Viele Menschen betreiben Philosophie um ihrer selbst willen: um sich selbst und die Welt, in der sie leben, besser zu verstehen; um ihr Handeln, ihr Weltbild auf eine gut begründete Basis zu stellen. Wer ernsthaft philosophiert, stellt kritische Fragen an die ihn umgebende Welt sowie an sich selbst, lässt sich im Idealfall nicht so leicht täuschen oder von anderen seelisch-geistig manipulieren, übt sich in Wahrhaftigkeit und begeht nicht so leicht Fehlschlüsse. Ein kritisches Potenzial der Philosophie liegt im Hinterfragen der gesellschaftlichen Verhältnisse ebenso wie in einer Relativierung der Ansprüche von Wissenschaften und Religionen. Hierbei beschränkt sich die Philosophie nicht auf die kritische Analyse, sondern sie liefert auch konstruktive Beiträge, beispielsweise durch die rationale Rekonstruktion und Präzisierung vorhandener Wissenssysteme oder die Formulierung von Ethiken. Ein selbstbestimmtes und vernunftbasiertes Leben auf der Grundlage eigenen Nachdenkens ist das Ziel vieler Philosophierender.
Bei dem auf individuellen Nutzen gerichteten Philosophieren sind vor allem zwei Arten oder Ausrichtungen zu unterscheiden:
Das Streben nach Weltweisheit soll dem Verstand Orientierung und Sicherheit in allen lebenspraktischen Bezügen verschaffen und die Fähigkeit zu sinnvoller gedanklicher Einordnung alles Begegnenden begünstigen. Es soll gleichsam die Unerschütterlichkeit des eigenen Verstandes durch das Geschehen in der Welt bewirken, sodass der Intellekt jede Lebenssituation souverän zu verarbeiten vermag. Wem von seinen Mitmenschen Weisheit zuerkannt wird, der vermittelt durch seine Reaktionen und Äußerungen den Eindruck, dass er über solche Souveränität verfügt.
Demgegenüber legt die Philosophie als Lebensweise den Akzent auf die Umsetzung der Ergebnisse philosophischer Reflexion in die eigene Lebenspraxis. Auf die richtige Weise zu leben und den Lebensalltag zu gestalten, setzt hiernach ein in vertiefter Form eingeübtes und daraus sich entwickelndes richtiges Denken voraus. Und umgekehrt ist es zur Beglaubigung des philosophischen Denkens nötig, dass es sich in der Lebensweise erkennbar spiegelt.
Sehr ausgeprägte Anwendungsformen einer philosophisch bestimmten Lebensweise hat es insbesondere in der Antike gegeben, vor allem in den Reihen der Stoiker. Für das Ideal der Übereinstimmung von Denken und Tun hat der Kyniker Diogenes durch seine von radikaler Enthaltsamkeit gekennzeichnete Lebensweise Anhängern wie Gegnern dieser Art philosophischer Ausrichtung ein oft zitiertes Beispiel gegeben. Die Einheit von Theorie und Praxis wird jedoch auch in der östlichen Philosophie betont.
Diogenes, der seinem philosophischen Denken Ausdruck verlieh, indem er dem weltlichen Treiben entsagte, zeugt auch davon, dass zum Philosophieren Ruhe und Muße gehören. (Noch das Wort Schule geht auf das griechische Wort in der alten Bedeutung für „Muße“ zurück.)
Ein großer Gewinn des Philosophierens besteht in der Schulung des Denkens und des Argumentierens, denn sowohl in methodischer Hinsicht als auch beim sprachlichen Ausdruck werden im fachlichen Diskurs strenge Anforderungen an die Philosophierenden gestellt. Das akademische Philosophieren unterscheidet sich vom alltäglichen Philosophieren nicht prinzipiell durch die Fragen, sondern eher durch den Rahmen – in der Regel die Universalität – und durch bestimmte Formen der Aus- und Abgrenzung philosophischer Tätigkeit. Es gelten verschiedene Übereinkünfte über die Formen des Argumentierens und der wissenschaftlichen Publikation sowie die zugelassene Fachterminologie.
Philosophisch gebildete Menschen unterscheiden sich von den übrigen nicht unbedingt darin, dass ihnen mehr (nützliches) Wissen zur Verfügung stünde. Ihnen steht allerdings in der Regel ein besserer Überblick über die Argumente zur Verfügung, die in einer philosophischen Debatte hinsichtlich eines bestimmten Diskussionsgegenstands bereits vorgebracht wurden. So kann es etwa hilfreich sein, bei einem aktuell diskutierten Problem (z. B. Euthanasie) danach zu fragen, welche Antwortmöglichkeiten die Philosophie in den letzten 2500 Jahren dazu angeboten hat und wie die Auseinandersetzungen um diese Vorschläge bisher verlaufen sind. Neben dieser historischen Kenntnis sollte ein ausgebildeter Philosoph eher in der Lage sein, die prinzipiell vertretbaren Positionen zu unterscheiden, deren Folgen vorauszusehen sowie Probleme und Widersprüche zu erkennen.
Ein Mythos ist für Kulturen notwendig, um sich in ihrer weiterentwickelten Welt zu Recht zu finden. Das einzige, was sich aber in der Welt verändert, ist die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch den Menschen, welche vom technischen Stand der Kultur abhängt. Die Vielfältigkeit und Verschiedenheit einzelner Mythen nimmt ab im Verhältnis zur Beherrschung der Natur durch den Menschen – Beherrschung der Natur durch Kulte, welche in der Gegenwart zelebriert werden, „…sich dabei auch alter mythischer Grundlagen bedienen,…“ und diese umformen. Für eine Weitergabe von Mythen war die Schrift ursprünglich nicht notwendig, einige schriftlose Stämme gaben ihre Mythen über Jahrhunderte hinweg mündlich weiter. Die kultur-stiftende Funktion von Mythischem stellt Jamme heraus, in dem er schreibt, Mythisches sei „…in jedem Fall […] notwendig mit Kult bzw. Religion verbunden.“ Das Vollziehen eines Rituals als Grundhandlung von Mythischem in alten Kulturen lässt vermuten, dass sogar mündliche Überlieferung eigentlich für Mythisches nicht zwangsläufig notwendig war. Das Mythische bekommt dadurch den Charakter einer in der Gegenwart stattfindenden und stets wiederholbaren, nicht nachahmbaren Handlung. Zur Zeit des Mythischen fand der Mythos in der Gegenwart statt, das oft zelebrierte Ritual war der Mythos, der Kultur stiftete weil er wichtiger Bestandteil im Leben der Menschen war. Später und auch im Christentum sind es Legenden, die Kultur stiften und zwar teilweise ritualisiert werden, aber das Ritual zu seinem Selbstzweck wurde abgelöst durch ein Ritual welches auf ein anderes Geschehen deutet.
Obwohl Jamme den Begriff des Mythischen auf einen bestimmten Zeitraum (Paläolithikum) anwendet, versteht er das Mythische doch im Bezug auf den Mythos, als dessen Eigenschaft. Dies wird im folgendem Satz deutlich, in dem er darauf eingeht, dass ein Mythos sich nicht nur in Wort und Inhalt, sondern auch in einer Handlung vollziehen kann: „Für das Paläolithikum bedeutet diese Einheit von Mythos und Kult, daß die Frage nach dem Wesen und der Funktion des Mythischen hier unablösbar mit der Frage nach dem Wesen der Elementarreligionen verbunden ist.“ Für Christoph Jamme beginnt die eigentliche Epoche des Mythos mit den Erfahrungen von Defizit, welche die Menschen bei der neolithischen Revolution machten. Er geht in der Menschheitsgeschichte sehr weit zurück, um dem auf die Spur zu kommen, was ein Mythos ist. Dabei führt er das Mythische an der Stelle ein, als die Menschen mythische Handlungen begangen haben, bereits um sich ihrer selbst zu erinnern und um zu erziehen, als sie diese Handlungen aber noch nicht bewusst reflektiert haben.
Mit der Erfindung und Verbreitung der Schrift setzte ein rationales Denken ein: Der Logos stülpte sich über das mythologische Denken. Diese Umwandlung war in jeder Kultur ein langer Prozess, erst nach dem ein dichterischer Umgang mit der Schrift erlernt war, konnte ein Mythos verbreitet werden Das mythologische Sein wurde durch die rationale Sprache zum Mythos. Jamme schreibt: „Von einem Übergang vom Mythos zum Logos zu sprechen [sei] abwegig, …“, da Arnold Gehlen feststellte, dass Mythos selber Logos sei. Doch veränderte sich der Mythos als Mythisches zum Mythos, der als solcher bestimmt werden konnte. Die Menschen konnten nun nach geschriebenen Erzählungen suchen, diese kopieren, weitergeben und sich mit Fremden über das gleiche Schriftstück austauschen. In Machtpositionen konnten sie jetzt gezielt Mythen unter das Volk bringen; und diese gesamte Revolution konnte in der Schrift festgehalten werden: „Mythologische Handbücher hatten bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. Begonnen, die mythische Überlieferung in Poesie und Prosa einschließlich aller Varianten zu sammeln und teilweise zu deuten.“ Es kam mit Erfindung der Schrift, der Möglichkeit Wissen zu speichern und weiter zu geben, zu einem viel mehr reflektierenden und rationaleren Umgang mit dem Mythischen. Dieser Umgang wurde der eigentliche Mythos. Dass die Zeit und die mit ihr einhergehenden Entwicklungen und Veränderungen den Begriff des Mythischen verändert haben, zeigt Jamme mit dem Satz, dass die Schrift „…das Mythische überhaupt erst zum Mythos [hat] werden lassen.“ Er weist darauf hin, dass mit dem Beginn der Schrift die Geschichte entstand und das Mythische endete. Mythen sind, im Unterschied zum Mythischen, die nach Erfindung der Schrift aufgezeichneten Geschichten von Göttern und göttlichen Wesen. Diejenigen, die etwas Mythisches überliefern tun dies durch die Schrift nicht mehr auf eine Art in der sie selbst im Geschehen stecken, so wie es bei mündlicher Überlieferung der Fall war, sondern es enthalten „…schon die ältesten Mythen […] kritische Distanz des Dichters gegenüber der Götterwelt…“. Mythen sind Teil eines zivilisatorischen Prozesses. Das gelebte Mythische wurde abgelöst durch den dichterischen Mythos.
Nachdem Jamme vom Mythischen zum Mythos gekommen ist, erläutert er anschließend den Begriff der Mythologie: er schlägt vor den Begriff Mythologie ab dem Zusammenbruch der alten mythischen Tradition im 6. Jahrhundert für den Mythos zu verwenden. Dieser zeitliche Ablauf vom Mythischen über den Mythos hin zur Mythologie könnte vermuten lassen, dass die Philosophie die Mythologie ablöst, so wie die Mythologie den Mythos abgelöst hat. Dies ist laut Jamme aber nicht der Fall. Denn gerade durch die Unterscheidung vom altem Mythos und der anbrechenden Phase einer neuen Entwicklung des Mythos (jetzt Mythologie), würde klar, dass die Philosophie die Mythologie nicht ablöst, „… sondern daß beide Prozesse parallel laufen und einen gemeinsamen Ursprung haben.“ Erst durch neue Mythen wurde das Mythische zum Mythos.
Die Kulturen erlebten mehr oder weniger zeitgleich und unabhängig von einander bedeutende Veränderungen und fingen an miteinander zu kommunizieren. Durch diese Kommunikation entstand die `Weltgeschichte´. Die Zivilisationen versuchten den anderen überlegen zu sein oder sich von den Anderen abzuheben, auch wenn es Zusammenschlüsse gab, so doch im Bewusstsein um die eigene Einzigartigkeit.
Jamme bezieht den Begriff des Mythos stark auf das religiöse Denken, auf den Glauben der Menschen an Götter. Die Mythologie nährt den Glauben und hält ihn gleichzeitig aufrecht. Glauben nährt sich aus dem Bewusstsein des Glaubenden; aus der Welt die er verstehen kann und strahlt, in der Art wie er ihn empfangen hat, auf seine Welt und die der Anderen, auf seinen Glauben und den der Anderen zurück.
Für Cassirer bildet der Mythos eine besondere Art des Anschauens und Denkens. So wie der Mensch seine Welt in wissenschaftlichen, sprachlichen und künstlerischen Termini begrifflich erfasst, so fasst er sie auch in mythischen Bildern. Damit sind Mythen nicht nur Interpretationen von Riten, sondern sie sind auch „Ausdruck eines Fühlens“, Mythos „ist Gefühl in Bild gewandelt“. Nach Cassirers Verständnis fallen die Mythen damit unter den Begriff der symbolischen Ausdrücke, ebenso wie das Faustballen oder das Stirnrunzeln symbolhafte Ausdrücke eines menschlichen Gefühls von Ärger oder Unverständnis sein können. Der symbolische Ausdruck ist allen kulturellen Aktivitäten gemeinsam. Und alle diese Aktivitäten dienen dem animal symbolicum, wie Cassirer den Menschen bezeichnet, der „Objektivierung“ der Sinnenswahrnehmungen im Sinne einer Klassifizierung und der Bildung von Begriffen. Speziell der „mythische Symbolismus führt zur Objektivation von Gefühlen“ und von „sozialer Erfahrung“ schreibt er. Und am Ende werden „unsere Gefühle [...] in Werke umgewandelt“. Mythos ist die Kunst „seine am tiefsten verwurzelten Instinkte, seine Hoffnungen und seine Furcht“ auszudrücken und zu organisieren. Da die größte menschliche Angst die vor dem Tod ist, drückt auch sie sich vornehmlich im Mythos aus. Und während der antike Stoizismus noch versuchte den lebenden menschlichen Geist von der Furcht vor dem Tod zu befreien, löst am Ende erst die christliche Offenbarung den Konflikt, indem sie ein Leben nach dem Tod verspricht
Cassirer sieht in Thukydides (ca. 460-395 v. Chr.) den ersten Kritiker der mythischen Geschichtsauffassung. Auch die Altertumswissenschaft bezeichnet ihn als den Begründer der kritischen Historiographie. Jedoch basiert Thukydides´ geschichtliche Einsicht nicht nur auf neuen Tatsachen, sondern „auf einer viel tieferen und umfassenderen psychologischen Einsicht“, denn bevor die Griechen die Geschichte studieren, hatten sie schon die Natur studiert. „Ohne diesen vorbereitenden Schritt, wäre es für sie nicht möglich gewesen, die Macht des mythischen Denkens zum Kampf herauszufordern“.
Mit dieser Aussage trifft er den Kern dessen, was Nestle als Entwicklung „Vom Mythos zum Logos“ bezeichnet. Hätte die griechische - zuerst die ionische - Naturphilosophie nicht damit begonnen, die physischen Phänomene ihrer Umwelt auf rationale Weise zu studieren, hätten es die Griechen am Ende auch zu keiner neuen Theologie und damit Anthropologie bringen können. Das delphisch-sokratische Prinzip „Erkenne dich selbst!“ hätte keine Chance gehabt in einer Welt voller Ehrfurcht vor unsichtbaren Göttern und Heroen zu wirken.
Thukydides´ neue wissenschaftliche Methodik basiert zweifellos auf der Neuauffassung von Natur, Gott und Mensch. Jedoch ist hier der Sachverhalt nach neueren Forschungen der Altertumswissenschaften viel komplexer, als Cassirer scheinbar erkannt hatte, denn die frühe griechische (Natur)Philosophie bildet nur eine der Grundlagen des neuen wissenschaftlich-kritischen Denkens.
Für Platon kann mythos Wahres und Falsches enthalten; Dichter werden dazu aufgefordert, möglichst wahre mythoi zu dichten. Die literarische Gattung des so genannten platonischen Mythos hingegen kann ganz Unterschiedliches umfassen: Ein Gleichnis, eine Metapher oder auch ein Gedankenexperiment. Platon schuf in seinem Dialog Timaios auch einen Mythos von der Entstehung der Welt (Kosmogonie), von dem wesentliche Aspekte durch den Neuplatonismus bis hin zu Georg Friedrich Creuzer rezipiert wurden.
Aristoteles billigt einem Mythos nur die Möglichkeit einer Annäherung an die Wahrheit zu. Er verstand unter Mythos die Nachahmung von Handlung, also von etwas Bewegtem, im Unterschied zu den statischen Charakteren, die seiner Auffassung nach noch keine Dichtung ausmachen. Mythos wäre also, vom Gehen eines Menschen zu sprechen, statt bloß seinen Gang zu charakterisieren. Aristoteles sah seinen Text als eine Art Gebrauchsanleitung für Dichter. Mythos war für ihn ein Merkmal einer gelungenen Tragödie. Ebenfalls bei Aristoteles findet die Verengung des Begriffs Mythos auf die bis heute gebräuchliche Bedeutung statt, nämlich den typischen griechischen Mythos von Göttern und Helden. Im Hellenismus und der römischen Antike wurde der Mythos immer mehr als Erziehungsmittel propagiert und genutzt, so von Dion Chrysostomos. Er erfüllte damit ähnliche pädagogische Funktionen wie die späteren christlichen Legenden.
Schon die antiken Griechen haben sich mit dem Dichter der ,Ilias` und ,Odyssee` beschäftigt. Nach Anton Westermann sind uns 60 Handschriften zusammenhängender Lebensbeschreibungen Homers aus dem Altertum bekannt. Hierzu zählen die Vitae Herodotea. Sie gilt als umfangreichste und ist in einem ionisierendem Griechisch abgefasst. Sie stellt sich unter den Namen Herodotea.
Weitere uns bekannte sind die Vitae Pseudoplutarchi und Pseudoplutarchae, die vermutlich unter dem Namen Plutarchs entstanden sind. Eine weitere Überlieferung schreiben wir einem Grammatiker namens Proklos zu. Durch die Namensdopplung mit dem uns bekannten Proklos aus dem Neuplatonischen, wissen wir nicht, welcher dieser Beiden den Bios verfasst hat.
Neben den Vitae Scorialenses bzw. Vita Romana ist uns noch die im Codex Laurentius 56,1 vorhandene Lebensbeschreibung Homers Certamen Homeri et Hesiodi (der Wettstreit zwischen Homer und Hesiod) bekannt, die wir auch in der Legende wiederfinden.
Wenn man alle diese antiken Quellen miteinander vergleicht und auswertet, so erhält man keine eindeutige Lebensbeschreibung, aus der man genaue Rückschlüsse auf das Leben Homers ziehen kann. Sie sagen alle etwas anderes aus. Nach Latacz sind ,,diese Produktionen ohne historischen Wert".
So kommen wir bei der Aussage des Grammatikers Proklos an, der meint: ,,Von welchen Eltern Homer stammt oder welches seine Heimat ist, das ist nicht leicht darzulegen. Denn er selbst hat nichts darüber gesagt, aber auch diejenigen, die über ihn berichtet haben, stimmem nicht miteinander überein."
Wenn schon die antiken Griechen in ihren Lebensbeschreibungen nicht übereinstimmen, dann können wir auch nicht annehmen, dass Homer tatsächlich der Verfasser der Epen ist und wir können daraus auch nicht schlussfolgern, dass Homer eine Person war, die gelebt hatte. So sind diese Quellen für uns Historiker wertlos, denn das Problem um das Leben Homers ist nicht gelöst.
Wolfgang Schadewaldt veröffentlicht 1959 die ,,Legende von Homer dem fahrenden Sänger". Er versucht Homer als einen wirklichen Menschen zu fassen. So schreibt er in seinem Vorwort: ,,Es birgt im Kern eine echte Überlieferung über die Person des Iliasdichters, in dem wir nach langen Irrwegen heute wieder einen wirklichen Menschen erkennen."
Die uns überleiferten Lebensbeschreibungen und die Legende von Homer scheinen sich darin einig, dass der Dichter mit wirklichen Namen Melesigenes geheißen haben soll. Homer (griech: Homeros, lat: Homerus) steht hier als Gattungsname, der als Beiname den eigentlichen Namen verdrängt und bedeutet im Griechischen ,,Geisel". Benannt wurde er nach dem Fluss Meles an dem er geboren wurde. Der Fluss befindet sich bei Smyrna. Smyrna ist eine Stadt im kleinasiatischen Teil des antiken Griechenlandes. Smyrna ist die heutige türkische Stadt, Izmir. Dies ist jedoch nicht eindeutig belegt. Mehere Städt streiten sich um den Geburtsort Homers. Darunter Chios, Athen, Salamis auf Zypern, Ithaka und das ägyptischen Theben. Naheliegend ist jedoch Smyrna oder Chios, da beide Städte sich in unmittelbarer Nähe zueinander im kleinasiatischen Teil des antiken Griechenlandes befinden. Da die ,Ilias` vom Fall Trojas berichtet, nimmt auch Latacz an, dass er ein adliger kleinasiatischer Ionier war.
Ebenso ungenau zu bestimmen ist die Lebenszeit Homers. Wir datieren sie auf die zweite Hälfte des achten Jahrhunderts v. Chr. Diese Datierung beruht auf die Entstehungszeiten der Epen Ilias und Odyssee.
Die Legende von Homer schildert uns einen Dichter, der teils in ärmlichen Verhältnissen lebte und dem viel Unrecht geschah. Sie berichtet ebenfalls von Homer als einen fahrenden Sänger (Rhapsode), der als Blinder von Stadt zu Stadt reiste, um seine Gesänge den Adligen vorzutragen. In dieser Erzählung lesen wir auch vom berühmten Certamen Homeri et Hesiodi - dem Wettstreit von Homer und Hesiod. Bei diesem Wettkampf, der in der Stadt Chalkis zu Ehren des Todes von Königs Amphidamas stattfand, begneten sich Homer und Hesiod. Sie lieferten sich einen Wettstreit der Dichtkunst. Gewonnen hatte den Kampf Hesiod, da er ,,zu Landbau und Friedensarbeit rufe, statt Kriege und Schlachten zu schildern“ , wie es Homer tat. Gestorben ist Homer auf Ios. So berichtet jedenfalls die Legende.
Selbst diese überlieferte Legende bietet uns nur einen geringen Wert an Material, welches zur Lebensbeschreibung der Person Homers wichtig sein könnte. Für die Richtigkeit dieser Legende fehlt uns der entsprechende Nachweis um sie zu verwenden.
Das Wort Epos kommt aus dem griechischen und bedeutet Wort, Aussprache und/ oder Vers. Die Einheit eines Epos entsteht aus den einzelnen Versen und nicht den Strophen. Das Epos besteht aus einer Länge von daktylischen Hexametern und behandelt in seiner Poesie vor allem Heldensagen.
Die Epen wurden im antiken Griechenland von Aoiden (Sänger), die in einer langen Familientradition standen, übertragen. Sie kannten die Sagen und die Formenlehre. Hieraus entstand das improvisierte Heldenlied mit dem Material von verschiedenen Volksgruppen. Das Heldenlied umfasst Bereiche wie Hochzeit, Leichenspiel und Zweikampf. Gesänge dieser Art finden wir in der Ilias und der Odyssee. So berichtet Homer in der ,Ilias` von den Leichenspielen für den verstorbenen Patroklos. In der ,Odyssee` lesen wir von den Zweikämpfen Odysseus auf Ithaka.
Insbesondere haben sich die Rhapsoden um die Verbreitung der homerischen Epen verdient gemacht. Rhapsoden waren berufsmässig fahrende Sänger, die mit ihrer Phorminx - einem Saiteninstrument der homerischen Zeit - zum Tanze aufspielten. Mitunter konnten sie auf den Fürstenhöfen sesshaft werden. Als eine spezielle Unterform der Rhapsoden gelten die Homeriden. Sie lassen sich in der ersten Generation biologisch direkt auf Homer zurückführen und gelten als ,Nachlasspfleger` der homerischen Epen.
Das homerische Heldenepos war hauptsächlich narrativ, das heißt es erzählt eine Geschichte, in die widerum Geschichten eingefügt werden konnten. Im Gegensatz dazu steht das Sach-Epos, das einen gegebenen Sachkomplex systematisch erzählt, wobei das Erzählen von Geschichten untergeordnet ist.
Einleitend sei vermerkt, dass ich hier nur eine kurze inhaltliche Darstellung der Epen wiedergebe. Die intensive Beschäftigung mit den beiden Epen, das heißt Analyse und Aufbau, Struktur und Interpretation würde für den Rahmen dieser Arbeit unangemessen sein und beide Erzählungen bieten Platz für je eine gesonderte wissenschaftliche Abhandlung.
Das Epos ,Ilias` entstand vermutlich um 730 v. Chr. Es besteht aus einer Länge von 24 Gesängen, die circa 15700 daktylische Hexameter umfassen. Sie gilt als das älteste erhaltene Werk der griechischen Literatur.32 Ob die ,Ilias` von Homer stammt und ob er dem Epos den Titel gab, ist ungewiss.33 Vermutlich wurde der Name von ,Ilios`, der Stadtburg von Troja, abgeleitet.
Erzählt wird die Geschichte von der Belagerung Trojas. Grund für die Belagerung war, dass die Griechen (im Epos vorwiegend Archaier genannt), Helena, die Frau des Königs Menelaos befreien wollten. Sie wurde zuvor von Paris, einem Sohn des trojanischen Königs Priamos, nach Troja verschleppt. Die unter dem Kommando von Agamemnon stehende gewaltige Schiffsflotte belagerte Troja zehn Jahre. Erst im zehnten Jahr gelang es den Griechen mit einer List in die Stadt einzudringen. Odysseus hatte die Idee, mit einem großen aus Holz gebauten Pferd, welches mit Griechen besetzt war, in die Stadt zu gelangen, umso die Troas zu überwältigen. Die Männer wurden getötet, Frauen und Kinder versklavt, die Stadt und Burg wurden verbrannt und die Frau des Königs, Helena, befreit.
Soweit die Gesamtgeschichte, die der Leser benötigt um den Text der ,Ilias` verstehen zu können. Die ,Ilias` selbst erzählt einen winzigen Ausschnitt aus dieser Gesamtgeschichte. Sie berichtet vom Zorn des Achilleus. Diese Geschichte von Achilleus streckt sich auf einundfünzig Tage im zehnten Kriegsjahr und umfasst drei Einheiten. Die erste Einheit, der erste Gesang, erzählt wie es zum Groll des Achilleus kam. Nämlich durch einen Streit mit Agamemnon. Einheit zwei beginnt im zweiten Gesang und wird durch eine Rückschau, die den Beginn des Krieges schilderte, bis zum siebten Gesang unterbrochen. Erst im achten Gesang setzt sich die zweite Einheit fort und erzählt bis zum achtzehnten Gesang, wie sich der Zorn des Achilleus auf das Heer auswirkt. Die letzte Einheit im Epos, vom achtzehnten bis zum letzten Gesang, beschreibt, wie Achilleus erkennt, dass die Folgen seines Zornes schreckliche Auswirkungen auf die Gemeinschaft hat und er diesen auch aufgrund des Todes seines Freundes, Patroklos, aufgibt.
Die ,Odyssee`, vermutlich entstanden um 700 v. Chr., besteht, wie die ,Ilias`, aus 24 Gesängen, die circa 12100 daktylische Hexameter umfassen. Es ist gleichfalls ungewiss, ob Homer der Dichter der ,Odyssee` ist. Die Forscher unserer heutigen Zeit behaupten, dass das Epos nicht Homer zuzuschreiben ist.
Die ,Odyssee` gilt als erster Abenteuerroman der Weltliteratur und behandelt in ihrer Erzählung vor allem mittelmeerische Seefahrergeschichten. Berichtet wird von dem Fürst Odysseus, der nach dem Fall Trojas, auf seinem Heimweg nach Ithaka, viele Katastrophen und Abenteuer durch Tapferkeit und Widerstandskraft bestehen muss.
Am Rande sei noch erwähnt: Nach den Überlieferungen hat Homer nicht nur die ,Ilias` und ,Odyssee` verfasst, sondern noch weitere kleinere Dichtungen, die grundlegend alle als Ehrungen von Götter dienen, geschrieben. So sind uns fragmentarisch die ,homerischen Hymnen`, der ,Margites` oder der ,Kyklos` erhalten. Die Forschungen haben ergeben, dass aufgrund des verschiedenen Alters und Sprache sowie Inhalt, wir diese Dichtungen nicht Homer zuschreiben können.
Es ist fraglich, inwieweit wir die ,Ilias` und ,Odyssee` als Quelle zur Geschichte des antiken Griechenlandes verwenden können. Sie berichten uns von einer Märchenwelt, der wir nicht immer Glauben schenken dürfen. In ihrer Erzählweise verschönern sie das Leben im alten Griechenland. Sie schildern uns das reiche Leben der Adligen und Götter. Durch diesen positivistischen Gedanke könnte man zu den Schluss kommen, die Epen seien so erzählt worden um jenen, die sie hörten, eine Freude zu bereiten.
Die Ilias eines der ältesten schriftlich fixierten Werke Europas, schildert einen Abschnitt des Trojanischen Krieges. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig, heutzutage datiert man die Entstehung ins 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. Das Epos umfasst 24 Bücher bzw. Gesänge, wie diese Abschnitte seit der Übersetzung durch Johann Heinrich Voß bezeichnet werden. Die Ilias beruht auf frühgeschichtlichen Mythen und Erzählungen und wird Homer zugeschrieben (zur Verfasserschaft, auch hinsichtlich der Odyssee.). Die Ilias-Darstellung der Olympischen Götter dürfte erheblich zur Entwicklung einer nationalen griechischen Religion beigetragen haben und prägt bis in die Gegenwart die europäische Kunst- und Geisteswissenschaft.
Gegenstand ist der bereits zehn Jahre währende Trojanische Krieg zwischen Troja und der griechischen Allianz der Achaier. Zentrales Thema der Ilias ist der Zorn, der innerhalb ihres nur 51-tägigen Handlungsverlaufs immer weitere Kreise zieht und dabei Heroen wie auch Götter als unentrinnbares Schicksal ereilt. Den Anfang setzen die Entehrung des Gottes Apollon durch den Raub der Chryseïs und seine Rache an den Achaiern. Als schließlich dem Apollon-Priester Chryses die Tochter zurückgegeben wird, fordert Agamemnon, Oberbefehlshaber der Achaier, Ersatz für seine Beute und gerät so in Konflikt mit Achilleus, der sich in der Folge ebenfalls entehrt sieht und sich aus den Kämpfen zurückzieht. Der „Zorn des Achilleus“ wird zur Klammer des Epos, findet zum Ende hin aber eine neue Ursache. So wendet Achilleus im 19. Gesang die endgültige Niederlage der Achaier durch die öffentliche Versöhnung mit Agamemnon und seinen Wiedereintritt ins Kampfgeschehen ab, um dafür nun dem Zorn auf Hektor nachzugeben, der zuvor seinen besten Freund und Kampfgefährten Patroklos getötet hat. Eine Mäßigung findet Achilleus’ Zorn erst im letzten bzw. 24. Gesang, als er Hektors Leichnam nach 12-tägiger Schändung dessen Vater Priamos zur Bestattung überlässt.
Mythischer Ausgangspunkt für den Trojanischen Krieg ist das Urteil des Paris und dessen Entführung von Agamemnons Schwägerin Helena. Beides wird in der Kypria beschrieben. Die Kenntnis darum wird in der Ilias vorausgesetzt und daher nur einmal kurz angedeutet. Von der List des Odysseus (Trojanisches Pferd) und dem Ende des Trojanischen Krieges wird dann nicht in der Ilias, sondern unter anderem in der Iliu persis des sogenannten Epischen Zyklus erzählt.
Die Ilias zählt zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Die Verwendung als Titel für das noch heute so genannte Werk findet sich zuerst in Herodots Historien (2, 116). Diesem Gebrauch muss eine (nirgendwo belegte) Verbindung wie Ἰλιὰς ποίησις (Ilias poíesis „die sich mit Troja beschäftigende Dichtung“) vorausgegangen sein. Eine syntagmatische Verwendung des Namens findet man vor Herodot schon bei Aischylos, Simonides von Keos und Euripides. Schon Sappho schreibt über die Iliaden. Wann und wieso sich der Name „Ilias“ für ein Werk durchsetzen konnte, das nicht die ganze Geschichte Trojas, nicht einmal den gesamten Trojanischen Krieg, sondern nur eine Episode daraus behandelt, ist unklar; immerhin verwendeten auch die sogenannten kyklischen Epen diesen Rahmen. Vermutlich zeigt sich darin die überragende Stellung, die der Ilias im Vergleich zu den anderen Troja-Dichtungen zugebilligt wurde.
Die Frage nach der Verfasserschaft ist schwierig zu beantworten, da der Autor sein Werk nicht um einen Namen ergänzte. Überliefert ist der Name „Homer“, dem man im 5. Jahrhundert v. Chr. ebenso die Verfasserschaft der Odyssee, der kyklischen Epen, der Trojasage, der Homerischen Hymnen und einiger weiterer Werke zuschrieb. Inwiefern dieser aber an der Ilias gearbeitet hat oder ob sein Name für eine Gruppe mehrerer Bearbeiter steht, ist umstritten.
Für den ersten Fall ergibt sich dann die Frage, inwiefern er zur Ilias beigetragen hat. Strittig ist dabei allerdings schon, was man als „Ilias“ definieren soll. Zur Auswahl stehen dabei der Plot, die poetische Komposition und der Text. Zur heute kaum zu beantwortenden Frage stellt Hermann Fränkel resignierend fest: „Dabei muß die Frage für alle Zeiten offen bleiben, ob Homer, als er die letzte Hand an die Epen legte, viel oder wenig an ihnen geändert hat; ob er ein schöpferischer Geist, ein geschickter Bearbeiter, ein trefflicher Rezitator, ein fleißiger Schreiber – oder vielleicht eben nur der letzte Redaktor war, dem kein Nachfolger mehr den Ehrentitel abnahm.“ Für Aufsehen und heftige Kritik in der Fachwissenschaft sorgte die 2007 von Raoul Schrott aufgestellte These, Homer sei ein Hofschreiber in Kilikien gewesen und nicht im westlichen Kleinasien beheimatet, wie dies in der antiken Literatur vermutet wurde.
Die Frage nach der Datierung der Ilias ist eine der schwierigsten und umstrittensten der Klassischen Philologie– auch in der Antike schwankten die Autoren schon stark, nämlich zwischen dem 13./12. und 7. Jahrhundert v. Chr. Sie hängt stark mit den Homertheorien und der Verfasserschaft zusammen – so ist bisher nicht bewiesen, ob die Ilias über einen längeren oder kürzeren Zeitraum sprachlich geprägt wurde. Sie wird dabei sowohl synchron als auch diachron betrachtet. Seit den Homeriden – einer Gruppe Homer nacheifernder Dichter – wird die Ilias in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. datiert. Auch heute wird dies noch, unter anderem wegen der steigenden archäologischen Funde dieser Zeit, vom größten Teil der Fachwissenschaftler vertreten. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts argumentieren Philologen wie Walter Burkert und Martin West anhand von Werkstellen intensiver für eine spätere Datierung. So wird auch für eine Redaktion zur Zeit des Tyrannen Peisistratos oder bei den alexandrinischen Philologen plädiert. Kritisiert wird dabei auch, dass Bezugnahmen zeitlich der Ilias nahestehender Dichter, Werke oder Kunstgegenstände sich nicht auf den verschriftlichten Text beziehen müssen, sondern sich auch auf mündliche Überlieferungen des Plots beziehen könnten. Sprachliche Argumente für ein höheres Alter der Ilias gegenüber anderen Werken, wie von vielen Forschern angeführt, werden teilweise mittlerweile bestritten.
Eindeutige Bezüge, durch die ein terminus ante quem sicher zu belegen ist, finden sich in literarischer Form erst bei Alkaios von Lesbos um 600 v. Chr. In der Kunst der Antike werden zwar seit 700 v. Chr. Szenen des epischen Kyklos dargestellt, nicht jedoch die 51 Tage der Ilias. Kunstwerke, die dieses Thema darstellen, sind erst seit 625 v. Chr. zu finden. Es könnten natürlich noch frühere Objekte entdeckt werden, die Frage nach der Bezugnahme auf einen schriftlichen Text kann damit allerdings nicht vollständig geklärt werden.
Waffen- und Gegenstandfunde wie auch die erschlossene Kampftechnik sprechen eher für die erste Hälfte des 7 Jh. v. Chr.. Wie oben erwähnt, versucht man anhand von Textstellen den Terminus post quem genauer zu bestimmen – so wird beispielsweise Hom. Il. 9, 381–384 (Beschreibung des hunderttorigen ägyptischen Thebens) von Martin Litchfield West nicht vor 663 v. Chr. datiert, Walter Burkert geht noch früher; Hom. Il. 12, 3–33 aufgrund der Ähnlichkeit zur Zerstörung von Babylons Stadtmauer wird durch West in die Jahre 689/688 v. Chr., der Wiederaufbau in die Jahre 678/677 v. Chr. angesetzt. Letzteres Datum sieht Martin West als Terminus post quem an, und datiert dabei unter der Annahme einer synchronen Verschriftlichung des Textes nach Hesiod (730 bis 660, genauer 680 bis 670 v. Chr.) – welches damit das älteste schriftlich fixierte Werk der griechischen Literatur wäre –, wie dies vor dem vierten Jahrhundert v. Chr. schon der Fall war. Die Ilias enthält laut Ernst Heitsch und Martin West mehrere belegte Zitate und Bezüge aus Hesiods Werken. Die Argumente für eine frühere Datierung aufgrund von Anspielungen auf Mimnermos und Tyrtaios hält West für nicht kräftig. Abschließend werden die Jahrzehnte von 670 bis 640 v. Chr., spezieller die Jahre 660 bis 650 v. Chr. als mögliche Entstehungszeit des Textes angenommen.
Das Werk umfasst 15.693 Verse in 24 Gesängen, die nach dem Einheitsalphabet von Eukleides im Jahr 403 v. Chr. mit griechischen Großbuchstaben gekennzeichnet sind; die Länge der Bücher variiert etwa zwischen 400 und 900 Versen.
Das Zornmotiv, das das ganze Epos durchzieht, tritt aber nur in einigen wenigen der 24 Bücher stärker in den Vordergrund. Achilleus' Zorn entwickelt sich durch Agamemnons Entehrung, weil er sein Beutemädchen Briseïs raubt, um an ihm ein Exempel seiner Macht zu statuieren. Achilleus beugt sich diesem und tritt in den Streik und damit in den Hintergrund der Ilias. So kann der Erzähler im 2. bis 8. Buch Szenen aus früheren Kriegsjahren einbauen und ein erstes Zusammentreffen der Kriegsparteien darstellen. Erst im 9. Buch wird Achilleus wieder angesprochen, da die anderen Achaier erkannt haben, dass sie ohne ihn und seine Kampfgefährten gegen die Trojaner nicht bestehen können.
Da sich Agamemnon für sein Fehlverhalten aber nicht entschuldigen will und Achilleus’ Zorn noch zu groß ist, lehnt er einen Kompromiss ab und stellt sich damit nicht nur gegen Agamemnon, sondern auch gegen die übrigen Achaier. Er beschließt damit den Tod vieler Gefährten, da Zeus den Trojanern gewährt, bis ans Schiffslager der Achaier zu gelangen. Erst danach soll die Schlacht gewendet werden. Bis es dazu kommt, wird durch die Darstellung der Kämpfe um die Mauer vor den Schiffen und durch göttliche Eingriffe zugunsten der Achaier die Geschichte retardiert.
Im 16. Buch erfüllt sich dann Zeus’ Plan, sodass Achilleus Patroklos gewährt, die Trojaner zurückzudrängen. Übermütig greift dieser dann aber die Stadt an und wird unter anderem von Hektor getötet. Der darauffolgende Kampf um dessen Leichnam und die Fertigung neuer Waffen weisen auf die folgenden Bücher hin. Achilleus, entsetzt über den Verlust des Freundes, versöhnt sich dann im 19. Buch mit Agamemnon und stürmt, immer noch zornig, jetzt aber auf Hektor, in die Schlacht. Bis zum finalen Kampf mit diesem im 22. Buch kämpft er allerdings noch gegen einige andere Gegner und sogar Götter. Die endgültige Überwindung seines Zorns findet dann erst nach dem Misshandeln von Hektors Leichnam und Totenspielen für Patroklos’ Feuerbestattung im 24. Buch statt. Dazu muss er erst den Vater seines Erzfeindes – Priamos – kennenlernen, der wie Achilleus einen schweren Verlust erleiden musste.
Menschen wie Götter werden nicht durch äußere Beschreibungen des Erzählers charakterisiert, sondern tun dies durch ihre Reden, die rund 45 % des kompletten Inhaltes einnehmen. Durch Momentaufnahmen können die Personen nur skizziert werden. Der Held versucht sich Ruhm zu erwerben (gemäß dem Spruch des Peleus: „Immer der Beste und den Anderen überlegen sein“), indem er jedes Wagnis im Krieg eingeht, sich tugendhaft verhält oder durch Reden hervortut, und darf dennoch Gefühle zeigen.
Dabei ist er nicht lebensmüde und versucht, dem Tod zu entgehen, indem er den eindeutig stärkeren Gegner meidet und bei einer Siegeschance den Kontrahenten angreift. Des Weiteren kann man Ruhm durch vornehme Reden erlangen – wer gegen diese Kriterien zum Ehrgewinn handelt, wird dafür getadelt und sogar geschlagen. Die adligen Menschen berufen sich zwar darauf, von den Göttern abzustammen, sind aber keine Halbgötter wie die Helden vor ihrer Zeit und werden nicht kultisch verehrt. Den Personen wird dabei gemäß ihrer Königlichkeit auch die Schönheit zugeschrieben – einfache Menschen werden so weniger schön skizziert. Es gibt auffallend viele Statisten und Personennamen, die nur einmal im Werk auftauchen; alle Statisten werden aber dennoch namentlich erwähnt. In der Ilias passiert es dabei nur einmal, dass eine vormals gestorbene Person, Pylaimenes, später noch einmal lebt. Die starke Charakterzeichnung der Figuren, vor allem ihre Probleme, die es in derselben Art und Weise auch heute noch gibt, sind eine der Hauptursachen, weshalb die Ilias über Jahrtausende hinweg aktuell blieb und den Leser bewegte.
Auf trojanischer Seite, die mit ungefähr 50.000 Personen angesetzt wird, kämpfen neben den Trojanern ), die mit Ausnahme von Hom. Il. 2, 819–823 auch Dardaner heißen – dort stellen sie ein Kontingent unter Aineias dar –, vor allem die Lykier), die von Sarpedon und Glaukos angeführt werden. Daraus lässt sich auch das Sprachgewirr erklären, das in der Ilias betont wird
Trotz der Spracheinheit der circa 100.000 bis 120.000 Griechen werden die Gegner der Trojaner mal Achaier, mal Danaer oder Argeier genannt, je nachdem welches Wort nötig ist, um einen kompletten Hexameter zu bilden. Der Name „Hellene“ wird in der Ilias nicht für das gesamte Kontingent der Achaier verwendet, sondern nur für die Bewohner eines Gebietes, das von Achilleus’ Vater Peleus beherrscht wird. Die gesamtgriechische Verwendung tritt in Hesiods Werke und Tage auf. Die Bedeutung der „Panhellenen“ neben den Achaiern im zweiten Buch der Ilias ist dabei umstritten.
