explizit Zerstörung und Tod mit einhergehender Trauer und schmerzhaftem Leid inmitten eines Kriegsschauplatzes. Hier reiht sich das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ ein. Dargestelltes wird zum psychologischen Spiegelbild des Malers und des Betrachters.

Delacroix sucht nach den verborgenen, dunklen Seiten des eigenen Ichs und der Seele des Körpers. Er untersucht eine schwarze Welt und die Verstrickungen der eigenen Psyche mit allen Widersprüchlichkeiten wie Erotik und Schmerz, Macht und Hingabe, Lust und Leid, Leben und Tod. Die eigene Psyche treibt den Maler Delacroix zum künstlerischen Umgang mit Farbe. Subjektive Betrachtungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Erotik zeigen, dass es im „Tod des Sardanapal“ darum geht, die eigenen Begierden, die eigene Lust im Bild zuzulassen und sie als Antrieb und Thema künstlerischer Arbeit zu akzeptieren.

In dunkel anmutenden Sinnbildern von Hölle, Nacht und Traum entwickelt Delacroix im „Tod des Sardanapal“ vor einem „Schwarzthema“ leuchtende Farben, indem er sie aus dem Dunkel des Hintergrundes, wie aus dem Nichts, malerisch über Grauabstufungen nach vorn heraus treten lässt. Es entfalten sich intensive aufregende Farbwelten durch das kontrastreiche Gegenüber von Licht und Dunkel, in der Entsprechung von Leben zu Tod und anderen Gegensätzlichkeiten unterbewusster Ängste die interpretiert werden können. Die Farbe wird dabei zum eigentlichen Argument des Bildes. „Der Tod des Sardanapal“ setzt sich in diesem Aspekt eindringlich von dem etwas früher entstandenen Gemälde „Das Floß der Medusa“[4] von Jean Louis André Théodore Gericault aus den Jahren 1818 und 1819 ab, da es die dreidimensionale Illusion des Gegenstandes innerhalb eines plastisch angelegten Tiefenraumes negiert um zu einem malerischen Bildraum in der Fläche vorzudringen, also die konkret gemalte Farbigkeit an der Oberfläche und ihre innewohnende Dramaturgie, aufzuzeigen.

Eugène Delacroix selbst verwendet die Metapher des „Massakers“. Er nimmt Bezug zu seinem früheren Gemälde „Das Massaker von Chios“ und bezeichnet das Bild „Der Tod des Sardanapal“ als sein „Massaker Nr.2“. Zunächst benutzt er diese Metapher angesichts der extrem negativen Aufnahme des Bildes beim Publikum während der Ausstellung im Salon von 1827, um seinen Selbstzweifel zu benennen. Die öffentliche Meinung spricht vom „Ende alles Romantischen“. Darüber hinaus ist das „Massaker“ in erster Linie ein von Delacroix bewusst verwendetes künstlerisches Mittel um der angestrebten Zerstörung einer veralteten Kunstauffassung Ausdruck zu verleihen. Strenge klassizistische Kompositionsprinzipien innerhalb etablierter, idealisierter Heldenbilder haben kein Potenzial weil sie artig und nicht brisant genug sind. Nur durch deren Überwindung können neue gestalterische Wege gefunden und mit modernen inhaltlichen Problematiken verknüpft werden.

Delacroix hinterfragt andere zeitgenössische künstlerische Standpunkte seiner Zeit radikal. Er entwirft psychologisch komplexe Gestalten in denen die dunkle Seite dominiert und benutzt keine vorgefundenen, gesellschaftlich sanktionierten Vorbilder oder Idealgestalten: Der Held weicht in den Hintergrund. Delacroix deckt neue Ausdrucksformen auf um letztlich individuelle Konfliktpotenziale mit gesellschaftlichen Spannungspotenzialen zu vereinen. Gegensätzlichkeiten werden jetzt zum Bildthema.

Das Gemälde schwankt zwischen erotisch-intimen Aspekten und der Darstellung eines historischen Ereignisses, der Belagerung des Palastes des Sardanapal, hin und her. Der Schrecken einer Untergangsstimmung und die Schönheit des Rausches einer nächtlichen Orgie begegnen sich in zwiespältig dramatischer Gegensätzlichkeit im Bild. Eine gewalttätige Szenerie mit dem Ineinander von Erotik und Gewalt löst ein bildzentrales Chaos aus. Hingabe und Zerstörung bestimmen das monumentale Gemälde. Hier wird das Motiv des Orients benutzt, weil freie Erotik und Sexualität in einer Kanalisierung von familiärer Ehe, unter dem Druck der Moralvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft, nicht möglich sind. Der Orientalismus ermöglicht hier ein gemeinschaftlich akzeptiertes Spiegelbild der westlich-europäischen Gesellschaft zu gestalten, weil der Orient als etwas Fremdes angesehen werden kann.

Am 29.4.1874 schrieb der Kunstkritiker Jules Castanary in der Zeitung Le Siecle folgendes: „Sie sind Impressionisten in dem Sinn, daß sie nicht eine Landschaft wiedergeben, sondern die von ihr hervorgerufenen Sinneswahrnehmung.“ Dabei bezog er sich auf eine Ausstellung der Künstler Camille Pissarro, Claude Monet, Alfred Sisley, Auguste Renoir und Berthe Morisot. Erst zwei Jahre zuvor hatte Monet der künstlerischen Richtung zu ihrem Namen verholfen. Auf einer Ausstellung nach dem Titel eines Werkes gefragt, das eine Hafenansicht im Nebel zeigte, antwortete der Maler, es handele sich einfach um eine Impression, einen Sinneseindruck.

Nicht nur an dem einfachen Motiv, auch an der Technik und insbesondere an der Skizzenhaftigkeit des Werkes störten sich Publikum und Kunstkritiker. Zusammen mit diesem Bild stellte Monet im Jahre 1874 den Boulevard des Capucines aus, von dem zwei Fassungen existieren. Mit einzelnen Pinselstrichen sind Häuser, Bäume und Menschen wiedergegeben. Eine eindeutige Perspektive ist nicht erkennbar, ebenso wenig sind die dargestellten Figuren durch Konturen abgegrenzt. Zwei Herren mit Zylinder, die auf einem Balkon stehen, verschwinden größtenteils am rechten Bildrand. Formen und Bildraum lösen sich nur durch farbliche Kontraste aus der Fläche. Monets Anliegen war es dabei, den flüchtigen Eindruck des Lichtes und das Farbenspiel in der Natur zu einer bestimmten Tageszeit wiederzugeben. In kurzen Pinselzügen trug er reine, ungemischte Farbe auf die Leinwand auf. Dabei griff er zurück auf wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen der Beobachter in der freien Natur weniger eine einzelne Gegenstandsfarbe ausmacht als ein Gemisch von Farbtönen, die sich erst im Auge zu Flächen formen.

In skizzenhafter Malweise die Stimmung eines kurzen Moments zu zeigen, was allerdings nicht nur Monets Anliegen. Schon Mitte der 1860er Jahre malten Frédéric Bazille, Auguste Renoir und Alfred Sisley zusammen mit Monet im Wald von Fontainebleau Landschaften, in denen sie den Wechsel des Lichts festhielten. Die Aufwertung der Landschaftsmalerei trug dazu bei, dass sich das Malen in freier Natur größerer Beliebtheit erfreute. Monet zeigte in seinen Bilderserien auch die verschiedenen Stimmungen, die durch die Brechungen des Lichts entstanden. Seine gewählten Motive waren vielfältig: die Kathedrale von Rouen, Seerosen oder ein einfacher Heuschober. Einige Bilder von Monets Künstlerkollegen zeigen ihn beim Malen in der freien Natur, etwa in seinem Garten in Giverny, wo auch die Seerosen-Bilder entstanden.

Die impressionistischen Künstler haben aber nicht ausschließlich unter freiem Himmel gemalt. Diese Möglichkeit der Ölmalerei unter freiem Himmel bot sich überhaupt erst durch eine technische Neuerung: Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten die Künstler Ölfarben in Tuben kaufen und waren nicht mehr auf das aufwendige Mischen von Bindemitteln und Pigmenten angewiesen.

Für die Impressionisten war jede Veränderung der Lichtstimmung von Bedeutung, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Wetterlage ergaben jeweils neue Ansichten desselben Motivs und deren Wiedergabe war vor allem eine Frage der Farben. 1890/91 entstand eine Serie mit einem im ländlichen Gebiet alltäglichen Motiv, dem aufgetürmten Heu auf den Wiesen. In Claude Monets Gemälde Heuhaufen im Spätsommer herrscht ein goldgelben Grundton mit bläulichem Schatten vor. In seinem anderen Werk Verschneite Heuhufen im Winter verwendet er kalte Farbtöne, doch auch der von der blassen Wintersonne beleuchtete Schnee hat blaue Schatten.

Die Metropole Paris übte auch eine große Faszination für die Künstler des Impressionismus aus und bot ihnen zugleich unzählige Motive und Studienobjekte. Auguste Renoir liebte es, gesellschaftliche Anlässe wie Ballabende und Volksfeste darzustellen, während das Treiben auf den Straßen und Boulevards, flanierende Menschen und Passanten sowie die Lichter der Großstadt, das Thema zahlreicher Studien Camille Pissarros wie in dem Bild Boulevard Montmartre bei Nacht aus dem Jahre 1897 war.

Die Seine-Landschaft mit ihrem langen und gewundenen Flussverlauf, bot den impressionistischen Künstlern die Möglichkeit, das Spiel der Farben und die Reflexe des Wassers in allen Variationen zu studieren. Monet mal 1869 das Gemälde La Grenouillere, das dafür als Beispiel dienen kann. Die Pariser Bevölkerung liebte es, die Sonntage im Freien zu verbringen, in öffentlichen Parks und Gärten oder bei den zu jener Zeit sehr beliebten Regatten. Die impressionistischen Maler bannten einfach das auf die Leinwand, was sie sahen. Sie fanden bei diesen Anlässen unzählige Motive und Sujets für ihre Bilder.

Das Interesse der Impressionisten galt neben dem Licht, der Landschaft und der Atmosphäre auch den Szenen aus dem Alltag und den diversen Vergnügen im gesellschaftlichen Leben. Edgar Degas bevorzugte in seinen Werken als Hauptmotiv die menschliche Figur in Bewegung und stellte sie vor allem in Innenräumen dar. Das klassische Ballett erfreute sich auch in Paris zu jener Zeit großer Beliebtheit. Degas malte daher unzählige Schülerinnen in duftigen weißen Kostümen auf der Bühne oder während des Tanzunterrichtes. Das Werk Tanzstunde aus dem Jahre 1879 gibt dies beeindruckend wieder. Eine weitere Leidenschaft der Pariser Bevölkerung war der Gesellschaftstanz. Ballabende und Volksfeste verzeichneten einen unerwartet großen Zulauf. Sie sind das Thema dreier großer Gemälde von Renoir, wo glückliche und heitere Menschen dargestellt werden.

Von seinem Boot aus malte Monet bevorzugt Flusslandschaften, die er dann nachher häufig in seinem Atelier überarbeitete. Der Pariser Maler Edouard Manet hielt im Jahre 1874 Monet mit Camille in seinem Atelier-Boot auf Leinwand fest. Der junge Maler wurde von berühmten Künstlern wie Franz Hals, Diego Velázquez, Tizian, Tintoretto, Goya und Delacroix beeinflusst. Dieser Bann macht sich in seinen Werken motivisch und maltechnisch bemerkbar. Er kopierte diese Gemälde meist aus dem Louvre oder auf ausgedehnten Auslandsreisen nach Deutschland, Österreich, Italien, Niederlande und Spanien. 1856 bezieht Manet mit einem Freund sein erstes Atelier in Paris. Er malte Genrebilder, auf denen er das Alltagsleben der armen Menschen darstellte. Aber in dieser Zeit entstanden auch Kaffeehausszenen und Stierkampfszenen. 1859 versucht er das erste Mal im Salon auszustellen, doch Manets Bilder werden abgelehnt, weil seine Bilder zu realistisch sind, wie zum Beispiel „Der Absinthtrinker“. 1860 richtet er sich ein neues Atelier ein und bezieht gemeinsam mit seiner Frau Suzanne und seinem Sohn eine Wohnung. 1861 wird das erste Bild von Manet im Pariser Salon ausgestellt. Mit einer Auszeichnung für das Bild "Gitarrenspiel", bekam er die ersehnte Bestätigung als Künstler. Ein Jahr darauf stirbt sein Vater und Manet wird durch sein Erbe reich. 1863 wollte der Künstler wieder im Salon ausstellen und stößt wiederum auf Ablehnung.

Daraufhin werden seine Bilder im Salon des Refusés ausgestellt, wo abgewiesene Maler ihre Kunstwerke präsentieren können. Das Gemälde „Frühstück im Grünen“ (1861) verursacht einen großen Skandal und Entrüstung. 1865 stellt Manet weitere Bilder aus, unter ihnen lösen seine Gemälde die "Verspottung Christi" und die "Olympia" erneut Empörung aus. Im gleichen Jahr reiste Manet nach Spanien. Außerdem besucht er das Café Guerbois, wo er sich mit jungen Pariser Malern trifft, wie zum Beispiel Nadar, De Nittis, Fantin-Latour, Bazille, Degas, und Monet. 1867 wird Manet von der Pariser Weltausstellung ausgeschlossen und so macht er seine eigene Messe, aber nicht mit dem erhofften Erfolg. Seine Bilder anlässlich der Erschießung Kaiser Maximilians 1869 in Mexiko werden verboten.

Die Jahre darauf zeigt er einige Gemälde wie zum Beispiel das „Porträt Zolas“ und „Frühstück im Atelier“ im Salon. 1870 geht Manet freiwillig zur Nationalgarde im Deutsch-Französischen Krieg. Manet verkauft Bilder und stellt im Salon aus, mit einigen Gemälden hat er große Erfolge. Durch die Beeinflussung von Claude Monet beschäftigte sich Manet mit der Freiluftmalerei. Er holte sich Anregungen für Lichteffekte und Farbkombinationen. Die Konsequenz daraus war, dass er eine freundlichere, lockere und sanftere Pinselführung entwickelte. Seine Farbpalette hellte sich auf und seine Themen wandelten sich von Landschaften, Alltagsszenen bis hin zum Stillleben. Er verstand es eine große Farbfläche aufzulösen und somit die Zweidimensionalität zu unterstreichen. Manet löste sich in seinen Bildern von dem perspektivischen und leitete somit ein Teil der modernen Kunst ein. Er wird auch als Bahnbrecher des Impressionismus genannt. Manet selbst bezeichnete sich nie als Impressionist und hatte sich den jungen Künstlern nur freundschaftlich angeschlossen. Er lehnt sogar eine Teilnahme an der ersten Gruppenausstellung seiner Freunde ab. Aber für die jungen Maler war Manet ein Vorbild und so hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung des Impressionismus.

1876 gibt es erste Anzeichen einer Rückenmarksschwindsucht, welche als solche nicht erkannt wird. Trotz seiner Erfolge in den vergangenen Jahren, werden 1877 einige Kunstwerke immer noch zurückgewiesen und nicht zur Ausstellung zugelassen, wie zum Beispiel der „Nana“. So bleibt Manet stets umstritten. Doch die Weltausstellung 1878 in Paris und auch Jahre später in New York und Boston sind große Erfolge gewesen. Er bekommt auf einige Bilder Medaillen und wird zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Seine Krankheit zwang ihn auf das Malen im Freien zu verzichten. Manet beschäftigte sich also mit der Pastell-Technik und der Miniaturmalerei, welche ihm noch ermöglichten weiter zu malen. Damals entstanden sehr viele Porträts, die in der Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen wurden sind. Außerdem entstanden emotionale und empfindsame Gemälde, wie zum Beispiel die „Blonde Frau mit entblößten Brüsten“ (1878).

Manet malte im Sommer 1874 zusammen mit Monet und Renoir im südlich von Paris gelegenen Argenteuil. Unter dem Einfluss von Monet nahm Manet die impressionistische Malweise auf. Er verzichtete auf eine Modellierung seiner Figuren mit Licht und Schatten und wandte sich starken Farbkontrasten zu Auch der Maler vor seiner Leinwand ist nur durch die hellen Farben seiner Kleidung abgegrenzt. Die Darstellung von Figuren im Freien erforderte eine schnelle Arbeitsweise, da sich die Lichtverhältnisse im Gegensatz zum Atelier rasch veränderten. Der Fluss zum Beispiel ist in Manets Arbeiten mit breiten Pinselstrichen in Blau, Weiß- und Gelbtönen zusammengesetzt, die die Brechung des Lichts dann wiedergeben. Manets Herkunft aus dem französischen Großbürgertum gestattete ihm größere Freiheiten. Er nahm an keiner der insgesamt acht Impressionistenausstellungen zwischen 1874 und 1886 teil, reichte ganz im Gegenteil viele seiner Bilder zu den Salonausstellungen ein. Sein Bild von Monet im Atelier-Boot stellte einen Wendepunkt in seinem Schaffen dar, denn seit dieser Zeit malte Manet auch oft in freier Natur.

Der Versuch, das künstlerisch wiederzugeben, was man sieht, nicht das, was man weiß, erstreckte sich nicht nur auf die freie Natur: Paris mit seinen Boulevards und Plätzen, Cafés und Varietés voller Menschen, mit Parks, Bahnhöfen oder Pferderennbahnen bot ebenso zahlreiche Motive. Auch die Wiedergabe von Bewegung faszinierte viele Impressionisten, nicht nur in Frankreich. In den deutschen Kunstzentren Berlin und München malten Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth im impressionistischen Stil.

Die deutsche Variante des Impressionismus fand ihren geistig - künstlerischen Höhepunkt in den 1890er Jahren, also 20 Jahre später als in Frankreich, doch lassen sich die Folgeerscheinungen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs beobachten. Anders als der französische Impressionismus, der sich bei erster Betrachtung als eine weitgehend homogene, auf Paris und dessen Umgebung konzentrierte künstlerische Bewegung darstellt, ist der deutsche Impressionismus stärker an einzelne Künstlerpersönlichkeiten gebunden. „In Deutschland gab es durch das Gefüge zahlreicher Einzelstaaten keinen Zentralismus, die Akademien waren der Verfügungsgewalt und damit auch dem Geschmacksurteil des jeweiligen Regenten unterstellt. Im Zuge der deutschen Reichsgründung 1871 und der Ernennung von Berlin zur Reichshauptstadt bildete sich dort in den 1890er Jahren ein neues kulturelles Zentrum heraus, das der alten Hauptstadt der Kunst, München, den Rang abzulaufen begann.“

Lange Zeit standen die Impressionisten wegen ihrer neuen Malweise in der Kritik der Öffentlichkeit. Der Kunstkritiker Louis Leroy spottete 1877, die Bilder der Impressionisten bestünden aus Vanille-, Johannisbeer- und Pistazieneis und seien sogar essbar. In den 1880er Jahren trat jedoch ein Wandel im Kunstgeschmack und in der Beurteilung des impressionistischen Malstils auf. Die Bilder und die Künstler selbst wurden in der Öffentlichkeit weitaus positiver bewertet.

Neben der Begeisterung für die Landschaftsmalerei teilten viele Impressionisten auch das Interesse für den japanischen Farbholzschnitt. Werke von japanischen Künstlern, allen voran von Katsushika Hukusai, gelangten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst als Verpackungspapier für asiatische Waren nach Europa. Nachdem japanische Grafiken und Kunstgewerbe auf der Weltausstellung 1867 zu sehen waren, setzte eine Asienmode ein, geteilt von Galeristen und Sammlern. Künstler wie Hukusai führten große Farbflächen mit kräftigen Konturen ein, verzichteten dabei auf Modellierung und Schatten und wählten aus europäischer Sicht gesehen unkonventionelle Kompositionen. Justus Brinkmann, Mitbegründer des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe beschrieb im Jahre 1889 die Rolle der japanischen Kunst folgendermaßen: „Drohte dem Abendlande in Folge des Raubbaus, welchen es mit zunehmender Hast auf seinem kunstgewerblichen Acker betrieb, eine Auszehrung seines historischen Nährbodens, so öffnete sich ihm durch die japanische Kunst ein Blick in eine neue Welt, welche noch nicht verlernt hatte, aus dem ewigen Jungbrunnen aller Kunst, der Natur zu schöpfen.“

Holzschnitte, illustrierte Bücher und bemalte Fächer fanden zum einen als Motive Eingang in die Bilder der Impressionisten und der Künstler des Jugendstils. Zum anderen inspirierten die kompositionellen Unterschiede zur europäischen Malerei viele Künstler. Zu Hukusais Serie 36 Ansichten des Berges Fuji aus den Jahren 1829-1833 gehörte der Holzschnitt Auf einem Tempelbalkon. Der den Japanern heilige Berg Fuji ist in den Hintergrund gerückt. Alle Bildelemente sind in der Fläche verankert, ohne perspektivische Darstellung auf ein Bildzentrum hin. Damit waren die meisten Traditionen der europäischen akademischen Malerei außer Kraft gesetzt worden. Edgar Degas, der für seine Bilder von Tänzerinnen berühmt wurde, begeisterte sich für die japanischen Farbholzschnitte. Seine ausgefallenen Perspektiven und von den Bildrändern überschnittenen Figuren belegen den Einfluss der japanischen Kunst ebenso wie der Fotografie mit ihrem Schnappschusseffekt. Auch Vincent van Gogh war ein großer Sammler japanischer Holzschnitte.

Den impressionistischen Künstlern und ihrer Auseinandersetzung mit Licht und Farbe folgend, experimentierten viele Maler im ausgehenden 19. Jahrhundert mit neuen Möglichkeiten der Darstellung. Vincent van Gogh malte nach vielen gescheiterten Berufsplänen zunächst in düsteren Farben seine holländische Heimat. Als er Mitte der 1880er Jahre in Paris bei seinem Bruder Theo, einem Kunsthändler, eintraf, lernte er viele der dort ansässigen Impressionisten kennen, darunter Paul Signac, Alfred Sisley und Camille Pissarro. Ihre Werke beeinflussten seine Malweise und Farbwahl. Auch van Gogh wendete sich der skizzenhaften Wiedergabe mit kurzen Pinselstrichen zu und tauschte die Erdfarben gegen kräftige, kontrastreiche Töne. Insbesondere in seiner Farbwahl war der Künstler von japanischen Holzschnitten, wie oben bereits erwähnt, beeinflusst, die sich auch als Motive in vielen seiner Werke finden lassen. Die Montmartre-Gegend ließ van Gogh dann hinter sich und zog nach Arles in Südfrankreich. In Arles in Südfrankreich malte und zeichnete er die Obstgärten, Felder, Sonnenblumen und Weingärten, aber auch Portraits der einheimischen Bevölkerung. Das Ölbild Die Ebene von Auvers stammte aus seinem letzten Lebensjahr. Aus Wirbeln blauer und weißer Farbe ballen sich am Himmel Wolken zusammen. In breiten senkrechten Strichen ist das Feld wiedergegeben. Van Goghs späte Werke, in denen er reine Farben gleich aus der Tube an die Leinwand setzte, wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Künstlern des Expressionismus begeistert aufgenommen.

Ebenso wenig wie van Gogh ging es Paul Cézanne um Naturnachahmung und korrekte Zeichnung. Wie van Gogh kehrte auch Cézanne der Stadt den Rücken und zog sich immer wieder in die ländliche Abgeschiedenheit zurück.

Paul Cézannes künstlerischen Ambitionen zeigten sich bereits während seiner Schulzeit: Mit fünfzehn Jahren nahm er Unterricht bei Professor Gibert an der Freien Städtischen Zeichenschule in Aix und 1857 schrieb er sich offiziell dort ein. Auf Wunsch seines Vaters, der ihn gerne als seinen Nachfolger in dem Bankhaus gesehen hätte, immatrikulierte sich Paul Cézanne nach dem Abitur im Jahre 1858 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Aix. Im Dezember 1859 fasste er jedoch den endgültigen Entschluss, Maler zu werden, was durch seine Briefe aus dieser Zeit an Émile Zola dokumentiert ist. Im April 1861 willigte Louis-Auguste Cézanne schließlich in die Pläne seines Sohnes ein, womit der künstlerischen Ausbildung in Paris nichts mehr im Wege stand.

Der erste Aufenthalt in der französischen Hauptstadt, vornehmlich durch intensive Studien an der Académie Suisse geprägt - einer liberalen Schule, die das Arbeiten nach lebenden Modellen bot -, erwies sich jedoch schon bald als ein Fiasko: Cézanne litt unter der prekären Finanzsituation und wurde von starken Zweifeln hinsichtlich seines künstlerischen Talents heimgesucht, was nicht zuletzt auf die Ablehnung durch die École des Beaux-Arts zurückzuführen ist. Also kehrte Cézanne im September 1861 nach Aix zurück um im Bankhaus seines Vaters eine Stelle anzutreten. Dieser Entschluss war jedoch nicht von Dauer, denn im November 1862 machte er sich erneut nach Paris auf um seine künstlerische Ausbildung fortzusetzen.

Dort arbeitete er wieder an der Académie Suisse, wo er ein Jahr zuvor Camille Pissarro kennen gelernt hatte und reichte mit einer ambitionierten Beharrlichkeit Jahr für Jahr Gemälde für den Salon ein - allerdings ohne Erfolg. Die Begegnung mit dem neun Jahre älteren Pissarro sollte, wie sich später zeigen wird, eine fundamentale Bedeutung für Cézannes künstlerische Entwicklung haben.

Cezannes Persönlichkeit war unberechenbar: Er war einerseits schüchtern und zurückhaltend, andererseits aber auch rechthaberisch und kompromisslos und stand fast sein ganzes Leben unter dem Einfluss eines despotischen Vaters. Schon mit Anfang Zwanzig galt Cézanne bei den wenigen Leuten, die ihn überhaupt kannten, als ein hoffnungsloser Exzentiker mit einer nahezu pathologischen Berührungsangst. Alle zeitgenössischen Charakterisierungen Cézannes lassen jedoch vermuten, dass der Künstler unter einem enormen psychischen Druck stand, den er mühsam zu kontrollieren suchte. Seine Gemälde aus den sechziger und frühen siebziger Jahren machen diesen inneren Aufruhr anschaulich: Sie handeln von Tod, Vergewaltigung und Orgien.

Die von Cézanne gezeichnete Viktoria-Gestalt kann als die Abstraktion der bildwirksamen Kräfte in eine Gestalt verstanden werden. Als die Zusam­menfassung dieser Kräfte kann sie jedoch nicht unabhängig vom „archi­tektonisch-dekorativen System“ bestehen. Cézanne nun formt sie dergestalt um, dass sie alleine bestehen kann, löst sie aus dem „dekorativen“ Zusam­menhang, erhält aber das „Prinzip der festen achsial betonten architektonischen Struktur, das in Rubens‘ Bildern den symbolischen Gestalten aus ihrem Bild­zusam­menhang her die Monumentalität gibt.“[12] Die Zeichnung ist für Cézanne also eine Form der Auseinandersetzung, in der für ihn bildnerische Mittel wie das „Prinzip der festen achsial betonten architektonischen Struktur“, das einen Gegenpol zum Impressionismus darstellt, gewonnen und weiter entwickelt werden können.

Der Provenzale beteiligte sich auch an den impressionistischen Ausstellungen 1874 und 1877 beteiligt. Seine Beschäftigung mit der Wiedergabe von Licht und Form führte ihn jedoch zu ganz anderen Ergebnissen. Die Vorstellung, ein gemaltes Bild müsse die Dreidimensionalität der Wirklichkeit nachahmen, behielt Cézanne nicht lange bei. Er setzte sich vielmehr damit auseinander, die Wirklichkeit in die zwei Dimensionen der Leinwand zu übertragen.

Über Jahre beschäftigte er sich in rund 60 Gemälden, Zeichnungen und Aquarellen mit der Wiedergabe eines Bergs seiner Heimat, des Mont Sainte-Victoire. Das kleinförmige Ölbild aus den Jahren 1898-1900 lässt seine Herangehensweise erkennen. Auf perspektivisch wie zeichnerisch korrekte Wiedergabe verzichtet Cézanne, ebenso auf scharfe Konturen. Formen entstehen aus unterschiedlichen Richtungen der Pinselstriche, zu erkennen etwa an den Bäumen im Bildvordergrund und aus den verschiedenen warmen und kalten Farbtönen. Die Flächen sind wiederum zu Gegenständen zusammengesetzt. Auch in Stillleben und Portraits erprobte Cézanne seine künstlerischen Vorstellungen. Seine methodischen Ansätze begeisterten viele nachfolgende Künstler. Cézannes Zerlegung der Bildgegenstände in Flächen sollte schließlich zur Stilrichtung des Kubismus führen und ihn den Titel „Vater der Moderne“ einbringen.

Einer der bekanntesten impressionistischen Maler war Auguste Renoir. Vor seiner Zeit an der École des Beaux-Arts arbeitet Renoir als Porzellanmaler in der Manufaktur Lévy und lernte dann bei dem Schweizer Maler Charles Gleyre. Zwei Jahre später, 1862, wird er dann an der École angenommen. Dort lernen er und seinen Mitschülern Paul Cézanne, Frédéric Bazille, Alfred Sisley und Edouard Monet die meiste Zeit allein, denn Gleyre ist bekennender Akademiker. Dennoch ist Gleyres Einfluss auf die Werke Renoirs deutlich zu spüren. Auch die Porzellanmalerei und seine spätere Tätigkeit als Dekorationsmaler in einer Stofffabrik haben Spuren hinterlassen. Als einer der wenigen verwendet er die aufwendige Technik des Lasierens, die von den alten Meister ebenfalls angewandt wurde.

Das 1868 im Salon angenommene Bild Lise mit Sonnenschirm ist in hell-dunklen Tonwerten gehalten, wie es im Klassizismus typisch war. Gleyre, ein bekennender Anhänger dieses Stils, hatte seinen Schülern durch eigene Werke und das Arbeiten am lebenden Modell diesen Weg gewiesen. Wie es in der etablierten Kunstszene üblich war, lernten sie den Stil alter Meister des 18. Jahrhunderts. Durch Gleyres weniges Eingreifen an der École entwickelten die Freunde im Atelier jedoch schnell eigene Stilrichtungen. Das an einigen Stellen fast zeichnerisch wirkende Bild der Lise weist bereits erste Tendenzen des Impressionismus auf, weshalb es in der Salonausstellung des gleichen Jahres nachdem es anfangs große Erfolge feiert, anschließend in der „Rumpelkammer“ landet. Das erste Bild im Freien Renoirs entspricht nicht der im Klassizismus zu findenden Faszination an römisch-griechischen Heroinen. Auch seine Diana aus dem Jahr 1867, die eher dem Sujet entspricht, fand bei der Jury keinen Anklang, obwohl das Thema der Antike aufgegriffen ist. Die Lise wirkt nicht unnahbar, mystisch, nicht überhöht. Das weiße Kleid ist um den Körper modelliert, lässt ihn weich wirken. Die Rottöne des Hintergrunds finden sich in dem Haarband und den Ohrringen wieder, die wiederum den Farbton der Lippen und des Gesichts verstärken. Die Lise wirkt eher wie ein nettes Mädchen von Nebenan, und ist keine Darstellung einer antiken Göttin. Tatsächlich deutet die bläuliche Farbgebung des Kleids auf die Malweise Manets hin, und der Bezug zum Naturalismus bei Courbet, von dem sich Renoir schon für die Diana inspirieren ließ, kann auch nicht bestritten werden. Renoir trifft Courbet, das Idol der Realisten, in Chailly und Ville-d‘Avray und lässt sich von dessen pastosen Farbauftrag inspirieren, welcher unter anderem in der Diana zu sehen ist. In demselben Bild vermischt Renoir die bei Courbet gefundene Technik mit dem Stil.

Renoir lernte Velazquez wohl im Museum kennen, in das die Kunstschüler oft gingen um Skizzen anzufertigen und die Arbeiten der alten Meister zu studieren. Wie Henri Fantin-Latour sagte: „Malen, das lernt man im Museum“. Die Einflüsse des Barock, des Klassizismus und der Romantik sind so natürlich in den frühen Werken Renoirs zu erwarten. Nach den missglückten Versuchen in den Salon aufgenommen zu werden, versucht die Gruppe um Renoir einen eigenen Salon für die Abgewiesenen zu erwirken. Anfangs scheitert ihr Vorhaben durch den Mangel an finanziellen Mitteln und es muss bis 1874 nur eine Idee in den Hinterköpfen bleiben. Die Gruppe übt nun im Freien. Im Sommer fahren sie nach Chailly im Wald von Fontainebleau wo sie auf die Dunkel-Maler treffen. Virgile Narcisse Diaz gibt Renoir den Rat nie ohne Modelle zu malen und auf den Lokalton zu verzichten. Außerdem rät er ihm seine Palette aufzuhellen. Obwohl er zwischendurch immer wieder Sujets der Antike malt, verbringt Renoir die meiste Zeit mit der neu entdeckten Pleinairmalerei, in der nun gänzlich in der Natur gemalt wurde, ohne das Gemälde im Atelier zu bearbeiten. Besonders deutlich wird dies in Renoirs Bild Der Spaziergang von 1870. Im Jahr 1868 wurde das Bild Lise mit Sonnenschirm im Salon den Aktualisten zugeordnet. Zola sagte, dass der „Künstler unwissentlich dem Druck des Milieus und der Umstände gehorcht“ und bezeichnete die neue Gruppe Maler als Naturalisten. Zolas Aussage ist mehr als wahr, denn in Der Spaziergang ist wieder der pastose Farbauftrag Courbets zu finden, nun jedoch im Stil der Impressionisten, den Cézanne, Monet, Sisley, Bazille und Renoir wohl gemeinsam über die Zeit hinweg entwickelten.

Edgar Degas, dessen Vorbilder Delacroix und Ingres waren, zu dessen Zeit der Impressionismus gerade aufkam und der Realismus die vorherrschende Stilrichtung darstellte, wurde von all dem beeinflußt und behielt doch seine eigene Art bei. Vielmehr entwickelte er sich über seine Vorgaben hinaus, da er eine eigene Bildkonzeption entwickelte und mit seinem Werk zu der Veränderung von Bildvorstellungen beitrug. In den verschiedenen Themen, welche er quasi serienmäßig fertigte, schuf Degas durch Farb- und Lichtwirkungen und vor allem durch ausschnitthaft gewählte Bildmotive eine ganz spezifische Komposition. Er wollte „alte Sehgewohnheiten, starre Kompositionsschemata und bildräumliche Konventionen“[1] nicht länger dulden, so daß er es vermochte, in seinen Werken „Flüchtigkeit und Konstruktion, Schein und Wahrheit, Fiktion und Desillusion ununterscheidbar werden“[2] zu lassen. Zu diesem Charakteristikum seiner Kunst gelangte er besonders in der Darstellung von Portraits, Pferde- und Jockeybildern, Opern- oder Cafémotiven, bei seinen Büglerinnen oder Modistinnen, beim Akt und vor allem bei den Werken die sich mit dem Ballett auseinandersetzen. Im Bereich der Malerei hat er sich auch mit Radierungen, Lithografien und Monotypien, sowie der Photographie und der Plastik auseinandergesetzt.

Des weiteren existieren besonders bei den Modistinnendarstellungen zahlreiche Pastelle von Degas, mit denen er sich in so fern beschäftigte, als er verschiedene Mischtechniken erprobte, um optimale Farbwirkungen zu erzielen. Nicht zu vergessen sind auch die Sonette, in denen er die Themen behandelt, die auch sein malerisches Werk kennzeichnen. Aufgrund dieser Ausmaße seines Werkes kann man von Degas behaupten, daß er ein sehr strebsamer Künstler war, wobei er zu diesem Ehrgeiz gelangte, indem er nicht nur „eigenwillig und unzufrieden“[3], sondern auch sein „unerbitterlichster Kritiker“[4] war. Seine Kunst wird durch Transitorik und außergewöhnliche Bildgrenzen bestimmt. Bezeichnend für sein Schaffen sind seine Ballettdarstellungen, die von diesen Elementen besonders erfüllt sind.

Dieses frühe Werk Degas´ La famile Bellelli , welches in den Jahren zwischen 1858 bis 1867 entstand, stellt nicht nur den Übergang von seinen Anfängen in der ihm eher mißglückten Historienmalerei zu seinem übrigen Werk, sondern auch ein Manifest seiner Kunst dar. In diesem 2,00 x 2,73m großen Familienbildnis lassen sich Degas´ künftige typische Darstellungsweisen erkennen, welche im Laufe dieser Arbeit herausgestellt werden. 1857 bis 1859 hielt sich Edgar Degas oft bei den Bellellis, welche seine nächsten Verwandten darstellten, auf, um dort anhand mehrerer Skizzen, kleiner Portraits und Zeichnungen sein abschließendes Werk vorzubereiten. Diese Vorgehensweise ist typisch für ihn, da er nie ein entgültiges Werk nach der Natur anfertigte. Ebenso charakteristisch für Degas ist die Tatsache, daß er nie Portraitaufträge annahm, geschweige denn unbekannte Menschen abbildete, da er das Wesen einer Person darzustellen gedachte, was aber ohne Kenntnis derer nicht möglich ist.

Daß er ein Familienportrait malen würde, entschied sich erst mit der Zeit, genauer gesagt um 1885. Zuvor dachte Degas daran, ein Doppelbildnis seiner beiden Cousinen Giovanna und Gulia zu fertigen, welche bei Fertigstellung des Bildes circa elf und acht Jahre alt waren. Dann erkannte er aber, daß es nicht möglich sein würde, die Unterschiede der beiden Schwestern angemessen zeigen zu können, wenn er sie nicht in ihrem familiären Umfeld zeigen würde, welches ebenfalls von unterschiedlichen Verhältnissen gekennzeichnet ist. Also entschied er, seine Tante, die Schwester seines Vaters, Laurette Bellelli und den Baron in die Portraitarbeiten aufzunehmen, die zum Zeitpunkt des entgültigen Gemäldes ungefähr 45 und 47 Jahre alt waren.

Nun galt es, entsprechende Skizzen anzufertigen, welche bei den Arbeiten im Atelier das große Familienportrait bilden sollen. Danach ging es als Geschenk für die Gastfreundschaft an die Bellellis, die es von Florenz aus mit in ihre Heimatstadt Neapel brachten. Nachdem der elterliche Haushalt aufgelöst wurde, bekam es Giulia, die es mit in ihr Haus nahm. Bei ihr fiel es eines Abends von der Wand, so daß es dabei von einer brennenden Petroleumlampe durchstoßen und angesenkt wurde. Edgar Degas nahm es nach einem Besuch zwischen 1898 und 1909 mit in sein Pariser Atelier, um es dort zu restaurieren und wo es nach seinem Tode gefunden wurde. Somit blieb es bis zu diesem Zeitpunkt ohne Bedeutung auf die Entwicklung der Kunst. Heute hängt das Öl auf Leinen Werk im Musée d´Orsay. Auf dem Bild erkennt man die Familie, die in ihrem Salon sitzend, bzw. stehend abgebildet ist. Insgesamt verhält sich der Aufbau des Werkes recht flächig, was bedeutet, daß es nur aus dem Vordergrund, in dem sich die Personen befinden und aus einem diesem sehr nahegelegenen Hintergrund besteht. Die Anordnung der Familie ist dabei so beschaffen, daß die Mutter am linken Bildrand aufrecht stehend ihre ältere Tochter an ihrer rechten Seite hält, die jüngere Tochter links von ihnen, also in der Mitte des Bildes auf einem Stuhl Platz genommen hat und der Vater am rechten Bildrand in einem Sessel sitzend dem Betrachter den Rücken zukehrt. Am rechten Bildrand erkennt man einen kleinen Hund, dessen Kopf sich aber jenseits des Bildrandes befindet. Das Interieur, welches den Hintergrund ausmacht, wird durch einen zentral gelegenen an der Wand stehenden Louis IX. Tisch, über dem eine goldgerahmte Rötelzeichnung des Vaters der Baronin - René-Hilaire Degas - hängt, den im rechten Bildteil vorhandenen Kamin mit dem darüber befindlichen Spiegel und durch den Einblick in einen weiteren Raum, welchen die im linken Teil des Gemäldes abgebildete Tür ermöglicht, bestimmt. Hinter der Baronin und Giovanna erkennt man einen Sessel mit einem Kissen darauf, der den Blick in das nächste Zimmer etwas einschränkt. Die blaue Tapete trägt ein Muster von weißen Anemonen und der Fleckenteppich besteht aus „hellbraunen, hechtgrauen und tintig-grünen“[5] Tönen.

Auf dem Tisch befindet sich zwischen der Hand der Baronin und dem Kopf von Giulia Strickzeug und an der rechten Tischecke liegt beschriftetes Papier - vermutlich Briefe oder eine Zeitung. Etwas dahintergelegen erblickt man weitere kleine Gegenstände, die wohl zum Strickzeug gehören. Den Kamin ziert mittig eine Uhr, neben der rechts und links jeweils ein Wandteller an den Spiegel lehnen. Auf der linken Ecke des Kamins steht ein Leuchter, der sich vage spiegelt. Degas benutzt den Spiegel außerdem dazu, ein goldgerahmtes Bild und einen blaugerahmten, nicht weiter definierbaren Gegenstand von der gegenüberliegenden Wand zu spiegeln und somit in der sonst flächigen Anordnung, für Tiefe zu sorgen. Links neben dem Kamin und dem mit ihm bündig schließenden Spiegel hängt ein Klingelband. Durch die offene, einen fragmentierenden Blick in einen nächsten Raum gewärhleistende Tür, erblickt man ein schmales, langgezogenes Fenster und eine Kommode, auf der ein Glasgefäß steht.

Blickfang der statisch angeordneten Personen sind die Figur der Mutter und die der Giulia. Die Baronin fällt auf, da sie die größte stehende Person ist, sie ausschließlich in schwarz gekleidet ist und einen melancholisch ins Weite gehenden Blick hat. Dieser wirkt so eindringlich auf den Betrachter, da das Gesicht (und die beiden sichtbaren Hände) neben der dunklen Kleidung und dem im gleichen Schwarzton gehaltenem Haar besonders hervorsticht. Ihre ganze Person hinterläßt einen Eindruck von Trauer. Giulia besticht zunächst wegen ihrer außergewöhnlichen Sitzweise; sie hat ihr linkes Bein so untergeschlagen, daß man es nicht mehr sehen kann. Sie sitzt zudem nur auf der Stuhlkante, verhält ihre Körperlagerung somit mehr nach links, d.h. zur Mutter und Schwester hin, richtet aber ihren Blick in die entgegengesetzte Richtung zum Vater. Dessen Position ist ebenfalls sehr auffällig - hat man ihn erst mal entdeckt, was seine Besonderheit ausmacht. Er sitzt leicht nach vorn, d.h. in Richtung Kamin gebeugt, stützt seinen linken Arm auf die Sessellehne und wendet seinen Kopf zur übrigen Familie, so daß er Giulia anblickt. Nicht nur, daß man von ihm bloß einen Teil seines Oberkörpers erkennen kann und daß sein Gesicht im Profil gehalten ist (Giulia und die Baronin präsentieren eine drei-viertel Ansicht und Giovanna erblickt der Betrachter en face) macht ihn zur unauffälligsten und doch besonderen Person dieses Bildnisses, sondern auch seine Kleidung, die in neutralen grau-braun Tönen gehalten ist, trägt zu diesem Eindruck bei.

Camille Pissarro galt schon in der frühimpressionistischen Periode zusammen mit Claude Monet als Anführer der Künstlergruppe, die am 15. April 1874 am Boulevard des Capuciens in Paris unter dem Namen Sociéte anonyme des artistes, peintres, sculpteurs, graveurs die erste Impressionisten-Ausstellung eröffnet hatte. Auch war er der einzige Künstler, der an allen acht Ausstellungen der Impressionisten teilgenommen hatte.

Impressionistische Tendenzen im Werk Pissarros lassen sich ab 1866 erkennen. Die allmähliche Befreiung vom Einfluss Corots zeigte sich in der Aufhellung seiner Palette und dem Verschwinden der neutralen Farbtöne. Auch begann Pissarro nun mit dem Spachtel in großzügigen, leuchtenden Strichen zu arbeiten. Zwar fand Pissarro seine Motive in dieser Zeit fast ausschließlich in der Umgebung von Paris und in Pontoise; im Gegensatz zu Renoir und Monet malte er jedoch nicht die Ausflugsorte an den Ufern der Seine, in denen die Pariser ihre sonntäglichen Vergnügungen suchten, sondern „die schwermütige, von der bäuerlichen Arbeit geprägte Landschaft.“

Angesichts des drohenden Einmarsches der preußischen Truppen übersiedelte Pissarro 1870 nach London. Dieser Londoner Aufenthalt, der insgesamt sieben Monate gedauert hatte, war mehr als eine Zeit des Exils und des unruhigen Wartens auf die Rückkehr in die Heimat. Er stellte eine Phase des Umbruchs und des Neubeginns in Pissarros künstlerischer Laufbahn dar. „Neue Bildvorstellungen, Farben, Techniken und Stimmungen fanden plötzlich Eingang in sein Schaffen und unterbrachen zunächst die strengeren und architektonischen Themen, die er in Louveciennes verfolgt hatte.“ Wesentlich wurde dieser Bruch mit der Vergangenheit durch Pissarros Zusammenkünfte mit Monet eingeleitet, der ebenfalls nach London emigriert war. Pissarro und Monet trafen sich regelmäßig. Sie besuchten gemeinsam die Museen und entdeckten Turner und seine „leuchtenden und durchsichtigen Farben und gleichsam verzauberten Naturdarstellungen, seine Art, Wolken zu malen, ohne daß sie zu erstarrten Flecken werden.“

Monet und Pissarro gelten gleichermaßen als die Haupt-figuren der impressionistischen Bewegung. Ihre gemeinsame Londoner Zeit und der damit verbundene Gedankenaustausch setzten wesentliche Impulse für die Genese dieser neuen Malerei, die 1874 eine neue Epoche der Kunstgeschichte einleiten sollte. In einem Brief, den er 1902 an den englischen Landschaftsmaler Wynford Dewhurst schrieb, erinnert sich Pissarro an das Londoner Exil: „Monet arbeitete in den Parks, während ich Nebel-, Schnee- und Frühlingsstimmungen festhielt“[22]. Dieses Textfragment könnte, zugegebenermaßen nicht ohne Vorbehalte, als Geburtsurkunde der impressionistischen Kunst betrachtet werden. Zumindest aber dokumentiert es den Beginn dieser Periode innerhalb Pissarros Schaffensprozesses. Denn gerade in dem Fokussieren auf die flüchtige Stimmung manifestiert sich die impressionistische Theorie: Am Motiv „interessiert nicht seine objektive Struktur, sondern die von ihm ausgelöste Stimmung.“

Als Pissarro 1871 nach Frankreich zurückkehrt, findet er von den 1.500 Bildern, die er in seinem Atelier in Louveciennes zurückgelassen hat, kein einziges mehr vor. Und dieser Verlust „wirkt wie ein weiteres Signal zu einem neuen Anfang. (...) Er fängt wieder von vorne an, losgelöst von der Vergangenheit, im Besitz einer nunmehr sicheren Technik und einer genauen Vorstellung von dem, was er machen will, nämlich nur noch die Natur befragen.“

Nach einem kurzen Aufenthalt in Louveciennes siedelt Pissarro 1872 nach Pontoise über. Das Hauptmotiv für Pissarros Umzug nach Pontoise lag in der Tatsache begründet, dass sich Dr. Paul Gachet, der Hausarzt seiner Mutter und ein begeisterter Radierer und Sammler der Gruppe von Batignolles, im Frühjahr 1872 ein Haus in Auvers gekauft hatte. Pontoise, eine Marktstadt ca. 40 Kilometer nordwestlich von Paris gelegen, war zu Pissarros Zeiten ein lebhaftes Zentrum des Gemüse- und Geflügelhandels. Auvers, ein kleines langgestrecktes Dorf, befindet sich im näheren Umkreis dieser Kleinstadt. Im Frühjahr 1872 hatte sich Cézanne mit seiner Familie ebenfalls in Pontoise niedergelassen um dort mit Pissarro zusammen zu arbeiten. Am Ende desselben Jahres zog er nach Auvers, wo Dr. Gachet ein Haus für ihn gefunden hatte. Cézanne blieb zwei Jahre in Auvers. Doch 1877 kam er wieder zurück um erneut mit Pissarro zu arbeiten. Danach kam er 1881 noch einmal nach Pontoise. 1882 arbeiteten die beiden Künstler zum letzten Mal zusammen. Zwischen 1872 und 1874 hatten Paul Cézanne und Camille Pissarro oft Seite an Seite gearbeitet und Cézanne wurde im Laufe dieser gemeinsamen Arbeit immer mehr in Pissarros Anschauungen und Methoden involviert. Das gemeinsame Motiv war die Landschaft in der Umgebung von Pontoise und Auvers. Der Einfluss Pissarros auf Cézannes Werk dieser Zeit war unverkennbar: Auf Anraten Pissarros hellte Cézanne seine Farben auf, bediente sich der Spachteltechnik und arbeitete von nun an nur noch mit den drei Grundfarben und ihren unmittelbaren Derivaten.

