e-Portfolio von Michael Lausberg
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Prunkschlösser

Schloss Charlottenburg

Das Schloss Charlottenburg befindet sich im Ortsteil Charlottenburg des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin. Es liegt im Schlossgarten Charlottenburg und gehört zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Zur Gesamtanlage gehören auch die ebenfalls im Schlossgarten gelegenen Gebäude Neuer Pavillon, Belvedere und das Mausoleum.

Nachdem Sophie Charlotte von Hannover ihrem Gemahl Kurfürst Friedrich III. 1694 ihren Landsitz auf Caputh bei Berlin zurückgegeben hatte, übergab dieser ihr am 30. Juni 1695 als Ersatz das Dorf Lietze/Lützow etwa sieben Kilometer vor Berlin sowie ein Grundstück.

Sophie Charlotte Herzogin von Braunschweig und Lüneburg (1668-1705) war die einzige Tochter von Sophie von der Pfalz und dem späteren Kurfürsten Herzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg. 1701 wurde sie von ihrem Ehemann Friedrich I. zur ersten Königin in Preußen gekrönt. Sie sprach fließend Französisch, Englisch und Italienisch und pflegte wie ihre Mutter eine enge Freundschaft mit Leibniz.

Sophie Charlotte wurde protestantisch erzogen, doch schlossen machtpolitische Erwägungen ihrer Eltern die Ehe mit einem Katholiken nicht aus, worauf ihre Erziehung Rücksicht nahm. Mit ihrer Mutter ging sie auf eine Reise nach Frankreich, wobei diese vorgeblich ihrem Interesse an Gartengestaltung nachging. Hauptinteresse der Reise war die mögliche Aussicht Sophie Charlottes auf eine Ehe mit dem Dauphin, dem Sohn des französischen Königs Ludwig XIV.

Nachdem der Versuch, Sophie Charlotte mit Louis von Frankreich zu vermählen, an den dynastischen Plänen dessen Vaters gescheitert war, wurde Sophie Charlotte an das brandenburgische Kurfürstenhaus vermittelt. Am 8. Oktober 1684 heiratete sie den bereits einmal verwitweten Kurprinzen Friedrich von Brandenburg. Vier Jahre später starb der Große Kurfürst und Friedrich bestieg mit seiner Frau den kurfürstlichen Thron. Die Ehe war nicht glücklich; sie war aus politischen Gründen geschlossen worden, was in Hochadelskreisen an der Tagesordnung war. Die Kurfürstin gebar Friedrich I. drei Kinder, von denen nur ein Sohn überlebte, der spätere König Friedrich Wilhelm I.

Sie erhielt 1696 das Gut Lietzow (auch Lützow), eine Preußische Meile nordwestlich vor Berlin und ein Stück Land in der Nähe als Ausgleich für ihren Landsitz in Caputh bei Potsdam, den sie ihrem Gemahl zurückgegeben hatte, und beauftragte den Architekten Arnold Nering mit dem Bau einer Sommerresidenz. Als Arnold Nering einige Monate später starb, übernahm der Baumeister Martin Grünberg die weitere Bauleitung. Unter seiner Regie wurden zwei südwärtsgerichtete Hofgebäude für die Betriebsräume und das Gesinde errichtet.

Dort lebte die Kurfürstin und spätere Königin relativ unabhängig, ihr Gemahl Friedrich hatte nur Zutritt, wenn er ausdrücklich eingeladen war, so zum Beispiel im Sommer am 11. Juli 1699, als man das Schloss anlässlich des Geburtstages des Kurfürsten feierlich einweihte. Danach wurde die Sommerresidenz zur ständigen Residenz Sophie Charlottes. Um 1700 wurde das Schloss unter Eosander von Göthe zu einer repräsentativen Dreiflügelanlage ausgebaut.

Sophie Charlotte war eine Gegnerin der Politik des Premierministers Danckelmann, sie zog sich nach dessen Sturz 1697, bei dem sie maßgeblich mitgewirkt hatte, auf ihr Schloss Lietzenburg zurück, da sie am Berliner Hof politisch nichts auszurichten vermochte. Am 18. Januar 1701 wurde sie von ihrem Ehemann zur ersten Königin in Preußen gekrönt.

Am 1. Februar 1705 starb sie während eines Besuchs bei ihrer Mutter in Hannover an einer Halsentzündung. Ihr Leichnam wurde seziert und einbalsamiert und auf einem Paradebett öffentlich ausgestellt. Am 9. März erfolgte die Überführung nach Berlin, wo im älteren Berliner Dom die Trauerfeier stattfand und sie bestattet wurde. Der große zeitliche Abstand zwischen Tod und Überführung erklärt sich aus den aufwendigen Vorbereitungen für die Beisetzungsfeierlichkeiten, vor allem der Errichtung von Funeralarchitekturen, die an den Stationen des Leichenzuges zu erbauen waren. Heute befindet sich ihre letzte Ruhestätte in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms am Lustgarten in Berlin.

Nach dem Tode der Königin ließ der König das Anwesen Lietzenburg zu Ehren seiner verstorbenen Gemahlin in Charlottenburg umbenennen. Dieser Schritt hatte vor allem dynastische Gründe, denn Friedrich, ein in Ermangelung herausragender Ahnen und großer Taten von den Fürsten Europas belächelter Monarch, musste bestrebt sein, die 1701 erworbene Königswürde international anerkannt zu wissen. Er stützte sich damit auf die dynastische Tradition des Hauses Hannover, indem er seine Gemahlin nach ihrem Tod glorifizierte.

Sophie Charlotte wird als sehr gebildet beschrieben. Sie sprach außer Deutsch fließend Italienisch, Französisch und Englisch. Sie zog bekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit an ihren Hof zu Lietzenburg, so zum Beispiel den Philosophen Leibniz, den sie aus ihrer Zeit am hannoverschen Hof kannte. Leibniz blieb zeitlebens ihr guter Freund und war häufig Gast in Lietzenburg. Sie führten intensive philosophische Disputationen und setzten sich zusammen für die Gründung einer wissenschaftlichen Akademie zu Berlin ein, welche dann auch am 11. Juli 1700 von Friedrich gegründet wurde.

Zudem war Sophie Charlotte musikalisch sehr gebildet. Sie spielte ausgezeichnet Cembalo, sang und pflegte die italienische Oper an ihrem Hof, zu deren Aufführung ein separates Opernhaus errichtet wurde. Die Musiker Attilio Ariosti und Giovanni Battista Bononcini standen jahrelang als Hofkapellmeister in ihren Diensten und komponierten diverse Opern.

Im Jahr 1696 beauftragte Sophie Charlotte den Architekten Johann Arnold Nering mit der Planung und dem Bau einer Sommerresidenz. Allerdings starb Nering schon einige Monate später, und Martin Grünberg übernahm die Ausführung des Ausbaus.

Martin Grünberg wirkte ab 1687 in Berlin, nachdem er mehrere Reisen nach Frankreich und Italien unternommen hatte. In Berlin beteiligte er sich am Aufbau der Friedrichstadt und überwachte das Bauwesen in der Kurmark als Mitarbeiter des Kurfürstlich-Brandenburgischen Oberbaumeisters Johann Arnold Nering, dessen Nachfolger er von 1695 bis 1698 war. Die damit verbundenen Aufgaben beim Bau der Schloss- und Residenzbauten gab er 1698 an Andreas Schlüter ab und blieb nachfolgend Landbaumeister (Aufbau der Stadt Lenzen an der Elbe). 1701 wurde Grünberg als erster Architekt und Baumeister Mitglied in der Akademie der Künste und der Königlich Preußischen Sozietät der Wissenschaften.

Martin Grünberg gehört, ebenso wie sein Vorgänger Nering, zu den Vertretern des niederländischen Barock. Er konstruierte unter anderem die Erweiterung des Marstallgebäudes Unter den Linden bis an die spätere Dorotheenstraße – samt der ersten Berliner Sternwarte – sowie die Jungfernbrücke. Einen besonderen Fokus legte er auf Kirchenbauten, darunter die Alte Garnisonkirche, die Neue Kirche (heute Deutscher Dom) und die Sebastiankirche (später Luisenstadt-Kirche). Auch für den Umbau des barocken Reithauses zu einer deutsch-französischen Doppelkirche auf dem Berliner Friedrichswerder fertigte er den Entwurf.

Darüber hinaus war er zeitweise leitender Baumeister am Berliner Zeughaus und der Parochialkirche. Für die Stadt Berlin baute Grünberg das Cöllnisches Rathaus, darüber in der Breiten Straße einige Bürgerhäuser. 1699/1700 errichtete er für Kurfürst Friedrich III. das Jagdschloss Fürstenwalde.

Der Kernbau war zu diesem Zeitpunkt noch sehr klein, er umfasste seinerzeit den mittleren Teil mit zwei Risaliten. Außerdem wurde wegen der Vorliebe der Königin für Opern und musikalische Darbietungen ein freistehendes kleines Opernhaus errichtet. So wurde das Schloss auch Sophie Charlottes Musenhof genannt. Am 11. Juni 1699 wurde das kleine Schloss eingeweiht und seitdem von Sophie Charlotte als Residenz genutzt. Sein Name wurde nach dem nahe gelegenen Dorf Lietzenburg (auch: Lützenburg) gewählt.

Architekt Grünberg trat 1698/1699 von seinem Amt zurück. Es war wahrscheinlich der Baumeister Andreas Schlüter, der die weiteren Arbeiten veranlasste. Für das Gesinde und die Betriebsräume wurden zwei südwärts gerichtete Gebäude errichtet, die den Hof abgrenzten.

Im Jahr 1694 rief Kurfürst Friedrich III. Schlüter als Hofbildhauer nach Berlin. Bevor er als Bildhauer tätig wurde, sandte ihn der Kurfürst in den Jahren 1695 und 1696 nach Frankreich, in die Niederlande und nach Italien; dort sollte er Gipsabgüsse antiker Skulpturen für die Akademie in Berlin beschaffen, an der er auch einen Lehrauftrag hatte. Spätestens auf diesen Reisen kam Schlüter mit Werken von Michelangelo Buonarroti und Gian Lorenzo Bernini in Kontakt, die ihn nachhaltig prägen sollten. Erste Berliner Arbeiten Schlüters sind vermutlich antikische Fluss- und Meeresgottheiten, die sich einst an der Langen Brücke befanden.

Das erste wirklich große Projekt für Schlüter stellte dann das im Jahr 1695 nach Plänen Arnold Nerings begonnene Zeughaus dar, dessen Fensterbögen er mit skulptierten Schlusssteinen schmückte (an der Fassade Prunkhelme, im Innenhof Schilde mit den Köpfen sterbender Krieger, die auf den Triumph Europas über das Osmanenheer vor Wien hindeuten sollten). Nebenher fertigte Schlüter auch die Modelle für ein Standbild Friedrichs III., das ursprünglich im Hof des Zeughauses aufgestellt werden sollte, und für ein Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, das für eine Aufstellung auf der Langen Brücke gedacht war. Nach Nering und Martin Grünberg erhielt Schlüter 1699 die Stelle als Bauleiter am Zeughaus und wurde noch im gleichen Jahr zum Schlossbaudirektor ernannt. In dieser Position gestaltete er die Fassade des Berliner Schlosses zur Stadt hin um und schuf den heute nach ihm Schlüterhof benannten Innenhof mit Elementen des italienischen Barock und des aufkeimenden Klassizismus.

Schlüter fertigte außerdem Entwürfe für das Gießhaus und den Kleinen Marstall sowie für die Parochialkirche und einen Turm (die letzteren beiden wurden allerdings verworfen). Von 1702 bis 1704 wurde in der Berliner Burgstraße nach Plänen Schlüters die Alte Post erbaut, die zugleich als Wohnpalais für den Grafen Johann Casimir von Kolbe-Wartenberg diente, und die Schlüter mit Reliefmedaillons mit Allegorien von Tugenden des Postwesens wie Pünktlichkeit oder Umsicht schmückte. Nebenher vollendete er das Modell des Reiterstandbildes, das 1700 von dem Erzgießer Johann Jacobi gegossen und als das erste monumentale Reiterstandbild Deutschlands 1703 unter freiem Himmel aufgestellt wurde. Das bekannte Bernsteinzimmer entwarf er ursprünglich für das Schloss Lietzenburg. Es wurde ab 1701 angefertigt und dann entgegen der ursprünglichen Planung für einen Raum im Berliner Stadtschloss verwendet. 1716 wurde es schließlich dem russischen Zaren Peter dem Großen geschenkt. Schlüter fertigte außerdem eine Portraitbüste des Landgrafen Friedrich II. von Homburg-Hessen, die ebenfalls von Jacobi – zwischen 1701 und 1704 – gegossen wurde. Im Jahr 1700 entstand in der Berliner Nikolaikirche das Grabmal für den Hofgoldschmied Daniel Männlich und seine Frau mit dem Motiv des Todes, der einen Knaben ergreift. Kurz zuvor hatte Schlüter den Tod seines jüngsten Sohnes Gotthardt zu beklagen. Des Weiteren schuf Schlüter 1703 die Kanzel in der Berliner Marienkirche. Hier ist sehr deutlich der Einfluss Berninis spürbar durch die Ähnlichkeiten mit dessen Cathedra Petri. Im Jahr 1705 starb die Königin Sophie Charlotte, weswegen Schlüter beauftragt wurde einen Prunksarkophag zu entwerfen, der ebenfalls von Jacobi gegossen wurde. Zusätzlich zu all seinen Tätigkeiten hatte Schlüter von 1702 bis 1704 auch noch das Amt des Direktors der Berliner Akademie der Künste inne.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt, bekam Schlüter den folgenschweren Auftrag, die kurfürstliche Münze, durch einen der neuen Königswürde des Landes angemessenen Bau zu ersetzen. Schlüter fertigte mehrere kühne Entwürfe für einen Turm, der ursprünglich bis in 96 Meter Höhe ragen, einen Speicher für die Wasserkünste des Schlossgartens und zuoberst ein Glockenspiel enthalten sollte, an. Ein erster Entwurf stammt aus dem Winter 1701/1702 und es wurde 1702 mit dem Bau begonnen. Es stellten sich aber rasch statische Probleme ein, die vor allen Dingen durch den sumpfigen, offenbar nicht genügend gesicherten Grund verursacht wurden. Die Fundamente des Turmes kamen ins Rutschen und in den Mauern entstanden tiefe Risse.