„Die Geschichte vom Groll des Achilleus konnte erzählt werden, fast ohne über die Götter zu sprechen. Fast – aber nicht ganz.“, so schreibt Walter Bröcker über die Götter, Gustav Adolf Seeck dagegen: „Die Götter sind bei Homer fast ohne religiöse Bedeutung, aber sie sind ein wichtiges erzählerisches Mittel; denn […] durch ihre Eingriffe läßt sich eine Erzählung bequem steuern und strukturieren.“ In der Ilias werden die Götter der griechischen Mythologie wie die Menschen vom Autor gezeichnet (allwissender Erzähler) – er gibt ihre Taten, Pläne und Absichten durch die Inspiration der Musen wörtlich wieder. Stellenweise symbolisieren die Götter die Gedankengänge der Menschen – die Menschen können dabei die Intensität der Beeinflussung bestimmen.
Die Menschen erkennen zwar die Götter in der Regel nicht, sehen in ihnen aber die Kausalität für erwünschte und unerwünschte Ereignisse. Dabei unterscheiden sich die Götter von den Menschen nur durch ihre Unsterblichkeit und ihren höheren Einfluss, den sie zum Teil durch die Verwandlung in Menschen präsentieren, – die endgültige Entscheidung liegt bei ihnen–, doch auch sie sind noch vom Schicksal beziehungsweise dem Autor abhängig. Sie handeln dabei willkürlich und parteiisch, lügen und betrügen, und benehmen sich so keineswegs vorbildhaft. Dieses götterkritische Bild wird später von den antiken Philosophen aufgegriffen. Ihre allzu menschlichen Verfehlungen, die Streite und Liebesabenteuer sind einer der Gründe, wieso der Leser sich in die iliadische Welt hineinversetzen konnte. Zwar ist jeder Gott auch ein für den Menschen nicht erklärliches Abstraktum, muss sich dieser aber nicht verpflichten. Auffällig ist auch, dass die Götter zurückhaltend – vor allem den Freunden zur Seite stehend und den Feinden sich entgegenstellend – agieren und so weder Tote wiederauferstehen noch ganze Städte auf einmal zerstört werden können,
Wolfgang Kullmann schreibt, dass ihre Aktivitäten noch eingeschränkter seien: „Das Eingreifen der Götter in der Ilias dient nicht eigentlich einer Änderung der Situation, sondern verleiht nur dem eigenen Handeln der Menschen […] in wichtigen Augenblicken eine erhöhte Bedeutsamkeit.“ Auf trojanischer Seite stehen vor allem Aphrodite, Apollon und Ares, auf griechischer Athene, Hera, Hephaistos und Poseidon. Typisch für die Ilias sind Personifikationen von Dingen wie Schlaf, Traum, Tod usw., aber auch von Flüssen, Winden und Ähnlichem.
Obwohl nur 15 Tage und 5 Nächte vom Beginn des zehnten und letzten Kriegsjahres ausführlich dargestellt werden, geht der Erzähler auch auf die vorherigen und nachfolgenden Ereignisse ein. Der Rezipient der Werke war wohl mit dem Rahmen des Epos vertraut und musste nur durch einzelne Hinweise daran erinnert werden. Er retardiert die Geschichte durch Erzählungen (wie von Familienstammbäumen und Lebensgeschichten), hinzugefügte Hintergrundinformationen oder Alternativgeschichten.
Zurückliegende Ereignisse können über Berichte der Menschen oder Götter nachgereicht werden, so wird unter anderem im ersten Buch der Ilias von Zeus’ Plan zur Reduzierung der Menschheit berichtet. Ebenso werden zurückliegende Ereignisse per Analepse in die späteren Kriegsjahre vorverlegt. So finden beispielsweise die Verkündung vom Eintreffen des größten Heeres aller Zeiten und die Teichoskopie– die Mauerschau, in der Trojas König Priamos das griechische Heer zum ersten Mal herankommen sieht – sicherlich nicht erst im zehnten Kriegsjahr statt.
Nachfolgende Ereignisse werden zum Teil in Prophezeiungen per Prolepse verkündet[– so zum Beispiel das Ende des Zornes vom Gott Apollon. Auch sterbende oder gestorbene Personen können Vorankündigungen tätigen – so verkünden kurz vor ihrem Tod Patroklos Hektors nahen Tod und Hektor Achilleus’ Ende am Skäischen Tor vor Ilios. Patroklos begegnet nach seinem Tod Achilleus im Traum und berichtet ihm, dass er bald sterben werde. Bezüge auf den Untergang Ilios’ sind eng mit Hektors Tod verbunden. Insgesamt gibt es über 60 solcher Verweise der Ilias auf den Rahmen des epischen Kyklos.
Unklar bleibt dennoch, wieso das Epos in solch kurzer Zeit im zehnten Kriegsjahr dargestellt wird. Die Ilias ist im Gegensatz zur mehrere Erzähllinien verschränkenden Odyssee eher linear aufgebaut: Es wird nur ein einziges Motiv, der „Zorn des Achilleus'“, gewählt – dies ist für das frühgriechische Epos einzigartig. Die eingeschobenen Rückblicke treten dabei vorwiegend in der ersten Hälfte des Epos’ auf, Vorausblicke im zweiten Teil.
Die Sprache der Ilias wurde niemals im Alltag gesprochen und war für den Hörer und Leser nicht leicht verständlich. Sie wurde wohl mündlich mit formelhaften Wendungen und Wiederholungen konzipiert, um den Inhalt besser in den Hexameter einpassen zu können. Dafür waren metrische Lizenzen wie die metrische Dehnung, metrische Zerdehnung oder Synizese (Verschmelzung zweier Vokale zu einem einzigen gesprochenen) notwendig, üblich sind auch Enjambements. Die Methodik wurde von allen folgenden griechischen Epen bis in die Spätantike übernommen und um neue Vokabeln und Formen erweitert. Sie hatte auch merklichen Einfluss auf Epigramme, die Elegie, Lyrik und Tragödie, und sogar auf prosaische Autoren wie Herodot.
Grunddialekt der Ilias ist Ionisch, der um äolische, attische und ältere (möglicherweise achaiische, arkado-kyprische oder mykenische) Formen bereichert wird. Jüngere und ältere Formen stehen dabei nebeneinander – stellen aber nicht das Ende der epischen Tradition dar. Spätere Umdeutungen und Missverständnisse, sowie Katachrese sind aber ebenso zu beobachten. Manche Fügungen gehen bis zur indogermanischen Dichtersprache zurück. Dabei werden auch Dualformen verwendet.
Menschen wie Götter werden nicht durch äußere Beschreibungen des Erzählers charakterisiert, sondern tun dies durch ihre Reden, die rund 45 % des kompletten Inhaltes einnehmen. Durch Momentaufnahmen können die Personen nur skizziert werden. Der Held versucht sich Ruhm zu erwerben (gemäß dem Spruch des Peleus: „Immer der Beste und den Anderen überlegen sein“), indem er jedes Wagnis im Krieg eingeht, sich tugendhaft verhält oder durch Reden hervortut, und darf dennoch Gefühle zeigen.
Dabei ist er nicht lebensmüde und versucht, dem Tod zu entgehen, indem er den eindeutig stärkeren Gegner meidet und bei einer Siegeschance den Kontrahenten angreift. Des Weiteren kann man Ruhm durch vornehme Reden erlangen – wer gegen diese Kriterien zum Ehrgewinn handelt, wird dafür getadelt und sogar geschlagen. Die adligen Menschen berufen sich zwar darauf, von den Göttern abzustammen, sind aber keine Halbgötter wie die Helden vor ihrer Zeit und werden nicht kultisch verehrt. Den Personen wird dabei gemäß ihrer Königlichkeit auch die Schönheit zugeschrieben – einfache Menschen werden so weniger schön skizziert. Es gibt auffallend viele Statisten und Personennamen, die nur einmal im Werk auftauchen; alle Statisten werden aber dennoch namentlich erwähnt. In der Ilias passiert es dabei nur einmal, dass eine vormals gestorbene Person, Pylaimenes, später noch einmal lebt. Die starke Charakterzeichnung der Figuren, vor allem ihre Probleme, die es in derselben Art und Weise auch heute noch gibt, sind eine der Hauptursachen, weshalb die Ilias über Jahrtausende hinweg aktuell blieb und den Leser bewegte.
Auf trojanischer Seite, die mit ungefähr 50.000 Personen angesetzt wird, kämpfen neben den Trojanern ), die mit Ausnahme von Hom. Il. 2, 819–823 auch Dardaner heißen – dort stellen sie ein Kontingent unter Aineias dar –, vor allem die Lykier), die von Sarpedon und Glaukos angeführt werden. Daraus lässt sich auch das Sprachgewirr erklären, das in der Ilias betont wird
Trotz der Spracheinheit der circa 100.000 bis 120.000 Griechen werden die Gegner der Trojaner mal Achaier, mal Danaer oder Argeier genannt, je nachdem welches Wort nötig ist, um einen kompletten Hexameter zu bilden. Der Name „Hellene“ wird in der Ilias nicht für das gesamte Kontingent der Achaier verwendet, sondern nur für die Bewohner eines Gebietes, das von Achilleus’ Vater Peleus beherrscht wird. Die gesamtgriechische Verwendung tritt in Hesiods Werke und Tage auf. Die Bedeutung der „Panhellenen“ neben den Achaiern im zweiten Buch der Ilias ist dabei umstritten.
„Die Geschichte vom Groll des Achilleus konnte erzählt werden, fast ohne über die Götter zu sprechen. Fast – aber nicht ganz.“, so schreibt Walter Bröcker über die Götter, Gustav Adolf Seeck dagegen: „Die Götter sind bei Homer fast ohne religiöse Bedeutung, aber sie sind ein wichtiges erzählerisches Mittel; denn […] durch ihre Eingriffe läßt sich eine Erzählung bequem steuern und strukturieren.“ In der Ilias werden die Götter der griechischen Mythologie wie die Menschen vom Autor gezeichnet (allwissender Erzähler) – er gibt ihre Taten, Pläne und Absichten durch die Inspiration der Musen wörtlich wieder. Stellenweise symbolisieren die Götter die Gedankengänge der Menschen – die Menschen können dabei die Intensität der Beeinflussung bestimmen.
Das Epos ,Ilias` entstand vermutlich um 730 v. Chr. Es besteht aus einer Länge von 24 Gesängen, die circa 15700 daktylische Hexameter umfassen. Sie gilt als das älteste erhaltene Werk der griechischen Literatur.32 Ob die ,Ilias` von Homer stammt und ob er dem Epos den Titel gab, ist ungewiss.33 Vermutlich wurde der Name von ,Ilios`, der Stadtburg von Troja, abgeleitet.
Erzählt wird die Geschichte von der Belagerung Trojas. Grund für die Belagerung war, dass die Griechen (im Epos vorwiegend Archaier genannt), Helena, die Frau des Königs Menelaos befreien wollten. Sie wurde zuvor von Paris, einem Sohn des trojanischen Königs Priamos, nach Troja verschleppt. Die unter dem Kommando von Agamemnon stehende gewaltige Schiffsflotte belagerte Troja zehn Jahre. Erst im zehnten Jahr gelang es den Griechen mit einer List in die Stadt einzudringen. Odysseus hatte die Idee, mit einem großen aus Holz gebauten Pferd, welches mit Griechen besetzt war, in die Stadt zu gelangen, umso die Troas zu überwältigen. Die Männer wurden getötet, Frauen und Kinder versklavt, die Stadt und Burg wurden verbrannt und die Frau des Königs, Helena, befreit.
Soweit die Gesamtgeschichte, die der Leser benötigt um den Text der ,Ilias` verstehen zu können. Die ,Ilias` selbst erzählt einen winzigen Ausschnitt aus dieser Gesamtgeschichte. Sie berichtet vom Zorn des Achilleus. Diese Geschichte von Achilleus streckt sich auf einundfünzig Tage im zehnten Kriegsjahr und umfasst drei Einheiten. Die erste Einheit, der erste Gesang, erzählt wie es zum Groll des Achilleus kam. Nämlich durch einen Streit mit Agamemnon. Einheit zwei beginnt im zweiten Gesang und wird durch eine Rückschau, die den Beginn des Krieges schilderte, bis zum siebten Gesang unterbrochen. Erst im achten Gesang setzt sich die zweite Einheit fort und erzählt bis zum achtzehnten Gesang, wie sich der Zorn des Achilleus auf das Heer auswirkt. Die letzte Einheit im Epos, vom achtzehnten bis zum letzten Gesang, beschreibt, wie Achilleus erkennt, dass die Folgen seines Zornes schreckliche Auswirkungen auf die Gemeinschaft hat und er diesen auch aufgrund des Todes seines Freundes, Patroklos, aufgibt.
Die ,Odyssee`, vermutlich entstanden um 700 v. Chr., besteht, wie die ,Ilias`, aus 24 Gesängen, die circa 12100 daktylische Hexameter umfassen. Es ist gleichfalls ungewiss, ob Homer der Dichter der ,Odyssee` ist. Die Forscher unserer heutigen Zeit behaupten, dass das Epos nicht Homer zuzuschreiben ist.
Die ,Odyssee` gilt als erster Abenteuerroman der Weltliteratur und behandelt in ihrer Erzählung vor allem mittelmeerische Seefahrergeschichten. Berichtet wird von dem Fürst Odysseus, der nach dem Fall Trojas, auf seinem Heimweg nach Ithaka, viele Katastrophen und Abenteuer durch Tapferkeit und Widerstandskraft bestehen muss.
Am Rande sei noch erwähnt: Nach den Überlieferungen hat Homer nicht nur die ,Ilias` und ,Odyssee` verfasst, sondern noch weitere kleinere Dichtungen, die grundlegend alle als Ehrungen von Götter dienen, geschrieben. So sind uns fragmentarisch die ,homerischen Hymnen`, der ,Margites` oder der ,Kyklos` erhalten. Die Forschungen haben ergeben, dass aufgrund des verschiedenen Alters und Sprache sowie Inhalt, wir diese Dichtungen nicht Homer zuschreiben können.
Es ist fraglich, inwieweit wir die ,Ilias` und ,Odyssee` als Quelle zur Geschichte des antiken Griechenlandes verwenden können. Sie berichten uns von einer Märchenwelt, der wir nicht immer Glauben schenken dürfen. In ihrer Erzählweise verschönern sie das Leben im alten Griechenland. Sie schildern uns das reiche Leben der Adligen und Götter. Durch diesen positivistischen Gedanke könnte man zu den Schluss kommen, die Epen seien so erzählt worden um jenen, die sie hörten, eine Freude zu bereiten.
Die Ilias eines der ältesten schriftlich fixierten Werke Europas, schildert einen Abschnitt des Trojanischen Krieges. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig, heutzutage datiert man die Entstehung ins 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. Das Epos umfasst 24 Bücher bzw. Gesänge, wie diese Abschnitte seit der Übersetzung durch Johann Heinrich Voß bezeichnet werden. Die Ilias beruht auf frühgeschichtlichen Mythen und Erzählungen und wird Homer zugeschrieben (zur Verfasserschaft, auch hinsichtlich der Odyssee.). Die Ilias-Darstellung der Olympischen Götter dürfte erheblich zur Entwicklung einer nationalen griechischen Religion beigetragen haben und prägt bis in die Gegenwart die europäische Kunst- und Geisteswissenschaft.
Gegenstand ist der bereits zehn Jahre währende Trojanische Krieg zwischen Troja und der griechischen Allianz der Achaier. Zentrales Thema der Ilias ist der Zorn, der innerhalb ihres nur 51-tägigen Handlungsverlaufs immer weitere Kreise zieht und dabei Heroen wie auch Götter als unentrinnbares Schicksal ereilt. Den Anfang setzen die Entehrung des Gottes Apollon durch den Raub der Chryseïs und seine Rache an den Achaiern. Als schließlich dem Apollon-Priester Chryses die Tochter zurückgegeben wird, fordert Agamemnon, Oberbefehlshaber der Achaier, Ersatz für seine Beute und gerät so in Konflikt mit Achilleus, der sich in der Folge ebenfalls entehrt sieht und sich aus den Kämpfen zurückzieht. Der „Zorn des Achilleus“ wird zur Klammer des Epos, findet zum Ende hin aber eine neue Ursache. So wendet Achilleus im 19. Gesang die endgültige Niederlage der Achaier durch die öffentliche Versöhnung mit Agamemnon und seinen Wiedereintritt ins Kampfgeschehen ab, um dafür nun dem Zorn auf Hektor nachzugeben, der zuvor seinen besten Freund und Kampfgefährten Patroklos getötet hat. Eine Mäßigung findet Achilleus’ Zorn erst im letzten bzw. 24. Gesang, als er Hektors Leichnam nach 12-tägiger Schändung dessen Vater Priamos zur Bestattung überlässt.
Mythischer Ausgangspunkt für den Trojanischen Krieg ist das Urteil des Paris und dessen Entführung von Agamemnons Schwägerin Helena. Beides wird in der Kypria beschrieben. Die Kenntnis darum wird in der Ilias vorausgesetzt und daher nur einmal kurz angedeutet. Von der List des Odysseus (Trojanisches Pferd) und dem Ende des Trojanischen Krieges wird dann nicht in der Ilias, sondern unter anderem in der Iliu persis des sogenannten Epischen Zyklus erzählt.
Die Ilias zählt zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Die Verwendung als Titel für das noch heute so genannte Werk findet sich zuerst in Herodots Historien (2, 116). Diesem Gebrauch muss eine (nirgendwo belegte) Verbindung wie Ἰλιὰς ποίησις (Ilias poíesis „die sich mit Troja beschäftigende Dichtung“) vorausgegangen sein. Eine syntagmatische Verwendung des Namens findet man vor Herodot schon bei Aischylos, Simonides von Keos und Euripides. Schon Sappho schreibt über die Iliaden. Wann und wieso sich der Name „Ilias“ für ein Werk durchsetzen konnte, das nicht die ganze Geschichte Trojas, nicht einmal den gesamten Trojanischen Krieg, sondern nur eine Episode daraus behandelt, ist unklar; immerhin verwendeten auch die sogenannten kyklischen Epen diesen Rahmen. Vermutlich zeigt sich darin die überragende Stellung, die der Ilias im Vergleich zu den anderen Troja-Dichtungen zugebilligt wurde.
Die Frage nach der Verfasserschaft ist schwierig zu beantworten, da der Autor sein Werk nicht um einen Namen ergänzte. Überliefert ist der Name „Homer“, dem man im 5. Jahrhundert v. Chr. ebenso die Verfasserschaft der Odyssee, der kyklischen Epen, der Trojasage, der Homerischen Hymnen und einiger weiterer Werke zuschrieb. Inwiefern dieser aber an der Ilias gearbeitet hat oder ob sein Name für eine Gruppe mehrerer Bearbeiter steht, ist umstritten.
Für den ersten Fall ergibt sich dann die Frage, inwiefern er zur Ilias beigetragen hat. Strittig ist dabei allerdings schon, was man als „Ilias“ definieren soll. Zur Auswahl stehen dabei der Plot, die poetische Komposition und der Text. Zur heute kaum zu beantwortenden Frage stellt Hermann Fränkel resignierend fest: „Dabei muß die Frage für alle Zeiten offen bleiben, ob Homer, als er die letzte Hand an die Epen legte, viel oder wenig an ihnen geändert hat; ob er ein schöpferischer Geist, ein geschickter Bearbeiter, ein trefflicher Rezitator, ein fleißiger Schreiber – oder vielleicht eben nur der letzte Redaktor war, dem kein Nachfolger mehr den Ehrentitel abnahm.“ Für Aufsehen und heftige Kritik in der Fachwissenschaft sorgte die 2007 von Raoul Schrott aufgestellte These, Homer sei ein Hofschreiber in Kilikien gewesen und nicht im westlichen Kleinasien beheimatet, wie dies in der antiken Literatur vermutet wurde.
Die Frage nach der Datierung der Ilias ist eine der schwierigsten und umstrittensten der Klassischen Philologie– auch in der Antike schwankten die Autoren schon stark, nämlich zwischen dem 13./12. und 7. Jahrhundert v. Chr. Sie hängt stark mit den Homertheorien und der Verfasserschaft zusammen – so ist bisher nicht bewiesen, ob die Ilias über einen längeren oder kürzeren Zeitraum sprachlich geprägt wurde. Sie wird dabei sowohl synchron als auch diachron betrachtet. Seit den Homeriden – einer Gruppe Homer nacheifernder Dichter – wird die Ilias in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. datiert. Auch heute wird dies noch, unter anderem wegen der steigenden archäologischen Funde dieser Zeit, vom größten Teil der Fachwissenschaftler vertreten. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts argumentieren Philologen wie Walter Burkert und Martin West anhand von Werkstellen intensiver für eine spätere Datierung. So wird auch für eine Redaktion zur Zeit des Tyrannen Peisistratos oder bei den alexandrinischen Philologen plädiert. Kritisiert wird dabei auch, dass Bezugnahmen zeitlich der Ilias nahestehender Dichter, Werke oder Kunstgegenstände sich nicht auf den verschriftlichten Text beziehen müssen, sondern sich auch auf mündliche Überlieferungen des Plots beziehen könnten. Sprachliche Argumente für ein höheres Alter der Ilias gegenüber anderen Werken, wie von vielen Forschern angeführt, werden teilweise mittlerweile bestritten.
Eindeutige Bezüge, durch die ein terminus ante quem sicher zu belegen ist, finden sich in literarischer Form erst bei Alkaios von Lesbos um 600 v. Chr. In der Kunst der Antike werden zwar seit 700 v. Chr. Szenen des epischen Kyklos dargestellt, nicht jedoch die 51 Tage der Ilias. Kunstwerke, die dieses Thema darstellen, sind erst seit 625 v. Chr. zu finden. Es könnten natürlich noch frühere Objekte entdeckt werden, die Frage nach der Bezugnahme auf einen schriftlichen Text kann damit allerdings nicht vollständig geklärt werden.
Waffen- und Gegenstandfunde wie auch die erschlossene Kampftechnik sprechen eher für die erste Hälfte des 7 Jh. v. Chr.. Wie oben erwähnt, versucht man anhand von Textstellen den Terminus post quem genauer zu bestimmen – so wird beispielsweise Hom. Il. 9, 381–384 (Beschreibung des hunderttorigen ägyptischen Thebens) von Martin Litchfield West nicht vor 663 v. Chr. datiert, Walter Burkert geht noch früher; Hom. Il. 12, 3–33 aufgrund der Ähnlichkeit zur Zerstörung von Babylons Stadtmauer wird durch West in die Jahre 689/688 v. Chr., der Wiederaufbau in die Jahre 678/677 v. Chr. angesetzt. Letzteres Datum sieht Martin West als Terminus post quem an, und datiert dabei unter der Annahme einer synchronen Verschriftlichung des Textes nach Hesiod (730 bis 660, genauer 680 bis 670 v. Chr.) – welches damit das älteste schriftlich fixierte Werk der griechischen Literatur wäre –, wie dies vor dem vierten Jahrhundert v. Chr. schon der Fall war. Die Ilias enthält laut Ernst Heitsch und Martin West mehrere belegte Zitate und Bezüge aus Hesiods Werken. Die Argumente für eine frühere Datierung aufgrund von Anspielungen auf Mimnermos und Tyrtaios hält West für nicht kräftig. Abschließend werden die Jahrzehnte von 670 bis 640 v. Chr., spezieller die Jahre 660 bis 650 v. Chr. als mögliche Entstehungszeit des Textes angenommen.
Das Werk umfasst 15.693 Verse in 24 Gesängen, die nach dem Einheitsalphabet von Eukleides im Jahr 403 v. Chr. mit griechischen Großbuchstaben gekennzeichnet sind; die Länge der Bücher variiert etwa zwischen 400 und 900 Versen.
Das Zornmotiv, das das ganze Epos durchzieht, tritt aber nur in einigen wenigen der 24 Bücher stärker in den Vordergrund. Achilleus' Zorn entwickelt sich durch Agamemnons Entehrung, weil er sein Beutemädchen Briseïs raubt, um an ihm ein Exempel seiner Macht zu statuieren. Achilleus beugt sich diesem und tritt in den Streik und damit in den Hintergrund der Ilias. So kann der Erzähler im 2. bis 8. Buch Szenen aus früheren Kriegsjahren einbauen und ein erstes Zusammentreffen der Kriegsparteien darstellen. Erst im 9. Buch wird Achilleus wieder angesprochen, da die anderen Achaier erkannt haben, dass sie ohne ihn und seine Kampfgefährten gegen die Trojaner nicht bestehen können.
Da sich Agamemnon für sein Fehlverhalten aber nicht entschuldigen will und Achilleus’ Zorn noch zu groß ist, lehnt er einen Kompromiss ab und stellt sich damit nicht nur gegen Agamemnon, sondern auch gegen die übrigen Achaier. Er beschließt damit den Tod vieler Gefährten, da Zeus den Trojanern gewährt, bis ans Schiffslager der Achaier zu gelangen. Erst danach soll die Schlacht gewendet werden. Bis es dazu kommt, wird durch die Darstellung der Kämpfe um die Mauer vor den Schiffen und durch göttliche Eingriffe zugunsten der Achaier die Geschichte retardiert.
Im 16. Buch erfüllt sich dann Zeus’ Plan, sodass Achilleus Patroklos gewährt, die Trojaner zurückzudrängen. Übermütig greift dieser dann aber die Stadt an und wird unter anderem von Hektor getötet. Der darauffolgende Kampf um dessen Leichnam und die Fertigung neuer Waffen weisen auf die folgenden Bücher hin. Achilleus, entsetzt über den Verlust des Freundes, versöhnt sich dann im 19. Buch mit Agamemnon und stürmt, immer noch zornig, jetzt aber auf Hektor, in die Schlacht. Bis zum finalen Kampf mit diesem im 22. Buch kämpft er allerdings noch gegen einige andere Gegner und sogar Götter. Die endgültige Überwindung seines Zorns findet dann erst nach dem Misshandeln von Hektors Leichnam und Totenspielen für Patroklos’ Feuerbestattung im 24. Buch statt. Dazu muss er erst den Vater seines Erzfeindes – Priamos – kennenlernen, der wie Achilleus einen schweren Verlust erleiden musste.
Menschen wie Götter werden nicht durch äußere Beschreibungen des Erzählers charakterisiert, sondern tun dies durch ihre Reden, die rund 45 % des kompletten Inhaltes einnehmen. Durch Momentaufnahmen können die Personen nur skizziert werden. Der Held versucht sich Ruhm zu erwerben (gemäß dem Spruch des Peleus: „Immer der Beste und den Anderen überlegen sein“), indem er jedes Wagnis im Krieg eingeht, sich tugendhaft verhält oder durch Reden hervortut, und darf dennoch Gefühle zeigen.
Dabei ist er nicht lebensmüde und versucht, dem Tod zu entgehen, indem er den eindeutig stärkeren Gegner meidet und bei einer Siegeschance den Kontrahenten angreift. Des Weiteren kann man Ruhm durch vornehme Reden erlangen – wer gegen diese Kriterien zum Ehrgewinn handelt, wird dafür getadelt und sogar geschlagen. Die adligen Menschen berufen sich zwar darauf, von den Göttern abzustammen, sind aber keine Halbgötter wie die Helden vor ihrer Zeit und werden nicht kultisch verehrt. Den Personen wird dabei gemäß ihrer Königlichkeit auch die Schönheit zugeschrieben – einfache Menschen werden so weniger schön skizziert. Es gibt auffallend viele Statisten und Personennamen, die nur einmal im Werk auftauchen; alle Statisten werden aber dennoch namentlich erwähnt. In der Ilias passiert es dabei nur einmal, dass eine vormals gestorbene Person, Pylaimenes, später noch einmal lebt. Die starke Charakterzeichnung der Figuren, vor allem ihre Probleme, die es in derselben Art und Weise auch heute noch gibt, sind eine der Hauptursachen, weshalb die Ilias über Jahrtausende hinweg aktuell blieb und den Leser bewegte.
Auf trojanischer Seite, die mit ungefähr 50.000 Personen angesetzt wird, kämpfen neben den Trojanern ), die mit Ausnahme von Hom. Il. 2, 819–823 auch Dardaner heißen – dort stellen sie ein Kontingent unter Aineias dar –, vor allem die Lykier), die von Sarpedon und Glaukos angeführt werden. Daraus lässt sich auch das Sprachgewirr erklären, das in der Ilias betont wird
Trotz der Spracheinheit der circa 100.000 bis 120.000 Griechen werden die Gegner der Trojaner mal Achaier, mal Danaer oder Argeier genannt, je nachdem welches Wort nötig ist, um einen kompletten Hexameter zu bilden. Der Name „Hellene“ wird in der Ilias nicht für das gesamte Kontingent der Achaier verwendet, sondern nur für die Bewohner eines Gebietes, das von Achilleus’ Vater Peleus beherrscht wird. Die gesamtgriechische Verwendung tritt in Hesiods Werke und Tage auf. Die Bedeutung der „Panhellenen“ neben den Achaiern im zweiten Buch der Ilias ist dabei umstritten.
„Die Geschichte vom Groll des Achilleus konnte erzählt werden, fast ohne über die Götter zu sprechen. Fast – aber nicht ganz.“, so schreibt Walter Bröcker über die Götter, Gustav Adolf Seeck dagegen: „Die Götter sind bei Homer fast ohne religiöse Bedeutung, aber sie sind ein wichtiges erzählerisches Mittel; denn […] durch ihre Eingriffe läßt sich eine Erzählung bequem steuern und strukturieren.“ In der Ilias werden die Götter der griechischen Mythologie wie die Menschen vom Autor gezeichnet (allwissender Erzähler) – er gibt ihre Taten, Pläne und Absichten durch die Inspiration der Musen wörtlich wieder. Stellenweise symbolisieren die Götter die Gedankengänge der Menschen – die Menschen können dabei die Intensität der Beeinflussung bestimmen.
Die Menschen erkennen zwar die Götter in der Regel nicht, sehen in ihnen aber die Kausalität für erwünschte und unerwünschte Ereignisse. Dabei unterscheiden sich die Götter von den Menschen nur durch ihre Unsterblichkeit und ihren höheren Einfluss, den sie zum Teil durch die Verwandlung in Menschen präsentieren, – die endgültige Entscheidung liegt bei ihnen–, doch auch sie sind noch vom Schicksal beziehungsweise dem Autor abhängig. Sie handeln dabei willkürlich und parteiisch, lügen und betrügen, und benehmen sich so keineswegs vorbildhaft. Dieses götterkritische Bild wird später von den antiken Philosophen aufgegriffen. Ihre allzu menschlichen Verfehlungen, die Streite und Liebesabenteuer sind einer der Gründe, wieso der Leser sich in die iliadische Welt hineinversetzen konnte. Zwar ist jeder Gott auch ein für den Menschen nicht erklärliches Abstraktum, muss sich dieser aber nicht verpflichten. Auffällig ist auch, dass die Götter zurückhaltend – vor allem den Freunden zur Seite stehend und den Feinden sich entgegenstellend – agieren und so weder Tote wiederauferstehen noch ganze Städte auf einmal zerstört werden können,
Wolfgang Kullmann schreibt, dass ihre Aktivitäten noch eingeschränkter seien: „Das Eingreifen der Götter in der Ilias dient nicht eigentlich einer Änderung der Situation, sondern verleiht nur dem eigenen Handeln der Menschen […] in wichtigen Augenblicken eine erhöhte Bedeutsamkeit.“ Auf trojanischer Seite stehen vor allem Aphrodite, Apollon und Ares, auf griechischer Athene, Hera, Hephaistos und Poseidon. Typisch für die Ilias sind Personifikationen von Dingen wie Schlaf, Traum, Tod usw., aber auch von Flüssen, Winden und Ähnlichem.
Obwohl nur 15 Tage und 5 Nächte vom Beginn des zehnten und letzten Kriegsjahres ausführlich dargestellt werden, geht der Erzähler auch auf die vorherigen und nachfolgenden Ereignisse ein. Der Rezipient der Werke war wohl mit dem Rahmen des Epos vertraut und musste nur durch einzelne Hinweise daran erinnert werden. Er retardiert die Geschichte durch Erzählungen (wie von Familienstammbäumen und Lebensgeschichten), hinzugefügte Hintergrundinformationen oder Alternativgeschichten.
Zurückliegende Ereignisse können über Berichte der Menschen oder Götter nachgereicht werden, so wird unter anderem im ersten Buch der Ilias von Zeus’ Plan zur Reduzierung der Menschheit berichtet. Ebenso werden zurückliegende Ereignisse per Analepse in die späteren Kriegsjahre vorverlegt. So finden beispielsweise die Verkündung vom Eintreffen des größten Heeres aller Zeiten und die Teichoskopie– die Mauerschau, in der Trojas König Priamos das griechische Heer zum ersten Mal herankommen sieht – sicherlich nicht erst im zehnten Kriegsjahr statt.
Nachfolgende Ereignisse werden zum Teil in Prophezeiungen per Prolepse verkündet[– so zum Beispiel das Ende des Zornes vom Gott Apollon. Auch sterbende oder gestorbene Personen können Vorankündigungen tätigen – so verkünden kurz vor ihrem Tod Patroklos Hektors nahen Tod und Hektor Achilleus’ Ende am Skäischen Tor vor Ilios. Patroklos begegnet nach seinem Tod Achilleus im Traum und berichtet ihm, dass er bald sterben werde. Bezüge auf den Untergang Ilios’ sind eng mit Hektors Tod verbunden. Insgesamt gibt es über 60 solcher Verweise der Ilias auf den Rahmen des epischen Kyklos.
Unklar bleibt dennoch, wieso das Epos in solch kurzer Zeit im zehnten Kriegsjahr dargestellt wird. Die Ilias ist im Gegensatz zur mehrere Erzähllinien verschränkenden Odyssee eher linear aufgebaut: Es wird nur ein einziges Motiv, der „Zorn des Achilleus'“, gewählt – dies ist für das frühgriechische Epos einzigartig. Die eingeschobenen Rückblicke treten dabei vorwiegend in der ersten Hälfte des Epos’ auf, Vorausblicke im zweiten Teil.
Die Sprache der Ilias wurde niemals im Alltag gesprochen und war für den Hörer und Leser nicht leicht verständlich. Sie wurde wohl mündlich mit formelhaften Wendungen und Wiederholungen konzipiert, um den Inhalt besser in den Hexameter einpassen zu können. Dafür waren metrische Lizenzen wie die metrische Dehnung, metrische Zerdehnung oder Synizese (Verschmelzung zweier Vokale zu einem einzigen gesprochenen) notwendig, üblich sind auch Enjambements. Die Methodik wurde von allen folgenden griechischen Epen bis in die Spätantike übernommen und um neue Vokabeln und Formen erweitert. Sie hatte auch merklichen Einfluss auf Epigramme, die Elegie, Lyrik und Tragödie, und sogar auf prosaische Autoren wie Herodot.
Grunddialekt der Ilias ist Ionisch, der um äolische, attische und ältere (möglicherweise achaiische, arkado-kyprische oder mykenische) Formen bereichert wird. Jüngere und ältere Formen stehen dabei nebeneinander – stellen aber nicht das Ende der epischen Tradition dar. Spätere Umdeutungen und Missverständnisse, sowie Katachrese sind aber ebenso zu beobachten. Manche Fügungen gehen bis zur indogermanischen Dichtersprache zurück. Dabei werden auch Dualformen verwendet.
Menschen wie Götter werden nicht durch äußere Beschreibungen des Erzählers charakterisiert, sondern tun dies durch ihre Reden, die rund 45 % des kompletten Inhaltes einnehmen. Durch Momentaufnahmen können die Personen nur skizziert werden. Der Held versucht sich Ruhm zu erwerben (gemäß dem Spruch des Peleus: „Immer der Beste und den Anderen überlegen sein“), indem er jedes Wagnis im Krieg eingeht, sich tugendhaft verhält oder durch Reden hervortut, und darf dennoch Gefühle zeigen.
Dabei ist er nicht lebensmüde und versucht, dem Tod zu entgehen, indem er den eindeutig stärkeren Gegner meidet und bei einer Siegeschance den Kontrahenten angreift. Des Weiteren kann man Ruhm durch vornehme Reden erlangen – wer gegen diese Kriterien zum Ehrgewinn handelt, wird dafür getadelt und sogar geschlagen. Die adligen Menschen berufen sich zwar darauf, von den Göttern abzustammen, sind aber keine Halbgötter wie die Helden vor ihrer Zeit und werden nicht kultisch verehrt. Den Personen wird dabei gemäß ihrer Königlichkeit auch die Schönheit zugeschrieben – einfache Menschen werden so weniger schön skizziert. Es gibt auffallend viele Statisten und Personennamen, die nur einmal im Werk auftauchen; alle Statisten werden aber dennoch namentlich erwähnt. In der Ilias passiert es dabei nur einmal, dass eine vormals gestorbene Person, Pylaimenes, später noch einmal lebt. Die starke Charakterzeichnung der Figuren, vor allem ihre Probleme, die es in derselben Art und Weise auch heute noch gibt, sind eine der Hauptursachen, weshalb die Ilias über Jahrtausende hinweg aktuell blieb und den Leser bewegte.
Auf trojanischer Seite, die mit ungefähr 50.000 Personen angesetzt wird, kämpfen neben den Trojanern ), die mit Ausnahme von Hom. Il. 2, 819–823 auch Dardaner heißen – dort stellen sie ein Kontingent unter Aineias dar –, vor allem die Lykier), die von Sarpedon und Glaukos angeführt werden. Daraus lässt sich auch das Sprachgewirr erklären, das in der Ilias betont wird
Trotz der Spracheinheit der circa 100.000 bis 120.000 Griechen werden die Gegner der Trojaner mal Achaier, mal Danaer oder Argeier genannt, je nachdem welches Wort nötig ist, um einen kompletten Hexameter zu bilden. Der Name „Hellene“ wird in der Ilias nicht für das gesamte Kontingent der Achaier verwendet, sondern nur für die Bewohner eines Gebietes, das von Achilleus’ Vater Peleus beherrscht wird. Die gesamtgriechische Verwendung tritt in Hesiods Werke und Tage auf. Die Bedeutung der „Panhellenen“ neben den Achaiern im zweiten Buch der Ilias ist dabei umstritten.
„Die Geschichte vom Groll des Achilleus konnte erzählt werden, fast ohne über die Götter zu sprechen. Fast – aber nicht ganz.“, so schreibt Walter Bröcker über die Götter, Gustav Adolf Seeck dagegen: „Die Götter sind bei Homer fast ohne religiöse Bedeutung, aber sie sind ein wichtiges erzählerisches Mittel; denn […] durch ihre Eingriffe läßt sich eine Erzählung bequem steuern und strukturieren.“ In der Ilias werden die Götter der griechischen Mythologie wie die Menschen vom Autor gezeichnet (allwissender Erzähler) – er gibt ihre Taten, Pläne und Absichten durch die Inspiration der Musen wörtlich wieder. Stellenweise symbolisieren die Götter die Gedankengänge der Menschen – die Menschen können dabei die Intensität der Beeinflussung bestimmen.
Die Menschen erkennen zwar die Götter in der Regel nicht, sehen in ihnen aber die Kausalität für erwünschte und unerwünschte Ereignisse. Dabei unterscheiden sich die Götter von den Menschen nur durch ihre Unsterblichkeit und ihren höheren Einfluss, den sie zum Teil durch die Verwandlung in Menschen präsentieren, – die endgültige Entscheidung liegt bei ihnen–, doch auch sie sind noch vom Schicksal beziehungsweise dem Autor abhängig. Sie handeln dabei willkürlich und parteiisch, lügen und betrügen, und benehmen sich so keineswegs vorbildhaft. Dieses götterkritische Bild wird später von den antiken Philosophen aufgegriffen. Ihre allzu menschlichen Verfehlungen, die Streite und Liebesabenteuer sind einer der Gründe, wieso der Leser sich in die iliadische Welt hineinversetzen konnte. Zwar ist jeder Gott auch ein für den Menschen nicht erklärliches Abstraktum, muss sich dieser aber nicht verpflichten. Auffällig ist auch, dass die Götter zurückhaltend – vor allem den Freunden zur Seite stehend und den Feinden sich entgegenstellend – agieren und so weder Tote wiederauferstehen noch ganze Städte auf einmal zerstört werden können,
Wolfgang Kullmann schreibt, dass ihre Aktivitäten noch eingeschränkter seien: „Das Eingreifen der Götter in der Ilias dient nicht eigentlich einer Änderung der Situation, sondern verleiht nur dem eigenen Handeln der Menschen […] in wichtigen Augenblicken eine erhöhte Bedeutsamkeit.“ Auf trojanischer Seite stehen vor allem Aphrodite, Apollon und Ares, auf griechischer Athene, Hera, Hephaistos und Poseidon. Typisch für die Ilias sind Personifikationen von Dingen wie Schlaf, Traum, Tod usw., aber auch von Flüssen, Winden und Ähnlichem.
Obwohl nur 15 Tage und 5 Nächte vom Beginn des zehnten und letzten Kriegsjahres ausführlich dargestellt werden, geht der Erzähler auch auf die vorherigen und nachfolgenden Ereignisse ein. Der Rezipient der Werke war wohl mit dem Rahmen des Epos vertraut und musste nur durch einzelne Hinweise daran erinnert werden. Er retardiert die Geschichte durch Erzählungen (wie von Familienstammbäumen und Lebensgeschichten), hinzugefügte Hintergrundinformationen oder Alternativgeschichten.
Zurückliegende Ereignisse können über Berichte der Menschen oder Götter nachgereicht werden, so wird unter anderem im ersten Buch der Ilias von Zeus’ Plan zur Reduzierung der Menschheit berichtet. Ebenso werden zurückliegende Ereignisse per Analepse in die späteren Kriegsjahre vorverlegt. So finden beispielsweise die Verkündung vom Eintreffen des größten Heeres aller Zeiten und die Teichoskopie– die Mauerschau, in der Trojas König Priamos das griechische Heer zum ersten Mal herankommen sieht – sicherlich nicht erst im zehnten Kriegsjahr statt.
Nachfolgende Ereignisse werden zum Teil in Prophezeiungen per Prolepse verkündet[– so zum Beispiel das Ende des Zornes vom Gott Apollon. Auch sterbende oder gestorbene Personen können Vorankündigungen tätigen – so verkünden kurz vor ihrem Tod Patroklos Hektors nahen Tod und Hektor Achilleus’ Ende am Skäischen Tor vor Ilios. Patroklos begegnet nach seinem Tod Achilleus im Traum und berichtet ihm, dass er bald sterben werde. Bezüge auf den Untergang Ilios’ sind eng mit Hektors Tod verbunden. Insgesamt gibt es über 60 solcher Verweise der Ilias auf den Rahmen des epischen Kyklos.
Unklar bleibt dennoch, wieso das Epos in solch kurzer Zeit im zehnten Kriegsjahr dargestellt wird. Die Ilias ist im Gegensatz zur mehrere Erzähllinien verschränkenden Odyssee eher linear aufgebaut: Es wird nur ein einziges Motiv, der „Zorn des Achilleus'“, gewählt – dies ist für das frühgriechische Epos einzigartig. Die eingeschobenen Rückblicke treten dabei vorwiegend in der ersten Hälfte des Epos’ auf, Vorausblicke im zweiten Teil.