Auch aus den anderen Kulturmetropolen, neben München waren dies vor allem Dresden und Düsseldorf, wanderten damals zahlreiche avantgardistisch orientierte Künstler nach Berlin ab. Dies galt ebenfalls für das impressionistische Maler Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt, die im Rahmen der Berliner Sezession eine fast schon missionarische Tätigkeit für die neue Malerei entfalteten. Die Gemeinsamkeiten der einzelnen Vertreter des deutschen Impressionismus sind weniger klar und umfangreich als die der französischen Impressionisten. Vergleichbar ist vor allem die seit den 1890er Jahren bei den deutschen Malern skizzenhafte Technik wie auch die Vorliebe für die Freilichtmalerei, die allerdings in Deutschland auf ganz eigenen Vorbedingungen beruhte.

Darüber hinaus stellte der Impressionismus für viele deutsche Künstler lediglich ein kurzes Durchgangsstadium dar. „Die deutschen impressionistischen Maler kamen überwiegend aus dem naturalistischen Lager. So wirkt der deutsche Impressionismus auf den ersten Blick wegen seiner stärker sozial ausgerichteten Themen problematischer und aufgrund der zum Teil vorherrschenden tonalen Palette trüber und dunkler als der französische. Überdies blieb das graphische Element für die deutschen Impressionisten stets bedeutsamer als für die Franzosen. Nur wenige deutsche Vertreter gingen in der impressionistischen Formauflösung so weit, daß sie die pointillistische Technik anwandten.“

Der deutsche Impressionismus beruht also keineswegs einseitig auf französischen Einflüssen, ist aber dennoch ohne diese nicht denkbar. Neben der Rezeption der modernen französischen Malerei wurde der deutsche Impressionismus vor allem von der holländischen Malerei des 17. und 19. Jahrhunderts sowie der Entwicklung der Freilichtmalerei in Deutschland inspiriert. Dies muß nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zahlreichen, unabhängigen Künstlergruppen und Sezessionen gesehen werden. Entscheidend für die Generation jener Künstler, die den impressionistischen Stil in den 1890 Jahren in Deutschland entwickelten, war zunächst die Auseinandersetzung mit der Malerei von Wilhelm Leibl (1844-1900) und seinen Künstlerfreunden, des sogenannten Leibl-Kreises.

Auf der ersten Ausstellung der 1898 neugegründeten Berliner Sezession wurden Leibls Arbeiten als exemplarisch für einen neuen, als richtungweisend empfundenen Ansatz in der Malerei gezeigt, der Maler selbst 1900 zum Ehrenmitglied ernannt. Zahlreiche Vertreter aus dem Leibl-Kreis arbeiteten später entweder selbst im impressionistischen Stil, darunter Wilhelm Trübner (1851-1917) und Carl Schuch (1846-1903), oder sie vermittelten der jüngeren Generation impressionistischer Maler entscheidende Anregungen: Schuch zum Beispiel dem befreundeten Karl Hagemeister (1848-1933), Trübner an Max Slevogt und Lovis Corinth. Max Liebermann soll bereits bei seiner Übersiedelung nach München den Wünsch geäußert haben, Schüler von Leibl zu werden. Neben Leibl war auf der ersten Berliner Sezessionsausstellung, auch der hochgeschätzte Adolph Menzel (1815-1905) vertreten. Menzels Bildmotive, die später in einer unpolitisch – ästhetischen Rezeption aufgrund der lockeren, skizzenhaften Malweise und der subtilen Lichtführung als Gestaltungsmittel in Bezug zum deutschen Impressionismus gesehen wurden, waren allerdings zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Dazu gehörten Arbeiten wie das „Balkonzimmer“(1905) und „Die Berlin-Potsdamer Eisenbahn“(1847).“

In Deutschland trat Impressionismus erst wesentlich später ein. Immer wieder taucht dabei die Vermutung auf, daß die deutsche Impressionisten ihre entscheidenden Impulse vielleicht doch während ihrer Parisaufenthalte erhalten könnten. Auch Wilhelm Leibl weilte bereits 1869/70 in Paris, um dort vor allem den Kontakt zu dem befreundeten realistischen Maler Gustave Courbet zu erneuern, den Leibl 1869 anläßlich der im Münchner Glaspalast kennengelernt hatte.“

Liebermann studierte an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin, später an der Universität Weimar. 1868 reiste er erstmals nach München für einen kurzen Aufenthalt, 1871 nach Holland. Im selben Jahr macht er die Bekanntschaft mit Theodor Hagen im Düsseldorfer Atelier Munkacsys. Ein Jahr später entsteht das bekannte Gemälde mit dem Titel „Gänserupferinnen“ und „Gemüseputzerinnen“.

Der Künstler reist ernuet nach Holland und nach Paris, wohin er 1873 übersiedelt. In den folgenden Jahren, auch als „Pariser Zeit“ bezeichnet, besucht der Deutsche öfter den Ort Barbizon und die dort schaffende Künstlergemeinschaft, ausserdem reist er nach Holland. Frans Hals Bilder beeindrucken Liebermann, er fertigt zahlreiche Kopien von dessen Bildern an. Ab 1878 lebt der Künstler in München. Kaum ein Jahr in der bayerischen Hauptstadt, da sorgte Liebermann bereits für einen öffentlichen Skandalmit seiner Interpretation des Sujets „Jesus unter den Schriftgelehrten“. Er zieht sich nach Dachau und Etzenhausen zurück, wo er unter anderem die Bekanntschaft mit den Münchner Künstlern Leibl und Sperl macht.

Ab 1880 erfahren Liebermanns Werke internationale Aufmerksamkeit und Annerkennung. Beispielsweise die Gemälde „Altmännerhaus“, „Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus“ und die „Schusterwerkstatt“, die auf der Austellung im Pariser Salon grossen Erfolg erzielten. Die beiden letzten Bilder werden sogar vom Kunstsammler Faure käuflich erworben. Im selben Jahr, 1882, reist Liebermann nach Holland und malt das berühmte Bild „Der Weber“. Ausserdem wird im die Ehre zuteil, als mietglied in den Pariser „Cercle des XV“ aufgenommen zu werden.

1883 entstehen die Studien zum „Münchner Biergarten“. Das Ölgemälde wird schon ein Jahr später im Pariser Salon ausgestellt. Im selben Jahr vermählt sich Liebermann in Berlin, die Münchner Jahre sind damit beendet.

Es folgt eine weitere Reise nach Holland, die „Judengasse in Amsterdam“ entsteht und Liebermann macht die Bekanntschaft von Anton Mauve. 1885 ist der „Münchner Biergarten“ Teil der Weltausstellung in Antwerpen. Der Maler wird Mitglied im Verein Berliner Künstler und erhält 1888, reichlich verspätet, eine erste offizielle Anerkennung in seiner Heimat - die Kleine Goldene Medaille für „Stille Arbeit“. Ein Jahr später vollendet er die „Netzflickerin“ und die „Frau mit Ziege“, für das er drei Jahre später die Grosse Goldene Medaille erhält. Das Bild wird auf einer grossen Einzelausstellung beim Münchner Kunstverein durch die Neue Pinakothek erworben, wo es noch heute zu sehen ist.

Liebermann knüpft in den folgenden Jahren Kontakte zu Hugo von Tschudi und Whistler. Er unternimmt Reisen nach London und Paris und hält sich mehrfach in Holland auf. Im Jahre 1897 wird Liebermann grosse öffentliche Anerkennung zuteil, als ihm zu Ehren eine Sonderausstellung an seinem 50. Geburtstag in Berlin gezeigt wird. 1899 wird Liebermann Präsident der neugegründeten Berliner Secession.

Der Maler unternimmt in den folgenden Jahren mehrere Reisen nach Italien und Holland und siedelt im Jahr 1910 in sein neues Haus in Wannsee bei Berlin um. Sowohl anlässlich des 60. als auch des 70. und 80. Geburtstages wird Liebermanns Bedeutung durch grosse Einzelausstellungen gewürdigt. 1913 verlässt der Künstler zusammen mit seinen Kollegen Barlach, Beckmann, Kollwitz und Pechstein die Berliner Secession und tritt zur „Freien Secession“ über. Unter dem Regiem der Nationalsozialisten tritt Liebermann 1933 aus der Akademie der Künste aus und legt seine Ehrenpräsidentschaft nieder.

Max Liebermann schrieb sich nach dem Abitur auf der Friedrich-Wilhelm-Universität ein. Er wählte das Fach Chemie, in dem sein Cousin Carl Liebermann Erfolg hatte. Das Chemie-Studium sollte allerdings nur als Vorwand dienen, sich der Kunst und der Freizeit widmen zu können und gleichzeitig vor dem Vater zu bestehen. Daher wurde es von Max Liebermann niemals ernsthaft betrieben. Statt die Vorlesungen zu besuchen, ritt er im Tiergarten aus und malte. Bei Carl Steffeck durfte er zudem immer häufiger Gehilfenaufgaben bei der Gestaltung monumentaler Schlachtenbilder wahrnehmen. Dort lernte er Wilhelm Bode kennen, den späteren Förderer Liebermanns und Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums. Am 22. Januar 1868 exmatrikulierte die Universität Berlin Liebermann wegen „Studienunfleiß“. Nach einem intensiven Konflikt mit dem Vater, der vom Weg seines Sohnes nicht angetan war, ermöglichten ihm seine Eltern den Besuch der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. Dort wurde er Schüler des belgischen Historienmalers Ferdinand Pauwels, der ihn bei einem Besuch der Klasse im Fridericianum in Kassel Rembrandt näher brachte. Die Begegnung mit Rembrandt beeinflusste den Stil des jungen Liebermann nachhaltig.

Im Deutsch-Französischen Krieg 1870 war er kurzzeitig vom allgemeinen patriotischen Taumel ergriffen. Er meldete sich freiwillig bei den Johannitern, da ihn ein schlecht verheilter Armbruch vom regulären Kriegsdienst abhielt, und diente als Sanitäter bei Metz. 1870/1871 zogen insgesamt 12.000 Juden auf deutscher Seite in den Krieg. Die Erlebnisse auf den Schlachtfeldern schockierten den jungen Künstler, dessen Kriegsbegeisterung deshalb nachließ.

Seit Pfingsten 1871 weilte Max Liebermann in Düsseldorf, wo der Einfluss französischer Kunst stärker präsent war als in Berlin. Dort traf er Mihály von Munkácsy, dessen realistische Darstellung Wolle zupfender Frauen, also einer schlichten Szene des Alltags, bei Liebermann Interesse weckte. Von seinem Bruder Georg finanziert, reiste er zum ersten Mal in die Niederlande, nach Amsterdam und Scheveningen, wo ihn Licht, Menschen und Landschaft begeisterten.

Sein erstes großes Gemälde Die Gänserupferinnen entstand in den Monaten nach seiner Rückkehr. Es zeigt in dunklen Farbtönen die unbeliebte, prosaische Tätigkeit des Gänserupfens. Darin hat Liebermann neben dem Naturalismus Munkászys auch Elemente der Historienmalerei mit einfließen lassen. Beim Anblick des noch unfertigen Gemäldes entließ ihn sein Lehrer Pauwels: Er könne ihm nichts mehr beibringen. Als Liebermann mit dem Bild 1872 an der Hamburger Kunstausstellung teilnahm, weckte sein ungewöhnliches Sujet vor allem Abscheu und Schockierung. Zu deutlich widersetzte sich Liebermann den Konventionen der damals anerkannten Genremalerei. Zwar lobte die Kritik seine geschickte Malweise, doch erhielt er das Image als „Maler des Hässlichen“. Als das Gemälde im selben Jahr in Berlin ausgestellt wurde, stieß es zwar auf ähnliche Meinungen, aber es fand sich mit dem Eisenbahnmagnaten Bethel Henry Strousberg ein Käufer.

Liebermanns Kunst galt damals in Deutschland als „Schmutzmalerei“. Sein zweites größeres Werk, die Konservenmacherinnen, schickte er daher zur großen Jahresausstellung nach Antwerpen, wo es auch gleich zwei Kaufinteressenten fand. Liebermann hatte seinen ersten Stil gefunden: Er malt realistisch und unsentimental arbeitende Menschen, ohne herablassendes Mitleid oder verklärende Romantik, aber auch ohne anzuprangern. In seinen Motiven erkennt er die natürliche Würde und muss nichts beschönigen.

1873 sah Liebermann vor den Toren Weimars Bauern bei der Rübenernte. Er entschloss sich, dieses Motiv in Öl festzuhalten, doch als Karl Gussow ihm zynisch riet, das Bild am besten gar nicht erst zu malen, kratzte Liebermann das begonnene Gemälde wieder von der Leinwand. Er fühlte sich kraftlos und ohne Antrieb. Liebermann entschloss sich, in Wien den berühmten Historien- und Salonmaler Hans Makart zu besuchen, wo er aber nur zwei Tage weilte. Stattdessen war er entschlossen, Deutschland und seiner damaligen von Liebermann als rückständig und verstaubt angesehenen Kunstszene vorerst den Rücken zu kehren.

Im Dezember 1873 zog Max Liebermann nach Paris und richtete in Montmartre ein Atelier ein. In der Welthauptstadt der Kunst wollte er Kontakte knüpfen zu führenden Realisten und Impressionisten. Doch die französischen Maler verweigerten dem Deutschen Liebermann jeglichen Kontakt. 1874 reichte er seine Gänserupferinnen beim Salon de Paris ein, wo das Bild zwar angenommen, aber in der Presse vor allem unter nationalistischen Gesichtspunkten negative Kritiken erhielt. Den Sommer 1874 verbrachte Liebermann erstmals in Barbizon in der Nähe des Waldes von Fontainebleau. „Munkácsy zog mich mächtig an, aber noch mehr taten es Troyon, Daubigny, Corot und vor allem Millet.“

Die Schule von Barbizon war für die Entwicklung des Impressionismus von großer Bedeutung: Sie formte die impressionistische Landschaftsmalerei und bereicherte die Strömungen der Zeit durch die Mittel der Freilichtmalerei. Dies rief in Liebermann eine Abkehr von der altmodischen, schweren Malerei Munkácsys hervor. Ihn interessierten eher die Methoden der Schule von Barbizon, als die Motive, die sie beeinflussten: So erinnerte er sich in Barbizon der Weimarer Studie Arbeiter im Rübenfeld, suchte nach einem ähnlichen Motiv und schuf die Kartoffelernte in Barbizon, die er aber erst Jahre später abschloss. Letztlich versuchte er dabei auf Millets Spuren zu wandeln und blieb nach Ansicht zeitgenössischer Kritiker mit seiner eigenen Leistung hinter ihm zurück: Die Darstellung der Arbeiter in ihrem Umfeld wirkte unnatürlich; es schien, als seien sie nachträglich in die Landschaft eingefügt.

1875 verbrachte Liebermann drei Monate in Zandvoort in Holland. In Haarlem kopierte er ausgiebig Gemälde von Frans Hals. Durch die Beschäftigung mit der Porträtmalerei Hals’ erhoffte sich Liebermann Einflüsse auf seinen eigenen Stil. Die Beschäftigung mit Frans Hals und dessen Methode des schwungvollen, undetaillierten Farbauftrags prägte Liebermanns Spätwerk ebenso wie die Einflüsse der französischen Impressionisten. Es entwickelte sich darüber hinaus zu einer Eigenart Liebermanns, zwischen Idee und Ausführung größerer Gemälde viel Zeit vergehen zu lassen. Erst als er im Herbst 1875 nach Paris zurückkehrte und ein größeres Atelier bezog, griff er Gesehenes auf und schuf ein erstes Gemälde badender Fischerjungen; dieses Motiv bannte er Jahre später erneut auf die Leinwand.

Im Sommer 1876 folgte erneut ein mehrmonatiger Aufenthalt in den Niederlanden. Er setzte dort seine Hals-Studien fort. Darüber fand er später zu einem eigenen Stil, der ihm besonders bei der Porträtmalerei zugutekam. In Amsterdam traf er den Radierer William Unger, der ihn in Kontakt mit Jozef Israëls und der Haager Schule brachte. In seinem Bild Holländische Nähschule nutzt Liebermann die Wirkung des Lichts bereits impressionistisch. Über den Professor August Allebé lernte er die Portugiesische Synagoge Amsterdams kennen, was ihn zu einer malerischen Auseinandersetzung mit seiner jüdischen Herkunft verleitet. Auch entstanden erste Studien des Amsterdamer Waisenhauses.

Unter dem Druck, vor seinen Eltern und sich selbst Rechenschaft ablegen zu müssen, verfiel Liebermann in Paris in tiefe Depressionen, oft war er der Verzweiflung nahe. In dieser Zeit entstanden insgesamt nur wenige Bilder, die mehrfache Teilnahme am Pariser Salon brachte für ihn auch nicht den erwünschten Erfolg. Die Kunstszene der Weltstadt konnte Liebermann nichts geben, sie hatte ihn sogar aus chauvinistischen Gründen als Künstler abgelehnt. Seine Gemälde waren nicht „französisch“ geworden. Dagegen ging größerer Einfluss von seinen regelmäßigen Holland-Aufenthalten aus. Liebermann fasste den endgültigen Entschluss, Paris zu verlassen.

1878 begab sich Liebermann erstmals auf eine Italien-Reise. In Venedig wollte er sich Werke Vittore Carpaccios und Gentile Bellinis ansehen, um daraus neue Orientierung zu schöpfen. Dort traf er auf eine Gruppe Münchner Maler – unter ihnen Franz von Lenbach –, in deren Kreis er in Venedig drei Monate blieb und ihnen schließlich in die bayrische Hauptstadt folgte, die mit der Münchner Schule auch das deutsche Zentrum naturalistischer Kunst war.

Im Dezember 1878 begann Liebermann mit der Arbeit an Der zwölfjährige Jesus im Tempel. Erste Skizzen für dieses Werk hatte er bereits in den Synagogen von Amsterdam und Venedig angefertigt. Nie zuvor inszenierte er ein Bild unter größerem Arbeitsaufwand: Die Studien der Synagogeninterieurs verband er mit individuellen Figuren, von denen er vorher Aktstudien fertigte, um sie dann bekleidet zusammenzuführen. Das Sujet tauchte er in beinahe mystisches Licht, das vom Jesuskind als leuchtende Mitte auszugehen scheint.

Gegen dieses Bild brandete im ganzen Reich eine Welle der Empörung auf. Während sich Prinzregent Luitpold auf die Seite Liebermanns stellte, schrieb die Augsburger Allgemeine, der Künstler habe „den hässlichsten, naseweisesten Judenjungen, den man sich denken kann“, gemalt. In der Öffentlichkeit wurde Max Liebermann als „Herrgottsschänder“ verunglimpft. Der konservative Abgeordnete und Priester Balthasar von Daller sprach ihm als Juden im Bayerischen Landtag das Recht ab, Jesus auf diese Weise darzustellen. In Berlin führte der Hofprediger Adolf Stoecker die antisemitische Debatte um das Gemälde in verletzender Weise fort.

Während der Widerstand der Kirche und der Kritiker immer unerbittlicher wurde, ergriffen bedeutende Künstlerkollegen für das Werk Partei, darunter Friedrich August von Kaulbach und Wilhelm Leibl. Malerisch erscheint es in vielem als Resümee der Epoche des jungen Liebermanns, seiner „Lehrjahre“.

Als Reaktion auf die Kritik hat Liebermann das Bild übermalt, indem er den jungen Jesus neu gestaltete. Vom Original gibt es ein Foto, welches ein Kind, mit einem kürzeren Umhang bekleidet und dem Ansatz von Schläfenlocken und leicht vorgeschobenen Kopf und ohne Sandalen zeigt. Das übermalte Bild zeigt einen Jesus in aufrechterer Haltung mit längeren Haaren und einem längeren Gewand und Sandalen bekleidet.

Zwar war Liebermann nun ein berühmter Künstler, doch die malerischen Fortschritte erfuhren im Holland-Aufenthalt 1879 einen Stillstand: So wirkt das Licht in einer damals entstandenen Ansicht einer bäuerlichen Dorfstraße fahl und unnatürlich. 1880 nahm er am Pariser Salon teil. Die Bilder, die dort gezeigt wurden, hatten eines gemeinsam: die Darstellung friedlichen Nebeneinanders arbeitender Menschen in einer harmonischen Gemeinschaft. Die gezeigte Stimmung konnte Liebermann aber nicht im Umfeld des durch antisemitische Anfeindungen erhitzten München einfangen, sondern nur aus den Niederlanden beziehen, die er von jetzt ab alljährlich aufsuchte. Zudem reiste er 1879 zu Malaufenthalten in das Dachauer Moos, nach Rosenheim und ins Inntal, wo sein Gemälde Brannenburger Biergarten entstand.

Im Sommer 1880 reiste Liebermann in das brabantische Dorf Dongen. Dort entstanden Studien, die er später zu seinem Gemälde Schusterwerkstatt verwendete. Nach Abschluss dieser Arbeit reiste er, bevor er nach München zurückkehrte, noch einmal nach Amsterdam. Dort geschah etwas, das „über seine künstlerische Laufbahn entschied“. Er warf einen Blick in den Garten des katholischen Altmännerhauses, wo schwarzgekleidete ältere Herren auf Bänken im Sonnenlicht saßen. Über diesen Augenblick sagte Liebermann später: „Es war, als ob jemand auf ebenem Wege vor sich hingeht und plötzlich auf eine Spiralfeder tritt, die ihn emporschnellt“. Er begann, das Motiv zu malen, und verwendete dabei erstmals den Effekt des durch ein Laubdach (oder andere Barrieren) gefilterten Lichtes, die später sogenannten „Liebermann’schen Sonnenflecken“, das heißt die punktuelle Darstellung von (teilweise) eigenfarbigem Licht, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu erzeugen. Dies deutete bereits auf das impressionistische Spätwerk Liebermanns hin.

Auf dem Pariser Salon 1880 erhielt er für dieses Werk als erster Deutscher eine ehrenvolle Erwähnung. Zudem erwarb Léon Maître, ein bedeutender Sammler des Impressionismus, mehrere Gemälde Liebermanns. Durch den ersehnten Erfolg ermuntert, wandte er sich einem früheren Thema zu: Unter Verwendung älterer Studien komponierte er die Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus (Abbildung siehe unten), ebenfalls mit „Sonnenflecken“.

Im Herbst reiste Liebermann erneut nach Dongen, um dort die Schusterwerkstatt zu vollenden. Auch in diesem Werk manifestiert sich seine deutliche Hinwendung zur Lichtmalerei, gleichzeitig blieb er jedoch auch seinen früheren Arbeits-Darstellungen treu, indem er weiterhin auf verklärend-romantische Elemente verzichtete. Die Schusterwerkstatt und die Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus fanden 1882 im Pariser Salon mit Jean-Baptiste Faure einen Käufer. Die französische Presse feierte ihn als Impressionisten. Der Sammler Ernest Hoschedé schrieb begeistert an Édouard Manet: „Wenn Sie, mein lieber Manet, es sind, der uns die Geheimnisse des Freilichts offenbarte, so versteht es dagegen Liebermann, das Licht in geschlossenem Raum zu belauschen.“

Doch anstatt sich vom Impressionismus vereinnahmen zu lassen, trat Liebermann aus der Sphäre der beliebten Lichtmalerei zurück und wandte sich in seinem Werk Rasenbleiche wieder dem Naturalismus zu. Während er an diesem Gemälde arbeitete, versuchte Vincent van Gogh Liebermann in Zweeloo zu treffen, was ihm allerdings nicht gelang. Zurück aus den Niederlanden folgte er dem Ruf der Gräfin von Maltzan ins schlesische Militsch, wo er seine erste Auftragsarbeit – eine Dorfansicht – fertigte.

1884 entschloss sich Liebermann, in seine Heimatstadt Berlin zurückzukehren, obwohl ihm bewusst war, damit auf unvermeidbare Konflikte zu stoßen. Seiner Ansicht nach würde Berlin über kurz oder lang auch in künstlerischer Hinsicht die Rolle der Hauptstadt einnehmen, da sich dort der größte Kunstmarkt befand und er die Münchner Traditionen zunehmend als Last ansah.

Im Mai 1884 verlobte er sich mit der im Jahre 1857 geborenen Schwester seiner Schwägerin, Martha Marckwald. Am 14. September fand die Trauung statt, nachdem der Umzug von München nach Berlin vollzogen war. Die erste gemeinsame Wohnung nahm das Paar In den Zelten 11, am nördlichen Rand des Tiergartens. Die Hochzeitsreise führte allerdings nicht wie damals üblich nach Italien, sondern über Braunschweig und Wiesbaden nach Scheveningen in Holland. Dort schloss sich Jozef Israëls den beiden an; gemeinsam reisten sie nach Laren, wo Liebermann den Maler Anton Mauve kennenlernte. Weitere Stationen der Reise waren Delden, Haarlem und Amsterdam. Überall fertigte Liebermann Studien und sammelte Ideen, die ihn in den folgenden Jahren weitgehend ausfüllten.

Nach der Rückkehr wurde er in den Verein Berliner Künstler aufgenommen. Für seine Aufnahme stimmte auch Anton von Werner, sein späterer Widersacher. Im August 1885 wurde Liebermanns einzige Tochter geboren, die den Namen „Marianne Henriette Käthe“ erhielt, jedoch nur Käthe genannt wurde. In dieser Zeit entstanden kaum Bilder: Ganz widmete er sich der Rolle des Vaters.

Gegenüber der Familie Liebermann wohnten Carl und Felicie Bernstein. Bei den außergewöhnlich kultivierten Nachbarn sah Max Liebermann Gemälde Édouard Manets und Edgar Degas’, die ihn sein ganzes weiteres Leben begleiteten. Zudem konnte er sich in ihrem Kreise erstmals als akzeptiertes Mitglied der Berliner Künstlergemeinschaft fühlen: Max Klinger, Adolph Menzel, Georg Brandes und Wilhelm Bode gingen dort ebenso ein und aus wie Theodor Mommsen, Ernst Curtius und Alfred Lichtwark. Letzterer, der Direktor der Hamburger Kunsthalle, erkannte früh Liebermanns impressionistisches Potential. Dessen Beitritt in die Gesellschaft der Freunde erleichterte ebenfalls das Erreichen gesellschaftlicher Akzeptanz in der bourgeoisen Oberschicht.

Nach acht Jahren Abwesenheit aus Berlin nahm Liebermann 1886 erstmals wieder an der Ausstellung der Akademie der Künste teil. Für die Ausstellung wählte er die Gemälde Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, Altmännerhaus in Amsterdam und Das Tischgebet aus. Das Tischgebet, das eine niederländische Bauernfamilie in düster-stimmungsvoller Szenerie beim Gebet zeigt, war auf Anregung Jozef Israëls während der Hochzeitsreise entstanden. Der „Meinungsmacher“ Ludwig Pietsch bezeichnete Liebermann als großes Talent und herausragenden Vertreter der Moderne.

Im Sommer 1886 fuhr Martha Liebermann mit ihrer Tochter zur Kur nach Bad Homburg vor der Höhe, was ihrem Mann Gelegenheit bot, in Holland Studien anzufertigen. Er kehrte nach Laren zurück, wo in Bauernkaten aus Rohleinen Flachs gewonnen wurde. Vom Sujet der gemeinschaftlichen Arbeit wiederum beeindruckt, begann Liebermann, Skizzen zu zeichnen und eine erste Fassung in Öl zu malen. In seinem Berliner Atelier komponierte er die Studien zu einem Gemälde im größeren Format, an dem er die Arbeit im Frühjahr 1887 abschließen konnte. Die Darstellung kollektiver Arbeit sollte im Alltäglichen das „heroisch Geduldige“ aufzeigen.

Im Mai 1887 wurde das Bild auf dem Pariser Salon ausgestellt, wo man es mit nur verhaltenem Applaus aufnahm. Auf der Internationalen Jubiläumsausstellung in München beschrieb ein Kritiker das Gemälde als „die wirkliche Darstellung stumpfen, durch ein Einerlei von schwerer Arbeit hervorgerufenen Siechtums. […] Bauernweiber in verschlissenen Schürzen und Holzpantoffeln, mit Gesichtern, die kaum, dass sie jung waren, die Züge grämlichen Alters zeigen, liegen in der Kammer, deren Gebälk wie drückend niederlastet, ihrem mechanischen Tagewerk ob.“ Adolph Menzel dagegen lobte das Bild und bezeichnete den Maler als „den einzigen, der Menschen macht und keine Modelle“.

Zu dieser Zeit veröffentlichte der Kunstkritiker Emil Heilbut eine „Studie über den Naturalismus und Max Liebermann“, in der er den Maler als „tapfersten Vorläufer in der neuen Kunst in Deutschland“ bezeichnete. Im März 1888 verstarb Kaiser Wilhelm I., ihm folgte Friedrich III. auf den Thron. Mit seiner Regentschaft waren Hoffnungen auf einen Wandel Preußens zur parlamentarischen Monarchie verbunden, die mit seinem Tod nur 99 Tage später ihr Ende fanden. Max Liebermann weilte im Frühjahr des Dreikaiserjahres in Bad Kösen. Vom Tod Friedrichs III. bestürzt, malte er eine fiktive Gedächtnisfeier für Kaiser Friedrich III. in Bad Kösen, was zeigt, dass er sich trotz seiner links ausgerichteten politischen Ansichten mit der Hohenzollernmonarchie verbunden fühlte. Er wollte Freigeist sein, doch die preußischen Traditionen abzulehnen brachte er durch seine Prägung nicht fertig.

1889 fand in Paris anlässlich der Hundertjahrfeier der Französischen Revolution die Weltausstellung statt. Die Monarchien Russland, Großbritannien und Österreich-Ungarn versagten ihre Teilnahme aus Ablehnung der Revolutionsfeier. Als die Deutschen Gotthardt Kuehl, Karl Koepping und Max Liebermann in die Jury berufen wurden, sorgte dies in Berlin für politischen Zündstoff. Liebermann fragte beim preußischen Kultusminister Gustav von Goßler an, der ihn – einer inoffiziellen Unterstützung gleichkommend – gewähren ließ. Die Zeitung La France schürte zur gleichen Zeit in Paris eine Kampagne gegen die generelle Teilnahme Preußens.

Liebermann fasste den Plan, mit Menzel, Leibl, Trübner und von Uhde die erste Garde der deutschen Malerei zu präsentieren. Die deutsche Presse machte ihm Andienung an den Revolutionsgedanken zum Vorwurf. Erneut ergriff der alte Adolph Menzel für Liebermann Partei, und die erste Präsentation nicht-offizieller deutscher Kunst auf französischem Boden kam zustande. Die Weltausstellung rückte Liebermann endgültig ins Licht der Öffentlichkeit. In Paris ehrte man ihn mit einer Ehrenmedaille und der Aufnahme in die Société des Beaux-Arts. Den Ritterschlag der Ehrenlegion lehnte er nur aus Rücksicht auf die preußische Regierung ab.

1889 reiste Liebermann nach Katwijk, wo er mit dem Gemälde Frau mit Ziegen vom sozialen Milieu als Sujet Abschied nahm. Nachdem er zunehmend Erfolge feiern konnte, fand er die Muße, sich Bildern leichteren Lebens zuzuwenden. 1890 erhielt Liebermann mehrere Aufträge aus Hamburg, die alle auf Alfred Lichtwark zurückzuführen waren: Neben einem Pastell der Kirchenallee in St. Georg bekam er von dort den ersten Porträtauftrag. Nach Fertigstellung des an Hals’scher Malerei orientierten Bildes zeigte sich der Porträtierte, Bürgermeister Carl Friedrich Petersen, empört. Ihm war die Natürlichkeit der Darstellung in Verbindung mit scheinbar beiläufig durch historisierende Kleidung verliehener Amtswürde zuwider. In Lichtwarks Augen blieb das Bürgermeisterbildnis „ein Fehlschlag“. Mehr Erfolg hatte Liebermann mit seinem Werk Frau mit Ziegen, für das er im Frühjahr 1891 auf der Ausstellung des Münchner Kunstvereins die Große Goldmedaille erhielt.

Am 5. Februar 1892 gründete sich in Berlin die Vereinigung der XI, in der sich elf unabhängige Maler zusammenschlossen. Die Vereinigung der XI avancierte in den nächsten Jahren zum Fundament für die spätere Secessionsbewegung, die in Opposition zur konservativen Malerschule der Akademie trat. Die Berliner Sezession befand sich zuerst in der Kantstraße, zog dann aber 1905 an den Kurfürstendamm unweit des Romanischen Cafés und dem 1917 eröffneten Atelier der bekannten Berliner Gesellschaftsfotografin Frieda Riess. Laut Lovis Corinth war Liebermann bereits kurz nach ihrer Gründung „der heimliche Führer der anarchischen Elfer“. Unter dem Einfluss Wilhelms II. verschärften sich die reaktionären Tendenzen in der Kulturpolitik des Kaiserreiches zunehmend (siehe auch: Rinnsteinkunst. Die Kunstkritiker der Hauptstadt reagierten höchst unterschiedlich auf die Gründung einer Künstlerbewegung, die sich gegen die offizielle Richtung stellte. Die meisten verunglimpften insbesondere Liebermann und bezeichneten seine Malweise etwa als „patzig hinstreichende Manier“, dennoch bestritt kaum jemand seine Stellung als führender Berliner Künstler.

Wenige Monate vor dem Tod seiner Mutter im September 1892, als sich deren Gesundheitszustand verschlechterte, bezog Max Liebermann mit seiner Familie das elterliche Palais am Pariser Platz. Mit großer Selbstdisziplin ging er einem geregelten Tagesablauf nach: Um 10 Uhr verließ er das Wohnhaus, um sich in sein Atelier in der Auguste-Viktoria-Straße zurückzuziehen und erst um 18 Uhr wiederzukehren. „Ich bin in meinen Lebensgewohnheiten der vollkommene Bourgeois; ich esse, trinke, schlafe, gehe spazieren und arbeite mit der Regelmäßigkeit einer Turmuhr.“

Am 5. November 1892 stellte der Verein Berliner Künstler 55 Gemälde des norwegischen Malers Edvard Munch aus. Die Kritik empörte sich über die Werke und nannte sie „Exzesse des Naturalismus“. Ein Eilantrag vor dem Kammergericht wurde abgelehnt, ein zweiter führte aber zur Einberufung einer Generalversammlung des Vereins Berliner Künstler. Diese beschloss mit 120 gegen 105 Stimmen die Schließung der Munch-Ausstellung. Damit vollzog sich der endgültige Bruch zwischen konservativ-reaktionärer Schule, als deren Wortführer sich in diesem Streit Anton von Werner profilierte, und der liberal-modernistischen Schule, zu deren bedeutendsten Köpfen Max Liebermann zählte. Unter ihm gründeten noch am Abend der Entscheidung 60 empörte Vereinsmitglieder die Freie Künstlervereinigung.

1893 reiste Liebermann nach Rosenheim, wo er sich mit Johann Sperl und Wilhelm Leibl traf. Anlässlich einer Ausstellung in Wien erhielt er im Jahr darauf für die „Frau mit Ziegen“ die Große Goldene Medaille. Nach dem Tod seiner Mutter 1892 verstarb 1894 auch Louis Liebermann, sein Vater. Kurz vor dessen Tod hatte Max Liebermann eine späte Zuneigung zu ihm gefunden, die frühere Differenzen zurücktreten ließ. Nach der Versöhnung traf ihn der Abschied besonders schwer. Gleichzeitig vertiefte er sich mit diesen Eindrücken verstärkt in die Arbeit an stimmungsvollen Gemälden.

Mit dem Tode seines Vaters wurde Max Liebermann Miterbe eines Millionenvermögens. Auch das Haus am Pariser Platz ging in seinen Besitz über. Nun war es ihm möglich, seine ohnehin für einen Künstler ungewöhnlich luxuriösen Wohnräume nach seinen Wünschen umzugestalten. Er beauftragte den Architekten Hans Grisebach mit dem Bau einer Wendeltreppe zu einem noch zu errichtenden Dachatelier. Da das Polizeipräsidium wegen eines Paragrafen im Kaufvertrag des Gebäudes, der größere Veränderungen der Bausubstanz verbot, Bedenken anmeldete, beschloss Liebermann, sein Atelier in der Auguste-Viktoria-Straße weiterhin zu nutzen. Die Gemälde aus dieser Zeit sind impressionistischer Natur, wie etwa die 1895 entstandene Allee in Overveen. Auch weiterhin bezog Liebermann die Inspiration für zahlreiche Werke aus seinen regelmäßigen Aufenthalten in den Niederlanden.

1895 vertrat Max Liebermann gemeinsam mit Gustav Schönleber und Fritz von Uhde Deutschland auf der ersten Biennale in Venedig. Liebermann wandte sich erstmals der Porträtmalerei zu und zeigte ein Pastellporträt seines Freundes Gerhart Hauptmann, für das er den ersten Preis erhielt. Auch wandte sich Liebermann wieder dem Sujet badender Knaben zu, da ihn die malerische Herausforderung von sich bewegenden Körpern unter freiem Licht interessierte. Doch anstatt wie früher konservative Gemälde mit klassischen Bewegungskompositionen zu schaffen, gelang ihm eine freiere Darstellung des Strandlebens. Zu einer impressionistischen Ausdrucksform kam er aber bei diesem Motiv erst in späteren Jahren.

1896 wurde Hugo von Tschudi zum Direktor der Nationalgalerie berufen. Dieser stand den französischen Impressionisten offen gegenüber und begab sich auf eine Ankaufsreise nach Paris. Max Liebermann begleitete ihn dorthin, um ihn bei den Kaufentscheidungen für die Nationalgalerie zu beraten. Als von Tschudi sich entschloss, Manets Werk Im Wintergarten zu erwerben, riet Liebermann ab, da Berlin ja selbst den Naturalismus noch als skandalös empfinden würde. „Was man in Paris in einem Menschenalter nicht aufzufassen vermocht hatte, würde man schwerlich in Deutschland von heut’ auf morgen durchzusetzen vermögen.“ Über Tschudi konnte Liebermann auch Kontakt zu Edgar Degas knüpfen, den er in Paris traf. Dort erhielt er auch die Ehrung als Ritter der Ehrenlegion, der der preußische Kultusminister Robert Bosse zustimmte. Abschließend reiste Liebermann für zehn Tage nach Oxford, wo seinem Bruder Felix von der Universität die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. In London traf er sich mit dem amerikanischen Maler James McNeill Whistler, dessen altmeisterhafter Radierstil nachhaltige Wirkung auf ihn bekam. Durch Einwirken des preußischen Ministers für öffentliche Arbeiten, Karl von Thielen, gestattete das Polizeipräsidium Berlin zeitgleich zu seinem Paris- und Londonaufenthalt den Bau eines Dachateliers im Palais Liebermann.

Anlässlich seines 50. Geburtstages 1897 widmete die Akademie der Künste Liebermann einen ganzen Ausstellungssaal, in dem 30 Gemälde, neun Zeichnungen, drei Lithografien und 19 Radierungen gezeigt werden konnten. Nachdem die konservative Berliner Akademie mit ihrer 200-Jahr-Feier 1892 ein Fiasko erlebt hatte, begann sie sich langsam für moderne Einflüsse zu öffnen. Dies zeigte sich auch in der Verleihung der Großen Goldenen Medaille an Liebermann bei der Großen Berliner Kunstausstellung. Dieser erhielt darüber hinaus den Professorentitel und wurde 1898 in die Akademie aufgenommen – selbst mit der Stimme Anton von Werners. Sein künstlerisches Ansehen stand zu dieser Zeit auf seinem bisherigen Höhepunkt.

Dennoch fielen künstlerische Rückschritte in diese Zeit. Die Sommer 1897 und 1898 verbrachte Liebermann wiederum in Laren. Dort entstanden die Weberei in Laren und der Schulgang in Laren, worin der Maler auf überwunden geglaubte kompositorische Mittel seiner frühen Jahre zurückgriff.

Nachdem die Jury unter Anton von Werner ein Bild des Berliner Malers Walter Leistikow zur Großen Berliner Kunstausstellung 1898 zurückwies, rief dieser zur Gründung einer Gemeinschaft unabhängiger Künstler auf. Als Präsident dieses Zusammenschlusses moderner, freier Künstler wurde Max Liebermann gewählt. Den Vorstand bildeten neben dem Präsidenten Liebermann und Walter Leistikow die Künstler Otto Heinrich Engel, Ludwig Dettmann, Oskar Frenzel, Curt Herrmann und Fritz Klimsch. Liebermann war bei der Gründung der Sezession nicht als Wortführer hervorgetreten, sondern trat erst an ihre Spitze, als er von seinen Kollegen dazu gedrängt wurde. Der Bekanntheitsgrad seiner Person verschaffte der Berliner Sezessionsbewegung besonderes Öffentlichkeitsinteresse. Als Sekretäre zog Liebermann die Galeristen Bruno und Paul Cassirer hinzu.

Für die erste Secessionsausstellung im Mai 1899 konnte Liebermann auch Künstler der Münchner, der Darmstädter und der Stuttgarter Sezession gewinnen. Ergänzt wurden diese durch die Künstlerkolonie Worpswede, Arnold Böcklin, Hans Thoma, Max Slevogt und Lovis Corinth. Letztere stellten zum ersten Mal in der Hauptstadt aus. Liebermann hatte auch Ernst Oppler zu einem Engagement an der Berliner Secession motiviert. Als Lovis Corinth zum Besuch der Ausstellung in Berlin war und Max Liebermann einen Besuch abstattete, porträtierten sie sich gegenseitig. Zeugnis sind das Bildnis des Malers Lovis Corinth und Porträt Max Liebermann von 1899. Unter den Berliner Bürgern entbrannten angeregte Diskussionen für und wider die Secession, die der bildenden Kunst neue Aufmerksamkeit verschafften. Der Erfolg der Ausstellung, die mit über 1800 Besuchern und hohen Verkaufszahlen die Erwartungen überstieg, konnte 1900 noch gesteigert werden. Die Secessionsausstellungen wuchsen unter Liebermanns Führung zu einem europäischen Kunstereignis. Um 1900 entwarf er gemeinsam mit Corinth, Slevogt und anderen Künstlern für den Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck Stollwerck-Sammelbilder u.a. für das Stollwerck-Sammelalbum IV.

Durch den Zuzug Corinths und Slevogts 1901 veränderte sich Berlins Rolle in der deutschen Kunstlandschaft erheblich. Während der Niedergang Münchens sich beschleunigte, kam Berlin nun auch in der Kunst die Stellung als Hauptstadt zu. Der Akademierektor Anton von Werner versuchte mit allen Mitteln, den Aufstieg der modernen Strömungen zu bremsen. Dabei ging er selbst weiter, als es Wilhelm II. tat. Diesem missfiel zwar die Secession, doch ließ er sie letztlich gewähren. Während sich die Akademieleitung immer weiter von der Realität der Kunstlandschaft entfernte, begann die preußische Regierung (und insbesondere der Kultusminister Heinrich Konrad von Studt) langsam in der Kunst freiheitlicher zu denken. So befürwortete Studt das Konzept Liebermanns für die Weltausstellung 1904 in St. Louis, das gleichgewichtete Beteiligungen der Akademie und der Secession vorschlug. Von Werner wies es mit den Worten zurück: „Mit idealen Zielen und besonderen künstlerischen Strömungen haben diese secessionistischen Bewegungen nicht das geringste zu tun, sie dienen lediglich geschäftigen Interessen.“

Im Sommer 1899 weilte Liebermann in Zandvoort und Scheveningen. Dort entwickelte er seine Gemälde badender Knaben weiter, hin zu einer unbeschwerten Darstellung eleganten Strandlebens. Die Motive der spartanischen holländischen Landbevölkerung traten als Sujet zurück. Er suchte eine Motivwelt, die ihm die Grundlage für einen lichten Impressionismus bot. Daher wandte er sich, neben dem kultivierten Strandleben (mit schemenhaften Reiter- und Frauendarstellungen), dem Lichtspiel in üppigen Gärten zu. 1901 entstand nach dem Vorbild von Édouard Manets Landhaus in Rueil das Werk Landhaus in Hilversum, das durch Schatten- und Lichtwechsel Ruhe und Harmonie ausstrahlt. Im Sommer 1901 besuchte Liebermann den Amsterdamer Zoo. Dort entdeckte er die Papageienallee als Thema.

1902 reiste Liebermann erneut nach Hamburg, wo er auf Einladung des ersten Direktors der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, vom 3. Juli bis 5. August 1902 im Hotel Jacob an der Elbchaussee wohnte, das auch heute noch existiert. Er sollte für die „Sammlung von Bildern aus Hamburg“ Ansichten der Umgebung malen. Es entstand unter anderem das Bild Polospiel in Jenischs Park und eines seiner bekanntesten Werke Terrasse des Restaurants Jacob in Nienstedten an der Elbe. 1903 gründete Max Liebermann auf Initiative von Harry Graf Kessler zusammen mit Lovis Corinth, Alfred Lichtwark, Max Slevogt und anderen in Weimar den Deutschen Künstlerbund. Im gleichen Jahr erfolgte eine erste Veröffentlichung als Professor der Akademie der Künste: Unter dem Titel Die Phantasie in der Malerei lehnte er Gebilde, die nicht auf die Anschauung eines Wirklichen zurückgingen, kategorisch ab. Bei der Malerei sei das Sujet im Grunde gleichgültig, es komme auf „die den malerischen Mitteln am meisten adäquate Auffassung der Natur“ an. Damit lehnte er die junge Bewegung der abstrakten Kunst, insbesondere den Expressionismus, entschieden ab. Liebermanns Essay war keine Kampfschrift, es war sein persönliches Plädoyer für den Naturalismus und den Impressionismus. Für die nachwachsende Avantgarde des Expressionismus verschob sich so langsam das „Feindbild“ von der reaktionären Akademieleitung zum impressionistischen Secessionsvorstand. Als Reaktion auf Liebermanns Aufsatz griffen Henry Thode und Hans Thoma dessen Kunstanschauung an: In Bezug auf sein naturalistisches Frühwerk erklärten sie, sie seien nicht gewillt, sich „von Berlin aus aufgewärmten Kohl als Kunstgesetze diktieren zu lassen“. Diese Argumentation deutete bereits auf die spätere Secessionskrise hin.