Trotz massiver Verstärkungen des Fundamentes und der Mauern geriet der nach vier Jahren bis in 60 Meter Höhe hochgezogene Turm ins Wanken. Dabei stürzte sogar ein Gerüst ein, das Bauleute unter sich begrub. Zu diesem Unglück gesellte sich ein weiteres: Schlüter hatte für den König ein Lustschloss im Kurort Freienwalde errichtet. Es befand sich direkt an einem Sandhügel, der prompt während des dortigen Aufenthalts des Königs durch ein Unwetter ins Rutschen kam, weswegen der König den Ort nie wieder aufsuchte und Schlüter noch mehr in Ungnade fiel. Darüber hinaus besaß Schlüter wohl viele Neider – besonders Johann Friedrich von Eosander – welche die Gelegenheit nutzten, auf bereits früher aufgetretene Baumängel am Zeughaus und am Berliner Schloss hinzuweisen und Schlüters Ruf damit weiter zu schaden. Nach mehreren Jahren, die Schlüter bis auf einige wenige bildhauerische Aufträge mehr oder weniger untätig, zurückgezogen und angeblich mit dem Konstruktionsversuch eines Perpetuum mobile verbracht hatte, bekam er ein letztes Bauprojekt in Berlin zugeteilt: ein Landhaus (Villa Kamecke) für den Geheimrat Ernst Bogislav von Kameke in dessen privatem Lustgarten in der Dorotheenstadt, welches Schlüter von 1711 bis 1712 errichtete.

Am 6. Dezember 1897 schreibt August Leo Zaar (1860–1911) mit seiner Rekonstruktionszeichnung, die die Frontansicht wie auch den Grundriss wiedergibt, den nicht mehr erhaltenen „Gesund- und Heilbrunnen“ Andreas Schlüter zu.

Nach dem Tod Friedrichs I. im Jahr 1713 wurde Schlüter endgültig aus dem Hofdienst entlassen. Noch im Sommer desselben Jahres reiste er nach Russland, wo er wohl in die Dienste Zar Peters des Großen trat, der gerade damit begonnen hatte, Petersburg ausbauen zu lassen. Überliefert ist jedoch nichts über diesen letzten kurzen Lebensabschnitt Schlüters, außer der Meldung von seinem Tod, die Berlin am 23. Juni 1714 erreichte.

Für die ehemalige Berliner Siegesallee gestaltete der Bildhauer Gustav Eberlein eine marmorne Büste Schlüters als Seitenfigur der Denkmalgruppe 26 zu dem zentralen Standbild für den ersten preußischen König Friedrich I., enthüllt am 3. Mai 1900. Die Büste zeigt Schlüter in einem schlichten Bildhauerkittel, wie er die Maske eines sterbenden, von Schmerzen gezeichneten Kriegers prüft. Die Büste ist mit leichten Beschädigungen erhalten und wird seit Mai 2009 in der Zitadelle Spandau aufbewahrt.

Nach der Krönung Friedrichs zum König Friedrich I. in Preußen und Sophie Charlottes zur Königin in Preußen im Jahr 1701 übernahm Eosander von Göthe den weiteren Ausbau. Er ließ das Schlossgebäude bis zur Flucht der Hofgebäude verbreitern und diese bis an das Schloss verlängern.

Als Ingenieur-Leutnant im schwedischen Stettin stationiert, errichtete er 1694–1696 im nahen Kabelwisch seinen ersten Hochbau, ein Herrenhaus für den Gouverneur Graf Nils Bielke. Eosander ging 1697 nach Stockholm, von wo aus ihn vermutlich Nicodemus Tessin oder Bielke 1698 dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. empfahl, der ihn im Februar 1699 als Ingenieur-Kapitän anstellte. Friedrich hatte die Absicht, König in Preußen zu werden. Er zog talentierte Künstler an seinen Hof, um seiner zukünftig königlichen Residenz Berlin den nötigen repräsentativen Glanz zu verschaffen. Eosander beauftragte er zunächst mit dem Umbau von Schloss Oranienburg. Im Jahr darauf schickte er ihn für mehrere Monate auf eine Studienreise nach Rom und Paris. Zu den Aufgaben des Zurückgekehrten gehörte neben der Tätigkeit in Schloss und Park Oranienburg die Gestaltung der Schlosskirche in Königsberg zur Krönungsfeier Friedrichs im Januar 1701.

Als Baumeister wirkte Eosander zur selben Zeit in Berlin wie Andreas Schlüter. Nach seinen Plänen erfolgte der Umbau der Schlösser Charlottenburg in Berlin, des Schlosses Monbijou in Berlin und des ersten Rathauses Charlottenburg in der Schloßstraße.

1699 ernannte ihn der Kurfürst zum Hofbaumeister. Eosander war damit bis zu Schlüters Entlassung dessen Konkurrent. Nach dem Tod Sophie Charlottes 1705 beauftragte Friedrich I. ihn mit einem Entwurf für die neugegründete Stadt Charlottenburg. 1707 löste er Schlüter als Leiter des Stadtschlossbaus in Berlin ab, wo er jedoch künstlerisch nicht gänzlich frei das Werk Andreas Schlüters zu vollenden hatte. Der zweite Schlosshof erhielt an der Schloßfreiheit mit dem Eosanderportal einen repräsentativen Zugang von der Westseite (Portal III). Zum Vorbild des dreibogigen Portales, auf das später August Stüler und Albert Dietrich Schadow eine Kuppel setzten, nahm sich Eosander den Triumphbogen des Septimius Severus in Rom.

Bedeutsamer ist die Erweiterung von Schloss Charlottenburg, welche er 1701–1713 leitete. Sein spätbarocker Stil hat gewisse Verwandtschaften zu dem Filippo Juvaras. Wie diesen zeichnet Eosander von Göthe ein Hang zum Klassizismus aus und er verzichtet auf hochbarockes Pathos.

Fillipo Juvarra entstammte einer Familie von Silberschmieden und erhielt seine Ausbildung unter Carlo Fontana in Rom, wo er ein bekannter Bühnenbildner wurde. 1714 berief ihn Viktor Amadeus II. nach Turin, wo er der prägendste Architekt seiner Generation wurde. Als seine Hauptwerke gelten hier die Basilika von Superga ab 1716, der Palazzo Madama ab 1718 und das Jagdschloss von Stupinigi ab 1729. 1735 folgte Juvarra der Einladung des spanischen Königs Philipp V. nach Madrid, er entwarf dort den Neubau des Palacio Real und arbeitete bis zu seinem Tod an weiteren Bauprojekten der Bourbonen, wie am Palacio Real von La Granja mit.

Juvarra gehörte zu den größten Architekten des Barock, die Zahl seiner Werke ist nahezu unüberschaubar: in seiner Turiner Zeit nahm er die Bauleitungen und Überarbeitung dutzender Projekte an, er arbeitete an Kirchen, Villen, Stadtpalazzi und Schlössern. Auch seine letzten Lebensjahre in Spanien waren noch von großem Schaffensdrang geprägt. Die Ideen und Anregungen für seine Bauprojekte eignete er sich auf mehreren ausgedehnten Europareisen an, so dass sein Werk auch eine Synthese der europäischen Baukunst des 18. Jahrhunderts ist.

Die unter Eosanders Leitung entstandene Innendekoration von Schloss Charlottenburg zeugt von nordischer Strenge. Nach dem Tode König Friedrichs I. legte Eosander 1713 sein Amt nieder und trat in schwedische Dienste. Im gleichen Jahr wurde er in Stockholm durch Karl XII. zum Freiherrn von Göthe erhoben. Bei der Belagerung Stralsunds kam der Generalmajor 1715 in preußische Gefangenschaft.

Nach seiner Freilassung ging Eosander von Göthe nach Sachsen in die Dienste Augusts des Starken. Nordwestlich von Dresden errichtete er zwischen 1724 und 1726 für Jakob Heinrich von Flemming das Schloss Übigau. Bei diesem direkt an der Elbe gelegenen Barockbau konnte er all seine Pläne verwirklichen und es wurde zu seinem bedeutendsten Werk. Nach Johann Friedrich Eosander von Göthe sind auch die Eosanderstraße sowie der Eosanderplatz im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf benannt.

Nach dem Tod Sophie Charlottes am 1. Februar 1705 im Alter von nur 37 Jahren nannte der König das Schloss und die angrenzende Siedlung ihr zu Ehren „Charlottenburg“. Der König beauftragte auch diesmal Eosander von Göthe mit dem weiteren Ausbau. Von 1709 bis 1712 wurden das zurückspringende Mittelstück zu einem Risalit ausgebaut und die markante Schlosskuppel darüber errichtet. Auf der Westseite wurde der Bau um eine Orangerie und eine Kapelle erweitert. Eine entsprechende Orangerie auf der Ostseite war geplant, wurde aber nie ausgeführt. Die Große Orangerie diente der Überwinterung seltener Pflanzen. Während der Sommermonate, wenn über 500 Apfelsinen-, Zitronen-, und Pomeranzenbäume den Barockgarten zierten, war die Orangerie regelmäßig prachtvoller Schauplatz höfischer Festlichkeiten.

Eine Orangerie ist ein historischer repräsentativer Garten für Zitruspflanzen. Während Orangerie im 17. und 18. Jahrhundert als Synonym für „Sammlung von exotischen, nicht winterfesten Gewächsen“ stand und die Aufstellung solcher Gewächse im Freien bezeichnete, ist der Begriff seit dem 18. Jahrhundert auf die Gebäude übertragen worden, in denen die Sammlungen untergebracht waren. Orangerien wurden insbesondere im Zusammenhang von repräsentativen Schloss- und Gartenanlagen des Barocks bekannt.

Ab dem 16. Jahrhundert kamen an den europäischen Fürstenhöfen Sammlungen von Orangen- und anderen Zitrusbäumen in Mode. Ein solcher Baumbestand wurde sinnfällig Orangerie genannt, der Begriff galt also allein den Bäumen. Anfangs waren die Orangerien noch ortsgebunden, weil die Bäume im Boden wurzelten, mit der Einführung des Pflanzkübels jedoch wurden sie ortsveränderlich. Der technische Durchbruch kam mit der Erfindung des Kübel-Transportwagens durch André Le Nôtre (1613–1700), dem Gärtner von Versailles.

Orangerien dienten sowohl Zier- und Repräsentationszwecken als auch der Befriedigung des steigenden Bedürfnisses der Fürstenhöfe nach exotischen und insbesondere Zitrusfrüchten. Der Zitrusbaum eignete sich hervorragend als Repräsentationsobjekt, weil sich mit ihm zum einen mannigfache mythologische Verknüpfungen herstellen ließen (etwa zum mythologischen Thema des Baumes im Hesperidengarten) und weil er zum anderen weitgereist und daher sehr teuer war.

Die immergrünen, gleichzeitig Früchte und Blüten tragenden Zitrusbäumchen wurden wegen ihres Duftes und Symbolgehaltes (Symbol des ewigen Lebens, Herkules-Ikonographie) zu den beliebtesten Pflanzen in den architektonischen Gärten des Barock.

Es entwickelten sich drei klassische Arten der Aufstellung der Orangerie: das Karree, bei dem die Zitrusbäumchen in Rechtecksform gestellt wurden, der Kreis und die Teatro-Form. Bei der letzteren Anordnung, der elaboriertesten, wurden die Bäumchen im Halbkreis positioniert.

Damit die Pomeranzen im Winter nicht eingingen, waren sie Dezallier d’Argenville zufolge auf Wintergärten angewiesen: Für nördliche Länder wie Holland, Schweden, aber auch England empfahl er für die Sommermonate sogar Glashäuser. Orangerien dienten also erst in untergeordnetem Maßstab Zier- und Repräsentationszwecken. Zunächst waren sie dazu da, die Zitrusbäumchen und andere frostempfindliche Pflanzen in den Wintermonaten unterzubringen. Sie waren dort auf engem Raum zusammengedrängt (frz. serrer), woher sich auch der ursprüngliche Name für Orangerien (Serre) ableitete.

Vor allem die festverwurzelten Orangerien bedurften eines unmittelbar neben der Anpflanzung gelegenen Wintergartens, in dem die mit dem gesamten Wurzelstock ausgegrabenen Bäumchen überwintern konnten. Solche Orangeriegebäude wurden bald auch selbst als Orangerie bezeichnet, und im heutigen Sprachgebrauch ist diese Wortverwendung fast die einzige.

Obschon die späteren Kübelpflanzen ein unmittelbar neben dem Aufstellungsort gelegenes Überwinterungsgebäude nicht mehr brauchten und dieses sich deshalb zumeist in einiger Entfernung befand, wurden weiterhin Orangeriegebäude gebaut. Diese dienten nun vielfach nicht mehr gärtnerischen als vielmehr rein repräsentativen Zwecken und dem Vergnügen der fürstlichen Herrschaften. Solche Orangeriegebäude konnten daher auch reine Prospektarchitektur sein, die den kunstvoll aufgestellten Zitrusbäumchen eine würdige Umrahmung gaben und in denen man Gemäldeausstellungen, Bankette und ähnliche Lustbarkeiten veranstaltete.

Diesem Zwecke entsprechend sind die Orangeriegebäude oftmals als Rund (respektive zwei Halbrunde) oder Halbrund gebaut, sodass im von ihnen bezeichneten Hof die Orangerie in Kreis- oder Teatroform aufgestellt werden konnte. Ein wesentliches Architekturmerkmal sind die bis auf den Boden reichenden Fenster. Ein typisches Merkmal des Architekturtypus Orangeriegebäude ist, bedingt durch die Repräsentationsfunktion, die Verwendung fürstlicher Würdeformen wie etwa das Motiv des Triumphbogens. Die Orangerie und damit das Orangeriegebäude konnten sowohl im Zusammenhang mit dem Ziergarten der gesamten Schlossanlage errichtet (so bei den meisten Schlossanlagen) als auch autonom aufgestellt werden. Noch auf die ursprüngliche nutzgärtnerische Funktion der Orangerie hinweisend ist der architektonische Bezug zum Gemüsegarten des Schlosses, wie in Schloss Versailles.

Zunehmend wurden nicht nur Zitrusbäumchen, sondern auch andere exotische Pflanzen zur Repräsentation zur Zier gehalten, so zum Beispiel Ananas und Feigen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts (in Deutschland später) kam die Orangenzucht aus der Mode, und die gärtnerische Funktion der Orangeriegebäude ging an die Palmenhäuser des 19. Jahrhunderts über. Da der moderne Denkmalschutz der Orangerie als eigenem gartengestalterischem Typ zunehmend Aufmerksamkeit schenkt, wurden viele ehemalige Orangerien inzwischen restauriert oder wieder errichtet.

Nach dem Tode Friedrichs I. im Jahr 1713 führte das Schloss Charlottenburg unter dessen Nachfolger Friedrich Wilhelm I. ein Schattendasein. Seinem ökonomischen Sinn widerstrebte es jedoch, das Schloss gänzlich zu vernachlässigen. So wurden dem Bau die notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen nicht versagt; auch mussten die Räume in der kalten Jahreszeit geheizt werden, damit die „paneelarbeit und meubles nicht verstocken“. Das freistehende Opernhaus übergab er den Bürgern zum Abriss als Material zum Bau einer Schule. Friedrich Wilhelm I.wusste das Schloss für offizielle und repräsentative Zwecke durchaus zu nutzen. Hier wurde 1725 mit Georg I. von England der „Charlottenburger Vertrag“ abgeschlossen, der dem brandenburgischen Hause die Erbansprüche auf Jülich-Kleve sicherte. Ebenso herrschte im Schloss tagelang festliches Leben, als August der Starke im Sommer 1728 dem König einen Gegenbesuch abstattete.