Die Sprache der Ilias wurde niemals im Alltag gesprochen und war für den Hörer und Leser nicht leicht verständlich. Sie wurde wohl mündlich mit formelhaften Wendungen und Wiederholungen konzipiert, um den Inhalt besser in den Hexameter einpassen zu können. Dafür waren metrische Lizenzen wie die metrische Dehnung, metrische Zerdehnung oder Synizese (Verschmelzung zweier Vokale zu einem einzigen gesprochenen) notwendig, üblich sind auch Enjambements. Die Methodik wurde von allen folgenden griechischen Epen bis in die Spätantike übernommen und um neue Vokabeln und Formen erweitert. Sie hatte auch merklichen Einfluss auf Epigramme, die Elegie, Lyrik und Tragödie, und sogar auf prosaische Autoren wie Herodot.
Grunddialekt der Ilias ist Ionisch, der um äolische, attische und ältere (möglicherweise achaiische, arkado-kyprische oder mykenische) Formen bereichert wird. Jüngere und ältere Formen stehen dabei nebeneinander – stellen aber nicht das Ende der epischen Tradition dar. Spätere Umdeutungen und Missverständnisse, sowie Katachrese sind aber ebenso zu beobachten. Manche Fügungen gehen bis zur indogermanischen Dichtersprache zurück. Dabei werden auch Dualformen verwendet.
Die Ilias ist periodisch im stichischen (das heißt aneinandergereihten), katalektischen daktylischen Hexameter gebaut. Ein Vers wird dabei aus sechs Daktylen (eine lange Silbe und zwei kurze Silben gebildet, wobei der letzte Versfuß um eine Silbe gekürzt wird (Katalexe). Alle Doppelkürzen können durch eine Länge ersetzt werden, sodass aus einem Daktylus ein Spondeus (——) wird. Im letzten Halbvers können eine Länge oder eine Kürze vorkommen.
Für Wortenden gibt es spezielle Plätze im Hexameter. Im Versfuß heißen diese Pause Zäsur, am Ende des Metrums Dihärese. Sogenannte Brücken verbieten ein Wortende – dies ist häufig der Fall im vierten Daktylus.
Die homerische Sprache besteht nicht aus einzelnen Wörtern, sondern aus Wortverbindungen, sogenannten Formeln, die sich häufig im letzten Drittel des Hexameters finden lassen beziehungsweise die Zäsuren des Hexameters füllen. Schon den antiken Interpreten fielen anscheinend formelhafte Adynata (Unmöglichkeiten) auf, die sie zu interpretieren versuchten. Edzard Visser geht schließlich von einer in jedem Vers von neuem vorgehenden Setzung von „Determinanten“ aus, durch deren Ausfüllung mit Epitheta jeder Hexameter gebaut werden kann. Auf solche Formeln kann der Rezitator bei der Improvisation zurückgreifen. Deshalb ist die Datierung einzelner, auch größerer Textabschnitte anhand von Einzelwörtern bedenklich. Man nimmt an, dass die Formelhaftigkeit schon aus mykenischer Zeit stammen könnte.
Insgesamt gibt es bei Homer laut Carl Eduard Schmidt 1804 sich wiederholende Verse, die insgesamt 4730-mal im identischen Wortlaut vorkommen. Ähnliche Verse, bei denen sich größere Teile wiederholen, gäbe es 5605 – dabei kann der Sinn durch das Ändern eines Wortes komplett gedreht werden. Nur einmal vorkommende Wörter gibt es in der Ilias 1097. Zu den häufigsten Motiven von epischen Formeln zählen laut Walter Diehl Opfer, Mahl, See- und Wagenfahrt, Botengang, Bad, Versammlung und Rüstung.
Als Epitheton wird in der klassischen Philologie gemeinhin ein Beiname bezeichnet, der nicht situationsgebunden sein muss, wie schon Aristarchos von Samos im 3. Jahrhundert v. Chr. feststellte, sondern sich in den Hexameter einpasst – so kann Achilleus auch fußschnell sein, wenn er gerade sitzt. Häufig wird der Name eines Gottes am Ende eines Hexameter – einer ausdrucksstarken Position – um ein Epitheton ergänzt. Daraus ergibt sich meist eine epische Formel, von der es pro metrischer Struktur häufig nur eine gibt; auffallend häufig finden sich hier Archaismen
Die Gleichnisse in der Ilias können Vorgänge präzisieren, für die dem Autor passende Vokabeln – wie etwa „Gefahr“, „Mühelosigkeit“ oder Begriffe aus dem Bereich der Wettererscheinungen – zur Beschreibung fehlen, oder das rahmenhafte Kriegsgeschehen der Ilias dem friedlichen Leben gegenüberstellen. Diese Vergleiche bieten dem heutigen Leser einen Einblick in die Welt von vor etwa dreitausend Jahren und lassen ihn Ähnlichkeiten und Unterschiede zu seiner eigenen Welt erkennen. Die Gleichnisse verdeutlichen, indem sie Übersichtlichkeit oder Übertreibung, aber auch ästhetische Verstörung bewirken, die Anschaulichkeit oder Empfindung der Situation, indem sie die Wahrnehmungen des Rezipienten verstärken.
Sie sind generell dreiteilig aufgebaut: Über ein Stichwort wird zunächst ein Wie-Vergleich eingeleitet, um dann im So-Abschnitt das Stichwort näher zu erklären und zur Erzählstruktur zurückzuführen; stellenweise zeichnen sich so ganze Vergleichslinien ab. Oft wird dabei mehr als ein Vergleichspunkt (tertium comparationis) verwendet, um das Abstraktum anschaulicher darzustellen. Häufig ist die Anzahl der Vergleichspunkte proportional zur Länge des Gleichnisses, wobei sich bei den größeren Gleichnissen die Kernaussage der kleineren wiederfindet. Manche Gleichnisse können den eigentlich erwarteten Vergleichspunkt im So-Abschnitt aussparen oder um Neues erweitern; auch das Gegenteil ist möglich. Die Sprache der Gleichnisse ist häufig jünger als der sie umgebende Text.
Der Umfang der Gleichnisse schwankt dabei erheblich: So ist das längste Gleichnis 29 Verse lang, die kürzesten einen Vers. Typische Themen für Gleichnisse sind das Hirtenmotiv und Naturschauspiele: Hermann Fränkel kategorisiert die Gleichnisse bezogen auf „Naturgewalten“ (wie den Sturm, das Meer, die Wolken als Bild für das Volk, Berge und Felsen usw.), „Bäume und Pflanzen“ (die Fällung des Baumes durch einen Zimmermann, Blätter usw.); „Feldbau“ (das Niedermähen des Getreides, das Saatfeld, das Pflügen usw.), „Gestirne, Blitz und Feuer“ (ein Stern, der Mond, Blitze, Feuer usw.), „physikalische, technische und Maßvergleiche“ (beispielsweise „schnell wie der Wind“, die „stehende Schlacht“), „Raubtierschilderungen und Jagdbilder“ (Löwe, Wildschwein, Eber, Schlange, Panther, Hirsche usw.), „Tierhorden und Herden“ (beispielsweise Fliegen, Vögel oder Bienen- und Wespenschwärme, Wölfe, Hirten und Herde), „Einzeltiere“ (wie Pferde, Raubvögel, Zikaden, Stiere, Esel, Hunde und Würmer), „Wasserleben“, wozu Fränkel Möwen, Polypen und Fische zählt, „Frau, Kind und Familie bei Mensch und Tier“ (Weib, Witwe, (Löwen-)Vater, Mutter) und „Götter“, deren Gleichnisse selten sind und dann vorwiegend als kurze Vergleiche auftreten. In der Ilias gibt es mehr Gleichnisse als in der Odyssee. Die Anzahl der Gleichnisse hängt von deren Definition ab; so zählt Hermann Fränkel 389 größere und 138 kleine Gleichnisse.
Typisch für Epen sind ebenso Ekphraseis, also Beschreibungen von Gegenständen. Das größte Beispiel für die Ilias ist im 18. Buch die Beschreibung von Achilleus’ neuem Schild, den Hephaistos für ihn schmiedet. Daneben ist Agamemnons Rüstungszene vor dessen Aristie zu erwähnen.
Im Gegensatz zur Odyssee befinden sich in der Ilias für die spätere Zeit typische Kataloge von Personen- und Gegenstandsnamen. Neben dem Myrmidonenkatalog und dem Nereïdenkatalog in den späteren Gesängen der Ilias sind hier der sogenannte Schiffskatalog der Achaier und die Aufzählung der Kontingente der Trojaner zu nennen, die rund die Hälfte des zweiten Buches belegen.
Eingeleitet durch einen Musenanruf werden in über 250 Versen systematisch die Anführer der 1186 Schiffe mit Patronymikon angegeben. Dabei werden, fast ausschließlich im Vergleich, die Heimatorte der Kontingente und die Anzahl der Schiffe angegeben. Für die Schiffe der Böoter und das Kontingent von Philoktet wird auch die Anzahl der Besatzung mit 120 beziehungsweise 50 Mann angegeben.Vermutlich stehen sie für die größte und kleinste Anzahl. In der Mitte der Reihe steht das Schiff des Odysseus, an den Rändern die von Achilleus und dem großen Aias. Die Aufzählung folgt dabei einem ganz bestimmten Schema und erwähnt auch Orte, die nach circa 1100 v. Chr. nicht mehr existierten. Die allgemein sprachlich junge Passage könnte ursprünglich nicht für die Ilias, sondern für zum Beispiel die Abfahrt von Aulis konzipiert und später ergänzt worden sein – die mittelalterlichen Handschriften D, T, R, G und O, sowie ein Papyrus lassen den Schiffskatalog sogar weg. So sind neben der euhemeristischen Darstellung von Asklepios und dem ausführlichen Bericht der sonst in der Ilias wenig agierenden Böoter vor allem die zwei Verse zum großen Aias zu nennen, die neben dem fehlenden Patronym durch ihre Kürze und das Erwähnen ihres Stellplatzes auffallen. Bei keiner anderen Flotte wird dies getan. Die Interpretation geht so weit, dass dieser Vers eingefügt wurde, um Athens Anspruch auf Salamis, dessen Anführer der große Aias hier war, gegenüber Megara zu manifestieren. Diese Interpolation ist zwar schon in der Antike unter anderem Dieuchidas und Hereas aufgefallen, doch war es ihnen nicht möglich, eine Änderung des Textes zugunsten Athens mit einer anderen Iliasausgabe aufzudecken.
Die Inhalte des Epos wurden wohl in bestimmten Einheiten entwickelt und von Aöden an Fürstenhöfen oder auf Festen mit mehr als 20.000 Zuschauern nach einem einleitenden Hymnos aus dem Gedächtnis vorgetragen – in der Ilias ist dies nur einmal, hier zur eigenen Unterhaltung bezeugt. Für das Panathenäenfest ist die Rezitation der Ilias seit Hipparchos um 520 (wohl 522) v. Chr. belegt. Alle vier Jahre wurden die Epen komplett, vermutlich an drei bis vier Tagen vorgetragenund wurden schließlich als Schullektüre aufgenommen– inwiefern die athenischen Bürger die Möglichkeit hatten, bei Grammatiklehrern zu lernen, ist dabei allerdings ungewiss.
Ebenso wie die Verfasserschaft und Datierung umstritten sind, ist die Forschung auch über die Verschriftlichung uneinig – möglicherweise gab es im 8. Jahrhundert v. Chr. noch keinen geeigneten Stoff, um die Ilias festzuhalten, möglicherweise nutzten die Rhapsoden Notizzettel mit einem Überblick über die Epen für ihren Vortrag. Für das Diktieren des Textes sprechen zum Beispiel Albert Lord, für eine eigenhändige Verschriftlichung Joachim Latacz, Richard Janko und Uvo Hölscher. Aufgekommen ist die Ablehnung der Schriftlichkeit zuerst bei Christian Gottlob Heyne im Jahre 1789. Heitsch fasst die Situation wie folgt zusammen: „Für alle […] Positionen lassen sich Gründe anführen, und alle […] werden heute denn auch vertreten – jeweils natürlich unter Vernachlässigung oder Verharmlosung der Gegenargumente.“ Auch eine Peisistratische Redaktion wird von der Forschung angenommen. Porphyrios überliefert uns, dass Theagenes von Rhegion als erster Homer ethisch korrekt gedeutet haben soll. Mit der Verschriftlichung des Textes war es nicht mehr möglich, den Inhalt drastisch zu ändern – bei Platon oder Aischines finden sich aber noch größere Abweichungen von dem uns überlieferten Text. Dies wirkte sich insofern auch auf den Vortrag aus, dass im Sprechvers rezitierende Rhapsoden die früher improvisierenden Aöden ablösten. Erst seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. setzt sich die Lektüre per Buch durch. Laut Ernst Heitsch ist uns aufgrund sprachlicher Auffälligkeiten dabei ein attisches Exemplar überliefert, das wohl erst im 6. Jahrhundert v. Chr. verfasst wurde.
Rund 1500 Textausschnitte (und 130 verarbeitende Werke) zur Ilias auf Papyrus sind uns seit circa 300 v. Chr. bekannt (geschrieben wurden sie bis ins 7. Jahrhundert n. Chr.), viele Funde wurden allerdings bisher weder veröffentlicht noch entziffert. Der größte Teil stammt aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. Die Papyri nach circa 150 v. Chr. weichen von den uns erhaltenen mittelalterlichen Handschriften oft nur wenig ab – ein Papyrus aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. beinhaltet aber zum Beispiel von rund 90 Versen des achten Buches 30 zusätzliche, der Durchschnitt an ergänzten Versen liegt bei ungefähr 10 %. Ursache dafür ist vermutlich der von Aristarchos vereinheitlichte Text. Dennoch gab es wohl kein Homerstaatsexemplar, wie es bei den Tragikern der Fall war. Die Papyri können dabei wenige Buchstaben bis mehrere Bücher aufnehmen, wobei die Bücher Eins und Zwei häufiger als der Rest repräsentiert sind; einzelne Textstellen sind auf Papyrus nicht überliefert.
Sehr wichtig für die Überlieferung der Homer zugeschriebenen Epen sind die Bearbeitungen der Leiter der Bibliothek von Alexandria Zenodotos von Ephesos, Aristophanes von Byzanz und Aristarchos von Samothrake (sowie später Eratosthenes von Kyrene) seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. Die drei Philologen beschäftigten sich als erste kritisch mit dem homerischen Text und schrieben neben Textausgaben zu den ihnen aufgefallenen Stellen auch Scholienkommentare. Letztere spalten sich auf in Sachkommentare über ein bestimmtes Sach- oder Sprachproblem und Zeilenkommentare, sogenannte Hypomnemata, die Vers für Vers einen Text beleuchten und verderbte Stellen entfernen (wie später auch Apollodor von Athen). Die alexandrinische Schule beschäftigte sich mehr mit letzteren Kommentaren – hier ist vor allem Aristarchos von Samothrakes Arbeit zu nennen –, die pergamonische mit Sachkommentaren. Aristarchos verwandte neben weiteren Handschriften auch Zenodotos’ Ausgabe. Weder die Kommentare noch die Textausgaben sind uns vollständig überliefert, doch über Werke von Grammatikern und Philosophen, sowie Interlinearscholien in Homerhandschriften [Textbemerkungen zwischen den einzelnen Zeilen von Originaltexten] ist uns deren Arbeit erhalten – gesammelt wurden diese von Hartmut Erbse und Helmut van Thiel.
Die Arbeit wurde vor allem von Aristonikos (über die kritischen Zeichen, die Aristarchos und seine Vorgänger zur Markierung des Textes verwandten), Didymos Chalkenteros („Über die Aristarchosausgabe [Homers]“; er verwandte wohl außerdem die Ausgaben von Euripides dem Jüngeren– Euripides des Älteren Sohn oder Neffe –, Antimachos von Kolophon, Sosigenes aus Alexandria und Philemon), Nicanor Stigmatias (über Aristarchos’ Akzentuierung des Homertextes) und Ailios Herodianos (über Aristarchos’ Interpunktion) fortgesetzt, kommentiert und in vermutlich frühbyzantinischer Zeit des 10. Jahrhunderts zu einem Kommentar, dem sogenannten Viermännerkommentar, zusammengefasst. Diese philologische Arbeit ist die Grundlage für die wichtigste Homerhandschrift, den Venetus A.
Angeregt durch Photios I. wurde im Byzantinischen Reich des 9. Jahrhunderts sich wieder intensiver mit Literatur beschäftigt – so gibt es schon in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Iliasfragmente im St. Katharinenkloster auf dem Sinai und ein Worterklärungsbuch inklusive weiterer Hintergrundinformationen. Im nächsten Jahrhundert wurde dort die schon oben erwähnte Venetus-A-Handschrift verfasst, die zusätzlich noch Rand- und Interlinearscholien, untere anderem des Viermännerkommentares beinhalten.
Über 200 Kodizes aus dem Mittelalter und der Renaissance sind seit dem 9. Jahrhundert (Handschrift Z) bekannt. Die erste Handschrift, die den kompletten Text der Ilias wiedergibt, findet sich im 10. Jahrhundert. Aufgrund der guten Überlieferung und der damit verbunden Vielzahl an Handschriften ist eine lückenlose Auflistung derselben unwahrscheinlich. 1488 wurde durch Demetrios Chalkokondyles in Florenz die editio princeps auf Basis mehrerer heute verschollener, ungenauer Handschriften veröffentlicht, 1566 in Paris Henricus Stephanus' wichtige Ausgabe unter dem Titel Poetae Graeci Principes Heroici Carminis. Nach 1700 erschienen die ersten, noch in lateinischer Sprache verfassten Homerkommentare von Joshua Barnes (Cambridge 1711) und Samuel Clarke (London 1729 bis 1740). Nach der Publikation des Venetus’ A durch Jean-Baptiste Gaspard d’Ansse de Villoison (1788; 1781 entdeckt) veröffentlichte Friedrich August Wolf sein wegweisendes Buch Prolegomena ad Homerum sive de Operum Homericorum prisca et genuina forma 1795, welches laut Joachim Latacz als erstes Artistarchos’ Werk überbieten konnte. 1802 veröffentlichte Christian Gottlob Heyne seine Textedition der Ilias, die den größten Fortschritt seit der Entdeckung des Digammas von Richard Bentley 1713 darstellte.
Wegweisend für die Homerkommentierung war und ist das Werk von Ameis-Hentze (-Cauer) (für die Ilias 1868 bis 1886 [ergänzt bis 1913]), im englischsprachigen Raum der Kommentar von Walter Leaf (1886), der auf Ameis-Hentze(-Cauer)s Kommentar basiert. Letzterer wurde von einem Kommentar von Geoffrey Stephen Kirk und Kollegen (1985 bis 1993 für die Ilias) abgelöst, der den heutigen Forschungsstand präsentiert. Aufgrund der Spaltung zwischen der englisch- und deutschsprachigen Homerkommentierung nach den Arbeiten von Parry und Lord beschränkt sich dieser Kommentar vorwiegend auf die englischsprachige Forschung.
Um auch die deutschsprachige Homer- und vor allem Iliasforschung aktuell zu halten, erarbeiten Joachim Latacz und Kollegen den sogenannten Basler Homer-Kommentar. Nach der noch heute zuverlässigen Textedition von Arthur Ludwich (Leipzig 1902–1907, Nachdruck Stuttgart/Leipzig 1995), ist Tomas W. Allens editio maior („Hauptedition“, Oxford 1930) hervorzuheben, in der viele Handschriften, zum Teil aber nur auszugsweise zitiert werden. Neben dieser editio maior gehören Allens Ausgabe mit David Binning Monro (1902), sowie die 1995 von Helmut van Thiel und die 1998/2000 von Martin Litchfield West erschienenen zu den verbreitetsten modernen Ausgaben.
Im 19. Jahrhundert war sich die archäologische Forschung einig, dass der historische Hintergrund des Trojanischen Krieges nicht mehr fassbar sei, Archäologen stellten Vermutungen über zentralgriechische Orte, aber zum Beispiel auch Bunarbaschi oder Bali-Dagh auf. Erst Heinrich Schliemanns Ausgrabungen ab 1870 in Hissarlik änderten die philologische Ansichten – Franz Kauffer und Edward Daniel Clarke hatten zuvor (1787 bzw. 1801) den Ort bestimmt, John Brunton und Frank Calvert mit Ausgrabungen begonnen. Die Grabungen wurden nach Schliemanns Tod durch Wilhelm Dörpfeld, Carl Blegen und Manfred Korfmann fortgeführt. Während Blegen die Zerstörung von Troia VIIa noch um 1260 v. Chr. datierte, schwanken aktuellere, nach neueren Keramikuntersuchungen vorgenommene Datierungen zwischen dem frühen 12. Jahrhundert und dem frühen 11. Jahrhundert v. Chr.
Die Angaben, die in seinem Werk über die Lage und das Aussehen Troias gemacht werden, sind ungenau und ihre Anzahl ist beschränkt, aber dennoch für die Archäologie von Wert, wenn es darum geht, Homers Troia zu finden. Die Lage der Stadt beschreibt der Dichter bei dem Fluss Skamandros. So spricht Homer von einer gewaltigen Mauer, die die Stadt umgibt und von den Göttern erbaut worden sei, und von einem Turm, von dem aus die Troianer das Kampfgeschehen in der Ebene verfolgen. Dieser Turm ist bei einem der Tore errichtet, dem Skäischen Tor, das den Zugang von der Ebene her erlaubt. Durch dieses Tor erreichen die troianischen Kämpfer das Schlachtfeld. Das andere Tor, das Dardanische Tor, öffnet sich geschützt auf der Hinterseite der Stadt zum Idagebirge. In der Ilias versucht Hektor bei seinem Kampf mit Achill dorthin zu gelangen. Das Innere Troias soll nach Homer ein Athena-Tempel und ein Tempel des Gottes Apollon, sowie ein Zeus-Altar auf dem Gelände des Königspalastes, schmücken. Neben dem Königspalast werden auch die Paläste der Prinzen genannt. Somit gleicht die Stadt, deren Gebäude durch breite Straßen verbunden sind, einem Herrschersitz.
Auch Heinrich Schliemann, der von sich selbst sagte, die Ausgrabung Troias sei schon in seiner Kindheit sein Traum gewesen, stützte sich auf Homers Aussagen. Obwohl im 19. Jahrhundert, in dem Schliemann lebte, bekannt war, dass man in der Antike den Hügel Hisarlik an den Dardanellen für „Homers Troia“ hielt, wurde dies allgemein bezweifelt. Stattdessen vermutete man Troia aufgrund der militärisch günstigen Lage in dem acht Kilometer weiter südlich gelegenen Siedlungsort Bunarbaschi. Doch der Brite Frank Calvert, den Schliemann auf einer Bildungsreise zu den homerischen Schauplätzen am 15. August 1868 traf und der schon fünf Jahre zuvor auf dem Hisarlik gegraben hatte, hielt an der antiken Sicht fest. Von diesem offenbar überzeugt begann der mehrfache Millionär Schliemann am 11. Oktober 1871 mit den von ihm selbst finanzierten Grabungen. Dabei entdeckte er die übereinanderliegenden Siedlungshorizonte von neun Städten, ein Beweis für die Lage Troias und die Historizität des Troianischen Krieges gelang ihm aber vorerst nicht. Dies schien er erst zwei Jahre später mit dem Fund des sogenannten „Schatz des Priamos“ zu erreichen, der wohl aus der zweiten Schicht stammt. Der Fund belegte scheinbar Schliemanns Theorie, dass „Troia II“ (welches wie das homerische Troia offenbar einst einer Brandkatastrophe zum Opfer gefallen war) dem von Homer beschriebenen Troia entspricht. Aber Schliemann musste erkennen, dass er weder den Schatz noch Troia II richtig gedeutet hatte. Im März 1881 traf er Wilhelm Dörpfeld, der ihm auf Hisarlik neben Schliemanns Freund und Förderer Rudolf Virchow zur Seite trat.
Doch es wurde auch Kritik an Schliemanns Arbeit laut. Neben einigen anderen tritt vor allem Ernst Bötticher 1883 als Kritiker Schliemanns hervor. Er zweifelte die auf Hisarlik gemachten Funde an und bezichtigte Dörpfeld und Schliemann der Lüge. Der von Bötticher in den Zeitungen ausgetragene Streit ging soweit, dass Schliemann keinen anderen Ausweg sah, als seinen Kontrahenten an den Grabungen teilnehmen zu lassen. Nachdem auch eine erste wissenschaftliche Troia-Konferenz keine Änderung der Haltung Böttichers herbeiführen konnte, wurden Schliemanns Grabungsergebnisse in einer zweiten Troia-Konferenz bestätigt.
Bis zu seinem Tod arbeitete Schliemann in drei Grabungszyklen auf dem Hisarlik. Seine Arbeit war die erste, bei der methodisch vorgegangen wurde. So entdeckte schon Schliemann den Vorteil, interdisziplinäre wissenschaftliche Spezialisten mit einzubeziehen. Zudem datierte und bestimmte er die Fundplätze erstmals mit Hilfe der dort gefundenen Keramik. Jedoch war seine Vorgehensweise nicht immer einwandfrei. So fand seine erste Ausgrabung auf dem Hisarlik ohne Lizenz statt, und einige Fundstücke, u.a. die Prunkäxte, wurden von ihm aus dem Land geschmuggelt.]
Heinrich Schliemann verstarb 1890. Nach seinem Tod setzte Wilhelm Dörpfeld 1893/94 die begonnene Arbeit auf dem Hisarlik fort. Er war auf Spender wie Sophia Schliemann und später auch den Deutschen Kaiser Wilhelm II. angewiesen, die die Grabungen finanzierten. Auch in Dörpfelds Arbeit blieb der Hauptaugenmerk auf ein Ziel gerichtet: Homers Troia einem Siedlungshorizont zuzuschreiben und so Beweise für die Historizität des Troianischen Krieges zu erbringen. Aufbauend auf die Funde Schliemanns legte Dörpfeld die Einteilung der Schichten Troias fest. Anders als sein Vorgänger sah er das von Homer beschriebene Troia im Siedlungshorizont VI. Bei den Ausgrabungen wurden Funde gemacht, die belegen, dass die Stadt zerstört wurde. Dies reichte als Beweis jedoch nicht aus. Eine Verbindung nach Griechenland, aus dem die Angreifer in Homers Epos stammen, fand er in Keramikscherben, die zu den Funden Schliemanns im letzten Grabungsjahr zählten. Diese stimmten mit den in Mykene sichergestellten Keramikfunden überein. Die Blüte dieser Schicht konnte auf das 13. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Die gefundenen Ruinen ließen auf Gebäude schließen, die angesichts ihrer beträchtlichen Größe und Kunstfertigkeit mit denen des griechischen Festlands vergleichbar gewesen wären. Aus dieser Tatsache folgerte man, dass die Troianer den Mykenern auch an Macht ebenbürtig waren. Die Lage Griechenlands zu dieser Zeit zeigt, dass nur in diesem Jahrhundert ein Feldzug dieser Größenordnung , wie ihn die Griechen der Ilias unternehmen, möglich sein konnte, da die Macht des mykenischen Griechenlands hier am größten war und der Fall der griechischen Hochkultur noch bevorstand. Diese von Dörpfeld angeführte Beweisreihe machte die These plausibel, dass es sich bei der sechsten Schicht um das Troia aus Homers Ilias handelt.
Im Jahre 1932, nach 35-jährigem Stillstand, wurden die Ausgrabungen von dem amerikanischen Archäologen Carl William Blegen von der Universität Cincinnati wieder aufgenommen. Geldgeber waren diesmal die Erben des ehemaligen Präsidenten Taft. Das Ziel der Ausgrabungen war nicht, die Historizität des Troianischen Krieges zu belegen, auch wenn Blegen offenbar an Homer glaubte und einer Zuordnung des homerischen Troia zu einer bestimmten archäologischen Schicht nicht entgegenstand. Prinzipiell wurde aber eine Verfeinerung der Chronologie Troias und eine verbesserte Einordnung in die Geschichte des ägäischen Raumes angestrebt. Es gelang Blegen, durch seine systematische und distanziertere Arbeit die Siedlungshorizonte mittels neuer Techniken und genauerer Methoden zu überprüfen und sie präziser in 46 Bauphasen zu unterteilen.
Blegen schloss sich der Auffassung Dörpfelds im Hinblick auf die Schicht des Troianischen Krieges nicht an. Aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse kam er zu dem Schluss, Homers Troia im Siedlungshorizont VIIa gefunden zu haben. Er stützte seine These auf den dort entdeckten Zerstörungshorizont, dem er einen um 1260 v. Chr. von Menschenhand verschuldeten Brand zuordnet, was dem Schicksal Troias bei Homer entspricht. Weitere Funde, wie kleinteilige Bebauungen und zahlreiche im Boden versenkte Vorratsgefäße, deutet er als Zeichen für eine Belagerung der Stadt. Außerdem weisen die Grabungsergebnisse auf eine Verbindung mit Mykene hin. Die Funde von Leichen und nicht genutzten Waffen ließen ihn auf einen verlorenen Krieg schließen. Damit sein Troia VIIa das von Homer beschriebene Troia sein konnte, änderte der Archäologe die Datierung und die Chronologie der Schichten. Nur so gelang es ihm, die Zerstörung von Troia VIIa in die Zeit vor dem Untergang der mykenischen Hochkultur zu legen.
Zudem versucht Blegen, Dörpfelds Theorie zu entkräften, indem er sagt, dass Troia VI nicht durch einen Angriff, sondern durch ein Erdbeben zerstört wurde. Schliemanns Bezug auf die topographischen Beschreibungen, die bei Homer zu finden find, weist er zurück. Dafür lieferte er folgende Begründung: Die Landschaft der Troas habe sich vom Troianischen Krieg bis zu Homers Lebzeiten verändert. Homer konnte sie also nicht „naturgetreu“ wiedergeben. Aufgrund dieser Aussage wurde die Gegenstimme Rolf Hachmanns laut, der Blegen eine widersprüchliche Argumentationsweise vorwarf. Auf der einen Seite behaupte er, die Funde würden mit den Aussagen des Epos über Troias Lage übereinstimmen, kommt also durch topographische Angaben zu seinem Ergebnis, auf der anderen Seite spricht er Schliemann gerade dieses Verhalten ab und macht es ihm zum Vorwurf. Zudem war wohl auch Blegens Zuordnung der Schicht nicht unumstritten. So berichtet der Prähistoriker Kurt Bittel davon, dass ihn Blegens Führung im Ausgrabungsgebiet nicht überzeugt habe. Auch Hachmann bestritt Blegens Theorie. Er erkennt die enge Bebauung, die nur auf der Südseite der Stadt entdeckt wurde, im Gegensatz zu Blegen nicht als Beweis für eine Belagerung. Blegen könne nicht beweisen, dass ganz Troia diesen Baustil aufweise. Aber auch Hachmann konnte seine Behauptung nicht durch fachliche Beweise untermauern. Forscher wie Justus Cobet bezweifelten derweil die Gesamtumstände eines potentiellen Troianischen Krieges, da die Entführung einer Frau – wie bei Homer beschrieben – kaum Anlass für einen großangelegten Feldzug gewesen sein könne.
Blegen beendete seine Arbeiten 1938. Auch ihm gelang es wie seinen Vorgängern nicht, durch unumstößliche Beweise zu belegen, dass sie Troia am richtigen Ort vermuteten, nämlich auf dem Hisarlik.
Einige Forscher meinen, Troia VIIa könnte das iliadische Troja sein. Mittlerweile wird aber auch wieder für möglich gehalten, dass Troia VIh, das nach heutigen Forschungsstand um 1300 v. Chr. oder in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts v. Chr. sein Ende fand, das homerische Ilion gewesen sein könnte, wie bereits Dörpfeld vertreten hatte. Dass das Thema auch heute noch hinterfragt wird, zeigt die Troja-Debatte aus dem Jahre 2001. Als zusätzlicher Beleg für Ilios’ Lokalisierung in der Troas wird von großen Teilen der Forschung das in hethitischen Dokumenten erwähnte Wilusa aufgrund der Ähnlichkeit zu Ilios angesehen. Gemeinhin wird die Frage nach der Lokalisierung des Geschehens als für den Iliastext nicht relevant angesehen. 2007 verortete der Komparatist Raoul Schrott den Handlungsort der Ilias in Kilikien, was zu großem Widerspruch in der Fachwissenschaft führte.
Begründet wurde (nach Vorarbeiten von Giambattista Vico) die „Analyse“ (und die moderne Altertumswissenschaft) durch Friedrich August Wolfs 1795 erschienenes Buch, in der er die Schriftlosigkeit Homers ansetzte und damit mündliche Vorbilder suchte. Damit wurde Homer nicht mehr als Erfinder von Konzeption, Plot und Text der uns überlieferten Ilias angesehen und versucht, eine „Ur-Ilias“ zu rekonstruieren, die Homer geschaffen hatte. Dazu wurden neben sprachlich vermeintlich jüngeren auch „unschönere“ Szenen entfernt – Wolf löste so zum Beispiel die letzten sechs Bücher von der Ilias– die Gefahr dabei fasst Walter Diehl wie folgt zusammen: „[…] Die dritte Einschränkung gibt die Gefahr, daß man bei der Untersuchung leicht einem subjektiven Urteil folgt. Das Urteil des Einzelnen über das sich Einpassen der Stelle ist verschieden.“ Dennoch war im 19. Jahrhundert trotz Einsprüchen von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Friedrich Gottlob Welcker diese Homertheorie vorherrschend.
Wegweisend war Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs Die Ilias und Homer aus den Jahren 1916/²1920 (sowie später Karl Reinhardts Die Ilias und ihr Dichter), in der Wilamowitz-Moellendorff schreibt: „Das Einzelgedicht, das einem Vortrage genügt, war vor der Ilias die herrschende Form und ist es neben und nach ihr geblieben.“ Wilamowitz-Moellendorff versucht jedoch nicht, diese Einzellieder zu entdecken (und zu entfernen), sondern die Funktion dieser Lieder für die Ilias zu suchen. Des Weiteren nimmt die „Analyse“ weitere schriftliche Ergänzungen am Text an – so fährt Wilamowitz-Moellendorff fort: „[…] ihr besonderer Wert liegt nicht darin, daß einer, sondern daß viele bedeutende Dichter in ihr zu uns reden, darunter der Iliasdichter, und von seinem Werk gilt dasselbe“. Gustav Adolf Seeck fasst zur „Analyse“ zusammen: „Die Analyse war zum Selbstzweck geworden und Ilias und Odyssee blieben als Trümmerhaufen zurück, d. h. man hatte das Ganze und dessen eigene Qualität fast völlig aus den Augen verloren. […] Die Homeranalyse ist gescheitert, […] da aber die Frage nach der Entstehungsgeschichte von Ilias und Odyssee an sich berechtigt ist, sind analytische Überlegungen, wenn auch auf angemessen differenzierender Basis, weiterhin grundsätzlich nicht unvernünftig, und es mag sein, daß eines Tages eine (wenigstens halbwegs verbindliche) Lösung gefunden wird.“
Den unterschiedlichen Ergebnissen versuchte vor allem Wolfgang Schadewaldt mit seiner „Strukturanalyse“, Heinrich Pestalozzi und Wolfgang Kullmann entgegenzutreten und begründete damit eine aufgeklärtere Variante des Unitarismus, die Neoanalyse. Der Begriff fiel zuerst bei Johannes T. Kakridis. Die Neoanalyse versucht, die von der Analyse gefundenen ästhetischen Schwächen so zu erklären, dass der Text, trotz mündlicher Einflüsse, dennoch nur auf eine Person (meist Homer) zurückzuführen sei, die womöglich mehrere Jahrzehnte an ihrem Werk arbeitete. Gustav Adolf Seeck kommentierte: „Sie [die Unitarier] hatten das richtige Ziel, Ilias und Odyssee als einheitliche Dichtungen zu erweisen. Da sie aber geneigt waren, Entstehungsspuren und Diskrepanzen ganz zu leugnen oder durch gekünstelte Interpretationen zu überdecken, fanden sie in einer auf die historische Sichtweise fixierten wissenschaftlichen Umwelt wenig Anklang.“ Die Neoanalyse geht zwar auch von nachträglichen rhapsodischen Veränderungen aus, schränkt diese allerdings abgesehen vom zehnten Buch, das auch sie meist als unecht bezeichnen, auf Einzelverse und Formeln ein. Dass das zehnte Buch von einigen Unitariern – entsprechend den analytischen Ergebnissen – als unecht akzeptiert wurde, führte zu einem „gemäßigen Unitarismus“. Joachim Latacz kommt im Neuen Pauly zum Schluss, dass „in der Hauptstruktur […] die Erzählung als offensichtlich wohlgeplante Einheit – ohne wirkliche Überlappungen, Dubletten, logische Lücken und Widersprüche im Grundplan – durchkomponiert [ist]; Längen und Ausmalungen können durchaus die sukzessive Arbeit des Original-Autors an seinem Riesenwerk widerspiegeln und müssen nicht Einschübe von fremder Hand sein. Die Meinung setzt sich durch, daß die Ilias schriftlich verfaßt und das Werk eines großen Dichters ist.“
Durch die Forschungen von Mathias Murko am Anfang des 20. Jahrhunderts inspiriert, konnte durch Gerhard Gesemann und vor allem Milman Parry in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts eine neue Homerinterpretationstheorie entwickelt werden. Parry arbeite an rund 12.500 Texten südslawischer Heldendichtung, die einzeln zwar kürzer als Ilias oder Odyssee sind (ein Epos von Avdo Mededovič hatte allerdings über 12.000 Verse), jedoch ein größeres Repertoire einzelner Sänger aufweisen. Er schrieb dem Dichter der Ilias sogar zu, er verstünde nicht, was er singe, weil er alte, ihm nicht mehr verständliche Formeln zitiere.
Nach dieser Forschungsrichtung sind die – meist historischen – Inhalte der Epen in groben Zügen festgelegt. Dem Sänger wird dennoch Spielraum gegeben, die Werke in einer für die Darbietung optimierten, formelhaften Sprache improvisierend vorzutragen (so wird auch die homerische als für den Hexameter angepasste Sprache angesehen) – einige Passagen sind in der Dichtung dennoch unveränderlich Aus der Tatsache, dass sich auch in der Ilias Formeln und ähnliches finden lassen, schloss Parrys Schüler Albert Lord 1953, dass auch diese Werke das Resultat mündlicher Dichtung seien müssten – ob sie selbst mündliche Dichtung sein könnten, wird dadurch nicht geklärt.
Lord begründete damit die „Oral-poetry-Theorie“, durch die genaue Nachfragen zu bestimmten Auffälligkeiten in mündlich vorgetragenen Werken umgangen werden wollen– Gustav Adolf Seeck und Albin Lesky widersprechen: „Was das allgemeine Verständnis für Homer betrifft, hat diese Theorie […] mehr Schaden als Nutzen gestiftet, weil Homer zwar Formeln verwendet, aber inhaltlich nicht mit Formeln, sondern mit Motiven arbeitet“ und „Voll stimmen wir grundsätzlichen Vorbehalten gegen die Parry-Schule zu, wo diese dazu neigt, den originalen Dichter über dem mit Formeln arbeitenden Aoiden zu vergessen.“. In den letzten Jahren wird mit computergestützten Auswertungen versucht, die Formelhaftigkeit der homerischen Epen zu relativieren. Ernst Heitsch resümiert: „Es ist […] nicht falsch, wenn wir zunächst sagen, für unsere Ilias und Odyssee gehört die oral poetry auf jeden Fall in die Vorgeschichte; zu klären bleibt nur, was unter Vorgeschichte und was unter ‚unserer Ilias‘ verstanden werden soll.“
Die Ilias (und auch die Odyssee) beeinflusste durch ihr frühes Entstehen und die Komplexität des Inhalts sehr viele Literaturgattungen, Autoren, Künstler und Wissenschaftler Europas – sei es als Fortführung oder Umdeutung. Deswegen kann dies in diesem Überblick nur skizzenhaft dargestellt werden – Joachim Latacz resignierend dazu: „Ob Homers Wirkungsgeschichte jemals ganz zu erfassen sein wird, muss in der Tat bezweifelt werden.“
Zu den kyklischen Epen gehören die Kyprien, die Ilias, die Aithiopis, die Kleine Ilias, die Nostoi, die Odyssee und die Telegonie. Die kyklischen Epen ohne Ilias und Odyssee sind wohl im 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden, um den Rahmen der beiden Großepen zu füllen. Die Texte sind uns zwar nur fragmentarisch erhalten, die Inhalte der einzelnen Werke aber bei Proklos aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. überliefert.
Zwischen Ilias und Odyssee werden große Unterschiede in Sprache, Stil, Gesinnung und im moralischen Auftreten der Götter gefunden, die zu einer Datierung der Ilias vor die Odyssee führen, ob die beiden Werke von einem Dichter verfasst wurden, ist dabei umstritten. Schon in der Antike stritt man darüber, ob Ilias und Odyssee vom gleichen Autor wären. Die Gruppe der Personen, die eine gemeinsame Verfasserschaft für beide Werke ablehnten, nannte sich „Chorizontes“. Zwar ist von ihren Werken so gut wie nichts überliefert, da Aristarchos von Samothrake aber gegen sie argumentierte, lassen sich die Kernthesen rekonstruieren. Auch Aristoteles sprach sich für die Einheit aus. Erste neuzeitliche Ansätze zur Verfassertrennung von Ilias und Odyssee finden sich bei François Hédelin, die später intensiv aufgegriffen werden – die Annahme, dass die Odyssee als Ganzes älter sei als die Ilias, ist laut Walter Diehl bis 1938 allerdings noch nicht geäußert worden. In seinem Vergleich sind sämtliche Wiederholungen in der Odyssee sekundär gegenüber den Versen der Ilias, mit dem Ziel, die Ilias weiterzuführen.
33 Hymnen im katalektischen, daktylischen Hexameter, die drei bis 580 Verse beinhalten, sind uns aus dem achten bis zweiten Jahrhundert v. Chr. überliefert und Homer zugeschrieben. Die vier größten Hymnen sind die von Apollon, Aphrodite, Demeter und Hermes– in dieser Reihenfolge werden sie in der kritischen Ausgabe von Allen-Halliday-Sikes datiert. Zur Zeit Thukydides' und Pindars hießen die Hymnen möglicherweise noch Proömien. Neben Formelversen, die auch in der Ilias zu finden sind, ist vor allem im Apollonhymnos die Erwähnung eines blinden Mannes aus Chios zu nennen, den manche Wissenschaftler mit Homer gleichsetzen.
Hesiod verwendet in seinen Werken, der Theogonie und den Werken und Tagen, eine der Ilias und Odyssee ähnliche Sprache. Sie sind mit 1022 beziehungsweise 828 Versen kürzer als Ilias (oder Odyssee) und behandeln weder ein Motiv wie das des Zornes der Ilias, noch die Darstellung vom Kriegsgeschehen oder Helden – Herodot betont aber die Einführung der Griechischen Götter durch Homers und Hesiods Werke. In den Werken und Tagen wird dabei Hesiods Zeit beschrieben, wohingegen der Erzähler der Ilias über ein früheres Geschehen berichtet. Er gibt in seinen Werken biographische Informationen wieder und kennt (neben dem Geschehen um Theben) den Trojanischen Krieg, erwähnt aber weder Homer, noch die Ilias oder die Odyssee in seinen Werken. Der Hesiod zugeschriebene Frauenkatalog sammelt in der Mitte des sechsten Jahrhunderts v. Chr. die griechischen Mythen bis zum Trojanischen Krieg.