Als die Berliner Secession 1905 von der Kantstraße in ein größeres Ausstellungsgebäude am Kurfürstendamm zog, knüpfte Liebermann engere Kontakte zu Wilhelm von Bode, dem Direktor der Nationalgalerie. Im Sommer malte er in Amsterdam Ölgemälde der Judengasse, die er drei Jahrzehnte zuvor kennengelernt hatte. Im September ging er erneut für eine Auftragsarbeit Lichtwarks nach Hamburg, um für die Hamburger Kunsthalle ein repräsentatives Bild von neun Hamburger Professoren zu malen. Liebermanns Schaffenskraft hatte ihren Höhepunkt erreicht. Seit dem Tod Adolph Menzels, der ihn stark beeinflusst hatte, war er zudem zum einzigen Spitzenvertreter Berliner Kunst geworden.

1907 widmete die Berliner Sezession ihrem Präsidenten eine große Geburtstagsausstellung, die ein großer Besuchererfolg wurde. Seinen 60. Geburtstag verbrachte Liebermann in Noordwijk, wo er sich von der Begeisterung um seine Person zurückzog. Seit 1900 befasste sich Liebermann zudem verstärkt mit der Grafik und der Bleistift-Zeichnung. 1908 präsentierte die Secession 59 seiner Radierarbeiten in der „Schwarz-Weiß-Ausstellung“.

1908 verstarb Walter Leistikow, der als Gründer eine wichtige Stütze der Berliner Secession gewesen war. Die Gesundheitslage Liebermanns verschlechterte sich seit Frühjahr 1909, weshalb er zur Kur nach Karlsbad fuhr. Gerade in dieser Zeit brach der Generationenkonflikt aus, der zwischen Impressionisten und Expressionisten seit längerem unter vorgehaltener Hand schwelte: 1910 wies der Secessionsvorstand unter Liebermann 27 expressionistische Bilder zurück: Der Präsident erhob seine Meinung vom Expressionismus zur Institution, und so trat der ehemalige Rebell gegen die Akademie-Kunst selbst als konservativer Wortführer auf. Damit leitete er gleichzeitig den Zerfall der Secessionsbewegung ein. Den Gegenpart vertrat in diesem Konflikt Emil Nolde, der schrieb: „Dem so klugen alten Liebermann geht es wie manchem klugen Mann vor ihm: er kennt seine Grenzen nicht; sein Lebenswerk […] zerblättert und zerfällt; er sucht zu retten, wird dabei nervös und phrasenhaft. […] sie erkennt, wie absichtlich dies alles ist, wie schwach und kitschig. […] Er selbst beschleunigt das Unvermeidliche, wir Jüngeren können es gelassen mit ansehen.“

Nolde warf Liebermann die grundsätzliche Fortschrittsfeindlichkeit und eine diktatorische Macht innerhalb der Sezession vor. Zumindest Ersteres ging in Teilen an der Realität vorbei: Im Jahr 1910 kamen erstmals Werke Pablo Picassos, Henri Matisses, Georges Braques und der Fauvisten zur Ausstellung. Der Sezessionsvorstand stellte sich hinter seinen Präsidenten und nannte Noldes Vorgehen eine „krasse Heuchelei“. Man berief eine Generalversammlung ein, die mit 40 zu 2 Stimmen für den Ausschluss Noldes stimmte. Liebermann selbst hatte gegen den Ausschluss gestimmt und führte in einer Verteidigungsrede aus: „Ich bin absolut gegen die Ausschließung des Schreibers, selbst auf die Gefahr hin, dass ähnliche Motive […] zu […] solchen sogenannten «Oppositionen der Jüngeren» treiben könnten.“

Obwohl Liebermann aus dieser Debatte gestärkt hervorging, hatte Nolde sein Ziel erreicht: Die Secession war in ihren Grundfesten erschüttert. Durch seine eigenen Bemühungen zur Ehrenrettung Noldes hatte er seine Toleranz verdeutlichen wollen, doch die Spaltung der Secessionsbewegung war nicht aufzuhalten. 1910 kam es zum Bruch innerhalb der Berliner Secession, als viele Werke meist expressionistischer Künstler von der Jury zurückgewiesen worden waren, unter ihnen der Berliner Maler Georg Tappert. Auf Initiative von Georg Tappert, gefolgt von Max Pechstein und weiteren Künstlern, so auch Nolde, bildete sich die Neue Secession. Sie eröffnete am 15. Mai ihre erste Ausstellung unter dem Titel „Zurückgewiesene der Secession Berlin 1910“. Pechstein war der Präsident, Tappert erster Vorsitzender der Gruppe. In die Neue Secession traten beispielsweise Maler der Brücke und der Neuen Künstlervereinigung München ein. Im Frühjahr 1911 flüchtete Liebermann vor der Secessionskrise in Berlin nach Rom. Der Tod seines Freundes Jozef Israëls fiel ebenfalls in diese Zeit. Die Kritik an seinem Führungsstil wurde immer lauter, bis sie schließlich sogar aus den eigenen Reihen drang: Am 16. November 1911 trat Liebermann selbst als Präsident der Berliner Secession zurück. Max Beckmann, Max Slevogt und August Gaul nahmen ebenfalls ihren Abschied. Die Generalversammlung wählte Liebermann zu ihrem Ehrenpräsidenten und übertrug Lovis Corinth die Secessionsführung. Mit dieser Entscheidung wurde das Ende der Secession vorweggenommen und der Niedergang des deutschen Impressionismus besiegelt.

Bereits 1909 hatte Liebermann ein Grundstück am Ufer des Wannsees erworben. Dort ließ er sich nach Vorbildern Hamburger Patriziervillen durch den Architekten Paul Otto August Baumgarten einen Landsitz errichten. Die Liebermann-Villa, die dieser im Sommer 1910 erstmals bezog, nannte er sein „Schloss am See“. Darin fühlte sich Liebermann wohl und genoss besonders seine persönliche Gestaltung. Besondere Freude bereitete ihm der große Garten, der von ihm und Alfred Lichtwark entworfen wurde und als Sujet Eingang in zahlreiche Spätwerke Liebermanns fand.

Die erste post-Liebermann’sche Jahresausstellung der Secession geriet 1912 unter dem Vorsitz Corinths zu keinem Erfolg. Den Sommer des Jahres verbrachte Liebermann wiederum in Noordwijk. Bei einem Aufenthalt in Den Haag verlieh ihm Königin Wilhelmina den Hausorden von Oranien. Die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin ernannte ihn zum Ehrendoktor, und es erfolgte auch der von ihm lang ersehnte Ruf in den Senat der Akademie der Künste. Die Kunsthochschulen in Wien, Brüssel, Mailand und Stockholm machten ihn zu ihrem Mitglied. Berliner Bürger, die Rang und Namen hatten, ließen sich von Liebermann porträtieren.

Anfang 1913 trat Corinth als Vorsitzender der Secession mit dem gesamten Vorstand zurück, Paul Cassirer wurde zum Vorsitzenden gewählt. Der Ehrenpräsident versuchte diese Berufung eines Nicht-Künstlers zu verhindern, wollte aber nicht „wieder in die Bresche springen“. Cassirer schloss für die Jahresausstellung 1913 genau die Mitglieder aus, die in der Generalversammlung gegen ihn gestimmt hatten. Auf deren Seite stellte sich unerwartet Lovis Corinth. Liebermann und andere Gründungsmitglieder der Secession verließen in dieser zweiten Krise die Vereinigung. Im Februar 1914 erfolgte schließlich die Gründung der „Freien Secession“, die Tradition der ersten Secessionsbewegung fortsetzte. Zwischen Liebermann und Corinth bestand eine für die Rumpfsecession und die Freie Secession symbolische Feindschaft. Corinth versuchte bis zu seinem Tode nach Möglichkeit gegen Liebermann vorzugehen und zeichnete auch in seiner Autobiografie ein zutiefst von Abneigung erfülltes Bild seines Kollegen, der sich immer weiter aus dem Rampenlicht zurückzog und sich seinem Garten am Wannsee widmete.

Drei Wochen nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs schrieb der 67-jährige Liebermann: „Ich arbeite so ruhig als möglich weiter, in der Meinung, dass ich dadurch dem Allgemeinen am besten diene.“ Trotz solcher Äußerungen war er vom allgemeinen Patriotismus erfasst. Er widmete sich der künstlerischen Kriegspropaganda und zeichnete für die Zeitung Kriegszeit – Künstlerflugblätter, die von Paul Cassirer wöchentlich herausgegeben wurde. Die erste Ausgabe zeigte eine Lithographie Liebermanns der bei Kriegsbeginn vor dem Berliner Stadtschloss anlässlich der „Parteienrede“ Wilhelms II. versammelten Massen. Liebermann begriff die Worte des Kaisers als Aufruf, der nationalen Sache zu dienen und gleichzeitig die gesellschaftlichen Schranken zurückzufahren. So konnte in dieser Zeit seine doppelte Außenseiterrolle als Jude und Künstler (zumindest scheinbar) aufgehoben werden. Durch den prosemitischen Aufruf des Kaisers „An meine lieben Juden“ fühlte er sich zusätzlich zur zivilen Mitwirkung im Kriege verpflichtet. Der frühere Vorkämpfer der Secessionsbewegung stand nun vollkommen auf dem Boden des Kaiserreichs. Er identifizierte sich mit der Burgfriedenspolitik des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg, der versuchte, innere Gegensätze in der deutschen Gesellschaft zu überbrücken. Bethmann Hollweg vertrat liberalere Ansichten als die Kanzler vor ihm, 1917 wurde er von Liebermann in einer Lithografie porträtiert.

Im Herbst 1914 gehörte Max Liebermann zu den 93 Unterzeichnern, überwiegend Professoren, Schriftsteller und Künstler, des Aufrufes „An die Kulturwelt!“, in dem deutsche Kriegsverbrechen mit einem sechsfachen „Es ist nicht wahr!“ zurückgewiesen wurden. Er äußerte sich nach dem Krieg selbstkritisch über diesen Aufruf: „Zu Beginn des Krieges überlegte man nicht erst lange. Man war mit seinem Lande solidarisch verbunden. Ich weiß wohl, dass die Sozialisten eine andere Auffassung haben. […] Ich bin nie Sozialist gewesen, und man wird es auch nicht mehr in meinem Alter. Meine ganze Erziehung habe ich hier erhalten, mein ganzes Leben habe ich in diesem Hause zugebracht, das schon meine Eltern bewohnten. Und es lebt in meinem Herzen auch das deutsche Vaterland als ein unantastbarer und unsterblicher Begriff.“

Zudem trat er in die Deutsche Gesellschaft 1914 ein, in der sich unter dem Vorsitz des liberal-konservativen Politikers Wilhelm Solf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu politischem und privatem Austausch zusammenschlossen. Einzige Bedingung war nicht eine bestimmte eigene politische Richtung, sondern lediglich das Eintreten für die Burgfriedenspolitik des Kanzlers Bethmann Hollweg. Je weiter der Krieg fortschritt, desto größer wurde Liebermanns Rückzug ins Private, in sein Landhaus am Wannsee. Doch auch die Porträtmalerei beschränkte sich zu Anfang nur auf Militärs, wie Karl von Bülow. Bereits vor Kriegsausbruch war Liebermann der unangefochtene Porträtmaler des Berliner Großbürgertums gewesen: Wer etwas auf sich hielt, ließ sich von ihm in Öl malen. Auf diese Weise entstand ein enormes Œuvre an Porträts, das Liebermanns Ruf als Maler seiner Epoche festigte. Für seine große Kriegsbegeisterung musste er dagegen später starke Kritik einstecken. Der Kunstschriftsteller Julius Meier-Graefe schrieb in Bezug auf die Lithographien in der Kriegszeit: „Mancher gibt heute Kuh und Kohlstrunk auf und entdeckt auf einmal in dem Krieg neue Motive, ein anderer kommt auf den Einfall, seinem Polospieler einen Säbel in die Hand zu geben, und bildet sich ein, so schaffe man einen Sieger.“

Liebermann verließ Berlin mit Ausnahme zweier Kuraufenthalte in Wiesbaden 1915 und 1917 nicht. Somit verbrachte er die Sommer nicht mehr in den Niederlanden, sondern am Wannsee, während er im Winter am Pariser Platz wohnte. Seine Familie litt nicht Not, auch wenn sie wegen der Versorgungsunsicherheit die Blumenbeete seines Landhauses zum Gemüseanbau nutzte. Im Mai 1915 heiratete Käthe Liebermann, die mittlerweile fast 30-jährige Tochter des Malers, den Diplomaten Kurt Riezler, der als Berater Bethmann Hollwegs enge Kontakte zur Politik hatte. In diesem Jahr verstarb Anton von Werner, gleichsam als Symbol einer endenden Ära, ebenso Liebermanns Cousin Emil Rathenau. Die Gründer-Generation schied, und eine neue Zeit stand vor ihrem Beginn.

Im April 1916 erschien Liebermanns Aufsatz Die Phantasie in der Malerei erstmals in Buchform. In der neuverfassten Einleitung schrieb er: „Waren die ästhetischen Ansichten verwirrter als heut? – Wo ein jüngerer Kunsthistoriker Wilhelm Worringer aus den Schützengräben Flanderns heraus schreibt, dass der Krieg nicht nur für die Existenz Deutschlands, sondern über den Sieg des Expressionismus entscheidet.“ Als die Kriegszeit 1916 ihren Namen im Zuge der nachlassenden Kriegsbegeisterung in „Bildermann“ änderte, gab Liebermann die Mitwirkung auf. Stattdessen befasste er sich erstmals mit der Illustration: 1916 und 1917 entstanden Arbeiten zu Goethes Novelle und Der Mann von fünfzig Jahren sowie Kleists Kleinen Schriften. Sein illustratorischer Stil beschreibt die Atmosphäre an Wendepunkten der Dramaturgie und war nicht zum Erzählen angelegt, weshalb ihm der Durchbruch auf diesem Gebiet nicht gelang und er die Arbeit an Illustrationen bald für zehn Jahre einstellte.

1917 widmete die Preußische Akademie der Künste Liebermann zum 70. Geburtstag eine große Retrospektive seines Werkes. Fast 200 Gemälde wurden in der Ausstellung gezeigt. Julius Elias nannte die Ehrungen für den Maler „eine Krönung“. Der Direktor der Nationalgalerie Ludwig Justi (Nachfolger von Tschudis) stellte ihm ein eigenes Kabinett in Aussicht. Wilhelm II. stimmte der Geburtstagsausstellung zu und verlieh Liebermann den Roten Adlerorden III. Klasse. Der Geehrte stellte zufrieden fest, Seine Majestät habe das Kriegsbeil gegen die moderne Kunst begraben. Walther Rathenau veröffentlichte im Berliner Tageblatt ein Essay über die Ausstellung: „In Liebermann malt das neue, großstädtisch mechanisierte Preußen sich selbst. […] Der Sohn der Stadt, des jüdischen Patriziats, der übernationalen Bildung wurde zu diesem Dienst ausersehen; ein Mensch des Geistes und Willens, des Kampfes, der Leidenschaft und Reflexion musste es sein.

Am 18. Januar 1918 fand die feierliche Eröffnung des Max-Liebermann-Kabinetts der Nationalgalerie statt. Die Einweihungsrede hielt der Kultusminister Friedrich Schmidt-Ott. Wenige Wochen später streikten allein in Berlin 500.000 Arbeiter – das Reich stand vor einem Umbruch. Als schließlich die Novemberrevolution ausbrach, hielt sich Liebermann im Haus am Pariser Platz auf. In seinem eigenen Haus wurden Maschinengewehre der Monarchisten installiert, weshalb die Soldaten der Revolutionäre das Palais angriffen. Nachdem eine Kugel durch die Wand der ersten Etage in den Salon gegangen war, ergaben sich die Verteidiger. Nach diesem Vorfall brachte Liebermann seine wertvolle Bildersammlung in Sicherheit und zog mit seiner Frau für einige Wochen ins Haus der Tochter. Den politischen Veränderungen stand Liebermann negativ gegenüber: Zwar befürwortete er die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen und demokratisch-parlamentarische Reformen auf Reichsebene, doch brach für ihn „eine ganze Welt, wenn auch eine morsche“, zusammen. Er hatte bereits 1917 den Abgang Bethmann Hollwegs bedauert und sah in der Republikanisierung die Chance auf eine parlamentarische Monarchie vertan. „Wir haben inzwischen böse Zeiten durchgemacht. […] Berlin ist zerlumpt, schmutzig, abends dunkel, […] eine todte Stadt, dazu Soldaten, die Streichhölzer oder Zigaretten in der Friedrichstraße oder Unter den Linden verkaufen, blinde Drehorgelspieler in halbverfaulten Uniformen, mit einem Wort: jammervoll.“

Nach Kriegsende und Revolution übernahm Liebermann 1920 das Amt des Präsidenten der Berliner Akademie der Künste. Die Secessionen bestanden parallel dazu weiterhin, bis sie fast lautlos zerfielen. Mit der Wahl Max Liebermanns zum Akademiepräsidenten endete de facto die Zeit der Secessionsbewegung. Er versuchte, die verschiedenen Strömungen unter dem Dach der Akademie zu vereinigen, und bezog dabei auch den Expressionismus ein. In der Eröffnungsrede der Akademieausstellung sagte er: „Wer selbst in seiner Jugend die Ablehnung des Impressionismus erfahren hat, wird sich ängstlich hüten, gegen eine Bewegung, die er nicht oder noch nicht versteht, das Verdammungsurteil zu sprechen, besonders als Leiter der Akademie, die wiewohl ihrem Wesen nach konservativ, erstarren würde, wenn sie sich der Jugend gegenüber rein negativ verhalten würde.“ Damit war er zu seiner Liberalität der Zeit vor der Sezessionskrise zurückgekehrt und versuchte nun, mit Toleranz die Geschicke der Akademie zu lenken.

Angesichts der Notwendigkeit eines Neuaufbaus der zusammengebrochenen kaiserlichen Institution gelang es Liebermann, ihr eine demokratische Struktur, ein freiheitliches Unterrichtswesen und gleichzeitig größere Beachtung der Öffentlichkeit zu verschaffen. Durch seine Fürsprache wurden Max Pechstein, Karl Hofer, Heinrich Zille, Otto Dix und Karl Schmidt-Rottluff in die Akademie aufgenommen.

1922 wurde Walther Rathenau von rechtsradikalen Aktivisten ermordet. Liebermann wurde von dem Mord an seinem Verwandten und Weggefährten zutiefst aufgewühlt. Er fertigte Lithografien zu Heinrich Heines Rabbi von Bacharach neben zahlreichen Gemälden seines Gartens und Zeichnungen im Gedenken an gefallene jüdische Frontsoldaten. Am 7. Oktober 1924 verstarb sein jüngerer Bruder Felix Liebermann, der ihm zeit seines Lebens auch ein Freund gewesen war. Nur zwei Tage später hatte er den Tod seines Verwandten Hugo Preuß, des Vaters der Weimarer Verfassung, zu beklagen. Liebermann zog sich immer mehr in sich selbst und seinen Garten zurück. Auf seine Mitmenschen wirkte er oft unwirsch und mürrisch.

Dennoch trat er weiterhin, obgleich seine eigenen Werke als „Klassiker“ oder missgünstig als altmodisch galten, für künstlerische Progressivität und auch politische Kunst ein. So unterstützte er das Gemälde Schützengraben von Otto Dix, das das Grauen des Weltkrieges emotional darstellte und dem vorgeworfen wurde, ein „tendenziöses Machwerk“ zu sein; für Liebermann war es „eines der bedeutendsten Werke der Nachkriegszeit“. Gleichzeitig polemisierte er, trotz seiner im Grunde toleranten Anschauungen, gegen Ludwig Justi, der Expressionisten in der Nationalgalerie zur Ausstellung brachte. Seine öffentlichen Anfeindungen stellen ein tragisches Kapitel seiner Biographie dar. Im September 1926 äußerte sich Max Liebermann in der Jüdisch-Liberalen Zeitung. In der Jom Kippur-Ausgabe bekannte er sich öffentlich zu seinem Glauben, zu dem er im Alter verstärkt zurückfand. Er unterstützte darüber hinaus das jüdische Kinderheim „Ahawah“ und den Hilfsverein der deutschen Juden.

1927 trat Liebermann wieder ins Licht der Öffentlichkeit: Medien und Kunstwelt feierten ihn und sein Werk anlässlich seines 80. Geburtstags. Unter den Gratulanten fanden sich neben dem Berliner Urgestein Zille auch internationale Größen wie Albert Einstein, Heinrich und Thomas Mann sowie Hugo von Hofmannsthal. Nie zuvor wurde ein deutscher Künstler von seiner Heimatstadt in einer solchen Form geehrt, wie es Berlin mit der über 100 Gemälde Liebermanns umfassenden Geburtstagsausstellung tat. Sein Lebenswerk erschien mittlerweile klassisch, der ehemals provokante Stil wirkte 1927 wie Dokumente einer vergangenen Epoche. Daher entgegnete der alte Liebermann Kritikern, die ihm Weltentrücktheit und Konservatismus vorwarfen, im Katalog der Ausstellung: „Der Fluch unserer Zeit ist die Sucht nach dem Neuen […]: der wahre Künstler strebt nach nichts anderem, als: zu werden, der er ist.“

Die Stadt Berlin verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde, um die allerdings in der Stadtverordnetenversammlung hitzig gerungen wurde. An seinem Geburtstag ehrte Reichspräsident Paul von Hindenburg Liebermann mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches „als Zeichen des Dankes, den Ihnen das deutsche Volk schuldet“. Innenminister Walter von Keudell überreichte ihm die Goldene Staatsmedaille mit der Prägung „Für Verdienste um den Staat“.

Ende 1927 porträtierte Liebermann den Reichspräsidenten Hindenburg. Obgleich er sich politisch nicht zu ihm bekannte, so nahm er doch den Auftrag gerne an und empfand ihn als weitere Ehrung. In seiner Arbeit verzichtete er auf pathetische Elemente der Darstellung. Die Porträtsitzungen der Gleichaltrigen waren geprägt von gegenseitigem Respekt und gewisser Sympathie. In Hindenburg sah der „Altmeister der deutschen Moderne“ einen altgedienten preußischen Patrioten, der unmöglich in Unvernunft entgleisen könnte. Liebermann schrieb: „Neulich hat ein Hitlerblatt geschrieben – man hat mir das zugeschickt –, es wäre unerhört, dass ein Jude den Reichspräsidenten malt. Über so etwas kann ich nur lachen. Ich bin überzeugt, wenn Hindenburg das erfährt, lacht er auch darüber. Ich bin doch nur ein Maler, und was hat die Malerei mit dem Judentum zu tun?“ Der Schriftsteller Paul Eipper hielt in seinen „Ateliergesprächen“ über seine Begegnung mit Liebermann am 25. März 1930 in dessen Haus am Pariser Platz in Berlin fest: „Wir sprechen von Hindenburg. Er (Liebermann) ist begeistert von ihm.“

Liebermanns Kopf war zeitlebens ein beliebtes Sujet für Maler, Fotografen und Karikaturisten. Gemalt wurde er, neben Lovis Corinth, auch vom Schweden Anders Zorn und vom Niederländer Jan Veth, fotografiert von Yva und mehrfach von Nicola Perscheid- karikiert unter anderem von Heinrich Zille. Der Bildhauer Fritz Klimsch fertigte im Jahre 1912 eine Bronzebüste.

1932 erkrankte Liebermann ernsthaft. Aus diesem Grund stellte er sein Amt als Akademiepräsident zur Verfügung, wurde aber gleichzeitig zu ihrem Ehrenpräsidenten gewählt. Durch die Behandlung des befreundeten Arztes Ferdinand Sauerbruch gesundete der Maler wieder. Die Bildnisse, die er von Sauerbruch fertigte, stellen den Abschluss seines Porträtwerkes dar und sind auch ihr Höhepunkt. Zum letzten Mal wandte er sich darin einem individuell neuen Motiv zu.

Der 30. Januar 1933 war der Tag der Machtübergabe an die Nationalsozialisten. Als an diesem Tag vor seinem Haus am Pariser Platz der Fackelzug der neuen Machthaber vorbeimarschierte, sprach Liebermann in seiner Berliner Mundart den viel zitierten Satz:„Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.“

Sich gegen die beginnende Veränderung in der Kulturpolitik zur Wehr zu setzen, wie es etwa Käthe Kollwitz, Heinrich Mann oder Erich Kästner durch ihre Unterzeichnung des Dringenden Appells im Juni 1932 taten, wollte Liebermann nicht riskieren. „Das Natürliche wäre auszutreten. Aber mir, als Juden, würde das als Feigheit ausgelegt worden.“ Am 7. Mai 1933, nach dem Beginn der Gleichschaltung im Sinne der nationalsozialistischen Deutschen Kunst, legte Liebermann Ehrenpräsidentschaft, Senatorposten und Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste nieder und erklärte in der Presse: „Ich habe während meines langen Lebens mit allen meinen Kräften der deutschen Kunst zu dienen gesucht. Nach meiner Überzeugung hat Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun, ich kann daher der Preußischen Akademie der Künste […] nicht länger angehören, da dieser mein Standpunkt keine Geltung mehr hat.“

Auf Rat des Schweizer Bankiers Adolf Jöhr konnte er die 14 wichtigsten Werke seiner Kunstsammlung ab Mai 1933 im Kunsthaus Zürich deponieren, wo Wilhelm Wartmann Direktor war.

Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück, während kaum einer seiner Weggefährten ihm beistand und die Treue hielt. Einzig Käthe Kollwitz suchte noch Zugang zu ihm. 1934 entstand ein letztes Selbstbildnis. Einem seiner letzten Besucher gestand Liebermann: „Ich lebe nur noch aus Hass. […] Ich schaue nicht mehr aus dem Fenster dieser Zimmer – ich will die neue Welt um mich herum nicht sehen.“

Am 8. Februar 1935 starb Max Liebermann in seinem Haus am Pariser Platz. Käthe Kollwitz berichtete, er sei abends um sieben still eingeschlafen. Die Totenmaske fertigte Arno Breker an, der in dieser Zeit Hitlers bevorzugter Bildhauer wurde. Die Fotografin Charlotte Rohrbach nahm die Gipsmaske auf.

Sein Tod war den bereits gleichgeschalteten Medien keine Nachricht wert, er fand – wenn überhaupt – nur am Rande Erwähnung. Die Akademie der Künste, die mittlerweile zu einem Instrument der Nationalsozialisten geworden war, lehnte jede Ehrung des Altpräsidenten ab. So erschien zu seiner Beerdigung auf dem Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee am 11. Februar 1935 auch kein offizieller Vertreter – weder der Akademie noch der Stadt, deren Ehrenbürger er seit 1927 war. Die Gestapo hatte im Voraus sogar die Teilnahme an der Bestattung untersagt, in der Befürchtung, sie könnte zu einer Demonstration für die Kunstfreiheit werden. Dennoch kamen annähernd 100 Freunde und Verwandte. Unter den Trauernden waren Käthe Kollwitz, Hans Purrmann und seine Ehefrau Mathilde Vollmoeller-Purrmann, Konrad von Kardorff, Otto Nagel, Ferdinand Sauerbruch mit seinem Sohn Hans Sauerbruch, Bruno Cassirer, Georg Kolbe, Max J. Friedländer, Friedrich Sarre und Adolph Goldschmidt. Gemäß Saul Friedländer nahmen nur drei „arische“ Künstler an der Beerdigung teil. In seiner Trauerrede wies Karl Scheffler darauf hin, dass man mit Liebermann nicht nur einen großen Künstler, sondern eine Epoche zu Grabe trage, für die er symbolisch stand Die Ehrengrabstätte des Landes Berlin befindet sich im Feld E.

Obschon der Kunsthändler Walter Feilchenfeldt und der Sammler Oskar Reinhart versuchten, Ende 1941 Martha Liebermann in die Schweiz zu holen, und Reinhart bereit war, eine größere Summe zur Verfügung zu stellen, um sie aus Deutschland zu retten, scheiterte die Aktion an der Willkür des NS-Regimes.

Als eine Deportation ins KZ Theresienstadt unmittelbar drohte, nahm Martha Liebermann eine Überdosis Veronal und starb am 10. März 1943 im Jüdischen Krankenhaus von Berlin. Etwa ein halbes Jahr später beschlagnahmte die Gestapo den Großteil von Liebermanns berühmter privater Kunstsammlung. Das Palais Liebermann am Pariser Platz versank bald darauf in Trümmern.

1919 veröffentlichte Hermann Struck die dritte Auflage seines Werks Die Kunst des Radierens und würdigte erstmals neben Altmeistern wie Dürer und Rembrandt auch die jungen Meister wie Oskar Kokoschka, Max Liebermann und Ernst Oppler. Das Sammeln von Radierungen trat aus dem Schatten hervor, nur eine billige Variante des Sammelns von Gemälden zu sein.

Im Februar 1936 veranstaltete der Kulturbund Deutscher Juden anlässlich Liebermanns ersten Todestages eine Gedächtnisausstellung in den Räumlichkeiten der Neuen Synagogen-Gemeinde. Innerhalb von sechs Wochen zog sie rund 6.000 Besucher an. Als schließlich 1943 auch Martha Liebermann verstarb, wurde der gesamte Nachlass „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen. Davon betroffen waren nicht nur Gemälde, die er selbst geschaffen hatte, sondern auch weite Teile der Sammlung Liebermann: Max Liebermann hatte zeit seines Lebens eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Berlins zusammengetragen, die auch einige Werke Manets aufwies. Mit der Beschlagnahme der Sammlung riss das NS-Regime eine einzigartige Kollektion auseinander, die in dieser Form nie wieder zusammengetragen werden konnte.

In der Zeit des Nationalsozialismus waren auch Werke Liebermanns vom Verdikt der „Entarteten Kunst“ betroffen. Allerdings wurden nur sechs Arbeiten aus Museen beschlagnahmt. Die Ächtung seines Werkes betraf weniger seine Arbeiten, in denen man kaum außerordentliche Expressivität erkennen konnte, als seine Persönlichkeit. Als liberaler, jüdischer Großbürger, der in der Weimarer Republik zu nationalen Ehrungen gekommen war und internationales Renommee besaß, war Liebermann für die NS-Ideologen kein Künstler, dessen Andenken es zu fördern galt. So setzte schon bald nach der Machtergreifung eine langsame Reduzierung der Liebermann-Bestände in öffentlichen Sammlungen ein. Im Bombenhagel gingen insgesamt vier Gemälde verloren, 114 bis 1933 erworbene Werke blieben bis 1945 in Museen erhalten.

Anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers kamen am 20. Juli 1947 in der Nationalgalerie erstmals nach dem Krieg erhaltengebliebene Werke zur Ausstellung. Gleichzeitig zeigten das Niedersächsische Landesmuseum und die Hamburger Kunsthalle ihre verbliebenen Liebermann-Arbeiten. Zwei Jahre später konnte der Direktor der Nationalgalerie, Paul Ortwin Rave, mehrere Räume wiedereröffnen. So kamen sechs Gemälde Liebermanns (Freistunde im Amsterdamer Waisenhaus, Schusterwerkstatt, Gänserupferinnen, Flachsscheuer in Laren, Bildnis Wilhelm von Bode und Bildnis Richard Strauss) zur dauerhaften Ausstellung. In den nächsten Jahrzehnten vergrößerte sich die Zahl der Liebermann-Werke in deutschen Museen durch Rückkehr angestammter Arbeiten und Neuerwerbungen – ihre Zahl liegt heute etwa doppelt so hoch wie vor 1945. Hauptwerke Liebermanns zogen als neue Akzente in westdeutsche Sammlungen ein, wie etwa die Rasenbleiche 1954 in das Wallraf-Richartz-Museum in Köln oder die Papageienallee 1955 in die Kunsthalle Bremen. Stiftungen von Privatsammlern und Rückerwerb kamen hinzu. 1954 fand im Niedersächsischen Landesmuseum anlässlich des 20. Todestages des Malers eine Ausstellung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Theodor Heuss, der sich selbst für den Erwerb von Liebermann-Werken durch westdeutsche Museen starkgemacht hatte, statt. Von einem breiten Publikum wurde dies als „Wiederentdeckung“ angesehen.

Im Vergleich zur Rehabilitierung des Werkes in den Sammlungen fiel die kunsthistorische Aufarbeitung Max Liebermanns in den ersten Nachkriegsjahrzehnten bescheiden aus. 1947 erschien in Potsdam ein Heft mit 48 Abbildungen der bedeutendsten Werke Liebermanns, verbunden mit einem Essay von Willy Kurth- 1953 wurde die seit 1906 erschienene Liebermann-Biographie von Karl Scheffler neu aufgelegt: In ihrem Mittelpunkt stand die Erkenntnis, dass aus dem Revolutionär von gestern der Klassiker von heute geworden ist. Die Veröffentlichung schloss mit den Worten: „Er ist in Deutschland der letzte bürgerliche Maler großen Stils gewesen.“

1961 erschien die erste neue Monographie, die sich mit Liebermanns Werk befasste. Der Autor, Ferdinand Stuttmann, versuchte darin, das lange Ausbleiben einer kunsthistorischen Neuaufarbeitung des Liebermann-Werkes zu erklären. Seiner Ansicht nach habe sich das „Gesicht der bildenden Kunst grundlegend geändert“, sodass die Kunst Liebermanns „der Zeit nach dem Kriege nicht mehr die Problematik und den Stoff zu einer aktuellen Darstellung“ biete. Stuttmann verstand sich ganz als Kunsthistoriker und wollte Liebermann als geschichtliche Persönlichkeit Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Während in der Bundesrepublik einerseits Anschluss an die internationale Kunstentwicklung, von der man in der NS-Zeit ausgeschlossen war, gesucht und gefunden wurde und sich gleichzeitig die historischen Werke rehabilitierten, verlief die Entwicklung in der DDR grundlegend anders: Unter sowjetischem Einfluss entstand dort ein Sozialistischer Realismus. Werke von Künstlern der Vergangenheit, die Kritik an der jeweils „herrschenden Klasse“ übten, wurden zum „nationalen Kulturerbe“ erklärt und sollten die sozialistische Ordnung stützen. So wurde auch Max Liebermann, der humanistisch-preußische Jude und fortschrittlicher Großbürger, für den Sozialismus uminterpretiert und aus der Tradition Menzels, Krügers und Blechens herausgelöst und einseitig in die Reihe von Käthe Kollwitz, Heinrich Zille und Hans Baluschek gestellt.

1965 fand in Ost-Berlin eine Ausstellung der Akademie der Künste statt, in der Liebermanns Frühwerk und seine Porträtmalerei gezeigt wurden. Besondere Kontroversen wurden um das Bild „Flachsscheuer in Laren“ geführt. Stuttmann schrieb dazu: „Liebermann schafft, jedenfalls ganz ohne Absicht, ein anklagendes Bild der sozialen Zustände seiner Zeit.“ Darauf entgegnete Karl Römpler in seinem 1958 in Dresden erschienenen Werk Der deutsche Impressionismus: „In einem Bild wie der Flachsscheuer […] fehlt die Anklage gegen ein System, das sich nicht scheut, Jugendliche auszubeuten. Hier ist Liebermann ganz Kind seiner Klasse.“ Günter Meiszner meinte dagegen im Gemälde, wie er in seiner 1974 in Leipzig veröffentlichten, marxistisch geprägten Liebermann-Monographie, der ersten in der DDR, schrieb, ein „Bekenntnisbild für den arbeitenden Menschen“ zu erkennen. Dies verdeutlicht die hitzigen und nicht selten politischen Diskussionen in der Kunstwelt, die Liebermanns Werk erfuhr.

1973 veröffentlichten Karl-Heinz und Annegret Janda eine erste ausführliche Darstellung der Kunstsammlung Liebermanns. 1970 erschien „Max Liebermann als Zeichner“ anlässlich einer Ausstellung im Kunstgeschichtlichen Institut der Universität Mainz.

Die große Ausstellung des Gesamtwerkes von 1954 fand bis Ende der 1970er-Jahre keine Nachfolge. In kleinen Ausstellungen, wie 1968 „Max Liebermann in Hamburg“, konnte lediglich ein Ausschnitt des künstlerischen Schaffens Liebermanns gezeigt werden. Meistens fanden sich seine Werke ohnehin in Überblicksausstellungen, die auch andere Künstler seiner Zeit behandelten. Auf diese Art kamen Arbeiten Liebermanns auch häufig im Ausland, insbesondere in den Vereinigten Staaten, zur Ausstellung. Herausragende Beachtung hat sein Werk international nicht gefunden – Max Liebermanns Name blieb eng verknüpft mit der deutschen Ausprägung des Impressionismus, der im europäischen Kontext ein „zu spät gekommener“ war. So gehört er in der kunsthistorischen Einordnung zwar zu den nationalen Größen in Deutschland, aber international nur zur zweiten Garde der Impressionisten.

1979/1980 fand in der Neuen Nationalgalerie in West-Berlin die Ausstellung „Max Liebermann in seiner Zeit“ statt. Eine große Retrospektive war aber seit dem Bau der Berliner Mauer und dem daraus resultierenden Fehlen der ostdeutschen Bestände unmöglich geworden. Hier wurde aber der Versuch gemacht, Liebermann in Zusammenhang mit Werken von Zeitgenossen aus Deutschland, Frankreich und Amerika darzustellen. 1985 gedachte die DDR seines 50. Todestages mit der sogenannten „Schwarzweiß-Ausstellung“ im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen. Diese wurde mit dem Eigenbesitz an Zeichnungen und Druckgrafiken aus ostdeutschen Beständen bestritten. In Ost und West erschienen anlässlich des 50. Todestages mehrere Monographien, wie die biographischen Werke Bernd Küsters und Lothar Brauners.

Seit der Deutschen Wiedervereinigung hat Max Liebermann eine Renaissance erlebt: In mehreren großen Retrospektiven konnten Gesamtdarstellungen seines Werkes vorgenommen werden und durch die Gründung der Max-Liebermann-Gesellschaft 1995, die mittlerweile über 1200 Mitglieder aufweist, die Liebermann-Villa am Wannsee als Gedenkstätte dem Publikum zugänglich gemacht werden. Nach Restaurierungs- und Wiederherstellungsarbeiten zwischen 2002 und 2006, die auch den Wannseegarten betrafen, besteht dort nun ein bleibendes Museum zum Gedenken an Max Liebermann und der Beschäftigung mit seinem Werk. 2006/2007 fand eine gemeinsame Ausstellung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover, des Drents Museums Assen und des Rijksmuseums in Amsterdam unter dem Titel Max Liebermann und die Holländer (niederländischer Titel: Max Liebermann en Holland) statt, die die Werke Liebermanns auch dem niederländischen Publikum näher brachte.

Eine von mehreren existierenden Versionen des Gemäldes Zwei Reiter am Strand von 1901 (restituiert im Mai 2015) wurde während einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Augsburg zum Schwabinger Kunstfund am 5. November 2013 beispielhaft zusammen mit weiteren zehn Werken anderer Künstler, darunter Marc Chagall, Otto Dix, Franz Marc und Henri Matisse, gezeigt. Sie stammten aus der Sammlung des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, die bei seinem Sohn Cornelius im Februar 2012 in Schwabing beschlagnahmt wurde.

Seit 2011 erscheint im Deutschen Wissenschafts-Verlag (DWV) unter der Herausgeberschaft der Max-Liebermann-Gesellschaft (Berlin) die auf acht Bände angelegte wissenschaftliche Edition der mehr als 2600 Briefe Max Liebermanns sowie von etwa 500 Gegenbriefen

1897 präsentiert Max Slevogt seine Arbeiten in Wien zum ersten Mal in einer Einzelausstellung. Seine Teilnahme an der Schau der Münchner Secession 1899 mit dem Gemälde „Danaë“ gerät zum Skandal; das Bild wird als obszön aus der Schau entfernt. Dagegen feiert er mit dem Triptychon „Der verlorene Sohn“ auf der ersten Ausstellung der Berliner Sezession einen überragenden Erfolg, in dessen Folge er als einer der offiziellen Vertreter der Kunst des Deutschen Reiches auf der Weltausstellung von 1900 in Paris vertreten ist. Aus diesem Anlass reist er zum zweiten Mal nach Paris, wo er sich nun verstärkt mit der Malerei des französischen Impressionismus auseinandersetzt. Im Zentrum seines Interesses steht das Werk von Edouard Manet ; ausgestattet mit einer Empfehlung seines Freundes Paul Cassirer hat er Zugang zu privaten Sammlungen und kann so auch Werke des französischen Künstlers studieren, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.

1901 wird Slevogt auf Veranlassung des bayrischen Prinzregenten Luitpold als Professor an die Münchner Akademie berufen. Ermutigt von seinen Erfolgen an-lässlich der Berliner Ausstellung übersiedelt er, nach kurzem Aufenthalt in Frank­furt, wie Lovis Corinth nach Berlin, wo er Mitglied der dortigen Sezession wird.[25] 1914 wird er an die königliche Akademie der Künste berufen, wo er ab 1917 ein Meisteratelier für Malerei leitet. Bei seinem Tod 1932 hinterlässt er ein umfang-reiches und vielfältiges Oeuvre. Es umfasst neben zahlreichen Gemälden, darunter viele Porträts und Auftragsarbeiten wie z. B. für Prinzregent Luitpold, mehrere grafische Zyklen, so zu Mozarts Oper „Die Zauberflöte“, Illustrationen zu Märchenstoffen wie „Ali Baba und die vierzig Räuber“ und Romanen wie James Fenimore Coopers „Lederstrumpf“, Bühnenbilder für Max Reinhardt am Deutschen Theater Berlin und für die Dresdner Oper, Wandbilder in seinen Arbeitsräumen auf Neukastel und für die Friedenskirche in Ludwigshafen.

Max Slevogt studiert an der Akademie der Künste in München; dort wird die Tradition des Historienbildes gepflegt, geprägt von Künstlern wie Moritz von Schwind, Wilhelm von Kaulbach, Franz von Lenbach und Karl von Piloty. Mit der Romantik gewinnt die Landschaftsmalerei an Bedeutung, angeregt durch die Schule von Barbizon orientiert sie sich vor allem an der Pleinairmalerei. Unter den impressionistischen Malern Deutschlands ist Max Slevogt der große Erzähler, geprägt von der Tradition der Historienmalerei. Mythen und Legenden, biblische Stoffe und Märchen regen ihn auch nach seiner akademischen Aus-bildung zu vielfältigen bildnerischen Arbeiten an. Sein Interesse gilt dem Menschen, dessen Ausdrucksmöglichkeiten er in zahlreichen Werken auslotet, vom klassischen Porträt über Künstler- und Bühnenstudien am Beispiel des Sängers Francisco d´Andrade und Familienbildnisse bis hin zu einer großen Zahl von Selbstdarstellungen aus allen Schaffensperioden. Leitbilder sind für ihn Edouard Manet und Rembrandt, mit deren Schaffen er sich intensiv auseinander setzt. So nutzt er Reise]n, um Werke der Künstler vor Ort, in Paris und Amsterdam, zu studieren, nicht zuletzt angeregt durch seinen Freundeskreis, zu dem der Kunsthistoriker Karl Voll und Sammler und Galeristen wie die beiden Cousins Cassirer gehören. Die Landschaftsdarstellung gewinnt in seinem Werk mit den Aufenthalten in der Pfalz und letztlich mit dem Erwerb des Sommersitzes Neukastel an Bedeutung. Hier entstehen viele Landschaftsbilder, die den Wechsel der Tages- und Jahreszeiten und die mit ihnen einhergehende Wahrnehmung der Natur reflektieren.

Ausgangspunkt für Max Slevogts Arbeiten sind in vielen Fällen umfangreiche Skizzen und Vorstudien in Aquarell, Kohl, Kreide und Tusche, aber auch Fotos. Er ist unter den impressionistischen Künstlern der Grafiker. Die Faszination der Farbe und des Lichts steht bei ihm gleichberechtigt neben der Begeisterung für die Dynamik der Linie und die Klarheit grafischer Gestaltung. So finden sich in seinem Oeuvre neben vielen Einzelarbeiten mehrere bedeutende grafische Zyklen, mit denen Slevogt zumeist als Illustrator literarischer Vorlagen in Erscheinung tritt. In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts arbeitet er für die Zeitschriften „Jugend“ und „Simplicissimus“, später gestaltet er grafische Folgen, die ihre Motive aus Märchen wie denen der Gebrüder Grimm oder den Erzählungen aus tausendundeiner Nacht, aus Coopers „Lederstrumpf“ oder Goethes „Faust“ schöpfen. Neben seinem Engagement als Maler und Grafiker ist Max Slevogt nicht nur ein profunder Kenner, sondern auch ein großer Liebhaber der klassischen Literatur und Musik, er verehrt Wolfgang Amadeus Mozart ebenso wie Richard Wagner.

Das Champagnerlied oder Der Weiße d’Andrade ist ein Ölgemälde von Max Slevogt. Es ist 215 cm × 160 cm groß, 1901/1902 entstanden und hängt heute in der Staatsgalerie Stuttgart.

Der Weiße d’Andrade ist eines von drei großformatigen Gemälden, die Slevogt dem portugiesischen Bariton Francisco d’Andrade widmete. Es gilt als wichtiges Werk des deutschen Spätimpressionismus, das mit seiner malerisch-pastosen Malweise Slevogts künstlerischen Ruf neben Lovis Corinth und Max Liebermann festigte.

Zugleich hatte Slevogt in Deutschland den neuen Bildtyp des Rollenporträts eingeführt. Lovis Corinth malte mit Gertrud Eysoldt als Salome 1903 und Rudolf Rittner als Florian Geyer 1906 weitere Rollenporträts. „Im völligen Aufgehen der Darsteller in ihren Rollen werden sie mit dem Schicksal derer identifizierbar, die sie verkörpern“, schreibt Armin Zweite. Von dem Gemälde existieren zahlreiche Vorstudien und Varianten. Weitere kleine Repliken befindet sich in der Sammlung Dr. Gaubitz, Hamburg und im Besitz des Sohns d’Andrades in Lissabon. Allerdings könnte Das Champagnerlied von Édouard Manets Bildnis des Jean-Baptiste Faure als Hamlet beeinflusst sein, doch ist nicht sicher erwiesen, ob Slevogt das im Museum Folkwang Essen befindliche Gemälde bekannt war.

Das Motiv zeigt den Namensgeber von Mozarts Oper Don Giovanni während der Arie Finch’han dal vino, calda la testa (Das Champagnerlied). Don Giovanni, der große Frauenverführer, steht zentral in hellem Bildraum vor kulissenhaftem Hintergrund. Als fürstlicher Gastgeber erteilt er mit großer Grandezza den Auftrag, ein großes Fest vorzubereiten, um damit bei den Frauen leichter sein Ziel zu erreichen. „Auf denn zum Feste, froh soll es werden, bis meine Gäste glühen von Wein“ (1. Akt, 15. Szene).

Als modellhafter Interpret des Don Giovanni galt der Opernsänger Francesco d’Andrade (* 1858 in Lissabon; † 1921 in Berlin), der im Berlin der Jahrhundertwende große Erfolge feierte. Slevogt begegnete d’Andrade, der für die Darstellung dieser Rolle als „dämonisch-triebhaft“ gelobt wurde, erstmals 1894 in einer von Hermann Levi dirigierten Don Giovanni-Aufführung der Königlichen Hofoper in München und freundete sich mit ihm an. „Bis zu seinem Tod war Slevogt von der gestaltenden Phantasie des Don Giovanni Motivs nicht losgekommen. In Radierungen, Holzschnitten und Lithografien wurden die d’Andrade-Bilder wiederholt“. Als der Sänger Francesco d’Andrade 1921 starb, malte Slevogt die Grablegung Don Giovannis.