Sofort nach dem Tode Friedrich Wilhelms 1740 machte der neue König Friedrich II. (später „Der Große“ oder „Alter Fritz“ genannt) Charlottenburg zu seiner Residenz. In diesen Räumen hielt der König seine freimaurische Hofloge ab. Er fühlte sich zu diesem Ort, an dem seine schöngeistige und hochgebildete Großmutter Sophie Charlotte gewirkt hatte, sehr hingezogen. So ließ er mit den Charlottenburger Schlossgrenadieren eine eigene Wachtruppe für das Schloss aufstellen und zunächst Räume im Obergeschoss des Mittelbaus (Altes Schoss) für sich herrichten.

Auf Befehl Friedrichs II. wurden zu Beginn des Jahres 1742 die besten Soldaten der bestehenden Garnisonregimenter ausgesucht und aus ihnen am 5. März 1742 zwei Kompanien Grenadiere formiert, die als eigenständige Wachtruppe für das Schloss Charlottenburg vorgesehen waren. Kommandeur der Einheit wurde Major Heinrich Wilhelm von Byla.

Bereits am 1. August 1742 wurden die bis dahin separat bestehenden Schlossgrenadiere organisatorisch in einen übergeordneten Verband eingegliedert: Sie wurden Teil des neu aufgestellten I. Stehenden Grenadier-Bataillons, zu dessen erstem Chef gleichfalls Byla ernannt wurde. Da Grenadierkompanien stets in erster Linie einem Infanterieregiment zugehörig waren, waren die Charlottenburger Kompanien darüber hinaus fortan dem im gleichen Jahr neu errichteten Neuen Garnisonregiment zugeordnet.

Zwar war Treuenbrietzen die Garnisonstadt des Bataillons, die beiden Kompanien verblieben jedoch in Charlottenburg und versahen ihren Wachdienst am Schloss; nur in Kriegszeiten wurden die Grenadierkompanien zum gemeinsamen Feldeinsatz zusammengebracht.

Das Neue Garnisonregiment wurde nach Ende des Siebenjährigen Kriegs wieder aufgelöst, doch die beiden Charlottenburger Grenadierkompanien blieben davon ausgenommen und existierten weiter, keinem Regiment mehr zugeordnet, aber weiterhin Teil des Grenadier-Bataillons.

Im Frühjahr 1787 wurde das I. Stehende Grenadier-Bataillon aufgelöst. Die beiden Charlottenburger Schlossgrenadier-Kompanien wurden dem am 1. Juni neu aufgestellten Füsilier-Bataillons Nr. 2 mit dem Vorsitz von Johann Jeremias von Renouard eingegliedert und zu Füsilieren umformiert, mit erster Garnison Halle. Damit hörten die Schlossgrenadiere zu bestehen auf.

Die beiden Schlossgrenadier-Kompanien trugen während der gesamten Zeit ihres Bestehens preußischblaue Uniformröcke ohne Rabatten mit roten Kragen, roten Ärmelaufschlägen und rotem Futter an den umgeschlagenen Rockschößen. Kamisole und Beinkleider waren blassgelb, die Grenadiermützen hatten Vorderschilde aus Messing und rote Mützenbeutel.

Die von Friedrich Christian Glume ausgeführten – und im Zweiten Weltkrieg gänzlich verlorengegangenen – Schnitzereien der Vertäfelungen waren noch so unbeholfen, dass sie lange Zeit für Arbeiten aus dem 19. Jahrhundert gehalten wurden. (Friedrich Wilhelm IV. und seine Gemahlin Elisabeth bewohnten später diese Räume.) Gleichzeitig hatte Friedrich den Auftrag gegeben, das Schloss durch Knobelsdorff für seine Bedürfnisse im Stil des Rokoko erweitern zu lassen, wobei – anstelle der geplanten, aber unter seinem Vater nicht mehr verwirklichten östlichen Orangerie – der Neue Flügel entstand. Vermutlich erwies sich Schloss Charlottenburg für Friedrich II. trotz seiner freien Lage in der Landschaft nicht als jener Ort der Ruhe und Zurückgezogenheit, den er sich gewünscht hatte. Im Jahr 1744 begann er in Potsdam mit dem Umbau des Stadtschlosses zu seiner Dauerresidenz sowie der Anlage des intimen Schlosses Sanssouci als Sommerwohnsitz. Das 1747 fertiggestellte Schloss Charlottenburg benutzte er für Familienfeiern.

Seine heutige Form erhielt das Schloss unter Friedrich Wilhelm II. mit dem Schlosstheater am Ende des westlichen Flügels und mit der Kleinen Orangerie von Carl Gotthard Langhans. Carl Gotthard Langhans war ein Sohn der Konrektors, später Prorektors, Gottfried Langhans († 1763) der evangelischen Schule in Landeshut. Er studierte von 1753 bis 1757 Jura in Halle, daneben auch Mathematik und Sprachen, und beschäftigte sich autodidaktisch mit der Architektur, wobei er vor allem die antiken Schriften des römischen Architekturtheoretikers Vitruv und deren Neufassung des von der Antike begeisterten Johann Joachim Winckelmann zugrunde legte.

Der Entwurf zur protestantischen Kirche Zum Schifflein Christi 1764 in Glogau brachte ihm den ersten Durchbruch als Architekt. Im selben Jahr fand Langhans eine Anstellung als Bauinspektor des Fürsten von Hatzfeld, dessen kriegszerstörtes Stadtpalais in Breslau er nach eigenen Entwürfen in den Jahren 1766–74 neu errichten ließ. Durch die Vermittlung des Fürsten von Hatzfeld wurde er am Berliner Hof bekannt. Als erstes Werk im Dienste der königlichen Familie entwarf er für den Prinzen Heinrich 1766 das Treppenhaus und den Muschelsaal im Schloss Rheinsberg.

Im ausgehenden 18. Jahrhundert und beginnenden 19. Jahrhundert war es für jeden Künstler ein großer Traum, eine Italienreise zu unternehmen, um die Antike aus eigener Anschauung studieren zu können. Nicht nur Goethe und Schinkel war die Erfüllung dieses Traums vergönnt, auch Langhans konnte sich durch die Unterstützung des Fürsten von Hatzfeld 1768–69 eine Reise nach Italien leisten. Als er später zum Leiter der Breslauer Kriegs- und Domänenkammer berufen wurde, bereiste er im Auftrag und auf Kosten des Königs die Länder England, Holland, Belgien und Frankreich.

Seine erste Anstellung als Bauinspektor fand Langhans 1764 beim Fürsten Franz Philipp Adrian von Hatzfeld. Sein Dienstherr ließ ihm jedoch freie Hand, auch für andere Auftraggeber zu arbeiten. Nach den verheerenden Kriegen Friedrichs II. in Schlesien wurde Langhans 1775 zum Leiter der Breslauer Kriegs- und Domänenkammer berufen. 1788 wurde er von Friedrichs Neffen und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. zum Direktor des neu gegründeten Oberhofbauamtes in Berlin ernannt.

Langhans wurde in der Barockzeit geboren und starb zur Zeit des Klassizismus. So findet man bei ihm gleichermaßen barocke wie klassizistische Bauten und Elemente. Langhans hat keinen eigenen Stil entwickelt und war auch nicht maßgeblich an einer Stilentwicklung beteiligt. Er verwendet die auf seinen Reisen studierten Bauten, von denen er fleißig Zeichnungen angefertigt hat, als Vorlagen für seine eigenen Entwürfe. Er scheut sich nicht, verschiedene Stilrichtungen in einem Bau nebeneinander anzuwenden. Beim Palais des Fürsten Hatzfeld hat er sich außen am Stil der italienischen Hochrenaissance orientiert, während er bei der Innenarchitektur auf barocke Elemente zurückgriff. Zu dem im barocken elliptischen Grundriss angelegten Festsaal im Palais Dönhoff in der Berliner Wilhelmstraße verwendete er eine klassizistische Deckendekoration.

Wenn ein Vergleich mit dem ebenfalls 1732 geborenen und 1809 gestorbenen Komponisten Joseph Haydn gestattet ist, bemerken wir bei diesem, dass barocke Elemente zwar häufig in seinen Kompositionen zu finden sind (so z. B. sehr deutlich in den Koloraturen der „Schöpfung“), dass aber Haydn im Gegensatz zu Langhans den Stil der Wiener Klassik ganz wesentlich mitentwickelt hat und dass er sich vom Barock zur Klassik entwickelt hat, während Langhans die Stilelemente als „Baukastenelemente“ nebeneinander verwendete.

Bei seinen Studienreisen durch England lernte er den Klassizismus der Brüder Robert und James Adam kennen, den er bei seinen Entwürfen oft einsetzte. Seine klassizistischen Entwürfe brachten ihm zeitweise den Ruf eines „modernen Architekten“ ein. Ein von ihm häufig verwendetes architektonisches Element ist das Palladio-Motiv.

Das Brandenburger Tor brachte Langhans seinerzeit keinen großen Ruhm. König Friedrich Wilhelm II. lehnte ein Gesuch des Architekten ab, der Eröffnung des Tores beizuwohnen und kritisierte stattdessen die lange Bauzeit. Der Bildhauer Johann Gottfried Schadow, der die Quadriga für das Tor erstellte, sah in dem Rückgriff auf die Propyläen als Vorbild für das Brandenburger Tor eine fehlende Originalität des Architekten. Langhans’ letzter großer Bau, das Nationaltheater am Gendarmenmarkt (1800–02), rief ebenfalls Kritik hervor.

Das Palais für den Fürsten von Hatzfeld und das im italienischen Barockstil gebaute Schauspielhaus in Breslau brachten ihm allerdings viel Anerkennung. Auch der Speisesaal im Palais des Justizministers Zedlitz ist von Zeitgenossen überschwänglich gelobt worden.

Wenn Langhans als Berliner Architekt heute auch weit im Schatten des jüngeren Karl Friedrich Schinkel steht, war er doch zu Lebzeiten unangefochten einer der bedeutendsten Berliner bzw. preußischen Baumeister.

Das Schlosstheater spielte in der Geschichte des deutschen Theaterwesens eine wichtige Rolle, er machte es zu einer Pflegestätte der unter Friedrich dem Großen vernachlässigten deutschen Literatur. Ab 1795 gab es freie Theaterkarten für Bürgerliche. Im Neuen Flügel ließ sich Friedrich Wilhelm II. auf der Südseite des ersten Stockwerks eine Winterwohnung sowie im Erdgeschoss der zum Park gelegenen Nordseite eine Sommerwohnung im Stile des Frühklassizismus einrichten. Außerdem wurde eine weitere Orangerie (Kleine Orangerie) hofseitig gegenüber der Großen Orangerie errichtet. Sie umfasste zwei Wohnungen für die Gärtner und ein Gewächshaus in der Mitte.

Das Königspaar Friedrich Wilhelm III. und Luise, das mit seinen Kindern im Schloss lebte, nahm im Innern des Schlosses keine größeren Veränderungen vor. Lediglich nach der Rückkehr aus Königsberg kam es 1810 zur Neugestaltung des Schlafzimmers der Königin nach Entwürfen Karl Friedrich Schinkels. Der im gleichen Jahr verwitwete König ließ 1824, nach seiner Eheschließung mit Auguste von Harrach, für diese die zweite Wohnung Friedrichs des Großen herrichten und für sich von Schinkel den Neuen Pavillon erbauen.

Der Neue Pavillon ist ein von 1824 bis 1825 errichtetes klassizistisches Bauwerk des preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel in Berlin-Charlottenburg und liegt direkt neben dem Schloss Charlottenburg.

Der preußische König Friedrich Wilhelm III. hatte im Jahr 1822 die Villa Chiatamone an der Küste von Neapel besucht. Ein Jahr später beauftragte er Schinkel mit dem Bau eines neuen Pavillons im Schlosspark direkt am Ende des östlichen Seitenflügels von Schloss Charlottenburg. Damit sollte das eheliche Haus für das Leben mit seiner zweiten Frau errichtet werden. Friedrich Wilhelm heiratete im Jahre 1824 Auguste Gräfin von Harrach. Es handelte sich hierbei um eine morganatische Ehe. Demgemäß sollte das Gebäude nicht die Dimensionen eines Schlosses erhalten.

Bei einem Fliegerangriff am 23. November 1943 wurde das Gebäude getroffen und brannte bis auf die Außenmauern nieder. Das Inventar wurde beinah restlos vernichtet. Von 1957 bis 1970 wurde der Pavillon einschließlich der Innenarchitektur rekonstruiert und im Jahr 2001 renoviert.

Schinkel entwarf den Pavillon im Stil einer italienischen Villa als streng symmetrischen weißen Kubus, dessen Fassade lediglich durch eine Säulenloggia und dunkelgrüne Fensterläden aufgelockert wird. Das erste Obergeschoss erhielt einen umlaufenden Balkon, was der König als Anregung von Chiatamone mitgebracht hatte. Dieser ist aus Eisen, dunkelblau lackiert und wurde auf der Unterseite gleichmäßig mit goldenen Sternen bemalt. Auch die Innenarchitektur für die neun fast gleich großen Räume errichtete Schinkel in äußerst schlichter Eleganz. Wandmalereien im pompejanischen Stil verzieren den Treppenaufgang. Im Gartensaal steht als Glanzstück der erhaltenen Originaleinrichtung ein von Schinkel gestalteter runder Teetisch mit einer Tischplatte aus Porzellan, auf die viele bedeutende Bauwerke des Architekten gemalt wurden.

Bei den pompejanischen Stilen handelt es sich um Wanddekorationen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Stilen sind fließend. 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und Pompeji wurde verschüttet, die einzelnen Stile lassen sich in Pompeji, aber auch an anderen Orten nachweisen.

Die meisten Malereien wurden mit einer Mischung aus Fresko- und Temperatechnik oder enkaustisch hergestellt. In mehreren Schichten wurde Putz auf die Wände aufgetragen, wobei die Anzahl der Schichten variieren konnte. Generell zeigen frühere Malereien und solche in reicheren Häusern mehr Schichten als spätere und solche in nicht so reichen Wohnbauten. Von oben beginnend wurden die Putzschichten und dann die Malereien auf die Wand aufgetragen und unten zum Schluss fertiggestellt. Aufwendigere Malereien wurden zusätzlich poliert.

Die Wände sind trotz großer Variationen im Detail nach demselben Schema aufgebaut. Es gibt immer eine Sockelzone, eine Mittelzone und eine Oberzone. Die Sockelzone ist meist eher einfach gestaltet, sie kann einfarbig sein, kann aber auch Imitationen von Marmor oder einfache Malereien von Pflanzen tragen. Geometrische Muster sind auch sehr beliebt. In der Mittelzone entfaltet sich dagegen das Hauptgewicht der Bemalung. Hier findet man je nach Stil aufwendige Architekturen oder einfache Felder, wobei der Wandmitte meist ein besonderes Gewicht zukam und von einem Gemälde geziert wurde. Feldermalereien, die vor allem ab dem 3. (ornamentaler) Stil sehr verbreitet waren, bestehen aus einem Wechsel breiter einfarbiger und schmaler, oft reich mit Pflanzen, irrealen Architekturen oder anderen Mustern dekorierter Felder. In der Oberzone finden sich gerne leichte Architekturen. Die Oberzone fehlt bei vielen einfachen Wandmalereien in den Provinzen.