Auch der Kanon der neun Lyriker beschäftigte sich mit der Ilias – Stesichoros dichtete diese und andere Epen des Kyklos’ in bis zu 1500 Verse großen Kleinepen im Versmaß des Jambus' um. Longinus bezeichnet Stesichoros und Archilochos als Homeriker. Ob Sapphos, Archilochos', Alkmans und Mimnermos' Gedichte sich auf die Ilias beziehen könnten, ist umstritten– erste wird aber später von Antipatros von Thessalonike der „weibliche Homer“ genannt. Simonides von Keos schreibt eine Elegie, in der er den griechischen Sieg vor Ilios mit dem der Spartaner vor Plataia vergleicht – Elegien sind im gleichen Versmaß wie die Ilias geschrieben und behandeln auch Themen, die sich mit dem Epos überschneiden (beispielsweise bei Tytraios und Kallinos, später aber auch bei Solon zu finden). Semonides von Amorgos zitiert eine Passage der Ilias wörtlich und schreibt sie einem blinden Dichter aus Chios zu. Im Fragment 151 betont Ibykos von Rhegion, nicht auch noch über die Ereignisse des Trojanischen Krieges schreiben zu wollen, sondern preist den Tyrann Polykrates.
Das Certamen Homeri et Hesiodi berichtet von einem Wettstreit zwischen Homer und Hesiod, bei dem Homer auf Hesiods Fragen antworten muss und anschließend beide Autoren Verse aus ihren Werken zitieren müssen. Obwohl sich das Publikum für Homer als Sieger ausspricht, überreicht König Panedes Hesiod den Siegerpokal Der teilweise jambische Margites wurde von Aristoteles Homer zugeschrieben Herodot wiederum sieht in Homer den möglichen Verfasser des thebanischen Epos’ Epigonoi; inwiefern Hekataios von Milet durch Ilias und Odyssee beeinflusst wurde, ist ungewiss.
Die Vorsokratiker und Naturphilosophen Parmenides, Empedokles, Heraklit Anaxagoras und Anaximander beschäftigen sich unter anderem mit der Kritik an dem unmoralischen Verhalten der iliadischen Götter und der Einführung von philosophischen anstelle von anthropomorphen Göttern, wie sie in der Ilias beschrieben werden. Xenophanes tut dies schon vor diesen. Metrodoros von Lampsakos deutet die Ilias allegorisch als eine Art „Organismus“, in dem Achilleus zum Beispiel die Sonne und Hektor das Gegenstück, den Mond, darstellt. Die Götter stehen als Elemente einander gegenüber.
Der klassische Dichter Pindar erwähnt Homer dreimal (wobei er ergänzt, in seiner Zeit ein ebenso hohes Ansehen wie Homer zu haben), die Homeriden einmal. Panyassis von Harlikarnass und Antimachos von Kolophon schreiben im Tenor der Ilias und Odyssee eine Ionica und Heracleia beziehungsweise Thebais
Die griechische Tragödie entnimmt als Vorlage epische Stoffe wie den der Iliasund adaptiert sie vor allem für ihre Götterdarstellungen. Dies ist vor allem in Aischylos' Sieben gegen Theben, Die Perser und den ersten beiden Werken der Orestie (hier mit kyklischen Einflüssen) – daneben aber auch das Werk einer nicht erhaltenen Achilleustrilogie mit den Tragödien Die Myrmidonen, Die Phryger und Hektors Lösung – zu finden. Ebenso in Sophokles, Aias, Philoktetes, und König Ödipus sowie in Euripides Die Troerinnen, Die Phönikerinnen, Andromache, Der bekränzte Hippolytos und im zweiten Teil des Herakles zu finden.
Der einzige Auftritt der Iris außerhalb der Ilias findet sich in Aristophanes' Wolken. Letzterer stellt seine Götter ähnlich rücksichtslos wie die der Ilias dar. Inwiefern sein Iliasbild durch die von ihm verwandte Komik – zum Beispiel in den Acharner – verzerrt wird, ist nicht genau zu bestimmen.
Herodot zitiert elf Verse aus Ilias und Odyssee und gilt für Longinus als „homerisch“. Ähnlich dem Schiffskatalog beschreibt Herodot das Aufgebot von Xerxes I. kritisiert aber die Darstellung der iliadischen Helena. Thukydides zitiert einen Vers der Ilias (und 13 aus dem Apollonhymnos, sucht die Hintergründe des Trojanischen Krieges und bezeichnet diesen aber als weniger bedeutsam für die Griechen als den Peloponnesischen Krieg.
Platons Sokrates äußert Kritik am unmoralischen und anthropomorphen Auftreten der Götter und bezeichnet Ilias und Odyssee als erziehungsungeeignet, woraufhin er Homers Epen aus seinem fiktiven Staat verbannt – Liebe und Respekt Sokrates’ hindern ihn aber daran, etwas Negatives über Homer zu sagen, den er als ersten „tragischen Poeten“ bezeichnen Er kritisiert Dichtung als Nachahmung (Mimesis) von Nachahmung, da die Realität schon ein Abbild der Ideen ist, lässt aber Hymnen für Götter und Loblieder auf „gute Menschen“ zu. Im Werk Ion diskutiert Sokrates mit dem Rhapsoden Ion über dessen Homerkenntnisse, den Vortrag und die Darstellung der Epen – dass sie kein Wissen vermitteln. Im Hippias Minor spricht Sokrates mit Hippias von Elis über die Schwierigkeit, die Intention der Ilias zu ermitteln. In der Apologie schließlich deutet Sokrates Achilleus’ Worte für seine Verteidigung um.
Es entstanden des Weiteren Homerwörterbücher von zum Beispiel Antimachos von Kolophon, Philetas oder Simias von Rhodos– allgemein richtete sich das Interesse der Kommentatoren eher auf sprachliche Fragen, und dies vor allem durch die Sophisten. Gorgias Helena und Palamedes, aber auch Hippias von Elis und Protagoras Ansichten, die uns über Platons Dialoge überliefert sind, beschäftigen sich mit den ethischen und rhetorischen Gedanken der Ilias. Als Gegenbewegung entstand eine Homerkritik, die sich vor allem gegen ethische Ansichten stellte und der sich Aristoteles kritisch widmete. Letzterer gibt wieder, dass ein Dichter nicht das Geschehen so erzählen muss, wie es war, sondern was hätte geschehen können und nahm einen einzigen Autor für die Ilias an (den einzig legitimen Epiker), was erst durch das Aufbegehren gegen dessen Analyse im 18. Jahrhundert in Frage gestellt wurde. Aristoteles benennt in der Poetik wie zuvor schon Platon in der Politeia die Ilias und Odyssee als Ursprünge der Tragödieund vergleicht in De anima verschiedene Ausdrücke für den gleichen Sachverhalt in der Ilias.
Im sogenannten Froschmäusekrieg (Batrachomyomachia) wird der Trojanische Krieg, sowie Sprache und Stil der Ilias anhand von Zwistigkeiten zwischen Fröschen und Mäusen karikiert. Hekataios von Abdera verfasste eine Abhandlung über Homer und Hesiod, Demetrios von Skepsis über den Trojanerkatalog. Die hellenistischen Philosophierichtungen Stoa und Epikureismus sahen die archaischen Dichtungen weniger als Literatur, denn als ethnographisches Material an – Zenon von Kitions Homerische Probleme ist vollständig verloren. Poseidonios sah in Ilias und Odyssee wissenschaftliche Quellen und verglich sie mit Aratos von Solois Werken in der Schrift Vergleichende Untersuchungen über Arat und Homer in mathematischen Fragen. Laut Marcus Tullius Cicero legt die Stoa die Homer zugeschriebenen Werke so allegorisch aus, dass auch Homer schon Stoiker gewesen sein müsse.– wie auch die Sophisten Homer als ersten Sophisten ansahen. Dabei ist aber anzumerken, dass nur wenige stoisch-interpretierende Iliaskommentierungen überliefert sind
Der Dichter und alexandrinische Bibliothekar Kallimachos hasst die kyklischen Epen und empfiehlt das Schreiben von kürzeren Werken – er verfasst dabei neben anderen Werken auch Hymnen, die den Homer zugeschriebenen ähneln. Entgegen der Empfehlung schreibt Apollonios von Rhodos in seiner Argonautika in vier Bücher und rund 6100 Versen die Argonautensage im Stile der Ilias und Odyssee nach und wandelt dabei die (hier noch häufigeren) Gleichnisse und die Szenerie um. Er bereichert seinen Stoff um wissenschaftlich-technische und geo- und ethnographische Themen. Er achtet dabei neben der Genauigkeit des Textes auch auf Humor. Die an der Zahl häufigeren Anlässe stehen dabei dem Leitmotiv der Ilias, dem Zorn, gegenüber.
Die Argonautensage ist Themenkomplex der griechischen Mythologie und handelt von der Fahrt des Iason und seiner Begleiter nach Kolchis im Kaukasus, der Suche nach dem Goldenen Vlies und dessen Raub. Die Reisegefährten werden nach ihrem sagenhaft schnellen Schiff, der Argo, die Argonauten genannt. Bereits Homer nimmt Bezug auf den Argonautenmythos: In der Odyssee erzählt Kirke dem Odysseus, dass die Argo mit Heras Hilfe erfolgreich durch die Plankten – zwei im Meer treibende überhängende „Irrfelsen“, gegen die starke Strömung brandet – gesegelt sei. Die Bezeichnung der Argo als πᾶσι μέλουσα („allbekannt“, „viel besungen“) zeigt, dass der Mythos bereits bei Abfassung der Odyssee weit verbreitet war. Umfassendere und geschlossene Behandlungen des Stoffes werden Argonautika genannt. Die älteste in sich geschlossene Darstellung des Stoffes sind die Argonautika des Apollonios von Rhodos aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.
Ihren Ausgangspunkt hat die Argonautensage im Machtkampf um das Königreich Thessalien in Griechenland. Pelias, der König, der sich die Macht in Thessalien von seinem Bruder Aison gesichert hatte, erhält einen Orakelspruch. Er solle sich vor einem Einschuhigen aus der griechischen Stadt Iolkos hüten.
Göttermutter Hera bittet Pelias‘ Neffen Iason, ihr bei der Überquerung eines Baches zu helfen, wobei dieser einen Schuh verliert. Als Iason, der Sohn des Aison, vor seinen Onkel tritt, erkennt dieser sofort, wen er vor sich hat, und greift zu einer List. Er verspricht seinem Neffen den Thron, wenn dieser das Goldene Vlies, das sehr wertvolle Fell eines Widders, vom Ende der Welt in die Heimat zurückhole. Pelias denkt, dass dies eine Reise ohne Wiederkehr ist.
Der klassische Dichter Pindar erwähnt Homer dreimal (wobei er ergänzt, in seiner Zeit ein ebenso hohes Ansehen wie Homer zu haben), die Homeriden einmal. Panyassis von Harlikarnass und Antimachos von Kolophon schreiben im Tenor der Ilias und Odyssee eine Ionica und Heracleia beziehungsweise Thebais
Die griechische Tragödie entnimmt als Vorlage epische Stoffe wie den der Iliasund adaptiert sie vor allem für ihre Götterdarstellungen. Dies ist vor allem in Aischylos' Sieben gegen Theben, Die Perser und den ersten beiden Werken der Orestie (hier mit kyklischen Einflüssen) – daneben aber auch das Werk einer nicht erhaltenen Achilleustrilogie mit den Tragödien Die Myrmidonen, Die Phryger und Hektors Lösung – zu finden. Ebenso in Sophokles, Aias, Philoktetes, und König Ödipus sowie in Euripides Die Troerinnen, Die Phönikerinnen, Andromache, Der bekränzte Hippolytos und im zweiten Teil des Herakles zu finden.
Der einzige Auftritt der Iris außerhalb der Ilias findet sich in Aristophanes' Wolken. Letzterer stellt seine Götter ähnlich rücksichtslos wie die der Ilias dar. Inwiefern sein Iliasbild durch die von ihm verwandte Komik – zum Beispiel in den Acharner – verzerrt wird, ist nicht genau zu bestimmen.
Herodot zitiert elf Verse aus Ilias und Odyssee und gilt für Longinus als „homerisch“. Ähnlich dem Schiffskatalog beschreibt Herodot das Aufgebot von Xerxes I. kritisiert aber die Darstellung der iliadischen Helena. Thukydides zitiert einen Vers der Ilias (und 13 aus dem Apollonhymnos, sucht die Hintergründe des Trojanischen Krieges und bezeichnet diesen aber als weniger bedeutsam für die Griechen als den Peloponnesischen Krieg.
Platons Sokrates äußert Kritik am unmoralischen und anthropomorphen Auftreten der Götter und bezeichnet Ilias und Odyssee als erziehungsungeeignet, woraufhin er Homers Epen aus seinem fiktiven Staat verbannt – Liebe und Respekt Sokrates’ hindern ihn aber daran, etwas Negatives über Homer zu sagen, den er als ersten „tragischen Poeten“ bezeichnen Er kritisiert Dichtung als Nachahmung (Mimesis) von Nachahmung, da die Realität schon ein Abbild der Ideen ist, lässt aber Hymnen für Götter und Loblieder auf „gute Menschen“ zu. Im Werk Ion diskutiert Sokrates mit dem Rhapsoden Ion über dessen Homerkenntnisse, den Vortrag und die Darstellung der Epen – dass sie kein Wissen vermitteln. Im Hippias Minor spricht Sokrates mit Hippias von Elis über die Schwierigkeit, die Intention der Ilias zu ermitteln. In der Apologie schließlich deutet Sokrates Achilleus’ Worte für seine Verteidigung um.
Es entstanden des Weiteren Homerwörterbücher von zum Beispiel Antimachos von Kolophon, Philetas oder Simias von Rhodos– allgemein richtete sich das Interesse der Kommentatoren eher auf sprachliche Fragen, und dies vor allem durch die Sophisten. Gorgias Helena und Palamedes, aber auch Hippias von Elis und Protagoras Ansichten, die uns über Platons Dialoge überliefert sind, beschäftigen sich mit den ethischen und rhetorischen Gedanken der Ilias. Als Gegenbewegung entstand eine Homerkritik, die sich vor allem gegen ethische Ansichten stellte und der sich Aristoteles kritisch widmete. Letzterer gibt wieder, dass ein Dichter nicht das Geschehen so erzählen muss, wie es war, sondern was hätte geschehen können und nahm einen einzigen Autor für die Ilias an (den einzig legitimen Epiker), was erst durch das Aufbegehren gegen dessen Analyse im 18. Jahrhundert in Frage gestellt wurde. Aristoteles benennt in der Poetik wie zuvor schon Platon in der Politeia die Ilias und Odyssee als Ursprünge der Tragödieund vergleicht in De anima verschiedene Ausdrücke für den gleichen Sachverhalt in der Ilias.
Im sogenannten Froschmäusekrieg (Batrachomyomachia) wird der Trojanische Krieg, sowie Sprache und Stil der Ilias anhand von Zwistigkeiten zwischen Fröschen und Mäusen karikiert. Hekataios von Abdera verfasste eine Abhandlung über Homer und Hesiod, Demetrios von Skepsis über den Trojanerkatalog. Die hellenistischen Philosophierichtungen Stoa und Epikureismus sahen die archaischen Dichtungen weniger als Literatur, denn als ethnographisches Material an – Zenon von Kitions Homerische Probleme ist vollständig verloren. Poseidonios sah in Ilias und Odyssee wissenschaftliche Quellen und verglich sie mit Aratos von Solois Werken in der Schrift Vergleichende Untersuchungen über Arat und Homer in mathematischen Fragen. Laut Marcus Tullius Cicero legt die Stoa die Homer zugeschriebenen Werke so allegorisch aus, dass auch Homer schon Stoiker gewesen sein müsse.– wie auch die Sophisten Homer als ersten Sophisten ansahen. Dabei ist aber anzumerken, dass nur wenige stoisch-interpretierende Iliaskommentierungen überliefert sind
Der Dichter und alexandrinische Bibliothekar Kallimachos hasst die kyklischen Epen und empfiehlt das Schreiben von kürzeren Werken – er verfasst dabei neben anderen Werken auch Hymnen, die den Homer zugeschriebenen ähneln. Entgegen der Empfehlung schreibt Apollonios von Rhodos in seiner Argonautika in vier Bücher und rund 6100 Versen die Argonautensage im Stile der Ilias und Odyssee nach und wandelt dabei die (hier noch häufigeren) Gleichnisse und die Szenerie um. Er bereichert seinen Stoff um wissenschaftlich-technische und geo- und ethnographische Themen. Er achtet dabei neben der Genauigkeit des Textes auch auf Humor. Die an der Zahl häufigeren Anlässe stehen dabei dem Leitmotiv der Ilias, dem Zorn, gegenüber.
Die Argonautensage ist Themenkomplex der griechischen Mythologie und handelt von der Fahrt des Iason und seiner Begleiter nach Kolchis im Kaukasus, der Suche nach dem Goldenen Vlies und dessen Raub. Die Reisegefährten werden nach ihrem sagenhaft schnellen Schiff, der Argo, die Argonauten genannt. Bereits Homer nimmt Bezug auf den Argonautenmythos: In der Odyssee erzählt Kirke dem Odysseus, dass die Argo mit Heras Hilfe erfolgreich durch die Plankten – zwei im Meer treibende überhängende „Irrfelsen“, gegen die starke Strömung brandet – gesegelt sei. Die Bezeichnung der Argo als πᾶσι μέλουσα („allbekannt“, „viel besungen“) zeigt, dass der Mythos bereits bei Abfassung der Odyssee weit verbreitet war. Umfassendere und geschlossene Behandlungen des Stoffes werden Argonautika genannt. Die älteste in sich geschlossene Darstellung des Stoffes sind die Argonautika des Apollonios von Rhodos aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.
Ihren Ausgangspunkt hat die Argonautensage im Machtkampf um das Königreich Thessalien in Griechenland. Pelias, der König, der sich die Macht in Thessalien von seinem Bruder Aison gesichert hatte, erhält einen Orakelspruch. Er solle sich vor einem Einschuhigen aus der griechischen Stadt Iolkos hüten.
Göttermutter Hera bittet Pelias‘ Neffen Iason, ihr bei der Überquerung eines Baches zu helfen, wobei dieser einen Schuh verliert. Als Iason, der Sohn des Aison, vor seinen Onkel tritt, erkennt dieser sofort, wen er vor sich hat, und greift zu einer List. Er verspricht seinem Neffen den Thron, wenn dieser das Goldene Vlies, das sehr wertvolle Fell eines Widders, vom Ende der Welt in die Heimat zurückhole. Pelias denkt, dass dies eine Reise ohne Wiederkehr ist.
Das Goldene Vlies des Widders Chrysomallos, auf dessen Rücken die Zwillinge Phrixos und Helle vor ihrer Stiefmutter Ino geflohen waren, befindet sich im Hain des Ares in Kolchis. Um dorthin zu gelangen, lässt Iason von Argos die mit 50 Rudern bestückte Argo bauen.
Iason fordert die berühmtesten Helden Griechenlands zur Teilnahme an dem Unternehmen auf. Von diesen, welche sehr verschieden und in sehr verschiedener Zahl genannt werden, sind die bekanntesten: Admetos, Amphiaraos, Amphion, Ankaios, Argos (der Erbauer des Schiffs), Herakles, Idas, Idmon, Kalais, Kastor, Kepheus, Laertes, Lynkeus, Meleagros, Mopsos, Nestor, Oileus, Orpheus, Peleus, Philammon, Polydeukes (Pollux), Polyphemos, Telamon, Theseus, Tiphys, Tydeus, Zetes.
Iolkos ist der Sammelplatz, an dem sich alle einfinden. Bald hat das Schiff den Hafen hinter sich; Orpheus belebe den Mut mit Harfenspiel und Gesang. Zuerst steig man am Pelion aus und besucht Cheiron, der Iason einst aufgezogen hatte, dann geht die Fahrt um die Chalkidike nach Samothrake. Von hier wird das Schiff an die illyrische Küste verschlagen und von da nach der Insel Lemnos, auf der die Frauen alle Männer (ausgenommen den Vater der Königin Hypsipyle) wegen Untreue ermordet hatten. Sie gewähren den Fremden gastliche Aufnahme und diese genießen das Leben mit den Frauen, bis Herakles, der mit einigen Kameraden auf dem Schiff zurückgeblieben war, die Säumigen zur Weiterfahrt mahnt. Sie segeln an die phrygische Küste nach Kyzikos, wo die sechsarmigen Giganten und die friedlichen Dolionen nebeneinander wohnen. Letztere nehmen die Argonauten gastlich auf und erklären ihnen den weiteren Weg.
Nach mühevoller Fahrt landen die Argonauten endlich zwischen der Propontis und dem Schwarzen Meer bei der Stadt Kios (dem späteren Prusias), wo sie von den Mysiern freundlich empfangen werden. Bei der Abfahrt vergessen sie Herakles, der seinen beim Wasserholen von einer Nymphe entführten Freund Hylas suchen gegangen war, ebenso den Polyphemos, und segeln allein weiter.
Kurz darauf landen die Argonauten morgens im Bebrykenland (Bithynien). Der König Amykos hatte allen Fremden auferlegt, sich mit ihnen im Faustkampf zu messen. Verächtlich fordert er die Argonauten heraus, worauf Polydeukes ihn im Kampf tötet.
Weiterfahrend, werden die Argonauten an die thrakische Küste nach Salmydessos verschlagen, wo Phineus seit langem von den Harpyien gequält wurde, indem sie seine Speise raubten oder sich darauf entleerten. Den abgemagerten Greis retten Zetes und Kalais. Dafür erzählt Phineus den Argonauten, wie sie durch die am Eingang zum Schwarzen Meer stehenden Symplegaden – die Kyaneischen Felsen, welche alles Passierende, ob Schiff oder Vogel, zerquetschen – gelangen können. Zuerst werden die Argonauten durch vierzigtägige Nordwestwinde aufgehalten, bis Opfer und Gebet helfen. Auf der Fahrt durchs Schwarze Meer kommen sie zu den Mariandynern, deren König Lykos sie als die Besieger seines Feindes Amykos freundlich aufnimmt. Später kommen sie zum Land der Chalyber, dann noch zu mancherlei Völkern und zur Insel Tia, die Aresinsel, wo die stymphalischen Vögel hausen, die ihre ehernen Federn als Pfeile abschießen. Danach sehen die Argonauten die Spitzen des Kaukasus emporragen und vernehmen des Prometheus’ Stöhnen und den Flügelschlag des Adlers, der in dessen Leber wühlt.
Nun gelangen sie ans Ziel, an den Fluss Phasis, in den sie das Schiff rudern. Links erblickt man den Kaukasus und die Hauptstadt Kyta, rechts, als Schauplatz der Dinge, die da kommen sollen, Feld und Hain des Ares.
Am anderen Morgen begibt sich Iason mit Telamon und den Söhnen des Phrixos zum König Aietes, um das Goldene Vlies zu fordern. Aietes verspricht, es auszuliefern, wenn Iason mit den feuerschnaubenden, erzfüßigen Stieren, die ihm Hephaistos geschenkt hatte, die Aresflur pflüge und Drachenzähne säe. Iason bewältigt dieses Unterfangen mit Hilfe Medeas, der Tochter des Königs, die sich in ihn verliebt hat. So sind die Bedingungen zwar erfüllt, aber Aietes verweigert das Fell und denkt darüber nach, über Nacht die Argonauten zu erschlagen. Medea verrät den Plan ihres Vaters und hilft Iason, das Vlies zu stehlen, unter der Bedingung, dass er sie zur Frau nimmt.
Über die Heimfahrt der Argonauten weichen die Sagen sehr voneinander ab. Die einen lassen sie auf demselben Weg, den sie gekommen, andere durch den Phasis in den Okeanos (Meer), um Asien herum, durch den Nil und teils zu Lande, wo sie das Schiff tragen, teils zu Wasser über Libyen (Afrika) durch den See Triton in das Mittelländische Meer gelangen. Apollonios („Argonautika“) zufolge wollen die Argonauten nach Phineus' Rat nicht auf demselben Weg zurückkehren, sondern durch den Pontus Euxinus in den Ister (Donau) fahren; die Kolchier folgen ihnen aber und schneiden ihnen den Ausweg ab.
Darauf gelangen die Argonauten aus dem Ister in den Adriatischen Meerbusen und zu einer Insel an der Mündung des Eridanos, fahren weiter zum Lande der Hylleer in Illyrien, an Korkyra, Melite und Kalypsos' Insel vorbei. Nach weiteren Irrfahrten hat Hera ein Einsehen und begünstigt die weitere Fahrt. Orpheus' Gegengesang bringt die Argonauten glücklich bei den Sirenen vorbei, Thetis und die Nereiden helfen ihnen an Skylla und Charybdis (Meerenge von Messina) vorbei, und so kommen sie fröhlich zu dem glücklichen Volk der Phäaken, dessen König Alkinoos sie gastlich aufnimmt. Letzterer, von den einholenden Kolchern, welche die Auslieferung Medeas forderten, wie von den verfolgten Argonauten als Schiedsrichter anerkannt, will nun die Jungfrau den Kolchern zusprechen. Seine Gattin Arete aber weiß, Iasons und Medeas eheliche Verbindung zu bewirken, und die Kolcher müssen verzichten.
Die Argonauten irren noch eine Weile zu Land und zu Wasser durch die Gegend, bis sie endlich auf der Insel Ägina landen und in die Heimat gelangen. Nach Ovid lebte Aison noch bei Iasons Rückkehr und wird von Medea verjüngt. Iasons Mutter hatte den Pelias verflucht und sich getötet; auch ihren Sohn Promachos hatte Pelias ermordet. Nun kommt Iason und überreicht das Goldene Vlies. Pelias allerdings verweigert Iason den Thron, den er ihm im Gegenzug für das goldene Vlies versprochen hatte.
Nachdem er die Argo Poseidon geweiht hat, fordert Iason Medea auf, ihm bei der Rache an Pelias zu helfen. Sie redet seinen Töchtern ein, dass sie Pelias verjüngen könnte, wenn sie ihn zerstückeln und kochen, was diese tun. Medea aber hat nicht vor, ihren Verjüngungszauber erneut wirken zu lassen, so dass Pelias auf diese Weise umkommt. Sein Sohn Akastos begräbt seinen Vater und vertreibt Medea und Iason. Diese fliehen nach Korinth, in das Reich des Königs Kreon. Sie leben dort glücklich zehn Jahre lang, bis sich Iason in die Tochter Kreons, Glauke verliebt. König Kreon verlobt seine Tochter mit Iason und verstößt Medea, die sich daraufhin an den beiden rächt.
Für die Teilnahme an dem Zug nach Kolchis kann Iason die größten Helden seiner Zeit gewinnen, darunter die Väter vieler Trojakämpfer. Teilnehmerlisten enthalten die Pythischen Oden von Pindar, die Argonautika von Apollonios von Rhodos die Argonautica des Valerius Flaccus die Bibliotheke des Apollodor, die Fabulae des Hyginus und die Orphische Argonautika, die jedoch voneinander abweichen. Es werden bis zu sechzig variierende Namen angegeben, von denen 28 in den verschiedenen Listen miteinander übereinstimmen.
Die Argonautensage ist vielfach literarisch bearbeitet worden, sowohl als Epos als auch als Tragödie, z. B. von Eumelos, Peisandros, Äschylos, Sophokles u. a. Erhalten sind die griechischen Epen des Apollonios von Rhodos und des sogenannten Orpheus und das lateinische Heldengedicht des Valerius Flaccus, Eine ziemlich ausführliche Geschichte dieses Zugs gibt auch Pindar in der vierten pythischen Ode.
Auch Künstler machten den Argonautenzug zum Gegenstand ihrer Darstellungen, so Lykios in einem nicht näher bekannten plastischen Bildwerk. Im Anakeion, dem in Athen so bezeichneten Tempel der Dioskuren, stammte das Gemälde von der Rückkehr der Argonauten von Mikon Auch ein von Quintus Hortensius Hortalus für 144.000 Sesterzen gekauftes Gemälde des Kydias behandelt die Argonautensage. Unter den noch vorhandenen Kunstwerken ist die Darstellung der Besiegung des Amykos durch Polydeukes auf der sogen. „Ficoronischen Ciste“ in der Villa Giulia in Rom hervorzuheben. Auch auf Vasenbildern ist der Mythos mehrfach behandelt. Von neueren Darstellungen verdienen Erwähnung: der Argonautenzug von Asmus Carstens und der Szenen daraus enthaltende Fries von Ludwig Michael Schwanthaler in der Münchner Residenz.
Die Odyssee gehört zu den ältesten und einflussreichsten Dichtungen der abendländischen Literatur. In Schriftform wurde das Werk erstmals wahrscheinlich um die Wende vom 8. zum 7. Jahrhundert v. Chr. festgehalten. Es schildert die Abenteuer des Königs Odysseus von Ithaka und seiner Gefährten auf der Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg. In vielen Sprachen ist der Begriff „Odyssee“ zum Synonym für eine lange Irrfahrt geworden.
In 24 Gesängen, die aus 12.110 Hexameterversen bestehen, erzählt die Odyssee, wie der König von Ithaka nach dem zehn Jahre währenden Trojanischen Krieg, bei der Heimfahrt durch widrige Winde verschlagen, weitere zehn Jahre umherirrt und nach vielen Abenteuern schließlich als Bettler unerkannt heimkehrt. Er findet sein Haus voller aristokratischer Freier vor, die sein Eigentum aufzehren, seiner Frau Penelope einreden, er sei tot, und sie zwingen wollen, einen der Ihren zu heiraten. In einem letzten Abenteuer muss Odysseus den Kampf mit diesen Freiern aufnehmen. Eine Parallelhandlung, die „Telemachie“, erzählt, wie Odysseus’ und Penelopes Sohn Telemachos sich auf die Suche nach dem vermissten Vater begibt.
Um die Spannung stets aufrechtzuerhalten, bedient sich Homer einer sehr komplexen Erzählweise. Er arbeitet zum Beispiel mit Parallelhandlungen, Rückblenden, Einschüben, Perspektiv- und Erzählerwechseln. Die Handlung wird nicht chronologisch erzählt, sondern setzt kurz vor der Rückkehr des Odysseus nach Ithaka ein. Sie gliedert sich wie folgt:
Im 1. bis 4. Gesang beschließt der Rat der Götter, Odysseus die Heimkehr zu ermöglichen. Der Götterbote Hermes fordert die Nymphe Kalypso auf, Odysseus, den sie sieben Jahre lang auf ihrer Insel zurückgehalten hat, ziehen zu lassen. Unterdessen begibt sich die Göttin Athene in Odysseus’ Heimat Ithaka, wo seine Frau Penelope von zahlreichen Freiern bedrängt wird, einen von ihnen zu heiraten. In Gestalt des väterlichen Freundes Mentes überredet Athene Odysseus’ Sohn Telemachos, sich auf die Suche nach dem vermissten Vater zu machen. Dieser segelt daraufhin nach Pylos zu Nestor und begibt sich anschließend zu Menelaos nach Lakonien, um Informationen über seinen verschollenen Vater zu bekommen. Die Freier planen in der Zwischenzeit einen Mordanschlag auf Telemachos und bereiten einen Hinterhalt an der zwischen Ithaka und Same gelegenen Insel Asteria vor.
Auf einem selbstgebauten Floß verlässt Odysseus Kalypsos Insel Ogygia. Doch als am 18. Tag das Phaiakenland bereits in Sichtweite ist, erregt sein Widersacher, der Meeresgott Poseidon, einen Sturm, der das Floß schwer beschädigt und zum Kentern bringt. Mit Unterstützung der Nymphe Ino Leukothea rettet sich Odysseus mit letzter Kraft schwimmend an die Küste Scherias, der Heimat der Phaiaken. Er begegnet am Strand der Königstochter Nausikaa, die ihm den Weg zum Palast ihrer Eltern weist. Diese nehmen Odysseus gastfreundlich auf. (5. bis 8. Gesang)
Im zentralen Teil des Epos (9. bis 12. Gesang)erzählt Odysseus im Haus des Phaiakenkönigs Alkinoos die Geschichte seiner Irrfahrten.
Im 13. bis 16. Gesang werden die beiden Handlungsstränge, die Telemachie und die eigentliche Odyssee, zusammengeführt. Odysseus kehrt mit Hilfe der Phaiaken nach Ithaka heim, muss sich aber im Haus des treuen Sauhirten Eumaios verbergen, bis er den Kampf mit den Freiern wagen kann. Inzwischen bricht Telemachos aus Sparta auf. Ohne bei Nestor zu übernachten, begibt er sich, nachdem er abends Pylos erreicht, direkt auf sein Schiff und kehrt nach Ithaka zurück. Dem Anschlag der Freier, vor den ihn Athene gewarnt hat, kann er entgehen. Er begibt sich zu Eumaios und trifft dort auf seinen Vater Odysseus.
Zu seinem Schutz verleiht Athene Odysseus die Gestalt eines Bettlers. Als solcher kehrt er nach 20 Jahren in sein Haus zurück, wo ihn zunächst nur sein alter sterbender Hund Argos wiedererkennt, später auch die alte Magd Eurykleia. Insgeheim bereitet sich Odysseus auf den Kampf mit den Freiern vor. (17. bis 20. Gesang)
Bei einem Bogenkampf (21. und 22. Gesang)gibt sich Odysseus zu erkennen und tötet mit Hilfe von Telemachos und Eumaios die Freier sowie die Mägde und Knechte, die sich als untreu erwiesen haben.
Odysseus sieht nach 20 Jahren seine Frau Penelope wieder. Doch erst nachdem sie ihn mit einer List auf die Probe gestellt hat, erkennt sie in ihm den Gatten. Anschließend besucht Odysseus seinen alten Vater Laertes. In der Unterwelt preisen Achilleus und Agamemnon, Odysseus’ Mitkämpfer vor Troja, dessen siegreiche Heimkehr. Die Göttin Athene schlichtet den Streit zwischen Odysseus und den Verwandten der getöteten Freier. (23. und 24. Gesang)
Eine zentrale Rolle im Epos nehmen die Gesänge 9 bis 12 ein, in denen Odysseus seine Abenteuer bis zur Ankunft bei den Phaiaken schildert. Dieser eher märchenhafte Teil wird von vielen Forschern für das ursprüngliche Epos gehalten, das später um die einleitende Telemachie und die ausführliche Schilderung des Freiermords am Ende erweitert wurde.
Nachdem sie Troja auf zwölf Schiffen verlassen haben, überfallen Odysseus und seine Gefährten zunächst die mit den Trojanern verbündeten thrakischen Kikonen, werden von diesen aber vertrieben. Während die Schiffe auf der Fahrt nach Ithaka Kap Malea, die Südspitze der Peloponnes, umfahren, kommt ein starker Nordwind auf und treibt sie, an der Insel Kythera vorbei, auf das offene Meer. Schließlich gelangen sie ins Land der Lotophagen, der Lotosesser. Drei Gefährten, die Odysseus als Kundschafter zu den Lotophagen schickt, kosten von der Frucht, die sie ihre Heimat vergessen und das Verlangen aufkommen lässt, für immer im Land der Lotophagen zu bleiben. Sie müssen daraufhin mit Gewalt zurück auf die Schiffe gebracht werden.
Anschließend landen Odysseus und seine Gefährten auf einer Insel, auf der viele wilde Ziegen leben. Am folgenden Tag setzen sie zur nahen gegenüberliegenden Küste über, die von Riesen, den Kyklopen, bevölkert ist. Einer von ihnen, der einäugige Polyphem, nimmt Odysseus und zwölf seiner Gefährten gefangen, die in seine Höhle eingedrungen sind. Er tötet und frisst insgesamt sechs von ihnen und droht, auch die übrigen sowie Odysseus nacheinander zu verspeisen. Da die Griechen nicht genug Kraft haben, den Felsen zu bewegen, mit dem Polyphem den Höhleneingang versperrt hat, können sie den Kyklopen nicht töten, sondern müssen ihn überlisten. So stellt sich Odysseus, von Polyphem nach seinem Namen gefragt, in einem Wortspiel als Oudeís vor. Das griechische Οὐδείς ist zum einen ein Kosename für Odysseus und bedeutet zum anderen Niemand. Es gelingt ihm, Polyphem betrunken zu machen und ihn dann mit einem glühenden Pfahl zu blenden
Als andere Kyklopen auf Polyphems Schmerzensschreie hin herbeieilen, ruft dieser ihnen zu, „Niemand“ habe ihm etwas angetan, so dass sie wieder umkehren. Um seine Schafe auf die Weide zu lassen, wälzt Polyphem am Morgen den Stein vor seiner Höhle weg, betastet aber die Rücken der Tiere, um zu verhindern, dass die Griechen sich unter die Herde mischen. Indem sie immer drei Schafe zusammenbinden, an deren Bauchfell sich jeweils ein Mann festklammert, können Odysseus und seine Gefährten aber dennoch entkommen. Als Polyphem ihre Flucht bemerkt, schleudert er Felsen in die Richtung, in der er die Schiffe vermutet, verfehlt sie aber. Hochmütig enthüllt Odysseus Polyphem seinen wahren Namen. In seinem Zorn bittet dieser seinen Vater Poseidon, Odysseus auf dem Meer umkommen zu lassen oder zumindest seine Heimkehr lange zu verzögern.
Der Windgott Aiolos, dessen Insel er als nächste anläuft, schenkt Odysseus einen Lederschlauch, in dem alle Winde eingesperrt sind, bis auf den Westwind, der seine Schiffe sicher nach Ithaka treiben soll. Doch als Odysseus’ ahnungslose Gefährten kurz vor dem Ziel den Schlauch aus Neugier öffnen, entweichen alle Winde und ihre Schiffe werden zur Insel des Aiolos zurückgetrieben. Dieser verweigert daraufhin jede weitere Hilfe.
Als nächstes gelangen Odysseus und seine Leute nach Telepylos zu den Laistrygonen, einem menschenfressenden Riesenvolk. Als deren König einen von zwei Kundschaftern aufspießt, versuchen die Griechen zu fliehen, doch ihre Schiffe werden in dem Hafen, der weit in das Land hineinreicht, von den von allen Seiten herbeieilenden Laistrygonen durch Felsbrocken zerschmettert. Nur Odysseus gelingt mit seinem Schiff und dessen Besatzung die Flucht, da er es vorsichtshalber nicht in den Hafen hineinfahren ließ. Alle übrigen Schiffe gehen verloren.
Mit seinem letzten Schiff erreicht Odysseus die Insel Aiaka, wo die Göttin und Zauberin Kirke mit einigen Dienerinnen lebt. Bei ihrem Anwesen befinden sich Gehege mit zahmen Löwen und Wölfen, in Wahrheit Menschen, die von Kirke verzaubert wurden. Auch die Hälfte von Odysseus’ Männern, die dieser zur Erkundung der Insel ausgesandt hat, verwandelt Kirke mit einem Zaubertrank in Schweine. Nur Eurylochos, der Kirkes Haus aus Vorsicht nicht betreten hat, entkommt zum Schiff. Als Odysseus sich daraufhin alleine zu Kirke begibt, begegnet er dem Götterboten Hermes, der ihm das Kraut Moly gibt. Mit dessen Hilfe gelingt es ihm, dem Zauber zu widerstehen. Zudem zwingt Odysseus Kirke zu dem Eid, ihm und seinen Gefährten nichts Übles mehr anzutun. Sie verwandelt die Gefährten wieder in Menschen und teilt mit Odysseus ihr Lager. Nach einem Jahr beschließt Odysseus auf Drängen seiner Gefährten, trotz Kirkes Liebeswerben, die Heimreise fortzusetzen.
Die Zauberin rät ihm, zuvor die Seele des Sehers Teiresias im Haus des Hades, Homers Bezeichnung der Unterwelt, nach seinem weiteren Schicksal zu befragen. Dort opfert Odysseus und es erscheinen ihm die Seelen seiner inzwischen verstorbenen Mutter, von Mitkämpfern aus dem Trojanischen Krieg und seines auf Aiaia verunglückten Gefährten Elpenor. Der Seher Teiresias gibt ihm Ratschläge für die Weiterfahrt.
Nach dem Besuch der Unterwelt kehren Odysseus und seine Gefährten zunächst zur Insel der Kirke zurück, um den Elpenor zu bestatten, der unmittelbar vor der Abfahrt zum Hades zu Tode stürzte. Kirke gibt Odysseus noch Ratschläge für die Heimfahrt, weist ihn auf die Gefahren von Skylla und Charybdis sowie einen nicht minder gefährlichen alternativen Weg durch die Plankten hin und mahnt ihn - wie zuvor schon Teiresias - keinesfalls die Rinder und Schafe auf der Insel des Helios zu schlachten. Anschließend verlassen Odysseus und seine Gefährten Aiaia. Die Fahrt führt zunächst an der Insel der Sirenen vorbei, die mit ihrem betörenden Gesang Seefahrer auf die Klippen und damit in den Tod locken. Um ihnen gefahrlos lauschen zu können, lässt sich Odysseus auf Kirkes Rat hin an den Mastbaum fesseln, seinen Gefährten aber die Ohren mit Wachs verschließen. Anschließend passieren sie eine Meerenge, deren Ufer von zwei Seeungeheuern beherrscht werden, nämlich von der sechsköpfigen, menschenverschlingenden Skylla und von Charybdis, die einen Strudel verursacht, in dem ganze Schiffe versinken. Odysseus lässt seine Gefährten in möglichst großer Entfernung von Charybdis und damit nahe an Skylla vorbeirudern, die sechs von ihnen verschlingt.
Ermattet erreichen sie bald darauf Thrinakia, die Insel des Sonnengottes Helios. Widrige Winde hindern sie einen Monat lang an der Weiterfahrt, und nachdem ihre Vorräte aufgebraucht sind, beginnen sie Hunger zu leiden. Daher schlachten die Gefährten, trotz Odysseus’ Warnung, Helios’ heilige Rinder. Zur Strafe kommen sie nach ihrer Abreise in einem Sturm um, den Zeus auf Drängen des Helios geschickt hat. Nur Odysseus kann sich, auf dem Kiel seines Schiffs sitzend, auf die Insel der Nymphe Kalypso, Ogygia, retten.
Kalypso hält Odysseus sieben Jahre lang fest und lässt ihn erst auf Geheiß der Götter wieder ziehen. Er baut mit ihrer Hilfe ein Floß und gelangt mit diesem nach 17 Tagen bis in Sichtweite der Küste Scherias, des Lands der Phaiaken. Als Poseidon Odysseus erblickt, entfacht er einen Sturm, der das Floß schwer beschädigt und kentern lässt. Die Nymphe Ino Leukothea aber bemerkt den Schiffbrüchigen und hat Mitleid mit ihm. Sie gibt ihm einen Schleier, den er sich umbinden soll und rät ihm, sein manövrierunfähiges Floß zu verlassen. Von dem Schleier getragen, erreicht er schwimmend und unter größten Mühen die Küste.