Ein weiteres Gemälde Slevogts zu diesem Thema ist das 1903 entstandene Der schwarze d’Andrade, (Öl auf Leinwand, 150 cm × 109 cm), das die vorletzte Szene des Stücks zum Thema hat (2. Akt, 14. Szene). Es zeigt den schwarz und gelb gekleideten Don Giovanni, wie seine rechte Hand von der weißen Marmorhand des Komturs gepackt wird. Die Hamburger Kunsthalle erwarb das Werk 1969 von Francisco d’Andrade jr.

Weit mehr Aufmerksamkeit erfuhr Slevogts Roter d’Andrade (Der Sänger Francisco d’Andrade als Don Giovanni), Öl auf Leinwand, 210 cm × 170 cm. Als 1912 auf Empfehlung von Ludwig Justi ein erstes Gemälde von Slevogt für die Nationalgalerie Berlin erworben werden sollte, wurden Kaiser Wilhelm II die Der Weiße d’Andrade und das erst im gleichen Jahr entstandene Gemälde Roter d’Andrade (mit der Kirchhofszene, im Hintergrund Leporello) in schwarz/weiß-Abbildungen zur Auswahl vorgelegt. Slevogt malte das Bild in Erwartung eines Ankaufs der Nationalgalerie. Wilhelm II: entschied sich für dieses neuere, „secessionistische“ Bild, eine Auswahl, die kritisiert und im Nachhinein als Fehler bezeichnet wurde. Slevogt entwarf die Bühnenbilder für Aufführungen des Don Giovanni in Berlin und Dresden.

Negerjunge Mursi ist ein 1914 entstandenes Porträtgemälde des deutschen Malers Max Slevogt. Es zeigt als Halbfigur den Jungen Mursi, einen Nubier, der Slevogt während seines Aufenthaltes in Assuan als Helfer diente. Das 57 cm × 38 cm große, in Öl auf Leinwand gemalte Bild gehört zu einer Gruppe von 20 Ägyptenmotiven, die Slevogt wenige Monate nach der Entstehung an die Gemäldegalerie in Dresden verkaufte. Heute gehört es zur Sammlung der Galerie Neue Meister.

Das Gemälde zeigt als Halbfigur mit leicht gedrehtem Oberkörper das Porträt eines jungen Nubiers. Mit bewegtem Pinselstrich hat Slevogt die Gesichtszüge modelliert und hierbei das dunkle Inkarnat aus roten und blauen Farbtönen entwickelt. Die plastische Wirkung des Porträts wird durch reflektierende Glanzpunkte auf den geschlossenen Lippen, der breiten Nase und der Stirn unterstrichen. Mit etwas zum rechten Bildrand gedrehtem Kopf ist der Blick des Jungen nicht ganz eindeutig – möglicherweise fixiert er einen Punkt außerhalb des Bildes. Der hohe Abstraktionsgrad der Ausführung lässt bestimmte Details wie die Augenbrauen nur erahnen, das im Bild zu sehende rechte Ohr nur wenig natürlich erscheinen.

Der Junge trägt ein weißes Gewand – möglicherweise eine Dschallabija – sowie einen ebenfalls weißen Turban- Diese helle Bekleidung steht im starken Kontrast zum dunklen Teint des Dargestellten, aber auch zum mehrfarbigen Hintergrund. Nur wenig ist von der Kulisse hinter dem Jungen erkennbar. Am linken Rand ist neben dem Kopf eine Pflanze mit grünen Blättern und Blüten in Purpur zu erahnen. Andere Bereiche links und rechts neben dem Kopf mit Farbvarianten von Gelb und Grün deuten weitere Pflanzen im Hintergrund an. In der linken unteren Ecke könnte eine Fläche in dunklem Grün eine Stuhllehne andeuten. Eine dunkle braune Fläche in der linken oberen Ecke zeigt möglicherweise einen Schattenbereich. Hier findet sich zudem die Signatur „Slevogt 14“.

Ägypten war seit dem 19. Jahrhundert bei Künstlern ein begehrtes Reiseziel. Bereits 1868 hatte der Maler Jean-Léon Gérôme Ägypten bereist und seinen Kollege John Singer Sargent zog es 1890–91 ebenfalls dorthin. 1911 besuchte zudem der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke Ägypten. Auch Slevogts Malerkollegen August Macke, Paul Klee und Louis Moilliet brachen im Frühjahr 1914 zu einer Reise nach Nordafrika auf, reisten aber nach Tunis statt nach Ägypten. Allen gemeinsam war die Suche nach einem Sehnsuchtsort im Orient, der Exotik und die Begegnung mit fremden Kulturen versprach.

Slevogts Reise begann am 11. Februar 1914 in Berlin und führte ihn über Triest per Schiff nach Ägypten, wo er entlang des Nils die Orte Alexandria, Kairo, Luxor und Assuan besuchte. Für Slevogt bedeutete der 39 Tage andauernde Aufenthalt in Ägypten ein für seine Gesundheit angenehmes Klima mit warmen Temperaturen und trockener Luft. Zudem war er fasziniert vom tiefblauen Himmel und den Beleuchtungseffekten der hochstehenden Sonne des Südens. Vor allem aber reizten Slevogt die fremdartigen Bewohner, die für ihn und seine Reisebegleiter Eduard Fuchs, Johannes Guthmann und Joachim Zimmermann ein Beispiel des unverfälschten Lebens darstellten. Johannes Guthmann hielt dazu in seinem Reisetagebuch fest: „Wir wollen fort von dem, was unser war, wir wollen Neues, Fremdes, Wunderbares, wir wollen Ägypten und Afrika!“.

In den Gemälden aus Ägypten lässt Slevogt wenig Interesse an der Kultur der Pharaonen erkennen, obschon er verschiedene Tempel während der Reise besichtigte. Die Bauten, Ornamente und Figuren aus altägyptischer Zeit fehlen jedoch als Motive in seinen Bildern. Stattdessen gehörten Menschen und Ansichten des zeitgenössischen Ägypten mit seiner arabisch-afrikanischen Kultur zu seinen Bildthemen. Slevogt zeigt in diesen Gemälden ein Bild von einem Orient, wie es aus Erzählungen, beispielsweise von Tausendundeiner Nacht, vermittelt wird. So malte er Wüstenlandschaften mit Kamelen, Altstadtgassen mit Bazar, verschleierte Frauen oder Bettler am Straßenrand. Für solche Motive eines märchenhaften Orients hatte er sich bereits als junger Künstler interessiert. Bereits Jahre vor der Ägyptenreise entstanden beispielsweise Bilder wie Scheherazade, dem Kalifen die Geschichten aus 1001 Nacht erzählend (Neue Pinakothek, München). Auch für die Physiognomie von Schwarzafrikanern zeigte er schon vor der Ägyptenreise Interesse. So wählte er 1912 einen Somali als Modell für die Hauptfigur des Gemäldes Der Sieger (Museum Kunstpalast, Düsseldorf). In diesem Bild postiert sich ein hochgewachsener junger Afrikaner auf eine Lanze stützend vor drei gefesselten, hellhäutigen nackten Frauen.

Während seiner Ägyptenreise wählte Slevogt wiederholt Schwarzafrikaner als Motiv seiner Bilder. In Assuan hatte er eine Gruppe junger Helfer angeheuert, um die Ausrüstung zu tragen und kleinere Hilfsdienste zu erledigen. Zu dieser Gruppe gehörte auch Mursi, den Slevogt besonders mochte. Er schrieb entsprechend am 8. März an seine Frau Antonie: „Mursi, der der netteste von allen ist mit seiner schwarzen Lackschnauze u. den schönen Zähnen“. Diese derbe Beschreibung der äußeren Erscheinung des Jungen und auch der Bildtitel Negerjunge Mursi werden zu Beginn des 21. Jahrhunderts für Menschen mit dunkler Hautfarbe allgemein als abwertend empfunden, 1914 hingegen war dies nicht zwingend beabsichtigt. Vielmehr unterstrich Slevogt auf diese Weise den malerischen Reiz seines für ihn exotischen Modells.

Slevogt malte Mursi zunächst als Teil der Besatzung eines Bootes im Gemälde Seeräuber. Vor der Kulisse der Nillandschaft mit dem Wüstenufer im Hintergrund ist Mursi hierin am linken Bildrand zu erkennen. Das Porträtbildnis Negerjunge Mursi entstand hingegen im Garten des von Slevogt bewohnten Hotels. Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Eduard Fuchs ist bekannt, das Bild sei am 9. März 1914 zwischen 10:00 Uhr und 12:30 Uhr entstanden. Zwei Tage zuvor hatte Slevogt sich bei einem Reitunfall eine Prellung zugezogen. Die erzwungene Ruhephase und eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit mögen Anlass für das Porträt von Mursi im Garten gewesen sein. Für das Porträt wurde der Junge von Slevogt in ein neues weißes Gewand gekleidet. Im Schatten des Gartens fand er die richtigen Lichtverhältnisse für das kontrastreiche Gegenüber von braunviolettem Hautton und hellem Gewand. Trotz skizzenhaftem Malstil und hohem Abstaktionsgrad gelang es Slevogt ein einfühlsames Porträt zu malen. Am 24. März schrieb er aus Kairo an seine Frau von der anhaltenden Zuneigung: „Beinahe hätte ich den kleinen Mohren Moursi mitgebracht, - aber es ist doch zu riskant“. Am 14. März 1914 reiste Slevogt mit seinen deutschen Begleitern aus Assuan ab.

Das Gemälde Negerjunge Mursi gehört zu einer Serie von 21 Gemälden, die Slevogt während seiner Ägyptenreise 1914 schuf. Sein Anliegen war es, die Bilder dieser Reise geschlossen an ein Museum zu verkaufen. Hierzu beauftragte er den Kunsthändler Ludwig Gutbier, Inhaber der Galerie Ernst Arnold in Dresden. Dieser nahm zunächst Verhandlungen mit der Dresdner Gemäldegalerie auf, erwog aber auch den Verkauf an die Museen in Leipzig oder Hamburg. Die Verhandlungen Gutbiers mit Woldemar von Seidlitz als Vertreter des Dresdner Museums verliefen von Anbeginn sehr positiv. Zunächst verlangte Slevogt die Summe von 92.000 Mark für die Gemälde aus Ägypten. Beide Parteien einigten sich schließlich auf den Betrag von 67.500 Mark für 20 Gemälde der Serie, darunter das Bild Negerjunge Mursi. Staatliche Mittel standen für den Ankauf zwar nicht zur Verfügung, aber der kunstsinnige sächsische König Friedrich August III. hatte seine Zustimmung für den Erwerb signalisiert. Der Ankauf der Bilder gelang schließlich mit Mitteln des Dresdner Museumsvereins und der Pröll-Heuer-Stiftung, wobei letztere unter anderem das Bild Negerjunge Mursi finanzierte. Am 17. Mai 1915 gelangten die 20 Ägypten-Bilder in die Königlichen Kunstsammlungen Dresden. Die Bilderserie wurde zunächst in der Sempergalerie im Zwinger und ab 1931 in der Sekundogenitur ausgestellt. Nach der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg befand sich das Gemälde Negerjunge Mursi zunächst im Schloss Pillnitz. Seit 1965 ist es in der Galerie Neue Meister im Dresdner Albertinum zu sehen.

Lovis Corinth war ein deutscher Maler. Er zählt neben Max Liebermann, Ernst Oppler und Max Slevogt zu den wichtigsten und einflussreichsten Vertretern des deutschen Impressionismus. Seine späten Werke werden häufig als eine Synthese aus impressionistischem und expressionistischem Schaffen angesehen.

Lovis Corinth wurde am 21. Juli 1858 als Franz Heinrich Louis Corinth im ostpreußischen Tapiau geboren. Das Geburtshaus ist erhalten geblieben, eine Gedenktafel erinnert auf Deutsch an den Maler. Seine Eltern Heinrich und Wilhelmine Corinth betrieben eine Gerberei sowie einen größeren landwirtschaftlichen Betrieb. Er war das einzige gemeinsame Kind der beiden, hatte jedoch mütterlicherseits fünf Halbgeschwister, mit denen zusammen er aufwuchs.

Von 1866 bis 1873 ging Corinth auf das Kneiphöfische Gymnasium in Königsberg. Während dieser Zeit lebte er bei seiner Tante in Königsberg. Mit dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 zogen in die Wohnung seiner Tante zudem Soldaten ein. Als seine Mutter 1873 verstarb, ging Corinth zurück auf den Hof seiner Eltern, wenig später erwuchs in ihm der Wunsch, Maler zu werden. Er selbst beschrieb dies in seiner Autobiografie als einen von vielen Wünschen, die regelmäßig wechselten: „Es fiel gerade Ostern mein Lebensberuf auf den Maler, denn fast jeden Monat hatte ich eine andere Leidenschaft, mein Leben einzurichten: Soldat, Matrose, vor allem Landwirt, wechselten in buntem Reigen und heute wollte es das Schicksal, daß ich Maler werden wollte. Bei diesem Berufe verharrte ich nun treu und niemals wollte ich es bereuen.“

Wenig später verkaufte sein Vater das Anwesen in Tapiau und zog mit seinem Sohn nach Königsberg, um ihm dort eine Malerausbildung zukommen zu lassen. Corinth ging an die Kunstakademie Königsberg und lernte als Schüler von Otto Günther die Grundlagen der Malerei sowie die konservative Historienmalerei kennen. Mit Günther und dessen weiteren Schülern reiste Corinth nach Berlin und Thüringen und besuchte dort die Ateliers von Albert Brendel, damals Direktor der Weimarer Kunstschule, sowie Friedrich Preller und Karl Buchholz. Corinths eigene Arbeiten konzentrierten sich auf Porträts und Landschaftsbilder.

1880 ging Corinth auf Empfehlung seines Lehrers Günther an die Kunstakademie nach München, die zu der Zeit als bedeutendstes Zentrum für Malerei neben Paris galt und mit der Kulturszene dieser Stadt in engem Austausch stand. Louis Corinth besuchte zuerst die Klasse von Franz von Defregger und wechselte dann zu Ludwig Löfftz, einem ehemaligen Schüler von Wilhelm Diez. Zu seinen Mitschülern gehörten unter anderen auch Hans Olde und Bernt Grönvold, mit denen Corinth noch viele Jahre Kontakt hatte. Corinth schloss sich der Strömung des Naturalismus an, der sich gerade gegen die klassische Historienmalerei durchzusetzen begann. Auch die Aktmalerei spielte in seiner Ausbildung eine große Rolle; 1883 entstand auf diese Weise sein Gemälde Schächer am Kreuz, bei dessen Konzeption Einflüsse seines Lehrers Löfftz wie auch dessen ehemaligen Schülers Karl Stauffer-Bern zu erkennen sind. Ein weiterer wichtiger Lehrer in München für Corinth wurde Wilhelm Trübner, für den er 1920 auch einen Nachruf verfasste.

Zwischen 1882 und 1883 unterbrach er das Studium und leistete seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger ab, danach begab er sich mit seinem Vater auf eine Reise, die vor allem nach Italien und an den Gardasee führte. Anschließend nahm er das Studium wieder auf.

1884 ging Corinth für drei Monate nach Antwerpen und studierte dort bei Paul Eugène Gorge. Im selben Jahr konnte er mit seinem Gemälde Das Komplott seinen ersten internationalen Erfolg verbuchen. Das Bild wurde auf einer Ausstellung in London mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet (wird von Ulrike Lorenz angezweifelt), 1885 wird es im Pariser Salon gezeigt. Im Atelier von Gorge entstand das Gemälde Neger Othello, eine Porträtdarstellung eines schwarzen Mannes, das zu seinen bekanntesten Bildern gehört. Daneben malte er auch sein erstes Porträt des Malers Paul Eugène Gorge, dem 1898 und 1908 zwei weitere folgten.

Im Oktober des Jahres reiste er weiter nach Paris und trat dort in die Privatakademie Académie Julian ein. Er lernte bei Tony Robert-Fleury und Adolphe William Bouguereau, die ihm vor allem die Praxis der Aktmalerei von Frauen (peintre de la femme) näher brachten. Sie beeinflussten damit sein weiteres Schaffen sehr, vor allem die Gestaltung seiner Frauenbildnisse der nächsten Jahre. Er selbst war in Paris allerdings wenig erfolgreich und kehrte mit etwa 20 großformatigen Bildern zurück, vornehmlich Aktdarstellungen. Obwohl zur selben Zeit auch moderne und prominente Impressionisten in Paris weilten und Bilder wenige Jahre zuvor verstorbener Meister wie Gustave Courbet oder Édouard Manet in Paris zu sehen waren, bekam er von diesen nichts mit. Inspiration fand er dagegen in Ausstellungen von Jean-Louis-Ernest Meissonier, Wilhelm Leibl und vor allem durch eine Retrospektive von Jules Bastien-Lepage.

Im Sommer 1886 reiste Corinth mit Hans Olde an die Ostseeküste, um hier Landschaftsimpressionen und Porträts zu malen (Im Fischerhaus). 1887 kehrte er nach Königsberg zurück und porträtierte seinen Vater – und auch mit der Ausstellung dieses Bildes in der Königsberger Akademie hat er keinen Erfolg.

1887 zog Louis Corinth nach Berlin und verbrachte dort den Winter, in dem er unter anderen Max Klinger, Walter Leistikow und Karl Stauffer-Bern kennenlernte. In Berlin entstand wahrscheinlich auch sein erstes Selbstbildnis, dem im Laufe seines Lebens noch etliche folgen sollten. Im darauf folgenden Jahr kehrte er jedoch wieder zurück zu seinem mittlerweile schwerkranken Vater nach Königsberg und porträtierte selbigen dort noch mehrmals, bevor dieser am 10. Januar 1889 starb.

1890 wurde das Gemälde Pietà (Kreuzabnahme), das er beim Pariser Salon eingereicht hatte, mit einer Auszeichnung geehrt. In seiner Arbeit bestätigt, entschloss sich Corinth 1891, wieder nach München zurückzukehren. Hier suchte er sich eine Wohnung in Schwabing. Den Ausblick aus seinem Atelierfenster hielt er im selben Jahr in mehreren Gemälden fest, mit denen er sich, ebenso wie mit Waldinneres bei Bernried, mit dem zu dieser Zeit in München aktuellen Pleinairismus beschäftigte – die Künstler verließen ihr Atelier und fingen Motive „unter freiem Himmel“ ein. Dieser wurde in Deutschland vor allem von Arnold Böcklin, Max Klinger und Hans Thoma transportiert, die in München zu den populärsten Gestalten der Kunstszene gehörten. Als Münchner Malerfürsten galten Friedrich August von Kaulbach, Franz von Lenbach sowie Franz von Stuck. Neben den genannten Bildern war das Hauptwerk Corinths in dem Jahr der Diogenes, eine Darstellung des Diogenes von Sinope im Großformat. Die Ausstellung des Bildes im Münchner Glaspalast wurde allerdings nicht mit dem erhofften Lob quittiert; vielmehr erntete sie massive Kritik, die Corinth an seinem Schaffen zweifeln ließ. Von seinem Freund Otto Eckmann ließ er sich die Kunst des Radierens beibringen, und bis 1894 erschien sein Radierzyklus Tragikomödien, in dem er auf den Jugendstil auf der einen und das Werk Max Klingers auf der anderen Seite Bezug nahm.

Ab 1892 entstand eine Reihe von Gemälden, die Schlachthausszenen wiedergeben und die Kritiker wieder überzeugen konnten. Die Bilder waren realistisch dargestellt und provozierten durch ihre Motive. Corinth hatte Anschluss gefunden an die „Revolutionäre“ der Münchner Kunstszene, die nicht im etablierten Glaspalast ausstellten, sondern sich in der Künstlergesellschaft Allotria trafen. 1892 gründete sich aus dieser Vereinigung die Münchner Sezession, der sich neben Corinth auch Max Liebermann, Otto Eckmann, Thomas Theodor Heine, Hans Olde, Hans Thoma, Wilhelm Trübner, Franz von Stuck und Fritz von Uhde anschlossen. 1893 wollte Corinth zusammen mit Otto Eckmann, Trübner, Heine, Max Slevogt, Ernst Oppler, Hermann Obrist und Peter Behrens die Freie Vereinigung der XXIV gründen, um die Ausstellungssituation zu verbessern. Daraufhin kam es zum Streit in der Sezession, die Gründung scheiterte, und die Beteiligten wurden von der Münchner Sezession ausgeschlossen. Sie fanden als Freie Vereinigung der XXIV / Münchner 24 in der Galerie Eduard Schulte in Berlin eine Ausstellungsmöglichkeit.

1895 malte Corinth mit seiner Kreuzabnahme das erste Bild, das er tatsächlich verkaufen konnte. Es wurde noch im selben Jahr im Glaspalast ausgestellt und mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Zwischen 1895 und 1900 stellte er dort eine Reihe weiterer Gemälde aus, die jedoch kein größeres Aufsehen erregen konnten. Über einen Freund kam Corinth um 1895/96 in Kontakt mit der Münchner Literatengruppe, der unter anderen die Schriftsteller Max Halbe, Graf Eduard von Keyserling, Frank Wedekind und Otto Erich Hartleben angehörten. 1896 gehörte Corinth auch zu den Gründungsmitgliedern der Freimaurerloge In Treue fest, die noch heute besteht und der er 1898 das Gemälde Die Logenbrüder malte, auf der zwölf Mitglieder seiner Loge abgebildet sind. In den Folgejahren entstanden eine Reihe seiner erfolgreichsten und bis heute bekanntesten Gemälde. So schuf er 1896 sein Selbstporträt mit Skelett, 1897 das Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar als Fortführung seiner Schlachthausszenen sowie durch die Aktmalerei geprägte Historienbilder wie Die Hexen und Die Verführung des heiligen Antonius. Als Lovis Corinth 1899 zum Besuch der ersten Ausstellung der Berliner Secession in Berlin war und Max Liebermann einen Besuch abstattete, porträtierten sie sich gegenseitig. Zeugnis sind das Bildnis des Malers Lovis Corinth und ein Porträt von Max Liebermann aus dem 1899.

Nach einem Umzug innerhalb Münchens malte er 1900 die Salome, ein Bild, in das er selbst große Hoffnungen legte, das aber für eine Ausstellung der Münchner Sezession abgelehnt wurde. Dieser Misserfolg bestärkte Corinths Absicht, München zu verlassen und nach Berlin zu gehen. Dort hatte er weiterhin Kontakt zu Walter Leistikow, der 1898 mit Max Liebermann und Paul Cassirer die Berliner Secession gegründet hatte. Salome wurde in Berlin mit der zweiten Secessionsausstellung im Juli 1900 ein Erfolg und Corinth wurde nach eigenen Worten „in Berlin eine Kapazität.“ Auch seine Bilder Susanna und die beiden Alten sowie die Kreuzigung wurden auf dieser Ausstellung gezeigt. Von Leistikow erhielt Corinth seine ersten Porträtaufträge in Berlin.

Im Herbst 1901 zog Lovis Corinth nach Berlin und wurde Mitglied der Berliner Secession. Im selben Jahr wurde das Gemälde Perseus und Andromeda auf der Secessionsausstellung bei Paul Cassirer gezeigt – neben Gemälden der mittlerweile verstorbenen Künstler Vincent van Gogh, Wilhelm Leibl und Arnold Böcklin. Das Atelier in der Klopstockstraße bekam Corinth wieder von Leistikow, und am 14. Oktober 1901 eröffnete Corinth eine Malschule. Seine erste Schülerin war die damals 21 Jahre alte Charlotte Berend, die ihm ab da regelmäßig Modell stand. Ein weiterer Schüler war Erich Lasse. Die Malschule wurde zu einem finanziellen Erfolg, auch seine Bilder wurden bekannter.

Bereits im Dezember veranstaltete Paul Cassirer eine Ausstellung, die sich ausschließlich Lovis Corinth widmete. Ein Jahr später wurde Corinth in den Vorstand der Secession gewählt. Das Porträt des Dichters Peter Hille wurde mit weiteren Bildern Corinths in der Secessionsausstellung 1902 präsentiert: Samuels Fluch auf Saul, Die drei Grazien und das Selbstporträt mit Modell. Neben seinen Werken wurden auch Bilder von Édouard Manet und Edvard Munch ausgestellt, und das Hille-Porträt wurde 1908 von der Kunsthalle Bremen gekauft.

Auf einer Reise an die pommersche Ostseeküste kamen sich Corinth und Charlotte Berend näher und begannen eine Beziehung. Auf der Reise entstanden mehrere Porträts von ihr, denen er den neuen für sie verwendeten Kosenamen „Petermannchen“ gab: Petermannchen und Paddel-Petermannchen. Ein weiteres Porträt der Reise war das Porträt Mädchen mit Stier, an dem Charlotte Berend einen kräftigen Stier an seinem Nasenring führt und streichelt, fand aufgrund der darin enthaltenen Bedeutung besondere Aufmerksamkeit in der Berliner Sezession: Symbolisch zeigte das Bild die aktuelle Beziehung des Paares auf, in der sich Corinth als gezähmten Bullen von der Frau an einem rosa Band am Nasenring herumführen ließ.

1902 bis 1903 arbeitete Corinth mit dem Regisseur und Theaterbesitzer Max Reinhardt zusammen. 1902 schuf er das Bühnenbild und zusammen mit Max Kruse die Kostüme für Hans Oberlaenders Inszenierung des Theaterstückes Salome von Oscar Wilde. 1903 stattete er zusammen mit Leo Impekoven Reinhardts Inszenierung von Maurice Maeterlincks Pelléas et Mélisande am Neuen Theater am Schiffbauerdamm und zusammen mit Kruse Reinhardts Inszenierung von Hugo von Hofmannsthals Elektra am Kleinen Theater in Berlin aus.

Am 26. März 1904 heirateten Lovis Corinth und Charlotte Berend, die sich für den Doppelnamen Berend-Corinth entschied. Am 13. Oktober 1904 kam ihr gemeinsamer Sohn Thomas Corinth auf die Welt und die Familie zog in die Händelstraße um. Die Tochter Wilhelmine Corinth folgte fünf Jahre später am 13. Juni 1909.

In der Jahresausstellung 1903 präsentierte Corinth vor allem das Mädchen mit dem Stier und Odysseus Kampf mit dem Bettler, 1904 folgten Tiny Senders und die Grablegung. Ebenfalls 1904 wurde Lovis Corinth Mitglied im Deutschen Künstlerbund, an dessen erster Gemeinschaftsausstellung mit den Münchener Sezessionisten im Kgl. Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz er erneut mit der Salome teilnahm. Im selben Jahr zeigte Cassirer in seiner Galerie eine Ausstellung von Paul Cézanne, die Corinth stark beeinflusste. 1906 begann Corinth dann mit seinem ersten größeren literarischen Werk, seiner Selbstbiographie, die er bis zu seinem Tod 1925 weiterschrieb und die 1926 posthum von seiner Frau veröffentlicht wurde. Im selben Jahr produzierte er eine Reihe sehr bekannter und aufsehenerregender Gemälde, darunter die Kreuzabnahme, Jugend des Zeus, Nach dem Bade sowie Rudolf Rittner als Florian Geyer. 1907 folgten Die Gefangennahme Simsons, Das große Martyrium, das Selbstporträt mit Glas sowie der vielbesprochene Liegende Akt.

1907 zeichnete er Entwürfe und Figurinen für Der Dämon und Minna von Barnhelm, die aber nicht realisiert wurden.

1908 erschienen zwei Schriftwerke von Corinth: zum einen die Legenden aus dem Künstlerleben, wie die bereits erwähnte Selbstbiographie ein autobiografisches Werk, zum anderen das Buch Das Erlernen der Malerei, ein Lehrbuch, in dem er dem Leser die Kunst der Malerei näherbringen und ihn mit den Techniken vertraut machen wollte. Auch sein künstlerisches Oeuvre des Jahres war beachtenswert: Susanna im Bade, Orpheus und das Porträt des Malers Walter Leistikow. Letzterer starb in jenem Jahr, und neben dem Bild widmete ihm Corinth auch ein Buch unter dem Titel Das Leben des Malers Leistikow, das 1910 bei Cassirer erschien. 1909 beteiligte er sich u. a. mit August von Brandis an der Ausstellung für Christliche Kunst in Düsseldorf, beiden wurde in einer Kritik bescheinigt, weniger durch theologische als vielmehr durch künstlerische Qualitäten zu überzeugen.

1910 konnte Corinth wieder einige seiner Bilder in der mittlerweile etablierten Secessionsausstellung unterbringen. In diesem Jahr präsentierte er Die Waffen des Mars, Fußwaschung und vor allem das Familienporträt Der Künstler und seine Familie, auf dem er seine gesamte Familie abbildete. Corinth gehörte zu diesem Zeitpunkt neben Max Liebermann zu den beliebtesten und gefragtesten Künstlern der Berliner Secession und konnte im selben Jahr mehrere Bilder an die Hamburger Kunsthalle verkaufen.

Im Jahr 1911 trat Max Liebermann als Präsident der Berliner Secession gemeinsam mit den Vorstandsmitgliedern Max Slevogt, Paul Cassirer und weiteren vom Vorsitz zurück, während Lovis Corinth zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Im selben Jahr veranstaltete die Secession eine Ausstellung zu Ehren des verstorbenen Mitglieds Fritz von Uhde, in der Frühjahrsausstellung wurden zudem Werke von Pablo Picasso und Ferdinand Hodler gezeigt. Corinth präsentierte auf dieser Ausstellung seine Gemälde Nana und zwei Porträts von Eduard Meyer. Im Dezember des Jahres erlitt er einen Schlaganfall, der zu einer halbseitigen Lähmung führte. Zwischen 1909 und 1917 verbrachte Corinth längere Aufenthalte in dem jungen Badeort Nienhagen bei Bad Doberan und schuf mehrere Grafiken und Bilder mit regionalem Bezug zu Mecklenburg. Das Frühjahr 1912 verbrachte er mit seiner Frau an der Riviera, um sich zu erholen, und im Sommer malte er Der geblendete Simson. Im Dezember des Jahres wurde Paul Cassirer wieder in den Vorstand der Secession gewählt – Corinth trat daraufhin zurück und lehnte einen Posten in Vorstand oder Jury ab.

1913 erschien die erste Monographie über den Künstler Lovis Corinth, geschrieben von Georg Biermann. Als Versöhnungsakt mit Corinth veranstaltete Paul Cassirer in dem Jahr eine große Retrospektive mit den Werken Corinths, die von Max Liebermann eröffnet wurde. Insgesamt präsentierte Corinth auf dieser Ausstellung 228 Ölgemälde. Neben dieser Ausstellung konnten Corinths Gemälde im selben Jahr auch bei der Großen Kunstausstellung Düsseldorf 1913, in Mannheim und der Weltausstellung in Gent sowie in verschiedenen Galerien und Museen in Baden-Baden, München und Dresden betrachtet werden. Auch auf der Frühjahrsausstellung der Berliner Secession, die ihr 15-jähriges Bestehen beging, waren mit Ariadne auf Naxos und Orientalischer Teppichhändler Bilder von Corinth zu sehen. In derselben Ausstellung wurde zudem erstmals der Maler Henri Matisse gezeigt, neben vielen weiteren bedeutenden Künstlern, welche die ersten 15 Jahre der Secession begleitet hatten. Diese Ausstellung, ebenso wie die im Herbst 1913 durchgeführte Herbstausstellung mit Bildern von Edvard Munch, Pablo Picasso, Ernst Ludwig Kirchner und anderen, war sehr erfolgreich. Die Erfolge der Secession und der Ausstellungen Cassirers konnten jedoch nicht über die internen Streitigkeiten hinwegtäuschen: Im selben Jahr kam es zu massiven Vorwürfen gegen Cassirer wegen seiner Doppelfunktion als Jurymitglied der Secession und als Kunstverkäufer, die zum Austritt von 42 Künstlern, darunter Max Liebermann und der gesamte Vorstand, aus der Secession und zur Gründung der nun als Freien Secession bekannten Vereinigung führte und darin ihren Höhepunkt hatte. Lovis Corinth, der einzige Künstler mit internationalem Ruhm, blieb in der Berliner Secession.

1914 bereiste Corinth Monte Carlo und Rom, dort vor allem den Vatikan, um sich die Fresken von Raffael anzuschauen. Danach führte seine Reise nach St. Moritz, wurde dort jedoch aufgrund des beginnenden Ersten Weltkrieges unterbrochen. Als am 1. August dann tatsächlich der Krieg begann, gehörte Corinth neben Slevogt, Liebermann und Ernst Barlach zu den prominenten Künstlern, die diesen begrüßten. Corinth, der sich bereits in seinem Vortrag „Über das Wesen der Malerei“ im Januar 1914 vor der Freien Studentenschaft der Berliner Universität patriotisch geäußert hatte, sah in dem Krieg die Chance eines Neubeginns, in dem die deutsche Kunst zeigen konnte, dass sie die international bedeutsamste sei:„Wir wollen der Welt zeigen, daß heute deutsche Kunst an der Spitze der Welt marschiert. Fort mit der gallisch-slawischen Nachäfferei unserer letzten Malerperiode!“

1915 wurde Corinth erneut Vorsitzender der Berliner Secession und konzipierte eine Ausstellung, in der vor allem auf die alten Werte der deutschen Malerei Wert gelegt werden sollte. Er selbst stellte dazu mehrere Stillleben und Porträts sowie die Gemälde Joseph und Potiphars Weib zur Verfügung.

In den folgenden Jahren konzentrierte er sich auf den Krieg und verarbeitete diesen auch in seinen Bildern. So entstanden 1917 Kain sowie das Porträt des Großadmirals Alfred von Tirpitz. Im selben Jahr veröffentlichte der Autor Karl Schwarz mit dem Buch Das graphische Werk des Lovis Corinth eine erste umfassende Darstellung der Zeichnungen und Grafiken Corinths. Im August reiste Corinth in seine Heimatstadt Tapiau, die ihn zum Ehrenbürger machte und von ihm mehrere Werke geschenkt bekam.

Im März 1918 veranstaltete die Berliner Secession eine Ausstellung zum 60. Geburtstag Corinths, auf der 140 Ölgemälde von ihm gezeigt wurden, außerdem war er auch in der Frühjahrsausstellung wieder mit mehreren Werken vertreten. Zur selben Zeit begann auch die Berliner Nationalgalerie damit, eine systematische Sammlung seiner Bilder aufzubauen, die nach dem Krieg in der Neuen Abteilung im Kronprinzenpalais gezeigt wurden. Von der Berliner Akademie der Künste bekam er zudem den Professorentitel verliehen. Im Sommer 1918 kam es zu Spannungen innerhalb der Secession, Corinth setzte sich schlichtend für Ernst Oppler ein und verhinderte dessen Austritt. Im selben Jahr ging der Krieg zu Ende, das Kaiserreich brach zusammen und wurde durch die Novemberrevolution und die nachfolgende Weimarer Republik abgelöst. Corinth sah sich dadurch in seinem Glauben an die deutsche Malerei erschüttert:„So ist der Hohenzollernstaat mit Stumpf und Stiel einstweilen ausgerottet. Ich fühle mich als Preuße und kaiserlicher Deutscher.“

Zu Corinths Schülern in seiner Berliner Zeit gehörte der Maler Wilhelm Gallhof. Im Jahr 1919 kaufte Lovis Corinth ein Grundstück in Urfeld am Walchensee, auf dem seine Frau Charlotte Berend ihm ein Haus baute. Er benannte es mit dem Spitznamen für seine Frau Haus Petermann. Das Haus am Walchensee wurde zum Rückzugsort des Künstlers, an dem er vor allem Landschaftsbilder, Porträts und Stillleben produzierte, sich von der aktiven Kunstszene allerdings auch immer mehr zurückzog. Seine Bilder vom Walchensee waren auch wirtschaftlich ein großer Erfolg. Nach seinen eigenen Worten wurde „niemals mehr verkauft als gerade nach dem Zusammenbruch. Es wurden einem förmlich die Bilder von der Staffelei gerissen, und niemals blühten die Ausstellungen im ganzen Deutschland mehr denn jetzt.“ Im selben Jahr erschien die Radierungsmappe Antike Legenden, 1920 folgte mit Gesammelte Schriften eine Zusammenstellung von Corinths wichtigsten Zeitschriftenbeiträgen und Aufsätzen.

Am 15. März 1921 wurde Lovis Corinth die Ehrendoktorwürde der Albertus-Universität in Königsberg verliehen, er selbst vollendete bis zu seinem Tod 1925 seine Selbstbiographie und malte Bilder wie Der rote Christus, das sehr deutlich die Brutalität der Kreuzigung darstellt, sowie Flora und die letzte Version von Susanna und die Alten. Außerdem entstanden aus dem Gedächtnis Porträts von verschiedenen Kollegen des Malers, darunter etwa Bernt Grönvold, Leonid Pasternak und Georg Brandes. Weitere wichtige Werke seines Spätwerkes wurden Das trojanische Pferd, Carmencita und die Porträts seiner Kinder Thomas und Wilhelmine.

Zu seinem 65. Geburtstag veranstaltete die Nationalgalerie 1923 eine Ausstellung mit 170 Gemälden, die sich in Privatbesitz befanden. Weitere Ausstellungen mit Werken seines Spätwerkes folgten mit der Secessionsausstellung in Berlin und den großen Corinth-Ausstellungen im Kunsthaus Zürich und in Königsberg 1924. Im selben Jahr porträtierte er den Reichspräsidenten Friedrich Ebert, in dem er nach eigenem Bekunden weniger den Sozialdemokraten sah, sondern vielmehr den aktuellen Regenten Deutschlands, und dem er außerdem einen guten Charakter bescheinigte.

1925 wurde Corinth Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Künste, und in Berlin wurden seine Aquarellmalereien ausgestellt. Zu seinen letzten großen Werken gehörten Die schöne Frau Imperia sowie sein letztes großes Werk Ecce Homo , die er malte, bevor er am 16. Juni 1925 eine Reise nach Düsseldorf und von dort nach Amsterdam antrat. Dort wollte er sich noch einmal die Bilder von Frans Hals und Rembrandt anschauen. Am 17. Juli starb er in Zandvoort nahe Amsterdam an einer Lungenentzündung. Seine Leiche wurde nach Berlin überführt und dort auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf beigesetzt. Seine Grabstätte, ein Ehrengrab der Stadt Berlin, befindet sich im Block Trinitatis, Feld 8, Erbbegräbnis 47. Postum erschien eine bedeutende Monographie von Alfred Kuhn, und in Berlin fanden mit der Ausstellung der Gemälde und Aquarelle in der Nationalgalerie sowie der Graphikausstellung der Akademie der Künste 1926 zwei wichtige Gedenkausstellungen statt.

1939 erwarb der Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg das Haus Petermann, in dem seine Frau mit den fünf Kinder des Ehepaares während des Zweiten Weltkriegs lebten.

Obwohl Corinth zu Lebzeiten ein bedeutender und angesehener Vertreter deutscher Kunst war und diese auch in sehr patriotischer Weise darstellte und förderte, wurden viele seiner Werke zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland sehr kritisch gesehen. Während das impressionistische Frühwerk durchaus den Idealvorstellungen der Nationalsozialisten entsprach, wurden die späteren, teilweise sehr expressionistischen Werke als „entartet“ betrachtet. Diese Wandlung im Werk des Künstlers interpretierte man als Folge seines Schlaganfalls 1911; eine weitere Steigerung nach 1918 wurde wiederum mit einem Schlaganfall erklärt, den es in Wahrheit aber nicht gegeben hatte. Alfred Rosenberg gab im "Mythus" die Richtung vor: Eine gewisse Robustheit zeigte L. C., doch zerging auch dieser Schlächtermeister des Pinsels im lehmig-leichenfarbigen Bastardtum des syrisch gewordenen Berlins.

Im Zuge der „Reinigung“ wurden insgesamt 295 seiner Bilder beschlagnahmt, darunter ein großer Teil der Sammlung der Nationalgalerie sowie der Hamburger Kunsthalle. Einige der Werke wurden im selben Jahr in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt. Die meisten der Bilder wurden anschließend ins Ausland, vor allem in die Schweiz, verkauft.

Lovis Corinth produzierte während seiner Schaffenszeit über tausend Gemälde sowie ähnlich viele Aquarelle, Zeichnungen und Graphiken. Außerdem schrieb er eine Reihe von Büchern und Aufsätzen in verschiedenen Zeitschriften der Kunstszene.

Viele seiner Gemälde und anderen Werke hängen heute in nationalen und internationalen Galerien und Museen, ein großer Teil befindet sich zudem in Privatbesitz. Das Museum der bildenden Künste in Leipzig beherbergt eine besonders reiche Sammlung von Werken Lovis Corinths, mit 13 Gemälden und etwa 400 grafische Blättern. Das Belvedere in Wien verfügt über einen Bestand an Werken, die zwischen 1896 und 1924 entstanden sind und einen umfassenden Überblick über Corinths gesamtes Oeuvre bieten.

Vor allem während des Zweiten Weltkrieges, als viele seiner Gemälde von den Nationalsozialisten als „Entartete Kunst“ klassifiziert worden waren, gingen eine Reihe von Bildwerken verloren oder wurden zerstört.

Das Selbstporträt mit Skelett ist ein Gemälde des deutschen Malers Lovis Corinth. Das Bild wurde vom Künstler 1896 in München gemalt und fertiggestellt, heute hängt es in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München.

Das Gemälde zeigt die beiden Protagonisten, Corinth und das Skelett, nebeneinander, im Hintergrund scheint das Panorama der Stadt München auf, das durch das breite Atelierfenster zu sehen ist. Das Bild schneidet die Körper in Brusthöhe ab und stellt entsprechend nur Oberkörper und Köpfe dar. Nach dem Werkverzeichnis von Charlotte Berend-Corinth zeigt das Bild „Corinth vor einem großen Atelierfenster, in einem blaßblauen karierten Hemd. Durchblick auf München in Rosa und Violett.“

Der Maler stellt sich selbst kaum oder gar nicht idealisiert dar. Er trägt einen Schnurrbart und kurze dunkle Haare, die durch Geheimratsecken gekennzeichnet sind, außerdem ein kariertes helles Hemd mit dunkler Krawatte. Das Skelett ist an einem Gestänge mit einem Bügel im Schädel aufgehängt und ein wenig niedriger als der Künstler. Ein Atelierfenster im Hintergrund erhellt die Szene und stellt die beiden Figuren in ein Gegenlicht. Es zieht sich über die gesamte Breite des Bildes und besteht aus kleinen Feldern, von denen zwei Reihen mit jeweils vier Feldern teilweise sichtbar sind. Eines dieser metallgerahmten Fenster ist geöffnet. Diese zum Betrachter hin in den Raum hinein geöffnete Scheibe befindet sich direkt hinter Corinth und rückt diesen dadurch optisch nach vorn. Die metallenen Rahmen der Fensterscheiben bilden zwei Kreuze, die rechts und links von Corinth zu sehen sind. Ein drittes Fensterkreuz ist durch das Skelett verdeckt. Das Fenster bietet einen Ausblick auf einen weißgrauen Himmel. In der unteren Hälfte der unteren Fensterreihe sind in einem Ockerton angedeutete Gebäude, Dächer und Kirchtürme zu erkennen. Rauchende Schornsteine weisen auf Industrie hin.

Die Signatur Corinths findet sich am rechten oberen Bildrand in feinen Buchstaben gezeichnet und somit für ihn eigentlich sehr untypisch. In einer Kartusche schrieb er: Diese Signatur wird als Hinweis auf das frontale „Selbstbildnis“ Albrecht Dürers (um 1500) als Vorbild interpretiert.

Lovis Corinth malte das „Selbstporträt mit Skelett“ als Antwort auf das „Selbstbildnis mit fiedelndem Tod“ des zu diesem Zeitpunkt in München und in ganz Deutschland sehr bekannten und geschätzten Schweizer Malers Arnold Böcklin. Böcklin stellt das Skelett in seinem Bild lebendig dar, es spielt eine Geige, der der Künstler lauscht. Auf diese Weise will er darauf aufmerksam machen, dass das Leben endlich ist (Memento mori), zugleich dient der Tod dem Künstler als Muse. Das Skelett und das Geigenspiel sind in diesem Kontext ein bekanntes und seit dem Mittelalter häufig genutztes Motiv. Auch Hans Thoma griff 1875 das Motiv des Skeletts als Muse in seinem „Selbstbildnis“ auf. Hier schaut dem malenden Künstler ein mit einem Lorbeerkranz geschmückter Schädel über die Schulter und über seinem Kopf, im Geäst eines Baumes, sitzt zudem der Gott Amor.

Lovis Corinth greift das Motiv auf und stellt es in einen vollständig neuen Kontext. Er stellt ein Skelett dar, wie es im Normalfall als Lehrmodell für anatomische Demonstrationen in der Medizin verwendet wird – unlebendig und in Form eines Gegenstandes, dem alle Bedrohlichkeit und Symbolkraft genommen wurde. Das Skelett als Gebrauchsgegenstand hält sich nur durch die Aufhängung an einem Eisenständer aufrecht. Verstärkt wird der Wirklichkeitsbezug durch die reale Großstadtdarstellung mit qualmenden Schloten, die durch das Fenster in den hell erleuchteten Raum dringt. Der Künstler zeigt mit der Darstellung seiner Person mit dem Skelett die klare und natürliche Begrenzung des Lebens durch den Tod auf, an der keine Mystik vorhanden ist.

Das Selbstporträt mit Skelett gehört bis heute zu den bekanntesten der zahlreichen Porträts, die der Maler von sich anfertigte. Dabei handelte es sich um ein Gemälde, das entstand, als er noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Popularität war, einige Jahre vor dem bedeutenden Umzug von München nach Berlin. Im gleichen Jahr entstand der „Blick aus dem Atelier München-Schwabing“, die „Bacchanale“ sowie das „Mädchen mit langem Kleid.“ Vor allem ersteres steht durch die Darstellung des Blickes aus dem Atelierfenster in einem thematischen Zusammenhang, während die beiden anderen Bilder keine Parallelen aufzeigen.

Corinth malte seit 1886 in regelmäßigen Abständen Selbstporträts, in keinem der anderen Porträts kommt allerdings das Skelett vor. Das Motiv des aufgehängten Skeletts mit ihm auf einem Bild griff er 1916 in „Der Künstler und der Tod“ nochmals auf, diesmal ohne Atelierfenster und stattdessen mit einem Ziegenschädel in Form einer an die Wand gehängten Trophäe im Hintergrund. In seinen späteren Graphiken und Zeichnungen, die nach seinem Schlaganfall 1911 und dem Kriegsverlust 1918 entstanden, ist der Tod in Form eines Totenschädels allerdings sehr häufig zu finden. Hier verleiht er dem Tod allerdings wieder seine bedrohliche Symbolik, die er in diesem Gemälde vermissen lässt. Durch seine persönlichen Rückschläge verstärkt, wurde der Tod in seinen späteren Werken wieder zur Allegorie, „die ihn bis zum Ende seines Lebens herausfordern sollte.“ Besonders beeindruckend ist dies in der Mappe mit sechs Kaltnadelradierungen, die unter dem Namen „Der Totentanz“ 1921 erschien, zu sehen. In allen sechs Bildern werden dargestellte Personen mit dem Tod in Form eines Totenschädels konfrontiert.