Deckenmalereien, die viel weniger gut erhalten sind als solche der Wände, folgen zwei Grundtypen. Es gibt einfache Muster, vor allem Kreise oder Kassetten, die endlos wiederholt werden oder die Decke ist auf einen Mittelpunkt hin, oft mit einer Figur, komponiert.

An einigen wenigen Befunden lässt sich eine einheitliche Komposition von Fußbodengestaltung, Wand und Decke auch technisch nachweisen und mit der schriftlichen Überlieferung verbinden.

Beim 1. Stil, Mauerwerkstil oder (nach Mau) Incrustationsstil wurde auf den Wänden durch farbige Malerei, Ritzungen oder plastische Gestaltung (Stuck), Aufbau und Aussehen von monumentalen Quadermauern nachgeahmt. Es handelt sich im engeren Sinne noch nicht um einen Malereistil. Geometrie spielte eine wichtige Rolle und wurde hier durch eingeritzte Linien erzeugt. Dreidimensionalität wurde durch Licht- und Schattenreflexe geschaffen. Der Stil ahmte allgemein die hellenistische Architektur nach: die Wand weist einen Sockel, eine hohe rechteckige Mittelzone und eine durchlaufende Oberzone auf.

Die Platten der nachgeahmten Quadern wurden an den Rändern so gestaltet, als handelte es sich um wirklich behauene Steinblöcke, die in die Wand eingebunden sind. Der Fugenschnitt ist deutlich zu sehen. Im oberen Wandbereich wurden die angrenzenden Felder an den Ecken mit kontrastreichen Farben gemalt.

Der 2. Stil der römischen Wandmalerei wird auch Architekturstil genannt. Von 80 bis 20 v. Chr. wurde ein architektonischer Hintergrund auf die glatte Wand gemalt. Die Wand wurde durch axialsymmetrische Scheinarchitektur oder Ausblicke in Landschaften und Megalographien aufgelöst und so vergrößert. Der Architekturstil bezog seine Vorbilder stark aus dem hellenistisch-römischen Theater. Der reife Zweite Stil ist gut im Haus des Augustus zu beobachten.

Die Sockelzone ist meist dunkel gestaltet, während die Mittelzone hell erscheint. Die meistverwendeten Farben sind dunkelrot, dunkelgrün, schwarz und gelb. Gelb wurde für Architekturelemente verwendet, blau und grün für Details.

Der Stil kann in verschiedene Subphasen unterteilt werden. Das älteste Beispiel dieses Stiles in Rom findet sich in der Casa dei Grifi auf dem Palatin und datiert um 80 v. Chr. Die Dekoration erinnert noch stark an den ersten Stil. Die Wand ist malerisch durch Marmorplatten gegliedert. Eine Neuerung sind jedoch, gemalte, vor die Wand gesetzte Säulen. Die Wand erscheint dadurch also zweischichtig.

In einer weiteren Stilphase wird die Wand plötzlich durchbrochen. In der Mysterienvilla in Pompeji finden sich in den Nebenräumen Wandbilder, die im oberen Drittel einen Ausblick auf dahinter gelegene Bauten zeigen. Meist werden Tempel sichtbar.

In der Villa von Boscoreale ist die Wand vollkommen aufgelöst. Die Wände sind durch Säulen gegliedert und zeigen Ausblicke auf Landschaften oder Tempelanlagen.

Im späten Zweiten Stil sind weitere Neuerungen zu beobachten. Die Wände sind weiterhin architektonisch gegliedert, doch gibt es nun oftmals ein Mittelbild mit Ausblick, nicht auf einen Bau, sondern auf eine mythologische Landschaft. Ganz am Ende des Stils ist eine Verflachung der Wände zu beobachten. Die Wand wird wieder geschlossen und es gibt nur noch das zentrale Mittelbild. Die Architekturen, die vorher realistisch waren, werden nun mit irrealen Figuren angereichert. Bekannte Beispiele sind die Malereien in der Casa della Farnesina und in der Aula Isiaca.

Beim 3. oder auch ornamentalen Stil wurde die Raumtiefe wieder zurückgenommen. Die Wand dient in ihrer Fläche als Bildträger und ist horizontal und vertikal gegliedert. Die Hauptzone der Wand ist meist in verschiedene, vollkommen flächige Felder geteilt (Felderdekoration). Ein Mittelbild zeigt meist einen Landschaftsausblick mit mythologischem Thema. Die Oberzone der Wand spielt mit ihrer ornamentalen Verzierung die beherrschende Rolle. Hier finden sich manchmal auch noch Architekturen, die aber bei weitem nicht die Plastizität des 2. Stils haben. Daher wird dieser Stil auch oft Ornamentstil genannt. Eine Untergruppe des 3. Stils stellt der Kandelaberstil dar. Benannt ist er nach der häufigen Verwendung des Kandelabers als beliebtes Dekorationsmotiv. Zarte Kandelaber umrahmen statt Säulen die Bildfelder. Er steht am Übergang vom 2. zum 3. Stil. Während die Wände meist sehr flach gestaltet sind, sind die Kandelaber sehr plastisch gemalt.

Seinen Höhepunkt erreichte dieser Stil in der Wandmalerei in den Jahren von 15 v. Chr. bis 50 n. Chr.

Ein typisches Beispiel für diesen Stil ist die Villa Farnesina in Rom, die Villa von Boscotrecase, die Villa Imperiale, das Haus der Ceii in Pompeji und die Villa der Poppaea in Oplontis.

Der Phantasiestil bzw. 4. Stil ist der unabhängigste Stil der römisch-pompejanischen Wandmalerei und vereinigt Elemente aus den vorhergehenden Stilen. Er beginnt etwa 40 oder 50 n. Chr. und erstreckt sich mindestens bis in die flavische Zeit. Es gibt einfache Dekorationen, bei denen Felder aneinandergesetzt wurden, aber auch aufwendige Architekturen. Der Stil ist von einem Reichtum an Ornamenten gekennzeichnet. Die Wand zeigt im Mittelbild ein Gemälde. Die Seitenfelder zeigen oft kleine schwebende Figuren. Daneben gibt sie Durchblicke auf barockisierende Architekturelemente frei. Der Stil ist ganz und gar illusionistisch: er stellt die künstliche Welt der realen gegenüber. Weiße, rote und schwarze Felder mit stereotypen Elementen überwiegen (Szenografien). Als Rückgriff auf den 2. Stil weist der Phantasiestil architektonische Elemente auf. Elemente des 1. Stils sind Stuckreliefs. Typisch für diesen Stil sind auch filigrane Ornamentbänder, die einzelne Felder rahmen können.

Daneben gibt es auch sehr einfach gestaltete Wände, die an den 3. Stil erinnern und nur an bestimmten Ornamenten als zum 4. Stil gehörig zu erkennen sind. Diese Wände finden sich oftmals in weniger wichtigen Räumen. Eine weitere Innovation sind tapetenartige Muster. Ein bestimmtes Motiv wurde hier endlos auf einer Wand wiederholt. Beispiele sind die Domus Aurea in Rom, das Haus der Vettier in Pompeji oder das Macellum von Pompeji.

Die Wandmalerei der Zeit nach 79. n. Chr. ist verständlicherweise weit weniger bekannt als die aus den gut erhaltenen Städten Pompeji und Herculaneum. Trotzdem lassen sich auch hier diverse Stilstufen unterscheiden.

Aus dieser Periode (ca. 117 bis 140 n. Chr.) gibt es verschiedene Dekorationstypen. Bei aufwendigen Ausgestaltungen griff man in dieser Zeit auf den 2. Stil zurück (z. B. Rom, Villa der Numisia Procula, Villa Negroni). Es gibt dabei die Darstellung fester Architekturen, die teilweise ein großes Mittelbild aufweisen. Andere Wände der hadrianischen Zeit stehen noch in der Tradition des 4. Stils. Schließlich gibt es zahlreiche Wände (z. B. in der Hadriansvilla), deren Dekoration auf einfache Flächen reduziert worden ist. Geometrische Formen sind hier vorherrschend.

Typisch für diese Periode (ca. 140 bis 180 n. Chr.) sind Wände in der Tradition des 3. Stils mit vorgesetzten Säulen und eine besondere Vorliebe für gelbe Wände mit Durchblicken in rot (z. B. die Casa del Soffitto Dipinto) in Ostia. Daneben waren auch einfarbige Dekorationen sehr beliebt, deren Hauptdekoration oft aus Ädikulen besteht. Schließlich gibt es einfache Felderdekorationen ohne jegliche Architekturen. Im Allgemeinen ist ein Streben nach Harmonie in der Wandmalerei festzustellen, was vor allem im Gegensatz zu der folgenden Stilperiode steht. Die figürlichen Mittelbilder verlieren ab dieser Zeit immer mehr an Bedeutung und werden in der Folgezeit immer kleiner und verschwinden ganz.

Diese Stilperiode (ca. 180 bis 240 n. Chr.) stellt in vielem einen Bruch zu den vorhergehenden Stilen dar. Fast überall ist das Bemühen festzustellen, etwas Neues zu schaffen.

Es gibt weiterhin eine große Bandbreite von Wanddekorationen. Architekturwände geben sich meist als vereinfachte Versionen des 4. Stils, wobei die Architekturen relativ fest und weniger verspielt als im 4. Stil wirken. Vorspringende Säulen sind sehr beliebt, die jeweils als Doppelsäulen erscheinen. In den zwischen ihnen stehenden Feldern erscheinen schwebende oder stehende Figuren. Ab dieser Zeit wurden Alltagsfiguren immer häufiger in der Wandmalerei benutzt. Reihen von Dienerfiguren ersetzten mythologische Szenen. Die Darstellung des eigenen Wohlstandes schien wichtiger als die zur Schaustellung von griechischer Bildung.

Felderwände dieser Stilperiode fallen vor allem durch ihre Unregelmäßigkeit auf. Während frühere Felderdekorationen eher um Symmetrie bemüht waren, wurden jetzt oftmals ungleich große Felder aneinandergesetzt. Figuren in Feldern, die bisher immer innerhalb dieser standen, durchstoßen jetzt oftmals die Begrenzungslinien. Eine besondere Innovation dieser Stilperiode sind Wände im rot-grünen Liniensystem. Die Dekoration der Wand ist hier auf ein Netz aus Linien reduziert. Figuren sind spärlich und meist sehr impressionistisch gemalt. Diese Dekorationen sind vor allem aus den römischen Katakomben bekannt, sind aber nicht nur in ihnen bezeugt.

Es kamen in dieser Zeit noch vereinzelt Architekturwände vor, doch verloren sie viel von ihrer Plastizität. Oftmals handelte es sich nur um die Darstellung von Säulen, die die Wände gliederten. Felderdekorationen waren weiterhin relativ beliebt, wobei oftmals Marmordekorationen von Wänden nachgeahmt wurden. Dekorationen im rot-grünen Liniensystem kamen bis in das 4. Jahrhundert vor und fallen durch immer weniger Ornamente auf. Schließlich gab es Dekorationen, in denen kleine Muster endlos wiederholt wurden wodurch ein Effekt entstand, der unseren heutigen Tapeten ähnelt.

Aus dem Beginn der konstantinischen Zeit gibt es einige wenige Malereien, die durch ihre hohe Plastizität und Bemühungen um räumliche Tiefe auffallen. Sie haben einen klar klassizistischen Charakter, ohne dass es möglich wäre einen bestimmten Stil als Vorbild auszumachen. Typisch sind auch rötlich-braune Farbtöne. Das bekannteste Beispiel ist eine reich mit Eroten und Figuren bemalte Decke eines kaiserlichen Gebäudes in Trier. In nachkonstantinischer Zeit dominieren dagegen wieder stark impressionistische Malereien, die wieder stark an Raum verlieren.

Aus der Zeit nach dem Beginn des 5. nachchristlichen Jahrhunderts gibt es keine weiteren erhaltenen Beispiele für ausgemalte Wohnhäuser, obwohl diese literarisch bezeugt sind. In der Folgezeit verlagert sich die Wandmalerei auf die Ausschmückung von Kirchen etc.

Die Entwicklung der römischen Wandmalerei in den Provinzen ist schwerer zu verfolgen als in Italien, da es wenige sehr gut erhaltene Reste von Wandmalereien gibt und der Forschungsstand zu einzelnen Provinzen noch sehr unterschiedlich ist. Während die römischen Wandmalereien z. B. für Deutschland, die Schweiz oder Großbritannien sehr gut aufgearbeitet sind, fehlen übergreifende Untersuchungen für andere Provinzen (z. B. Nordafrika), obwohl mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass Wandmalereien überall den gleichen Stellenwert hatten.

Die Wandmalerei dieses Gebietes (Deutschland, Schweiz, Niederlande, Belgien, und Westfrankreich) ist gut aufgearbeitet. Zu einigen Städten (Köln, Xanten) und Regionen (Schweiz, nördliches Obergermanien) gibt es mittlerweile Monografien, in denen alle Funde von Wandmalereien behandelt worden sind. Die Materialbasis ist daher breit, auch wenn es vergleichsweise wenige wirklich gut erhaltene Wandmalereien gibt. Viele Rekonstruktionen von Dekorationen sind daher unsicher.

Die spärlichen ältesten Reste von Wandmalereien in diesem Gebiet gehören dem 3. Stil an und sind teilweise von hoher Qualität und italischen Vorbildern sehr verwandt. Anscheinend kamen mit den römischen Truppen auch Maler in die neu eroberten Gebiete und etablierten eigene Malwerkstätten. In der Folgezeit lösten sich diese Werkstätten aber von den Vorbildern in Italien. Die Wandmalereien in diesem Gebiet entwickelten ein eigenes Repertoire. Besonders beliebt waren in der Folgezeit Kandelaberwände, daneben sind Felderwände ebenso häufig anzutreffen, während Architekturen bei weitem nicht so häufig wie in Italien sind. Der 4. Stil ist daher zwar auch in diesen Provinzen vorhanden, aber oftmals nur an den typischen filigranen Ornamentbändern erkennbar (z. B. Augsburg, Thermen Windisch AG (Schweiz) Vidy (Schweiz)), Rübenach (Stadtteil von Koblenz), die nicht die Verbreitung wie in Italien fanden. In der hadrianischen und folgenden Zeit wurde der 4. Stil fortgesetzt, doch sind die Wände einfacher gestaltet. Es kommen nicht mehr so viele verspielte Ornamente vor. Felderdekorationen sind weiterhin vorherrschend, es gibt aber auch noch Kandelaberwände. Ganz selten sind Architekturen bezeugt. Am Ende des 2. Jahrhunderts und mit dem Beginn des 3. Jahrhunderts verschwanden dann die Kandelaberwände. Felderdekorationen waren nun vorherrschend, wobei es einerseits sehr farbenprächtige Beispiele gibt, andererseits aber auch eher einfach gestaltete Wände, deren Dekoration in roten Linien auf weißem Grund gemalt wurde (z. B. Villa in Schwangau, Ostallgäu). Im ganzen 2. Jahrhundert lassen sich auch Dekorationen in einem Tapetenstil nachweisen.