Dort findet ihn Nausikaa, die Tochter des Königs Alkinoos, nackt am Strand. Sie versorgt Odysseus mit Kleidern und weist ihm den Weg zum Palast ihrer Eltern. Es gelingt ihm, die Gunst des Alkinoos und seiner Ehefrau Arete zu gewinnen, die ihm versprechen, ihn mit einem ihrer Schiffe nach Ithaka bringen zu lassen. Die Phaiaken veranstalten Spiele zu seinen Ehren und beschenken ihn reich. Als der Sänger Demodokos Lieder über den trojanischen Krieg vorträgt, kann Odysseus seine Tränen nicht zurückhalten. Alkinoos bemerkt dies und bittet den Gast, seine Identität und die Ursache seines Kummers zu offenbaren. Daraufhin berichtet Odysseus von seinen Erlebnissen. Schließlich wird Odysseus, mit weiteren kostbaren Geschenken bedacht, zum Schiff geleitet, das ihn nach Ithaka bringt.
Außer der ausführlichen Schilderung seiner Irrfahrten bei den Phaiaken erzählt Odysseus nach seiner Rückkehr auf Ithaka auch ein paar erfundene Geschichten, um seine wahre Identität zu verheimlichen – meist aus Vorsicht.
Gegenüber Athena, die ihm kurz nach der Landung auf Ithaka in Gestalt eines jungen Mannes begegnet, gibt Odysseus im 13. Gesang an, aus Kreta zu stammen. Er habe dort Orsilochos, den Sohn des Idomeneus erschlagen. Er sei mit in den Troianischen Krieg gezogen, aber nicht unter Idomeneus Führung, sondern mit eigenen Gefährten. Orslilochos habe ihm nach der Rückkehr die gesamte Beute aus Troja rauben wollen. Daher habe er Orsilochos nachts aufgelauert und mit einem Speer getötet. Danach habe er sich sofort zu einem phönizischen Schiff begeben und den Phöniziern einen Teil seiner Beute dafür angeboten, dass sie ihn nach Pylos oder Elis bringen. Vor der Westküste der Peloponnes trieb sie jedoch der Wind ab und sie gelangten nach Ithaka. Während Odysseus am Ufer schlief, luden die Phönizier dessen Schätze aus und segelten ohne ihn nach Sidon.
Im 14. Gesang erzählt Odysseus dem Sauhirten Eumaios eine anfangs ähnliche, dann aber stark abweichende und längere Lügengeschichte, die auch den zeitlichen Abstand zwischen dem Fall Trojas und seiner Ankunft auf Ithaka berücksichtigt:
Wiederum behauptet Odysseus, aus Kreta zu stammen und Anführer eines kretischen Kontingents im Trojanischen Krieg gewesen zu sein. Er gibt sich als Sohn eines reichen Mannes und einer Sklavin aus, der von seinem Vater aber genauso geliebt wurde wie seine ehelichen Söhne. Nach dem Tod des Vaters sei er (Odysseus) von seinen Halbbrüdern nur mit einem sehr geringen Teil des Erbes und einem Haus abgefunden worden, doch habe er es dank seiner Tüchtigkeit und seines Mutes im Kampf zu Ansehen und Reichtum gebracht. Kämpfe und Seefahrten mit Gefährten aus dem Hinterland seien ihm lieber gewesen als häusliche Arbeit und er sei bei Raubzügen sehr erfolgreich gewesen. Daher wurde er neben Idomeneus zum Anführer der Kreter gegen Troja bestimmt.
Nach der Rückkehr aus Troja habe es ihn schon nach einem Monat wieder in die Ferne gezogen und er sei mit einigen Schiffen nach Ägypten gefahren. Entgegen seiner Anordnung, noch zu warten und Späher auszuschicken, begannen seine Gefährten zu plündern, Frauen und Kinder zu verschleppen und ägyptische Männer zu töten. Daraufhin habe in einer nahe gelegenen Stadt ein ägyptischer König ein Heer zusammengezogen, die Griechen bei Morgengrauen angegriffen und vernichtend geschlagen. Odysseus berichtet, er habe sich dem König zu Füßen geworfen. Dieser habe ihm vergeben und in den folgenden sieben Jahren habe er es in Ägypten zu großem Reichtum gebracht. Danach habe ihn ein betrügerischer Phönizier überredet, mit ihm nach Phönizien zu kommen. Nach einem Jahr Aufenthalt in Phönizien habe dieser Mann ihn unter einem Vorwand auf ein Schiff Richtung Libyen gelockt, in der Absicht, ihn in dort zu verkaufen. Nachdem das Schiff Kreta passiert hatte, sei es bei einem Unwetter gekentert.
Odysseus erzählt weiter, er habe sich an einen Mast geklammert und sei nach zehn Tagen an die Küste der Thesproten getrieben worden. Der thesprotische König Pheidon habe ihn aufgenommen und Gefährten angewiesen, ihn mit dem Schiff nach Dulichion zu König Akastos zu geleiten. Die thesprotischen Seeleute aber planten für Odysseus die Knechtschaft, zogen ihm die Kleidung aus und Lumpen an und fesselten ihn. Bei einem Zwischenstopp auf Ithaka gelang es ihm, sich zu befreien und sich so lange auf der Insel zu verstecken, bis die Thesproter weiterfuhren. Odysseus erzählt in dieser Lügengeschichte auch, Pheidon habe Odysseus gastlich aufgenommen, der dann nach Dodona gegangen sei, um das dortige Zeusorakel nach dem günstigsten Heimweg nach Ithaka zu befragen. Odysseus sei seitdem aber schon lange fern.
Im 19. Gesang tischt Odysseus, noch in Gestalt eines Bettlers, seiner Gattin Penelope eine Lügengeschichte auf: Er behauptet, Aithon zu heißen, aus Kreta zu stammen und der jüngere Bruder des Idomeneus zu sein. Als Idomeneus schon Richtung Troja unterwegs war, sei Odysseus mit seinen Schiffen an der Küste Kretas gestrandet. Er habe ihn und seine Gefährten elf Tage bewirtet, da nördliche Winde Odysseus an der Weiterfahrt gehindert hätten, und Odysseus Geschenke bereitet, als dieser Richtung Troja weiterfuhr. Nachdem Penelope den vermeintlichen Aithon auf die Probe stellte und dieser ihr wahrheitsgemäß die Gewänder des Odysseus sowie Aussehen und Namen dessen Herolds Eurybathes nannte, weinte Penelope bitterlich um den von ihr für tot gehaltenen Gatten. Daraufhin fordert Odysseus sie auf, nicht zu weinen, und behauptet, er habe erfahren, dass Odysseus noch am Leben sei. Dieser habe sein Schiff und alle Gefährten vor Thrinakia verloren, sei aber, von den Phaiaken reich beschenkt, nach Thesprotien gelangt, wie er von König Pheidon erfahren habe. Im folgenden gleicht die Geschichte der, die er Eumaios erzählt hat.
Im 24. Gesang, unmittelbar bevor er sich seinem Vater Laertes zu erkennen gibt, behauptet Odysseus, aus der Stadt Alybas in Sikanien zu stammen, Eperitos zu heißen und mit seinem Schiff nach Ithaka verschlagen worden zu sein. Er behauptet, Odysseus habe sich in Sikanien aufgehalten und sei von dort vor fünf Jahren mit einem Schiff in Richtung Heimat aufgebrochen.
Die Handlung der Odyssee gehört zum Sagenkreis um den Trojanischen Krieg und schließt an die Ilias an. Daher könnten erste mündliche Fassungen des Epos bereits in spätmykenischer Zeit entstanden sein, also nach den Ereignissen, die einen realen Kern der Legenden um den Untergang Trojas gebildet haben könnten. Wahrscheinlich wurden verschiedene Urfassungen der Odyssee jahrhundertelang durch Sänger – zunächst durch die Aoiden, später durch die Rhapsoden – vorgetragen und durch die mündliche Überlieferung immer wieder verändert. Der metrische Rhythmus der Verse diente dem vortragenden Sänger als Gedächtnisstütze.
In der Forschung wird heute allgemein angenommen, dass verschiedene Kurzepen zur Odyssee dichterisch zusammengefasst wurden. Ursprünglich dürften mindestens zwei verschiedene Geschichten existiert haben: zum einen die des Troja-Heimkehrers Odysseus, der die Freier tötet, welche die Zeit seiner Abwesenheit ausgenutzt haben; zum anderen abenteuerliche Geschichten im Stil der Nostoi (sing.: nostos, wörtlich: Rückfahrt), der von heimkehrenden Seefahrern erzählten Märchen, die ihrerseits aus verschiedenen Quellen stammen und erst später Odysseus zugeschrieben wurden. In einer vor-homerischen Urfassung schilderte die Odyssee vermutlich in einfacher zeitlicher Abfolge die Irrfahrten des Helden, seine Heimkehr und den Freiermord.
Die Niederschrift der Odyssee, auf welche die heute bekannte Form des Epos zurückgeht, erfolgte nach nicht unumstrittener Forschungsmeinung um 730/720 v. Chr. Erst dabei könnte der dritte Handlungsstrang hinzugefügt worden sein: die einführenden Gesänge der Telemachie, die Geschichte von der Suche des Telemachos nach seinem Vater. Sie diente dem Zweck, die Spannung zu erhöhen und – durch die Schilderung der Zustände auf Ithaka – Odysseus’ spätere Rache an den Freiern als gerechtfertigt hinzustellen.
Wahrscheinlich im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand eine dem Eugamon aus Kyrene zugeschriebene, heute nur noch in wenigen Fragmenten erhaltene Fortsetzung der Odyssee: Die Telegonie berichtet von Odysseus’ letzten Abenteuern und von seinem Tod im Kampf mit Telegonos, seinem ihm unbekannten Sohn, den er mit Kirke gezeugt hatte.
Die Überlieferung des Texts, so wie ihn der Dichter der Odyssee im späten 8. oder im 7. Jahrhundert v. Chr. abgefasst hat, ist schon für die Antike nicht ganz sicher. Von der Odyssee wie von der Ilias dürften schon kurz nach der Niederschrift viele voneinander abweichende Kopien im Umlauf gewesen sein. Die hohe Wertschätzung, die den homerischen Texten schon früh zuteil wurde, führte aber dazu, dass immer wieder textkritische Rekonstruktionen der Urfassung angefertigt wurden; im Athen des Tyrannen Peisistratos Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. geschah dies sogar auf Staatskosten. Bis in frühhellenistische Zeit weisen Papyri jedoch voneinander und von der Athener Version abweichende Textfassungen auf.
Ermattet erreichen sie bald darauf Thrinakia, die Insel des Sonnengottes Helios. Widrige Winde hindern sie einen Monat lang an der Weiterfahrt, und nachdem ihre Vorräte aufgebraucht sind, beginnen sie Hunger zu leiden. Daher schlachten die Gefährten, trotz Odysseus’ Warnung, Helios’ heilige Rinder. Zur Strafe kommen sie nach ihrer Abreise in einem Sturm um, den Zeus auf Drängen des Helios geschickt hat. Nur Odysseus kann sich, auf dem Kiel seines Schiffs sitzend, auf die Insel der Nymphe Kalypso, Ogygia, retten.
Kalypso hält Odysseus sieben Jahre lang fest und lässt ihn erst auf Geheiß der Götter wieder ziehen. Er baut mit ihrer Hilfe ein Floß und gelangt mit diesem nach 17 Tagen bis in Sichtweite der Küste Scherias, des Lands der Phaiaken. Als Poseidon Odysseus erblickt, entfacht er einen Sturm, der das Floß schwer beschädigt und kentern lässt. Die Nymphe Ino Leukothea aber bemerkt den Schiffbrüchigen und hat Mitleid mit ihm. Sie gibt ihm einen Schleier, den er sich umbinden soll und rät ihm, sein manövrierunfähiges Floß zu verlassen. Von dem Schleier getragen, erreicht er schwimmend und unter größten Mühen die Küste.
Dort findet ihn Nausikaa, die Tochter des Königs Alkinoos, nackt am Strand. Sie versorgt Odysseus mit Kleidern und weist ihm den Weg zum Palast ihrer Eltern. Es gelingt ihm, die Gunst des Alkinoos und seiner Ehefrau Arete zu gewinnen, die ihm versprechen, ihn mit einem ihrer Schiffe nach Ithaka bringen zu lassen. Die Phaiaken veranstalten Spiele zu seinen Ehren und beschenken ihn reich. Als der Sänger Demodokos Lieder über den trojanischen Krieg vorträgt, kann Odysseus seine Tränen nicht zurückhalten. Alkinoos bemerkt dies und bittet den Gast, seine Identität und die Ursache seines Kummers zu offenbaren. Daraufhin berichtet Odysseus von seinen Erlebnissen. Schließlich wird Odysseus, mit weiteren kostbaren Geschenken bedacht, zum Schiff geleitet, das ihn nach Ithaka bringt.
Außer der ausführlichen Schilderung seiner Irrfahrten bei den Phaiaken erzählt Odysseus nach seiner Rückkehr auf Ithaka auch ein paar erfundene Geschichten, um seine wahre Identität zu verheimlichen – meist aus Vorsicht.
Gegenüber Athena, die ihm kurz nach der Landung auf Ithaka in Gestalt eines jungen Mannes begegnet, gibt Odysseus im 13. Gesang an, aus Kreta zu stammen. Er habe dort Orsilochos, den Sohn des Idomeneus erschlagen. Er sei mit in den Troianischen Krieg gezogen, aber nicht unter Idomeneus Führung, sondern mit eigenen Gefährten. Orslilochos habe ihm nach der Rückkehr die gesamte Beute aus Troja rauben wollen. Daher habe er Orsilochos nachts aufgelauert und mit einem Speer getötet. Danach habe er sich sofort zu einem phönizischen Schiff begeben und den Phöniziern einen Teil seiner Beute dafür angeboten, dass sie ihn nach Pylos oder Elis bringen. Vor der Westküste der Peloponnes trieb sie jedoch der Wind ab und sie gelangten nach Ithaka. Während Odysseus am Ufer schlief, luden die Phönizier dessen Schätze aus und segelten ohne ihn nach Sidon.
Im 14. Gesang erzählt Odysseus dem Sauhirten Eumaios eine anfangs ähnliche, dann aber stark abweichende und längere Lügengeschichte, die auch den zeitlichen Abstand zwischen dem Fall Trojas und seiner Ankunft auf Ithaka berücksichtigt:[5 ] Wiederum behauptet Odysseus, aus Kreta zu stammen und Anführer eines kretischen Kontingents im Trojanischen Krieg gewesen zu sein. Er gibt sich als Sohn eines reichen Mannes und einer Sklavin aus, der von seinem Vater aber genauso geliebt wurde wie seine ehelichen Söhne. Nach dem Tod des Vaters sei er (Odysseus) von seinen Halbbrüdern nur mit einem sehr geringen Teil des Erbes und einem Haus abgefunden worden, doch habe er es dank seiner Tüchtigkeit und seines Mutes im Kampf zu Ansehen und Reichtum gebracht. Kämpfe und Seefahrten mit Gefährten aus dem Hinterland seien ihm lieber gewesen als häusliche Arbeit und er sei bei Raubzügen sehr erfolgreich gewesen. Daher wurde er neben Idomeneus zum Anführer der Kreter gegen Troja bestimmt.
Nach der Rückkehr aus Troja habe es ihn schon nach einem Monat wieder in die Ferne gezogen und er sei mit einigen Schiffen nach Ägypten gefahren. Entgegen seiner Anordnung, noch zu warten und Späher auszuschicken, begannen seine Gefährten zu plündern, Frauen und Kinder zu verschleppen und ägyptische Männer zu töten. Daraufhin habe in einer nahe gelegenen Stadt ein ägyptischer König ein Heer zusammengezogen, die Griechen bei Morgengrauen angegriffen und vernichtend geschlagen. Odysseus berichtet, er habe sich dem König zu Füßen geworfen. Dieser habe ihm vergeben und in den folgenden sieben Jahren habe er es in Ägypten zu großem Reichtum gebracht. Danach habe ihn ein betrügerischer Phönizier überredet, mit ihm nach Phönizien zu kommen. Nach einem Jahr Aufenthalt in Phönizien habe dieser Mann ihn unter einem Vorwand auf ein Schiff Richtung Libyen gelockt, in der Absicht, ihn in dort zu verkaufen. Nachdem das Schiff Kreta passiert hatte, sei es bei einem Unwetter gekentert.
Odysseus erzählt weiter, er habe sich an einen Mast geklammert und sei nach zehn Tagen an die Küste der Thesproten getrieben worden. Der thesprotische König Pheidon habe ihn aufgenommen und Gefährten angewiesen, ihn mit dem Schiff nach Dulichion zu König Akastos zu geleiten. Die thesprotischen Seeleute aber planten für Odysseus die Knechtschaft, zogen ihm die Kleidung aus und Lumpen an und fesselten ihn. Bei einem Zwischenstopp auf Ithaka gelang es ihm, sich zu befreien und sich so lange auf der Insel zu verstecken, bis die Thesproter weiterfuhren. Odysseus erzählt in dieser Lügengeschichte auch, Pheidon habe Odysseus gastlich aufgenommen, der dann nach Dodona gegangen sei, um das dortige Zeusorakel nach dem günstigsten Heimweg nach Ithaka zu befragen. Odysseus sei seitdem aber schon lange fern.
Im 19. Gesang tischt Odysseus, noch in Gestalt eines Bettlers, seiner Gattin Penelope eine Lügengeschichte auf: Er behauptet, Aithon zu heißen, aus Kreta zu stammen und der jüngere Bruder des Idomeneus zu sein. Als Idomeneus schon Richtung Troja unterwegs war, sei Odysseus mit seinen Schiffen an der Küste Kretas gestrandet. Er habe ihn und seine Gefährten elf Tage bewirtet, da nördliche Winde Odysseus an der Weiterfahrt gehindert hätten, und Odysseus Geschenke bereitet, als dieser Richtung Troja weiterfuhr. Nachdem Penelope den vermeintlichen Aithon auf die Probe stellte und dieser ihr wahrheitsgemäß die Gewänder des Odysseus sowie Aussehen und Namen dessen Herolds Eurybathes nannte, weinte Penelope bitterlich um den von ihr für tot gehaltenen Gatten. Daraufhin fordert Odysseus sie auf, nicht zu weinen, und behauptet, er habe erfahren, dass Odysseus noch am Leben sei. Dieser habe sein Schiff und alle Gefährten vor Thrinakia verloren, sei aber, von den Phaiaken reich beschenkt, nach Thesprotien gelangt, wie er von König Pheidon erfahren habe. Im folgenden gleicht die Geschichte der, die er Eumaios erzählt hat.
Im 24. Gesang, unmittelbar bevor er sich seinem Vater Laertes zu erkennen gibt, behauptet Odysseus, aus der Stadt Alybas in Sikanien zu stammen, Eperitos zu heißen und mit seinem Schiff nach Ithaka verschlagen worden zu sein. Er behauptet, Odysseus habe sich in Sikanien aufgehalten und sei von dort vor fünf Jahren mit einem Schiff in Richtung Heimat aufgebrochen.
Die Handlung der Odyssee gehört zum Sagenkreis um den Trojanischen Krieg und schließt an die Ilias an. Daher könnten erste mündliche Fassungen des Epos bereits in spätmykenischer Zeit entstanden sein, also nach den Ereignissen, die einen realen Kern der Legenden um den Untergang Trojas gebildet haben könnten. Wahrscheinlich wurden verschiedene Urfassungen der Odyssee jahrhundertelang durch Sänger – zunächst durch die Aoiden, später durch die Rhapsoden – vorgetragen und durch die mündliche Überlieferung immer wieder verändert. Der metrische Rhythmus der Verse diente dem vortragenden Sänger als Gedächtnisstütze.
In der Forschung wird heute allgemein angenommen, dass verschiedene Kurzepen zur Odyssee dichterisch zusammengefasst wurden. Ursprünglich dürften mindestens zwei verschiedene Geschichten existiert haben: zum einen die des Troja-Heimkehrers Odysseus, der die Freier tötet, welche die Zeit seiner Abwesenheit ausgenutzt haben; zum anderen abenteuerliche Geschichten im Stil der Nostoi (sing.: nostos, wörtlich: Rückfahrt), der von heimkehrenden Seefahrern erzählten Märchen, die ihrerseits aus verschiedenen Quellen stammen und erst später Odysseus zugeschrieben wurden. In einer vor-homerischen Urfassung schilderte die Odyssee vermutlich in einfacher zeitlicher Abfolge die Irrfahrten des Helden, seine Heimkehr und den Freiermord.
Die Niederschrift der Odyssee, auf welche die heute bekannte Form des Epos zurückgeht, erfolgte nach nicht unumstrittener Forschungsmeinung um 730/720 v. Chr. Erst dabei könnte der dritte Handlungsstrang hinzugefügt worden sein: die einführenden Gesänge der Telemachie, die Geschichte von der Suche des Telemachos nach seinem Vater. Sie diente dem Zweck, die Spannung zu erhöhen und – durch die Schilderung der Zustände auf Ithaka – Odysseus’ spätere Rache an den Freiern als gerechtfertigt hinzustellen.
Wahrscheinlich im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand eine dem Eugamon aus Kyrene zugeschriebene, heute nur noch in wenigen Fragmenten erhaltene Fortsetzung der Odyssee: Die Telegonie berichtet von Odysseus’ letzten Abenteuern und von seinem Tod im Kampf mit Telegonos, seinem ihm unbekannten Sohn, den er mit Kirke gezeugt hatte.
Die Überlieferung des Texts, so wie ihn der Dichter der Odyssee im späten 8. oder im 7. Jahrhundert v. Chr. abgefasst hat, ist schon für die Antike nicht ganz sicher. Von der Odyssee wie von der Ilias dürften schon kurz nach der Niederschrift viele voneinander abweichende Kopien im Umlauf gewesen sein. Die hohe Wertschätzung, die den homerischen Texten schon früh zuteil wurde, führte aber dazu, dass immer wieder textkritische Rekonstruktionen der Urfassung angefertigt wurden; im Athen des Tyrannen Peisistratos Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. geschah dies sogar auf Staatskosten. Bis in frühhellenistische Zeit weisen Papyri jedoch voneinander und von der Athener Version abweichende Textfassungen auf.
Dies änderte sich erst nach der Gründung der Bibliothek von Alexandria durch Ptolemaios I. Soter im Jahr 288 v. Chr. Die Gelehrten Zenodotos von Ephesos, Aristophanes von Byzanz und vor allem Aristarchos von Samothrake, der sechste Vorsteher der Bibliothek, erstellten durch Vergleiche und textkritische Methoden kanonische Fassungen beider Epen, die wahrscheinlich den Athener Versionen entsprachen. Zwar gingen im Laufe der Zeit auch die Schriften der drei Bibliotheksvorsteher weitgehend verloren, doch gehen die Abschriften beider Epen bis zum Ende der Antike und ihre heutige Textgestalt mit einiger Sicherheit auf deren Arbeiten zurück.
Dies ist vor allem mit der bereits erwähnten Verehrung Homers in der gesamten antiken Welt zu erklären. Odyssee und Ilias gehörten zum Kern des antiken Bildungskanons, und seit der Tätigkeit der alexandrinischen Bibliothekare wurde auf eine getreue Weitergabe der Texte geachtet. Komplette Abschriften beider Werke aus der Antike sind allerdings nicht erhalten. Zu den ältesten fragmentarischen Textzeugnissen gehören der Londoner Homer-Papyrus aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts sowie der Berliner Homer-Papyrus aus dem 3. Jahrhundert.
Die älteste erhaltene Handschrift des homerischen Gesamtwerkes stammt aus dem Konstantinopel des 12. Jahrhunderts, Inkunabeln – Erstdrucke – liegen aus dem 15. Jahrhundert vor. Zwischen der ersten schriftlichen Fixierung der homerischen Epen und den frühesten Textversionen, die bis heute vollständig erhalten sind, liegen also rund 2000 Jahre. Dennoch geht die Forschung davon aus, dass die heutigen Fassungen dank der Vorarbeit der antiken Gelehrten im Wesentlichen der Fassung Homers entsprechen.
Mit der Veröffentlichung des Werks Prolegomena ad Homerum des Hallenser Altphilologen Friedrich August Wolf im Jahr 1795 setzt die moderne Homer-Forschung ein. Die so genannten Homerischen Fragen, die sich seither stellen, sind bis heute strittig: Hat Homer dem gesamten Epos seine heutige Form gegeben oder bereits Vorhandenes lediglich redigiert? Hat er nur die Telemachie hinzugefügt? Ist er überhaupt der Dichter der Odyssee gewesen?
Einige Forscher weisen auf den zeitlichen Abstand zwischen der Ilias und der Odyssee hin sowie auf die inhaltlichen Diskrepanzen – hier Kriegsepos mit realistischem Hintergrund, dort märchenhafte Abenteuer – um zu begründen, warum Homer nicht gleichzeitig der Autor beider Werke gewesen sein kann. Andere halten es auf Grund der stilistischen Ähnlichkeiten zwischen beiden Epen durchaus für möglich, dass die Odyssee ein Alterswerk des Ilias-Dichters ist.
Fest steht nur, dass der Odyssee-Dichter sich stilistisch eng an der Ilias orientiert und viele ihrer Formulierungen übernommen hat, so dass er zumindest dem Umfeld Homers zuzuordnen ist. Auch Forscher, die Ilias und Odyssee für Werke zweier verschiedener Autoren halten, bezeichnen beide als „homerische Epen“.
Goethe spottete schon 1795 über die Versuche, Ilias und Odyssee textkritisch zu zergliedern: „Die Idee mag gut sein, und die Bemühung ist respektabel, wenn nur nicht diese Herren, um ihre schwachen Flanken zu decken, gelegentlich die fruchtbarsten Gärten des ästhetischen Reichs verwüsten und in leidige Verschanzungen verwandeln müssten. Am Ende ist mehr Subjektives, als man denkt, in diesem ganzen Krame.“
Auch wenn es in der Forschung weiterhin Diskussionen um Troja gibt, gilt es seit Heinrich Schliemanns Ausgrabungen doch als erwiesen, dass die Ilias einen realen Kern hat, zumindest was die Existenz Trojas oder Ilions angeht. Die Irrfahrten in der Odyssee hingegen weisen über weite Passagen märchenhafte Züge auf. Daher waren alle, zum Teil bereits in der Antike unternommenen Versuche, ihr reale Schauplätze zuzuweisen, stets umstritten. Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. hat sich der Geograph Eratosthenes über solche Versuche lustig gemacht. Von wenigen Textstellen abgesehen, in denen der Dichter tatsächlich existierende Landschaften und Orte nennt – zum Beispiel Thrakien, Kap Malea, Kythera, Ithaka – blieben solche Lokalisierungsversuche stets Spekulation.
In der Antike wurde das Land der Lotosesser oft auf der Tunesien vorgelagerte Insel Djerba lokalisiert, erstmals von Eratosthenes im 3. Jahrhundert v. Chr. Im 5. Jahrhundert v. Chr. berichtete Herodot von Lotophagen östlich des Tritonsees, wobei er diese aber nicht ausdrücklich mit den Lotophagen der Odyssee in Verbindung brachte. Uvo Hölscher verweist auf Herodot und meint, das Land der Lotophagen sei Teil der geographischen Vorstellungen der Zeit und finde sich im Süden des Mittelmeers. Auf Sizilien sollen nach Meinung einiger antiker und moderner Autoren die Kyklopen gelebt haben. Thukydides berichtet, dass Kyklopen (und Laistrygonen) als älteste Bewohner Siziliens galten.
In Vergils Aeneis werden die Kyklopen und Polyphems Höhle im Nordosten der Insel, in Aetna-Nähe angesiedelt. Auch andere antike Autoren sowie einige neuzeitliche Forscher, z. B. Gustav Lang nahmen die Region um den Aetna als Heimat der Kyklopen an.[ Ganz im Westen Siziliens, bei Marsala lokalisierte Ernle Bradford die Kyklopen und identifizierte Favignana mit der Ziegeninsel. Jedoch wurden die Kyklopen auch an anderen Orten gesucht. Bérard identifizierte die Ziegeninsel mit Nisida, westlich von Neapel und die Küste der Kyklopen bei Pozzuoli.
Auch an der nordafrikanischen Küste, z. B. im heutigen Tunesien versuchte man die Kyklopen zu lokalisieren. Aiolia, die Insel des Windgotts Aiolos wurde bereits von mehreren antiken Autoren eine der Liparischen Inseln zugeordnet, die daher auch oft Äolische Inseln genannt werden. U.a. Bérard schloss sich dem an und hielt Stromboli für die Aiolos-Insel. Außerdem wurde Aiolia unter anderem mit Ustica und Malta identifiziert. Die Seeungeheuer Skylla und Charybdis wurden in der Antike zumeist an der Meerenge von Messina vermutet. Die Laistrygonen haben einer modernen Theorie zufolge an der Südspitze Korsikas gehaust.
In der maltesischen Insel Gozo wollten manche Gelehrte das Ogygia der Nymphe Kalypso erkennen, andere, wie Strabon, lokalisierten Ogygia im Atlantik. Ein Vorgebirge bei Neapel trägt bis heute den Namen Kap Circeo, aber ob dieses Kap oder eine der vorgelagerten Inseln die Heimat der Zauberin Kirke war, ist ebenso umstritten wie alles andere.
In jüngerer Zeit vermuteten einige Forscher, der Dichter habe die Reise des Odysseus in seine eigene Gegenwart übertragen und als Umschiffung Süditaliens geschildert, das zu seiner Lebenszeit gerade von griechischen Kolonisten besiedelt wurde.
Die Odyssee ist nicht nur eines der ältesten, sondern auch eines der meistbearbeiteten Werke der abendländischen Literatur- und Kulturgeschichte. Sowohl der Stoff – phantastische Irrfahrten und Abenteuer – als auch der Held – der listenreiche aber einsame Dulder, der nach langen Jahren heimkehrt und seine vertraute Welt nicht wiederfindet – sind in literarischen, dramatischen oder musikalischen Werken, bis hin zum modernen Film, immer wieder aufgegriffen worden.
Der Philosoph Theodor W. Adorno sah in Odysseus den ersten modernen Menschentyp in der Literaturgeschichte: Er sei der erste Charakter, der sich nicht den Göttern und dem Schicksal ergebe, sondern – manchmal unter Leugnung seiner Identität – erfolgreich gegen beide ankämpfe und damit zum Herrscher über sein eigenes Geschick werde. Die Leugnung der Identität ist laut Adorno insofern revolutionär, als damit erstmals der schamanistische, identitätsstiftende Charakter des eigenen Namens überwunden werde. Der moderne Mensch müsse wie Odysseus fähig sein, seine Identität aufzugeben, um sie zu erhalten.
Seit der Renaissance wurde die Odyssee immer wieder in moderne Sprachen übersetzt. Zu den ersten Übertragungen gehören die von Salomon Certon 1604 ins Französische sowie diejenigen von George Chapman (1616) und von Alexander Pope (1713) ins Englische.
Im deutschen Sprachraum gilt die metrische Übersetzung von Johann Heinrich Voß aus dem 18. Jahrhundert ihrerseits als Klassiker. Ihr sprachschöpferischer Einfluss auf das Deutsche wird mit Martin Luthers Bibelübersetzung verglichen. Im 20. Jahrhundert hat Thassilo von Scheffer eine viel beachtete Neuübersetzung vorgelegt. Die bekannteste Prosa-Übertragung ist die von Gustav Schwab aus dem 19. Jahrhundert. Ebenfalls in Prosa gehalten sind die moderneren Fassungen von Dietrich Mülder, Gerhard Scheibner und Wolfgang Schadewaldt. Jüngere metrische Übersetzungen ins Deutsche haben der Heidelberger Klassische Archäologe Roland Hampe (mit ausführlichem Namensregister) und der Schweizer Altphilologe Kurt Steinmann (mit Stellenkommentar) vorgelegt. Speziell für Kinder und Jugendliche sind in den letzten Jahrzehnten auch mehrere, meist inhaltlich gekürzte, Nacherzählungen vorgelegt worden
Von 1926 bis 1956 übersetzte der Schweizer Mundartautor Albert Meyer alle 24 Gesänge der Odyssee in berndeutsche Hexameter. Im Mai 2008 präsentierte Professor Henri Muller seine sechs Bände umfassende Übersetzung der Odyssee in das Luxemburgische.
Die Odyssee ins Bairische übersetzt wurde am 11. Oktober 2010 im Metropoltheater München von dem Schauspieler Rüdiger Hacker vorgetragen. Der Philologe Otto Kuen hatte in den 1980er Jahren als Vorlage nicht die Voß’sche Übersetzung aus dem Jahr 1781 gewählt, sondern das Original aus dem archaischen Altgriechisch in das Bairische übertragen.
Die Reihe der Werke, die sich von der Odyssee inspirieren ließen, beginnt schon in der Antike. Der römische Dichter Vergil – zuweilen als „zweiter Homer“ bezeichnet – nahm sie sich zum Vorbild, als er das römische Nationalepos, die Aeneis, schuf.
Die Aeneis (veraltet auch Äneide) ist das von Vergil auf der Grundlage früherer Überlieferungen gestaltete Epos von der Flucht des Aeneas aus dem brennenden Troja und seinen Irrfahrten, die ihn schließlich nach Latium führen, wo er zum Stammvater der Römer wird. Die Aeneis erzählt also einen der Gründungsmythen des Römischen Reiches. Das Epos, an dem Vergil zwischen 29 v. Chr. und seinem Tod 19 v. Chr. arbeitete, besteht aus zwölf Büchern mit insgesamt etwa 10.000 hexametrischen Versen.
Der Aufbau der Aeneis verbindet mehrere Gliederungskonzepte. Am auffälligsten ist die Aufteilung in eine „odysseische“ und eine „iliadische“ Hälfte: Die ersten sechs Bücher der Aeneis übernehmen viele Motive aus Homers Odyssee (z. B. Seesturm, Irrfahrten, Abstieg in die Unterwelt). In den weiteren sechs Büchern, die die Kämpfe in Latium beschreiben, orientiert Vergil sich vornehmlich an der Ilias. Ferner gibt es Vierer-, Dreier- und Zweiergruppen.
Die Bücher 1 und 4 bilden einen Rahmen: Aeneas landet nach einem Seesturm, den ihm die zornige Juno geschickt hat, an der Küste Karthagos. Dort wird er von Königin Dido gastlich aufgenommen. Seine Mutter Venus möchte weitere Irrfahrten verhindern und sorgt deshalb dafür, dass sich Dido in den Gast verliebt. Zu diesem Zweck lässt sie den Liebesgott Amor die Gestalt von Aeneas' Sohn Ascanius annehmen; dieser wird von Venus eingeschläfert und an ihren Kultort Idalium gebracht. Als sich Amor in Gestalt von Ascanius beim abendlichen Gastmahl auf Didos Schoß setzt, „vergiftet“ er die Königin mit Liebesleidenschaft zu Aeneas (Liebe wird als Gift und zerstörerische Flamme dargestellt).
In den Büchern 2 und 3 erzählt Aeneas bei diesem Gastmahl am Hofe Didos rückblickend vom Untergang Trojas und seinen Irrfahrten. Im 2. Buch flieht er auf Geheiß Jupiters aus der brennenden Stadt, um ein neues Troja zu gründen. Er kann seinen Sohn Ascanius (Iulus), seinen Vater Anchises und die Penaten retten, nicht aber seine Frau Krëusa.
Im 3. Buch berichtet Aeneas von seiner bisherigen Reise (von Troja nach Karthago): Nach der Abfahrt aus dem zerstörten Troja landet Aeneas zunächst in Thrakien, wo er eine Stadt nach seinem Namen zu gründen gedenkt. Doch als er die für das Opfer nötigen Zweige einiger Sträucher auf einem nahe gelegenen Hügel ausreißen möchte, tropft Blut aus ihnen hervor. Aeneas befindet sich auf einem Grabhügel, wie die Stimme des Bestatteten verrät – es handelt sich um Polydorus, einen jungen Sohn des Priamus –, die aus dem Inneren des Hügels dringt; die Zweige sind die Speere, mit denen der thrakische König Polymestor ihn ermordet hat. In der Versammlung wird der Beschluss gefasst, den Landsmann ordentlich zu bestatten und daraufhin das befleckte Land zu verlassen.
Auf Delos werden die Trojaner von König Anius empfangen; der dortige Orakelgott Apollo trägt den Trojanern auf, ihre „alte Mutter“ (antiqua mater) zu suchen; dort werde ihren künftigen Generationen die Weltherrschaft zuteil. Anchises, der Vater des Aeneas, deutet den Spruch auf die Kultheimat der Großen Mutter (Magna Mater) Kybele, nämlich Kreta, wohin die Trojaner auch gleich aufbrechen.
Die neu gegründete Stadt auf Kreta wird jedoch bald von einer Seuche heimgesucht, einer gefährlichen Dürre im Hochsommer; Tiere und Menschen lassen ihr Leben. Als Anchises eine Rückkehr zum Orakelgott erwägt, erscheinen nachts dem Aeneas im Auftrag des Apollo die Penaten, die Staatsgötter, und berichten ihm vom Unwillen des obersten Gottes Jupiter: Hier auf seiner Insel sei es ihnen nicht vergönnt zu bleiben, sie sollen vielmehr ihre Fahrt fortsetzen und Hesperien, auch Italien genannt, suchen.
Nach der Abfahrt aus Kreta geraten die Trojaner in einen dreitägigen Seesturm, der ihnen jede Orientierung raubt. Am vierten Tag landen sie auf den Strophaden, wo sie unbeaufsichtigte Rinder- und Kleintierherden vorfinden. Ausgehungert schlachten sie sie als Opfer für Jupiter und machen sich ans Schmausen; da greifen die Harpyien an und beflecken die Speisen mit ihren Ausscheidungen. Wiederholte Opferversuche werden durch immer neue Angriffe der widerlichen Vogelwesen vereitelt. Da entschließt sich Aeneas zum Krieg und legt einen Hinterhalt; mit dieser List werden die Harpyien zurückgetrieben, doch eine von ihnen namens Celaeno prophezeit ihnen mit Berufung auf die höchsten Autoritäten Apollo und Jupiter fluchartig eine schlimme Hungersnot bei ihrer Ankunft in Italien: sie werden sogar Tische verzehren müssen.
Nach Ithaka, der Heimat ihres Erzfeindes Odysseus, die sie im Vorbeifahren verfluchen, gelangen die Trojaner an den Strand von Actium, wo Aeneas Wettspiele veranstaltet und am dortigen Apollotempel den Schild des Griechen Abas weiht. (Die Station verweist implizit auf die Bedeutung des Orts als Schauplatz der Schlacht von Actium.)
Um die Zeit des Wintereinbruchs kommen die Trojaner dann in Buthrotum an; dort hat Helenus, ein Sohn des Priamus, die Herrschaft über die Griechen übernommen, ihm zur Seite steht Andromache, die Witwe des vor Troja im Zweikampf gegen Achill gefallenen Hektor, des Bruders des Helenus. Ihr begegnet Aeneas zuerst, als sie gerade am Kenotaph ihres früheren Mannes opfert. Als sie die Trojaner erblickt, bricht sie in eine Art hysterischen Anfall aus und hält Aeneas zunächst für einen Geist. Erst allmählich kehrt ihre Besinnung zurück, und sie berichtet von ihrem Schicksal nach dem Fall Trojas – zunächst Sklavin und Bettgenossin des Pyrrhus, dann Gemahlin des Helenus. Da kommt Helenus herbei und zeigt ihnen die Stadt: eine Replik Trojas, komplett mit Burg und gleichnamigen Flüssen. Aeneas umarmt weinend die Pfosten der Scheinheimat. Nach Tagen der Bewirtung gemahnen günstige Winde zur Abfahrt. Helenus erteilt dem Aeneas in seiner Funktion als Priester des Apollo eine ausgedehnte Prophezeiung über den weiteren Fahrtverlauf und wie er sich zu verhalten habe. Insbesondere ein Opfer an Juno vor der Überfahrt von Sizilien nach Italien wird ihm nahegelegt. Nach Geschenken und Abschiedsworten setzen die Trojaner in einer nächtlichen Fahrt vom Fuße des Kerauniagebirges an die Ostküste Italiens über.
Freudig begrüßen die Trojaner von See aus die neue Heimat. Doch es kann kein Bleiben geben: Wie sie von Helenus erfahren haben, ist die Gegend von feindlich gesinnten Griechen besiedelt. Nach einem Opfer an Juno und Minerva am Tempel in Castrum Minervae und einem Omen von vier weißen Pferden, das Krieg, aber letztendlich auch Frieden verheißt, fahren die Trojaner Richtung Sizilien.
An der Straße von Messina gewahren die Trojaner die Rauchschwaden des Ätna und steuern den Anweisungen des Helenus zufolge hart links, um Scylla zu entgehen; sie geraten jedoch in die Charybdis und werden gegen Nacht orientierungslos an die Gestade der Kyklopen gespült. Dort begegnen sie am nächsten Tag dem verwahrlosten Achaemenides, einem Gefährten des Odysseus, der von diesem in der Höhle des Kyklopen Polyphem zurückgelassen wurde. Er bittet die Trojaner, ihn mitzunehmen, obwohl er Gefährte ihres bitteren Feindes sei, um ihn vor den Ungeheuern zu retten. Anchises reicht dem einstigen Feind die Hand. Gerade noch rechtzeitig entkommen sie durch eilige Abfahrt dem Polyphem, der einen gewaltigen Schrei ausstößt, als er sie nicht mehr erreichen kann. Da eilen die anderen Kyklopen herbei und bleiben drohend am Gestade stehen, ohne dass auch sie etwas ausrichten könnten.
Achaemenides führt sie nun an den Städten Siziliens vorbei. In Drepanum (heute Trapani) an der Westküste Siziliens stirbt Anchises, der Vater des Aeneas, unerwartet an Erschöpfung. Die Erzählung erreicht hier eine bemerkenswerte Kürze: Weder von der Bestattung des Vaters noch von der gastlichen Aufnahme durch Acestes berichtet Aeneas genau. Von Drepanum aus verschlug „ein Gott“ ihn nach Karthago, so endet der Held seine Erzählung.
Im 4. Buch entbrennt Dido offen für Aeneas. Venus und Juno, die Beschützerin Didos, schließen ein Zweckbündnis, und es kommt während eines Unwetters bei einer Jagd zur Liebesvereinigung in einer Höhle, begleitet von einer Art kosmischer Parodie eines Hochzeitsritus. Aeneas und Dido werden ein Paar; Dido nennt ihr Zusammensein „eheähnliche Verbindung“ (coniugium im Gegensatz zu conubium, der Rechtsform der Ehe), verbrämt damit aber, so der Dichter, nur ihre Schuld: denn sie hat geschworen, ihrem ermordeten Gatten Sychaeus eine univira (Frau eines Mannes) zu bleiben. Das Gerücht von der Affäre gelangt schließlich zu den Ohren Jupiters. Der sendet Mercurius los, um Aeneas an seinen Schicksalsauftrag zu erinnern. Aeneas gehorcht sofort und rüstet zur Abfahrt. Als Dido davon erfährt, macht sie ihm verzweifelte Vorhaltungen. Aeneas aber bleibt fest. Heimlich reist er ab. Darauf tötet Dido sich selbst auf einem Scheiterhaufen mit einem Schwert, einem Geschenk des Aeneas. Doch zuvor schwört sie selbst Rache, beschwört einen Rächer herauf und schafft so die Grundlage für den späteren Konflikt zwischen Rom und Karthago (Punische Kriege). Das Buch schließt mit dem Tod der karthagischen Königin: Juno erbarmt sich ihres langen Todeskampfes und entsendet die Götterbotin Iris. Diese steigt in einem Regenbogen herab und schneidet Dido eine Locke ab, um sie der Unterwelt zu weihen. Da verlässt den Körper die Lebenswärme.