Das „Selbstporträt mit Skelett“ wurde in seiner bildlichen Konzeption 1984 in sehr ähnlicher Weise von dem Künstler Manfred Bluth aufgegriffen. In seinem „Porträt Johannes Grützke mit weiblichem Skelett“ stellt er den Künstlerkollegen Johannes Grützke ebenfalls vor einem Atelierfenster neben einem aufgehängten Skelett dar. In diesem Gemälde sind die Positionen allerdings vertauscht und das Fenster nimmt nicht die gesamte Wand ein. Zwischen den beiden Protagonisten befindet sich hier ein Fernglas, das auf der Fensterbank liegt.

Junge Frau mit Katzen ist ein 1904 entstandenes Gemälde des Malers Lovis Corinth. Es befindet sich heute in der Staatsgalerie Stuttgart. Bei der Porträtierten handelt es sich um Lovis Corinths Ehefrau, Charlotte Berend, die zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt war. Die Signatur von Lovis Corinth findet sich in der rechten oberen Bildecke.

Charlotte Berend wurde mehrfach von Lovis Corinth porträtiert. Hier stellt er seine 23 Jahre jüngere Ehefrau in einem geblümten Kleid und einem mit Blumen geschmückten Hut dar. Das Subjekt des Bildes, die Blickrichtung und die Art, wie mit Farbe umgegangen wird, erinnert an den frühen französischen Impressionismus. Obwohl Lovis Corinth gelegentlich zu den Impressionisten gerechnet wird, ist das Porträt jedoch direkter und klarer artikuliert als ähnliche Gemälde französischer Impressionisten. Das Gemälde strahlt Intimität mit der Porträtierten aus. Jugend und Unschuld der Dargestellten wird durch die zwei jungen Katzen unterstrichen, die Charlotte Berend in ihren Händen hält.

Charlotte Berend wurde am 25. Mai 1880 in Berlin als zweite Tochter des jüdischen Baumwollimporteurs Ernst Berend und seiner Frau Hedwig, geborene Gumpertz, geboren. Obwohl anfänglich dagegen, willigte ihr Vater auf Grund ihrer zeichnerischen Begabung in ein Kunststudium seiner Tochter ein. 1898 absolvierte sie die Prüfung für die Aufnahme an der Staatlichen Kunstschule in der Klosterstraße und studierte bei Maximilian Schäfer. Ein Jahr später besuchte sie die Schule am Kunstgewerbemuseum Berlin und führte ihre Studien bei Eva Stort und Ludwig Manzel fort.

Ab 1901 nahm Charlotte Berend als erste Schülerin Unterricht bei Lovis Corinth, der eine private „Malschule für Weiber“ gegründet hatte und dem sie ab 1902 auch regelmäßig als Modell zur Verfügung stand. Bereits im darauffolgenden Jahr, am 26. März 1903 heirateten Lovis Corinth und Charlotte Berend, wobei sie sich für den Doppelnamen Berend-Corinth entschied. 1904 (Taufdatum: 4. April 1905) kam ihr gemeinsamer Sohn Thomas Corinth auf die Welt. Die Tochter Wilhelmine Corinth folgte sechs Jahre später am 13. Juni 1909.

Charlotte Berend-Corinth malte in einer ähnlichen Weise wie ihr Mann und wird der Berliner Secession zugerechnet. Ihre ältere Schwester ist die Schriftstellerin Alice Berend. Charlotte Berend-Corinth ist heute vorwiegend als Herausgeberin seines Werkverzeichnisses bekannt

Das Porträt des Malers Paul Eugène Gorge zeigt den befreundeten Maler Gorge und entstand als eines der Frühwerke Corinths. Es befindet sich seit 1913 im Besitz des Von der Heydt-Museums in Wuppertal.

Das Gemälde zeigt den Maler Paul Eugène Gorge in einer entspannten Pose im frontalen Brustporträt, auf dem er den Künstler und Betrachter direkt anschaut. Er trägt eine dunkle, nach Charlotte Berend-Corinth eine dunkelblaue, Jacke und darunter ein helles Hemd. Der vor der Brust auf eine Lehne abgelegte rechte Arm endet in einer Hand, in der der Maler eine brennende Zigarette hält. Das dunkle Porträt wird von einer Lichtquelle links des Porträtierten beleuchtet, wodurch vor allem die linke Wange und die Hand mit der Zigarette hell erscheinen, während das Gesicht im Halbschatten liegt. Der Hintergrund besteht aus einer schlichten graublauen Wand, nach Sabine Fehlemann, der ehemaligen Direktorin des Von der Heydt-Museums in Wuppertal, blieben in den Frühwerken Corinths die Hintergründe noch unentdeckt, was sich auch im Bildnis des Neger Othello aus dem gleichen Jahr zeigt, und bilden nur einen flächigen „Resonanzboden“ für die Porträts, die dem Betrachter am vorderen Bildrand nahe gebracht werden. Nach Horst Uhr stellte Corinth in diesem Bild den graublauen Hintergrund mit dem rotblonden Erscheinen des Malers nebeneinander und führte das Bild in zügigen Pinselstrichen aus, wobei er den Kontrast des hellen Lichtes von einer Lichtquelle abseits des Bildes und die Schatten besonders betonte.

Am oberen rechten Rand ist das Bild signiert und beschriftet mit „Lovis Corinth. 1884.“

Lovis Corinth malte das Porträt 1884 in Antwerpen, wo er einige Zeit lebte und im Atelier von Paul Eugène Gorge arbeitete. Er lernte den Maler auf Empfehlung von Münchner Malerkollegen in Antwerpen kennen und freundete sich mit ihm an. Gorge war Mitglied der belgischen Malervereinigung As Ik Kan, die 1883 gegründet wurde und der auch der junge Henry van de Velde angehörte und die sich weniger der zeitgenössischen als vielmehr der traditionellen und konservativen Landschaftsmalerei verschrieben hatte. Corinth lernte über Gorge weitere Maler kennen, die nach seinen Aussagen jedoch nicht seinem Charakter zusprachen, was er vor allem darauf zurückführt, „daß sie eine andre Nation waren“ und „der echte Ostpreuße [...] sich eben nicht mit Fremden zusammentun“ kann.

Corinth malte in Antwerpen nur wenige Bilder, darunter etwa ein Landschaftsbild mit dem Titel Im Schilf. Das bekannteste Bild Corinths aus dieser Zeit ist der Neger Othello, das Porträt eines schwarzen Hafenarbeiters aus dem Hafen von Antwerpen. Corinth verließ Antwerpen nach nur drei Monaten, um dann nach Paris an die Académie Julian zu gehen. Mit Gorge war er allerdings sein Leben lang befreundet. In seinem 1954 von Charlotte Berendt-Corinth veröffentlichten autobiografischen Text Meine frühen Jahre schrieb Corinth über Gorge:

„Gorge z. B. fand ich so liebenswürdig und rein von Charakter, daß ich bis heute mit ihm befreundet bin. Wenn nicht heute der greuliche Weltkrieg unserm Verkehr ein Ende gemacht hätte, so würde er noch heute dauern.“

1898 entstand ein zweites Porträt von Gorge und im Jahr 1908 malte Corinth den Maler ein weiteres Mal, diesmal in einem Lehnstuhl vor einigen seiner Bilder sitzend und deutlich älter.

Im Jahr 1888 wurde das Porträt von Corinth in der Königsberger Kunsthandlung „Gutzeit“ ausgestellt und erhielt in der Allgemeinen Zeitung in Königsberg Beachtung. Dort wurde das Bild als „Beispiel eines naturalistischen Kolorismus“ herausgestellt, bei dem auf die „regelrechte Zeichnung und Wiedergabe der Formen weniger Gewicht“ gelegt wird „als auf die richtige Farbgebung in einer besonders interessant gewählten und ungewöhnlichen Seitenbeleuchtung“. Der damalige Rezensent führte weiter aus: „Die Technik verleugnet nicht etwa Flüchtiges, Skizzenhaftes. Aber ein besonderer malerischer Reiz liegt neben der ungeschminkten Naturwahrheit, die aus dieser Portraitstudie uns anblickt, vornehmlich in der flott und sicher die Farben hinsetzenden Mache, in der treffenden Behandlung der Lichttöne und der Transparenz der Halbschattentöne.“

Bereits seit 1913 befindet sich das Werk im Besitz des Von der Heydt-Museums in Wuppertal. Es wurde vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg in mehreren Ausstellungen gezeigt. 1950 war es im Landesmuseum Hannover zu sehen. 1958 wurde es anlässlich des 100-jährigen Geburtstags Corinths in einer Retrospektive in Wolfsburg, der Kunsthalle Basel, der Städtischen Galerie München sowie im Folgejahr 1959 in der Tate Gallery in London gezeigt. 1967 zeigte der Badische Kunstverein Karlsruhe das Bild, 1974 war es in der Kunsthalle Bielefeld zu sehen. 1975 wurde es erneut in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München und im Jahr darauf in der Kunsthalle Köln gezeigt. 1996 wurde eine weitere große Corinth-Ausstellung organisiert, die im Haus der Kunst in München und in der Nationalgalerie in Berlin stattfand und in der neben dem Porträt von 1884 auch das von 1908 zu sehen war. In einer eigenen Ausstellung 1999 zu Corinth wurde das Bild zudem auch im Von der Heydt-Museum abseits der Hauptausstellung mit anderen Bildern Corinths gezeigt.

Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar ist ein Gemälde des Malers von 1897. Das Bild zeigt eine Szene aus dem Laden eines Schlachthauses in Schäftlarn nahe München. Es befindet sich im Besitz der Kunsthalle Bremen.

Das Bild gehört zu einer Reihe von Genrebildern Corinths zum Thema Schlachthäuser und Fleischerläden, die in seinem Gesamtwerk mehrfach auftauchen. Diese Schlachter- und Fleischbilder Corinths werden von verschiedenen Kunsthistorikern sehr häufig als Verarbeitung von Kindheitserinnerungen als Sohn eines Gerbers interpretiert oder mit den Aktbildern des Künstlers verglichen und in Beziehung gesetzt.

Bei dem Bild Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar handelt es sich um ein Ölgemälde auf Leinwand. Es ist 69 Zentimeter hoch, 87 Zentimeter breit und am oberen rechten Bildrand mit schwarzer Farbe zweizeilig signiert mit dem Namen des Malers und der Jahreszahl Lovis Corinth 1897.

Das Bild zeigt eine Szene in einem Schlachterladen. Ein lächelnder junger Mann steht in einem Raum mit einer Schale mit Fleischstücken im Vordergrund vor einem Tresen mit einer daran hängenden Fleischwaage. Auf dem Tresen und an der Wand sind mehrere geschlachtete Schweine aufgehängt und auf dem Tresen liegen weitere Fleischteile und Tierköpfe. Den Hintergrund bildet das in Grün- und Brauntönen gehaltene Innere der Schlachterei, das von einem Fenster aus dem Hintergrund beleuchtet wird. Das Bild wird durch zwei Gewölbejoche in zwei gleiche Hälften geteilt. Die an der Wand hängenden Schlachttiere und die Fleischstücke auf dem Tresen und in der Schale des jungen Mannes leuchten, als würden sie von einer weiteren Lichtquelle im Vordergrund angestrahlt.

Die dunkle Farbgebung des Hintergrunds kontrastiert nach der Interpretation von Horst Uhr dabei stark mit der hellen Vielfarbigkeit der Fleischstücke auf dem Tresen und an der Wand, die zudem eine fettige Textur durch den Glanz der Farbe erhalten. Die Zweiteilung des Bildes durch die Gewölbe hält das Bild optisch im Zusammenspiel mit den roten Fleischstücken und dem Gestell im Gleichgewicht. Hans-Jürgen Imiela beschrieb das Bild als Blick in einen niedrig gewölbten Raum, in dem die ausgeweideten Tiere sowie die Rumpfteile auf dem Tresen bis in den vorderen Bildbereich reichen, wo der dort stehende und heraussehende Junge einen Trog mit Fleischstücken hält. Er unterstreicht vor allem die Beleuchtung durch das im Hintergrund liegende Fenster, die einen deutlichen und das Bild besonders betonenden Gegenlichteffekt zur Folge hat.

Lovis Corinth malte das Bild Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar 1897 zum Ende seines Studiums in München. Corinth verbrachte, nachdem er sich in Königsberg und in München in der Malerei ausbilden lassen hatte, zwischen 1884 und 1887 fast drei Jahre an der Académie Julian in Paris, wo er vor allem durch die neoklassizistischen Werke von Jean-Auguste-Dominique Ingres sowie durch den Impressionismus und Pointillismus der zeitgenössischen französischen Kunst beeinflusst wurde. Seine Lehrer während dieser Zeit waren William Adolphe Bouguereau und Joseph Nicolas Robert-Fleury. Während seiner Zeit in Paris nahm Corinth aktiv an der Kunstszene teil; er besuchte den Salon de Paris, die Pariser Galerien und auch die Museen wie das Louvre. 1887 kehrte Corinth nach München zurück, inspiriert von dem im Kunstsalon Georges Petit ausgestellten Werk Die Wilderer von Wilhelm Leibl.

Im Jahr 1896 entstand in München mit dem Selbstporträt mit Skelett eines der bekanntesten Werke Corinths und mit weiteren Bildern aus dieser Zeit etablierte sich Corinth sowohl in der lokalen Kunstszene in München wie auch national.

Einen Fokus setzte Corinth zu dieser Zeit auf Aktszenen in historischen Kontexten. So entstanden im gleichen Jahr wie der Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar auch Bilder wie Die Versuchung des heiligen Antonius, Susanna und die beiden Alten sowie Die Hexen, daneben auch Porträts wie das Porträt des Malers Otto Eckmann.

Seinen größten Erfolg dieser Zeit erreichte Corinth mit seiner 1900 gemalten Salome, einem Aktgemälde in einer historischen Szenerie, das auf die literarische Vorlage von Oscar Wilde aufbaut und das Salome, Tochter der Herodias, mit dem abgeschlagenen Kopf Johannes des Täufers zeigt. Da dieses Bild nicht in der Münchener Secession ausgestellt werden sollte, gab Corinth es an Walter Leistikow in Berlin, der das Bild für die Ausstellung der Berliner Secession annahm. Aufgrund des großen Erfolges des Bildes wechselte Corinth kurz darauf seinen Wohnsitz und zog nach Berlin.

Der Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar gehört zu den bekanntesten Genrebildern Corinths, die das Thema des Schlachtens aufgreifen. Insgesamt benutzte er dieses Thema in 14 Gemälden, darüber hinaus in zahlreichen Skizzen und Grafiken wie etwa in Geschlachtetes Schwein von 1906, das sich im Museum of Modern Art in New York City befindet.

Die Darstellung, das Sujet, von Schlachthausszenen und Fleischdarstellungen reicht zurück bis in die Anfänge der Malerei, die etwa durch Jagdszenen in Höhlenmalereien gekennzeichnet sind. Die frühesten überlieferten Darstellungen von Haustierschlachtungen stammen aus dem Alten Ägypten, beispielsweise in Form von Reliefdarstellungen in der Mastaba des Ti die auf etwa 2400 v. Chr. während der 5. Dynastie des Alten Reiches datiert wird. Auch in späteren Kulturen wurde das Thema regelmäßig aufgegriffen, etwa in der Griechischen Vasenmalerei oder in Reliefs des Römischen Reichs bis in die Moderne. In der Malerei des Barock und Rokoko wurde das Thema vor allem in der italienischen und niederländischen Kunst bereits lang vor Corinth aufgegriffen und dargestellt. So malten etwa der niederländische Maler Pieter Aertsen und der italienische Künstler Annibale Carracci im 16. Jahrhundert mehrere Bilder, auf denen in einem Fleischerladen Fleischstücke und Tierhälften dargeboten werden. Auch Rembrandt griff das Thema auf und malte unter anderen das bekannte Bild Geschlachteter Ochse von 1655, das im Louvre in Paris zu sehen ist. Dieses Bild inspirierte auch Corinth, dem es von seinem Aufenthalt in Paris bekannt war und der sich damit in Rembrandts kunsthistorische Traditionslinie einreihte. Auch Corinths Zeitgenossen griffen das Thema auf, darunter der Franzose François Bonvin mit seinem Das Schwein (Hof des Schlachters) (1874), Max Liebermann mit seinem Schlächterladen in Dordrecht (1877) und Max Slevogt mit Geschlachtetes Schwein (1906).

Corinth setzte sich aufgrund seiner Kindheit jedoch deutlich intensiver und länger mit dem Fleischerhandwerk auseinander. Nach Gert von der Osten brachte Corinth seine Viehstücke und Metzgerszenen vor 1890 zur Vollendung. Bereits 1892 malte er mit den drei Bildern Schlachterei, Kühe im Stall und einer ersten Version des Geschlachteter Ochse eine erste Serie von Schlachthausszenen.

1893 folgte mit Im Schlachthaus sein erstes bekannteres Gemälde, das ebenso wie das im gleichen Jahr gemalte Schlachthausszene eine Tierschlachtung in einem düster beleuchteten Kellerraum darstellt. Auf diesem weiden fünf Metzger ein geschlachtetes Tier aus und häuten es. Vier der Personen arbeiten mit Werkzeugen am Tierkörper, während einer der Männer hinter einer mit Innereien gefüllten Schüssel steht und seine Ärmel hochkrempelt. Dieses Bild „gibt in gekonnter Manier die Stimmung beim Enthäuten eines geschlachteten Ochsen wieder“. Nach Andrea Bärnreuther „zelebriert [das Bild] das Drama des Antagonismus von Fleisch und Tod“. Nach ihrer Betrachtung findet hier ein „Kampf an zwei Fronten“ statt, die sich zum einen durch die Gruppe der Metzgergesellen an dem Tier, die sich von vorne rechts in das Bild und das Tier vorarbeiten, und zum anderen durch den Fleischhauer hinten links hinter dem Tier ergeben. Sie beschreibt dabei die gegenläufigen Bewegungen dieser beiden Szenen, die sich im Licht ergeben. Das Licht, einfallend durch ein Fenster im Hintergrund, strahlt nach ihrer Darstellung „vom entweichenden Leben“ selbst aus und „vereint Opfer und Täter in einer gemeinsamen Handlung“. Der Tierkörper bildet das Zentrum des Bildes und der Handlung, und durch die blutigen, „glitschigen“, Lachen auf dem Boden der Schlachterei entsteht eine „schwüle Atmosphäre, die weit mehr als den Augensinn anspricht“. Friedrich Gross beschreibt den Raum als „höhlenartigen Kellerraum“, in dem „das durch das Laub gebrochene, hellgrüne Licht des vergitterten Fensters“ das „Gefängnisartige der Szene“ betont, während die wilden, formvernichtenden Pinselhiebe die Gewalttätigkeit des Schlachtens hervorheben und sich die weißen und roten Pinselzüge unterschiedslos über den Kadaver und die Schlächter, über das Fleisch und die Haut sowie sogar über die Wände ausbreiten. Till Schoofs betonte den Unterschied dieses Bildes zu anderen Bildern der Zeit: „Der energische breite Pinselduktus und der skizzenhafte Charakter des Bildes unterscheiden sich von Corinths zeitgleichen akademischen Bildern und müssen in einem beinahe fieberhaften Bewegungsablauf entstanden sein.“ Das 1896 gemalte Geschlachtete Kälber zeigt wiederum nur die aufgehängten Kadaver geschlachteter Tiere im Schlachthaus.

Der Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar greift die Schlachterszene auf eine andere Weise auf und zeigt „die typische Stimmung in einem Metzgerladen der Jahrhundertwende“. Alfred Rohde bezeichnete das Bild 1941 als Glanzleistung in der Fortsetzung des Themas der Schlachthäuser. und nach Georg Biermann wird es 1913 als „malerisch ungemein feines, koloristisch in feinen weiß-roten Tönen stark vertieftes Bild“ beschrieben. Hier steht allerdings nicht das Schlachten und Zerteilen selbst im Vordergrund, stattdessen wird ein freundlich wirkender Schlachtergeselle vor die geschlachteten Tiere gestellt, der dem Betrachter das frische Fleisch anbietet. Nach Bärnreuther ist in diesem Bild die Erregung der Schlachtung, die 1893 Im Schlachthaus eine zentrale Rolle spielt, „einem beruhigten, am geschlachteten Fleisch sich weidenden Anschauen gewichen“. Horst Uhr sieht das Bild in einer kontrollierteren strukturellen Logik mit weniger aggressivem Charakter,[2 ] während Zimmermann auf das „rot eingefärbte Lächeln“ des Jungen hinweist. Anders als die Schlächterladen in Dordrecht von Max Liebermann aus dem Jahr 1877 werden die Fleischstücke allerdings weniger steril mit stärkerer Darstellungskraft dargestellt.

Von der Osten beschrieb diesen Schlachtergesellen als „großartigste Fleischerdarstellung“: „Am großartigsten ist der Geselle im Schlachterladen erfaßt: das triebhafte Gesicht mit den abgesträubten Haaren ist zu schmalem Grinsen verzogen und grell in der Schräge zwischen Schlaglicht und Schatten zerteilt. Eine Dämonengestalt an der Schwelle des Jahrhunderts, das in seinen tiefsten Abgründen auch den Menschen selbst nach seinem bloßen Lebendgewicht abschätzen wird – und doch nur ein Schlachtergesell von bayrisch-ländlicher Art, so selbstverständlich, daß von allem jenen gewiß nur der Maler, und auch der kaum ahnend, etwas auf die Leinwand schreibt.“ Gert von der Osten, 1955

Friedrich Gross beschrieb die Szene im Schlachterladen dagegen freundlich mit im Sonnenlicht leuchtender Ware und einem lachenden Schlachterjungen, der eine Schale mit saftigen Fleischstücken gleichsam feilbietend vor sich hält. Wie bereits 1892 kombinierte Corinth das Bild aus dem Schlachthaus mit einem Bild aus den Viehställen, in diesem Fall mit Stallinneres, das ebenfalls 1897 entstand.

Auch nach den 1890er Jahren malte Corinth mehrfach Bilder mit Darstellungen aus Schlachtereien oder Fleischteile. 1905 entstand eine weitere und bekanntere Version des Geschlachteter Ochse, die nach Zimmermann das opulenteste Gemälde der Schlachthausbilder darstellt. Wie beim Vorbild Rembrandts ist bildfüllend ein an den Hinterbeinen aufgehängter und ausgeweideter, kopfloser Ochse dargestellt. Diesem wurde das Fell bis zur Hälfte abgezogen, das so das rot leuchtende Fleisch mit dem deutlich weiß und perlmuttfarben dargestellten Fett umrandet. Der Schlachter sowie ein weiterer Körper sind unscheinbar im Hintergrund dargestellt.

1906 malte Corinth in Fleischerladen mehrere an der Wand aufgehängte Schweinehälften und 1913 stellte er in einem ebenfalls als Fleischerladen benannten Bild die an der Wand hängenden Fleischteile als „amorphe Fleischbrocken“ dar.

Um 1925, dem Todesjahr Corinths, griff der weißrussische Maler Chaim Soutine in Paris das Thema der Schlachthausszenen erneut auf und stellte diese in expressionistischer Weise mit roten und gelben Tieren und blauen „Tötungsapparaturen“ dar. Ein weiterer Künstler, der sich dem Thema widmete, war Norbert Tadeusz, der 1983 einen aufgehängten Rindern malte und in einer Studie zu seinem großformatigen Vorhölle – Abnahme einem geschlachteten Tierkörper die Gestalt einer Frau gab. Auch in seinem Volto Santo haben die aufgehängten Tiere eine menschliche Gestalt.

Die Deutungen für den Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar beziehen sich auf verschiedene Aspekte, die von mehreren Kritikern auf den gesamten Komplex der Schlachthausbilder Corinths beziehen. Der Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar steht dabei in der Regel gemeinsam mit Im Schlachthaus von 1893 und Geschlachteter Ochse von 1905 als zentrales Werk dieses Typs im Mittelpunkt der Betrachtung. Als wesentliche Aspekte der Deutung werden die Verarbeitung von Kindheitserinnerungen, die Faszination am Akt des Schlachtens selbst sowie die Sinnlichkeit des Fleisches und damit auch die Übertragene „Fleischeslust“ genannt.

Gert von der Osten sieht sie in seinem Buch über Corinth 1955 als Befreiung von den Jugenderinnerungen, „die ihn zugleich fasziniert und bedrängt haben mögen.“ Lovis Corinth hatte als Sohn eines Gerbers bereits in seiner Kindheit mit geschlachteten Tieren zu tun, deren Felle sein Vater verarbeitete. Er schilderte diese Erinnerungen in seinen autobiografischen Schriften in vielfältiger Weise, etwa bei der Beschreibung der „Fleischer, welche ihre frisch abgezogenen Felle verhandeln wollten“ und die zu „bestimmten Seiten ins Haus [kamen]: Kühe und fette Schweine mußten dran glauben“.

„Das Schlachten bei den großen Tieren war anders; das erste Stadium konnte ich nicht sehen – ich versteckte mich. Aber dann später sah ich nicht mehr die Kreatur von früher, und ich ergötzte mich. So mancher würde mich wohl schelten, wenn ich die Augen aus dem Schweinskopf herauspolkte und ähnliche wißbegierige Dinge trieb; dagegen wurde das Rind, wenn es im Speicher aufgehängt hing, stets mit einer gewissen Ehrfurcht und Trauer betrachtet.“Lovis Corinth, „Künstlers Erdenwallen“, 1920

Später, während seines Studiums der Malerei an der Kunstakademie Königsberg, bekam er über einen Schwager, der als Metzger arbeitete, die Gelegenheit, in einem Schlachthof zu zeichnen und zu malen. Er beschrieb dies ausführlich in seinen Autobiografien sowie vor allem in den Legenden aus dem Künstlerleben, in denen er sich selbst in der Gestalt des Malers Heinrich darstellte. Vor allem in diesem Werk beschrieb Corinth ausführlich die Szenerie des Schlachthauses und die Schlachtung eines Ochsen, bei der „Heinrich“ anwesend war und wo er diese malen konnte:

„Weißer Dampf rauchte aus den aufgebrochenen Leibern der Tiere. Eingeweide, rote, violette und perlmuttfarbige, hingen an eisernen Pfeilern. Das wollte Heinrich alles malen. Manches Mal wurde er unsanft beiseite gestoßen, wenn Karren, mit Unrat und blutgetränkten Fellen beladen, hart an ihm vorbeigeschoben wurden. Er achtete dessen nicht; die knackenden Schläge der Beile, das Stürzen der Tiere hörte er nicht im Eifer der Arbeit.“ Lovis Corinth, Legenden aus dem Künstlerleben, 1918

Jill Lloyd betrachtete 1996 die Verarbeitung dieser Kindheitserinnerungen sowie die Themenwahl der Schlachthausbilder und anderer Motive als mögliche Verarbeitung eines Kindheitstraumas und vergleicht Corinth damit mit Edvard Munch. Nach ihrer Ansicht sind die Schlachthausszenen „beseelt von einer außergewöhnlichen Dramatik und Energie, so als stimulierten der Geruch und der Anblick des Blutes, das an den von der Decke hängenden, riesigen Kadavern hinabströmt, eine urwüchsige und beinahe sexuelle Erregung“ und werden besonders durch die Intensität der Kindheitserinnerungen belebt.

Michael F. Zimmermann betrachtet die Schilderungen Corinths dagegen als „autobiographischen Mythos“, eben als „Legende“, in dem der Autor Corinth dem Leser sein Leben ganz nahe bringt und es zugleich entrückt. Demnach ist „der Gegensatz von Metzgerei und Atelier, bluttriefendem Fleisch und sinnlicher Haut“ die Darstellung der Pole, zwischen denen Corinth in seinem Werk seine Bilderzählung ausspannt und dabei die Dargestellten nah an die Bildfläche rückt und so durch ihre drastische körperliche Präsenz dem Betrachter keinen Raum für eine distanzierte Betrachtung gibt. Auch Frédéric Bussmann betont in seiner Beschreibung des Geschlachteter Ochse, dass Corinth es „zwar Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend gewesen sein [mögen], die ihn an diesem Thema reizten“, er aber „nicht traumatisierende Erinnerungen malerisch auf[arbeitete]“, sondern vielmehr „dem Reiz des Fleisches“ erlegen war. Dies reflektiert Schoofs auch auf die Darstellung in den Legenden aus dem Künstlerleben.

Imiela betrachtete das Bild Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar als Auslotung von Grenzposition. Durch die Gegenlichtdarstellung des Raumes wird nach seiner Betrachtung die „tierische und menschliche Existenz“ „in erschreckender Weise“ verwandelt und der Junge und die an den Wänden hängenden Fleischteile „erhalten die gleiche Dingqualität“. Nach seiner Ansicht hat Corinth niemals wieder „eine solche Grenzverwischung vorgenommen“.Er stellt zudem zur Diskussion, ob die hinter dem Jungen im Hintergrund hängende Waage auf diesen Balanceakt anspielt und damit das Bild mit einem Todesverweise, einem Vanitas-Motiv ausstattet, wie er sehr deutlich in Corinths Selbstporträt mit Skelett vorhanden war.

Nach von der Osten war „das Töten und vernichtet sein“ sowie das „fahlweiße Fett und das gestorbene Lebensrot der aufgebrochenen Tiere“ für Corinth zu dieser Zeit „vor allem ein Fest“. Friedrich Gross bezieht diese Faszination am Thema des Schlachtens auf die „grundsätzliche zerstörerische Aneignung durch den Menschen“ und einer „raubtierhaften Lust und dem Grauen vor der Zerstückelung des Lebendigen“ Der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe ging einen Schritt weiter und übertrug im Vorwort zum Ausstellungskatalog der Berliner Secession von 1918 den Akt des Schlachtens direkt auf die Malerei Corinths:

„Manchmal und gerade in Berlin spürte er vor der Staffelei ein irdisches Vergnügen wie der Schlächter vor dem Vieh… Das Menschliche in der Kunst. Er schlachtete, während er malte.“ Julius Meier-Graefe, 1918

Diese Faszination für den Akt des Schlachtens und der Lust an der Darstellung des Fleisches wird auch von weiteren Kunsthistorikern beschrieben. Im Fall des Geschlachteter Ochse schrieb Bussmann von der „Ausarbeitung des sinnlichen Fleisches“ und beschreibt weiter: „Mit schwungvollen Strichen malt Corinth den Kadaver, umkreist die Fleischmassen und streichelt sie fast zärtlich mit seinem Pinsel.“

Nach Gross sind die Schlachthausszenen durch eine starke freizügige Sinnlichkeit geprägt, die besonders stark bei der Schlachthausszene von Im Schlachthaus 1893 zu Tage tritt, und mit anderen Werken Corinths, vor allem den Aktbildern und den Historien, in Beziehung zu setzen ist. Der Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar ist dagegen weniger dramatisch, nicht jedoch weniger sinnlich dargestellt. Nach seiner Deutung suggeriert das Bild „einfaches Leben, Überfluß, lustvolles Genießen, obwohl auch hier stumpfe Grautöne und dunkle Farben die freizügige Sinnlichkeit einschränken.“

Die überwiegende Mehrheit der Autoren, die das künstlerische Werk Corinths beschreiben, stellt die Schlachter- und Fleischbilder aufgrund dieser Aspekte in einen direkten Zusammenhang mit den Aktbildern, für die Corinth sehr bekannt war und ist. Beiden Gruppen wird eine Sinnlichkeit zugeschrieben, die diese Motive verbindet. Corinth wurde in diesem Aspekt vor allem mit den Barockmalern Peter Paul Rubens und Jacob Jordaens verglichen. Jill Lloyd stellt die toten Tierkörper, die „durch die Virtuosität und Sinnlichkeit von Corinths Farbe gleichsam zum Leben erweckt werden“, in direkte Beziehung zu den Frauen in den Aktgemälden, da beide Motive von Corinth „atmend nah“ und nicht als Stillleben behandelt werden. Sie führt diese „befremdliche und in gewisser Weise morbide Assoziation“ vor allem auf „die magnetische Anziehungskraft, die die Farben und Texturen des Fleisches auf die Augen des Künstlers ausübten“ zurück.

Nach Zimmermann besteht im Werk Corinths ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Darstellung von Schlachthausszenen und dem Interesse an der Darstellung nackter Körper und des Inkarnats, der Hautfarbe der Abgebildeten, mit dem darunter liegenden Fleisch. Er stellt die Darstellungen vor allem in einen Zusammenhang zur Innocentia von 1890 und anderen „Werken, in denen Corinth einen oder mehrere weibliche Akte zusammenführt, von denen sich einige die Brüste halten und so die Weichheit des Fleisches fast tastbar machen.“ Weitere Bilder, die er in diesem Zusammenhang aufzählt sind Die Hexen (1897), Der Harem (1904) und Die Waffen des Mars (1910). Auch Aktbilder außerhalb von Historiendarstellungen werden in Beziehung zu den Schlachtbildern gesetzt, so etwa das 1908 und damit parallel zu Geschlachteter Ochse entstandene Gemälde Die Nacktheit, in dem Corinth seine Frau Charlotte Berend-Corinth gemeinsam mit ihrem zweifach gemalten Sohn Thomas darstellte. Die Farbgebung des Körpers seiner Frau vergleicht Zimmermann direkt mit dem Geschlachteter Ochse: „Die Haut ist immer wieder von Rot wie von überbordener Vitalität durchglüht, die Schwellungen jedoch schillern wie perlmuttern in Weiß. Näher hätte man in der Aktmalerei den Tönen des Ochsen nicht kommen können.“

Für die Behandlung des Sujets Fleisch und die Beziehung zwischen Corinths Fleischdarstellungen und Aktgemälden kommt Zimmermann auf die folgende Schlussfolgerung:

„Mehr als jeder andere Künstler verbindet Corinth seine Sensibilität für die Inkarnate, für das nackte lebende Fleisch ohne Hülle, mit der Faszination für das tote Fleisch. In seiner Malerei begegnet er dem Modell mit einer Erotik, in die sich Gewalt mischt. Malen erscheint als ein stets auch gewaltsamer Akt, als immer auch unstatthaftes Eindringen in die Intimität des Anderen.“

Das Bild Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar wurde 1897 von Corinth am Ende seiner Studienzeit in München gemalt. Das Bild befand sich in Besitz des Berliner Kunsthändlers und Sammlers Ernst Zaeslein, von dem es 1913 die Kunsthalle Bremen erwarb (Inv. Nr. 347 – 1913/3). Der damalige Direktor Gustav Pauli baute, ebenso wie Hugo von Tschudi in der Nationalgalerie in Berlin, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst auf und erwarb Gemälde von Paula Modersohn-Becker sowie von französischen und deutschen Impressionisten. Zu den Anschaffungen zählen Camille im grünen Kleid von Claude Monet, Zacharie Astruc von Édouard Manet und Gemälde von Gustave Courbet, Pierre-Auguste Renoir, Camille Pissarro, Max Liebermann und Max Slevogt. 1911 löste der Ankauf des Mohnfeldes von Van Gogh den Bremer Künstlerstreit unter Malern und Museumsleuten in Deutschland aus. Zu den Anschaffungen gehörten auch einige Bilder von Lovis Corinth.

Schlachterladen in Schäftlarn an der Isar hängt in der Dauerausstellung der Kunsthalle Bremen und wurde darüber hinaus vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen gezeigt. Nach dem Werkverzeichnis von Charlotte Berend-Corinth war es Bestandteil einer Ausstellung im Landesmuseum Hannover 1950 und im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen 1955. 1958 wurde das Bild anlässlich des 100. Geburtstags von Lovis Corinth in der Nationalgalerie in Berlin, der Kunsthalle Bremen und beim Kunstverein Hannover ausgestellt. 1960 war es in der Neuen Galerie der Stadt Linz zu sehen und 1975 erstmals in den Vereinigten Staaten in der Gallery of Modern Art in New York City. 1975 folgte eine Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München und 1976 in der Kunsthalle Köln. Im Rahmen der Ausstellung „German Masters of the Nineteenth Century“ zeigte das Metropolitan Museum of Art 1981 das Bild erneut in New York. Weitere Ausstellungen erfolgten 1985/1986 im Museum Folkwang in Essen, 1992 im Kunstforum Wien und 1992/1993 im Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover. 2010 war das Bild zudem in der Ausstellung „Augenschmaus – Vom Essen im Stillleben“ im Bank Austria Kunstforum in Wien zu sehen.

Petermannchen, auch Petermannchen im roten Stuhl, ist der Titel eines Gemäldes des deutschen Malers Lovis Corinth. Es zeigt seine spätere Ehefrau Charlotte Berend. Das Bild wurde im Jahr 1902 gemalt und befand sich bis 2007 in Privatbesitz. Heute gehört es zur Sammlung des Jüdischen Museums Berlin, für das es 2007 von dem privaten Förderverein Verein der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums erworben wurde.

Das Bild ist eines der frühesten Bildern Corinths von Charlotte Berend und es wurde von ihm bei ihrer ersten gemeinsamen Urlaubsreise an die Ostsee gemalt. Die Bildbezeichnung leitet sich von einem Kosenamen ab, den er ihr gab.

Das Bild zeigt Charlotte Berend sitzend auf einem Lehnstuhl in einem Raum vor einem Fenster. Der Stuhl steht schräg zum Betrachter mit der offenen Sitzfläche zur unteren linken Ecke gewendet. Charlotte Berend sitzt so in ihm, dass sie weitgehend von der Seite gemalt wurde. Sie trägt ein schwarzes Kleid mit einem bunten Blumenmuster, weißen Rüschen und halblangen Ärmeln. Die dem Betrachter zugewandte linke Schulter sowie ihr Hals und der obere Bereich ihres Dekolletés sind unbedeckt, ebenso ihre Unterarme. Die langen dunklen Haare liegen im Nacken. Ihr Gesicht ist dem Betrachter halb zugewandt und sie blickt ihn an. Ihr rechter Arm ist mit dem Ellenbogen auf der Stuhllehne aufgestützt und ihre nach oben weisende Hand hält einen braunen Umhang, der über die Lehne gelegt ist. Ihr linker Arm greift diagonal über ihren Oberbauch ebenfalls zur rechten Stuhllehne und ist mit der Hand auf den Umhang aufgelegt. Bei dem Stuhl handelt es sich um einen roten Holzstuhl mit geschwungener Lehne und einer roten Polsterung, die hinter dem Rücken der Frau erkennbar ist.

Im Hintergrund ist die graue Wand des Zimmers mit einem kleinen Fenster im linken oberen Bildfeld zu sehen. Das Fenster ist geschlossen und durch die Scheibe ist Vegetation außerhalb des Raumes erkennbar. Beidseitig des Fensters fällt ein grauer Vorhang in Falten herab. Am roten Stuhl befindet sich in der Lehne die Inschrift »m. l. Petermannchen«.

Das Bild ist im linken oberen Bildfeld unterhalb des Fensters signiert mit den Worten Lovis Corinth 2. September 1902. Die Begegnung mit Charlotte Berend und ihre Beziehung fällt zeitlich in den Bereich, in dem sich Corinth in Berlin einrichtete.

Er hatte sein Studium in München in den 1890er Jahren beendet. Seine 1900 gemalte Version der Salome, ein Aktgemälde in einer historischen Szenerie, das auf die literarische Vorlage von Oscar Wilde aufbaut und das Salome, Tochter der Herodias, mit dem abgeschlagenen Kopf Johannes des Täufers zeigt, sollte nicht in der Münchener Secession ausgestellt werden. Corinth gab das Bild daraufhin an Walter Leistikow in Berlin, der das Bild für die Ausstellung der Berliner Secession annahm. Aufgrund des großen Erfolges des Bildes wechselte Corinth kurz darauf seinen Wohnsitz und zog nach Berlin.

Bei dem Bild Petermannchen handelt es sich um eines der frühesten Gemälde von Lovis Corinth, auf denen er seine spätere Frau Charlotte Berend (1880–1967) porträtierte. Corinth lernte die damals 21 Jahre alte Frau 1901 kennen, nachdem er in Berlin eine Malschule für junge Frauen eröffnet hatte. Charlotte Berend, die Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie, war seine erste Schülerin, und sie stand ihm in der Folgezeit regelmäßig Modell.

1902 verreiste er mit ihr an die Ostsee, wo sie gemeinsam im heutigen Niechorze, damals Horst in Pommern, Urlaub machten. Corinth porträtierte sie in dem Jahr mehrmals. Während des Badeurlaubs entstand das Bild Petermannchen ebenso wie das Bild Paddel-Petermannchen. Während des Aufenthaltes in Horst vertiefte sich die Beziehung von Lovis Corinth und Charlotte Berend, und sie wurden ein Liebespaar. Charlotte Berend beschrieb in ihren Lebenserinnerungen Mein Leben mit Lovis Corinth, wie sie beide engumschlungen auf einem Steg saßen und sie ihm die Geschichte ihres ersten Heiratsantrags erzählte. Das Paddel-Petermannchen ist im Freien gemalt. Es zeigt Charlotte in Jacke, Rock und mit einem Hut im seichten Wasser am Ostseestrand. Sie steht barfuß und mit gelüftetem Rock im Wasser und lächelt dem Maler und dem Betrachter zu, während hinter ihr das Meer bis zum Horizont reicht. Petermannchen wurde dagegen im Zimmer des Malers gemalt und Charlotte Berendt beschrieb das Entstehen des Bildes wie folgt:

„Während der Ferien in Horst malte Corinth von mir schließlich noch das Porträt ‚Petermannchen im roten Stuhl‘. Ich saß, es war in seinem Zimmer, plaudernd oder auch schweigend, um ihm Gelegenheit zu geben, das Physiognomische in allen seinen Möglichkeiten zu erfassen. Auf diesem Bild hielt er meinen ihm zugewandten Blick hingebender Liebe, von dem ich selbst nichts wußte, fest; seine Liebe zu mir manifestierte sich in der Zärtlichkeit der Darstellung, insbesondere meiner Hand.“– Charlotte Berend-Corinth, 1958

Nach ihrer Darstellung war „der Aufenthalt in Horst [...] eine der entscheidenden und für alle Zukunft grundlegenden Phasen meines Lebens. Diese Zeit führte Corinth und mich menschlich enger zusammen.“ Georg Biermann, der bereits 1913 die erste Monografie zum Werk von Lovis Corinth veröffentlichte, verglich das Bild mit dem früher im Jahr gemalten Porträt Charlotte Berend im weißen Kleid, das er fälschlich als Bild im Hochzeitskleid beschreibt, als „in jeder Beziehung ungleich intimer und persönlicher“:

„Wie hier das Antlitz in stille Beschaulichkeit versunken ist und das Licht die Fleischpartien modelliert und wie man die Empfindung hat, daß hier das Bewußtsein jungen Glückes dem Künstler bei seiner Arbeit helfend zur Seite gestanden, das gibt gerade diesem weiblichen Porträtstück einen unvergleichlichen Reiz und hebt es turmhoch über alle ähnlichen Frauenbildnisse, die Corinth im Auftrag irgendwelcher Besteller gemalt hat.“– Georg Biermann, 1913

Auch das Porträt Mädchen mit Stier stammt von dieser Reise. Dieses Bild, an dem Charlotte Berend einen kräftigen Stier am Nasenring führt und streichelt, fand aufgrund der darin enthaltenen Bedeutung besondere Aufmerksamkeit in der Berliner Sezession: Symbolisch zeigte das Bild die aktuelle Beziehung des Paares auf, in der sich Corinth als gezähmten Bullen von der Frau an einem rosa Band am Nasenring herumführen ließIm Folgejahr am 26. März 1903 heirateten Lovis Corinth und Charlotte Berend, die sich für den Doppelnamen Berend-Corinth entschied. Am 13. Oktober 1904 kam der gemeinsame Sohn Thomas Corinth auf die Welt.

Der Name des Bildes, den Corinth selbst für das Bild ausgesucht hatte, hat seinen Ursprung in einem Kosenamen, den Corinth für seine Geliebte verwendete. Er „versteckt“ diesen als Widmung auf der Stuhllehne im Bild, auf der kaum sichtbar »m(ein) l(iebes) Petermannchen« steht.

Der Kosename geht auf eine erfundene Geschichte zurück, die sie Corinth im Urlaub erzählte. Demnach sei sie „‚eine Zigeunerin, eine Petermann, Tochter des berühmten Stammes der Petermann‘ und als Kind mit einem ‚blonden, blauäugigen Kind‘ vertauscht worden“. Nach ihrer Beschreibung in ihren Lebenserinnerungen Mein Leben mit Lovis Corinth hatte sie diese Geschichte ursprünglich erfunden, um einen Verehrer aus Sachsen loszuwerden, der ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Corinth griff den Namen auf und nannte sie nachfolgend immer „Petermannchen“, unter diesem Namen widmete er ihr dann auch die Bilder.

Lovis Corinth malte während seines Lebens zahlreiche Porträts von seiner Frau Charlotte Corinth, geborene Berend. Carl Georg Heise schrieb dazu 1958, dass er etwa „80 Bildnisse seiner Gattin geschaffen hat, nicht zu reden von den Werken, zu denen sie ohne bestimmte Bildabsicht Modell gestanden hat.“ Obwohl Corinth in dem Petermannchen seine Geliebte nicht wie in vielen anderen späteren Werken unbekleidet darstellte, trägt das Porträt nach den Darstellungen des Jüdischen Museums Berlin bereits die Note späterer erotisch-sinnlicher Porträts, die er in den folgenden Jahren von Charlotte Berend malen würde. Mit der lockeren Haltung der Dargestellten, dem leicht in den Nacken gelegten Kopf und der freien Schulter erkundet Corinth demnach bereits die Grenzen der Konvention.

Der aktuelle Besitzer, das Jüdische Museum Berlin, stellt das Bild in den Kontext der bildlichen Darstellung jüdischer Personen zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach ihrer Bildpräsentation weckt das Bild „seiner zukünftigen Frau [...] Assoziationen an das Stereotyp von der ‚schönen Jüdin‘ und erzählt so vom Spannungsverhältnis jüdischer Identitäten diesseits und jenseits der Religion – und diesseits und jenseits des Bürgertums.“ Lovis Corinth war mit dem jüdischen Leben vertraut und hatte viele jüdische Auftraggeber, wie zahlreiche Porträts belegen.

Das sehr persönliche Bild befand sich bis 2007 in Privatbesitz, zuerst bei Charlotte Berend-Corinth selbst und danach bei ihrer Tochter Wilhelmine Corinth in New York.

Das Petermannchen wurde seit 1903 in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und in etlichen Ausstellungsführern abgebildet. Dabei wurde das Bild zuerst 1903 bei einer Ausstellung bei Paul Cassirer in Berlin gezeigt, danach erst wieder 1913 bei der Berliner Secession. Weitere Ausstellungen des Gemäldes zu Lebzeiten Corinths fanden 1917 bei der Kestner-Gesellschaft in Hannover und in der Kunsthalle Mannheim, 1918 erneut bei der Berliner Sezession sowie 1924 in der Kunsthalle Bern und der Kunsthalle Zürich statt. 1925 verstarb Corinth und im Folgejahr 1926 wurde das Bild unter anderen in zahlreichen Museen in Frankfurt am Main, in Kassel, in Düsseldorf, in Wiesbaden sowie 1927 in Heidelberg und in Dresden gezeigt. 1929 war es dann in München bei der Neuen Secession und in Wien beim Hagenbund zu sehen. 1933 zeigte die Kunsthalle Bern das Bild erneut, 1936 auch die Kunsthalle Zürich. Nach der Übersiedlung von Charlotte Berend-Corinth in die Vereinigten Staaten 1936 war es bis 1958 nicht mehr in Europa zu sehen. In den Jahren 1936 bis 1938 war das Bild in mehreren Museen in den USA präsent, angefangen vom Everhart Museum of Art in Scranton über Museen in Dayton (1936), Davenport, Denver, New York City, Detroit, Rochester und Albany (alle 1937) bis Cambridge, Milwaukee und Kansas City (alle 1938). 1958 wurde es dann erstmals wieder in Wolfsburg gezeigt und im gleichen Jahr in Hannover, in Basel und in München. 1964 war es Bestandteil einer Ausstellung in der Gallery of Modern Art in New York und 1976 im Indianapolis Museum of Art. Das Museum Folkwang in Essen und die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München zeigten das Bild erneut in Deutschland 1985 bis 1986. Danach war es Bestandteil von Ausstellungen in New York City 1990 und 1992. 1992 kam es erneut in das Kunstforum nach Wien und 1992–1993 in das Niedersächsische Landesmuseum nach Hannover.