Durch die ständigen Einfälle von Germanen in diese Provinzen ab der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts verarmte dieses Gebiet. In die Folgezeit datieren nur wenige Beispiele von Wandmalereien.

In allen Perioden gibt es Belege für Gartenlandschaften. Ein Raum wurde vollkommen wie ein Garten ausgemalt. Meist ist dieser Garten von einer niedrigen Mauer umzäunt, über die man in ihn hineinschauen konnte. Der Garten ist meist reich mit Vögeln bevölkert. Es finden sich manchmal die Darstellungen von Brunnen und Statuen. Bei einigen pompejanischen Häusern gewinnt man den Eindruck, dass diese Gartenlandschaften einen sonst nicht im Haus vorhandenen Garten mit Statuenausstattung ersetzten. Die Gartenlandschaften sind seit dem 2. Stil belegt und sind nur an kleinen Details einem Stil zuweisbar. Die Malereien in der Casa dei Cubicoli floreali stammen z. B. aus der Zeit des 3. Stils und sind dementsprechend eher flach angelegt, während die Landschaften des 2. und 4. Stils sehr um räumliche Tiefe bemüht sind.

Das Zentralbild einer Wand bildete in der Regel ein mythologisches Bild, andere Motive als Zentralbild sind vergleichsweise selten. Das Bild ist meist hochrechteckig. Solche Bilder tauchen erst in der letzten Phase des 2. Stils auf und sind eher typisch für aufwendige Bemalungen, während einfachere oft auf solche Bilder verzichten. Die meisten dieser Bilder waren wohl Kopien griechischer Tafelbilder, die ihren Vorbildern jedoch eher locker folgten und je nach Geschmack verändert wurden, so dass es verschiedene Versionen eines einzigen Bildes geben kann, die sich wesentlich unterscheiden. Es kam immer wieder vor, dass weitere Figuren, wie kleine Eroten oder Zuschauer um die Hauptfiguren angeordnet werden.

Auch bei diesen mythologischen Bildern lassen sich je nach Stil bedeutende Entwicklungen feststellen. Im 2. Stil agieren die Figuren meist in einer deutlich wiedergegebenen Landschaft, während im 3. Stil diese oftmals nur angedeutet ist und die volle Aufmerksamkeit auf die Figuren gelegt wird. Die Darstellungen der Landschaft werden im 4. Stil wieder wichtiger. Gerade aus dieser Zeit gibt es auch sehr viele künstlerisch eher anspruchslose Bilder, was vielleicht einfach auf den Zufall der Erhaltung beruht. Mythologische Bilder sind bis in das 4. Jahrhundert belegt, verlieren aber schon in antoninischer Zeit an Bedeutung. Die Bilder werden innerhalb der Wand immer kleiner und nehmen nicht mehr die zentrale Position ein, die sie vorher hatten. In den Provinzen sind diese Bilder zwar auch belegt, scheinen aber doch seltener zu sein.

Neben den mythologischen Bildern nehmen Darstellungen des Alltags einen breiten Raum ein. Diese findet man eher selten in den Wandmalereien der Wohnräume, sondern oftmals in Geschäften oder Garküchen, wo sie als Werbeträger dienten. Diese Alltagsdarstellungen sind stilistisch oftmals eher unbeholfen und unterscheiden sich daher deutlich von den mythologischen Szenen. Erotische Darstellungen in Bordellen gehören wohl sicherlich in einen ähnlichen Kontext. Auch diese sind stilistisch oftmals eher einfach gehalten.

Ab dem 4. Stil sind schwebende Figuren sehr beliebt, die in den Felder neben den Hauptbildern gemalt wurden. Meist handelt es sich auch hier um Figuren aus der Mythologie. An deren Stelle konnten auch kleine Landschaftsbilder treten, die manchmal auch das Hauptbild einer Wand darstellten. Diese Landschaften, unter denen die Darstellungen von Villen sehr beliebt waren, sind oftmals sehr skizzenhaft, impressionistisch gemalt, haben dadurch aber einen besonderen Reiz. Sie konnten sogar, vor allem in Garten eines Hauses, eine ganze Wand einnehmen. Neben diesen Bildern sind Stillleben sehr beliebt. In Thermen findet man oft die Darstellung von Wasser mit den darin schwimmenden Fischen und manche Speisesäle stellen auch bildlich einen Bezug zu Banketten her.

Der König bewohnt das Schloß den Sommer hindurch und hat seine Zimmer im neuen, der Kronprinz, die Kronprinzessin und die anderen Prinzen und Prinzessinnen, im alten Schlosse. Das Innere des Schlosses zeigt der Kastellan, der im westlichen Flügel wohnt

Unter Friedrich Wilhelm IV. wurden Räume im ersten Stockwerk des Alten Schlosses (Mittelbau) im gravitätischen Stil des späten Klassizismus sowie Neorokoko für ihn und seine Gemahlin Elisabeth als Wohnung neu eingerichtet. Nach dem Tode Friedrich Wilhelms IV. 1861 nutzte Königin Elisabeth das Schloss als Witwensitz.

Im sogenannten „Dreikaiserjahr“ 1888 bezog Friedrich III., der todkranke „99-Tage-Kaiser“ das Schloss, bevor er ins Neue Palais nach Potsdam übersiedelte, wo er wenige Tage später starb. Charlottenburg diente von da an nicht länger als Residenz, sondern konnte besichtigt werden.

Ab 1902 wurde das ehemalige Schlosstheater im Langhansbau zu einem Möbelspeicher umgebaut. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurden einige Räume im östlichen Teil des Eosanderbaus als Lazarett genutzt. Kurz nach dem Krieg war ein Lazarett für Kriegsversehrte im Neuen Flügel und in hölzernen Baracken, die wohl im angrenzenden Schlosspark standen, untergebracht.

Im Jahr 1926 wurde die Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten gegründet und ein Vertrag über die weitere Nutzung geschlossen.

Bei Bombenangriffen in der Nacht zum 23. November 1943 wurde das Schloss schwer beschädigt. Nach 1945 setzte sich die Direktorin der West-Berliner Schlösserverwaltung, Margarete Kühn, für den Wiederaufbau ein. Die Rekonstruktion fand 1957 mit der Wiederherstellung der Kuppel ihren Abschluss. Seit 1952 hat das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten von Andreas Schlüter (1696) seinen Platz im Ehrenhof.

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen im ehemaligen Theatergebäude (Langhans-Bau) wurde um 1960 eingerichtet. 2003 wurde nach einer grundlegenden Sanierung das Museum wiedereröffnet. Am 26. April 2009 wurde die Sammlung im Schlosstheater geschlossen und im Neuen Museum in Mitte untergebracht, während die Werkstätten zunächst im Schloss bleiben. In Zukunft soll dort wahrscheinlich das Hohenzollernmuseum untergebracht werden, das sich im zerstörten Schloss Monbijou in Berlin-Mitte gegenüber dem heutigen Bode-Museum befand. In der Kleinen Orangerie befindet sich derzeit ein Restaurant, außerdem wird das Glashaus des Baus im Sommer für Kunstausstellungen und Konzerte genutzt.

Auch die im Krieg zerstörte Große Orangerie wurde nach dem barocken Vorbild wieder aufgebaut. Der lichtdurchflutete Festsaal bietet einen ansprechenden Rahmen für kulturelle Veranstaltungen, Konzerte und Bankette. Separat zu besichtigen sind die KPM-Porzellansammlung des Landes Berlin im Belvedere, der Neue Pavillon und das Mausoleum.

Von 2004 bis Anfang 2006 wurde das Schloss Charlottenburg vorübergehend vom Bundespräsidenten genutzt, solange sein Amtssitz, das Schloss Bellevue, renoviert wurde. Heute ist das Schloss als Museum zu besichtigen. Zu sehen sind hier unter anderem die Wohnung Friedrichs des Großen, Kroninsignien von Friedrich I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte, das Porzellankabinett, die Goldene Galerie, zahlreiche Gemälde und eine bedeutende Sammlung französischer Malerei des 18. Jahrhunderts, hierunter Watteaus Einschiffung nach Kythera.

Die Hofmaler Augustin und Matthäus Terwesten und Antoine Pesne statteten mehrere Räume des neuen Bauwerks mit mythologisch-allegorischen Deckengemälden aus.

Die Brüder Augustin (1649-1711  in Berlin) und Matthäus (1670-1757 in Den Haag) Terwesten waren niederländische Barockmaler, die besonders für mythologische und allegorische Deckengemälde gefragt waren. Beide, vor allem aber Augustin Terwesten, lebten und arbeiteten zeitweilig in Berlin. Als preußische Hofmaler waren sie an der Ausgestaltung der Innenräume verschiedener Berliner Schlösser beteiligt. Im Zweiten Weltkrieg und in den darauf folgenden Jahren gingen diese Gemälde fast ausnahmslos verloren.

Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts wird als Goldenes Zeitalter der Niederlande bezeichnet. Die sieben protestantischen Nordprovinzen hatten sich 1581 von Spanien losgesagt und eine bürgerliche Ständerepublik gegründet. Maler wie Rembrandt, Vermeer, Ruisdael und Frans Hals schufen Genrebilder, Porträts und Landschaften, in denen mit Bezügen zum bürgerlichen Alltag die Wertvorstellungen der jungen Republik zum Ausdruck gebracht wurden. Dieses Konzept wurde als patriotische Norm einer großen Zeit verstanden, abweichende oder spätere Kunstäußerungen schätzte man kaum. Maler des späten 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts wie Augustin und Matthäus Terwesten wurden schon bald der Verfallskunst zugerechnet, in der die ursprünglichen, holländischen Werte zugunsten eines internationalen Stils verloren gingen.

Diese Sichtweise beeinflusste die Kunstgeschichte bis weit ins 20. Jahrhundert und sorgte dafür, dass holländische Maler jenseits des Goldenen Zeitalters entweder nicht beachtet oder nicht angemessen gewürdigt wurden. Nicht zuletzt wegen dieser Einschätzung blieben auch in Holland nur wenige Arbeiten der Brüder erhalten.

Beide Eltern der Brüder Terwesten waren deutscher Herkunft. Der Vater, Hans Jacob Terwesten oder Zurwesten, wurde in Augsburg geboren und arbeitete zunächst dort als Goldschmied. Die Mutter Catharina stammte aus Berlin. Beide heirateten 1648 in Den Haag. Aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor, drei Söhne und zwei Töchter blieben am Leben. Augustin Terwesten war der älteste Sohn. In der Werkstatt des Vaters erlernte er die Gravur- und Goldschmiedekunst sowie das Modellieren in Wachs. Es folgten zwei Lehrjahre bei dem Historienmaler Nicolaes Wieling (1640–1678), der 1667 Hofmaler des Großen Kurfürsten in Berlin wurde.

Der nächste Lehrmeister war Willem Doudijns (1630–1697), ein Spezialist für Deckengemälde und große Historienbilder, er hatte zwölf Jahre in Rom gelebt und war von den italienischen Meistern beeinflusst. 1672 brach Augustin zu einem längeren Auslandsaufenthalt auf. In Rom schulte er sich an den antiken Skulpturen und an den Arbeiten von Raffael und wurde Mitglied der Bentvueghels, einer Gruppe von niederländischen Künstlern in Rom. Über Venedig, Frankreich und England kehrte er 1678 zurück nach Den Haag. Während der ganzen Reise entstanden zahlreiche Zeichnungen, aber auch Wanddekorationen und Deckengemälde. In Paris lernte er die 1646 gegründete „Académie royale de peinture et de sculpture“ (Königliche Akademie für Malerei und Bildhauerei) kennen, eine Erfahrung, die bei der Gründung der Kunstakademien in Den Haag und Berlin hilfreich war. Zum Gesamtwerk von Augustin Terwesten gehörten Hunderte Zeichnungen von anatomisch schwierigen Posen, die als Studienblätter bei der Ausbildung von Studenten Verwendung fanden.

Nach seiner Rückkehr malte er in den 1680er Jahren in Den Haag und anderen niederländischen Städten zahlreiche Wand- und Deckenbilder, die zum größten Teil verloren sind. Als sie aus der Mode kamen, wurden sie vielfach entfernt oder anderswo angebracht, der Urheber geriet dabei in Vergessenheit. Mehrere Bilder, die einst Augustin zugeschrieben wurden, gelten heute als Arbeiten seines Bruders Matthäus. Augustin Terwesten war neben seinem Lehrer Doudijns wesentlicher Initiator der Zeichenakademie in Den Haag. Fünf Mitglieder einer Bruderschaft von Malern, der Confrerie Pictura, gründeten 1682 die Haagsche Teekenacademie. Terwesten gehörte zum Führungsgremium, den Regenten, und war mehrmals Direktor der Institution; zu dessen Aufgaben gehörte es, dem jeweiligen Modell, das gezeichnet werden sollte, die Pose vorzugeben. Acht Jahre nach ihrer Gründung verließ Terwesten die Akademie, um nach Berlin zu gehen.

Durch seine Bilder und als Mitbegründer der Haager Akademie war Augustin Terwesten überregional bekannt geworden. 1690 erhielt er einen Ruf nach Berlin und siedelte sich mit Mutter und Schwestern dort an; sein Vater war 1680 gestorben. Am 12. April 1692 wurde er formell als Hofmaler des Kurfürsten Friedrich III., des späteren Königs Friedrich I. in Preußen angestellt.

Der Umbau des Berliner Stadtschlosses war noch nicht beendet, mit dem Bau des Schlosses Charlottenburg (damals noch Lietzenburg) wurde erst 1695 begonnen – das geplante Programm repräsentativer Wand- und Deckengemälde konnte noch nicht in Angriff genommen werden. So ließ der Kurfürst seinen Hofmaler anweisen, interessierten jungen Künstlern Unterricht im Malen und Zeichnen zu erteilen; dafür erhielt er Kost- und Lehrgeld. An der Gründung der Berliner Akademie der Künste im Jahre 1696 war Augustin Terwesten maßgeblich beteiligt. Nach dem Willen des Landesherrn sollte sie eine „Hohe Kunst Schul oder Kunst Universität, gleich denen wohlgeordneten Academien zu Rom und zu Paris“ werden. In sechs Federzeichnungen skizzierte Augustin um 1694 seine Ideen für die Räume der Akademie, für ihre Ausstattung und die verschiedenen Stadien der Ausbildung. Nach Genehmigung durch den Kurfürsten wurden diese Vorschläge realisiert. Terwesten war einer der Lehrer der Akademie, die er später für fünf jeweils einjährige Wahlperioden auch leitete.