Das 5. Buch wird gerne als das „Buch der Spiele“ bezeichnet und beschreibt den zweiten Aufenthalt des Aeneas auf Sizilien.
Am Anfang des Buchs befindet sich Aeneas mitten auf dem Meer, von wo er den Schein des nun bereits brennenden Scheiterhaufens Didos erblickt: ein böses Omen, dessen genauer Bedeutung er sich jedoch nicht sicher sein kann. Ziel der Fahrt ist wieder Italien, doch Aeneas wird erneut durch einen Seesturm gezwungen, den Kurs zu ändern und nach Sizilien zurückzukehren, wo er vom dortigen König Acestes freundlich aufgenommen wird.
Anlässlich des Todestages seines Vaters, den er hier vor einem Jahr bestattet hat, opfert Aeneas am Grab. Eine Schlange zeigt sich und frisst die auf den Altären dargebotenen Speisen. Unschlüssig, ob es sich um eine Grabesschlange oder den Genius des Ortes handelt, nimmt Aeneas sie doch als günstiges Zeichen. Zudem hält der Held Leichenspiele mit den Bewerben Regatta, Wettlauf, Boxkampf, Bogenschießen ab, die einen großen Teil des Buchs einnehmen. Zuletzt und als Überraschung lässt Aeneas das so genannte Trojaspiel (Troiae ludus), eine Reiterparade der trojanischen Jünglinge, aufführen.
An diesem Höhepunkt der Festlichkeiten entsendet die immer noch von Schmerz erfüllte Göttin Juno die Botin Iris, Göttin des Regenbogens. Diese erblickt die trojanischen Mütter, die den Spielen nicht beiwohnen dürfen und stattdessen auf einer Klippe um Anchises klagen; der Wunsch nach einer Stadt und dem Ende der Irrfahrten wird laut. Iris nimmt die Gestalt der erkrankten und daher nicht anwesenden Beroe an und mischt sich unter die Mütter. In einer Trugrede berichtet sie, dass ihr Cassandra im Traum dazu geraten habe, die Schiffe zu verbrennen, da hier das Ziel der Reise erreicht sei, worauf sie auch gleich eine Fackel auf die Schiffe wirft. Da ergreift Pyrgo, die Amme des Priamus, das Wort und verweist darauf, dass die echte Beroe erkrankt sei – sie habe sie eben erst besucht – und dass diese hier in vielem einer Göttin ähnele. Noch sind die Mütter unschlüssig, da gibt sich Iris in einem eindrucksvollen Abgang mit Regenbogen endgültig als Göttin zu erkennen. Die Mütter geraten in Raserei und setzen mit den Fackeln von den Altären Neptuns die Flotte in Brand. Als die beim Trojaspiel versammelten Männer den Rauch aufsteigen sehen, reitet Ascanius, der das Trojaspiel anführte, auf seinem Pferd zur Flotte und kann die Mütter zur Besinnung bringen und „von Juno befreien“. Doch erst als Aeneas den höchsten Gott Jupiter um Hilfe bittet, der als Antwort auf das Gebet des Helden einen gewaltigen Regenguss auf die Flotte niedergehen lässt, wird das Feuer gelöscht. Von den Schiffen sind vier verloren. Aeneas scheint nun gezwungen, den überschüssigen Teil seiner Gefolgschaft auf der Insel zurückzulassen und eine Stadt für sie zu gründen; so auch sein älterer Ratgeber Nautes. Doch ist Aeneas noch immer zwischen Weiterfahrt und Bleiben hin- und hergerissen. Da erscheint ihm in der Nacht der Geist seines Vaters Anchises, bekräftigt den Ratschlag des Nautes mit dem Hinweis, dass in Latium ein kriegerisches Volk zu besiegen sei und daher nur die Stärksten mitfahren sollten, und gibt seinem Sohn den Auftrag, ihn im Elysium zu besuchen, wo er ihm Näheres erzählen könne. Aeneas gründet nun die Stadt und benennt sie nach Acestes, ihrem Herrscher (gemeint ist das historische Segesta).
Nach einem tränenreichen Abschied von den Müttern, die nun doch gerne mitkommen wollten, segelt die Flotte nach Italien ab. Venus kann in einem Göttergespräch bei dem Aeneas freundlich gesinnten Meeresgott Neptun erwirken, dass die Fahrt gefahrlos verläuft, doch kündigt dieser an, dass ein Mensch sein Leben lassen wird: unum pro multis dabitur caput („ein Haupt wird anstelle von vielen hingegeben werden“). Auf der nächtlichen Überfahrt – die Mannschaft schläft, die Winde treiben die Flotte von selbst – erscheint gegen Mitternacht Somnus, der Gott des Schlafs, bei dem immer wachsamen und dem Meer gegenüber misstrauischen Palinurus, dem Steuermann des Flaggschiffs, schläfert ihn ein und stößt ihn mitsamt dem Steuer ins Meer. Als Aeneas es merkt – sie fahren gerade an den Gestaden der Sirenen vorüber –, übernimmt er selbst das Steuer und klagt unter Tränen um den verlorenen Gefährten.
Nach der Landung an der Westküste Italiens (Buch 6) steigt Aeneas mit der Sibylle von Cumae in die Unterwelt ab. Dort erfährt er durch Anchises von der künftigen Größe und dem Geschichtsauftrag Roms, der Stadt, die aus seiner Gründung entstehen wird. Außerdem begegnet er dort der durch Suizid gestorbenen Dido, die ihn jedoch ignoriert. Sie ist noch immer von der tiefen Wunde gezeichnet.
Mit Buch 7 beginnt die Geschichte der Kämpfe des Aeneas. Er landet in Latium, dem verheißenen Land, und wird dort von König Latinus freundlich aufgenommen. Latinus verspricht ihm seine Tochter Lavinia zur Frau. Juno interveniert vermittels der Furie Allecto und hetzt den Fürsten der Rutuler, Turnus, der seinerseits Lavinia begehrt, zum Krieg gegen Aeneas auf.
In Buch 8 sucht Aeneas auf den Ratschlag des Flussgottes Tiberinus Verbündete bei Euandros von Arkadien, der an der Stätte des zukünftigen Rom siedelt, und im Anschluss daran auch bei den noch weiter nördlich gelegenen Etruskern, die gegen ihren grausamen Tyrannen Mezentius, einen Mitstreiter des Turnus, aufbegehren. Außerdem erhält Aeneas von seiner Mutter Venus einen von Vulcanus gefertigten Schild, auf dem wichtige Ereignisse der römischen Geschichte dargestellt sind.
Währenddessen geraten die Trojaner im neunten Buch in größte Gefahr: Juno entsendet Iris, die Turnus auf die günstige Gelegenheit hinweist, in der Abwesenheit des Aeneas gegen das Lager der Trojaner zu ziehen. Turnus greift mit dem vollen Truppenaufgebot an, und als sich ihm niemand auf offenem Feld stellt – so der Auftrag des Aeneas –, macht er sich daran, die Flotte in Brand zu stecken. Da greift Cybele mit Zustimmung Jupiters ein und rettet die Schiffe, die aus den Fichten ihres Heiligen Hains am Ida gefertigt wurden, indem sie sie in Nymphen verwandelt. Turnus deutet das Zeichen dennoch zuversichtlich gegen die Trojaner.
In der Nacht versucht das Freundespaar Nisus und Euryalus, das schon im Wettlauf des 5. Buchs auftrat, in einem Ausfall die Nachricht von der Belagerung zu Aeneas zu bringen, der ja fern vom Lager bei den Etruskern ist. Die beiden richten im feindlichen Lager ein Blutbad an. Später werden sie jedoch von einer berittenen Verstärkung des Feindes am Glänzen eines erbeuteten Helms entdeckt. Sie sterben den Heldentod, ihre abgeschlagenen Köpfe werden auf Lanzen aufgespießt und am nächsten Tag vor den Augen der entsetzten Trojaner vorgeführt. Die Klagen der Mutter des Euryalus stellen eine Gefährdung für die Moral der Truppe dar; sie wird rechtzeitig beiseite geführt. Im Laufe der anschließenden Kämpfe kann Turnus ins Lager eindringen, jedoch allein; er wird erfolgreich zurückgeschlagen und rettet sich mit einem Sprung in den Tiber.
In Buch 10 beendet Jupiter eine Götterversammlung damit, dass er den Kampfparteien freie Hand gibt: Das Schicksal wird seinen Weg finden. Das Kriegsglück wendet sich für die Trojaner: Aeneas kommt zurück und verteidigt das Lager. Dabei stirbt Pallas, der jugendliche Sohn des Euandros, im Kampf gegen Turnus.
Buch 11 berichtet von Leichenfeiern und einem Waffenstillstand, daneben von weiteren Kämpfen unter vermehrtem Einsatz von Kavallerie, in denen die amazonenhafte Kriegerin Camilla auf italischer Seite ins Zentrum der Darstellung rückt.
Im letzten Buch greift Juno anfangs noch einmal für Turnus ein. Danach kommt es aber zum entscheidenden Zweikampf zwischen ihm und Aeneas. Aeneas siegt; Turnus fleht um Gnade. Aeneas hält inne; da fällt sein Blick auf das Wehrgehenk, das Turnus dem getöteten Pallas abgenommen hat, und zornentflammt tötet er den besiegten Gegner: „Und schon mehr und mehr hatte Turnus’ Rede begonnen, Aeneas in seinem Zögern umzustimmen, da geriet ihm oben an der Schulter der unglückselige Schwertgurt in den Blick, und mit wohlbekannter Verzierung glänzte das Wehrgehenk des jungen Pallas, den, schon besiegt, Turnus mit dem Todesstoß niedergestreckt hatte; und jetzt trug der den Schmuck des Gegners auf der Schulter! Und Aeneas sprach, nachdem er mit seinen Augen dieses Mahnmal für seinen grausamen Schmerz, die Kriegsbeute, erfasst hatte, von rasendem Zorn entbrannt schrecklich: „Sollst du, mit Beutestücken von meinen Leuten bekleidet, mir entkommen? Pallas, Pallas opfert dich mit diesem Stoß und nimmt Rache an Verbrecherblut!“ Und indem er dies spricht, stößt er wütend das Schwert in die ihm zugewandte Brust; doch jenem erschlaffen in Todeskälte die Glieder, und seufzend flieht empört sein Leben zu den Schatten.“
Die Aeneis ist ein Epos auf die Größe Roms und feiert die niemals endende Herrschaft (imperium sine fine) der Römer. Zugleich wirbt die Aeneis um Mitgefühl für die Opfer der römischen Hegemonie, die im Macht- und Intrigenspiel der Götter, im sinnlosen Aufbegehren Junos gegen das Schicksal (fatum) ihr Leben lassen. Auf den modernen Leser mögen Aeneas’ bedingungslose Hingabe an sein Ziel und seine starke Bindung an Autoritäten wie seinen Vater Anchises und an die Weisungen der Götter ungewohnt wirken; aber in der Gestalt des Aeneas hat Vergil auch das Ideal des römischen Princeps dargestellt und einen Helden geschaffen, der sich nicht durch kriegerisches Draufgängertum auszeichnet, sondern durch sein Pflichtbewusstsein (pietas), das ihn alle eigenen Belange hintanstellen lässt.
Die wichtigsten Vorlagen für die Aeneis sind natürlich die homerischen Klassiker Ilias und Odyssee. Viele Haupt- und Nebenmotive, ja ganze Textpassagen sind eng an Homer angelehnt (beispielsweise Aeneas im Seesturm und das Beinahe-Ertrinken des Achilles in einem Fluss). Dabei geht es Vergil freilich nicht um bloßes Nachahmen, sondern um künstlerischen Wettstreit; nicht ohne Grund kondensiert er die je 24 Bücher Homers auf genau zwölf.
Neben Homer spielt auch das hellenistische Epos Argonautika des Apollonios von Rhodos eine große Rolle, am deutlichsten in der Gestaltung der Liebeserzählung zwischen Dido und Aeneas nach derjenigen zwischen Jason und Medea (wohl auch in der lateinischen Übersetzung des Varro Atacinus, die bis auf wenige Fragmente verloren ist).
Die wichtigsten lateinischen Vorlagen sind das Bellum Poenicum des Gnaeus Naevius und besonders die Annales des Ennius, zur Zeit Vergils das klassische römische Epos. Ennius wird an zentralen Stellen teilweise wörtlich zitiert. Die Aeneas-Sage steht aber in Naevius’ Bellum Poenicum nicht im Vordergrund, sondern wird als Ursache für die Punischen Kriege angeführt. Die Annales des Ennius unterscheiden sich vom Bellum Poenicum und der Aeneis besonders darin, dass keine Beschränkung auf ein einziges Thema vorliegt, sondern sie ein fortlaufendes Gedicht bilden.
Bereits in den Georgica findet sich eine Andeutung auf Vergils Absicht, ein Epos zu schreiben. Augustus war an diesem Vorhaben sehr interessiert und bat um Entwürfe. Vergil soll zunächst Prosafassungen erstellt haben, die er später in willkürlicher Reihenfolge in den Hexameter übertrug. In öffentlichen Vorlesungen trug Vergil einzelne Ausschnitte vor und beobachtete die Wirkung auf das Publikum. Er versuchte, sehr detailgenau zu schreiben, und stellte hohe Ansprüche an sein Schaffen. Daher verfügte er auch, dass bei seinem Tod das unvollendete Werk vernichtet werden sollte. Als er jedoch starb, ohne die Aeneis vollenden zu können, befahl Augustus den Nachlassverwaltern, Varius und Plotius Tucca, Vergils Wunsch nach Vernichtung zu missachten und die Aeneis so wenig bearbeitet wie möglich zu veröffentlichen. So sind in dem Werk zahlreiche Halbverse stehen geblieben; das tatsächliche Ausmaß der Überarbeitung der Aeneis durch Vergils Dichterkollegen ist jedoch schwer zu bestimmen und in der Forschung umstritten.
Auch unvollendet wurde die Aeneis gleich als Meisterwerk erkannt. Sie wurde schon kurz nach ihrer Veröffentlichung zur Schullektüre, wobei sie das Epos des Ennius als Klassiker völlig verdrängte. Auf diese Weise war sie äußerst einflussreich für die weitere antike und christlich-antike Literatur. Es gab sogar Übersetzungen ins Griechische. Lucans Pharsalia war ein Gegenentwurf zur Aeneis, ohne freilich je deren Bedeutung zu erreichen. Bis in die Spätantike galt Vergils Werk als vorbildlich; so orientierte sich noch Corippus an seiner Epik. Zudem wurde Ende des 4./Anfang des 5. Jahrhunderts vom so genannten Symmachuskreis eine verbesserte Neuausgabe erstellt, die sich heute im Vatikan befindet (Cod. Vat. lat. 3225; Vergilius Vaticanus).
Die Handschriftentradition der Aeneis wurde bruchlos ins Mittelalter geführt. Im Mittelalter galt Vergil als „der Dichter“. Ein wichtiges Werk der altfranzösischen Literatur ist der auf der Aeneis basierende Roman d’Énéas. Dessen Übertragung wiederum durch Heinrich von Veldeke etwa 1183 markiert den Beginn der höfischen deutschen Literatur in der Volkssprache. Am Beginn der Renaissance entwarf Dante seine Göttliche Komödie auf der Folie des sechsten Buches der Aeneis. Die Dido-Geschichte findet sich bei Boccaccio („Amorosa Visione“) und bei Petrarca, in der mittelenglischen Literatur bei Geoffrey Chaucer („Legend of Good Women“, „House of Fame“). Es gab sogar Versuche, das Ende der Aeneis durch ein dreizehntes Buch abzurunden. Daneben erschienen mehr und mehr nationalsprachliche Übersetzungen der Aeneis, in Deutschland zuerst durch Thomas Murner im Jahr 1515, in Spanien durch Enrique de Villena (1427/28). In der deutschen Klassik und besonders in der Romantik hingegen sank das Ansehen der Aeneis, da man Vergil als Epigonen verstand und das „Originalgenie“ Homer bevorzugte. Erst im 20. Jahrhundert setzte neues Interesse an Vergils Epos ein.
Vermittelt durch kulturelle Kontakte mit dem persischen Sassanidenreich fanden Elemente der Odyssee in der Spätantike Eingang in die orientalischen Erzählungen aus Tausendundeine Nacht. Ihre Einflüsse sind auch in den arabischen Märchen über Sindbad den Seefahrer erkennbar.
Die Gestalt des Odysseus wurde von vielen Dichtern als Urbild des Menschen an sich verstanden: Neugierig, listig und stets auf der Suche nach Wissen und Erfahrung, gelingt es ihm immer wieder, Gefahren zu meistern. Andererseits muss er, der Willkür der Naturgefahren und der Götter ausgeliefert, „unnennbare Leiden erdulden“. Odysseus gilt daher als literarisches Vorbild für so unterschiedliche Figuren wie Goethes „Faust“ oder Jules Vernes Kapitän Nemo, dessen lateinischer Name (deutsch: „Niemand“) der Kyklopen-Episode entnommen ist.
Als literarisch anspruchsvollste moderne Bearbeitung des Stoffs gilt der Roman Ulysses (engl. für „Odysseus“) von James Joyce. Das 1922 erschienene, stilistisch bahnbrechende Werk gilt als einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts. Es schildert einen Tag, den 16. Juni 1904, im Leben des Anzeigenverkäufers Leopold Bloom, der durch Dublin streift, dabei alltägliche Dinge erlebt – die aber exakt mit Odysseus’ Abenteuern korrespondieren – und der spät nachts zu seiner Frau Molly heimkehrt.
Die Handschriftentradition der Aeneis wurde bruchlos ins Mittelalter geführt. Im Mittelalter galt Vergil als „der Dichter“. Ein wichtiges Werk der altfranzösischen Literatur ist der auf der Aeneis basierende Roman d’Énéas. Dessen Übertragung wiederum durch Heinrich von Veldeke etwa 1183 markiert den Beginn der höfischen deutschen Literatur in der Volkssprache. Am Beginn der Renaissance entwarf Dante seine Göttliche Komödie auf der Folie des sechsten Buches der Aeneis. Die Dido-Geschichte findet sich bei Boccaccio („Amorosa Visione“) und bei Petrarca, in der mittelenglischen Literatur bei Geoffrey Chaucer („Legend of Good Women“, „House of Fame“). Es gab sogar Versuche, das Ende der Aeneis durch ein dreizehntes Buch abzurunden. Daneben erschienen mehr und mehr nationalsprachliche Übersetzungen der Aeneis, in Deutschland zuerst durch Thomas Murner im Jahr 1515, in Spanien durch Enrique de Villena (1427/28). In der deutschen Klassik und besonders in der Romantik hingegen sank das Ansehen der Aeneis, da man Vergil als Epigonen verstand und das „Originalgenie“ Homer bevorzugte. Erst im 20. Jahrhundert setzte neues Interesse an Vergils Epos ein.
Vermittelt durch kulturelle Kontakte mit dem persischen Sassanidenreich fanden Elemente der Odyssee in der Spätantike Eingang in die orientalischen Erzählungen aus Tausendundeine Nacht. Ihre Einflüsse sind auch in den arabischen Märchen über Sindbad den Seefahrer erkennbar.
Die Gestalt des Odysseus wurde von vielen Dichtern als Urbild des Menschen an sich verstanden: Neugierig, listig und stets auf der Suche nach Wissen und Erfahrung, gelingt es ihm immer wieder, Gefahren zu meistern. Andererseits muss er, der Willkür der Naturgefahren und der Götter ausgeliefert, „unnennbare Leiden erdulden“. Odysseus gilt daher als literarisches Vorbild für so unterschiedliche Figuren wie Goethes „Faust“ oder Jules Vernes Kapitän Nemo, dessen lateinischer Name (deutsch: „Niemand“) der Kyklopen-Episode entnommen ist.
Als literarisch anspruchsvollste moderne Bearbeitung des Stoffs gilt der Roman Ulysses (engl. für „Odysseus“) von James Joyce. Das 1922 erschienene, stilistisch bahnbrechende Werk gilt als einer der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts. Es schildert einen Tag, den 16. Juni 1904, im Leben des Anzeigenverkäufers Leopold Bloom, der durch Dublin streift, dabei alltägliche Dinge erlebt – die aber exakt mit Odysseus’ Abenteuern korrespondieren – und der spät nachts zu seiner Frau Molly heimkehrt.
In Deutschland griffen nach dem Zweiten Weltkrieg Heimkehrerdramen wie Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür das zentrale Thema der Odyssee wieder auf. Damals vielbeachtet waren zwei Neugestaltungen des Odyssee-Stoffes durch Ernst Schnabel: sein von ihm als „Roman für den Funk“ bzw. „Funkroman“ bezeichnetes dreiteiliges Hörspiel Der sechste Gesang unter der Regie von Gert Westphal mit Musik von Hans Werner Henze, das 1955/1956 vom NWDR und vom SWF ausgestrahlt wurde, und sein gleichnamiger, 1956 bei S. Fischer erschienener Roman.
Für seinen Bildband L’Odyssée, in welchem er die Stationen der Odyssee mit der Kamera nachverfolgte, erhielt der österreichische Fotograf Erich Lessing 1967 den französischen Foto-Buchpreis Prix Nadar.
Auch Opernkomponisten und Filmregisseure haben sich des Stoffs der Odyssee und der Figur ihres Helden immer wieder bedient. Als Themen beliebt waren die Rückkehr des Helden zu Penelope, etwa in Il ritorno d’Ulisse in patria (Die Heimkehr des Odysseus, Venedig 1641) von Claudio Monteverdi, und die Episode bei der Zauberin Kirke, z. B. in Charpentiers Schauspielmusik (Paris 1675). Georg Friedrich Händels letzte Oper Deidamia (London 1741) behandelt eine Episode aus Odysseus’ Leben vor dem Trojanischen Krieg.
Der Komponist August Bungert schuf nach der Odyssee in den Jahren 1898–1903 nach dem Vorbild von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen eine ähnliche Tetralogie mit vier Opern unter dem Titel Homerische Welt mit den vier Teilen Kirke, Nausikaa, Odysseus’ Heimkehr und Odysseus’ Tod.
Bereits im antiken Griechenland dienten seine Epen den politisch stark zersplitterten griechischen Stämmen und Poleis zur Gewinnung eines gemeingriechischen Selbstverständnisses
Die Hochschätzung Homers wurde von den Römern übernommen. Die Odusia, die Übertragung der Odyssee ins Altlateinische durch Livius Andronicus, eines der ersten Zeugnisse einer lateinischen Literatursprache überhaupt, war bereits zu republikanischen Zeiten als Schullektüre im Adel verbreitet. Vergils Epos Aeneis ist auch als Versuch zu werten, den Römern eine Herkunftssage zu geben, wie sie die Griechen an Homers Epen gehabt hatten.
Durch die – außer im frühchristlichen Irland – sehr zurückgegangene Kenntnis des Griechischen bei den westlichen Gelehrten ging auch die Homerkenntnis sehr zurück, als Epiker waren Vergil und Lucan viel geläufiger. Auch die als Zwischenglied sonst sehr bedeutsame arabische Rezeption griechischer Quellen berücksichtigte eher medizinische, naturwissenschaftliche, mathematische und philosophische als epische Quellen.
Doch bereits Dante Aligheri nennt Homer den Ersten unter den göttlichen Dichtern und Vorbild des von ihm verehrten Vergils. Sein eigenes Hauptwerk, die Göttliche Komödie wirkte wiederum auf ganze Zeitalter von Schreibern, insbesondere auf die Vertreter der Moderne des 20. Jahrhunderts.
Erst die Flucht der griechischen Gelehrten aus dem 1453 von den Osmanen erstürmten Konstantinopel brachte die Kenntnis griechischer Quellen und damit auch Homers in den Westen zurück und beeinflusste stark die Renaissance.
Ausgehend von den Homerübersetzungen von Johann Heinrich Voß spielte in Deutschland Homer für den „Volks“- und „Natur“-Begriff der deutschen literarischen Klassik und Romantik die größte Rolle, weil man in Ilias und Odyssee einen Beweis dafür sah, dass das Volk eine eigene authentische Stimme habe dass aus ihm die Natur selbst spreche. In diesen Zusammenhang gehörte auch das Aufwerfen der „Homerischen Frage“, denn entschied man sich gegen die Autorschaft Homers, so waren die Epen anonym entstanden, wie etwa das Nibelungenlied, und somit wurde dann „das Volk“ als Autor reklamierbar. Dagegen wandte sich bereits Friedrich Schiller: Und die Sonne Homers, siehe, sie lächelt auch uns.
Dieser an Homer entzündeten Griechenliebe in der antifürstlichen und antiklerikalen Intelligenz seit dem Hainbund ist es zu danken, dass durch Wilhelm von Humboldt die griechische Sprache (neben dem Lateinischen) ein Kernstoff der Bildung des Humanistischen Gymnasiums wurde. Ein auch seinen Besuch in der Troas im Jahr 1819 mitverarbeitendes Epos über Homer legte 1858 Leopold Schefer in Hexametern vor, Homers Apotheose.
Homerische Stoffe und Themen sind somit sowohl in der klassischen antiken als auch in der europäischen Literatur und den Bildenden Künsten allgegenwärtig. In der gehobenen Umgangssprache finden sich heute noch viele Redewendungen aus seinem Werk und „geflügelte Worte“ (auch dieser Begriff stammt von ihm). Zeitgenössische Bearbeitungen schufen unter anderem Wolfgang Hildesheimer oder Botho Strauß.
Konrads von Würzburg, Dichter in Basel, berichtete in einem seiner Werke des Spätmittelalters über den Trojanischen Krieg. Verglichen mit anderen Dichtern des Mittelalters, lässt sich das Leben Konrads von Würzburg und damit die Umstände seines literarischen Schaffens aufgrund von Zeugnissen etwas genauer rekonstruieren. Seine in Basel entstandenen Werke gelten gemeinhin als "ungewöhnlich frühe Dokumente eines typisch städtischen Literaturbetriebs"
In einer Zeit des Umbruchs veränderte sich mit dem Erstarken der Städte und dem damit verbundenen politischen Machtverlust für die Adelshöfe auch die Situation der Dichter. Während die "Auseinandersetzungen zwischen Psittichern und Sternern, Stadt und Bischof" in Basel in vollem Gange waren, dichtete Konrad dort für einen "wohl kleinen Kreis von Literaturkennern und Literaturliebhabern", war aber trotzdem schon zu Lebzeiten über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Er verfasste Auftragsdichtungen für weltliche, aber auch geistliche einflussreiche Mäzene wie den Bürgermeister und Inhaber höchster städtischer Ämter Peter Schaler, aber auch für dessen politischen Kontrahenten Johannes von Arguel
Nachdem bereits im Hohen Mittelalter der Anteil an weltlicher Dichtung immer mehr gestiegen war und volkssprachliche Texte gegenüber der lateinischen Literatur an Zahl und Bedeutung gewannen, nahm im Späten Mittelalter die Zahl der städtischen Berufsdichter zu, die nun nicht mehr länger den Hof zum Zentrum ihres literarischen Schaffens hatten. Für Konrads Zeit in Basel liegen greifbare Daten über Hausbesitz, Familie und Begräbnisstätte vor, die zumindest für diesen Lebensabschnitt auf Sesshaftigkeit des Dichters hinweisen. Somit begegnet man in Konrad von Würzburg einem nichtadeligen, zumindest für eine große Zeitspanne seines Lebens sesshaften Berufs- und Auftragsdichter, womit er gleich mehrere für die Dichter des Späten Mittelalters noch äußerst unübliche biographische Merkmale auf sich vereint.
Auch bezüglich des Selbstverständnisses der Dichter markiert der Beginn des 13. Jahrhunderts eine Zeit des Wandels. Dichter sahen sich nun mehr und mehr abgehoben von ihren Hörern als "selbstständige Persönlichkeiten", was sich beispielsweise in den zu dieser Zeit aufkommenden Selbstbenennungen der Autoren in ihren Werken äußerte. Auch im Werk Konrads findet dieses neue dichterische Selbstbewusstsein unterschiedliche Realisationen.
Nachdem Aristoteles "den Prolog als den vor dem parodos stehenden ersten Teil des Dramas" bezeichnet hatte, eröffnete dieser im Mittelalter auch epische Werke wie den 'Trojanerkrieg' Konrads, und erfüllt dort unterschiedliche Funktionen. "Der Erzähler eröffnet [dort] sein Gespräch mit dem Hörer" und bittet um die Aufmerksamkeit seines Publikums. Der Prolog bereitet üblicherweise auf den Inhalt des Werks vor und nennt Quelle und Auftraggeber. Der Beginn ist häufig als Gebet dargestellt, oder der Dichter steigt mit einer Sentenz in sein Werk ein. Es ist also zu erwarten, dass gerade im Prolog, wo die eigentliche Handlung des Werkes noch nicht im Mittelpunkt der Rede steht, die Erzählerstimme für den Hörer besonders vernehmbar erscheint. Darüber hinaus ist der Prolog aber gerade derjenige Ort, den der Dichter nutzen kann, um das Bild, welches sich beim Hörer vom Erzähler formt, zu steuern und sich selbst mehr oder weniger authentisch zu inszenieren.
Während in der Neuzeit der vom Autor oder Verlag gewählte Titel ein fester, juristisch geschützter Bestandteil eines Werkes ist und sich in der Regel zusammen mit dem Namen des Autors und der Nennung des Verlags auf der Titelseite eines Buches befindet, sind Angaben dieser Art im Mittelalter überhaupt erstmals vorhanden und werden dem Publikum integriert in den Prolog präsentiert.
Im "Sprecher des Titulus" scheinen "weit mehr Eigenschaften des wirklichen Verfassers als solche einer Erzählerfigur angesiedelt" zu sein. Dies liegt wohl darin begründet, dass diese Angaben eher wenig Spielraum für eine dichterische Selbstinszenierung zu geben scheinen. Trotzdem verdient schon ihr Vorhandensein Beachtung, da es für die Romane des Mittelalters gerade erst an Selbstverständlichkeit gewinnt. Zusätzlich liegt in der Art und Weise der Präsentation dieser Informationen ein gewisser Freiraum, der vom Dichter wieder in gewissem Rahmen selbstständig gestaltet werden kann. In der Nennung des eigenen Namens durch den Dichter liegt dahingehend eine besondere Bedeutung, dass ihr Aufkommen zu Beginn des 13. Jahrhunderts zum einen gerade in die Schaffensperiode Konrads fällt und sie zum anderen als Ausdruck eines veränderten dichterischen Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins gewertet werden kann.
Die Nennung des Auftraggebers hat primär die Funktion der Huldigung des Geldgebers durch den von ihm ausgewählten Dichter. Im Fall des 'Trojanerkrieges' handelt es sich dabei um den Basler Domkantor Dietrich an dem Orte (de Fine), dessen Familie in Basel hohes Ansehen genoss und auch als politisch einflussreich gelten kann. Konrad beschränkt sich hier also keinesfalls auf die bloße Nennung des Namens seines Auftraggebers, sondern lobt auch dessen Freigiebigkeit und die Reinheit seines Charakters. Diese Ausführungen könnten neben anderen Textstellen im 'Trojanerkrieg' auf ein "besonderes Einverständnis zwischen Autor und Auftraggeber" hinweisen. "Nach gemeinmittelhochdeutscher Auffassung" ist die Quelle dichterischen Befähigung" eine "Gabe Gottes".
Der antiken philosophischen Anschauung vom Ursprung der Kunst aus der Natur des Menschen, seinem ihm angeborenem Nachahmungstrieb, setzt das Mittelalter eine theologisch begründete Lehre gegenüber, in der Gott die Stelle der Natur einnimmt. Auch Konrad von Würzburg formuliert im Prolog zum 'Trojanerkrieg' die Unmöglichkeit das Dichten zu erlernen, und stellt dem die Gottgegebenheit der dichterischen Fähigkeit entgegen.
Diese Auffassung zeigt zum einen eine gewisse Bescheidenheit des Dichters. Dieser scheint sich mit seiner Haltung demütig unter die Gunst Gottes zu stellen und zu betonen, dass die Fähigkeit zu dichten nicht als sein eigener Verdienst anzusehen ist. Zum anderen ist aber zu beachten, dass der Dichter mit dieser Feststellung als von Gott Auserwählter anerkannt werden will. Konrads Dichterstolz wird darüber hinaus noch deutlich, wenn er bemerkt: man siht der meister wênic leben, / die singen oder sprechen wol (…) (Troj. 6 f.). Da er sich selbst gegen diejenigen abgrenzt, die eben keine meister / (…) red unde guoter (Troj. 52 f.) sind, stellt er sich über die Mehrzahl der Dichter seiner Zeit.
Konrad fordert also die Würdigung derjenigen Wenigen, die sich wirklich auf das Dichten verstehen und damit von Gott auserwählt sind. Dass er selbst zu diesen Wenigen zu zählen ist, sieht der Dichter als eine unfragwürdige Tatsache an. Daraus spricht dichterisches Selbstbewusstsein und Stolz auf die eigene Fähigkeit, die Konrad nicht hinter Bescheidenheit zu verstecken versucht. Damit hebt er sich durchaus von den Konventionen mittelalterlicher Dichtung ab, deren Autoren häufig ihre "dichterische Unzulänglichkeit" betonen und bei ihrem Publikum um "wohlwollende Kritik und Nachsicht" bitten. Weil Konrad im Prolog zum 'Trojanerkrieg' das Bild eines stolzen und selbstbewussten Dichters zeichnet, muss er auch mit entsprechenden Erwartungen des Publikums an sein Werk rechnen. Darüber hinaus setzt diese Haltung eine bereits vorhandene Anerkennung des Dichters und seiner Werke voraus, die ihm als Quelle seines Stolzes dienen kann und ihm diese Haltung erlaubt.
Handel und Schifffahrt der Griechen erstreckten sich über die ganze Welt des Mittelmeeres. Rund um dieses Meer, bis zur Straße von Gibraltar im Westen und bis zum Schwarzen Meer im Osten, hatten sich im Laufe der Zeit griechische Kolonisten niedergelassen. An den Küsten von Spanien, Südfrankreich, Nordafrika, meist aber in Unteritalien und Sizilien sowie an der dem griechischen Mutterland gegenüberliegenden und mit ihm durch die Kette der Ägäischen Inseln verbundenen Westküste Kleinasiens, wurden griechische Städte gegründet.
Im Verbund mit dem Wohlstand, den Seefahrt und Handel in diese Küstenstädte brachten, erwuchsen die Grundlagen einer allgemeinen Bildung. Immer und überall in der Geschichte hatte das Meer und die durch es vermittelte Berührung mit fernen Kulturen und deren Denkweise auf das geistige Leben einen befördernden Einfluss gehabt. Bis zur Ausbildung der modernen Technik war der Verkehr über Wasser leichter als der Landverkehr über größere Entfernungen. Zumal Griechenland mit seiner zerklüfteten Bodengestalt im Innern, die Fülle seiner nach außen, zum Meer sich öffnenden Tallandschaften, verwies seine Bewohner mit natürlicher Notwendigkeit auf das Meer. Die alten Kaufleute und Seefahrer sind sicher die ersten Zweifler an den überlieferten Lebensformen, Denkweisen und religiösen Vorstellungen ihrer jeweiligen Heimat gewesen.
Die Küstenstädte und Handelsplätze, zuerst an der griechisch besiedelten kleinasiatischen Küste, dann in Italien, später erst an der Küste des Mutterlandes allen voran Athen waren es daher, in denen sich philosophisches und wissenschaftliches Denken zuerst regte, gefördert auch durch freiheitliche und demokratische Verfassungen und die durch diese bedingte Entwicklung der freien öffentlichen Rede. Zu den günstigen geographischen und gesellschaftlichen Vorbedingungen trat der glückliche historische Umstand, dass die Griechen zwar in kulturellen Austausch mit den älteren Kulturen des Ostens traten, ja viele Grundlagen ihrer Zivilisation dort entlehnten, so dass der griechische Geist die fremden Anregungen verarbeiten konnte.Um die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr., also fast ein halbes Jahrtausend nach dem Ende der achäischen Kolonisation beginnt die zweite Periode der griechischen Ausbreitung im Mittelmeerraum. Sie wird von den breitesten Schichten des griechischen Volkes, vom Adel bis zu den besitzlosen, dem ländlichen Proletariat getragen. Sie ist, welche Gründe man auch immer anführen mag, vor allem der Ausdruck eines elementaren neuen Lebensgefühls, dem die Grenzen der Heimat zu eng geworden sind. So ist es kein Zufall, wenn sich das Leben des berühmten Archilochos von Paros, in diese Bewegung mit einfügt. Gegenüber der achäischen Expansion sind die Dimensionen, räumlich und bevölkerungspolitisch, fast bis ins Unendliche gewachsen: als die Kolonisation um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. allmählich abklingt, gibt es griechische Städte fast im gesamten Mittelmeerraum, nur im Osten haben die vorderasiatischen Großreiche die Festsetzung der Griechen an Syriens Küste verhindert. Eine Expansion, die umso erstaunlicher ist, als sie sich ganz als Planung und Durchführung griechischer Einzelgemeinden und Einzelpersönlichkeiten darstellt. Irgendeine Art zentraler Lenkung gab es nicht. Die Initiative ruhte bei den griechischen Gemeinden, den Poleis, oder bei gewissen Gruppen innerhalb der Bevölkerung.Die Gründe für die Auswanderung liegen in den inneren Verhältnissen des griechischen Mutterlandes. Es ist einmal die Überbevölkerung von Hellas, eine periodisch wiederkehrende Erscheinung der griechischen Geschichte. Es ist unwahrscheinlich, dass sich Gebiete wie Thessalien, Böotien und Attika nicht an der Auswanderung beteiligt hätten. Vielmehr müssen auch sie den Überschuss an Menschen über die großen Häfen in die Ferne abgegeben haben. Neben der Überbevölkerung sind es die tiefgehenden sozialen Gegensätze, wie sie aus den inneren Auseinandersetzungen in Städten wie Megara, Korinth, Athen und Mytilene zu erschließen sind, die wiederum tausende zum Verlassen der Heimat veranlasst haben. Auch der Gegensatz von Teilen der Bürgerschaft zu den Tyrannen hat immer wieder Menschen aller Stände außer Landes getrieben.Mit dem Streben nach neuem Ackerland verbinden sich handelspolitische Gesichtspunkte. Für die bedeutende Ausweitung der griechischen Schifffahrt und des griechischen Handels in jener Periode, die der Kolonisation unmittelbar vorausgeht, liegen zuverlässige Angaben nur für den Westen vor. An nicht weniger als 30 Stellen im Raum von Apulien bis Marseille ist griechischer Import, vor allem Vasen, im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. durch Bodenfunde nachgewiesen; die Vasen stammen aus dem Bereich nahezu der gesamten griechischen Welt. Es sprechen sogar Anzeichen dafür, dass man schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrhundert v. Chr. mit griechischen Künstlern in Etrurien, Falerii und Tarquinii rechnen darf. Die Kunde von der Geographie des Westens und des Nordens hat sich in der Odyssee und der Argonautensage niedergeschlagen. Die Kolonisation ist ein Zeitalter der Entdeckungen vorausgegangen; an ihnen hatten im Westen chalkidische Handelskapitäne einen großen Anteil.Vornehmlich aus den Dichtungen Homers kennt man das damals bereits versunkene heroische Zeitalter der Griechen. Aus ihnen und aus dem Werke Theogonie des Hesiod und aus anderen Quellen kann man sich ein Bild von der griechischen Religion machen. Für das Verständnis der griechischen Philosophie ist die Kenntnis der altgriechischen Religion nicht in gleichem Maße unerlässlich, wie das etwa in Indien der Fall ist. Dieser Welt von schönen, gütigen, sehr menschliche Züge tragenden Göttern, denen die Griechen sehr frei gegenübertraten, steht aber im griechischen Leben, vielleicht von Anbeginn an, jedenfalls schon zu der Zeit der Vorsokratiker, eine andersartige religiöse Strömung von ungefähr gleicher Macht gegenüber. Sie ist sicherlich nicht griechischen Ursprungs, sondern hat aus dem Orient nach Griechenland hinübergegriffen. Sie ist im Unterschied zu der ganzen Diesseitigkeit und Helle der homerischen Religion dem Dunkeln und dem Jenseits zugewandt, kennt Begriffe wie Sünde, Buße und Reinigung. Die in diese Richtung gehörenden Mysterienkulte (Eleusinische Mysterien, Dionysuskult, Orphik) trugen durchweg den Charakter von Geheimlehren, woraus die spärlichen Kenntnisse der Nachwelt über sie zu erklären sind. Große Teile der griechischen, später auch der römischen Bevölkerung hingen ihnen an. In der Philosophie erlangten aus dieser Strömung stammende Elemente mehrfach eine herausragende Bedeutung, so bei den Pythagoreern, bei Platon und im späteren Neuplatonismus. Die Griechen haben zu keiner Zeit, weder später noch in der Frühzeit, einen Priesterstand besessen, der an gesellschaftlicher Macht oder geistigem Einfluss mit dem indischen oder ägyptischen zu vergleichen wäre. Die griechischen Priester haben daher insgesamt betrachtet weder die Entwicklung freien Denkens entscheidend gehemmt wie in Ägypten, noch an der Weiterbildung religiöser Ideen zu religiös-philosophischen Systemen maßgeblich mitgewirkt wie in Indien.