Heute befindet es sich im Besitz des Jüdischen Museums Berlin, für das es 2007 von dem privaten Förderverein Verein der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums erworben wurde

Der rote Christus ist ein Gemälde des deutschen Malers Lovis Corinth. Das Bild der Kreuzigung Jesu Christi wurde im Jahr 1922 als Ölbild auf Holz gemalt. Das 129 × 108 Zentimeter große Gemälde befindet sich seit 1956 im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und ist in der Pinakothek der Moderne in München ausgestellt.

Das Gemälde ist eines von zahlreichen Bildern während seiner Schaffenszeit, in denen Corinth das Motiv der Kreuzigung und des Leidensweges Christi aufgreift. Er malte diese expressionistische Version auf Holz, wie dies auch bei historischen Altarbildern gehandhabt wurde. Auch sein letztes Bild, ein 1925 gefertigtes Selbstporträt in der Gestalt des leidenden Christus (Ecce homo), behandelte dieses Thema.

Das Bild zeigt eine Kreuzigungsszene, wobei der gekreuzigte Körper Jesu Christi im Zentrum des Bildes, leicht zum linken Bildrand gerückt, dargestellt ist. Der Rand schneidet seine Hände an den oberen Bildecken ab, sodass weder die Hände noch was waagerechte Holz den Kreuzes zu sehen sind. Die Füße und das rechte Knie berühren den unteren Bildrand. Nach Sonja de Puinef „dominiert und sprengt“ der Körper des leidenenden Christi die Komposition „mit seinen über den Bildrahmen herausragenden Händen“. Die Szene wird dadurch „sehr präzise in den ungewöhnlich gedrängten Bildraum eingepasst.“ Der in Richtung des Betrachters nach links kippende Körper hängt mit gestreckten Armen und angewinkelten Knien am Kreuz. Der Kopf mit der Dornenkrone ist zur Seite auf die linke Schulter gefallen, die Augen blicken nach vorn und damit in Richtung des Betrachters. Der weitgehend in Weiß gehaltene nackte und blutende Körper ist nur mit einem Tuch um die Lenden bekleidet. Das Kreuz ist lediglich im unteren Bildteil zwischen den Beinen, oberhalb der mit Nägeln an das Kreuz geschlagenen Füße, erkennbar. Im oberen Bildteil wird es von der Sonne überstrahlt und die Querlatte liegt außerhalb des Bildes und kann nur erahnt werden, für den Betrachter ist damit nicht erkennbar, wie und ob der Körper fixiert ist.

Unter der linken Brust wird dem Gekreuzigten durch einen in der unteren linken Bildecke stehenden Mann eine Lanze in den Körper gestoßen, aus der Wunde spritzt Blut über den Körper. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um den in der Bibel erwähnten Longinus, den römischen Soldaten, der Jesus nach dessen Tod einen Speer in die Seite gestochen haben soll. Oberhalb der Person befinden sich zwei weitere Figuren, die den Apostel Johannes und die Jungfrau Maria darstellen sollen. Johannes, bekleidet mit einem roten Gewand, steht leicht versetzt hinter der ohnmächtigen Maria im blauen Gewand. Auf der rechten Seite ist eine weitere Figur zu erkennen, die auf einem langen Stab, einem Ysopzwei. Jesus einen Schwamm hinhält, der – so das Johannesevangelium – mit Essig getränkt ist. Alle Personen mit Ausnahme der ohnmächtigen Maria blicken aus ihrer jeweiligen Position in Richtung des hängenden Körpers.

Den Hintergrund bildet eine dreiteilige Komposition. Während sich in dem Feld links neben dem Leichnam drei weiteren Personen befinden, wird rechts undeutlich die Landschaft dargestellt und nur im unteren Bereich taucht eine einzelne Person auf. Das Bild zeigt eine Seelandschaft statt des Bergs Golgota, auf dem die Kreuzigung laut dem Neuen Testament stattgefunden haben soll. In Brusthöhe des gekreuzigten Körpers liegt die Horizontlinie, darüber befindet sich der Himmel sowie im dritten Ausschnitt zwischen den gestreckten Armen die Sonne mit betonten Sonnenstrahlen. Sowohl der Himmel als auch der See und die Sonne sind von roter Farbe durchsetzt, wodurch ein Dämmerungseindruck entsteht.

Das Bild ist am linken oberen Bildrand zweizeilig in Gelb signiert und datiert: „Lovis Corinth 1922“.

Die dargestellte Kreuzigungsszene entspricht in ihren Grundzügen der Schilderung im Johannesevangelium. Dabei handelt es sich um eine Zusammenfassung mehrerer aufeinanderfolgender Szenen, die in Johannes 19, 29 bis 34 beschrieben werden und den Tod Jesu Christi umfassen:

„(29) Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund.(30) Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.(31) Weil Rüsttag war und die Körper während des Sabbats nicht am Kreuz bleiben sollten, baten die Juden Pilatus, man möge den Gekreuzigten die Beine zerschlagen und ihre Leichen dann abnehmen; denn dieser Sabbat war ein großer Feiertag.(32) Also kamen die Soldaten und zerschlugen dem ersten die Beine, dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt worden war.(33) Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht,(34) sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“

Corinth malte das Bild „in der Tradition der Altarbilder altdeutscher und niederländischer Maler auf Holz.“ Dabei wird die Darstellung als „schrecklichste Interpretation des Thema“ beschrieben, die den „Horror des Martyriums“ „brutal“ aufzeigt. Nach Andrea Bärnreuther wählte Corinth die expressionistische Malweise aufgrund der „Einsicht in die Grenzen naturalistischer Darstellung, die dort versagen muß, wo es um das Nichtfaßbare, den Sinnen nicht unmittelbar Zugängliche geht und die naturalistische Darstellung nur der Ausdruck von Sprachlosigkeit wird.“ Bärnreuther erkennt zudem in der Darstellungsweise eine „Ästhetik des Häßlichen“, die „über die ästhetische Grenzen hinaus“ gehe und „in der die Brutalität der Abstraktion in der Figur, die alle Regeln des guten Geschmacks verletzende Willkür in der Farbgebung des allgegenwärtigen Rots und nicht zuletzt der gewaltsame Farbauftrag in den dicken Flecken und die malträtierende Behandlung durch Palettmesser und Pinsel“ einen „Angriff auf die Wahrnehmung“ darstelle.

Sonja de Puinef stellt das Bild in den politischen Kontext des Jahres 1922 in Deutschland und der persönlichen Situation Corinths. In diesem Jahr, vier Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, kam es in Deutschland zu mehreren Inflationswellen. Zugleich befand sich die gesundheitliche und seelische Verfassung Corinths auf einem Tiefpunkt. In einem Brief an seine Frau Charlotte Berend-Corinth vom 23. September 1923 schilderte Corinth seine Unlust an der Arbeit zum Zeitpunkt der Entstehung des Bildes. Er schrieb:

„Ich bin leider sehr faul geworden. An dem Brett „Tod Jesu“ arbeite ich sehr unlustig. Ein Stilleben habe ich schnell gemalt; auch ohne Lust. Es ist wie immer faul.“ – Lovis Corinth, 1923

Nach Interpretation von Sonja de Puinef „gilt sein Christus mit ungewissen Gesichtszügen zweifellos auch als Projektion des Leidens des Künstlers selbst und über ihn hinaus einer ganzen Nation“. Sie führt darüber hinaus aus, Corinth wähle „ein religiöses Sujet von universeller Tragweite, um in ihm seine persönliche Erschütterung auszudrücken.“ 1925, am Tag, als er den Ecce Homo vollendete, malte Corinth ein Selbstbildnis als Schmerzensmann, in dem er sich direkt mit der Figur des leidenden Christi identifizierte, indem er ihm seine Gesichtszüge gab.

Das Bild Der rote Christus entstand 1922 und gehört damit zu den Spätwerken des zu diesem Zeitpunkt 64 Jahre alten Künstlers. Es handelt sich um eine der zahlreichen Darstellungen des Leidenswegs Jesu Christi, die Corinth im Laufe seines Lebens gemalt hatte. Sein erstes verkauftes Gemälde war eine Kreuzabnahme aus dem Jahr 1895 und sein letztes Bild vor seinem Tod 1925 zeigte ihn selbst in der Situation des Ecce homo. Dabei entwickelt sich seine Malweise von einer naturalistischen, wie etwa in der Kreuzabnahme von 1895 und Das Große Martyrium von 1907, zu einer expressionistischen, wie er sie in Der rote Christus und Ecce Homo anwendete.

Bereits 1917 malte Corinth ein expressionistisches Aquarell eines blutenden und verzerrten, gekreuzigten Christus (Gekreuzigter Christus), in dem er nach Andrea Bärnreuther die auf den Gekreuzigten konzentrierte Bildgestalt des roten Christus vorwegnimmt. Hier wird der am Kreuz hängende Körper Jesu Christi frontal mit ausgebreiteten Armen und abgespreizten Fingern gezeigt, rechts neben ihm sticht ein Soldat auch hier eine Lanze in den Körper. Nach Horst Uhr lässt sich dieses Bild als „Inkarnation physischen und psychischen Schmerzes“ nur mit den Pestkruzifixen von Matthias Grünewald aus dem beginnenden 16. Jahrhundert vergleichen. In dem Aquarell ist Christus mit einem Löwengesicht dargestellt, das gemäß der mittelalterlichen Ikonographie als Symbol für die Auferstehung steht; Einzelheiten treten zugunsten der schnellen, expressiven Malweise zurück.

1923 griff Corinth das Motiv des roten Christus in leicht veränderter Form erneut für eine Kreidezeichnung auf, wobei die verschiedenen Personen am Kreuz in einer räumlichen Leere und nur undeutlich und verschwindend erscheinen. Die Zeichnung diente offenbar als Studie für eine Druckgrafik, die Corinth im selben Jahr anfertigte. Wie der rote Christus ist auch diese Zeichnung geprägt von dem Expressionismus der späteren Werke des Künstlers.

Der rote Christus wurde im Entstehungsjahr 1922 in der Berliner Secession ausgestellt. Bis 1956 befand es sich im Besitz der Ehefrau des Künstlers, Charlotte Berend-Corinth, die es bei ihrer Emigration 1939 in die Vereinigten Staaten mitnahm. Dort wurde es in zahlreichen Ausstellungen gezeigt. Über die Kunsthandlung Resch in Garching bei München kam das Bild 1956 in den Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Die schöne Frau Imperia ist ein Gemälde aus dem Jahr 1925. Es handelt sich entsprechend um eines der letzten Gemälde des Künstlers, der am 17. Juli 1925 verstarb. Dargestellt ist eine Szene aus der Erzählung Die schöne Imperia (frz. La belle Impéria) aus den Tolldreisten Geschichten des französischen Schriftstellers Honoré de Balzac.

Das Bild mit den Maßen 75 × 48 cm befand sich seit dem Tod Corinths im Besitz seiner Tochter Wilhelmine Corinth in New York City.

Im Zentrum des hochformatigen Bildes, leicht neben der Bildmitte, steht die unbekleidete Frau Imperia. Sie ist mit Ausnahme des linken Fußes vollständig in Frontalansicht dargestellt, das rechte Bein ist leicht angewinkelt und lässt am Fuß einen roten Schuh erkennen. Der rechte Arm ist leicht vom Körper abgestreckt und durch einen Armreif am Handgelenk und einen weiteren am Oberarm geschmückt. Der ebenfalls mit einem Reif versehene linke Arm ist angewinkelt und einer am Bildrand stehenden dunklen Figur entgegengestreckt. Die Augen von Imperia sind auf diese Figur gerichtet, ihr Mund ist leicht geöffnet.

Die Figur am rechten Bildrand schaut direkt auf die nackte Frau. Sie trägt eine dunkle Robe und eine violette Schärpe, wie sie von Geistlichen getragen werden. Hinter der Frau Imperia sind mehrere weitere, nur undeutlich dargestellte Frauen erkennbar, die lange Kleider und Schmuck tragen. Der Raum selbst ist nicht zu erkennen, den Hintergrund bilden rote Farbbereiche, in denen mit gelber Farbe Lichter angedeutet sind.

Die Erzählung Die schöne Imperia (frz. La belle Impéria, Honoré de Balzac) stammt aus der Sammlung der Tolldreisten Geschichten (französischer Originaltitel Les contes drolatiques), die in den Jahren 1832, 1833 und 1837 veröffentlicht wurden. Lovis Corinth, der bereits eine aus elf Lithografien bestehende Sammlung zum Werk Les contes drolatiques schuf, widmete ihr 1925 dieses Gemälde.

Die Geschichte handelt von einem jungen Geistlichen namens Philippus von Mala, der als Lehrling des Erzbischofs von Bordeaux wirkte und diesen zum Konzil von Konstanz (1414–1418) begleitete. Obwohl er geschworen hatte, sich als frommer Pfarrer zu benehmen, „sah er bald, daß männiglich Besucher selbigen gottgelahrten Konziles ein gar lockeres Leben führten und dabei obendrein mehr Ablässe, Goldgulden und Pfründen einheimsten als fromme Tugendbolde.“ Er entschloss sich dazu, sich ebenfalls so zu verhalten, traute sich jedoch nicht, die Buhlerinnen anzusprechen. Nachdem ihm gesagt worden war, dass die Damen für Geld zu haben seien, „drang er denn eines abends tollkühn wie ein brünstiger Hirsch in das schönste Haus der Stadt, davor er schon so manche Haushofmeister, Offiziere oder Pagen ihrer Herren beim Fackelscheine harren gesehen hatte“ und wurde auch eingelassen, da der Wächter ihn für einen Dienstboten hielt. So kam er in das Zimmer der Frau Imperia, der Herrin des Hauses, die sich „von flinken Zofen umringt ihrer Gewänder entledigte. Verdutzt wie ein erwischter Dieb blieb er stehen. Schon war die Huldin ohne Rock und Mieder und bald stand sie hüllenlos in prunkender, anmutsvoller Nacktheit da, also daß dem beglückten Pfäfflein ein liebeheißes ‚Aah!‘ entfuhr.

Corinth stellt in seinem Gemälde die Szene dar, in der Imperia den Pfarrer anspricht und feststellt, dass er sehr schöne Augen hat. Die nackte Imperia steht, umringt von ihren Zofen, dem Pfarrer gegenüber, während dieser auf ihren Leib starrt. Im weiteren Verlauf verliebt sich die Imperia in den jungen Pfarrer und lädt ihn für den folgenden Tag zu sich ein, an dem es dann zu Verwicklungen mit hochrangigen geistlichen Freiern kommt.

Lovis Corinth beschäftigte sich bereits im Jahr 1913 mit den Tolldreisten Geschichten Balzacs und schuf eine Serie von 11 Lithografien zu dieser Sammlung von Erzählungen. Die Frau Imperia wurde in dieser Serie nicht behandelt.

Die schöne Frau Imperia stellte Corinth als letztes Gemälde vor seiner Reise nach Amsterdam fertig, wo er an einer Lungenentzündung erkrankte, an der er schließlich in Zandvoort in den Niederlanden verstarb. Nach Angaben seiner Frau beschäftigt Corinth dieses Bild noch auf dem Krankenlager in Amsterdam, und er empfahl seiner Familie, es zu hüten. Er sagte ihr: „Es ist ein gutes Bild.“

Ernst Oppler war ein prominenter Maler und Grafiker des deutschen Impressionismus.

Sein Schaffen ist kennzeichnend für den Übergang von der Kunst des 19. Jahrhunderts hin zur Klassischen Moderne zur Zeit des Wilhelminismus und der Weimarer Republik. Er war Mitbegründer der Berliner Secession und bereicherte diese als Porträtist (auch zahlreicher Selbstporträts) und Radierer.

Ernst Oppler wuchs in einem großbürgerlichen Hannoveraner Umfeld auf. Sein Vater war der Architekt Edwin Oppler, welcher zahlreiche Gebäude der Stadt entworfen hatte, er starb als Ernst 11 Jahre alt war. Ernst Opplers Brüder waren der spätere Bildhauer Alexander Oppler und der spätere Arzt Berthold Oppler.

Ernst Oppler zog im Sommer 1886 zum Studium an der Akademie der Bildenden Künste nach München. Erst besuchte er als Vorbereitung die Malschule von Paul Nauen. Aufgenommen wurde er am 18. Oktober 1886 an der Akademie, am selben Tag wie sein späterer Secessions-Kollege Lesser Ury, und studierte ab dem Wintersemester 1886/87 bei Nikolaus Gysis, Ludwig von Löfftz und Karl Raupp Zusätzlich nahm er Unterricht an der privaten Zeichenschule von Heinrich Knirr. Bereits 1893 erwarb Prinzregent Luitpold von Bayern das Gemälde „Träumerei“ für seine Sammlung; im selben Jahr wurde Oppler auf der Weltausstellung in Chicago ausgezeichnet. Wohnhaft war Oppler in München seit 1892 in der Adalbertstraße 6 und bezog später eine Wohnung in der Giselastraße Nr. 5, ein Haus neben Lovis Corinth, der in der Nr. 7 lebte. Es ist davon auszugehen, dass Oppler in den Künstlerkreisen Schwabings verkehrte, etwa im Freundeskreis von Fanny zu Reventlow. Als Mitglied der Freien Vereinigung der XXIV stellte Oppler 1893 auch erstmals in Berlin in der Galerie Eduard Schulte aus.

Ende des 19. Jahrhunderts zeichnete sich ein Bedeutungsverlust der beiden führenden Kunstakademien München und Paris ab. Anders als viele seiner Zeitgenossen zog Oppler nicht nach Paris weiter, sondern 1894 nach London, wo er bis 1897 blieb. Wenngleich diese Stadt und deren Vorstädte die negativen Folgen der Industrialisierung zu spüren bekommen hatten, bevorzugte es Oppler, im wohlhabenden Westen der Stadt (Maida Hill, Kensington und Chelsea) Quartier zu beziehen. Dort erlernte er das Radieren nach seinem Vorbild dem Maler James McNeill Whistler, und wurde bei einem zweiten Aufenthalt in London auf dessen Einladung 1898 Mitglied der International Society of Sculptors, Painters and Gravers. Whistler stand auch Porträt für eine Studienreihe von Oppler. Der englische Einfluss sollte charakteristisch für sein Werk als Radierer werden.

Sein Frühwerk zeigt noch deutlich die akademischen Einflüsse der Münchener Schule. 1895 wurde Oppler Mitglied der Münchener Secession und ab 1898 zusätzlich auch Gründungsmitglied der Berliner Secession was auf das Engagement Max Liebermann zurückging. Ab 1895 wurden Opplers Werke auf sechs Biennalen in Venedig gezeigt. Auf der großen Kunstausstellung 1901 im Glaspalast wurde von der Münchener Secession Opplers „Der Brief“ gezeigt, welcher noch deutlich biedermeierliche Züge trägt. „Die angenehmen Eigenschaften der Opplerschen Art und sogar eine persönliche Note liess ein genrehaftes Interieur ‚Der Brief‘ am besten zur Geltung kommen.“ schrieb die Die Kunst für alle. Ein Jahr später wurde das Werk vom Kestner-Museum in Hannover angekauft.

1901 zog er ins kleine niederländische Dorf Sluis und widmete sich der Landschaftsmalerei, darunter mehrere Versionen des Werks „Am Badestrand von Dieppe“. Auf der Düsseldorfer Ausstellung 1902 zeigt er das Werk „Musik“, ein Thema, das später in seinem Werk eine größere Rolle einnehmen wird. Zwischen 1901 und 1905 wandelte sich sein Malstil unter dem Einfluss der Pleinair-Methode in der Farbgebung stetig von einer gedämpften Tonmalerei zu einer farbintensiveren Lichtmalerei, die fast abstrakte Züge annimmt. Während dieser Zeit hatte er auch engen Kontakt mit Paul Baum, der ebenfalls als impressionistischer Freiluftmaler in den Niederlanden arbeitete. Er begegnet auch Emil Pottner und Konrad von Kardorff, die zu Besuch nach Sluis kommen. Anschließend reist Oppler ins nordfranzösische Dieppe, (wo zuvor schon Carl Spitzweg und Frits Thaulow gemalt hatten) und malt vornehmlich Strandszenen. Ausflüge unternimmt er auch nach Belgien. Anfang 1904 fand in Brüssel die belgische Kunstausstellung statt, welche den Titel „Exposition des peintres impressionnistes“ trug. Aus Deutschland wurden nur Werke von Hans von Bartels, Eugen Kampf und Ernst Oppler gezeigt. Zur großen Kunstausstellung in Dresden zeigte Oppler sein „Selbstbildnis“, das ihn in seiner Eigenschaft als jungen Kunstsammler zeigt, auf der Künstlerbund-Ausstellung der Münchener Sezession neben einem Stillleben das Damenporträt „Auf der Terrasse (Portrait der Miss B.)“.

1904 zog er auf Empfehlung von Paul Baum nach Berlin und wurde schnell in der Berliner Kunstszene bekannt. In Deutschland zurück war er der wohl erste Freiluftmaler. Vorerst kehrte er zur akademischen Malerei zurück und kombinierte sie mit einer impressionistischen Pinselführung. Die freie farbintensive Phase wich mit der Zeit strengeren Formen, Oppler wurde nun auch zu einem gefragten und angesehenen Porträtisten. Bereits 1905 war er Jurymitglied der Secession und beteiligt sich auch an der Nordwestdeutschen Kunstausstellung in Oldenburg. Diese wurde im Nachhinein als „opulente Gesamtschau der zeitgenössischen Kunst um 1900“ betrachtet (und wurde 100 Jahre später wieder gezeigt). Zur großen internationalen Kunstausstellung 1907 in Mannheim (aus der die Kunsthalle Mannheim hervorgeht) zeigte Oppler sehr tradierte Bilder Interieurs mit Bauernmädchen, die von der Kunstkritik sehr gelobt wurden. Gleichzeitig bewährte sich Ernst Oppler als Radierer. Als Hermann Struck 1908 sein Werk Die Kunst des Radierens herausbrachte, zeigte er darin Arbeiten von Oppler als zeitgenössisches Pendant alter Meister. Max Landsberg entwarf 1910 für ihn und seinen Bruder die Villa Oppler im Grunewald, Oppler verfügte jedoch auch über eine Wohnung in der Kurfürstenstraße. Einrichtungsgegenstände daraus, darunter eine Vitrine mit chinesischem Porzellan, tauchen auf seinen Bildern auf.

Oppler war neben Paul Cassirer und Max Liebermann einer der Protagonisten der Berliner Sezession und beteiligte sich bis 1912 regelmäßig an deren Ausstellungen. Auf der 20. Ausstellung der Secession wird das Werk „Tennismatch in Westende“ gezeigt. Allgemein bereichert Oppler die Secession auch um Radierungen und Lithographien. Auch während des Ersten Weltkrieges gehörte Oppler, neben Corinth und Eugen Spiro, zu denen, die den Stammtisch der Secession in einer kleinen Bierkneipe am Wittenbergplatz regelmäßig besuchten.

1911 kam es zum Bremer Künstlerstreit, Oppler gehörte zu den Unterzeichnern der „Antwortschrift“.

Ab 1912 radierte er Bühnen, davon viele Darstellungen vom populären Russischen Ballett. Seine Eindrücke von den Tanzaufführungen hielt Oppler unmittelbar während der Theaterbesuche fest, wofür er einen speziellen beleuchteten Zeichenstift erfand, der ihm das Skizzieren seiner Eindrücke von der Bewegung im abgedunkelten Raum ermöglichte. Auf dem Gebiet der Ballettszenen wurde er einer der bedeutendsten deutschen Chronisten des deutschen Tanzes. Später rekonstruierte und konkretisierte er seine Momenteindrücke von bewegten Figuren. Ausdrucksstark waren die malerischen Tonwerte seiner Radierungen, die er durch flächige Aquatintakörnung und Weichgrundätzungen erzeugte. Diese Technik ermöglichte ihm ein breites Spektrum an Hell- Dunkelwerten. Ernst Oppler blieb zeitlebens ein distanzierter, leidenschaftlicher Beobachter und kultivierter Ästhet des Balletts, dies brachte ihm den Spitznamen der Tanzmaler ein. Bald wurde Oppler explizit eingeladen zu zeichnen, dadurch sind auch Proben mit Richard Strauss oder Ferruccio Busoni durch Zeichnungen dokumentiert.

Im Jahr 1913 kam es zu Spannungen innerhalb der Secession. Das Werk Beratung im Atelier wurde von der Kunstkritik als Hinweis auf die Situation gedeutet. Tatsächlich waren die dargestellten Personen Struck, Emil Pottner, Bischoff-Culm, Max Neumann und Herrstein neben Corinth jene Mitglieder, die der Secession treu blieben. Oppler verhielt sich loyal, verzichtete jedoch zukünftig an den Jahresausstellungen der inzwischen dem Expressionismus zugewandten Berliner Secessionisten teilzunehmen. Er blieb weiterhin aktiv und wurde in den Vorstand gewählt. Ein Foto zeigt ihn zwischen Lovis Corinth und Emil Pottner in einer Jury sitzend.

Ende 1914 wurde Oppler in den Kriegsdienst eingezogen. Anfangs an der Westfront, wurde Oppler 1915 an die Ostfront versetzt. Dort kam er in Kontakt mit dem traditionellen Judentum, das ihm als assimilierten Juden einerseits fremd erschien, andererseits auch sein Interesse weckte. Ende 1915 nach Berlin zurückgekehrt verarbeitete er die Erlebnisse in Radierungen und Gemälden, darunter das Mappenwerk Hinter der Front der Kaiserlich Deutschen Armee, welches 1916 auch in der amtlichen deutschen Kriegsausstellung gezeigt wurde.

1916 zeigte das Kestner-Museum in Hannover eine umfangreiche Retrospektive des graphischen Werks von Oppler. Dabei wurden Arbeiten im Zusammenhang mit Musik und Ballett gezeigt, aber auch kritische Werke von Kriegszerstörungen in Lille und der Ostfront. Am 2. Juli 1917 wird Oppler in den Vorstand der Secession gewählt. Nachdem sein Bruder Alexander Oppler ein Haus in Niendorf am Meer gekauft und dort ein Atelier eingerichtet hatte, malte Ernst Oppler ländliche und landschaftliche Motive. Er verbrachte den Sommer 1918 dort, musste jedoch aufgrund von Spannungen in der Secession seinen Aufenthalt abbrechen. Die Umstände zum „Fall Oppler“ sind nicht bekannt, überliefert ist, dass Lovis Corinth sich einsetzte das Unrecht gegen Oppler zu beseitigen. Wegen der Mitwirkung an der Todesfeier für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1919 wurde der Dirigent und Komponist Paul Scheinpflug in der Presse verrissen und schließlich vom sozialen Leben ausgeschlossen. Oppler sah darin einen Angriff auf die künstlerische Freiheit, zusammen mit anderen Künstlern verfasste er eine kritische Erklärung.

Ernst Oppler war eine bekannte Person des öffentlichen Lebens in Berlin. Der Architekt Otto Bartning schrieb über ihn: Oppler, ein kühlkorrekter Herr, und ich, wir waren uns gegenseitig tief unsympathisch. Wir wußten das auch. Da wir uns aber im gesellschaftlichen Verkehr Berlins, in Ateliers, bei Eröffnungen von Kunstausstellungen und bei anderen Gelegenheiten immer wieder trafen, so wahrten wir bei den häufigen Begegnungen, Begrüßungen und sachlichen Gesprächen die ausgesucht höflichsten Manieren und angenehmsten Formen. Auf diese Weise bin ich mit Oppler, der mich ebensowenig ausstehen konnte wie ich ihn, bis an sein Lebensende reibungsloser und freundlicher ausgekommen als mit manchem guten Kameraden, vor dessen Temperamentsausbrüchen man ständig auf der Hut sein mußte.“

Ernst Oppler wurde auch auf Leni Riefenstahl als Darstellerin des modernen Tanzes aufmerksam und porträtierte sie. Ein Foto von 1921 zeigt ihn gemeinsam mit seinem Kollegen Leo von König und den Tänzerinnen Riefenstahl und Elisabeth Griebe..

Bis zu seinem Tod im Alter von 65 Jahren lebte Oppler in der Stadt. Wie schon sein Vater, war auch er ein passionierter Kunstsammler, am 28. Mai 1929 wurde die Sammlung versteigert. Sie umfasste vornehmlich Kunst des 18. Jahrhunderts. Ein weiterer Teil mit fernöstlicher Kunst wurde vom 11. bis 14. Juni 1929 in Amsterdam versteigert.

Wenngleich Werke von Oppler nach 1933 noch auf dem Kunstmarkt auftauchen, ist in mindestens einem Fall die Beschädigung eines Werks belegt. Die Leinwand von der Dame in Schwarz vor einer Vitrine wurde im Bereich der Augen durchstoßen, mutmaßlich durchschossen.

Karl Schwarz bekam für die Einrichtung eines jüdischen Museums in Berlin einige Werke Ernst Opplers von der Familie gestiftet, das Museum wurde 1938 geplündert. Als 16 Gemälde von Oppler aus diesem Bestand nach 1945 auftauchten, wurden diese nach Israel gebracht, fünf davon sind Bestandteil der Sammlung des Israel Museum Ein weiterer Teil des Nachlasses gelangte über die Nichte Opplers in die USA und von dort als Stiftung an das heutige Foosaner Art Museum in Florida. Der dritte Teil des Nachlasses befand sich bei Berthold Oppler, der sich umbrachte, um der Deportation und dem Holocaust zu entgehen. Dessen Ehefrau verkaufte den Nachlass nach 1945. Dieser Teil befindet sich heute im Deutschen Tanzarchiv Köln. Ernst Oppler war (wie sein Bruder Alexander) Mitglied im Deutschen Künstlerbund. Gedacht wird Ernst Opplers durch ein Ehrengrab auf dem Parkfriedhof Lichterfelde.

Werke von Oppler wurden auf sehr vielen Ausstellungen sowohl der Münchener als auch der Berliner Secession gezeigt und bekamen gute Kritiken. Das Werk Näherin gehörte zu jenen der Münchner Secession, die vom Prinzregenten angekauft wurden. Auch entschied sich der preußische Staat, Werke von Oppler anzukaufen und diese als Vertreter der neuen künstlerischen Strömungen in Museen auszustellen. 1917 erscheinen einige positive Rezensionen, darunter von Paul Erich Küppers der über die Radierungen von Oppler schreibt. Im selben Jahr erscheint zum Anlass seines 50. Geburtstags eine ironisierende Schmähschrift im Kunstblatt.

Einer Rezension der Ausstellung bei Fritz Gurlitt im Jahr 1925 zufolge war sein Werk zu jenem Zeitpunkt jedoch schon veraltet und wurde französischen Impressionisten gleichgesetzt; möglich dass dies im Hintergrund des Expressionismus und der neuen Sachlichkeit als aktuellere Strömungen so gesehen wurde.

Zu Lebzeiten Opplers befanden sich Radierungen gerade im Auftrieb: Hintergrund war der Erfolg des Buchs Die Kunst des Radierens von Hermann Struck, das neben Altmeistern wie Dürer und Rembrandt ab der dritten Auflage von 1919 auch die jungen Meister wie Kokoschka, Liebermann und Oppler würdigte. Das Sammeln von Radierungen trat aus dem Schatten hervor, nur eine billige Variante des Sammelns von Gemälden zu sein.

Ruth Herskovits-Gutmann schrieb wie ein Selbstporträt Ernst Opplers nach der Reichskristallnacht in deren Wohnung in Sicherheit gebracht wurde, das Gemälde hatte eine besondere Rolle wurde doch der Blick als eine Reaktion auf das erlebte Leid empfunden.

Vor allem während des Zweiten Weltkrieges, als viele seiner Gemälde von den Nationalsozialisten als „Entartete Kunst“ klassifiziert worden waren, gingen eine Reihe von Bildwerken verloren oder wurden zerstört. Auf der deutschen Website lostart.de sind etwa ein Dutzend Werke als vermisst gemeldet, darunter eines aus der Sammlung Curt Glaser. Das Werk „Praeludium“, welches als Postkarte große Verbreitung fand, wurde zuletzt 1945 in Breslau gesichtet.

Einerseits war Ernst Oppler selbst ein angesehener Porträtist, andererseits wurde er selbst mehrmals von anderen Künstlern porträtiert, beispielsweise auf einem Gemälde von Lovis Corinth, einer Büste angefertigt von seinem Bruder Alexander Oppler (und fotografiert von Hermann Boll) und einer Fotografie von Yva.

Bedingt durch seinen Tod wenige Jahre vor der NS-Zeit und den Kriegswirren geriet der ehemals berühmte Impressionist weitaus mehr in Vergessenheit, als Verfolgte des NS-Regimes.

Ab den späten 1960er Jahren werden Radierungen und Gemälde wieder in Ausstellungen in Deutschland gezeigt, darunter 1968 im Rheinischen Landesmuseum und 1975 im Münchener Stadtmuseum. Die erste größere Einzelausstellung der jüngeren Zeit wurde 1984 im Niedersächsisches Landesmuseum gezeigt.

Cecil Roth sieht die Radierungen als wichtigsten Beitrag Opplers zum deutschen Impressionismus.

Wenngleich Oppler nur sporadisch seine Heimatstadt Hannover besuchte bezeichnete ihn Ines Katenhusen 1998 als „während der Ära Tramm einer der beliebtesten Künstler der offiziellen Kunstszene Hannovers“.

Regelind Heimann schrieb über zwei Werke von Oppler 2013: „Opplers Malerei stürmte nicht gen Himmel und stieß nicht verschlossene Tore auf, [...] ihr Generalnenner war die Sicherheit eines zarten Geschmacks, der aus einer echten, ererbten Kultur des geistigen und sinnlichen Lebens floß.“ weiterhin:„Kein ungestümer junger Wilder demonstriert hier seine expressive Vision, sondern ein arrivierter, erfahrener Künstler spricht in der Sprache des Aufbruchs in die Moderne.“ Susanne Altmann bewertet im art-Magazin die Hinwendung von Max Pechstein und Ernst Oppler zur Populärkultur der Bühne: „Die Grenzen zwischen hoher Kunst und Trivialkultur verschwimmen hier unter einem Tränenflor. Wischt man sich denselben aus dem Augenwinkel, so gelingt ein klarer Blick auf Bildzyklen von Max Pechstein [...] oder Ernst Oppler. Die hatten sich Anfang des 20. Jahrhunderts von einem Ballett zum Klavierzyklus "Carnaval" mitreißen lassen..“

In einem Kommentar der Kunst und Künstler zu einer Auktion im Inflationsjahr 1923 heißt es „Von den neueren wurden Kokoschka und Nolde etwa gleich bewertet mit 50-100000 Mark durchschnittlich. Für diesen Preis konnte man sich auch große Aquarelle von Pechstein kaufen. Oppler kostete soviel wie Orlik und Meid etwa 25 bis 90000 Mark“ Knapp 10 Jahre später, 1932 wurde die Sammlung von Leo Nachtlicht verkauft, die Limits wurden wie folgt festgelegt: Der Preis eines Ölbildes von Oppler beträgt darin 150 RM, also etwa dem eines Aquarells von Emil Nolde, ein kleineres Ölbild von Franz Skarbina auf 100, eine Zeichnung von Max Liebermann ist für 40,- angesetzt, ein Aquarell von Kandinski auf 75,-, ein Aquarell von Franz Radziwill auf 50,-; eine Lithographie von Käthe Kollwitz und eine von Signac auf je auf 20,-; eine Mappe des Bauhauses mit acht signierten Blättern der Bauhausmeister auf 25,-. Ölbild von Ludwig von Hofmann und Christian Rohlfs auf je 60,-; Ölbilder von Paul Vorgang und Joseph Wenglein auf je 30,-. Ein Buch das mit einigen signierten Radierungen von Oppler enthält auf 40. Diese Vergleiche zeigen, dass sich schon zu Lebzeiten des Malers Werke im höheren Marktsegment befunden haben.

Trotzdem haben die Werke Opplers bisher nicht im selben Maß angezogen, wie die Werke anderer bekannter deutscher Impressionisten. Auf Auktionen erreichen Werke seit etwa 10 Jahren fünfstellige Beträge, darunter die Seeterrasse im Sommer mit 14.000 CHF im Jahr 2005, Nachmittags am Strand von Dieppe in der Galerie Bassenge 2008 für 15.000 € und der Badestrand von Dieppe für 20.000 € bei Ketterer Kunst in München im Jahr 2010. Chocolate Kiddies im Berliner Wintergarten wurde 2013 für 52.242 US-$ angeboten. Der Maler und Jo wurde 2014 für 11.875€ versteigert.

Gemessen an den Umständen wird das grafische Werk des Künstlers noch relativ häufig angeboten und ist bisher entsprechend niedrig dotiert. Dies war nicht immer so, in einer Fachzeitschrift von 1923 heißt es:„Daß von beliebten Graphikern die Radierungen manchmal ebenso teuer sind als Zeichnungen, bewiesen die Preise für Ernst Oppler: Eine Zeichnung zur ‚Pawlowa‘ kostete Mark 26o.—“Die Anzahl der Werke von Oppler kann nur geschätzt werden. Wenngleich in einer Ausstellung in der Leipziger Kunsthandlung P. H. Beyer & Sohn 100 Original-Gemälde, ergänzt um Zeichnungen und Radierungen gezeigt wurden., beschreibt die 1993 erschienene und 1997 ergänzte Dissertation von Jochen Bruns über Ernst Oppler 271 Gemälde und 531 Druckgraphiken.

Die Dame in Schwarz ist ein Gemälde Ernst Opplers, das heute in der Nationalgalerie in Berlin hängt. Die Dame in Schwarz reiht sich ein in zahlreiche Porträts, die Oppler in seiner Berliner Zeit anfertigte. Das Gemälde entstand in seiner Wohnung in der Kurfürstenstraße vor einer Vitrine mit chinesischem Porzellan aus seiner Sammlung.

Foto Marburg beschreibt es wie folgt: Auffallend ist die genaue Beobachtungsgabe und treffende Erfassung von Charakterzügen der Dame, die sehr kühl und selbstbewußt wirkt, im Kontrast zu den flimmernden Lichtreflexen im Chinaporzellan und dem Glas der Vitrine. Der dunkle Grundton des Bildes läßt den Einfluß Whistlers spüren.

Über ein nicht näher beschriebenes Porträt schreiben ein Kritiker in Westermanns Monatshefte: Das lag nicht nur an mir, sondern nicht minder an der künstlerischen Wesensart Ernst Opplers, des Malers der großen Salons und der eleganten Damen von Welt, Dies Ölgemälde von Oppler hängt in Wesendonkschen Musikzimmer, ich könnte es mir nirgends sonst hindenken. In meinem stets etwas unordentlichen Arbeitszimmer würde die vornehme Dame aus dem Bilde die Nase rümpfen.

1923 wurde das Gemälde auf der Ausstellung der Berliner Secession gezeigt. In Die Woche erschien dazu eine Rezension.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Gemälde im Bereich der Augen (eventuell durch Schüsse) beschädigt, dies wurde durch eine spätere Restaurierung behoben.

Das Gemälde befand sich nach 1945 im Besitz des Ministeriums für Finanzen der DDR und wurde 1961 an die Nationalgalerie „gestiftet“. Es war zu jenem Zeitpunkt das zweite Gemälde Opplers in der Nationalgalerie (Ost). Vor dem Krieg hatte die alte Nationalgalerie jedoch weitere Werke von Oppler besessen. 1991 wurde es mit der Inventarnummer A III 497 Bestandteil der Sammlung der wiedervereinigten Nationalgalerie.

Paul Baum war ein Maler des deutschen Impressionismus, Zeichner und Grafiker. Seine Malweise entwickelte sich vom Stil der Schule von Barbizon über den Impressionismus hin zum Pointillismus, zu dessen wenigen Vertretern in Deutschland er gehörte. Der auch als Lehrer an verschiedenen Kunsthochschulen tätige Baum ist besonders für Darstellungen von Landschaften in Flandern und den Niederlanden bekannt.

Der in Meißen aufgewachsene Paul Baum begann zunächst eine Ausbildung als Blumenmaler an der Königlichen Porzellanmanufaktur in seiner Heimatstadt. Im Jahr 1877 entschloss er sich zum Studium der Malerei bei Friedrich Preller an der Kunstakademie Dresden. Bereits ein Jahr später wechselte er jedoch an die Kunstschule in Weimar, wo er bis 1887 bei Theodor Hagen studierte. Während des Studiums bereiste Baum neben Mecklenburg und Hamburg auch die Niederlande und Flandern. 1888 hielt sich Paul Baum vorübergehend in Allach bei München auf, wo er sich der Künstlerkolonie Dachau anschloss und mit den ebenfalls aus Mitteldeutschland stammenden Malern Max Arthur Stremel und Carl Bantzer anfreundete. Während einer gemeinsamen Parisreise mit Max Arthur Stremel im März 1890 lernte Baum Arbeiten der Impressionisten Claude Monet, Camille Pissarro und Alfred Sisley kennen. Anschließend verließ Baum Dachau und ließ sich für vier Jahre im belgischen Knokke nieder. Hier lernte er 1894 Camille Pissarro und den belgischen pointillistischen Maler Théo van Rysselberghe persönlich kennen. Im selben Jahr ging Baum nach Dresden und wurde dort Mitglied der Dresdner Sezession. Bereits 1895 verließ er jedoch Dresden wieder und siedelte sich im südniederländischen Sint Anna ter Muiden bei Sluis an, wo er bis 1908 wohnhaft blieb. Unterbrochen wurde dieser Aufenthalt von zahlreichen Reisen nach Berlin, Südfrankreich, Italien und in die Türkei. In Sluis lernte er Ernst Oppler, der ebenfalls dort als impressionistischer Freiluftmaler arbeitete.

In Berlin wurde Baum 1902 Mitglied der dortigen Secession. 1909 wurde er Mitglied der Neuen Künstlervereinigung München (N.K.V.M.), an deren erster Ausstellung er sich beteiligte. Im gleichen Jahr erhielt Baum den Villa Romana-Preis, mit dem ein einjähriger Aufenthalt in Rom verbunden war. Anschließend reiste Baum in die Toskana, wo er vier Jahre blieb. Hier wohnte er in San Gimignano und Florenz. Nach Kriegsausbruch 1914 kehrte Baum nach Deutschland zurück und wurde Professor an der Kunstakademie Dresden. 1915 lebte Baum vorübergehend in der Willingshäuser Malerkolonie und ging dann nach Neustadt bei Marburg. Nachdem Baums Freund Carl Bantzer 1918 als Professor an die Kasseler Kunstakademie berufen wurde, folgte ihm Baum als Professor für Landschaftsmalerei. 1921 kaufte sich Baum ein Haus in Marburg, was von nun an sein ständiger Wohnsitz werden sollte. Ab 1924 hielt er sich jedoch überwiegend im toskanischen San Gimignano auf, wo er 1932 an einer Lungenentzündung starb. Zu seinen Ehrungen, die er im Alter erhielt, gehörten 1927 die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität Marburg und 1929 die Ehrenmitgliedschaft des akademischen Senats der Kunsthochschule Dresden.

Paul Baum war Mitglied im Deutschen Künstlerbund . Der Deutsche Künstlerbund wurde 1903 auf Initiative des Kunstförderers Harry Graf Kessler unter maßgeblicher Mitwirkung von Walter Leistikow in Weimar von Lovis Corinth, Max Klinger, Alfred Lichtwark, Max Liebermann u. a. gegründet. Damit konstituierte sich zum ersten Mal eine überregionale Künstlervereinigung, die über die bisher bestehenden Sezessionen hinausging. Motivation war zunächst das gemeinsame Vorgehen gegen die Bevormundung durch den staatlichen Kunstbetrieb, und zwar mit dem Ziel, die Freiheit der Kunst zu sichern, verschiedenen Strömungen der Kunst ein Forum zu geben und junge Künstler zu fördern.

Dieser Absicht wurde mit Jahresausstellungen in jährlich wechselnden Städten Deutschlands und teilweise auch im Ausland Rechnung getragen. Während die erste Ausstellung 1904 noch in Form eines Gastauftritts bei den Münchener Sezessionisten ausgerichtet worden war, veranstaltete der Deutsche Künstlerbund im Jahr darauf zur Einweihung der Räume des neuen Ausstellungshauses der Berliner Secession seine erste eigene Ausstellung, „eine umfassende Generalrevue über die vorhandenen deutschen Kräfte modernen Gepräges […]“, wie es in einer damals zeitgenössischen Kritik der Kunstchronik heißt.

Bis zur erzwungenen Selbstauflösung des DKB am 30. November 1936 durch die Reichskammer der bildenden Künste und der vorangegangenen Schließung der Ausstellung in Hamburg 1936 wurde in mehr als 20 Ausstellungen ein bemerkenswertes Spektrum mit hohem künstlerischem Niveau einem großen Publikum zugänglich gemacht. Fast alle Künstler, die in der deutschen Kunst in den ersten drei Jahrzehnten Rang und Namen hatten, waren im Deutschen Künstlerbund integriert und nutzten die Plattform fernab staatlicher Einmischung zur Entfaltung ihrer künstlerischen Ideen. Der Aufschwung und der Durchbruch der Moderne in Deutschland ist eng an die Geschichte des Deutschen Künstlerbundes geknüpft. Auch die 1905 durch Max Klinger im Auftrag des Deutschen Künstlerbundes erworbene Villa Romana in Florenz als Stätte der Kunst legt Zeugnis vom großen

Es waren einige ehemalige Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes wie Karl Hofer, Willi Baumeister, Karl Hartung und Karl Schmidt-Rottluff, die den Deutschen Künstlerbund Ende Dezember 1950 in Berlin wieder begründeten; zur Unterscheidung zum ersten DKB zunächst unter dem Namen Deutscher Künstlerbund 1950. Die Konstituierung des ersten Vorstandes erfolgte erst Anfang 1951, im selben Jahr fand auch die erste Ausstellung in den Räumen der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin statt. Sie knüpften an die Tradition einer unterbrochenen Moderne an, besannen sich auf die Vorsätze aus den Gründungsjahren und setzten sich wieder für die Freiheit der Kunst ein. Nicht nur mit der Fortführung der jährlich wiederkehrenden Ausstellungen, sondern auch mit zahlreichen kulturpolitischen Initiativen griffen sie in das kulturelle und politische Leben Nachkriegsdeutschlands ein.

Dieser Neuanfang blieb nicht unkritisiert: es gab grosse Proteste gegen Hofer's Vorstellung einer Kunst, die nach der NS-Diktatur vornehmlich abstrakt zu sein hatte. Figürlich arbeitende Künstler sahen sich als zu Unrecht verfemt, selbst wenn sie künstlerisch unverfänglich in dieser Richtung arbeiteten. Analog zur neugegründeten Bundesrepublik fand dieser Diskurs auch in der DDR statt; dort unter der Bezeichnung "Formalismusstreit".