Das erste nachweisbare und zugleich das einzige in Berlin erhaltene Deckengemälde Augustin Terwestens ist die „Allegorie auf die Einführung des Porzellans in Europa“ im ehemaligen Porzellankabinett des Schlosses Oranienburg, datiert von 1697. Schon der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine Frau hatten eine umfangreiche Sammlung von chinesischem und japanischem Porzellan erworben und in einem speziellen Raum, der Porzellankammer, zur Schau gestellt. Ihr Sohn, Kurfürst Friedrich III., ließ in einem Erweiterungsbau des Schlosses ein prächtiges neues Kabinett dafür einrichten. Die Decke war reich mit vergoldeten Stuckornamenten verziert, darin eingelassen war das runde Gemälde von Augustin Terwesten, zwei Halbkreisformate in Öl auf Leinwand gemalt. Diese Anordnung entsprach der Tradition des 17. Jahrhunderts, als man Deckengemälde wie Tafelbilder in die dekorative Gesamtgestaltung der Decken einfügte. Nach 1700 wurde es üblich, dass ein Deckengemälde als „barocker Himmel“ den ganzen Raum überspannte; im Berliner Stadtschloss arbeitete auch Augustin Terwesten auf diese Weise.

Zwischen 1695 und 1699 wurde der Mitteltrakt des Schlosses Lietzenburg erbaut, als Sommerresidenz der Kurfürstin Sophie Charlotte – nach ihrem Tod wurde das Schloss nach ihr benannt. Die Brüder Terwesten statteten das neue Gebäude mit Deckengemälden in vier Wohnräumen und einem Treppenaufgang aus. Ihre Bilder waren die ersten, die im Schloss entstanden. Thematisch orientierten sich die Maler an Motiven der antiken Mythologie. Das Schema der Decken war, mit Ausnahme des Treppenhauses, gleichartig: ein farbiges Mittelfeld in Stuckornamentik eingepasst, umgeben von vier oder acht separaten Bildfeldern in Grisaillemalerei.

Verbürgt ist, dass die Brüder in Charlottenburg zusammenarbeiteten; ihr Anteil an einzelnen Bildern lässt sich nicht eindeutig feststellen. Sicher ist auch, dass Augustin Terwesten den Hauptteil der Arbeit leistete. Für die zuweilen geäußerte These, Augustin hätte die Mittelbilder gemalt, sein jüngerer Bruder und ehemaliger Schüler Matthäus die eher untergeordneten seitlichen Bildfelder, gibt es keinen schlüssigen Beweis. Im Zweiten Weltkrieg wurden zwischen 1943 und 1945 mit weiten Gebäudeteilen des Schlosses auch die Bilder der Brüder Terwesten zerstört.

Der Architekt und Bildhauer Andreas Schlüter leitete um 1700 den Umbau des Berliner Stadtschlosses zum barocken Königsschloss. Schon 1699, im Stadium des Rohbaues, legte er für die Deckenmalereien sowohl die Inhalte als auch die Grundzüge der Entwürfe fest; der König akzeptierte das Programm. Die vorgesehenen Maler, alle Mitglieder der Kunstakademie, erhoben Einwände gegen die genauen Vorgaben, konnten sich aber nicht durchsetzen. Augustin Terwesten gehörte zu den wichtigsten Deckenmalern im Schloss, sein Bruder Matthäus war offenbar nicht beteiligt. Anders als im Sommerschloss Lietzenburg/Charlottenburg hatten die Allegorien hier in der Residenz der Hohenzollern nicht nur mythologische, sondern zum Teil auch politische Inhalte, etwa in Terwestens „Verherrlichung des preußischen Wappens“ und ähnlichen Darstellungen in den Repräsentationsräumen des Königs. Eher unpolitisch waren seine Deckengemälde in einer ganzen Reihe weiterer Räume.

Das letzte von Augustin Terwesten signierte und 1704 datierte Bild befand sich in einem Raum, der rund zweihundert Jahre später Kaiser Wilhelm II. als Arbeitszimmer diente. Die Deckengemälde Augustins im Berliner Stadtschloss existieren nicht mehr. Das Schloss war im Zweiten Weltkrieg, von Bomben getroffen worden und ausgebrannt. Die stabile und teilweise gut erhaltene Ruine wurde 1950 auf Beschluss der Behörden der DDR gesprengt und beseitigt.

Auch Ezaias, der mittlere Sohn der Familie, arbeitete vorübergehend in der Werkstatt des Vaters, später ließ er sich als Blumen- und Früchtemaler in Rom nieder. Der jüngste Sohn, Matthäus Terwesten, wurde am 23. Februar 1670 in Den Haag geboren, war also 21 Jahre jünger als sein Bruder Augustin, bei dem er anfangs in die Lehre ging. Als Augustin 1690 nach Berlin übersiedelte, brachte Matthäus mehrere von dessen unfertig zurückgelassenen Arbeiten zu Ende.

Schnell erhielt er auch eigene Aufträge, beschloss aber dennoch 1695 eine Reise nach Rom, um sich dort künstlerisch weiterzubilden. Während eines Zwischenaufenthalts bei seinen Familienangehörigen in Berlin zeichnete er an der Kunstakademie und erhielt darüber auch eine Urkunde. Im Frühjahr 1696 reiste er über Augsburg – wo er vergeblich nach Verwandten seines Vaters suchte –, Florenz und Siena nach Rom. 1697 entstand dort ein umfangreiches Album mit Zeichnungen nach antiken Vorbildern. Für 1698/99 ist wiederum ein Aufenthalt in Berlin belegt – wegen einer Krankheit seiner Mutter war Matthäus dorthin zurückgekehrt. Im Juni 1699 war er wieder in Den Haag, von wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erhielt er lohnende Aufträge. Nach nochmaligem kurzen Aufenthalt in Berlin im April 1710, wo er zum Hofmaler und Professor an der Akademie ernannt wurde, kehrte er zurück, um noch im selben Jahr in Den Haag zu heiraten. Mit seiner Frau Theodora hatte er fünf Kinder, zwei von ihnen, Augustin d. J. und Pieter wurden ebenfalls Maler.

Ein besonderer Aspekt war die Zusammenarbeit von Matthäus Terwesten mit ortsansässigen Blumenmalern. Dabei entstanden Deckengemälde, oft aber auch kleine Arbeiten wie Supraporten oder Kaminbilder. Wenn einer der Blumenmaler ohne Auftrag war, malte Terwesten ihm zu Gefallen gelegentlich ein einfaches Hintergrundmotiv – eine Vase mit Draperie oder spielende Putti –, der Spezialist fügte die Blumen hinzu und ließ das fertige Bild zum Kauf anbieten. Signiert wurde eine solche Arbeit, wenn überhaupt, von dem Blumenmaler. Matthäus Terwesten war während seines ganzen Berufslebens in der Zeichenakademie von Den Haag aktiv. Er arbeitete bis ins hohe Alter. Noch 1751, mit 81 Jahren, bekam er den Auftrag für die Ausgestaltung eines Gerichtssaales und führte ihn auch aus. Nach zwei Schlaganfällen starb er am 11. Juni 1757 in Den Haag.

In der Motivwahl und der allgemeinen Durchführung unterschieden sich die Arbeiten der Brüder Terwesten nicht grundlegend. Es gab aber dennoch Unterschiede. Die Bilder von Matthäus waren weniger dramatisch, hatten einen stärker dekorativen Charakter. Auch war seine Farbgebung etwas heller. In der Anwendung der Raumperspektive zeigte er einige Schwächen – die Verhältnisse der Figuren in Vorder- und Hintergrund waren nicht immer stimmig; in diesem Punkt war er seinem Bruder Augustin unterlegen.

Der Glaubensflüchtling Antoine Pesne (1683-1757)[1], der aus einer angesehenen Pariser Malerfamilie stammte, wurde im Jahre 1711 in Berlin königlicher Hofmaler.[2]

Der preußische König Friedrich I. berief den jungen Franzosen 1710 als Hofmaler nach Berlin. Noch in Rom vermählte sich Pesne mit Ursule-Anne Dubuisson, einer Tochter des Blumenmalers Jean Baptiste Gayot Dubuisson, und übersiedelte dann mit seiner Frau und deren Familie nach Berlin, wo er als Nachfolger des am 6. Mai 1711 verstorbenen Niederländers Augustin Terwesten offiziell zum Hofmaler ernannt wurde. Dieses Amt behielt er auch nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. (1713), allerdings reduzierte der sparsame Soldatenkönig Pesnes Gehalt um die Hälfte.

1715 reiste der Maler zu Studienzwecken nach Dessau und 1718 erstmals nach Dresden, wo er als Bewerbungsstück für seine Aufnahme in die Pariser Académie Royale – die 1720 erfolgte – das berühmte (oben gezeigte) Selbstbildnis mit seinen Töchtern malte. Mit diesem Familienbildnis, mit der Darstellung einer intimen Situation, die typisch wurde für den Stil des Rokoko, löste sich Pesne von den Traditionen des Barock. 1722 wurde er zum Direktor der Berliner Kunstakademie ernannt und besuchte in dieser Eigenschaft in den Jahren 1723 und 1724 Paris und London.

Von 1736 bis 1740 lebte Antoine Pesne am Rheinsberger Hof des kulturell frankophilen Kronprinzen Friedrich, der ein begeisterter Sammler von Bildern des französischen Malers Antoine Watteau (1683–1721) war.[3] Er protegierte den Franzosen Pesne in der Hoffnung, dass dieser ihm Bilder im Stil Watteaus malen würde. Bei Friedrichs Tafelrunden war Pesne ein gern gesehener Gast. Er malte in Rheinsberg zahlreiche Porträts und schuf zwischen 1738 und 1740 einige Deckenfresken zu allegorisch-mythologischen Themen. Hier begann auch seine produktive Freundschaft mit dem Architekten von Knobelsdorff, mit dem er in den 1740er Jahren bei der Ausgestaltung der Schlösser Rheinsberg, Charlottenburg, Sanssouci und des Potsdamer Stadtschlosses zusammenarbeitete.

1746 erhielt Antoine Pesne von Friedrich II. das Grundstück Oberwallstraße 3 in Berlin zum Geschenk, einschließlich der Materialien zum Bau eines Hauses; dort wohnte der Maler bis an sein Lebensende. Im Auftrag des Grafen Gustav Adolf von Gotter wirkte er um 1747 noch an der Ausgestaltung des Schlosses Molsdorf mit, danach war sein künstlerisches Schaffen beendet.

Pesne, der als Hofmaler drei preußischen Königen gedient hatte, starb am 5. August 1757 und wurde am folgenden Tag in der Gruft des Deutschen Domes auf dem Gendarmenmarkt in Berlin an der Seite Knobelsdorffs beigesetzt. Wegen Umbauarbeiten im Dom wurden die Gebeine Pesnes und Knobelsdorffs 1881 auf den Friedhof I der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde am Halleschen Tor in Kreuzberg umgebettet.

Der Maler Antoine Pesne zählt neben dem Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und dem Ornamentiker Johann August Nahl zu den wichtigsten Künstlern des friderizianischen Rokoko. Außerdem wird er neben Antoine Watteau, Nicolas Lancret (1690–1743) und Francois Boucher (1703–1770) als einer der bedeutendsten Maler des französischen Rokoko gewertet.[4]

Pesne erlangte anhaltende Anerkennung einerseits durch seine vielfachen Portraits der königlich preußischen Familie und der Angehörigen ihres Hofstaates - er begleitete als Bildchronist drei Preußenkönige - andererseits aber auch durch seine Bilder von Tänzerinnen, Schauspielerinnen oder „einfachen Mädchen“ aus dem Volk. In Berliner Museen und im Schloss Charlottenburg sind viele seiner Gemälde ausgestellt, u. a. mehrere Porträts des „Alten Fritz“, seines Bruders Heinrich und des „Alten Dessauers“.[5] Seine Fresken, seine Wand- und Deckenbilder, die er für die Schlösser Rheinsberg, Charlottenburg, Sanssouci oder das Potsdamer Stadtschloss schuf, gehören, soweit sie noch erhalten sind, zum bleibenden Kulturerbe Preußens.

Für Schloss Charlottenburg war ursprünglich auch das Bernsteinzimmer bestimmt – eine komplette Wandvertäfelung aus Bernstein, die später auch als „das achte Weltwunder“ bezeichnet werden sollte. Entworfen wurde es von dem Architekten und Bildhauer Andreas Schlüter. Als Raum wird die Rote Damastkammer angenommen. 1712 wurde die Arbeit noch erwähnt, ist jedoch für Charlottenburg nicht mehr vollendet worden. Teile der Bernsteinvertäfelung sollen im Berliner Stadtschloss in ein an den Weißen Saal angrenzendes Kabinett eingebaut werden.

Das Bernsteinzimmer, ein im Auftrag des ersten Preußenkönigs Friedrich I. an Andreas Schlüter gefertigter Raum mit Wandverkleidungen und Möbeln aus Bernsteinelementen, wurde ursprünglich im Berliner Stadtschloss eingebaut. 1716 wurde es vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. an den russischen Zaren Peter den Großen verschenkt. Fast zwei Jahrhunderte lang befand es sich im Katharinenpalast in Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg. Ab 1942 war es im Königsberger Schloss ausgestellt, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist es verschollen.Im Katharinenpalast befindet sich seit 2003 eine originalgetreue Nachbildung des Bernsteinzimmers.

Das Bernsteinzimmer war ursprünglich für das Charlottenburger Schloss bestimmt. Entworfen wurde es von dem Architekten und Bildhauer Andreas Schlüter. Es handelte sich um eine komplette Wandvertäfelung aus Bernstein, die später auch als das „achte Weltwunder“ bezeichnet wurde. Der dänische Bernsteindreher Gottfried Wolffram befand sich aufgrund einer Empfehlung Friedrichs IV. von Dänemark wohl seit 1701 in Diensten Friedrichs I. in Königsberg. Im Jahr 1706 wurde die Ausführung den Danziger Bernsteinmeistern Ernst Schacht und Gottfried Turau übertragen, da Wolfframs Preise als zu hoch empfunden wurden. 1712 wird die Arbeit noch erwähnt, ist dann aber erst nach dem Tode Friedrichs I. teilweise in ein Kabinett am Weißen Saal des Berliner Stadtschlosses eingebaut worden.