Die Zeit, in der der griechische Geist unter allmählicher Loslösung von der überlieferten traditionellen Religion und teilweise auch unter lebhafter Kritik an deren Vorstellungswelt mit dem Versuch beginnt, mit dem Mittel selbständigen, vernunftmäßigen Denkens die Welt aus natürlichen Ursachen zu erklären, liegt um das Jahr 550 v. Chr. Es ergibt sich dabei die merkwürdige Tatsache, dass dieser weltgeschichtlich entscheidenden Wendung in Griechenland geistige Umwälzungen von ähnlicher Tragweite in Indien und China zeitlich entsprechen. In China muss das Wirken des Lao Tse (ca. 609-517 v. Chr.) um die Mitte des 6. Jahrhunderts gelegen haben. Das des Konfuzius folgt unmittelbar darauf. In Indien traten zur gleichen Zeit Mahavira, der Stifter des Jainismus (ca. 599-527 v. Chr.), Buddha (ca. 563-483 v. Chr.) und andere bedeutende Denker und Religionsstifter auf. In Griechenland gab es zu dieser Zeit eine Reihe von Denkern, die die Begründer der griechischen Philosophie und der Wissenschaft überhaupt wurden. Das Bild vervollständigt sich, wenn man in Betracht zieht, dass um dieselbe Zeit im alten Judentum die Propheten wie Jeremia, der um 600 v. Chr. in Jerusalem wirkte, und Hesekiel mit seinem Wirken um 580 v. Chr. in Babylon erschienen. Möglicherweise gehört auch Zarathustra, der Stifter der alten persischen Religion, in die gleiche Zeit, was allerdings in der Forschung sehr umstritten ist.Die älteste Periode des griechischen Denkens setzt ein mit dem nahezu gleichzeitigen Auftreten einer Reihe von Denkern, die alle das eine gemeinsam haben, dass sie unter Negierung von theologischen Vorstellungen nach einem Urstoff auf die Suche gehen. Man bezeichnet diese Periode als die ältere griechische Naturphilosophie. Auf sie folgt einerseits Pythagoras und seine Schüler, deren Denken eine mystische, am Begriff der Zahl orientierte Richtung einschlägt, andererseits die jüngeren Schulen der Naturphilosophie in der griechischen Welt. Allen ist als Ziel gemeinsam, dass sie auf eine Erklärung der natürlichen Welt aus sind und insofern Naturphilosophie methodisch betreiben. Das heißt, dass sie kritisch an Fragen der Welt herangehen und sich von mythischen Vorstellungsweisen lösen und stattdessen mit Logik und Rationalität arbeiten.Die griechischen Sophisten, die die Widersprüche im bisherigen philosophischen Denken aufdecken und, indem sie dieses als ungenügend erweisen, zugleich den Weg bereiten für die drei größten Denker die Griechenland je hervorgebracht hat: Sokrates, Platon und Aristoteles, von denen der Jüngere jeweils der Schüler des Älteren war. Bei diesen drei Denkern erreicht die griechische Philosophie ihre einzigartige Höhe. Alle uns heute bekannten Zweige philosophischer Reflexion wurden dort ausgebildet: Logik, Metaphysik, Ethik, Natur- und Geschichtsphilosophie, Ästhetik und Pädagogik. Diese eigentliche Blütezeit der griechischen Philosophie, in der Athen ihr Mittelpunkt ist und die darum auch die attische genannt wird, beginnt mit dem Auftreten der Sophisten um die Mitte des 5. Jahrhunderts und reicht bis zum Tode des Aristoteles im Jahre 322 v. Chr. Erst mit dem 6. Jahrhundert verschwand die griechische Philosophie als selbständige Erscheinung vom Schauplatz der Weltgeschichte, die bildete aber einen Grundpfeiler zur Herausbildung der abendländischen Kultur.Von keinem einzigen Philosophen des vorsokratischen Zeitalters ist das Werk oder auch nur eine einzelne Schrift vollständig erhalten. Manche dieser Denker haben überhaupt keine schriftlichen Quellen der Nachwelt hinterlassen, von deren sind die Werke verlorengegangen oder wurden zerstört. An unmittelbaren Quellen, d.h. von den Philosophen selbst stammenden Zeugnissen, gibt es für die ganze Zeitspanne für Bruchstücke, die Fragmente der Vorsokratiker. Es gibt aber mittelbare Quellen, die aus verschiedenen Bereichen stammen. Diese bestehen zum einen Teil in Werken späterer Philosophen, die der Darlegung ihrer eigenen Ansicht eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Meinungen ihrer Vorgänger vorangehen ließen. Zum anderen Teil bestehen die mittelbaren Quellen in den vollständigen Werken solcher Gelehrter, die sich die Darstellung der Geschichte der Philosophie zur ausdrücklichen Aufgabe gemacht haben, wozu die Anregungen von Aristoteles ausgegangen sind. Als Beispiel für diese letzteren sind die Bücher des Diogenes Laertios (um 220) über Leben und Lehre der namhaften Philosophen zu nennen. Weiterhin existieren Doxographien über die Geschichte der Philosophie von verschiedenen Autoren. Doxographien sind antike Werke, in denen die Lehren (doxai) verschiedener Philosophen zu bestimmten Fragen in Form einer Übersicht nebeneinandergestellt wurden.
Auf schmalem Küstensaum am Westrande Kleinasiens entlang der Ägäis hatten die Ionier zwölf wirtschaftlich blühende Städte gegründet. Hier endeten die großen Karawanenstraßen, die aus dem Inneren des asiatischen Kontinents kamen, hier wurden die von dort ankommenden Waren auf Schiffe verladen und nach Griechenland verfrachtet. Mit den Waren aus dem Osten kam die Kenntnis vieler kultureller Errungenschaften der asiatischen Völker auf diesem Wege zu den Griechen. Astronomie und Kalender, Münzen und Gewichte, vielleicht auch die Schrift, kamen aus dem Osten zunächst zu den kleinasiatischen Ioniern und wurden von ihnen den übrigen Griechen vermittelt. Die südlichste der zwölf ionischen Städte war Milet, im 6. Jahrhundert v. Chr. ein bedeutender Handelshafen und vielleicht die reichste Stadt der damaligen griechischen Welt. Die Stadt, wo verschiedene Völker lebten, ist die Geburtsstätte der griechischen und damit auch der abendländischen Wissenschaft und Philosophie.Der erste der milesischen Naturphilosophen war Thales der in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. wirkte. Thales war erstens ein weitgereister und weltgewandter Kaufmann, der unter anderem Ägypten bereist haben soll. Zweitens war er Staatsmann, drittens ein vielseitiger Naturforscher. Er hatte wahrscheinlich aus dem Osten bezogene astronomische Kenntnisse und sagte zum Erstaunen seiner Zeitgenossen eine Sonnenfinsternis richtig voraus. Er beschäftigte sich mit Magnetismus und er fand eine Anzahl grundlegender Lehrsätze der Mathematik, die noch heute mit seinem Namen verbunden werden. Weiterhin ermittelte er die Höhe der ägyptischen Pyramiden durch Messung ihres Schattens zu einer bestimmten Tageszeit.
Unbestritten ist der Ruhm des Thales als des ersten Griechen, der das orientalische Wissen auf den Gebieten der Mathematik und Astronomie aufnahm und selbständig weiterverarbeitete. Den Griechen galt er als der erste der „Sieben Weisen“ der alten Welt. Wahrscheinlich ist, dass ein so überragender Kopf mit so ausgedehntem Wissen sich auch seine eigenen Gedanken über das tiefere Wesen der Dinge gemacht hat. Nach antiker Überlieferung antwortete er auf die Frage, was am schwersten von allen Dingen sei, sich selbst zu kennen. Auf die Frage, was denn am leichtesten sei, antwortete er, anderen Leuten einen Rat zu geben.
Unsicher ist, inwieweit Thales zu allgemeinen philosophischen Schlussfolgerungen gekommen ist. Eine philosophische Schrift ist von ihm nicht bekannt, was aber aufgrund der dünnen Quellenlage nicht heißen muss. Als Grundgedanke seiner Naturphilosophie gilt, dass das Wasser der Urstoff sei, aus dem aller hervorgegangen sei. Dieser Urstoff Wasser ist für Thales von besonderer Bedeutung, da das Wasser mit Bezug auf Okeanos und die alten Mythen und in Bezug auf die Aussage, alles sei belebt, einen metaphysischen Aspekt erhält. Allerdings zeigt die Beobachtung der Welt, des Lebenden, des Wassers und ihre Verbindungen (der Wasserverbrauch der Lebewesen, die formende Wirkung des Wassers) einen weiteren Grund auf, warum das Wasser – von allen Legenden entledigt – auch rational als der Urgrund für die Dinge erkannt werden könnte. Das besondere Verdienst des Thales ist also darin zu sehen, dass er sich von dem Mythos als Erklärung der Welt abwandte und versuchte, sie in den natürlichen Erscheinungen – wie zum Beispiel den Aggregatszuständen des Wassers – zu finden. Hierbei ist der Einfluss der Mythen in seinen Überlegungen und in seinen Erläuterungen immer noch deutlich. Man muss bedenken, dass Thales noch in einer Welt mythologischer Terminologie lebte und dass sich sein Denken somit auch in dieser Terminologie abspielte. Da sollte es nicht überraschen, dass er, obwohl kritisch, auf die ihm bekannten Erklärungen der Welt zurückgriff, um seine Thesen zu entwickeln und somit deren Einfluss ausgesetzt war.
Anaximander war milesischer Mitbürger und ungefährer Zeitgenosse von Thales. Seine Lebenszeit wird etwa von 611-549 v. Chr. angesetzt. In ihm müssen wir, da man sich bei Thales in der Forschung nicht sicher ist, den eigentlichen Begründer der Philosophie als eigenständiger Disziplin sehen. Seine Ansichten legte er in einer nicht erhaltenen Schrift dar, die wahrscheinlich den später vielfach verwendeten Titel „Über die Natur“ hatte. Laut Anaximander sei das Urprinzip der Welt und die Ursache allen Seins ein Unbestimmtes und Grenzenloses, aus dem sich Kaltes und Warmes, Trockenes und Feuchtes sonderten. Mit dem Gedanken, dass die Erde, die er frei im Raum schwebend sich dachte, zuerst im flüssigen Zustand gewesen sei und bei ihrer allmählichen Austrocknung die Lebewesen hervorgebracht habe, wobei diese zunächst im Wasser lebten und später auf das Land übergewechselt seien. Mit der Lehre, dass ein ursprünglich die Erde umgebener Feuerkreis nach seinem Zerspringen Feuer auslösend um die Erde rotiere, macht er den ersten Versuch, die Gestirne physikalisch zu deuten. Nach ewigem Gesetz gehen aus dem Unbestimmt-Grenzenlosen immer wieder neue Welten hervor und kehren wieder in dasselbe zurück, die „einander Strafe und Buße gebend für die Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit“, wie es in seinem einzig erhaltenen Fragment heißt.
Der dritte der milesischen Naturphilosophen, Zeitgenosse des Anaximander, ist Anaximenes, dessen Tod auf 527 v. Chr. geschätzt wird. Anaximenes hat die Luft als den Urstoff angesehen, freilich wohl nicht im wörtlichen Sinne, denn er begreift darunter als belebenden Atem auch die Seele. Wie Aniximander lehrte er auch einen periodischen Wechsel zwischen Weltentstehung und Weltzerstörung. Das Gemeinsame in den Lehren der drei Milesier liegt in dem Bestreben, die Entstehung alles Seienden aus einem letzten Urstoff oder stofflich aufgefassten Urprinzips zu erklären. Ihre Wichtigkeit für die weitere griechische Philosophieentwicklung liegt weniger in der Art und Weise, wie sie dies im Einzelnen versuchten, sondern in der Tatsache, dass sie erstmalig den Versuch machen, an diese Frage unvoreingenommen mit naturwissenschaftlichem Denken heranzugehen und in dem Mut, mit der sie die Vielfalt der Erscheinungen auf ein einziges Urprinzip zurückzuführen suchen.
Der Ruhm, die griechische Wissenschaft und dabei insbesondere die Mathematik begründet zu haben, kann mit gleichem Recht wie den milesischen Naturphilosophen auch dem Pythagoras zugebilligt werden. Der gebürtig aus Samos stammende Mathematiker, Astronom und Philosoph lebte zwischen 580-500 v. Chr. Nach langen Wanderjahren, die ihn nach antiken Quellen auch nach Ägypten und in den Orient geführt haben sollen, entfaltete er seine Wirksamkeit als Lehrer und Begründer eines religiösen Ordens in Kroton in Unteritalien. Seine Heimat verließ er der Überlieferung zufolge, da er die Tyrannei des Polykrates missbilligte und zu einem freien Ort auswandern wollte.
In der Mathematik ist der Name der Pythagoras vor allem mit dem bekannten Lehrsatz verknüpft, dass das Quadrat über der längsten Seite eines rechtwinkligen Dreiecks gleich groß ist wie die Summe der Quadrate über den beiden anderen Dreieckseiten. Auch die Erkenntnis, dass die Summe der Winkel eines Dreiecks gleich zwei rechten ist, wird auf ihn zurückgeführt. Pythagoras betrieb die Mathematik nicht als Selbstzweck oder begrenzte Fachwissenschaft. Er stellte sie, vor allem die Lehre von den Zahlen, in den Mittelpunkt seiner Philosophie. Pythagoras war wahrscheinlich der erste Mensch, der das Wort Philosophie in dem uns heute geläufigen Sinne verwandte. Es erschien ihm nämlich anmaßend, sich nach der bis dahin üblichen Manier einen „sophos“, also einen Weisen zu nennen, und so nannte er sich in bescheidener Manier, einen Freund oder Liebenden der Weisheit.
In den Zahlen sieht die pythagoreische Lehre das eigentliche Geheimnis und die wesentlichen Bausteine der Welt. Jede der Grundzahlen von 1 bis 10 hat ihre besondere Kraft und Bedeutung, allen voran die vollkommenste und umfassende 10. Die Harmonie der Welt beruhe darauf, dass alles in ihr nach Zahlenverhältnissen geordnet sei. Dies zeigte sich für Pythagoras vor allem an der Musik. Er scheint der erste gewesen zu sein, der den harmonischen Zusammenklang der Töne und die Stufen der Tonleiter auf zahlenmäßige Verhältnisse zurückgeführt hat, nicht zwar Verhältnisse der Schwingungszahl, aber der Länge der klingenden Saiten. Die musikalische Harmonie findet Pythagoras im Aufbau des Weltalls wieder. Wie jeder bewegte Körper ein Geräusch verursacht, das von dessen Größe und der Schnelligkeit der Bewegung abhängt, so rufen die Himmelskörper beim Durchlaufen ihrer Bahn eine ununterbrochen erklingende, nur vom Menschen nicht wahrnehmbare Sphärenmusik hervor. Dieser Gedanke einer musikalisch verstandenen Harmonie des Weltalls ist seit Pythagoras nicht nur als dichterisches Bild, sondern auch in den physikalischen oder astronomischen Wissenschaften immer wieder aufgetaucht. Der große Astronom Johannes Kepler hat Pythagoras ein Buch gewidmet als Zeichen seiner Anerkennung.Daraus wird ersichtlich, dass Pythagoras das Geheimnis der Welt nicht wie die milesischen Naturphilosophen in einem einzigen Urstoff sucht, sondern in einem Urgesetz, nämlich der unveränderlichen zahlenmäßigen Beziehungen unter den Bestandteilen der Welt. Wer das periodische System der Elemente und seine Ausdeutung durch die moderne Naturwissenschaft kennt, dem muss dieser Gedanke als geniale Vorahnung unserer heutigen Erkenntnis auf diesem Gebiet erscheinen. Mit der Zahlenlehre sind bei Pythagoras tiefreligiöse und mystische Ideen von wahrscheinlich orientalischem Ursprung verbunden, insbesondere ein dem indischen Denken eng verwandter Seelenwanderungsglaube. Danach durchläuft die unsterbliche Menschenseele einen langen Läuterungsprozess durch immer erneute Wiederverkörperungen, die auch in Tiergestalt erfolgen können. Dementsprechend findet sich wie in Indien das Gebot, kein Tier zu töten oder zu opfern und kein Fleisch zu sich zu nehmen. Da es als Ziel des Lebens angesehen wird, die Seele durch Reinheit und Frömmigkeit vom Kreislauf der Wiedergeburten zu erlösen, zeigt auch die pythagoreische Ethik der indischen verwandte Züge: Selbstdisziplin, Enthaltsamkeit und Genügsamkeit werden gefordert.
Eine Reihe strenger Regeln machte den von Pythagoras nach seinen Richtlinien gegründeten religiösen Bund zu einer nach außen abgeschlossenen und ihre Geheimnisse wahrenden Gemeinschaft, fast zu einem Staat im Staate nach eigenen Regeln. Die Mitglieder dieses Bundes mussten bei ihrer Aufnahme geloben, enthaltsam und bescheiden zu leben, kein Tier zu töten, das nicht den Menschen angreift, und jeden Abend ihr Gewissen zu prüfen, welche Fehler sie begangen haben und welche Gebote sie vernachlässigt haben. Außerdem waren sie zu unbedingtem Gehorsam und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Bund nahm auch Frauen auf, und die in Philosophie und Literatur, aber auch in häuslichen Fertigkeiten gebildeten Frauen sollen im Altertum als der höchste Frauentypus, den Griechenland je hervorbrachte, verehrt worden sein. Vorgeschrieben war weiterhin ein fünfjähriges, unter Bewahrung strikten Schweigens zu absolvierendes Studium. Die wissenschaftliche Bildung wurde neben Musik, Gymnastik, Heilkunde von den Pythagoreern besonders hochgehalten und gefördert. Die Autorität des Meisters stand dabei stets über allem; die im Orden gemachten wissenschaftlichen Entdeckungen wurden ihm stets zugeschrieben.Der Versuch, das Gewicht des pythagoreischen Bundes auf dem Gebiet der Politik einzusetzen und zwar nach Pythagoras eigener Einstellung mit ausgesprochen aristokratischen Tendenzen, führte bald zu Angriffen gegen ihn und seine Anhänger und schließlich zu seiner gewaltsamen Zersprengung des pythagoreischen Versammlungshauses in Kroton. Nach verschiedenen Berichten soll Pythagoras selbst mit vielen seiner Anhänger dabei ums Leben gekommen sein. Nach abweichenden Darstellungen verließ er daraufhin den Ort und starb im hohen Alter im Metapont. Historisch gesehen bleibt der Bund der Pythagoreer bedeutsam als ein Versuch, religiöse und philosophische Gedanken in einer abgeschlossenen und disziplinierten Gemeinschaft in die Praxis umgesetzt zu haben.Die Lehren des Pythagoras sind uns heute hauptsächlich aus den später abgefassten Schriften des griechischen Historikers Philolaos bekannt, von Pythagoras selbst ist keine Schrift erhalten. Ihr Einfluss war nicht mit dem Untergang des Ordens zu Ende. Er erstreckte sich vielmehr, weit über den Kreis ihrer unmittelbaren Anhänger hinaus, durch die gesamte Welt der Antike. In den postchristlichen Jahrhunderten kam die an Pythagoras anknüpfende Schule des Neopythagoreismus eine Zeitlang zu Blüte und Ansehen.
An der italienischen Westküste südlich des heutigen Salerno lag die Stadt Elea im italienischen Kolonisationsraum der Griechen. Dort entstand gleichzeitig mit Pythagoras eine Schule von Philosophen, die wegen ihres Heimatortes die Eleaten genannt wurden. Ihre bedeutendsten Vertreter sind Xenophanes, Parmenides und Zenon.Xenophanes wurde wahrscheinlich um 570 v. Chr. in Elea geboren und stammte von der griechisch besiedelten Westküste Kleinasiens. Er durchwanderte jahrzehntelang als fahrender Dichter und Sänger die Städte der Griechen, bis er in Elea eine bleibende Stätte fand und zum Begründer der dortigen Philosophenschule wurde. Die aus dieser Zeit enthaltenen Fragmente stellen Teilstücke aus Gedichten dar, möglicherweise sogar philosophische Lehrgedichte.
Xenophanes eröffnet den Sturmangriff der Philosophie gegen die alte griechische Religion. Unwürdig des göttlichen Namens erscheinen ihm viele menschliche Züge tragenden Götter dieser Zeit. Homer und Hesiod warf er vor, Taten, die unter den Menschen als schändlich gelten wie Diebstahl, Betrug und Ehebruch, den Göttern angedichtet zu haben. In dem von ihm stammenden Lehrgedicht, von dem noch Teile erhalten sind, macht er die vermenschlichte Vorstellung von den Göttern lächerlich: Die Menschen würden sich einbilden, dass die Götter wie sie geboren werden, menschliche Gestalt haben, sich von Ort zu Ort bewegen, Kleidung tragen usw. Besäßen aber Ochsen, Pferde und Löwen Hände und könnten damit Bilder oder Statuen ihrer Götter anfertigen, so würden sie ohne Zweifel ihren Göttern die Gestalt von Ochsen, Pferden und Löwen verleihen, wie die Menschen den ihren die menschliche Gestalt. In Wahrheit haben die Menschen niemals Genaueres über die Götter gewusst und werden es auch niemals wissen. Nur eines ist für Xenophanes in seinen religiösen Vorstellungen gewiß: Es kann nicht eine Vielfalt an Göttern geben, es kann nicht ein Gott über den anderen herrschen. Das Höchste und Beste kann nur eines sein. Dieser eine Gott sei allgegenwärtig und den Sterblichen weder an Gestalt noch an Gedanken vergleichbar. Der höchste Gott ist für Xenophanes zugleich identisch mit der Einheit des Weltganzen, so dass man seine Lehre als pantheistisch bezeichnen kann. Xenophanes ist so wahrscheinlich der erste unter den griechischen Philosophen, der als nüchterner Logiker gegen die althergebrachte Religion und auch gegen jede Art von Aberglauben und damit auch gegen die Seelenwanderungslehre wettert. Mit seiner Gleichsetzung des höchsten Wesens mit der Einheit des Weltganzen ist er zugleich der Begründer der Lehre von einem ewigen, unveränderlichen Sein hinter der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen.
Parmenides wurde ca. 525 v. Chr. in Elea geboren und war ein angesehener Bürger der Stadt. Es könnte sein, dass er ein Schüler des Xenophanes war. Parmenides entwickelte sich zum bedeutendsten Denker der eleatischen Schule. In der Antike war er einer der angesehensten Philosophen in Griechenland und darüber hinaus. Er griff den Gedanken des Xenophanes von einem unveränderlich Seienden auf und gab ihm eine systematische Form. Es ist nicht feststellbar, welche Gedanken Parmenides von Xenophanes übernommen hat und welche diesem vielleicht irrtümlicherweise zugeschrieben wurden. Platon hat einem seiner Dialoge den Titel Parmenides gegeben. Dort lässt er den schon gealterten Parmenides, dessen Schüler Zenon und Sokrates miteinander diskutieren.
Ein in Bruchstücken erhaltenes Lehrgedicht, das etwa 150 Zeilen in Hexametern umfasst, schildert eine Reise des Parmenides aus dem Reich der Nacht zu einer Göttin im Land des Lichts, was gleichbedeutend mit der Wahrheit verstanden werden muss. Wahrheit und Wissen einerseits, Schein und bloße Meinung andererseits werden in dem Gedicht gegenübergestellt. Nach Parmenides erlangt man wahres Wissen durch reine Vernunfterkenntnis. Diese aber lehrt, dass es nur ein Sein, nicht jedoch Nichtseiendes geben kann. Nur das Seiende ist, das Nichtseiende ist nicht und kann nicht gedacht werden. Unter Seiendem versteht Parmenides Raumerfüllendes, geleugnet wird also die Möglichkeit eines leeren Raumes. Die Annahme einer Bewegung setze immer Nichtseiendes voraus, denn damit sich ein Körper an einen bestimmten Ort bewegen kann, muss vorher dort leerer Raum, also nichts gewesen sein. Ebenso verhält es sich mit der Annahme der Entwicklung eines Werdens, denn was erst werden soll, ist zuvor noch nicht vorhanden.
Aus diesen Gedankenspielen folgt für Parmenides der Schluss, dass es in Wahrheit weder Werden noch Bewegung geben kann, sondern nur unveränderliches beharrendes Sein. Da das Seiende alles erfüllt, gibt es auch kein dem Sein gegenüberstehendes Denken. Vielmehr ist Denken und Seiendes eins. Die Sinne, die den Menschen eine Welt ständigen Werdens und Vergehens und steter Bewegung vorführen, seien eine Täuschung und die Quelle allen Irrtums. Hier wie bei praktisch allen Vorsokratikern ist allerdings jede Deutung aus den Textfragmenten unsicher und umstritten.Die Lehre des Parmenides mit ihrer Leugnung jeglicher Veränderung klingt sehr angreifbar, und an Angriffen auf ihn und seine Lehre scheint es wohl auch nicht gemangelt zu haben, Sein Schüler Zenon, der um 490 v. Chr. geboren wurde, betrachtete es als seine Hauptaufgabe, die Lehren des Parmenides gegen kritische Einwände zu verteidigen. Dabei entwickelte er eine so scharfsinnige und überspitzte Kunst der Beweisführung, dass er als Begründer der in Griechenland später zur hohen Blüte gelangten Dialektik angesehen worden ist. Bei Zenon sind wie auch bei anderen Vorsokratikern im ursprünglichen Wortlaut nur wenige Fragmente erhalten; alles übrige, was man von Zenon und seine Philosophie weiß, beruht auf den Schriften Platons, Aristoteles und anderen späteren Quellen.Zenon geht aus von dem Vorwurf der Widersprüchlichkeit, der gegen die von Parmenides gelehrte Leugnung der Vielheit und der Veränderung erhoben worden war, und macht sich daran, zu beweisen, dass vielmehr gerade die Annahme einer Vielheit des Seienden und die Annahme der Realität der Bewegung zu unauflösbaren Widersprüchen führen. Als Argumentation gegen die Bewegung führt er folgende Beispiele an. Bei einem Wettlauf zwischen Achilles und einer Schildkröte, bei dem diese auch nur einen geringen Vorsprung hätte, könnte Achill sie niemals einholen. Denn in dem Augenblick, in dem Achilles einen bestimmten Punkt A erreicht, an dem sich die Schildkröte unmittelbar vorher befand, ist diese gerade nach Punkt B weitergerückt. Erreicht er den Punkt, hat die Schildkröte diesen gerade wieder verlassen und rückt nach Punkt C weiter und so weiter. Somit kann also der Vorsprung der Schildkröte auf Achill zwar geringer werden, aber niemals eingeholt werden. Als zweites Beispiel geht Zenon von einem fliegenden Pfeil aus, der sich in jedem beliebigen Einzelmoment seines Fluges betrachtet an einer bestimmten Stelle des Raumes befindet, an dem er in diesem Moment ruht. Wenn er aber in jedem einzelnen Zeitpunkt seines Fluges ruht, so ruht er auch im Ganzen. Dies bedeutet für Zenon, dass der fliegende Pfeil sich nicht bewegt.
Natürlich ist nicht anzunehmen, dass Zenon im Ernst davon überzeugt war, die Schildkröte sein nicht einzuholen. Der Zweck seiner Beispiele und Argumente war ein negativer. Er wollte damit den Gegnern des Parmenides zeigen, dass es leicht sei, auch in ihren eigenen Ansichten Widersprüche nachzuweisen. Doch darf der von Zenon angewandte Scharfsinn nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in seiner Beweisführung elementare Schwächen gibt. Wenn jemand in der Zeit, in der der Pfeil fliegt, in eine Reihe von Einzelmomenten zerlege, so muss, wenn die Einzelelemente unendlich kurz gewählt sind, der Pfeil in jedem von ihnen als ruhend erscheinen. Die Zeit besteht aber in Wirklichkeit nicht aus einer Reihe von Zeitpunkten; ihr Wesen ist gerade ein stetiges, jeden Punkt hindurchlaufendes Fließen. Die Zerhackung in Einzelmomenten ist nicht der Zeit eigen, sondern stammt aus dem Denken des Menschen.Es lässt sich feststellen, dass Zenons Beweisführung zumindest in einem bahnbrechend geblieben ist für alle nachfolgenden Philosophien: Sie haben den Blick dafür geschärft, dass die einleuchtenden, selbstverständlich scheinenden Annahmen und Aussagen, wenn man ihnen kritisch auf den Grund geht, sich als zweifelhaft, brüchig, widersprüchlich herausstellen können
Möglicherweise noch im 6. Jahrhundert v. Chr. und immer noch auf griechischem Kolonialboden in Italien außerhalb des Mutterlandes, diesmal im kleinasiatischen Ionien, wirkte Heraklit. In Ephesos, einer damals blühenden Metropole, wurde in einer vornehmen Familie um das Jahr 540 v. Chr. Heraklit geboren, dem die Nachwelt als Beinamen des Dunklen verliehen hat.
Er galt seit seiner Jugend als Einzelgänger, Verächter der Masse und Feind der Demokratie. Er suchte im Leben wie im Denken eigene bis dahin unbetretene Wege. Seine Philosophie legte er in einer Schrift über die Natur nieder. Sie ist in einem höchst zugespitzten und eigenwilligen, an Bildern und Vergleichen reichen Stil gehalten, auf knappen Ausdruck bedacht und wegen ihrer aphoristischen Kürze dunkel gehalten. Jedenfalls vermitteln die mehr denn hundert einzelnen Bruchstücke, die von der Schrift erhalten sind, diesen Eindruck. Im hohen Alter soll sich Heraklit gänzlich von seiner Umgebung abgesondert und in den Bergen das Leben eines Einsiedlers geführt haben.Gelehrtheit im Sinne bloßen Vielwissens schätzte Heraklit gering ein. Dies formt nicht den Geist, könnte sie das, so würde sie sicher Hesiod, Pythagoras und Xenophanes erleuchtet haben. Vielmehr komme es darauf an, den einen Gedanken zu finden, der das Geheimnis der Welt aufschließt. Auch Heraklit sieht wie seine Vorgänger ein Einheitliches jenseits der Vielheit. Aber er sieht es nicht wie etwa Parmenides einfach in einem unabänderlich beharrenden Sein, und in Werden und Vielheit bloße Täuschungen. Er sieht es aber auch nicht im Gegenteil, also in einem endlosen Fließen aller Dinge. Heraklit hat gesagt, dass wir nicht zweimal in denselben Fluss steigen können, denn neue Wasser sind inzwischen herangeströmt und auch die Menschen selbst sind schon beim zweiten Mal andere geworden. Sein berühmtes Wort „Alles fließt, nicht besteht“ findet sich zwar nicht unter seinen Fragmenten, wird Heraklit aber in der Forschung einhellig zugeschrieben. Wohl also hat er das Geheimnis der Zeit und des ewigen Wandels tief empfunden. Aber nicht darin liegt die Größe seiner Erkenntnis, sondern erst darin, dass er hinter und dem unaufhörlichen Fluss doch eine Einheit, nämlich ein einheitliches Gesetz erblickt.
Der Logos, der nach Heraklit das Geschehen in der Welt leitet und auf den die Menschen hören sollten, kann als „Aussage“ oder „Prinzip“ übersetzt werden. Die Deutung bleibt jedoch unsicher, zumal sich Heraklit keine Gedanken darüber gemacht hat, eine saubere Definition vorzulegen. Er scheint auch eine Ursubstanz angenommen zu haben, aber nicht wie die Milesier das Wasser oder die Luft. Heraklit sprach in diesem Zusammenhang von einem Urfeuer, aus dem nach ewigem Gesetz, indem es aufbrennt und wieder erlischt, die Welt nur in Gegensätzen hervortritt und in das sie wieder zurückfällt. Wahrscheinlich dachte Heraklit nicht so sehr an Feuer im wörtlichen Sinne als vielmehr in einer allgemeineren und übertragenen Bedeutung im Sinne von Feuer als Energie. Dafür spricht, dass das Urfeuer ihm anscheinend zugleich das Göttliche ist und er in der menschlichen Seele einen Teil desselben sieht.Das große Gesetz, nach dem sich aus der einen Energie unablässig die Vielheit entfaltet, ist die Einheit der Gegensätze. Alle Entwicklung geschieht im polaren Zusammenspiel gegensätzlicher Kräfte: „Gott ist Tag und Nacht, Winter und Sommer, Krieg und Frieden, Überfluß und Hunger.“ Im Kampf zwischen Idee und Idee, Mensch und Mensch, Mann und Frau, Klasse und Klasse gestaltet sich die harmonische Ganzheit der Welt. In diesem Sinne ist Kampf, ist Krieg „aller Dinge Vater“. Jedes Ding bedarf zu seinem Sein seines Gegenteils, nicht steht für sich: „Sie verstehen nicht, wie es auseinandergetragen mit sich selbst im Sinn zugeht: gegenstrebige Vereinigung wie die des Bogens und der Leier.“
Darum haben laut Heraklit diejenigen Unrecht, die ein Ende des Krieges und den ewigen Frieden herbeisehnen. Denn mit dem Aufhören der „schöpferischen Spannungen“ würde angeblich totaler Stillstand und Tod eintreten. Darum auch wäre es für die Menschen nicht gut, wenn er ans Ziel aller seiner Wünsche käme. Denn es ist die Krankheit, die die Gesundheit angenehm macht, nur am Übel gemessen tritt das Gute in Erscheinung, am Hunger die Sättigung, an der Mühsal und Arbeit, die Ruhe und Entspannung. Mit dieser Lehre vom Zusammengehören und Zusammenwirken des Gegensätzlichen schuf Heraklit ein erstes Modell der dialektischen Entwicklungslehre, die mehr als zwei Jahrtausende nach seinem Tod bei Hegel und im dialektischen Materialismus der Marxisten wieder auferstand und die vielleicht den bisher gelungensten Versuch des Menschengeistes darstellt, dem Geheimnis des Werdens mit dem Denken auf die Spur zu kommen.
Heraklit befindet sich auf dem Wege, der von der griechischen Göttervielfalt wegführt, hin zum Gedanken des einen Gottes, in dem alles ruht, in dem alle Gegensätze aufgehoben sind. Heraklit sagte: „Für (den) Gott sind alle Dinge schön und gut und gerecht, die Menschen halten das eine für gerecht, das andere für schlecht.“ Er blickt nicht nur wie seine Vorgänger oder Zeitgenossen auf die stoffliche Welt und ihre vermeintlichen Ursachen. Er blickt zugleich in die Tiefen der menschlichen Seele und ordnet den Menschen und sein soziales Verhalten in einen metaphysischen Sinnzusammenhang ein. Dabei schließt er von sich selbst auf alle anderen Menschen: „Mich selbst habe ich erforscht“ ist ein bekanntes Zitat von Heraklit. Nur bei Platon und Aristoteles erreicht das griechische philosophische Denken wohl eine ihm vergleichbare Tiefe und alles umgreifende Weise. Die Nachwirkungen der Gedanken des Heraklit liegen weniger in einer besonderen Schule, die es wohl auch in Ansätzen gab. Sie reicht bis in die heutige Moderne; der von ihm eingeführte Begriff des Logos wurde zum göttlichen Wort der christlichen Theologie. Seine Lehre von der Einheit der Gegensätze kehrt spätestens bei der Hegelschen Philosophie wieder. Auch die Entwicklungslehre von Herbert Spencer ist mit ihr verwandt. Heraklits Gedanke vom Kampf als Väter aller Dinge klingt immer wieder auf, speziell bei Nietzsche und Darwin. Die Fragmente, die diese dunkle und von Geheimnis umwitterte Gestalt in der Geschichte der Philosophie hinterlassen hat, bestehen weiter wie niemals ausgeschöpfte tiefe Brunnen eines urtümlichen Wissens.
Empedokles wurde ca. 490 v. Chr. in Akragas auf Sizilien geboren. Er galt als Multitalent im Altertum; er war Staatsmann, Dichter, Religionslehrer, Prophet, Arzt und Philosoph zugleich. Empedokles ist für die Geschichte der Philosophie weniger als origineller Denker bedeutsam denn als ein Mann, der aus vorausgegangenen Systemen Gedanken auswählte und sie zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen suchte. Er wurde daher als Eklektizist (Auswähler) bezeichnet. In den Bruchstücken der von ihm verfassten Lehrgedichte begegnet man zum Beispiel in dichterisch gehaltener Form den auch von Pythagoras vertretenen und aus Indien bekannten Gedanken der Seelenwanderung. Außerdem enthalten die Lehrgedichte den von Heraklit und anderen Denkern entwickelten Gedanken eines periodischen Wechsels von Weltentstehung und Weltvernichtung. Manche Gedanken aber wurden von Empedokles zuerst, jedenfalls in der bei ihm geprägten Form, ausgesprochen, und auf diesen beruht hauptsächlich seine bleibende Bedeutung.
In der milesischen Naturphilosophie war zuerst das Wasser, später die Luft, von Heraklit war das Feuer zum Urstoff aller Dinge erklärt worden. Bei den Eleaten war die Erde als Urstoff aller Dinge stärker in Betracht gezogen worden. Empedokles stellt nun erstmalig diese vier Grundstoffe gleichberechtigt nebeneinander und begründet damit die im Bewusstsein der Menschen bis heute erhaltene Vorstellung von den vier Elementen (Feuer, Wasser, Luft, Erde) Er bringt damit die auf einen Urstoff ausgehende alte Naturphilosophie zu einem gewissen Abschluss und zu einer neuen Harmonie.Als treibende und formende Kräfte allen Geschehens erscheinen bei Empedokles eine vereinigende und eine trennende, die er Liebe und Hass, Anziehung und Abstoßung nennt. In dem Entwicklungsgang der Welt herrscht abwechselnd die eine oder die andere Kraft vor. Bald sind alle Elemente durch die Liebe zu einer vollkommenen seligen Einheit zusammengeführt, bald sind sie durch den Hass wieder auseinandergerissen. Dazwischen gibt es allerdings Übergangszustände, in denen die Einzelwesen entstehen und vergehen. Die Kraft, die die Einheit aus der Vielheit hervorzubringen vermag, ist die Liebe. Der Antipod dazu, also das, was in der Lage ist, die Einheit auf die Stufe der Vielheit zurückzuwerfen, ist der Streit. Diese zwei personifizierten Kräfte sind laut Empedokles göttlich, unsterblich, unsichtbar, gleichgewichtig und gleichaltrig und darüber hinaus in alle Richtungen gleichmäßig ausgespannt im Raum, folglich gleich an Länge und Breite. Anders gesagt könnte man sie sich auch als ausgespanntes, isotropes und homogenes Kraftfeld vorstellen, das sich sowohl auf die materielle als auch auf die belebte Welt auswirkt und so die Ursache für alle Ereignisse und Erscheinungen in der Welt ist. Die zwei Prinzipien müssen immer zusammen mit den vier Elementen gedacht werden, da sie zwar von diesen unabhängig, aber ohne diese keinerlei Funktion hätten. Folglich sind sie nicht, wie häufiger vermutet, zwei zusätzliche Elemente, sondern eher die Situation der Elemente ausdrückende Modi, denn ohne die Liebe kann die Situation der Anziehung nicht erklärt werden und ohne den Streit nicht der Umstand der Abstoßung. Dennoch scheint sich eine Asymmetrie zwischen den beiden Grundmodi abzuzeichnen, denn Empedokles wähnt selbst, dass sich die Liebe in und durch alle Wurzeln bewegt, also als in diesen „angelegt“ erscheint, während der Streit außerhalb stehend, in den Hintergrund tretend, keinen Rückhalt in den für die natürlichen Dinge Fundamentalen findet. Wenn dem aber so ist, warum setzt sich dann Empedokles durch die Doppelung der Kräfte von Parmenides ab, anstatt sich wie dieser nur auf die Kraft der Liebe zu beschränken? Er könnte doch auch selbst, wenn er ein solches Phänomen wie Vergehen annehmen möchte, dieses mit weniger Anziehungskraft (Schwinden der Liebe) erklären. Dem ist aber nicht so, denn eine solche Annahme würde wiederum die Frage aufwerfen, weshalb etwas, sich einst stark Anziehendes, auf einmal diese Kraft verlieren sollte. Da Empedokles sich die durch Liebe und Streit begünstigte Mischung und den Austausch als „Zusammenwachsen“ und „Auseinanderwachsen“ dachte, brauchte er zwei als Attraktion und Repulsion wirkende Kräfte, da er ansonsten nicht erklären könnte, warum Verbundenes zerfällt.
Die Entstehung der Lebewesen ist nach Empedokles so vor sich gegangen, dass erst niedere, dann die höheren Organismen entstanden. Erst sind die Pflanzen und Tiere entstanden, dann die Menschen. Erst waren Wesen vorhanden, die beide Geschlechter in sich vereinigten, später traten die Geschlechter in zwei selbstständige Individuen auseinander. Dies waren Vorstellungen, die Anklänge an die spätere und moderne Entwicklungslehre aufwiesen. Für die Erkenntnis stellt Empedokles den Grundsatz auf, dass jedes Element der Außenwelt durch ein gleichartiges Element in uns selbsterkannt wird. Um die zu seinen Lebzeiten verbreitete Ansicht von seiner Göttlichkeit zu stützen, soll sich Empedokles nach antiker Überlieferung in den Krater des Ätna gestürzt haben, so dass jede Spur von seinem Tode getilgt werde und eine Legende von einem übernatürlichen Ende sich bilden sollte. Jedoch soll der Vulkan diese Absicht vereitelt haben, indem er einen Schuh des Empedokles wieder ausspie.Leukipp gilt als der Begründer des wichtigsten naturphilosophischen Systems der alten griechischen Philosophie. Er stammte aus Milet oder aus Abdera, das in Thrakien an der Nordküste der Ägäis lag, wo er um die Mitte des 5. Jahrhunderts gewirkt hatte. Ein einziges Fragment seiner Lehre ist im Wortlaut erhalten. Dort heißt es: Kein Ding entsteht planlos, sondern alles aus Sinn und unter Notwendigkeit.“ Dies war das erste klare Diktum des Kausalgesetzes in der abendländischen Philosophie. Seine Atomlehre kennt die Nachwelt nur durch seiner Schüler Demokrit, der vermutlich alle Gedanken von Leukipp in sein System aufgenommen hat.Demokrit stammte aus Abdera, der Wirkungsstätte seines Lehrers, und soll nach der antiken Überlieferung 109 Jahre alt geworden sein. Sein beträchtlich ererbtes Vermögen gab Demokrit für Studienreisen aus, die ihn nach Ägypten, Persien und Indien geführt haben sollen. Er sagte über sich selber: „Ich aber bin von meinen Zeitgenossen am weitesten auf der Erde herumgekommen, wobei ich am weitesgehendste forschte, und ich habe die meisten Himmelsstriche und Länder gesehen und die meisten gelehrten Männer gehört.“ Nach seiner Heimkehr führte er bis an sein Lebensende in seiner Heimatstadt in bescheidener Zurückhaltung ein ganz dem Studium und dem Nachdenken gewidmetes Leben. Von öffentlichen Debatten hielt er sich fern und begründete auch keine Schule nach seinen Lebensgrundsätzen. Seine Studien waren von vielseitiger Art: Seine Veröffentlichungen erstreckten sich nach antiker Quelle auf die Fächer Mathematik, Physik, Astronomie, Navigation, Geographie, Anatomie, Physiologie, Psychologie, Medizin, Musik und Philosophie. Demokrit hat also das von seinem Lehrer Leukipp erworbene Wissen zu einem geschlossenen System ausgebaut.Die eleatischen Philosophen, insbesondere Parmenides, hatten gezeigt, dass Vielheit, Bewegung, Veränderung, Entstehung und Vergehen nicht denkbar seien, wenn man ein Nichtseiendes, den völlig leeren Raum, als existierend annehme. Da ihnen diese Annahme unmöglich schien, waren sie dazu gekommen, Bewegung, Vielheit und die anderen Bezeichnungen einfach zu leugnen und die alleinige Wirklichkeit eines unveränderten Seienden zu behaupten. Demokrit war nun einerseits überzeugt, dass ein absolutes Entstehen aus dem Nichts undenkbar sei, dies hätte auch dem Lehrsatz des Leukipp von der Notwendigkeit allen Geschehens widersprochen. Andererseits erschien es ihm aber auch nicht haltbar, wie die eleatischen Philosophen Bewegung und Vielheit zu leugnen. So entschloss er sich, im Gegensatz zu Parmenides doch ein Nichtseiendes, eben leeren Raum, als bestehend anzunehmen. Demnach besteht die Welt nach Leukipp aus zahllosen winzigen, wegen ihrer Kleinheit nicht wahrnehmbaren Körpern. Diese selbst haben kein Leeres in sich, sondern füllen den Raum vollständig aus. Sie sind auch nicht teilbar, weshalb sie Atome, also unteilbare Körper genannt werden. Damit warfen Demokrit und sein Lehrer Leukipp diesen Begriff zum ersten Male in die wissenschaftliche und philosophische Debatte. Sie konnten damals noch nicht ahnen, welche theoretische und praktische Bedeutung dies einst haben sollte. Die Atome sind unvergänglich und unveränderlich, bestehen alle aus dem gleichen Stoff, sind dabei aber von verschiedener Größe und einen dieser entsprechenden Gewichtes. Alles Zusammengesetzte entsteht durch Zusammentreten getrennter Atome. Alles Vergehen besteht im Auseinandertreten der bis dahin verbundenen Atome. Die Atome selbst seien ungeschaffen und unzerstörbar. Die Anzahl der Atome sei nach Demokrit unbegrenzt.Alle Eigenschaften der Dinge beruhen auf den Unterschieden in der Gestalt, Lage, Größe und Anordnung der Atome, aus denen sie zusammengesetzt sind. Jedoch kommen nur die Eigenschaften der der Schwere, Dichtigkeit und Härte den Dingen an sich zu. Diese wurden später als primäre Eigenschaften bezeichnet. Alles andere, was den Menschen als Eigenschaft eines Dinges erscheint, wie Farbe, Wärme, Geruch, Geschmack, hervorbringende Töne – all das liegt nicht in den Dingen selbst, sondern hat seine Ursache nur in der Eigenart der Sinne und des Wahrnehmungsvermögens. Dies ist eine Zutat, die wir zu den Dingen hinzutun. Dies ist keine objektive, sondern nur subjektive Realität und wird dementsprechend als sekundäre Eigenschaft klassifiziert.Von der Ewigkeit her bewegen sich die unzähligen Atome nach dem Gesetz der Schwerkraft im unendlichen Raum. Aus ihrem Zusammenstoß und Abprallen entstehen Wirbelbewegungen, in denen die Atome zu Zusammenballungen, Atomkomplexen, zusammengeführt werden. So wird Gleiches zu Gleichem gefügt, und es entstehen die sichtbaren Dinge, so entstehen und vergehen von Ewigkeit her zahllose Welten, deren die Menschen einer von diesen Welten angehören. Solche Weltentstehung erfordert keinen planenden und lenkenden Geist, auch keine bewegenden Kräfte wie Liebe und Hass des Empedokles, aber ebensowenig ist die dem Zufall unterworfen. Demokrit verwirft den Zufall ausdrücklich als eine Erfindung, die nur die Unkenntnis der Menschen verhüllen soll. Alles geschieht mit eherner, dem Seiendem innewohnender immanenter Gesetzmäßigkeit.