Der Deutsche Künstlerbund gehört zu den Gründungsmitgliedern des Kunstfonds, der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, der Privatinitiative Kunst (PIK), der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK) und der Sektion Bildende Kunst im Deutschen Kulturrat. Er ist förderndes Mitglied der Villa Romana in Florenz. Er war wesentlich an der Neuregelung für das Künstlersozialversicherungsgesetz und an der Ausarbeitung des Nutzungsrechts von Kunstwerken beteiligt.

Bereits 1974 wurde ein Ausstellungshonorar für die in seinen Ausstellungen vertretenen Künstlerinnen und Künstler eingeführt. Auf Anregung des damaligen Vorsitzenden Georg Meistermann wurde die Sammlung des Bundes gegründet, die der Künstlerförderung und der staatlichen Repräsentation im öffentlichen Raum dient. Im Rahmen der Diskussion über die Errichtung einer Deutschen Nationalstiftung veranstaltete der Deutsche Künstlerbund 1978 ein Kolloquium, dessen Ergebnisse die Konzeption und Errichtung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland wesentlich förderten. Aber auch mit seinen großen Jahresausstellungen bot der Deutsche Künstlerbund, der 1990 als erste Institution eine Sonderschau von Künstlern der DDR zeigte, vielen Künstlern ein Podium.

2003 feierte der Deutsche Künstlerbund sein 100-jähriges Bestehen als eine der ältesten und renommiertesten Künstlervereinigungen in Europa. Gleichzeitig war die damit verbundene letzte "Jahresausstellung" (gleichzeitig Jubiläumsausstellung '100 Jahre Deutscher Künstlerbund') ein Zeichen dafür, daß dieses Ritual im neuen Jahrtausend ersetzt werden musste durch die ebenso regelmäßig stattfindenden DKB-Jahresprojekte. Es geht heute mehr um die öffentliche Auseinandersetzung mit aktuellen künstlerischen Impulsen, als um die bloße Selbstdarstellung der Vereinsmitglieder.

Derzeit gehören dem Deutschen Künstlerbund rund 690 bildende Künstlerinnen und Künstler an (Stand im August 2015). Mitglied werden kann prinzipiell jede/r in Deutschland lebende professionelle Künstler/in, unabhängig von der Nationalität. Ein Aufnahmeverfahren prüft Professionalität und Qualität der künstlerischen Arbeit. Eine Mitarbeit ist wünschenswert, nicht aber Bedingung für die Mitgliedschaft im Deutschen Künstlerbund. Ein Ziel dieses Zusammenschlusses bildender Künstler/innen sind kontinuierliche inhaltliche und selbst-reflexive Diskussionen aktueller Fragen der Kunstproduktion. Der Deutsche Künstlerbund vertritt mit unabhängiger Stimme die Interessen der aktiv arbeitenden zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler - und damit auch die Freiheit und Vielschichtigkeit der Kunst - gegenüber Politik, Ausstellungsinstitutionen und Kunstmarkt.

Durch die aktive ehrenamtliche Mitarbeit in mittlerweile 24 Gremien, Kuratorien und Ausschüssen, die an der Erarbeitung gesetzgebender Regelungen beteiligt sind, vertritt der Deutsche Künstlerbund die Interessen einer großen Anzahl in Deutschland arbeitender Künstlerinnen und Künstler. So hat er einen Sitz im Sachverständigenkreis für Kunst am Bau beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ist Mitglied der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel, des Deutschen Kulturrates, der Initiative Urheberrecht, der Villa Romana in Florenz. Er kooperiert u.a. mit der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV), mit der Künstlersozialversicherung KSK, der Stiftung Kunstfonds, der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und vielen weiteren kulturpolitisch und kunst-rechtlich relevanten Organisationen. Ein neueres Arbeitsfeld ist die Vertretung der Interessen der Künstler/innen und der Kunst auf europäischer Ebene.

Seit 2001 veranstaltet der Künstlerbund im Projektraum in Berlin Tagungen, Aufführungen und Ausstellungen, zu denen sowohl Mitglieder als auch (lokale bis internationale) Gäste eingeladen werden. Auch landesweit bietet der Deutsche Künstlerbund Ausstellungen, Symposien und Kolloquien zu aktuellen Themen an. Sowohl Vorstandsmitglieder als auch andere Mitglieder des Künstlerbundes konzipieren und realisieren in ehrenamtlicher Arbeit teils aufwändige künstlerische und kulturpolitische Projekte, die oft viele Kunstschaffende, Kunstwissenschaftler/innen und Interessierte einbeziehen. Manche Projekte münden in einzelne Veranstaltungen, andere werden über Jahre fortgeführt, einige Projekte wirken bundesweit oder international.

Paul Baum gilt als Vertreter des Deutschen Impressionismus, von den französischen Impressionisten übernahm er in seinen Arbeiten die helleren Farben und einen kommaförmigen Pinselstrich. Durch die Begegnung mit Théo van Rysselberghe angeregt, malte er ab 1900 im Stil des Pointillismus („Punktmalerei“), einer Variante des französischen Neoimpressionismus. Zusammen mit Curt Herrmann gilt Paul Baum als die einzigen bedeutenden Künstler dieser Stilrichtung in Deutschland.

Zu den bekannterene Werken Paul Baums gehören Landschaftsbilder mit Motiven aus Flandern und den Niederlanden. Charakteristisch sind hier seine Darstellungen der Polderlandschaften mit Kanälen und Korbweiden, welche er mit dem Pinsel punktförmig und minutiös auf die Leinwand auftrug. Zu seinem Werk gehören neben Ölbildern auch zahlreiche Zeichnungen sowie Radierungen, Farblithografien und Aquarelle.

August (Friedrich Carl) von Brandis war ein deutscher Maler und Zeichner. Er gilt als wichtigster Interieurmaler des deutschen Impressionismus und genoss bereits zu Lebzeiten hohes internationales Ansehen.

August von Brandis wurde im selben Jahrzehnt geboren wie beispielsweise Vincent van Gogh oder Lovis Corinth. Wenngleich seine Eltern im Baltikum wohnten, war deren Wunsch, dass der Sohn seine Schulzeit in Deutschland verbringt. August von Brandis wohnte daher erst bei Verwandten in Hannover und dann beim Bruder in Berlin, der als Stenograph im Reichstag arbeitete.

Als Schüler zog er durch Berliner Museen zum Zeichnen und begann nach dem Abitur ein Studium der Medizin, das er jedoch abbrach. Er wechselte zu einem Studium an der Königlich-Preußischen Akademie der Künste zu Berlin. Zusätzlich legte er 1884 eine Prüfung als Zeichenlehrer ab und unterrichtete an einem Berliner Gymnasium zwecks Finanzierung seines Studiums. An der Akademie begann er an der akademischen Malerei zu zweifeln: „Es gab nichts, was mich hätte begeistern können[…], nichts außer Manierismus.“ Er war erst in der Klasse von Hugo Vogel und nach dessen Ausscheiden in der des strengen Akademikers Anton von Werner, der ihm jedoch weitestgehende Freiheiten ließ. Privat erhielt August von Brandis Aufträge als Porträtist.

1890 gewann er einen Akademie-internen Wettbewerb mit der Arbeit „Die Auferweckung des Töchterlein Jair“, es folgten weitere religiöse Arbeiten. 1892 stellte er auf der "Berliner Akademische Kunstausstellung" aus, anschließend auf der Großen Berliner Kunstausstellung, dort wurde 1894 auch sein Werk „Grablegung Christi“ gezeigt. Er beteiligte sich mit Werken an der Ausstellung fast durchgehend bis 1900. Im Ehrensaal der Großen Münchener Kunstausstellung wurde erstmals die „Hochzeit von Kanaa“ ausgestellt, gemeinsam mit der Arbeit „Christus im Olymp“ von Max Klinger.

August von Brandis entwickelte eigene Lehrmethoden im Zeichenunterricht, das Preussische Ministerium beförderte ihn zum Leiter der Ausbildung von Zeichenlehrern.

August von Brandis wurde die Kuratierung der Ausstellung Berliner Maler auf der Großen Kunstausstellung in München übertragen, von dort besuchte er auch die Künstlerkolonie Dachau.

Um 1897 hatte sich in Dachau die Künstlerkolonie „Neu-Dachau“ gebildet. Brandis stand in Kontakt zu Adolf Hölzel, mit dem ihn später eine lebenslange Freundschaft verband und von der ein reger Briefwechsel überliefert ist. Er arbeitete an Hölzels Malschule mit, und wurde im Jahr 1900 Mitglied der Künstlerkolonie Dachau.

Die Künstlerkolonie Dachau bildete sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vor allem ab 1875 drängten bedeutende deutsche Maler in die bayerische Stadt bei München, um sich dort von Menschen und Landschaft im Dachauer Moos inspirieren zu lassen und sich vor Ort mehrere Monate oder Jahre niederzulassen. Neben Worpswede stellt Dachau die bedeutendste Künstlerkolonie in Deutschland dar. Bis heute ist der Ort der Kunst verbunden geblieben. So werden zum Beispiel in der Dachauer Gemäldegalerie viele Exponate von Vertretern der Künstlerkolonie gezeigt. Dachau ist Mitglied in der Vereinigung der europäischen Künstlerkolonien „Euro Art“.

Bereits ab 1805 kamen vereinzelt Künstler in den Ort, so um 1803 Simon Warnberger, 1825 Wilhelm von Kobell, 1834 Johann Georg von Dillis, ca. 1840 Eduard Schleich der Ältere und 1850 Carl Spitzweg, der für mehrere Jahre in Dachau weilte und sein berühmtes Bild Der Bücherwurm im Schloss Dachau malte.

Des Weiteren kamen 1870 Heinrich von Zügel und 1873 Wilhelm Leibl Belege für ein gesteigertes Interesse der Münchner Künstlerszene an der Mooslandschaft des Dachauer Umlands und den wechselnden Stimmungen der Landschaft. Dachau stellte für viele Maler ein ideales Motiv für die immer populärer werdende Landschaftsmalerei (auch Freilichtmalerei) dar.

In dieser Zeit stieg die Zahl der nach Dachau kommenden Künstler sprunghaft an. Teilweise stellte die Stadt günstige Wohnungen und Arbeitsräume zur Verfügung. Eine erste Gruppe von Künstlern um Ludwig Dill, Adolf Hölzel und Arthur Langhammer schlossen sich ab 1897 (der genaue Zeitpunkt ist umstritten) zur Kunstrichtung bzw. Malschule „Neu-Dachau“ zusammen. Hölzel eröffnete eine viel beachtete Malschule, während Dill um 1897 eine erste örtliche Künstlervereinigung ins Leben rief. Dachau wurde nun deutschlandweit als Malerkolonie bekannt. Die Maler der Künstlerkolonie in Dachau orientierten sich vor allem an Künstlern aus Paris, die sich im Zeitraum von 1830 bis etwa 1870 verstärkt im Dorf Barbizon ansiedelten, um dort „plein-air“, also unter freiem Himmel zu arbeiten, (Schule von Barbizon). Die Dachauer Künstler gründeten 1905 das Bezirksmuseum Dachau und 1908 die Gemäldegalerie im Schloss Dachau.

Während des Ersten Weltkrieges reduzierte sich die Zahl der Künstler am Ort, doch bereits 1919 entstand eine Künstlervereinigung mit 44 Mitgliedern, die bis heute Bestand hat. In der Zeit zwischen den Kriegen lebten und wirkten in Dachau unter anderen Emmi Walther, Ella Iranyi, Carl Olof Petersen und Karl Staudinger. Der Zweite Weltkrieg führte zu einem starken Rückgang der Künstlertätigkeit.

Als Teil der Künstlergruppe „Norddeutsche Werkstatt“ stellte Brandis 1904 gemeinsam mit Constantin Starck, Franz Stassen, Friedrich Klein-Chevalier, Richard Eschke, Berthold Genzmer und Franz Paczka im Berliner Künstlerhaus aus, die Gruppe löste sich aufgrund unterschiedlicher Positionen jedoch bald auf. Spätesten im selben Jahr wandte sich Brandis der schwerpunktmäßig Interieurmalerei zu und malte beispielsweise das Uphagensche Haus.

Am 1. Oktober 1904 wurde er zum Professor für Figuren- und Landschaftsmalerei an die Technische Hochschule Danzig berufen. Die Neue Pinakothek München erwarb im selben Jahr das Werk „Durchblick“. Im März 1906 stellte er gemeinsam mit Eugen Bracht, Albert Gartmann, Konrad Lessing und Hans Licht aus.

In Dachau orientierte sich von Brandis vor allem an der Malerei der Künstler von Paris und deren impressionistischen Stil im Sinne der Schule von Barbizon. Im Rahmen der Deutschen Kunstausstellung in der Kunsthalle Bremen mit einer integrierten Sonderausstellung nordwest-deutscher Künstler im Jahre 1908 stellte er seine neuen Erfahrungen und Techniken erstmals vor. Die Kunstchronik schrieb 1909: Die Interieurs, die der Künstler in den letzten Jahren auf der Berliner Kunstausstellungen zeigte, gehörten zu den malerisch besten Leistungen, die man dort begegnen konnte Auf Brandis Initiative hin, verbrachte Hölzel und der Kreis drei Monate in Monschau, um dort zu malen.

Das Suermondt-Museum hatte bereits zuvor die „Grablegung Christi“ angekauft. Im Jahr 1909 wurde von Brandis als Nachfolger von Alexander Frenz an die Fakultät für Architektur der RWTH Aachen als ordentlicher Professor für Figuren- und Landschaftszeichen sowie Aquarellmalerei berufen. Brandis hatte auch diverse universitäre Ämter inne und war 1925/26 Dekan. Neben den Studenten nahm er auch freie Schüler auf. Zu seinen Schüler gehörten u. a. Fritz Faber, Karl Theodor Heimbüchel, Adolf Kogel, Jo Hanns Küpper, Rolf Robischon, Adolf Wamper, Benno Werth und Heinrich Wolff.

1910 und 1911 erhielt Brandis die von Kaiser Wilhelm II. gestiftete Goldene Medaille für Kunst bei der Großen Berliner Kunstausstellung und 1911 die Goldene Medaille der Kunstausstellung in München. Zwischen 1910 und 1918 wurden seine Arbeiten im Ausland gezeigt, darunter in Santiago (Chile), Rom, Paris, Buenos Aires, Toronto und Sofia, teilweise auch auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst. 1914 wurde die Arbeit „Herbstsonne“ auf der Biennale in Venedig sowie die „Morgenstimmung“ auf der Großen Berliner Kunstausstellung ausgestellt.

1929 emeritierte August von Brandis, sein Nachfolger wurde Hermann Haas. Gemeinsam mit anderen ehemaligen Kollegen protestierte von Brandis in den späten 1930er Jahren erfolgreich gegen eine „kriegesbedingte Schließung“ der Hochschule durch die Nationalsozialisten. Zwecks Ausschmückung der eigenen Räumlichkeiten holte sich die NSDAP-Kreisleitung Aachen-Stadt das Werk „Krönungsaal“ aus dem Suermondt-Ludwig-Museum als „Dauerleihgabe“. Das Werk verschwand später und gilt als verschollen.

Durch den Oberbürgermeister wurde ihm 1939 die Suermondt-Plakette überreicht. Von Brandis wurde als „meisterlicher Schilderer Alt-Aachener Wohnkultur“ und seine Werke als „farbensatt“ bezeichnet. Tatsächlich jedoch lehnte Brandis eine rein akademische Malerei ebenso ab, wie den Einsatz intensiver bunter Farben.

In einer Rezension 1914 in der Kunst und Künstler welche von Bruno Cassirer herausgegeben wurde, wird Brandis im Gegensatz zu anderen Impressionisten den „ehrlichsten Willen zur malerischen Formsuche“ bescheinigt. Das impressionistische Werk umfasst vornehmlich Interieure, Brandis gilt als bedeutendster Interieurmaler des deutschen Impressionismus Porträts beispielsweise malte Brandis er nur in Einzelfällen, vornehmlich seiner Familie.

Das noch 1897 auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigte Werk „Hochzeit zu Cana“ ist durch seinen Lehrmeister Anton von Werner inspiriert und im Stil des Historismus. Allgemein ist sein Frühwerk der sakralen Kunst zuzurechnen. 1909 beteiligte er sich u. a. mit Lovis Corinth an der Ausstellung für Christliche Kunst in Düsseldorf, beiden wurde in einer Kritik bescheinigt, weniger durch theologische als vielmehr durch künstlerische Qualitäten zu überzeugen.

Die beiden sakralen Werke „Grablegung“ und die „Hochzeit zu Cana“ werden permanent in St. Foillan ausgestellt. In ihrem Großformat stellen diese eine imposante Bereicherung dieser Kirche dar.

Die Hinwendung zum Malen impressionistischer Interieure begann kurz vor der Jahrhundertwende, wo er ein von Jakob Couven entworfenes Rokoko-Gartenhaus auf dem Anwesen der Schwiegereltern in Kaldenkirchen malt, und fällt in jene Epoche, als seine religiösen Arbeiten die größte Anerkennung des Publikums genossen. Kaum ein Motiv ist in so vielen Innen- und Außen-Ansichten von Brandis gemalt worden, wie das Gartenhaus, daraus entwickelte er später die „Raumbilder“.

August von Brandis hatte die französischen Impressionisten bei Paris-Aufenthalten kennengelernt und teilte auch deren Ansichten. Trotzdem unterschied sich (vergleichbar den anderen deutschen Impressionisten) die Malerei von der in Frankreich. Er wandte sich anstatt der Malerei im Freien, dem Malen von Innenräumen zu, wenngleich er den Begriff „Interieure“ ablehnte, da diese ein Abbild vergleichbar eines Stillebens anstreben, während es ihm um die wechselnden Lichtverhältnisse gehe, er bevorzuge daher den Begriff „Raumbilder“.

August von Brandis widmete fortan einen Großteil seines Werks historischer Innenarchitektur, darunter dem 1929 eröffneten Biedermeier-Zimmer des Couven-Museum im Haus Fey und dem Roten Haus in Monschau.

Viele seiner Reisen waren dem Aufsuchen und Malen von historischen Räumen gewidmet, vornehmlich in Deutschland, aber auch nach Italien, den Niederlanden und Frankreich. Brandis und Carl Moll waren sich einig, keine Räume zu malen, welche gegenwärtig bewohnt werden.

Einer Rezension zufolge geht das Licht in Werken von Brandis von einem Fleck aus, und strahlt auf Gegenstände im Interieur, dabei wird die Wirkung gemildert, durch die Auflösung in die Spektralfarben. Richard Hamann schreibt 1925 über das Werk von Brandis: Welche neuen Farbensensationen durch diese auf den Reiz als solchen sich zurückziehende, impressionistische Kunst in reinen Stilleben gewonnen wurden.

Max Carl Friedrich Beckmann war deutscher Maler, Grafiker, Bildhauer, Autor und Hochschullehrer. Beckmann griff die Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts ebenso auf wie die kunsthistorische Tradition und formte einen figurenstarken Stil, den er ab 1911 der aufkommenden Gegenstandslosigkeit entgegensetzte.

Beckmann war in seiner frühen Zeit Mitglied der Berliner Secession, stilisierte sich dann aber lieber als Einzelgänger. Der Moderne, insbesondere Pablo Picasso und dem Kubismus, setzte er eine eigenwillige Räumlichkeit entgegen. Zudem entwickelte er eine erzählende und mythenschaffende Malerei, insbesondere in zehn Triptychen. Besondere Bedeutung kommt Beckmann als prägnantem Zeichner, Porträtisten (auch zahlreicher Selbstporträts) und als subtilem Illustrator zu.

Max Beckmann wurde als drittes Kind von Antonie und Carl Beckmann geboren. Die beiden Geschwister Margarethe und Richard waren wesentlich älter. Die Eltern stammten aus der Gegend von Braunschweig, wo der Vater Müller gewesen war. In Leipzig betrieb er eine Mühlenagentur. In Falkenburg in Pommern, dem heutigen Złocieniec, besuchte Max Beckmann die Volksschule. Von Ostern 1894 bis November 1894 war er Schüler der Sexta des Königlichen Gymnasiums in Leipzig. Als Elfjähriger zog er mit der Familie nach Braunschweig um. Hier starb kurz darauf der Vater. Max Beckmann setzte den Schulbesuch in Braunschweig und Königslutter fort. Sein erstes überliefertes Aquarell, eine Märchenillustration, wird auf 1896 datiert, das erste Selbstporträt auf 1897. Seit dieser Zeit begeisterte Beckmann sich für fremde Kulturen. Er war ein schlechter Schüler, zeigte aber früh umfassendes Interesse an der Kunstgeschichte. 1899 besuchte er ein privates Internat in einem Pfarrhaus in Ahlshausen bei Gandersheim. Aus dieser Zeit stammen die ersten überlieferten Briefe und Zeichnungen. Im darauffolgenden Winter lief er von dort weg. Im Jahr 1900 bestand er die Aufnahmeprüfung der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. Anekdotische Zeichenkunst offenbart sich in Beckmanns frühen Blättern ebenso wie ein sicheres Formgefühl und die Neigung zum Grotesken.

Auf der modern und liberal ausgerichteten Weimarer Kunstschule trat Beckmann 1901 in die Klasse des norwegischen Porträt- und Genremalers Carl Frithjof Smith ein, den er zeit seines Lebens als seinen einzigen Lehrer betrachtete. Von ihm übernahm er die kräftige Vorzeichnung und behielt sie ein Leben lang bei. Zudem lernte er hier 1902 den Frankfurter Maler Ugi Battenberg sowie die Malerin Minna Tube kennen und begründete mit beiden lebenslange Freundschaften. Ein Selbstbildnis mit aufgerissenem Mund aus dieser Zeit gilt als erste überlieferte Radierung. Das Blatt ist expressiv und verrät den Einfluss von Rembrandt van Rijn und Edvard Munch. Mit Belobigungsdiplomen für Zeichnen und für Malerei in der Tasche verließ Beckmann 1903 die Akademie und ging für ein paar Monate nach Paris. Hier beeindruckten ihn vor allem die Werke von Paul Cézanne. Der junge Künstler las und schrieb viel. In Paris entstanden nach einem kurzen Ausflug in den Pointillismus die Vorstudien für sein erstes chef d’œuvre, das Ölgemälde Junge Männer am Meer. Er reiste nach Amsterdam, Den Haag und nach Scheveningen, sah vor allem Werke von Rembrandt, Gerard ter Borch, Frans Hals und Jan Vermeer und malte bevorzugt Landschaften. 1904 brach er zu einer Italienreise auf, die jedoch in Genf endete. Er besuchte Ferdinand Hodler im Atelier und sah unterwegs in Colmar den damals noch wenig bekannten Isenheimer Altar. In den Landschaften und Meeresbildern des Sommers setzte sich der Künstler mit der Überwindung des Jugendstils und des europäischen Japonismus auseinander. Einige dieser Arbeiten zeigen eine eigenständige, ausschnitthafte Komposition. Nach Abbruch des Parisaufenthaltes und der Italienreise richtete sich Beckmann in Berlin-Schöneberg (damals Schöneberg bei Berlin) ein Atelier ein.

Im Sommer 1905 arbeitete Beckmann an der dänischen Nordsee an seinem Gemälde Junge Männer am Meer (Öl auf Leinwand, 148 x 235 cm). Das Bild ist stilistisch von Luca Signorelli und Hans von Marées beeinflusst mit Anlehnungen an den Neoklassizismus.

1906 erhielt Beckmann vom drei Jahre zuvor gegründeten Deutschen Künstlerbund für dieses Gemälde den Villa-Romana-Preis. Er beteiligte sich im selben Jahr auch mit zwei Arbeiten an der 11. Ausstellung der Berliner Secession.

Den Tod der Mutter 1906 verarbeitete er in zwei Sterbeszenen in der Tradition von Edvard Munch. Er heiratete seine Studienfreundin Minna Tube und reiste mit ihr nach Paris und anschließend für sechs Monate nach Florenz, als Stipendiat der Villa Romana. Dort malte er das Bildnis meiner Frau mit rosaviolettem Grund, ein flirrendes Porträt Minna Tubes, das heute in der Hamburger Kunsthalle hängt. 1907 zog Beckmann mit seiner Frau in ein von ihr entworfenes Atelierhaus in Berlin-Hermsdorf. Ebenfalls in diesem Jahr wurde Beckmann in die Berliner Secession als Mitglied aufgenommen.

Die Einladung, in die Dresdner Künstlergruppe Brücke einzutreten, lehnte er ab, trat aber der Berliner Secession bei. Der Wille zum Ruhm des jungen Künstlers drückte sich vor allem in forcierten Katastrophenszenerien aus; Impressionismus und Neoklassizismus vereinten sich hier zu einer brachialen Aktionsmalerei. Den Expressionismus lehnte er ab. Im Kontrast zu seinen großformatigen Gemälden pflegte Beckmann Interieur und Porträt, vor allem Selbstporträt; diese Arbeiten sind zum Teil duftig und atmosphärisch subtil. Schon in jenen Jahren entstanden zudem Handzeichnungen von altmeisterlicher Vollendung. Die Zeichnung sollte stets das Rückgrat von Beckmanns Kunst bleiben.

1908 reiste der Künstler neuerlich nach Paris und wurde im Herbst Vater eines Sohnes, Peter Beckmann, der als Kardiologe und Altersforscher bekannt wurde. Im Jahr darauf stellte er zum ersten Mal im Ausland aus und machte die folgenreiche Bekanntschaft des Kunstschriftstellers Julius Meier-Graefe, der sich bis zu seinem Tod publizistisch für Beckmann einsetzte. Seit 1909 befestigte der Künstler seinen altmeisterlichen Anspruch zunehmend auch in einem grafischen Œuvre. Im selben Jahr setzt er im Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube seiner Beziehung zu der Kollegin und Ehefrau ein Denkmal in der Tradition der repräsentativen Paarporträts à la Gainsborough. Mit veristischen Massenszenarien in kolportagehafter Komposition wie bei der Szene aus dem Untergang von Messina stellte er sich in die Rubensnachfolge, wenn auch die Anlage und Ausführung solcher Bilder beim jungen Beckmann einigermaßen unausgegoren blieben.

Max Beckmann wollte sich als neokonservatives Gegenmodell zu der um 1910 aufkommenden radikalen Abstraktion von Malern wie Henri Matisse und Pablo Picasso sowie der Gegenstandslosigkeit eines Wassily Kandinsky profilieren. Ebenso wie Max Liebermann oder Lovis Corinth war er auf der Suche nach einer modernen Form der figurativen Malerei.

1910 wurde Beckmann in den Vorstand der Berliner Secession gewählt, war mit seinen 26 Jahren dort das jüngste Mitglied, trat jedoch bald wieder aus. Zwei Jahre zuvor war er daran gescheitert, eine vom Händler Paul Cassirer unabhängige Ausstellungsorganisation zu gründen. Er distanzierte sich fortan von Künstlervereinigungen, beteiligte sich jedoch weiterhin an den großen DKB-Jahresausstellungen in Mannheim (1913), Dresden (1927; dort war er Mitglied der Aufnahme-Jury), Köln (1929), Stuttgart (1930), Essen (1931), Königsberg/Danzig (1932) und Hamburg (1936).

Der Kunsthändler Israel Ber Neumann und der Verleger Reinhard Piper trugen zu Beckmanns Vorkriegsruhm bei, der um 1913 seinen Höhepunkt erreichte. Nun trat der 29-jährige Maler ganz aus der Secession aus und begründete 1914 die Freie Secession mit. Er hielt sich weiterhin vom Expressionismus fern, zeigte sich aber ebenso wie dieser in Grafik und Malerei von der Großstadt fasziniert. Sein Programm war nun festgelegt: Max Beckmann würde nie gegenstandslos arbeiten. Vielmehr setzte er sich zum Ziel, das Erbe der klassischen Kunst (Raum, Farbe, hergebrachte Gattungen, Mythologie, Symbolik) auszuweiten. Im März 1912 stipulierte er: „Die Gesetze der Kunst sind ewig und unveränderlich.“

„Meine Kunst kriegt hier zu fressen“, bemerkte Beckmann im Ersten Weltkrieg, den er für ein „nationales Unglück“ hielt. Der Künstler gab im Krieg keinen einzigen Schuss ab. „Auf die Franzosen schieße ich nicht, von denen habe ich so viel gelernt. Auf die Russen auch nicht, Dostojewskij ist mein Freund.“ 1914 diente er als freiwilliger Sanitätshelfer an der Ostfront, im Jahr darauf in Flandern. Seine Zeichnungen aus dieser Zeit spiegeln die ganze Härte des Krieges wider. Sie begründen Beckmanns neuen, hartkonturierten Stil. Der künstlerische Umschwung wurde flankiert durch die Kriegsprosa der Briefe im Kriege, die noch während des Krieges erschienen. 1915 erlitt der Künstler einen Nervenzusammenbruch, diente vorübergehend am Kaiserlichen Hygieneinstitut in Straßburg und ließ sich kurz darauf in Frankfurt-Sachsenhausen nieder. Es zeigte sich nun, dass sein persönlicher Zusammenbruch zugleich ein Neuanfang sein sollte. Der schonungslose Zeichenstil des Krieges wird in Grafik (besonders Kaltnadelradierung) und Malerei überführt. Im Selbstbildnis als Krankenpfleger betreibt der Künstler nun ebenso eine schonungslose, um äußerste Wahrhaftigkeit ringende Spiegelung seiner selbst, wie er in den Grafikmappen wie dem Lithografienzyklus Die Hölle die Kriegs- und Nachkriegswirklichkeit hartkantig und virtuos zusammenschachtelt und ihre Substanz offenlegt. Die christliche Ikonografie erhält nun die Aufgabe der Darstellung der conditio humana; ein Gemälde wie Christus und die Sünderin von 1917 zeigt den gefallenen Menschen und den Jesus der praktischen Ethik.

In der Weimarer Republik wuchsen Beckmanns politische Interessen, zugleich studierte er Geheimlehren wie die Theosophie, die seit der Jahrhundertwende viele Künstler beschäftigte. Er fasste die Physiognomien seiner Zeit scharf ins Auge, suchte hier aber keinen Realismus, sondern was er transzendente Sachlichkeit nannte. Das berühmte Bild der Frankfurter Synagoge und des Eisernen Steges entstanden in dieser Zeit. Beckmann war eng in das intellektuelle Leben seiner Zeit eingebunden durch seine Freundschaften mit dem Schriftsteller Benno Reifenberg, mit Heinrich Simon, dem Chefredakteur der Frankfurter Zeitung durch seine Verbindungen zu dem Kunsthändler Günther Franke, dem Schauspieler Heinrich George und Künstlerkollegen wie Alfred Kubin. Er schrieb Dramen und Gedichte, die sich nach seinem Tod als aufführbar und lesenswert erwiesen. Neben der umfangreichen grafischen Arbeit entstanden wieder Selbstporträts, die den Dargestellten zum Chronisten nicht allein seiner selbst, sondern seiner Epoche machten.

1924 lernte Beckmann in Wien die junge Mathilde Kaulbach, Tochter von Friedrich August von Kaulbach, kennen. Er trennte sich von Minna Tube und machte fortan seine neue Frau unter ihrem Wiener Spitznamen Quappi zu einer der meistgemalten und -gezeichneten Frauen der Kunstgeschichte. Reisen nach Italien, Nizza und Paris, vertiefte Studien gnostischer, altindischer und theosophischer Lehren lockerten und erweiterten seinen künstlerischen Stil. Zugleich nahm die Farbigkeit seiner Gemälde zu. Seit 1925 leitete er ein Meisteratelier an der Kunstschule des Städel-Museums in Frankfurt. Zu seinen Schülern zählten Theo Garve, Léo Maillet und Marie-Louise von Motesiczky. Gemälde wie Doppelbildnis Karneval oder Italienische Phantasie reflektieren die Beruhigung der politischen Verhältnisse ebenso wie die bösen Vorahnungen auf ein baldiges Ende der Goldenen Zeit. In dem spektakulären Bild Galleria Umberto ahnt der Künstler bereits 1925 den Tod Mussolinis. Beckmanns Biograf Stephan Reimertz spricht vom Vorgesicht des Künstlers. Auf dem Höhepunkt der Weimarer Republik gab Beckmann sich indes noch einmal staatstragend als Stresemann-Deutscher. 1927 malte er das Selbstbildnis im Smoking und schrieb einen Aufsatz mit dem Titel Der Künstler im Staat. Beckmanns ausgeprägtes Selbstbewusstsein war allgemein bekannt.

1928 erreichte sein Ruhm in Deutschland den Höhepunkt mit dem Reichsehrenpreis Deutscher Kunst und einer umfassenden Beckmann-Retrospektive in Mannheim. Seine Kunst zeigt nun grandiose Formvollendung; sie verrät zudem den mondänen Erotiker, der Beckmann immer gern sein wollte. Diese Rolle ist eine der vielen Masken, hinter der der ängstliche und sensible Künstler sich versteckte. 1930 zeigte die Biennale in Venedig sechs Bilder von Beckmann, der auch in diesem Jahr auf der Jahresausstellung der Prager Secession vertreten war. Zugleich wurde der Künstler von der nationalsozialistischen Presse heftig angegriffen. In Paris fand er kurzfristig eine gewisse Beachtung unter Intellektuellen, die sich sowohl vom Surrealismus, als auch von der Dominanz von Henri Matisse und Pablo Picasso zu lösen suchten. 1932 richtete die Berliner Nationalgalerie einen Beckmann-Saal ein, die sog. Neue Abteilung der Nationalgalerie Berlin im Kronprinzenpalais. Der Künstler begann in diesem Jahr mit dem ersten von zehn Triptychen. Unter dem Namen Abfahrt begonnen, stellte er es Jahre später als Departure fertig.

Im April 1933 wurde Beckmann fristlos aus seiner Professur an der Frankfurter Städelschule entlassen. Seine Schüler, aber auch andere junge Künstler, die von Beckmann beeinflusst wurden, wie z. B. der Maler Joseph Mader, hatten keine Möglichkeiten mehr, sich künstlerisch zu betätigen; später sprach man von einer verschollenen Generation. Einige ihrer Werke wurden von den Nazis auf dem Römerberg verbrannt. Der Beckmann-Saal im Kronprinzenpalais wurde anders genutzt. Max Beckmann war für die Nazis einer der meistgehassten Künstler. Er war in den Ausstellungen zur Entarteten Kunst, die durch ganz Deutschland tourten, prominent vertreten.

Beckmann verließ Frankfurt und lebte bis zu seiner Emigration in Berlin. Er lernte den Schriftsteller Stephan Lackner kennen, der ihm ein treuer Freund, Sammler und Interpret blieb. In dieser Zeit malte Beckmann auch viele anekdotenhafte Bilder wie Ochsenstall und Der kleine Fisch, Selbstbildnisse wie jenes mit schwarzer Kappe oder mit der Glaskugel, die die Unsicherheit seiner Situation reflektierten und zu überspielen versuchten. Auch begann er nun eine plastische Arbeit und schuf die Bronze Mann im Dunkeln, in der sich seine Position als unerwünschter Künstler manifestiert. Bis zur Schließung der letzten DKB-Jahresausstellung 1936 im Hamburger Kunstverein – sein Ausstellungsbeitrag Landungskai im Sturm (1936, Öl auf Leinwand, 41 x 80,5 cm) befindet sich heute im Besitz des Frankfurter Städel Museums – war Beckmann Mitglied im Deutschen Künstlerbund, in den er bereits 1906 eingetreten war. Weitere Werke Beckmanns wurden in der 1937 in den Münchener Hofarkaden veranstalteten Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt.

Nach der Rundfunkübertragung von Hitlers Rede zur Eröffnung der gleichzeitigen Großen Deutschen Kunstausstellung in München hat Max Beckmann Deutschland für immer verlassen. Im selbstgewählten Exil Amsterdam malte er Selbstporträts wie Der Befreite, auf dem er Ketten sprengt. Tief verrätselte Bilder und weitere Triptychen mit teils mythologischen Themen prägen sein Exilwerk.

1938 schrieb er in sein Tagebuch: Worauf es mir in meiner Arbeit vor allem ankommt, ist die Idealität, die sich hinter der scheinbaren Realität befindet. Ich suche aus der gegebenen Gegenwart die Brücke zum Unsichtbaren – ähnlich wie ein berühmter Kabbalist es einmal gesagt hat: „Willst du das Unsichtbare fassen, dringe, so tief du kannst, ein – in das Sichtbare.“ Es handelt sich für mich immer wieder darum, die Magie der Realität zu erfassen und diese Realität in Malerei zu übersetzen. – Das Unsichtbare sichtbar machen durch die Realität. – Das mag vielleicht paradox klingen – es ist aber wirklich die Realität, die das eigentliche Mysterium des Daseins bildet!

Er hielt Kontakte zu deutschen Widerstandskreisen, auch um Gisèle van Waterschoot van der Gracht und Wolfgang Frommel in Amsterdam. Beckmann musste sich Musterungen der deutschen Wehrmacht unterziehen und bewarb sich seit 1939 um ein Visum für die Vereinigten Staaten. Seine Bemühungen um eine Ausreise scheiterten jedoch, so dass er während der gesamten Kriegszeit in Amsterdam bleiben musste.

Erst im Sommer 1947 erhielten Max und Mathilde Beckmann Visa für die USA. Ab Ende September lehrte der Künstler an der Art School der Washington University in St. Louis. Zu seinen amerikanischen Schülern gehörten Walter Barker und Jack Bice. Im Mai 1948 zeigte das Saint Louis Art Museum eine große Beckmann-Retrospektive. Der Sammler Morton D. May begann mit dem Aufbau seiner Beckmann-Sammlung, heute die umfangreichste der Welt.

Neben Reisen quer durch die USA und Lehrtätigkeiten in Boulder (Colorado) und Carmel (Kalifornien) nahm Max Beckmann Ende 1949 eine Professur für Malen und Zeichnen an der Art School des Brooklyn Museums in New York an. Es fiel ihm zunehmend schwer, seine Kunst gegen die inzwischen populäre gegenstandslose Malerei durchzusetzen. Am 27. Dezember 1950 starb Max Beckmann an einem Herzinfarkt mitten auf der Straße in Manhattan (Central Park West, 61st St.). Sein zehntes Triptychon Amazonen blieb unvollendet

Als Münchner Schule wird ein Malstil der Münchner Malerei des 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Er entstand im Umfeld der Königlichen Akademie der Bildenden Künste und erlangte bald große Bedeutung in der akademischen Malerei.

König Ludwig I., der seit 1825 regierte, förderte die Kunst einerseits durch Museen, andererseits auch durch Förderung der zeitgenössischen Kunst, die München zwischen 1850 und 1914 zu einem der weltweit bedeutenden Zentren der Malerei machte. Dieses ungewöhnlich starke Kulturengagement wird als Kompensation der geringen wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung des Landes interpretiert. Weder in Berlin noch in Düsseldorf gab es eine vergleichbare öffentliche Förderung. Gleichzeitig schaffte es die Kunstkritik deutschlandweit ein Publikum zu gewinnen, teilweise wurde durch die Kunstkritik auch politische Kritik geübt. König Ludwig I. war bemüht, auch außerhalb der Landesgrenzen die Kunst zu fördern, so etwa deutsche Künstler in Rom durch entsprechende Auftragsvergaben.

An der Akademie waren zuvor der Nazarener Peter von Cornelius und Julius Schnorr von Carolsfeld tätig. Mit der Berufung von Karl von Piloty als neuem Leiter wurde einerseits das akademische Niveau perfektioniert, andererseits aber auch auf die dynastischen Präferenzen abgestimmt. Dieser Zeitpunkt gilt als Beginn der Münchner Schule. Ein Anliegen Ludwigs I. war es, auch die Freskomalerei wieder zu etablieren. Nachdem Peter von Cornelius die Fresken in den Hofgartenarkaden geschaffen hatte, erlangte die Münchner Schule erstmals größere internationale Aufmerksamkeit und Bedeutung. Das Repertoire der Malerei umfasste zunächst vornehmlich die Historienmalerei, später auch Genre- und Landschaftsmalerei sowie Porträts und Tierdarstellungen. 1843 wurde die Neue Pinakothek eröffnet, in der auch Werke der Münchner Schule ausgestellt wurden. Spätestens seit der Weltausstellung 1867 in Paris hatte die Münchner Schule die Führung der Kunstentwicklung übernommen und die Düsseldorfer Malerschule abgelöst

Eine beachtliche Anzahl von Künstlerinnen und Künstlern erwirtschaftete ein beachtliches Vermögen. Ein bedeutender Anteil der Kunstwerke wurde im Ausland, vor allem in den USA abgesetzt. Die Künstlerin Tini Rupprecht malte nur in schneller Pastelltechnik, lehnte fünfmal mehr Aufträge ab als sie annahm und erwirtschaftete trotzdem einen siebenstelligen Betrag. Zum Wohlstand einiger Künstler trug das neue Urheberrecht bei. Zahlreiche Werke wurden durch Lithographien und Stiche verbreitet. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs brachen die Verkaufszahlen auf dem Kunstmarkt ein, wodurch es zu einem künstlerischen Niedergang der Münchener Schule kam.

Die Münchner Schule zeichnete sich durch Genauigkeit und Naturalismus bei der Darstellung aus. Typische Genres waren Landschafts-, Historien- und Porträtmalerei. In der Historienmalerei wurde eine Versachlichung gepflegt, die dieses Genre von den Effekten und dem übertriebenen Pathos des 17. Jahrhunderts befreite.

Neben der Akademie entstanden zahlreiche Kunstschulen, darunter die renommierten von Heinrich Knirr und von Anton Ažbe. 1914 gab es fast sechzig Kunstschulen in der Stadt. Ein Grund war auch, dass Frauen in der Akademie nicht zugelassen waren. Im Jahr 1882 wurde der Münchner Künstlerinnenverein gegründet. Ein weiterer Grund war, dass versucht wurde, anders als in den anderen Großstädten, die Zahl der Studierenden an der Akademie gering zu halten. Viele Künstler waren in der Münchner Künstlergenossenschaft organisiert, ein Teil spaltete sich später ab und gründete die Münchener Secession. Die große Bedeutung für die Kunst in Deutschland zeigt sich nicht zuletzt daran, dass nahezu die gesamte folgende Avantgarde an der Akademie studiert hatte, darunter Lovis Corinth, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Ernst Oppler und Franz Marc. Diese begleiteten jedoch auch das Ende der akademischen Malerei und der Münchener Schule als stilistische Abgrenzung.

Neben Paris war München einer von zwei Studienorten der Kunst internationaler Dimension: Nahezu jede europäische Malerei hat Einflüsse der Münchener Schule zu verzeichnen. Wenngleich es sich insgesamt nur um einige hundert ausländische Studierende handelte, so zählten diese häufig zu den wichtigsten Künstlern ihrer Heimatländer.

Johan Christoffer Boklund der in München studiert hatte, etablierte deren Prinzipien an der Königlich Schwedischen Kunstakademie. Auch Polen und Litauer entschieden sich in nennenswerter Anzahl für ein Studium in München. Ein von impressionistischen Freiheiten bereicherter Realismus machte für die litauische Malerei München zum Vorbild. Die Neue Bulgarische Malerei geht ebenfalls auf Münchener Vorbilder zurück. Amerikanische Vertreter der Münchener Schule waren u. a. Frank Duveneck und William Merritt Chase sowie John Henry Twachtman und Walter Shirlaw.

Besonders nachhaltig war die Wechselwirkung der Münchner Schule in Bezug zu Griechenland: Nikiforos Lytras und Nikolaos Gysis studierten Mitte des 19. Jahrhunderts an der Akademie, bereits zuvor hatten beispielsweise Karl Rottmann, Peter von Hess, Karl Krazeisen und Ludwig Thiersch längere Aufenthalte oder Lehrtätigkeiten im Königreich Griechenland, als dieses noch von dem Wittelsbacher Otto regiert wurde. Zumeist von den Kykladen und mit Stipendien lokaler Kaufleute ausgestattet, zog eine Generation griechischer Studenten nach München. Einige lehrten später an der Akademie als Professoren, andere wandten sich der akademischen Malerei ab und waren an der Mitgründung der Münchener Secession beteiligt. Die Münchner Schule (Scholi tou Monachou) bezeichnet heute in Griechenland allgemein die akademische Malerei im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, gleichermaßen aus Deutschland als auch aus Griechenland.

Die Münchener Schule wurde lange Zeit dem Historismus vollkommen gleichgesetzt und ihre Bedeutung für die europäische Malerei und die deutsche Avantgarde wurde aus vielfältigen Gründen vergessen, teilweise wurde das Werk einzelner Protagonisten aus dem Zusammenhang gerissen. 1979 wurde die Ausstellung Die Münchner Schule: 1850-1914 der Bayerische Staatsgemäldesammlungen gezeigt, 2008 die Ausstellung Vor den Alpen: Malerei der Münchner Schule. Werke der Münchener Schule befinden sich in zahlreichen Kunstsammlungen. Die Anzahl der Werke auf dem Kunstmarkt ist heute jedoch eher gering, so dass selbst kleinere Arbeiten unbekannter Künstler aus dem Umfeld hohe vierstellige Beträge auf Auktionen erzielen.

Franz Seraph Lenbach wurde vor allem durch seine Portraits bekannt. Unter den Dargestellten befinden sich Otto von Bismarck, die beiden deutschen Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II., der österreichische Kaiser Franz Joseph, Papst Leo XIII. sowie eine große Anzahl prominenter Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kunst und Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts. Er selbst war in Deutschland und Österreich zu Lebzeiten einer der bekanntesten Künstler.

Wegen seiner herausragenden gesellschaftlichen Stellung und seines Lebensstils wird er in der Öffentlichkeit und auch von Kunsthistorikern als „Münchner Malerfürst“ bezeichnet.

Franz war das vierte Kind aus der zweiten Ehe des Schrobenhausener Stadtmaurermeisters Franz Joseph Lenbach mit Josepha Herke. Der Vater, ein aus Südtirol eingewanderter Maurerpolier, schrieb sich ursprünglich „Lempach“. 1820 bekam er die Stelle des Stadtmaurermeisters und damit die Führung einer selbstständigen Bauunternehmung zugesprochen. Da die Stadt ab 1840 stark expandierte, war das Unternehmen mit Aufträgen im Haus- und Straßenbau, sowohl in der Stadt selbst als auch im Umland, gut ausgelastet. Die Familie kam trotz ihres Kinderreichtums zu bürgerlichem Wohlstand und konnte sich ein stattliches zweistöckiges Haus erbauen.

Aus den beiden ersten Ehen des Vaters gingen insgesamt 17 Kinder hervor, von denen nur 11 bis 1844 lebten. 1844 starb die Mutter von Franz; der Vater heiratete 1845 Elisabeth Rieder. Das einzige Kind aus dieser dritten Ehe starb 1845 18 Tage nach seiner Geburt.

Im Oktober 1848 schloss Franz Lenbach die sechsjährige Elementarschule mit hervorragendem Ergebnis, zehnmal vorzüglich und einmal sehr gut, ab. Seine weitere Ausbildung folgte zunächst der Absicht, ihn im elterlichen Baugeschäft mitwirken zu lassen. Bei Maurer- und Zeichenarbeiten arbeitete er bereits früh im väterlichen Betrieb mit. Ab Ende 1848 besuchte er die Gewerbeschule in Landshut, die er im August 1851 mit der Gesamtnote sehr gut abschloss. Vom November 1851 bis zum März 1852 war er zur Ausbildung bei dem Baubildhauer Anselm Sickinger in München.