Der russische Zar Peter der Große bewunderte das Zimmer bei seinem Besuch in der preußischen Residenz des „Soldatenkönigs“, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger für derlei Kunst am Bau wenig übrig hatte, dafür aber „Lange Kerls“ für seine Leibgarde suchte. So kam es mit Zar Peter zum Austausch von Geschenken zur Besiegelung einer Allianz gegen Schweden, und das Zimmer wurde gegen Soldaten mit Gardemaß getauscht. Das wertvolle Geschenk an den russischen Monarchen verursachte bereits damals Schlagzeilen in deutschen Zeitschriften, so z. B. im Journal Remarquable Curiosa. Peters Tochter, Zarin Elisabeth, ließ das Zimmer erweitern und in Sankt Petersburg zunächst im Winterpalast installieren, später im Katharinenpalast in Zarskoje Selo. Der im Dienste des russischen Hofes stehende italienische Architekt Bartolomeo Francesco Rastrelli brachte das Zimmer durch Einfügung von Spiegelpilastern und vergoldeten Schnitzereien zu seiner endgültigen Größe.

Im September 1941 wurde der Katharinenpalast von der Wehrmacht als Wohnunterkunft beschlagnahmt. Der sowjetischen Verwaltung war es nicht gelungen, die Wandtafeln abzutransportieren, sie wurden durch Pappe notdürftig gegen Splitter gesichert. Ab 14. Oktober 1941 wurde das Bernsteinzimmer im Auftrag des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg unter Aufsicht des Rittmeisters Ernstotto zu Solms-Laubach und des Hauptmanns Georg Poensgen innerhalb von 36 Stunden demontiert, in 28 Kisten verpackt und nach Königsberg abtransportiert, wo sich die Prussia-Sammlung befand. Am 13. November 1941 berichtete die Königsberger Allgemeine Zeitung ausführlich über eine Ausstellung von Teilen des Bernsteinzimmers im Königsberger Schloss. Ebenso erschien ein Artikel in der Zeitschrift Pantheon, dessen Fotomaterial offenbarte, dass ein florentinisches Mosaik fehlte. Nach einem Brand in einem Ausstellungsraum des Königsberger Schlosses 1944 wurde die Wandverkleidung demontiert und wahrscheinlich im Keller des Königsschlosses in Kisten eingelagert. Durch zwei britische Luftangriffe auf Königsberg Ende August 1944 wurden wahrscheinlich nur die sechs Sockelverkleidungen beschädigt.

Seit 1945 ist das Bernsteinzimmer verschollen. Über seinen Verbleib gibt es eine kaum noch überschaubare Fülle an Behauptungen, Vermutungen und Spekulationen. In der einschlägigen Literatur werden allein mehrere hundert Orte benannt, wo es verborgen sein soll. Zahlreiche in- und ausländische Forscher haben bisher vergeblich nach dem Bernsteinzimmer gesucht. Fest steht lediglich, dass das Bernsteinzimmer letztmals in Königsberg gesehen worden ist. Unklar ist allerdings, wann. Nach Erkenntnissen der beiden britischen Forscher Adrian Levy und Catherine Scott-Clark soll das Bernsteinzimmer 1945 dort verbrannt sein, und zwar nachdem die Sowjetarmee die Stadt und das Schloss erobert hatte (also nicht schon vorher bei der Bombardierung der Stadt durch die Engländer am 30. August 1944). Das gehe aus bislang unbeachteten Archivdokumenten aus dem Nachlass des sowjetischen Bernsteinzimmer-Beauftragten Anatoli Kutschumow hervor, wird aber von Sachverständigen bezweifelt oder gilt nach heutigem Wissensstand als widerlegt.

Das Schloss von Königsberg, in dem sich das Bernsteinzimmer befand, wurde 1945 stark beschädigt und die Ruine 1968 auf Befehl von Leonid Breschnew abgerissen, um dort das Haus der Sowjets zu errichten. Aufgrund von Statikproblemen wurde dieses Hochhaus nicht fertiggestellt; bisher konnte man sich weder zu einer Fertigstellung noch zu einem Abriss entschließen.

Der Schlossunterbau mit den Kellergewölben, in welchen das Bernsteinzimmer nachweislich eingelagert war, soll zum Teil noch existieren. Der riesige Gebäudekomplex verfügte nach erhaltenen Plänen über tief gelegene Kellerräume, die bis heute noch nicht freigelegt worden sind. Der Verbleib des Bernsteinzimmers in Königsberg wird daher durchaus für denkbar gehalten. Andererseits wird spekuliert, dass russische Stellen Hinweise verbergen wollen, wonach die Sowjetmacht den Verlust des Bernsteinzimmers nicht verhindern konnte.

Das Königsberger Schloss war, so wird von russischen Suchern vermutet, mit dem Dom durch einen unterirdischen Gang verbunden. In seinen Nischen könnten wertvolle Gegenstände gelagert sein. Vermutet wird auch, dass die Zugänge gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gesprengt wurden. Auf der Suche nach dem Bernsteinzimmer wollte der russische Katastrophenschutz deshalb 2009 erstmals im neuen Pregel graben (Königsberger Express, März 2009). Gefunden wurde bisher nichts.

Im Zusammenhang mit dem spektakulären Schwabinger Kunstfund behauptete ein Vetter des Sohnes von Hildebrand Gurlitt im November 2013, dieser wisse, wo sich das Bernsteinzimmer befinde.

In der Zeit des Zweiten Weltkrieges ist es unter ungeklärten Umständen zu Diebstählen von einzelnen Ausstattungsstücken des Bernsteinzimmers gekommen. Darauf lässt die Tatsache schließen, dass eine Kommode und ein Steinmosaik (das bereits vor der Ankunft in Königsberg gestohlen wurde) 1997 in Deutschland aufgefunden wurden. Das Mosaik tauchte 1996 in Norddeutschland auf und wurde auf dem „grauen Kunstmarkt“ für 2,5 Millionen US-Dollar angeboten. Bevor es jedoch zu einem Verkauf kam, wurde das Objekt von der Polizei in Bremen beschlagnahmt. Einige Zeit nach diesem spektakulären Fund meldete sich aufgrund von Presseberichten die Besitzerin der Kommode in Berlin. Diese vermutlich letzten beiden noch erhaltenen Originalteile des Bernsteinzimmers wurden von der Bundesregierung an Russland zurückgegeben.

Im Katharinenpalast wurde ab 1976 an der Rekonstruktion des Bernsteinzimmers gearbeitet, die sich hauptsächlich auf Schwarz-Weiß-Fotos des Originals sowie auf das einzige vorhandene Farbfoto stützte. Nach einer Unterbrechung auf Grund von Finanzierungsproblemen konnten die Arbeiten durch eine Spende der deutschen Ruhrgas AG von 3,5 Millionen Dollar abgeschlossen werden. Im Rahmen des 300-jährigen Stadtjubiläums von Sankt Petersburg wurde das rekonstruierte Bernsteinzimmer am 31. Mai 2003 in einem feierlichen Akt durch Bundeskanzler Gerhard Schröder und den russischen Präsidenten Wladimir Putin der Öffentlichkeit übergeben. Heute kann das Bernsteinzimmer im Katharinenpalast besichtigt werden.

Im Jahr 2007 sind nach elfjährigen Restaurierungsarbeiten wieder alle 20 Attika-Skulpturen auf den Balustraden des Daches zurückgekehrt, nachdem die Erneuerung der Gußnähte und der Farbschicht abgeschlossen wurde. Bereits seit 1970 wurden die 2,5 Meter hohen Plastiken als „moderne“ Neuschöpfungen aufgestellt, die dem Barock nachempfunden sind. 1996 wurden sie zunächst in der Gartenanlage neben der Kleinen Orangerie platziert, nachdem eine Absturzgefahr festgestellt wurde.

Eine kleinere Nachbildung des Mittelbaues mit Turm diente auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis als Deutsches Haus mit Restaurant und Ausstellungsräumen. Zusammen mit den gegenüberliegenden Einrichtungen, dem Museum Berggruen, dem Bröhan-Museum und der Sammlung Scharf-Gerstenberg, bildet das Schloss Charlottenburg einen wichtigen Museumsstandort. Zwischen den Museen steht am Nordende der Schloßstraße – in der Sichtachse zum Schloss – das Prinz-Albrecht-von-Preußen-Denkmal aus dem Jahr 1901.

In der Kapelle des Schlosses (Eosander-Kapelle) befand sich einst eine Orgel des Orgelbauers Arp Schnitger (Hamburg). Das Instrument wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichtet und ungefähr im Jahre 1706 eingeweiht. Die Orgel stand auf einer Empore in dem Seitenschiff. Das Schleifladen-Instrument hatte 26 Register auf Rückpositiv Bis Ende des 19. Jahrhunderts blieb die Orgel weitgehend unverändert erhalten. 1888 wurde die Disposition durch die Gebrüder Dinse (Berlin) geringfügig verändert. 1943 wurde die Orgel abgebaut, und in den Kellergewölben des Berliner Schlosses eingelagert, wo sie 1944 beim Brand des Schlosses vernichtet wurde. Nach dem Wiederaufbau des Charlottenburger Schlosses wurde die Orgel in den Jahren 1969–1970 durch die Orgelbaufirma Karl Schuke (Berlin) rekonstruiert.

Der 55 Hektar große Schlossgarten Charlottenburg wurde ab 1697 von Siméon Godeau als französischer Barockgarten angelegt. 1696 engagierte die Kurfürstin Sophie Charlotte den französischen Gärtner Siméon Godeau zur Neuanlage eines Gartens des Schlosses Lietzenburg und tat damit einen entscheidenden Schritt weg vom holländischen Einfluss, der die damalige Gartengestaltung noch prägte. Godeau stammte aus dem Umfeld Le Nôtres, dem Gestalter des Versailler Gartens, und entwarf einen modernen Barockgarten nach dessen Schema.

Der Barockgarten spiegelt die Stellung der absolutistischen Herrscher dieser Zeit wieder. Mensch und Natur sei ihnen Untertan. Er ist ein ganz und gar künstliches, durch den Menschen geschaffenes Gebilde. Bei der Planung wurde höchster Wert auf Regelmäßigkeit und Symmetrie gelegt.

Als großer Liebhaber der Schifffahrt legte Friedrich I. viel Wert auf die Entfaltung höfischen Prunks mit Lustschiffen auf Havel und Spree. Deshalb sollte sein neues Sommerschloss direkt am Wasser liegen. Als Verkehrsweg bot es große Vorteile gegenüber der Landstraße, wo man im Sand stecken blieb und Achsenbrüchen unterlag. Zudem bot das Wasser ein wichtiges gestalterisches Element des Barockgartens, die künstlich gefasste Wasserfläche, die das Licht des Himmels, die unendliche Weite des Raumes zu Füssen des Spiegelbildes des Schlosses einfing.

Vor der Gartenfassade des Schlosses entstand das Parterre. Die terrassenartigen Flächen in nächster Nähe des Schlosses waren am prächtigsten dekoriert und für die Draufsicht aus der Beletage geschaffen. Ornamentale Rasenflächen, Blumenrabatten, beschnittene Buchsbäumchen und Wasserspiele bildeten barocke Formenelemente und Figuren. Die Flächen wurden mit buntem Kies bestreut und ahmten feine Stickereien nach, diese so genannten Broderieparterres waren der künstlerische Höhepunkt eines Barockgartens.

Das besondere des Parterres von Lietzenburg war, dass seine nördlichen Teile eine spiegelbildliche Wiederholung der südlichen, schlossnahen waren. Durch diese Symmetrie sollte man, wenn man vom Wasser aus an Land stieg, nicht in einen Außenbezirk des Gartens treten, sondern gleich in seinem Herzen sein.

Hinzu kamen rahmende Boskette. Ein Boskett ist ein „Lustwäldchen“, der Hecken- und Niederwaldbereich des Barockgartens. Seine zumeist geradlinigen Außenseiten werden durch dichte, in geometrisch exakte Formen geschnittene Hecken oder niedrige Bäume gebildet. Die Boskette sind fast immer spiegelsymmetrisch aufgebaut und liegen zumeist parallel auf beiden Seiten der Hauptachse des Gartens. Die derart gegliederten Bereiche beinhalten kleine Salons im Freien, sie wiederholen praktisch den Innenraum des Schlosses in der Außenwelt. Den Bosketten sind unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten zugedacht, so finden sich hier oft Heckentheater, Irrgärten oder offene "Konzertsäle". Ca 900 Meter nördlich des Schlosses zweigte Godeau einen Kanal von der Spree ab, der direkt auf das Schloss zuführte und nach kurzer Strecke einen Querkanal kreuzte, der halbkreisförmig den hier beginnenden Garten wie zwei Arme umfasste. Wenn das Schloss zu Schiff erreicht wurde, sollte der Garten dem Blick zunächst verborgen sein und nur das Schloss in der Verlängerung des Kanals erscheinen. Fuhr das Boot dann in die Sichtachse ein, sollte sich auf einmal die volle Größe des Gartens auftun. Formal folgte Godeau damit wieder der Gestaltung des Versailler Gartens.1697 wurde mit den Arbeiten begonnen, 1699 erfolgte die offizielle Einweihung und Sophie Charlotte besaß nun einen Garten nach modernstem Geschmack.

1705, nach dem Tode Sophie Charlottes, nannte Friedrich I das Schloss Lietzenburg in Charlottenburg um und bestimmte eine dritte Bauphase für den Garten. Die Erweiterungen sind größtenteils der Repräsentationslust des Fürsten geschuldet und sollen den Charakter der Anlage als Sitz eines absolutistischen Fürsten verstärken. Es entstanden unter anderem Orangerien, Fasanerien und Küchengärten, sowie neue Boskette und Vergrößerungen in Gestalt von Mail-, Boule- und Ringelstechanlagen um den Ansprüchen höfischer Feste gerecht zu werden. Zudem wurde eine Lindenallee gepflanzt, die aus vier Baumreihen bestand und das Parterre und den Teich begleitete. Bassins dienten Bootswettfahrten und Wasserspielen. Es wurden Bänke, 62 Vasen und 48 Putten aufgestellt. Sie waren „points de vue“, Sichtpunkte die den Betrachter erfreuen sollten. Der Garten diente dem Promenieren, dem Lustwandeln, ein höfisches Zeremoniell der Konversation, dessen Vergnügen im Sehen und Gesehen werden bestand.

Unter Friedrich Wilhelm I., dem Soldatenkönig (1713-1740) stagnierte die Entwicklung, denn er interessierte sich kaum für den Garten. Hauptsächlich wurde er nun als Nutzgarten verwendet, da der König gerne gut speiste.