Auch Leib und Seele des Menschen besteht aus Atomen. Die Seele ist insofern etwas, wenn auch sehr feines Körperliches. Nach dem Tod des Menschen zerstreuen sich die Seelenatome. Die für die Menschen erreichbare Glückseligkeit besteht in heiterer Zufriedenheit des Gemüts (ataraxia). Der Weg zu dieser Glücksseligkeit ist Mäßigung, Geringsschätzung des Sinnengenusses, vor allem der Hochschätzung der geistigen Güter. Körperkraft sei die Sache von Lasttieren, die Menschen aber streben dagegen nach Seelenstärke. Die Ethik Demokrits erhebt sich etwas unvermittelt neben seinem naturphilosophischen System. Dieses ist mit einzigartiger Folgerichtigkeit durchgeführt. Es wird materialistisch genannt, weil in der Welt nur stoffliche Atome vorkommen, und es ist das klassische materialistische System des Altertums, ohne dass alle späteren gleichgerichteten Systeme nicht denkbar sind.
Demokrits Einfluss reicht in ununterbrochener Linie bis in das wissenschaftliche Weltbild der Gegenwart hinein. Allerdings ist das, was bislang Atom hieß, nun als ein weiter Teilbares erkannt worden und man sollte bei den Atomen des Demokrit vielleicht eher an die nunmehr kleinsten Bestandteile des Seienden angesehenen Elementarteilchen denken. Anscheinend hat Demokrit keinen Versuch unternommen, seine Ethik mit seiner Atomtheorie wissenschaftlich zu verknüpfen und so in ein beide umfassendes philosophisches System einzufügen.
Auch Anaxagoras entstammte, wie alle bisher behandelten Denker aus dem griechischen Kolonialreich. Er wurde um 500 in Klazomenai in Kleinasien geboren. Er ist der erste Denker gewesen, der die Philosophie nach Athen getragen hat, der Stadt, in der sie nach ihm ihre höchste Blüte entfalten konnte. Zur Zeit des Anaxagoras fand sie allerdings noch keine günstigen Voraussetzungen. Die Aufnahme, die ihm in Athen zuteilwurde, das Schicksal, das ihm dort, wie nach ihm Sokrates bereitet wurde, zeigen dies eindeutig.
Wie sich jetzt zeigte, war es kein Zufall gewesen, dass das freie philosophische Denken sich bis dahin nur in den kleinasiatischen, unteritalienischen und thrakischen Kolonien der Griechen hatte entfalten können. Offenbar war die dem Mutterland und seinen festen Traditionen ferngerückte Atmosphäre des kolonialen Neulandes viel günstiger als Athen und das Mutterland, wo diese Traditionen, insbesondere die religiösen, in kaum verminderter Stärke fortwirkten. Anaxagoras, der sein Interesse vor allem den Himmelsrichtungen zuwandte und diese auf natürlichem Wege zu erklären unternahm, geriet in Athen in heftigen Widerstreit mit den konservativen starren Anschauungen der alteingesessenen Einwohner, dass ihm schließlich der Prozess wegen Gottlosigkeit gemacht wurde. Auch der Einfluss des mit ihm befreundeten Staatsmannes Perikles konnte ihn nicht davor bewahren. Der Vollstreckung des Todesurteils konnte er sich nur durch die Flucht aus Athen entziehen. Anaxagoras starb dann schließlich verbittert im Exil.Die philosophischen Ansichten des Anaxagoras sind mit denen der anderen Naturphilosophen verwandt. Während aber die alten Milesier nur einen Urstoff annahmen, Empedokles deren vier, und die atomistische Schule gegenüber diesen eine quantitative Vielheit der Weltbausteine lehrt, nimmt Anaxagoras eine unbegrenzte Vielheit voneinander verschiedener Urstoffe an, die er „Samen“ oder „Keime“ der Dinge nannte.
Was Anaxagoras jedoch von jenen weit stärker unterscheidet und worin seine eigentliche Bedeutung für die Philosophiegeschichte beruht, ist die von ihm erstmalig vorgenommene Einführung eines abstrakten philosophischen Prinzips, des Nous. Nous steht für einen denkenden, vernünftigen und allmächtigen, dabei unpersönlich gedachten Geist. Dieser Geist hat Anstoß dazu gegeben, dass sich aus dem ursprünglichen Chaos das schöne und zweckvoll geordnete Ganze der Welt bildete. Hierin erschöpft such auch bei Anaxagoras die Wirklichkeit des Nous. Überall dort, wo er im Einzelnen die Erscheinungen und die Ursachen erforscht, sucht er rein natürliche, mechanische Ursachen auf. Es scheint also, dass Anaxagoras den göttlichen Geist nur als die erste Bewegung angesehen hat, der der Schöpfung zwar den ersten bewegenden Anstoß gegeben hat, sie dann aber ihrer eigengesetzlichen Entwicklung überlassen hat. Aristoteles hat später über Anaxagoras geäußert, dieser sei mit dem Begriff eines weltordnenden Geistes unter die vorsokratischen Philosophen wie ein Nüchterner unter betrunkenen Leuten getreten.
Das 6. und das 5. Jahrhundert v. Chr., in denen an den verschiedensten Stellen des griechischen Gebietes nahezu gleichzeitig das philosophische Denken erwacht und sich in zahlreichen originellen Beiträgen zu einer philosophischen Weltansicht verdichtet, bietet ein Schauspiel, das in der Geistesgeschichte kaum seinesgleichen findet. Gleichsam treten die verschiedensten Möglichkeiten einer natürlichen Welterklärung auf. Alle Richtungen der griechischen und abendländischen Philosophie haben ihre Wurzeln und ihre Vorgänger. Es gibt kaum ein Problem, das in der späteren Philosophie eine Rolle gespielt hat, das nicht schon in jener Zeit vorgedacht oder gar gelöst wurde. Die Fragmente der Vorsokratiker stehen vor uns wie Wissensbrocken, für die Nachwelt vieldeutiger Auslegung fähig und in ihrer ursprünglichen Ganzheit nur noch zu erahnen.Gerade die Vielzahl der Lehren und die zwischen ihnen bestehenden Widersprüche waren es nun aber, die den nächsten Schritt in der philosophischen Entwicklung fast zwangsläufig herbeiführten. Je mehr Systeme es gab, umso näher lag die Möglichkeit, und umso mehr drängte sich die Notwendigkeit auf, zu prüfen und zu vergleichen und den Widersprüchen auf den Grund zu gehen. Und aus dem Misstrauen, das manche Philosophen gegen die Zuverlässigkeit der sinnlichen Wahrnehmung als Erkenntnismittel verbreitet hatten, konnte leicht ein allgemeiner Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen überhaupt werden. Damit begann die Tätigkeit der Sophisten.Man kann diesen Protagonisten und ihren besonderen Leistungen nur gerecht werden, wenn man außer der damaligen Lage der Philosophie die großen Umwälzungen berücksichtigt, die inzwischen im politischen und gesellschaftlichen Leben Griechenlands vor sich gegangen waren. Seit der siegreichen Verteidigung der griechischen Autonomie in den Kriegen gegen die Perser (500-449 v. Chr.) entstand in Griechenland und vor allem in Athen, das nun zum geistigen und politischen Mittelpunkt Griechenlands wurde, in der gehobenen Klasse Reichtum und Luxus und damit auch das Bedürfnis nach höherer Bildung. Die demokratische Verfassung Athens erhob die Kunst der öffentlichen Rede zu wachsender Bedeutung. In den Volksversammlungen in Athen und vor den Volksgerichtshöfen hatten diejenigen Personen einen entscheidenden Vorteil, die ihre Angelegenheit mit den besten Argumenten und in der geschicktesten Form vertreten konnten. Wer also in Athen Karriere im politischen Bereich machen wollte, musste eine gründliche Ausbildung als Staatsmann und Redner vorweisen können.
Diesem Bedürfnis der Zeit kamen die Sophisten entgegen. Das griechische Wort „Sophistai“ bedeutet „Lehrer der Weisheit“. Zunächst hatte es auch nur diese Bedeutung, ohne jeden Beigeschmack. Die Sophisten zogen als Wanderlehrer von Stadt zu Stadt und erteilten gegen nicht geringe Bezahlung Unterricht in den verschiedensten Künsten und Fertigkeiten, besonders aber in der Beredsamkeit. Sie waren also keine Philosophen im eigentlichen Sinne, sondern Praktiker, die theoretischen Erkenntnissen nur geringen Wert beimaßen. Dieser Umstand wirkte zusammen mit der oben geschilderten Situation der Philosophie in Griechenland zu dieser Zeit dahin, dass die meisten Sophisten sich alsbald der Auffassung verschrieben, eine objektive Erkenntnis sei überhaupt unmöglich. Dabei wirkte auch mit, dass die steigende Bildung weiterer Kreise die Möglichkeit eröffnet hatte, fremde Völker, Sitten und Religionen kennenzulernen, wodurch bis dahin nicht erschütterte Vorurteile ins Wanken geraten waren. Gibt es aber keinen objektiven Maßstab, um zu entscheiden, wer in einer bestimmten Frage recht hat, so wird es eben darauf ankommen, wer recht behält, also wer seinen Standpunkt am geschicktesten durchzusetzen versteht.Diese zunächst nur theoretische Skepsis dehnte sich bald auf das Gebiet der Ethik aus. Auch hier wurde nun gelehrt, dass schließlich beim menschlichen Handeln, wie bei theoretischen Auseinandersetzungen, der Erfolg allein entscheidet. So wurde die Redekunst der Sophisten zu einem Mittel der Überredung mehr als der Überzeugung und in ethischer Hinsicht gab es für die Sophisten kein objektives, alle bindendes Recht, sondern nur das Recht des Redegewandteren, der letztlich am überzeugendsten wirkt. Platon lässt einen Sophisten die Rhetorik mit folgenden Worten kennzeichnen: „Wenn man durch Worte zu überzeugen imstande ist, sowohl vor Gericht die Richter als in der Ratsversammlung die Ratsherren und in der Volksversammlung das Volk. (…) Dann hast du dies in deiner Gewalt, so wird der Arzt dein Knecht sein, der Turnmeister dein Knecht sein, und auch bei dem Bankier wird sich zeigen, daß er für andere erwirbt und nicht für sich, sondern für dich, der du verstehst zu sprechen und die Menge zu überzeugen.“Derselbe Sophist bemerkt zum Thema Recht und Gesetz folgendes: „Gesetz und Brauch stellen immer die Schwachen und die Menge auf. (…) Dadurch wollen sie den stärkeren Menschen, die die Kraft besäßen, sich mehr Vorteile zu verschaffen als sie, einschüchtern und, damit sie dies nicht tun, sagen sie, es sei häßlich und ungerecht, auf mehr Vorteile auszugehen. (…) Denn sie, meine ich, sind ganz zufrieden, wenn Gleichheit herrscht, weil sie die Minderwertigen sind. (…) Meines Erachtens beweist die Natur selbst, die Gerechtigkeit bestehe darin, daß der Edlere mehr Vorteile hat als der Geringe, und der Leistungsfähigere mehr als der minder Leistungsfähige. An vielen Fällen, sowohl bei den übrigen Lebewesen als auch bei den Menschen, an ganzen Staaten und Geschlechtern sieht man, daß es sich so verhält: daß nämlich das als gerecht anerkannt wird, daß der Stärkere über den Schwächeren herrscht. (…) Oder welches Recht konnte Xerxes für sich in Anspruch nehmen, als er gegen Griechenland zu Felde zog? – man könnte ja tausend solcher Beispiele anführen! Wahrhaftig, ich meine, diese Männer handeln so nach der Natur der Gerechtigkeit und – beim Zeus!- nach dem Gesetz der Natur, freilich nicht nach dem Gesetz, was wir fingieren, die wir die tüchtigsten und stärksten Persönlichkeiten unter uns schon in der Jugend vornehmen und wie Löwen bändigen, indem wir sie hypnotisieren und ihnen suggerieren, es müsse Gleichheit bestehen, und das sei gut und recht. Wenn aber, mein ich, ein Mann ersteht, der die genügende Kraft dazu hat, dann schüttelt er das alles ab, zerreißt seine Bande (…) tritt unser Buchstabenwerk, unsere Hypnose, unsere Suggestion und die sämtlichen naturwidrigen Gesetze und Bräuche mit Füßen, unser bisheriger Sklave tritt auf einmal vor uns hin und erweist sich als unser Herr, und das leuchtet in seinem Glanz das Recht der Natur!“
Die Leugnung objektiver Maßstäbe für Wahrheit und Gerechtigkeit, in Verbindung mit der Tatsache, dass die Sophisten für ihren Unterricht eine hohe Bezahlung zu nehmen pflegten, während ihnen die dem Erwerb dienende Arbeit an sich als verächtlich galt, führte zu dem negativen Bild der Sophisten bei Platon und Aristoteles, die sich gegen die Sophisten und ihre Weltdeutung auflehnten.
Die Sophisten bildeten niemals eine zusammenhängende Schule, sondern lebten und lehrten als einzelne Personen. Sie wichen daher in verschiedener Weise voneinander ab. Der wichtigste der Sophisten war Protagoras von Abdera, der etwa von 480-410 v. Chr. lebte. Er durchwanderte ganz Griechenland und lehrte als einer der ersten die Kunst, im Bereich des Rechtswesens und der Politik die eigene Sache so überzeugend darzustellen, und erwarb sich dabei in Athen Ruhm und Reichtum. Der berühmteste Ausdruck des Protagoras lautete: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, des Seienden für sein Sein, des Nichtseienden für sein Nichtsein.“ Damit wollte er andeuten, dass es keine absolute Wahrheit, sondern nur eine relative gibt. Es gibt auch keine objektive, sondern nur eine subjektive, eben für den Menschen. Ein und derselbe Satz kann einmal wahr und einmal falsch sein, je nachdem, von wem und unter welchen Umständen er ausgesprochen wird. Für diese Lehre hat sich Protagoras sowohl auf das ewige Fließen des Heraklit wie dessen Gesetz von der Einheit der Gegensätze berufen. Die Skepsis des Protagoras schließt auch die Religion nicht aus. Eine Schrift von ihm soll nach antiker Überlieferung mit dem Satz begonnen haben, dass man von den Göttern weder wissen könne, ob sie existieren oder auch nicht. Dies zu ermitteln sei die Sache als solche viel zu dunkel und unser Leben viel zu kurz. Dies führte dazu, dass Protagoras der Gottlosigkeit angeklagt wurde und aus Athen verbannt wurde.Neben Protagoras ist Gorgias von Leontinoi der bekannteste Sophist in dieser Zeit. Er lebte etwa zur selben Zeit wie Protagoras. In seiner Schrift „Über das Nichtseiende oder die Natur“ bewies er mit einem an Zenons Dialektik geschulten Argumentationsmuster, dass erstens überhaupt nichts existiere, zweitens, wenn doch etwas existieren würde, es jedenfalls unerkennbar wäre und drittens, selbst wenn etwas erkannt werden könnte, solche Erkenntnis nicht mitteilbar wäre. Die skeptische Philosophie des Protagoras wurde hier von Gorgias noch einmal radikalisiert.
Für die Geschichte der Philosophie liegt der Wert der Sophistik nicht so sehr in den einzelnen von ihr hinterlassenen Lehrsätzen und Einstellungsmustern, sondern in drei verschiedenen Verdiensten. Erstens haben die Sophisten zum ersten Mal in der griechischen Philosophie den Blick von der Natur weg auf den Menschen gelenkt. Zweitens haben sie das Denken selbst erstmals zum Gegenstand des Denkens gemacht und mit einer Kritik seiner Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen begonnen. Sie haben auch die ethischen Wertmaßstäbe einer ganz vernunftgemäßen Betrachtung unterzogen und damit die Möglichkeit für die kommende Philosophie eröffnet, die Ethik wissenschaftlich zu behandeln und sie in ein philosophisches System folgerichtig mit aufzunehmen. Daneben haben die Sophisten aufgrund ihrer eingehenden Beschäftigung mit Stilkunde und Beredsamkeit auch Sprachwissenschaften und die dazu gehörige Grammatik vorangebracht. Die Sophistik war aber insgesamt gesehen nur eine Übergangserscheinung, aber eine so bedeutsame, dass ohne sie die folgende Blütezeit der griechischen und genauer gesagt attischen Philosophie nicht denkbar gewesen wäre.Die Lehre des Sokrates ist unmittelbar verbunden mit dem Aufkommen der Sophistik im antiken Griechenland. Sokrates war ein tiefreligiöser Mensch, der die Pflichten gegenüber den Göttern zu den wichtigsten Pflichten des Menschen zählte. Sein Instinkt ließ ihn an dem bloßen dialektischen Spiel, das alles und nichts beweist und am Ende eine Zerstörung jeden Maßstabes zutage fördert, keinen Gefallen finden. Er fühlte, dass eine innere Stimme in ihm war, die ihn leitete und von ungerechten Handlungen abhielt. Diese nannte er „daimonion“, das Gewissen. Für ihn bedeutete Tugend gleich Einsicht. Wo es unmöglich ist, das Rechte zu tun, wenn man es nicht kennt, so war es nach Sokrates auch unmöglich, das Rechte nicht zu tun, sofern man es nur kennt. Denn da niemand anderes tut, was seinem eigenen Besten dient, das sittlich Gute aber nichts anderes ist als dieses, so braucht man den Menschen nur über die wahre Tugend belehren, um sie tugendhaft zu machen.
Diese Verknüpfung der Tugend mit dem Wissen ist das eigentlich Neue an der Lehre des Sokrates. Mit der Aufdeckung des Nichtwissens will er seine Zeitgenossen zur Selbstprüfung und Selbsteinkehr aufrufen. Wenn die Menschen durch Selbstbesinnung und Einkehr in ihr inneres Wesen zur Einsicht in die sittliche Armut und Blindheit gebracht sind, in der sie leben, werden sie laut Sokrates zum Suchen und Sehnen nach dem sittlichen Ideal kommen. Sokrates wandte sich niemals an eine allgemeine Menschenmenge, sondern immer nur an den vor ihm stehenden einzelnen Menschen. Als Menschenbildner, vom Glauben an die Menschen und Liebe zu ihm getrieben, muss man ihn und seine Lehre verstehen, er war niemals ein Lehrer allgemeiner abstrakter Sätze. Die Nachwirkung des Sokrates beruht auf seiner einzigartigen Persönlichkeit, die den Nachkommen noch immer menschlich nahe sein kann, als auf dem, was er lehrte, indem nämlich mit ihm etwas in die Menschheit eintrat, was von da an zu einer immer weiter wirkenden ethischen und gesellschaftlichen Kraft wurde: die an sich unerschütterlich gegründete, autonome sittliche Persönlichkeit. Das ist das Vermächtnis von Sokrates vom innerlich freien Menschen, der das Gute um seine selbst willen tut.
In den platonischen Dialogen waren mythische Gedanken nicht fremd. Platonischer Mythos ist die Bezeichnung für die mythischen Erzählungen, die Platon in seine literarisch gestalteten philosophischen Werke eingefügt hat. Sie werden „platonisch“ genannt, weil Platon sie teils selbst erfunden, teils durch Umgestaltung von bereits vorhandenem mythischem Material für seine Zwecke adaptiert hat. Platons Verhältnis zum Mythos ist ambivalent: Einerseits übt er scharfe inhaltliche Kritik an den überlieferten, allgemein verbreiteten Mythen, andererseits hält er das Erzählen von selbst erfundenen Mythen für einen legitimen Weg der Vermittlung von Einsichten im Rahmen einer philosophischen Didaktik. Seine Auffassung vom Sinn und Wahrheitsgehalt der philosophischen Mythen und von ihrer Rolle als Ergänzung der dialektischen Argumentation im philosophischen Dialog ist ein viel erörtertes Thema der modernen philosophiegeschichtlichen Forschung.
Platon betrachtet den Mythos als Alternative und Ergänzung zum Logos (der vernunftgesteuerten Erwägung und argumentativ nachvollziehbaren Untersuchung). Einerseits lässt er die beiden Ausdrücke von den Figuren seiner Dialoge wie einander entgegengesetzte Begriffe behandeln, andererseits grenzt er sie nicht terminologisch klar voneinander ab. Dies entspricht dem oft uneindeutigen Sprachgebrauch früherer und zeitgenössischer Autoren. Außerdem weist er auf einen subjektiven Aspekt der Unterscheidung hin: Was für den einen belanglose mythische Fabelei ist, das findet ein anderer so stimmig und einleuchtend, dass er es dem Bereich des Logos zuordnet. Daher lässt sich nicht in allen Fällen mit Sicherheit bestimmen, welche Textpartien in Platons Werken zu den „platonischen Mythen“ zu zählen sind. In der Forschungsliteratur sind verschiedene inhaltliche oder formale Kriterien zur Bestimmung dieser Partien erwogen worden.
Nach heutigem Forschungsstand ist eine Kombination mehrerer Merkmale für den platonischen Mythos charakteristisch. Glenn Most folgt einem diskursiven Ansatz, indem er von der jeweiligen Kommunikationssituation ausgeht. Er hat acht Merkmale herausgearbeitet, die das Charakteristische ausmachen, wobei aber nicht erforderlich ist, dass in jedem einzelnen Fall alle acht gegeben sein müssen:
Die Mythen lassen sich nach ihren Erzählern in „sokratische“ und „nichtsokratische“ gruppieren. Sokratische Mythen sind diejenigen, die Platon seinem Lehrer Sokrates in den Mund legt. Dieser in den platonischen Dialogen auftretende Sokrates ist eine von Platon literarisch gestaltete Figur; seine Ansichten unterscheiden sich zumindest teilweise von denen des historischen Sokrates. Daher wird er als der „platonische Sokrates“ bezeichnet. Ein anderes Gruppierungskriterium ist inhaltlicher Art: Man unterscheidet aitiologische Mythen, die gegenwärtige Gegebenheiten auf einen historischen Ursprung in einer mythischen Vergangenheit zurückführen, und Jenseitsmythen oder eschatologische Mythen, die vom Schicksal der Seele nach dem Tode handeln.
Diesen Mythos lässt Platon in seinem Dialog Protagoras von der Titelfigur, dem Sophisten Protagoras, erzählen. Der Kern geht möglicherweise auf den historischen Protagoras zurück. Dem Mythos zufolge beauftragten die Götter die Brüder Prometheus und Epimetheus, die neu geschaffenen sterblichen Geschöpfe mit allem zum Überleben Benötigten auszustatten. Epimetheus kümmerte sich um die Tiere, vernachlässigte aber den Menschen, worauf sich Prometheus des Menschen annahm und ihm den Gebrauch des Feuers vermittelte. Die anfangs zerstreut lebenden Menschen schlossen sich zum Schutz gegen die wilden Tiere in Siedlungen zusammen, waren aber den dadurch entstehenden sozialen Spannungen nicht gewachsen. Erst als die Götter ihnen die Eigenschaften „Scham“ (Fähigkeit zur Respektierung der Mitbürger) und „Recht“ (Rechtsempfinden, Sinn für rechtliches Verhalten) zuteilwerden ließen, wurde ein geordnetes, dauerhaftes Zusammenleben möglich.
Diesen Mythos trägt der platonische Sokrates im Dialog Charmides seinem jungen Gesprächspartner Charmides vor. Er berichtet von seiner Begegnung mit einem thrakischen Arzt, der mit Berufung auf den legendären Gottkönig Zalmoxis eine ganzheitliche Heilkunst gelehrt habe, die von der Seele ausgehend den Körper heile.
Platons Apologie des Sokrates ist eine literarisch ausgestaltete Version der Verteidigungsrede, die Sokrates als Angeklagter hielt. Hier lässt Platon seinen Lehrer eine knappe, optimistische Schilderung des erhofften Schicksals der Seele nach dem Tod geben. Der platonische Sokrates beruft sich dabei auf einen mündlich überlieferten Mythos. Er hofft im Totenreich bedeutenden Persönlichkeiten zu begegnen und ist zuversichtlich, dort gerecht behandelt zu werden – eine Erwartung, die er mit der Ungerechtigkeit der irdischen Justiz kontrastiert.
Am Ende des Dialogs Gorgias erzählt der platonische Sokrates einen Jenseitsmythos. Diesem zufolge gelangen die Seelen gerechter Menschen nach dem Tode auf die paradiesischen Inseln der Seligen, diejenigen der Ungerechten in den Tartaros. Früher wurde das Urteil über sie am Tag ihres Todes, als sie noch lebten, von lebenden Richtern gefällt. Dies führte zu Fehlurteilen, da die Richter die von den Körpern verhüllten Seelen nicht richtig einschätzen konnten. Daher ordnete Zeus eine Änderung an. Seither treten die Seelen nackt (körperlos) vor ihre ebenfalls körperlosen Richter, die Söhne des Zeus sind. Infolgedessen sehen die Richter sie so, wie sie wirklich sind, und urteilen gerecht.
Im Dialog Menon trägt der platonische Sokrates seine Anamnesis-Lehre vor, eine metaphysische Erkenntnistheorie, die er sowohl argumentativ begründet als auch in mythischer Einkleidung präsentiert. Er deutet alles Lernen und Erkennen als Erinnerung an ein bereits vorhandenes, aber zeitweilig vergessenes Wissen, das die Seele aus ihrem vorgeburtlichen Dasein mitbringt. Da sie im Verlauf der Seelenwanderung schon viele Erfahrungen gesammelt hat, verfügt sie über einen reichen Wissensschatz.
Im Dialog Phaidon führt Sokrates an seinem Todestag im Gefängnis mit einigen Freunden ein Gespräch über die Unsterblichkeit der Seele. Abschließend schildert er in einem Mythos ausführlich die unterschiedlichen Wege und Aufenthaltsorte der Seelen in den verschiedenartigen Bereichen der Totenwelt. Auch in diesem Jenseitsmythos wird die Abhängigkeit des Schicksals der Seelen von ihren Taten hervorgehoben. Dem durch Weisheitsliebe (Philosophie) Gereinigten wird in Aussicht gestellt, dass seine Seele aus dem Prozess der Seelenwanderung ausscheiden und für alle künftigen Zeiten eine körperfreie Existenz führen wird.
Dieser berühmte Mythos des Er, der den Abschluss des Dialogs Politeia bildet, nimmt durch die ungewöhnliche Art seiner Präsentation und Beglaubigung eine Sonderstellung ein. Der platonische Sokrates beruft sich auf die Darstellung eines aus Pamphylien stammenden tapferen Kriegers namens Er, der im Kampf gefallen sei. Die unsterbliche Seele dieses Mannes habe seinen Körper verlassen, sei aber am zwölften Tag nach seinem Tod zurückgekehrt. So sei Er wieder lebendig geworden und habe dann von den Verhältnissen in den Bereichen der körperlosen Seelen und von den dortigen Erlebnissen seiner Seele berichtet. Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Vergeltung der irdischen Taten nach dem Tode. Wer „auf gesunde Weise“ philosophiere, der könne nicht nur auf der Erde glücklich leben, sondern auch über den Tod hinaus ein erfreuliches Dasein erwarten. Allerdings sei der Aufenthalt im Jenseits zeitlich begrenzt, da die Seelen auf die Erde zurückkehrten, um dort ein neues Leben zu beginnen (Seelenwanderung). Jede Seele sei für ihr irdisches Geschick selbst verantwortlich, da sie sich vor der Geburt den Körper, in den sie eintreten werde, und dessen Lebensumstände aussuche. Bei dieser Wahl folge sie ihren Gewohnheiten und Neigungen, die sie aus ihrem vorherigen Leben mitbringe.
Der Mythos von den „Erdgeborenen“ oder Autochthonen steht ebenfalls in der Politeia. Hier ist zwar herkömmlicher mythischer Stoff verwertet, doch stellt der platonische Sokrates von vornherein klar, dass es sich um eine zu erzieherischen Zwecken erfundene Geschichte handelt. Die Erde wird als Mutter der Menschen dargestellt. Der Gott, der die Menschen geformt hat, hat ihnen unterschiedliche Metalle beigemischt: einigen Gold, anderen Silber, anderen Eisen und Erz. Aus dieser Metallbeimischung resultieren die angeborenen individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten. In einem idealen Staat soll jeder gemäß seiner Veranlagung im Rahmen einer dreigliedrigen Ständeordnung tätig sein, wobei die Standeszugehörigkeit mit der jeweiligen Metallbeimischung begründet werden soll.
In der Politeia erzählt Platons Bruder Glaukon eine Version des auch anderweitig überlieferten berühmten Mythos von der Machtergreifung des lydischen Königs Gyges, des Begründers der Mermnaden-Dynastie. Gyges war ursprünglich ein einfacher Hirte. Er fand in einer Erdspalte einen Leichnam, der an der Hand einen goldenen Ring trug. Diesen eignete sich Gyges an. Er fand heraus, dass er sich mittels des Rings unsichtbar machen konnte. Die damit erlangte magische Macht nutzte er, um eine Stellung am Hof des Königs zu erlangen und dessen Frau zum Ehebruch zu verführen. Schließlich tötete er den König und riss die Herrschaft an sich. Mit dieser Erzählung will Glaukon seine Überzeugung illustrieren, dass Macht generell korrumpiere und niemand sich der Versuchung entziehen könne, wenn sich eine Gelegenheit zum Machtmissbrauch biete.
Im Dialog Phaidros schildert der platonische Sokrates den Seelenwagen. Dieser Mythos zeigt allegorische Züge und ähnelt dadurch den Gleichnissen. Um das Wesen der Seele zu veranschaulichen, stellt Sokrates einen Vergleich mit einem Gespann an. Die Seelen sind ebenso wie die Götter geflügelte Wagenlenker. Jeder Wagenlenker lenkt ein Gespann von zwei geflügelten Pferden. Die Götter haben nur gute Pferde, die menschlichen Seelen hingegen ein gutes und ein schlechtes. Mit intakten Flügeln kann das menschliche Gespann in den Himmel aufsteigen, doch bei Verlust des Gefieders fällt die unsterbliche Seele auf die Erde, wo sie einen sterblichen Körper annimmt. In einer himmlischen Prozession können manche Seelen den Göttern folgend bis zum „überhimmlischen Ort“ aufsteigen. Dort erblicken sie die platonischen Ideen, insbesondere die Idee des Schönen. Auf der Fahrt stoßen die Seelen aber auf große Schwierigkeiten, da ihr Gespann wegen der Verschiedenartigkeit ihrer Pferde schwer zu lenken ist. Das schlechte Pferd strebt, wenn es nicht sehr gut erzogen ist, nach unten, wodurch in dem Gespann ein Konflikt entsteht und das Gefieder beschädigt und schließlich eingebüßt wird. Die zur Erde gefallenen Seelen können wieder aufsteigen, wenn das verlorene Gefieder nachwächst. Dieses Nachwachsen wird durch philosophische Betätigung und die Liebe zum Schönen ermöglicht.
Den kurzen Mythos von den Zikaden erzählt Sokrates im Dialog Phaidros. Die Zikaden waren einst Menschen, die vom Gesang so entzückt waren, dass sie singend das Essen und Trinken vergaßen und so ums Leben kamen. Als Zikaden wurden sie von den Musen mit der Fähigkeit ausgestattet, von Geburt an ohne Nahrung zu leben und unablässig zu singen. Wenn sie gestorben sind, begeben sie sich zu den Musen und berichten ihnen, welche Menschen die einzelnen Musen verehren.
Den Mythos von der Erfindung der Schrift durch den ägyptischen Gott Theuth erzählt Sokrates im Dialog Phaidros. Als Theuth verschiedene Künste, darunter die Schrift, erfunden hatte, begab er sich zu Thamus, dem König von Ägypten, um ihm und durch ihn dem Volk die entsprechenden Fertigkeiten beizubringen. Thamus wollte aber nichts ungeprüft übernehmen. Hinsichtlich der Schrift zeigte er sich äußerst skeptisch. Er befürchtete, sie werde mehr Schaden als Nutzen bringen. Das Schreiben und Lesen führe nicht nur zu einer Schwächung des Gedächtnisses, sondern sei auch zur Vermittlung von Weisheit ungeeignet; diese könne nur durch mündlichen Unterricht erfolgen.
Im Dialog Symposion lässt Platon sechs Gesprächsteilnehmer Reden über Eros und die Erotik halten. Unter ihnen ist der Komödiendichter Aristophanes, der in seiner Rede den Mythos von den kugelförmigen Urmenschen erzählt. Die Menschen hatten ursprünglich kugelförmige Rümpfe sowie vier Hände und Füße und zwei Gesichter. Es gab drei Geschlechter: ein rein männliches, ein rein weibliches und eines mit einer männlichen und einer weiblichen Hälfte (die andrógynoi). Nach einem gescheiterten Aufstand gegen die Götter wurden die Kugelmenschen von Zeus in je zwei Hälften zerschnitten. Diese Hälften sind die heutigen zweibeinigen Menschen. Sie leiden unter ihrer Unvollständigkeit und sind auf der Suche nach ihren verlorenen anderen Hälften. Diese Sehnsucht nach der verlorenen Ganzheit zeigt sich in Gestalt des erotischen Begehrens, das auf Vereinigung abzielt. Je nach der Beschaffenheit des ursprünglichen Kugelmenschen richtet sich die erotische Liebe auf das eigene oder auf das andere Geschlecht.
Als letzter der sechs Redner im Symposion ergreift Sokrates das Wort. Er berichtet von einem Gespräch, in dem ihn die Priesterin Diotima aus Mantineia über den Eros belehrt habe, wobei sie einen Mythos erzählt habe. In Diotimas Mythos ist Eros nicht – wie in einer verbreiteten Überlieferung – der Sohn der Göttin Aphrodite, sondern seine Mutter ist Penia, die personifizierte Armut, sein Vater Poros („Wegfinder“), die Personifikation der Findigkeit. Um ihre Bedürftigkeit auszugleichen, wollte Penia von Poros ein Kind empfangen. So kam es zur Zeugung des Eros. In seinem Naturell verbindet Eros die Eigenschaften seines Vaters mit denen seiner Mutter.
Im Dialog Politikos schildert eine Autoritätsperson, der „Fremde aus Elea“, den periodischen Wechsel von zwei (nach anderer Deutung drei) mythischen Weltzeitaltern. Der Wechsel ist jeweils mit einer Umkehrung der Kreisbewegung des Kosmos und einem Umsturz der irdischen Lebensverhältnisse verbunden. Dabei geht der Erzähler besonders auf die paradiesischen Zustände im einstigen Goldenen Zeitalter ein. Damals lebte die Menschheit sorglos in tiefem Frieden unter der Obhut des fürsorglichen Gottes Kronos, und sogar unter den Tieren gab es keine Konflikte (Tierfrieden).
Der in den Dialogen Timaios und Kritias dargestellte Atlantis-Mythos ist der bekannteste platonische Mythos. Platon schildert die Seemacht Atlantis, ein riesiges Inselreich im Atlantischen Ozean, das in ferner Vergangenheit Nordafrika und einen Großteil Europas beherrscht habe. Vor neun Jahrtausenden sei die expansive Großmacht aber vom damaligen Ur-Athen in einem großen Krieg besiegt und darauf nach Westen zurückgedrängt worden. Schließlich seien beide Staaten einer Naturkatastrophe zum Opfer gefallen, die Insel Atlantis sei im Meer versunken. Dieser von Platon ausführlich ausgearbeitete Mythos sollte der Verherrlichung der Vergangenheit Athens dienen. Er hat zu zahlreichen spekulativen Hypothesen über einen möglichen historischen Kern Anlass gegeben.
Im Dialog Timaios beschreibt der Pythagoreer Timaios von Lokroi ausführlich die schrittweise Erschaffung und Gestaltung des Kosmos durch den Demiurgen (Schöpfergott). Nach seiner Schilderung vollzog sich die Schöpfung (Kosmogonie) im Zusammenwirken der göttlichen Vernunft mit der Notwendigkeit. Die Kosmogonie wird im Mythos als ein Geschehen in der Vergangenheit dargestellt. Dies widerspricht der in der Antike – auch unter den Platonikern – verbreiteten Vorstellung von der Ewigkeit des Kosmos. Daher war die Frage, ob der Mythos wörtlich im Sinne eines zeitlichen Anfangs der Welt zu verstehen sei, in der Antike sehr umstritten. Zahlreiche Platoniker plädierten für eine metaphorische Interpretation. Dieser Deutung zufolge meinte Platon nicht einen Schöpfungsakt zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern wollte nur eine überzeitliche Abhängigkeit der ewig bestehenden Welt von der ebenfalls ewigen Gottheit anschaulich ausdrücken. Die Frage ist weiterhin ungeklärt; in der modernen Forschung wird überwiegend die nicht-wörtliche Deutung befürwortet.
In Platons Dialog Nomoi, einem Spätwerk, erzählt ein nicht namentlich genannter Athener eine Version des Mythos vom Goldenen Zeitalter. Nach seiner Schilderung erkannte der Gott Kronos, der damals herrschte, dass absolute Macht jeden menschlichen Herrscher korrumpiert. Daher vertraute er die Verwaltung der menschlichen Angelegenheiten keinem Menschen an, sondern übertrug diese Aufgabe wohlwollenden Dämonen. Diese sorgten für Frieden, Eintracht und gute Gesetze.
In den Nomoi trägt der Athener „einige Mythen“ vor, die er für erforderlich hält, um Zweifler von der Vollkommenheit der göttlichen Weltlenkung (Theodizee) zu überzeugen. Auch hier wird betont, dass sich die Menschen mit ihren Taten ihre erfreulichen oder unerfreulichen Schicksale selbst erschaffen. Daher können die Götter nicht der Nachlässigkeit bei der Lenkung der Welt beschuldigt werden. Wer sich von ihnen vernachlässigt wähnt, trägt in Wirklichkeit selbst die Schuld an seinem Geschick. Er überblickt die göttliche Planung nicht, die nicht nur die einzelnen Seelen – kleine Teilchen des Kosmos –, sondern auch das Ganze im Blick hat. Jede Seele erhält stets den ihr gebührenden Platz.
Platon hat sich intensiv mit der Problematik des Verhältnisses von Mythos und Logos auseinandergesetzt und auch die Ausformung der einschlägigen Terminologie beeinflusst. Kein anderer griechischer Denker hat so oft und so eindringlich wie er Mythen zur Veranschaulichung und Ergänzung philosophischer Aussagen genutzt.
Insbesondere kommt Platon immer wieder auf seine Annahme einer jenseitigen Gerechtigkeit zurück, die er mit den Mitteln philosophischer Argumentation nicht plausibel machen kann und daher in den Seelenmythen thematisiert. Dort geht er auf die Schicksale der einzelnen Seelen ein, denen im Jenseits eine ihren Verdiensten oder Schandtaten entsprechende gerechte Behandlung zuteilwird. Die mythische Ausmalung des Totengerichts, der künftigen Belohnungen und Strafen soll zu einem gerechten Leben ermuntern. Dem Gerechten verschaffen solche Mythen Trost und Hoffnung, den nicht in der Gerechtigkeit Gefestigten sollen sie zur Nachdenklichkeit veranlassen. Eindringlich betont der platonische Sokrates am Schluss der Politeia, nachdem er den Jenseitsbericht des Er mitgeteilt hat, dieser Mythos könne „auch uns erhalten, wenn wir ihm Folge leisten“. Wer daraus die nötigen Konsequenzen für seine Lebensführung ziehe, der werde seine Seele nicht beflecken, sondern sich jederzeit an den Weg nach oben halten und mit sich selbst und den Göttern befreundet sein. Seine Tugendhaftigkeit werde reich belohnt.
Während der Logos die Vernunft anspricht, wendet sich der Mythos auch an die irrationalen Bereiche in der Seele, die ebenfalls auf die philosophische Zielsetzung ausgerichtet werden müssen.
Die moderne Forschung geht von der Erkenntnis aus, dass in den platonischen Mythen offenbar ein Wahrheitsanspruch mit Scherz und Spiel gemischt ist, und versucht das Verhältnis dieser beiden Elemente genauer zu bestimmen. Dabei ergibt sich aus den vielfältigen Hinweisen in Platons Werken ein differenziertes Bild. Einerseits lässt seine scharfe Kritik an der im Volk verbreiteten, vor allem von der homerischen Dichtung vermittelten Mythentradition erkennen, dass er eine kritische Auseinandersetzung mit der mythischen Überlieferung unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfrage für unbedingt erforderlich hielt. Andererseits zeigt sein sehr unbefangener Umgang mit dem mythischen Material, das er bedenkenlos für seine Zwecke umwandelte oder selbst erschuf, dass es ihm überhaupt nicht um Wahrheit im Sinne historischer oder naturgeschichtlicher Fakten ging.