Am 8. April 1852 starb der Vater. Joseph, der älteste Halbbruder aus der ersten Ehe, übernahm die Chefposition im Baugeschäft und die Vaterrolle in der großen Familie. Franz arbeitete nun verstärkt dort mit, bildete sich aus und wurde ein Jahr später als Maurergeselle freigesprochen.

Ab Herbst 1852 besuchte er die Königlich Bayerische Polytechnische Schule in Augsburg, um sich dort im Figurenzeichnen unterrichten zu lassen. Er schloss sie im August 1853 mit vorzüglich ab. Seine Freizeit nutzte er für eigene Malversuche. An den Sonntagen malte er Ölbilder in der Natur, in der übrigen freien Zeit widmete er sich Kopierstudien in Augsburger Galerien. 1853 schloss er Freundschaft mit dem Münchner Akademiestudenten Johann Baptist Hofner. Er zog in dessen Haus in Aresing in die Dachstube ein. Gemeinsam malten sie Ortsbilder und machten Porträt- und Figurenstudien in der näheren Umgebung.

Im Januar 1854 wurde er in die Akademie der Bildenden Künste München aufgenommen. Er absolvierte drei Semester in der zeichnerischen Grundausbildung, bevor er 1856 in die technische Malklasse von Hermann Anschütz eintrat.

Während des Studiums setzte er seine Freizeit-Malereien fort. So oft es ging, war er in Aresing, um gemeinsam mit Hofner und später mit anderen Akademiestudenten zu malen. Die Aresinger Malschule erwarb sich schließlich auch in München ein gewisses Ansehen, und Lenbach konnte mit seinen Arbeiten seinen Lebensunterhalt verdienen: Für festliche und familiäre Anlässe wurden seine Arbeiten gerne gekauft. Eine profane, aber wichtige Gelderwerbsquelle waren für ihn sogenannte Schützenbilder: runde Gemälde in passender Größe, die bei Schützenfesten auf die Schießscheibe montiert wurden. Einige dieser Scheiben sind erhalten geblieben, manche mit einer Vielzahl von Durchschusslöchern.

Seine bäuerlichen Genrebilder lassen eine rasche Entwicklung vom Übenden zum Künstler erkennen: Seine Technik wurde sicherer, seine Gegenstände wurden lebendiger. Seine damaligen Arbeiten lassen noch keineswegs den späteren Porträtmaler erkennen; sie zeigen vielmehr eine eigenständige Malweise, die sich von Konventionen der Akademiemalerei löste. In dieser Hinsicht ist sie, trotz stilistischer Unterschiede, mit den Freilicht-Malschulen vergleichbar, die zur gleichen Zeit in Frankreich aufblühten.

1856 wurde Karl Theodor von Piloty an die von Wilhelm von Kaulbach geleitete Akademie berufen. Damit verbunden war eine künstlerische Erneuerung. Dem literarisch geprägten Klassizismus mit zeichnerisch durchkomponierten Bildern setzte Piloty eine Kunstauffassung entgegen, die Akzente mit einer effektvollen, die Stimmung modulierenden Farbgebung setzte. Dieser Malstil kam Lenbach entgegen; er bewarb sich um die Aufnahme in Pilotys Malklasse und wurde im November 1857 dort aufgenommen.

Piloty konzentrierte sich auf historische und literarische Themen in großformatigen Bildern. Sein Schüler Lenbach versuchte dessen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig seine in Aresing erprobten Erfahrungen zu nutzen. Mit diesem Ansatz hatte er Erfolg. 1858 konnte er sein Bild Landleute vor einem Unwetter flüchtend auf der Deutschen Historischen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast ausstellen und für 450 Gulden verkaufen. Außerdem gewährte man ihm ein Staatsstipendium.

Ausgestattet mit diesen Mitteln, konnte er von August bis November 1858 gemeinsam mit seinem Lehrer Piloty eine Studienreise nach Rom unternehmen. Ein Ergebnis dieser Reise, das Bild Titusbogen, konnte er, möglicherweise durch Vermittlung von Piloty, 1860 dem Grafen Pálffy verkaufen. Er hatte dieses Bild zu Hause in Aresing vollendet; für die figürliche Ausstaffierung standen ihm Aresinger Jugendliche Modell.

Im Sommer 1859 entstand das Bild Der rote Schirm, das von Kritikern als Frühwerk eines deutschen Impressionismus gerühmt wird. Es weist eine Eigenständigkeit der Farbgebung auf, die weit über das hinausgeht, was Piloty ihn lehrte. Trotz seiner wachsenden künstlerischen Eigenständigkeit blieb er Piloty verbunden und ließ sich weiterhin mit Anregungen und Korrekturvorschlägen von ihm beraten.

Im Spätsommer 1859 unternahm er eine weitere Studienreise, die ihn nach Stuttgart, Straßburg, Paris, Brüssel, Lüttich, Aachen und Köln führte. Während dieser Reise fand ein weiteres Bild von ihm einen Käufer: Sein im Münchner Kunstverein ausgestellter, 1860 entstandener Bayrischer Bauer wurde für 250 Gulden von Albert Havemeyer aus New York erworben. 1860 oder im Jahr davor entstanden vermutlich auch die ersten Auftragsporträts.

Obwohl er als erfolgreicher junger Künstler eigenständig geworden war, blieb Lenbach seiner Familie solidarisch verbunden. Er unterstützte seine Geschwister mit Besorgungen und Geldvorschüssen. Das Uhrmachergeschäft seines jüngeren Bruders Ludwig diente ihm als Anlaufstelle, über die er Verbindung zu seinen Kunden halten konnte, wenn er nicht in München weilte. Er vermittelte im Konflikt zwischen dem älteren Halbbruder Franz, der seine Rolle als Familienvorstand und Unternehmer eher schroff und autoritär ausfüllte, und den jüngeren Geschwistern, vor allem jenen aus der zweiten Ehe des Vaters. 1866 stellte er seine beiden ledigen Schwestern, die unter harten Umständen in abhängiger Stellung ihr Leben fristeten, zur Führung seines Haushalts ein.

Lenbachs weiterem Lebensweg kamen zwei Umstände zugute: Zum einen der allgemeine Aufschwung der Künste in Bayern zur Mitte des 19. Jahrhunderts, gefördert durch die Könige Ludwig I. und Maximilian II., aber auch durch den Kunstsinn des Adels und des gehobenen Bürgertums. Zur Mitte des Jahrhunderts entstand eine Reihe von Kunstvereinen und Galerien, Kunstwerke fanden ein lebhaftes Interesse und regen Absatz. Zum anderen profitierte Lenbach, wie viele seiner Studienkollegen, von der Förderung durch seinen einflussreichen Lehrer Piloty, der mit Hilfe seiner guten Verbindungen viele seiner Schüler in gute Stellungen vermitteln konnte.

Auch in Sachsen förderte der dortige Großherzog Carl Alexander die Künste. Im Juni 1860 wurde Lenbach als Professor an dessen neu gegründete Großherzogliche Kunstschule in Weimar berufen, gemeinsam mit den Piloty-Schülern Arthur von Ramberg und Georg Conräder sowie dem Schweizer Arnold Böcklin. Mit seinen Schülern ging Lenbach oft hinaus und übte mit ihnen die Freilichtmalerei nach dem gewohnten Aresinger Vorbild. Der Kunsthistoriker Walter Scheidig sieht in Lenbach sogar den Begründer der einige Jahre später zur Blüte gekommenen Weimarer Landschaftsmalerei.

Lenbach freundete sich mit Arnold Böcklin und dem etwas später als Professor in Weimar eingestellten Reinhold Begas an. Man verabredete sich zu gemeinsamen Porträtstudien. Lenbach lernte bereitwillig von dem älteren Böcklin, machte sich Methoden der Kontrastsetzung und der Farbabstufung sowie die Kunst der planvoll eingesetzten Härten zu eigen. Dabei entwickelte er einen eigenen Porträtstil, der die persönliche Individualität der dargestellten Person in den Vordergrund stellte – im Gegensatz zum damals praktizierten Stil, der durch planvoll arrangierte Kleidungsstücke, Accessoires und Symbole der gesellschaftlichen Rolle der Person große Aufmerksamkeit widmete.

Im April 1862 schied Lenbach auf eigenen Wunsch aus der Weimarer Kunstschule aus. Nach seiner später geäußerten eigenen Einschätzung hatte er noch mehr zu lernen, als er lehren konnte. Er strebte einen weiteren Studienaufenthalt in Italien an. „Ich blieb nur anderthalb Jahre in Weimar. Die Erkenntnis, dass ich selber erst lernen statt lehren müsse, trieb mich fort, dazu die Sehnsucht nach Italien.“ Mit dem Ende seiner Tätigkeit in Weimar gab er auch seine Landschaftsmalerei ein für alle Mal auf.

Zunächst wandte er sich nach München, wo er sich in Kopierstudien den alten Meistern zuwandte, deren Werke in der Pinakothek ausgestellt waren. In München lernte er den Baron und Kunstsammler Adolf Friedrich von Schack kennen. Dieser wollte seine Kunstsammlung durch hochwertige Kopien altmeisterlicher Werke ergänzen – eine damals unter wohlhabenden Kunstfreunden in Deutschland und noch mehr in Frankreich gängige Praxis. Beispielsweise befinden sich in den Kopierregistern des Louvre viele der berühmtesten Namen jener Zeit. Die Schack’sche Kopiensammlung von 85 Gemälden, zu der Lenbach mit 17 Werken den Grundstock legte, war eine der bedeutendsten ihrer Art, beispielsweise neben der noch umfangreicheren, aber aufgelösten Sammlung von Bernhard von Lindenau, der Potsdamer Sammlung von Raffael-Kopien und Charles Blancs Pariser Musée des Copies.

Im November 1863 konnte Lenbach schließlich nach Italien abreisen, versehen mit einem Jahresgehalt von anfänglich 1000 Gulden, das später auf 1400 und schließlich auf 2000 Gulden erhöht wurde. Bis März 1865 malte er Kopien der Himmlischen und irdischen Liebe von Tizian, der Madonna von Bartolomé Esteban Murillo und von Tizians Gemälde Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers. Die Wahl des letzten Bildes ging auf Lenbach selbst zurück; auch bei späteren Kopien akzeptierte Schack häufig Vorschläge Lenbachs.

Im April 1865 siedelte Lenbach nach Florenz um, gemeinsam mit Hans von Marées, der gleichfalls von Schack gefördert wurde und den Lenbach auf dessen Wunsch in seine Obhut nahm. Dort entstanden im selben Jahr die Kopien eines Einzel- und eines Gruppenporträts von Tizian, des sogenannten Jungen Engländers und des Konzerts. Von diesen beiden Bildern wird vermutet, dass sie auf Lenbach einen besonders prägenden Einfluss hatten, da sie mit sparsamen bildnerischen Mitteln einen wirkungsvollen Eindruck der porträtierten Personen verschaffen. Auch die Auswahl weiterer Bilder, die er kopierte, nämlich drei weitere Porträts von Tizian und ein Selbstbildnis von Peter Paul Rubens, ließ seine beginnende Vorliebe für das Porträt erkennen. Erst auf wiederholtes Drängen von Schack malte er auch eine Kopie der Venus von Tizian.

Schack schätzte die Lenbachschen Arbeiten sehr. Sowohl er selbst als auch viele seiner Zeitgenossen hielten sie sogar den Originalen ebenbürtig. In der Schack’schen Galerie hingen sie gleichberechtigt zwischen zeitgenössischen Originalen, wobei die Kopien nicht unter dem Namen des Kopisten, sondern unter dem Namen des Vorbilds aufgeführt wurden. Stellt man die Originale und die Kopien einander unmittelbar gegenüber, so reicht die Kopie an die Farbkraft und -tiefe des Originals mitunter nicht ganz heran. Allerdings musste Lenbach häufig unter beengten Verhältnissen und bei schlechtem Licht kopieren, und er verwendete nicht die gleichen Farbmittel wie seine Vorbilder.

Im Juni 1866 kehrte er nach München zurück, mietete sich ein Atelier in der Augustinerstraße und versuchte, als Porträtmaler Fuß zu fassen. Er hatte bereits gute Verbindungen zur gehobenen Gesellschaft, trotzdem war die Auftragslage eher prekär. Er warb bei potentiellen Kunden eifrig darum, bei ihm zum Porträt zu sitzen, arbeitete von früh morgens bis in die Nacht; bezahlte Aufträge waren jedoch eher Ausnahme als die Regel.

Auf der Weltausstellung von 1867 in Paris erhielt Lenbach eine Goldmedaille III. Klasse. Im September desselben Jahres reiste er über Paris nach Spanien, um weitere Kopien für Schack anzufertigen. Diese Reise nutzte er, um Kopien zweier berühmter repräsentativer Herrscherbildnisse zu malen. Als erstes widmete er sich dem um 1632 von Diego Velázquez gemalten Porträt von König Philipp IV. von Spanien im Jagdkostüm. Sodann kopierte er das Reiterbildnis Karls V. von Tizian. Das mächtige Hochformatbild, 3,36 × 2,80 m groß, war 1548 während des Reichstags zu Augsburg entstanden. Als Verkörperung des Machtanspruchs des Kaisers ist es eines der politisch wichtigsten Bildnisse seiner Art; in den barocken Herrscherporträts von Rubens und Velázquez finden sich Anklänge an dieses Vorbild. Für Schack war dieses Porträt das erste Monumentalbild seiner Sammlung.

Während seiner Kopiertätigkeit für Schack in Italien und Spanien arbeitete Lenbach mit dessen Einverständnis auch an eigenen Werken. Im Juni 1868 kehrte er nach München zurück.

Mit der erneuten Rückkehr nach München begann Lenbachs Karriere als Porträtmaler im engeren Sinne. Seinen eigenen, allerdings in einem späteren Lebensabschnitt getroffenen Aussagen nach folgte er dabei einem festen künstlerischen Ideal: Im Gegensatz zur klassizistischen Malerei seiner Lehrmeister kam es ihm darauf an, die Individualität der dargestellten Person taktvoll darzustellen. „Kunst treiben heißt Takt üben. Mit Takt ist die Größe, das Format der Ausführung … zu wählen und festzuhalten … Takt ist ja auch im Leben die Grundbedingung eines sozusagen künstlerischen Verhältnisses der Menschen zueinander. Die Leute, die Takt haben, sind die wahren Aristokraten der Menschheit …“ Das Porträt hatte gewissermaßen die Aufgabe, sowohl die dargestellte Person als auch den Künstler zu adeln. Diese Auffassung schloss naturalistische Darstellungen von gewöhnlichen Lebensumständen aus und begründet Lenbachs Abkehr von seinen frühen Jahren. Erst recht kam für ihn das, was die französischen Realisten wie Gustave Courbet und Jean-François Millet ins Bild setzten, Darstellungen von Armut und harter Plackerei, als Gegenstand künstlerischer Darstellung nicht in Betracht.

In der Malweise waren für ihn die alten Meister maßgeblich. Maler wie Peter Paul Rubens und Tizian waren die Vorbilder, die seiner Ansicht nach die individuelle Persönlichkeit am besten ins Bild setzten. Ihnen strebte er bis zur völligen Imitation ihres Stils nach. In diesem rückwärts gewandten Sinne sah er sich sogar als Revolutionär, er habe „nichts geringeres vor, als die ganze moderne Kunst über den Haufen zu werfen, wenigstens eine Revolution in der ganzen Malerwelt hervorzurufen“

Damit einher gingen sein Streben nach gesellschaftlichem Aufstieg und sein ausgeprägter Erwerbssinn. „In Berlin, so hoffe ich, fängt meine Carriere an, 5 000–10 000  jährlich wird mir (sofern ich gesund bleibe) wohl nicht schwer werden, den reichen Ochsen daselbst abzunehmen.“ Allmählich konnte er Fuß fassen; gewann Reputation und Aufträge. Der Durchbruch kam mit der internationalen Kunstausstellung von 1869 im Münchner Glaspalast, auf der auch führende französische Künstler wie Camille Corot, Gustave Courbet, Charles-François Daubigny und Jean-François Millet vertreten waren. Lenbach erhielt eine Goldmedaille.

Lenbachs Malweise kam den Bedürfnissen des aufstrebenden Großbürgertums entgegen. In den Boomjahren in Deutschland und Österreich um und vor allem nach 1870 entstanden enorme Vermögen; das Bürgertum strebte nach Reputation und nach Glanz, der mit dem des Adels wetteifern konnte, und gab große Summen für Kunstkäufe aus. Bilder von Lenbach oder von Hans Makart, die sowohl die Person als auch ihre Räumlichkeiten in nobles Licht setzten, waren für viele die bevorzugte Wahl.

In Wien brachte der Ausbau der Ringstraße einen großen Segen öffentlicher und privater Aufträge für Künstler mit sich, von dem auch Lenbach profitierte. 1870 hielt er sich für mehrere Monate in Wien auf. Dieser Aufenthalt brachte ihm eine Ausweitung seiner Beziehungen; unter anderem in Form von langjähriger Freundschaft zu und Aufträgen von den Familien Wertheimstein und Todesco. Über jene großbürgerlichen Familien öffneten sich ihm schließlich auch die Türen zur allerhöchsten, der sogenannten ersten Gesellschaft: Dem Hochadel bis hin zum Kaiserhaus. In jenen Monaten freundete er sich auch mit Hans Makart an. Seine mehrmonatigen Wien-Aufenthalte wiederholte er bis 1876 jedes Jahr. 1872 hielt er sich für mehrere Monate in Berlin auf.

Bei der Weltausstellung 1873 in Wien war Lenbach unter anderem mit Porträts der beiden Kaiser Wilhelm I. und Franz Joseph vertreten. Das 1873 entstandene Porträt von Kaiser Franz Joseph ist eine gemeinschaftliche Arbeit mit Hans Makart und Arnold Böcklin. In der Art der Darstellung folgt es stark einem 1864 von Franz Xaver Winterhalter angefertigten, damals sehr populären Porträt. Allerdings zählen Kritiker es zu einem von Lenbachs weniger gelungenen Werken: Durch den unentschiedenen Ausdruck und die steife Haltung des Porträtierten sowie durch die unklare Raumsituation und Staffage entstehe – im Gegensatz zu Winterhalters Vorbild – eine unklare, schwache Bildaussage.

1873 war seine Stellung bereits so gefestigt, dass ihm selbst der Börsenkrach am schwarzen Freitag, dem 8. Mai, und die darauf folgende Wirtschaftskrise nichts anhaben konnten. Allerdings regte sich in jener Zeit auch erste Kritik von Malerkollegen und Kunstfreunden. Der Kunstschriftsteller Adolf Bayersdorfer urteilte in einer Reihe von Zeitungsartikeln vernichtend über die Wiener Weltausstellung, prangerte „Akademismus und Theater, Archaismen und Phrasen“ und „dünkelhaft renommistischen Chic“ an. Auch Anselm Feuerbach urteilte kritisch über Lenbachs Exponate auf der Weltausstellung: „Lenbach in einigem Ton, aber man glaubt, verputzte alte Bilder zu sehen, viel zu absichtlich.“ Im selben Jahr kam es auch zum Bruch mit seinem langjährigen Freund Arnold Böcklin, der im Gegensatz zu Lenbach von der Wirtschaftskrise schwer getroffen worden war.

Es überwog jedoch Freundschaft und Anerkennung unter Künstlern und Intellektuellen. Zu seinen Freunden zählten, neben dem bereits erwähnten Hans Makart, das Ehepaar Cosima und Richard Wagner, Lorenz Gedon, sein Lehrer Piloty, Wilhelm Busch, Paul Heyse, Reinhold Begas, Friedrich August von Kaulbach und Paul Meyerheim, um nur einige zu nennen.

Mit seinen Münchner Gesinnungsfreunden unter den Künstlern und Kunstfreunden tat sich Lenbach 1873 in der Künstlergesellschaft Allotria zusammen, die als Abspaltung von der alteingesessenen Münchner Künstlergenossenschaft entstand. Lenbach wurde 1879 ihr Präsident. Die Allotria wurde rasch zu einer bestimmenden Größe im Münchner Kunst- und Gesellschaftsleben, und eine Institution der Kontaktpflege zwischen Künstlern und gutgestellten Kunstfreunden. In die Allotria konnte man nicht eintreten, sondern man wurde eingeführt. Neben bildenden Künstlern, Musikern und Theaterleuten gehörten ihr Beamte, Offiziere, Advokaten und Bankiers an.

Von Juni 1875 bis März 1876 reiste Lenbach mit Hans Makart und anderen Wiener Kunstfreunden nach Ägypten. Begeistert schrieb er seine Eindrücke vom Kairoer Straßenleben nach Hause. „Kairo ist über alle Erwartung fabelhaft, von den 500000 Einwohnern ist einer merkwürdiger als der andere. … In den Straßen, deren es unzählige gibt, geht es in allen Kostümen der Welt zu, wie ein Ameisenhaufen, in Paris oder Neapel hat man was das Leben betrifft noch keine Ahnung“. Von dieser Reise sind zwei besondere Bilder erhalten: zum einen das Bildnis eines Arabers, es zeigt einen relativ jungen Mann mit betont exotischer Ausstrahlung, stolzen, vermutlich stilisierten Gesichtszügen und verschlossenem Blick, zum anderen ein für Lenbach einzigartiges Architekturbild; in warmen Brauntönen mit reizvollen Licht- und Schatten-Effekten zeigt es ein Palast-Interieur in Kairo.

Wenig Glück hingegen hatte er, bis über seine Lebensmitte hinaus, in Liebesbeziehungen. Von Liebschaften vor seiner späten Heirat ist nichts bekannt. Andeutungen in seinen Briefen lassen darauf schließen, dass er sich auch deshalb so oft in Wien aufhielt, weil er eine Zuneigung zu Marie Gräfin Dönhoff geborene Principessa Camporeale hegte, einer hervorragenden Pianistin, die mit dem preußischen Diplomaten Karl Graf Dönhoff unglücklich verheiratet war. Lenbachs Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht; Gräfin Dönhoff heiratete, nachdem ihre Ehe Ende 1885 geschieden worden war, den späteren Reichskanzler Bernhard von Bülow.

1874 begegnete er Otto von Bismarck, unter Vermittlung von Laura Minghetti und weiterer einflussreicher Damen der Gesellschaft, in Bad Kissingen. Dies war der Anfang einer lebenslangen Verbundenheit zwischen dem Maler und dem Reichskanzler, die bis in die heutige Zeit das öffentliche Bild Bismarcks wesentlich prägt.

1882 erhielt Lenbach das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone und wurde als Ritter von Lenbach in den persönlichen Adelsstand erhoben. Lenbach war nun eine führende Persönlichkeit im Münchner Kunstleben. Als in der obersten Gesellschaftsschicht anerkannter und begehrter Porträtist war er durch seine Kunst und durch seinen geschickten Umgang mit Menschen zu Wohlstand gekommen.

1883 reiste er erneut nach Rom, mietete eine Etage im Palazzo Borghese und richtete sich dort Wohnung und Atelier ein. Auch im dortigen gesellschaftlichen Leben war er eine feste Größe. Zeitlebens wahrte Lenbach eine eiserne Arbeitsdisziplin, aber ein fester Teil seiner Zeit war mittlerweile der Repräsentation und dem Empfang von Gästen gewidmet. Dazu stattete er seine Wohnung mit kostbaren Teppichen und Möbeln, Statuen und Raumdekor aus und beschäftigte zwei Diener. Am 1. Mai 1883 fand anlässlich der Aufführung von Richard Wagners Ring des Nibelungen in Rom ein offizieller Empfang der deutschen Botschaft in Lenbachs Palastetage statt.

1885 entstand ein Porträt von Papst Leo XIII. Da der Papst sich nicht die Zeit für langwierige Modellsitzungen nehmen konnte oder wollte, bediente sich Lenbach einer für diesen Zweck hergestellten fotografischen Vorlage – einer Technik, auf die er später noch häufig zurückkam. Das Bild gilt bei der Kritik aufgrund der malerischen Qualität und der ausdrucksvollen Wiedergabe des Gesichts als einer der Höhepunkte in Lenbachs Werk. Lenbach setzte sich für das Porträt offensichtlich mit den Papstporträts der alten Meister auseinander, namentlich Tizians Porträt von Paul III., Raffaels Bildnis von Julius II. und vor allem Velázquez Darstellung von Innozenz X. waren seine Inspirationsquellen. Das Bild wurde mit großem Aufsehen in München, Berlin und anderen Städten öffentlich ausgestellt. Anschließend schenkte es Lenbach dem Münchner Kirchenbauverein, der es kurze Zeit später an die bayerische Staatsregierung verkaufte. Neben diesem Kniestück entstanden noch eine Reihe weiterer Porträts des Papstes, die ebenfalls sehr positive Aufnahme bei Kritik und Publikum fanden.

Im Winter und Frühjahr hielt Lenbach sich jeweils in Rom auf, bis er 1887 die Palastwohnung aufgab.

Laut dem Künstlerlexikon Thieme-Becker schuf Lenbach bis 1897 rund 80 Gemälde von Bismarck, sowie eine Unmenge von Skizzen und Entwürfen. Um das oben erwähnte erste Zusammentreffen in Bad Kissingen hatte er sich wohl selbst intensiv bemüht, wie aus einem seiner Briefe an Josephine von Wertheimstein hervorgeht. Eine 1877 entstandene Zeichnung, ein Brustbild, ist wohl eines der ersten Porträts des Reichskanzlers, das Lenbach anfertigte. 1879 hielt er sich acht Tage lang im Hause Bismarck auf. Bei dieser Gelegenheit entstand das berühmte, viel replizierte Porträt, das 1880 von der Deutschen Nationalgalerie in Berlin aufgekauft wurde und welches im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Im Lauf der Zeit wurde Lenbach häufiger Gast im Hause Bismarck; er wurde ins Familienleben einbezogen und kam zu Weihnachtsfeiern und Geburtstagen zu Besuch.

Lenbachs Darstellungen von Bismarck zeichnen sich durch eine reiche Vielfalt aus, sowohl im Hinblick auf die situative Umgebung als auch auf die nuancenreich dargestellten Gemütszustände. Während andere Maler, beispielsweise Anton von Werner, Bismarck ausschließlich als Politiker zeigen, als Redner im Reichstag oder in Historienbildern, bildete Lenbach auch den Privatmann Bismarck ab – in Kniestücken, Halbporträts und Brustbildern. Bismarck ist in Uniform, Gehrock, Mantel oder Jagdanzug gekleidet. Meist konzentriert sich das Bild auf sein Gesicht, das aus dem Dunkel hervortritt. Mitunter zeigt das Bild einen beziehungsreichen Gegenstand in Bismarcks Hand. Beispielhaft hierfür ist ein fein ausgearbeiteten Bild von 1884, welches ihn bei der Lektüre eines Schriftstücks zeigt, das er nahe an seine Augen herangeführt hat. Ein sehr bekanntes Bild dieser Art von 1890 zeigt ihn, wie er mit resigniertem, aber offenem Blick sein Entlassungsgesuch präsentiert.

Die Porträts lassen sich, entsprechend ihrer Entstehungszeit, nach Typen gruppieren. In den 1880er Jahren zeigen die Porträts den Reichskanzler überwiegend als Staatsmann in Zivilkleidung, in Gehrock und Weste oder im Mantel. Ab 1890 Jahr häufen sich Darstellungen von ihm in Uniform. Möglicherweise wollte Lenbach, der über Bismarcks Entlassung 1890 heftig empört war, dessen kämpferische Natur besonders herausstellen. Ein Beispiel dafür ist das 1894 in Friedrichsruh entstandene Bild, das Lenbach dem Museum der bildenden Künste in Leipzig schenkte. Ab Mitte der 1890er Jahre schließlich schuf Lenbach mehrere Fassungen, die Bismarck als den Alten im Sachsenwalde zeigen, als visionären ehemaligen Staatsmann ohne Amt, der weiterhin Anteil am politischen Geschehen nimmt. Ein Beispiel dieses Typs, von 1893, ist im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt ausgestellt.

Von Bismarck auf dem Totenbett fertigte Lenbach eine Pastellzeichnung an.

„Es freut mich, durch den Pinsel Lenbachs hier mich verewigt zu sehen, wie ich der Nachwelt gerne erhalten bleiben möchte“, sagte Bismarck bei seinem Besuch der Münchner Kunstausstellung 1892. Die Verbindung zwischen Lenbach und Bismarck war für beide von Nutzen: Für Lenbach sicherte sie Reputation und wirtschaftlichen Erfolg; angesehene Persönlichkeiten der Gesellschaft hielten sich zugute, vom Bismarck-Maler gemalt zu werden. Für Bismarck waren die Porträts ein Garant dafür, dass sein Bild nach seiner Vorstellung verbreitet wurde – mit Erfolg, denn Reproduktionen von Lenbachs Bismarck-Porträts fanden weite Verbreitung in bürgerlichen Wohnungen. Die Wirkung hält bis in die heutige Zeit an, denn heutzutage illustrieren solche Reproduktionen Geschichtsbücher, Bismarck-Biografien und die Edition seiner Tagebücher. Schon die Erstauflage der „Volksausgabe“ seiner Memoiren von 1905 zeigte eines dieser Lenbach'schen Portraits auf der ersten Seite des ersten Bandes.

1886 erwarb er ein Grundstück in München, an der Ecke Luisenstraße/Brienner Straße, in beziehungsreicher Lage gegenüber den Propyläen am Königsplatz. Unter gemeinsamer Planung mit dem Allotria-Mitglied Gabriel von Seidl entstand dort seine Münchner Stadtvilla, das Lenbachhaus. Die Villa im eklektizistisch nachempfundenen italienischen Renaissancestil ist samt Garten in ihren Ausmaßen und ihrer Ausstattung einem italienischen Palazzo vergleichbar. Atypisch für einen solchen Palazzo ist allerdings der L-förmige Grundriss. Möglicherweise orientierte er sich in diesem Punkt an der Residenz von Peter Paul Rubens in Antwerpen, die er 1877 hatte besichtigen können. Auch in vielen anderen Details wich Lenbach von den originären Stilmerkmalen der italienischen Renaissance ab.

Am 4. Juni 1887 heiratete er Magdalena Gräfin Moltke. Im Oktober 1888 war der Ateliertrakt der Villa Lenbach bezugsfertig. Für das Ehepaar war eine komfortable Wohnung im Erdgeschoss vorgesehen, darüber befanden sich die Arbeitsräume des Künstlers. 1890 wurde schließlich der große, noch repräsentativere Hauptbau fertig. Die Villa war, trotz der klassischen Anmutung, mit für die damalige Zeit modernstem technischen Komfort ausgestattet. Es gab Bäder und eine Dampfheizung. Ein Stromgenerator und eine spezielle, taghelle Atelierbeleuchtung sorgten dafür, dass der Künstler auch in den dunklen Abendstunden malen konnte.

Für den Bau und die Ausstattung verschuldete sich Lenbach hoch. Der große Geldbedarf, den er nun aus den Erträgen seiner Malerei decken musste, blieb nicht ohne Folgen für seine Kunst. In den 1890er Jahren schuf er eine regelrechte Massenproduktion. Das Arbeiten nach Fotografien wurde zur Standardmethode. Lenbach nutzte dazu verschiedene Paus- und Durchschreibverfahren: Er projizierte Diapositive auf eine Leinwand und zeichnete sie von Hand nach, oder er schrieb die Projektion mit Hilfe eines Griffels durch. Er pauste Fotovergrößerungen auf den Malgrund durch. Er nutzte die sogenannte Photopeinture, bei der die Projektion auf einen lichtempfindlich vorpräparierten Malgrund erfolgte.

Der Gebrauch der Fotografie als Hilfsmittel war durchaus üblich und wurde nur von einzelnen Kritikern verdammt. Die Mehrheit des Publikums und der Kritiker gestand den Malern moderne Hilfsmittel zu. Die Fotografie kam auch der im Alter nachlassenden Sehkraft Lenbachs entgegen. Vorzugsweise arbeitete er mit dem Fotografen Carl Hahn zusammen. In Ateliersitzungen versuchte er eine lockere Atmosphäre zu schaffen, in der das Modell sich ungezwungen inszenieren konnte. Während der Sitzung entstand eine Reihe von fotografischen Aufnahmen. Das eigentliche Porträt malte er in Abwesenheit des Modells. Als Vorlage diente ihm häufig nicht nur ein einzelnes Foto aus den Sitzungen; oft kombinierte er charakteristische Merkmale aus mehreren Fotos zu einem Porträt.

Lenbachs Arbeiten jener Jahre entarteten jedoch häufig zur Schnellmalerei. Er gab sich oft wenig Mühe, die Spuren des Abpausens zu verbergen. Ein paar farbige Pinselstriche und Glanzlichter, das musste reichen, damit wieder ein Bild von seiner Hand fertig wurde.

1893 kam es zu einem für Lenbach peinlichen Skandal, als eine groß angelegte Fälschungsaffäre aufflog. Ein untreuer Angestellter hatte verworfenene Skizzen und Pauszeichnungen des Malers veruntreut und an Kunsthändler weitergegeben. Diese ließen die Zeichnungen von mittellosen Kunststudenten ein wenig kolorieren, zum Teil auch falsch signieren, und trieben mit diesen Lenbachs Handel. Im Prozess 1895 sah sich Lenbach dann mit Hunderten dieser Fälschungen konfrontiert, die die Wände des Gerichtssaals bedeckten.

Auch in grundsätzlicher Hinsicht mehrte sich um 1890 die Kritik an der Lenbach'schen Kunstauffassung. 1887 urteilte der Schweizer Maler Karl Stauffer-Bern über Lenbach: „… er ist wirklich ein außerordentlich begabter, von der Natur verschwenderisch ausgestatteter Mensch, der es aber doch fertig gebracht hat, gründlich zu versimpeln. Zu viel Salontirolerei und zu wenig Selbstkritik bei dem Mann … Was nicht der Natur abgelauscht ist … und mit ihr im Verhältnis steht von Ursache und Wirkung … ist Virtuosentum, nicht Kunst im wahren Sinne, und Lenbachs letzte Werke neigen stark ins Virtuosenhafte. Seitdem er … nur mit Kaisern, Königen und Päpsten zu tun hat, fehlt ihm die Zeit zu ernster Tätigkeit.“

Wenn es ihm besonders darauf ankam, schuf er jedoch auch in jenen Jahren erstklassige Porträts. Bei der Weltausstellung 1893 in Chicago, einer großen Ausstellung in Stockholm 1897, bei den Biennalen in Venedig 1897 und 1899 waren seine Bilder hochgeschätzte Beiträge. Hoch angesehen sind auch einige seiner Porträts von Theodor Mommsen, auf denen er den bohrenden, für den Gelehrten angeblich charakteristischen Blick prägnant herausgearbeitet hat.

1891 gehörte Lenbach zum 75-köpfigen Gründungsvorstand des Alldeutschen Verbands. Im Sommer 1892 arrangierte er einen glanzvollen Empfang für den entlassenen Reichskanzler Bismarck in München – gegen den anfänglichen Widerstand der bayerischen Regierung, die Verwicklungen mit Preußen befürchtete. Auf eigene Kosten bestellte er einen Sonderzug für Bismarck, vom Balkon der Lenbachvilla aus nahm Bismarck die Huldigungen einer Volksmenge begeisterter Münchner entgegen.

Wenige Wochen nach diesem Ereignis erschien ein Memorandum in den Münchner Neuesten Nachrichten: Die Münchner Kunst habe internationale Entwicklungen verpasst und sei veraltet. Der Kunstmarkt orientiere sich an Paris und nicht an München. Bereits in den Jahren zuvor, ab 1888, hatte es Streit und öffentliche Pressefehden um die künstlerische Richtung gegeben. Kommerzielle Misserfolge von Ausstellungen Münchner Künstler in den Jahren ab 1888 sorgten zusätzlich für Bitterkeit und schürten den Streit. Dieser gipfelte schließlich in der Gründung des Vereins bildender Künstler Münchens, dem sich über 100 Künstler anschlossen, und der Bildung der Münchner Sezession. Lenbach hielt dagegen: 1893 übernahm er das Präsidium des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für rationelle Malverfahren im Münchner Glaspalast. Er gab dort vor Publikum Demonstrationen in Maltechnik und hielt Vorträge, in denen er sich abfällig über den niedrigen Stand der Kunstübung und des Kunstverständnisses und den „pietätlosen Dünkel“ einer „dreisten Kunstjugend“ äußerte.

Auch in den Auseinandersetzungen um den Neubau des bayerischen Nationalmuseums nahm er eine konfliktträchtige Schlüsselrolle ein. Die bayerische Regierung hatte bis 1892 ohne öffentliche Ausschreibung Baupläne fertigen lassen. Der Münchner Architekten- und Ingenieurverein verlangte daraufhin in einer Eingabe an das Kultusministerium eine öffentliche Ausschreibung; Lenbach schloss sich dieser Forderung an. Als die Regierung darauf nicht einging, kritisierte Lenbach das Verfahren öffentlich in der Presse, verlangte eine Vergrößerung des Bauplatzes und einen großartigeren Entwurf, der neben den unter Ludwig I. und Maximilian II. errichteten Bauten bestehen könne. Damit konnte er sich schließlich durchsetzen. Zu einer öffentlichen Ausschreibung kam es jedoch nicht, stattdessen wurden die Architekten Gabriel von Seidl, Georg von Hauberrisser und Leonhard Romeis zum Wettbewerb eingeladen.

Nicht zuletzt aufgrund des engagierten Votums von Lenbach entschied sich die Kommission nach kontroverser Diskussion für Seidls Entwurf. Im September 1894 wurde der Grundstein gelegt, und im September 1900 konnte die Einweihung gefeiert werden.

Die Ehe mit Magdalena blieb lange kinderlos. Im März 1888 wurde die Ehefrau von einem toten Kind entbunden. Im Januar 1892 kam schließlich die Tochter Marion zur Welt. Lenbach war ein stolzer und begeisterter Vater; immer wieder malte er Bilder von dem hübschen heranwachsenden Mädchen. Die Ehe, auch aus Standesgründen geschlossen, scheiterte jedoch. Lenbach und seine Frau hatten völlig unterschiedliche Interessen, sie konnte der Malerei nichts abgewinnen, und auch in der Freizeit pflegten beide unterschiedlichen Umgang und gingen unterschiedlichen Beschäftigungen nach. 1893 erlitt die Ehefrau eine weitere Fehlgeburt, und als im März 1895 die zweite Tochter Erika geboren wurde, wurde Lenbach von dem Verdacht geplagt, dass nicht er, sondern der vordem vertraute Freund und Hausarzt Ernst Schweninger der Vater sei. Im Juli 1896 wurde die Ehe von Franz und Magdalena von Lenbach in gütlichem Einvernehmen geschieden. Die Tochter Marion blieb beim Vater, Erika kam zur Mutter, die einige Zeit später tatsächlich Ernst Schweninger heiratete.

Im Oktober 1896 heiratete Lenbach die 1861 geborene Charlotte (genannt Lolo) von Hornstein, Tochter des Komponisten Robert von Hornstein. Lenbach hatte sie bereits in ihren Kindertagen als häufiger Gast in ihrem Elternhaus kennengelernt und sie später, als sie Malerei studierte, als Mentor und Korrektor unterstützt. Die zweite Ehe, diesmal von gemeinsamem Interesse für die Kunst und gegenseitiger Zuneigung getragen, verlief harmonisch. Seine zweite Ehefrau nahm aktiv am Schaffen ihres Mannes Anteil und unterstützte ihn bei den Arrangements für seine Porträtsitzungen und bei seiner Arbeit an seiner aus selbstgemalten Bildern bestehenden Galerie berühmter Zeitgenossen. 1899 wurde die Tochter Gabriele geboren. Aus der Ehe dieser Tochter mit Kurt Neven DuMont sind zwei Töchter und zwei Söhne – die Verleger Alfred Neven DuMont (1927–2015) und Reinhold Neven DuMont (* 1936) – hervor gegangen.

Im Dezember 1896 wurde Lenbach zum Präsidenten der Münchner Künstlergenossenschaft gewählt. In den Jahren ab 1897 versuchte er sich an anderen Bildmotiven, malte insbesondere Menschen in der Natur, ohne jedoch direkt an seine frühen Jahre anzuknüpfen. Die ganzen Jahre zuvor hatte er überwiegend Männer porträtiert – nun malte er fast ausschließlich Bildnisse von Frauen und gelegentlich Aktbilder. Außerdem gab er die schroffe Ablehnung seines eigenen frühen Schaffens auf und ließ es zu, dass 1899 eine Mappe mit frühen Werken von ihm veröffentlicht wurde. Auch seine Malweise änderte sich. Statt der bräunlichen Galerietöne, die viele Jahre charakteristisch für seine Porträts waren, verwendete er hellere Farben, der Farbauftrag wurde dünner und weniger deckend, bisweilen verwendete er sogar reine Farben. Sein Pinselauftrag wurde leichter und rascher; er bevorzugte jetzt die Alla-Prima-Malerei anstelle der Lasurtechnik.

1897 stattete Lenbach, erstmals nach 35 Jahren, seiner Heimatstadt Schrobenhausen einen Besuch ab. 1898 ernannte ihn Schrobenhausen zum Ehrenbürger, nachdem er der Stadt ein Bild des Prinzregenten geschenkt hatte. Er unterstützte seine Vaterstadt finanziell, ideell und durch seine Beziehungen beim Neubau des 1903 fertiggestellten Rathauses, für das wiederum Gabriel von Seidl als Architekt verpflichtet wurde.

Um 1900 entwarf er für den Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck Sammelbilder für ein Honorar von 6000 Mark.

Kurz vor seinem Tode fertigte Lenbach eine Reihe ähnlicher Selbstporträts. Eines dieser Bilder, das er seiner Tochter Gabriele Neven du Mont, geb. Lenbach vermachte, befindet sich in Privatbesitz.

1902 erhielt er das Kommandeurskreuz der französischen Ehrenlegion. Im selben Jahr, am 12. Oktober, bei der Rückkehr von einem Ausflug nach Schrobenhausen, erlitt er einen Schlaganfall. Im Dezember 1902 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand weiter. Am 6. Mai 1904 starb er in seiner Münchner Villa. Beim Leichenzug säumten die Münchner in dichten Reihen die Straßen; eine Unzahl prominenter Trauergäste aus Kunst und Politik hielt Reden und legte Kränze nieder. Er wurde auf dem Westfriedhof in einem von der Stadt bereitgestellten Ehrengrab beigesetzt.

Die Wertschätzung Lenbachs in seiner Zeit setzte sich noch einige Jahre über seinen Tod hinaus fort bis zu einer Gedächtnisausstellung 1905–1906. In dem 1909 errichteten Neubau der Schack’schen Galerie kamen Lenbachs Werke in den größten und prächtigsten Saal im ersten Obergeschoss. Dort hingen sowohl seine Originale als auch die in den 1860er Jahren gefertigten Kopien der alten Meister. Das Interesse an Lenbach ebbte jedoch ab, und man bevorzugte Künstler, denen mehr Originalität zugeschrieben wurde. 1922, mit der Neuordnung der Galerie unter Ludwig Justi, mussten Lenbachs Bilder den Ehrensaal zugunsten von Anselm Feuerbach räumen. Seine großformatigen Kopien wurden ins Depot genommen; der überwiegende Teil von Lenbachs Kopien ist seither nicht mehr in öffentlicher Ausstellung zu sehen.

Zum 100. Geburtstag 1936 wurde sein Werk im Rahmen der Kunstpolitik des Nationalsozialismus erneut ins öffentliche Interesse gerückt. Im Zusammenhang mit einer Jubiläumsausstellung in Schrobenhausen erschienen zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften.

Erst Ende der 1960er Jahre begann eine wissenschaftliche Aufarbeitung des gesamten Werks, beginnend mit zwei Ausstellungen von Josef Adolf Schmoll genannt Eisenwerth 1969 und 1970. Es folgte 1972 die Dissertation von Sonja Mehl, späterer Ehename von Baranow, und 1973 eine Monographie von Siegfried Wichmann. Sonja von Baranow arbeitete die Bestände nach modernen kunstwissenschaftlichen Kriterien in den Museumskatalogen von Schrobenhausen und im Lenbachhaus in München auf. 1986 erschienen die beiden Biografien von Sonja von Baranow und Winfried Ranke.

Fußnoten

  1.  ↑ Pikulik, L.: Romantik als Ungenügen an der Normalität. Am Beispiel Tiecks, Hoffmanns und Eichendorffs, Frankfurt/Main 1979, S. 28
  2.  ↑ Pikulik, L.: Frühromantik. Epoche- Werk-Wirkung, München 2000, S. 28
  3.  ↑ Von Borries, E./von Borries, E.: Deutsche Literaturgeschichte. Band 5: Romantik, 3. Auflage, München 2003, S. 27
  4.  ↑ Pross, C.: Kunstfeste. Drama, Politik und Öffentlichkeit in der Romantik, Freiburg 2001, S. 17
  5.  ↑ Pikulik, L.: Frühromantik. Epoche- Werk-Wirkung, München 2000, S. 38f
  6.  ↑ Pikulik, L.: Romantik als Ungenügen an der Normalität. Am Beispiel Tiecks, Hoffmanns und Eichendorffs, Frankfurt/Main 1979, S. 77
  7.  ↑ Von Borries, E./von Borries, E.: Deutsche Literaturgeschichte. Band 5: Romantik, 3. Auflage, München 2003, S. 29ff
  8.  ↑ Jendthardt, B.: Deutsches Drama nach der Französischen Revolution, Würzburg 2007, S. 63
  9.  ↑ Götze, M.: Ironie und absolute Darstellung. Philosophie und Poetik in der Frühromantik, Paderborn u.a. 2001, S. 17
  10.  ↑ Hillebrand, B.: Theorie des Romans. Erzählungsstrategien der Neuzeit, Stuttgart/Weimar 1993, S. 16
  11.  ↑ Jendthardt, B.: Deutsches Drama nach der Französischen Revolution, Würzburg 2007, S. 45f
  12.  ↑ Götze, M.: Ironie und absolute Darstellung. Philosophie und Poetik in der Frühromantik, Paderborn u.a. 2001, S. 38
  13.  ↑ Auerbach, E.: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern/München 1946, S: 69f
  14.  ↑ Schmitz, Emans, M.: Einführung in die Literatur der Romantik, Darmstadt 2004, S. 113ff
  15.  ↑ Pikulik, L.: Frühromantik. Epoche- Werk-Wirkung, München 2000, S. 75
  16.  ↑ Ziolkowski, T.: Das Amt des Poeten. Die deutsche Romantik und ihre Institutionen, Stuttgart 1992, S. 120
  17.  ↑ Hinderer, W. (Hrsg.) Geschichte der politischen Lyrik in Deutschland, Stuttgart 1974, S. 74
  18.  ↑ Hannemann, U.: Frühromantik und Bürgerlichkeit, Frankfurt/Main 1999, S. 57
  19.  ↑ Schmitz, Emans, M.: Einführung in die Literatur der Romantik, Darmstadt 2004, S. 68
  20.  ↑ Hannemann, U.: Frühromantik und Bürgerlichkeit, Frankfurt/Main 1999, S. 51
  21.  ↑ Götze, M.: Ironie und absolute Darstellung. Philosophie und Poetik in der Frühromantik, Paderborn u.a. 2001, S. 42
  22.  ↑ Kremer, D.: Prosa der Romantik, Stuttgart/Weimar 1997, S. 72
  23.  ↑ Götze, M.: Ironie und absolute Darstellung. Philosophie und Poetik in der Frühromantik, Paderborn u.a. 2001, S. 34
  24.  ↑ Schmitz, Emans, M.: Einführung in die Literatur der Romantik, Darmstadt 2004, S. 96