Gleich am ersten Tag nach dem Tode seines Vaters, am 1. Juni 1740 zog Friedrich II. in Charlottenburg ein. Er begann mit der Erneuerung des Parterres. Es wurde zum „parterre de compartiment“ umgestaltet, d.h., dass sich das Muster in jedem Kompartiment des Parterres symmetrisch zu seinem eigenen Mittelpunkt verhält. Zudem bestimmen nun Blumenbänder maßgeblich das Muster des Parterres. Friedrich II. erstellte auch ein neues Orangenhaus und erweiterte den Küchengarten um viele Obstsorten und schöne Tulpen. Zahlreiche Statuen wurden aufgestellt. Der gesamte Garten ausgebessert. Da sich der König später vorwiegend in Potsdam aufhielt, interessierte er sich kaum noch für den Garten

Dem aufklärerischen Geist der Zeit nicht unaufgeschlossen, entstanden unter Friedrich Wilhelm II., nach Entwürfen des Gartenarchitekten Eyserbeck aus Wörlitz, die ersten landschaftlichen Partien. Das große Broderieparterre wurde zu einem weiten Rasengrund zusammengeführt und mit Gruppen von Gehölzen bepflanzt. Wege durchschlängelten die Boskette, Kanäle wurden mit natürlicher Uferlinie geformt, eine zierlich gewölbte Steinbrücke erbaut und im Westen des Gartens entstand ein modernes Aha, ein trockener Grenzgraben, der die Sicht in die Feldflur ermöglichte. 1788 erschuf der Architekt Langhans ein Angelhaus im gotischen Stil, ein hölzernes Lusthaus, das mit seinem unbekümmerten Stilzitaten typisch ist für den sentimentalen Garten dieser Zeit. Im gleichen Jahr erbaute er auch das Belvedere direkt an der Spree, von dort setzte den Besucher eine Fähre über den Fluss.Als bewusster Kontrast zum geometrischen Barockgarten, der sowohl Natur, als auch den Menschen in eine Form zwang, entstand der Landschaftsgarten als neues Symbol der Befreiung von Mensch, Geist und Natur. Er demonstrierte die Verbundenheit des Menschen mit der Vollkommenheit der Natur. Der Geist der Romantik spiegelte sich im künstlerischen Schaffen als Offenbarung des Göttlichen im Menschen. Hinzu kommt eine biedermeierliche Bescheidenheit, der Garten diente nicht mehr der Repräsentation, sondern als Rückzugsort der Besinnung. Es wurde nicht mehr lustwandelt, sondern gelöst gegangen ohne Zwang und Affektion.

Ab 1802 führte Georg Steiner die von August Eyserbeck vorgenommenen Veränderungen im Garten fort. Unter ihm kommt es zu weiterer „Verlandschaftung“ des Gartens. Die Wasserläufe wurden verändert. Durch die Verbindung der Spree zur Alten Spree entstand eine neue Insel, ein romantisches Eiland, das man nur über eine Fähre erreichen konnte. 1810 ließ der König der verstorbenen Königin Luise ein Mausoleum nach dem Entwurf von K. F. Schinkel errichten. Ganz im Geist der neuen Empfindsamkeit der Zeit, verwies das Mausoleum bewusst auf das Jenseits.

1824 erfolgte der Bau des Neuen Pavillons von Schinkel und die Anlage seiner Umgebung. Ab 1818 erreichte unter Peter J. Lenné der Schlossgarten seine Vollendung zum klassischen Landschaftsgarten. Noch bewusster als Steiner spielte er mit dem Wechsel von Laubdunkel und lichten Ausblicken. Es ging ihm um die Schaffung von Bildern und Stimmungseindrücken, er lenkte den Blick des Betrachters geschickt durch Sichtachsen, schüttete Aussichtshügel auf. Der Figurenschmuck nahm wieder zu, sollte dem Garten Bedeutungen geben. Über 500 Kübelpflanzen und 2000 Topfpflanzen zählte der Garten im Jahr 1811 und verwies damit auf das modern gewordene Land Italien.

Um 1830 konnte infolge der umfassenden Arbeiten wieder von einem einheitlichen Stil des Gartens gesprochen werden. Unter Friedrich Wilhelm IV. fand ein Neuaufleben der geometrischen Formen statt, so ließ er die Boskette wieder herstellen und weitere Veränderungen vornehmen, die den harmonischen Gesamteindruck zerstörten. Nach seinem Tode im Jahre 1861 geriet Charlottenburg in Vergessenheit, der Garten verwahrloste. Im zweiten Weltkrieg erfuhren Schloss und Garten große Schäden. Beim Wiederaufbau entschied man sich für die Rekonstruktion des Broderieparterres. Die Broderien wurden nach Musterbüchern angelegt. Der nördliche Bereich, der als Kleingartenanlage und Trümmerberg genutzt war, wurde in den 50er Jahren des 20. Jh. in die Parkgestaltung einbezogen. Im Frühjahr 2001 wurde das in den fünfziger Jahren rekonstruierte Parterre restauriert.

Friedrich Wilhelm II. schloss sich während seiner Regierungszeit 1786–1797 dem romantischen Trend mit seiner Vorliebe für englische Landschaftsgärten an, der in krassem Gegensatz zu den geometrischen Formen und Sichtachsen des Barockgartens stand.

Anders als in den französisch geprägten Barockgärten mit ihren großen geometrisch angelegten Blumenbeeten (Parterres) finden sich in den klassischen englischen Landschaftsgärten kaum Blühpflanzen. Die Idee des englischen Gartens bestand darin, die bis dato vorhandene mathematische Strenge der exakt angelegten Beete und beschnittenen Hecken zu eliminieren und sich bei der Gartengestaltung mehr nach dem zu richten, was die Natur idealerweise an Ausblicken zu bieten hat. In ihm sollte sich das Prinzip einer natürlichen Landschaft widerspiegeln, die durch unterschiedliche und abwechslungsreiche Eindrücke im Sinne des Ideals eines „begehbaren Landschaftsgemäldes“ dem Auge des Betrachters Vergnügen bereiten sollte. Trotz einer angestrebten „Natürlichkeit“ ist ein englischer Garten ein Kunstwerk, der sich an der Ästhetik eines Landschaftsgemäldes der idealen Landschaftsmalerei orientiert, maßgeblich waren Künstler wie Claude Lorrain, Nicolas Poussin und Gaspard Dughet. In diesem Sinne bieten Landschaftsgärten „malerische“ Ansichten. Die Entstehung einer solchen Parklandschaft war in Großbritannien auch durch die intensive Beweidung im Umfeld der dortigen frühen Industrialisierung bedingt.

Die englischen Landschaftsgärten sind durch aus der Ferne unsichtbare Gräben bzw. versenkte Mauern, Ha-Ha genannt, von der umgebenden Landschaft abgegrenzt. Der englische Landschaftsarchitekt William Kent griff bei seinen großzügigen Gartenplanungen auf das Ha-Ha als unsichtbares gestalterisches Element zurück. Dieses war erstmals von Charles Bridgeman in die Gartengestaltung eingeführt worden. Es handelt sich dabei um einen Graben, der den eigentlichen Garten von der angrenzenden Landschaft trennt, ohne dass man einen Übergang sieht. Auf diese Weise wurde der nahe Garten mit der weiter hinten liegenden Landschaft optisch zu einer Einheit verschmolzen, ohne dass größere Zäune und Hecken den Ausblick störten.

Um den Horizont zu akzentuieren, wurden antike Tempel, später auch chinesische Pagoden, künstliche Ruinen, Grotten und Einsiedeleien (Eremitagen) in die Landschaft eingestellt. Anstelle von geradlinigen Kanälen, runden Bassins und Kaskaden, die man im barocken Garten von den geometrisch exakt angelegten Wegen aus bewundern konnte, gab es im englischen Garten sich abwechslungsreich durch die Landschaft schlängelnde Wege und Flüsse. Lancelot 'Capability' Brown schuf Gärten (oder eher Parkanlagen) mit weiten Rasenflächen, sich großzügig windenden Wegen, sich frei windenden Flüssen und natürlich wirkenden Teichen und Seen, zwischen die Reihen aus passenden Bäumen oder kleinere Wälder gepflanzt wurden. Häufig wurden die Wege auch leicht versenkt angelegt, so dass sie von anderen Wegen aus von der Seite her nicht zu sehen waren und ungestörte Rasenflächen vorspiegelten.

Ein Phänomen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts waren die Schmuckeremiten, professionelle Einsiedler, die während einer vertraglich festgelegten Dauer in eigens eingerichteten Eremitagen wohnten und sich zu bestimmten Tageszeiten sehen ließen, um die Eigentümer der Parks und deren Gäste mit ihrem Anblick zu unterhalten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen auch Bauten der Neogotik in Mode, unter dem Einfluss von Horace Walpole, der auch ein Buch über englische Gartenkunst schrieb (Essays on Gardening 1794).

In abgewandelter Form wurde die Idee des englischen Gartens auch in die Nachbarländer importiert. Beispiele aus Deutschland sind der von Friedrich Ludwig Sckell gestaltete Englische Garten in München und der Rombergpark in Dortmund oder der Georgengarten und der Hinübersche Garten in Hannover. Führend bei der Einführung in Deutschland war Christian Cay Lorenz Hirschfeld, dessen Theorie der Gartenkunst in fünf Bänden zwischen 1779 und 1785 erschien. Er beeinflusste zum Beispiel Carl Heinrich August Graf von Lindenau (1755–1842), dessen Park in Machern einen der frühesten englischen Gärten in Deutschland darstellt, auch wenn gewisse Ideen noch auf die Gartenideale der Empfindsamkeit zurückgehen. Die landschaftsarchitektonische Fortentwicklung auf dem europäischen Kontinent ist stark dem „Gartenfürsten“ Hermann von Pückler-Muskau zu danken.

Der bedeutendste Landschaftspark Österreich ist der Schlosspark in Laxenburg, in dem sich auch viele klassizistische und romantische Staffagebauten finden, etwa die Franzensburg.

Die Ermitage Arlesheim in Arlesheim ist der größte englische Garten in der Schweiz. Der Park wurde auf Initiative von Balbina von Andlau-Staal und deren Cousin Domherr Heinrich von Ligerz erbaut und 1785 eröffnet.

Beispiele für Englische Gärten in England sind der für den Dichter Alexander Pope in Twickenham angelegte Garten (nicht mehr erhalten), William Kents Landschaftsparks in Claremont House und Stowe House, die für Lord Burlington geschaffene Anlage in Chiswick, John Vanbrughs Garten Aislabie in Studley sowie Stourhead bei Stourton in Wiltshire.

Im Schlossgarten befinden sich das 1788 von Carl Gotthard Langhans erbaute Teehaus Belvedere und das nach 1810 für Königin Luise erbaute Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg.

Das Belvedere war ursprünglich ein Teehaus und Aussichtsturm im nordöstlichen Teil des Parks des Charlottenburger Schlosses, nahe der Spree in Berlin. Das im Übergang vom barocken zum klassizistischen Stil erbaute dreigeschössige Gebäude wurde nach Plänen von Carl Gotthard Langhans 1788/89 für König Friedrich Wilhelm II. errichtet.

Das Belvedere wurde ursprünglich auf einer Insel errichtet. Den Grundriss bildet ein Oval, an das vier Rechtecke anschließen. An diesen kleinen Vorbauten befinden sich im Erdgeschoss die Eingänge, im ersten Obergeschoss Säulen (auf der Ost- und Westseite) bzw. Pilaster (Nord- und Südseite). Auf den Säulen ruhen im zweiten Obergeschoss Balkone. Eine kupferbeschlagene Kuppel schließt das Gebäude nach oben hin ab. Auf dieser stehen drei vergoldete Knaben, die einen Blumenkorb auf ihren Köpfen halten. Sie stammen von Karl Bobek (1925–1992) in freier Wiederholung der ursprünglichen Gruppe von Johann Eckstein (1735–1817).

König Friedrich Wilhelm II. nutzte den Pavillon zu persönlichen Aufführungen kammermusikalischer Werke. Hier fanden auch die betrügerischen Geisterbeschwörungen des Ordens der Gold- und Rosenkreuzer statt, mit denen dieser Geheimbund den nachmaligen König zum Eintritt veranlasste. Nach erheblichen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg (1943) erfolgte 1956 bis 1960 der Wiederaufbau nach alten Stichen. Das Innere der drei übereinander liegenden Säle wurde jedoch nicht wieder entsprechend dem ursprünglichen Zustand rekonstruiert. Das Belvedere beherbergt heute als Dauerleihgabe des Landes Berlin eine bedeutende Porzellansammlung - Meisterwerke aus der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM). 2002/03 wurde das Belvedere renoviert. Es steht unter Denkmalschutz.

Das Mausoleum im Park des Schlosses Charlottenburg wurde 1810 nach dem Tod der preußischen Königin Luise errichtet und später als Grabstätte weiterer bedeutender Mitglieder des preußischen Königshauses erweitert. Die lange über ihren Tod anhaltende Popularität Luises sorgte noch bis ins frühe 20. Jahrhundert dafür, dass das Mausoleum eine der touristischen Hauptattraktionen Charlottenburgs war.

Luise von Mecklenburg-Strelitz, Gattin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., starb am 19. Juli 1810 im Alter von 34 Jahren auf Schloss Hohenzieritz bei Neustrelitz an einer Lungenentzündung. Der Leichnam der beliebten und hoch verehrten Königin wurde nach Berlin überführt und am 30. Juli 1810 im Berliner Dom beigesetzt.

Ihr Witwer beauftragte den Architekten Heinrich Gentz damit, im Park des Schlosses Charlottenburg umgehend ein Mausoleum zu errichten. Karl Friedrich Schinkel war an den Arbeiten beteiligt, auch der König selbst nahm Anteil an den Entwürfen. Für den Bau konnten Materialien verwendet werden, die an anderen Orten nicht mehr gebraucht wurden, etwa Säulen aus dem Schloss Oranienburg oder Treppenstufen aus dem Park von Sanssouci. So war es möglich, das Bauwerk in nur fünf Monaten fertigzustellen. Als Standort hatte Friedrich Wilhelm III. einen Lieblingsplatz Luises im Schlossgarten Charlottenburg am Ende einer dunklen Tannenallee gewählt.

Am 23. Dezember 1810 fand die Königin dort ihre letzte Ruhestätte. Der Ort entwickelte sich rasch zu einer Kultstätte für die Verehrung der verstorbenen Königin. Friedrich Wilhelm III. beauftragte den Bildhauer Christian Daniel Rauch, einen Sarkophag aus Marmor mit einer darauf ruhenden Skulptur Luises zu erstellen. Den Gipsentwurf fertigte Rauch unter den Augen des Königs in Berlin, den Marmorsarkophag selbst in Rom und Carrara. Bei der Überführung 1814 wurde das englische Transportschiff von einem amerikanischen Schiff gekapert. Später gelang es einem englischen Schiff, dem amerikanischen Schiff den Sarkophag wieder abzujagen. So erreichte er erst mit halbjähriger Verspätung und mit Schäden durch Salzwasser im Frühjahr 1815 sein Ziel Charlottenburg.

Die tempelartige Giebelfront des Mausoleums mit vier dorischen Säulen war zunächst in Sandstein ausgeführt worden. Dieser Portikus wurde 1828 durch eine Neufassung aus rotem Granit ersetzt, die ursprüngliche Fassung steht seither zur Erinnerung an Luise auf der Pfaueninsel bei Potsdam.

Nachdem König Friedrich Wilhelm III. 1840 gestorben war, wurde das Mausoleum 1841 von Ludwig Ferdinand Hesse nach einem Entwurf von Schinkel durch einen Querbau mit Apsis erweitert, um in dem neuen, größeren Raum die Grabmale des Königspaares gemeinsam unterbringen zu können. Der kleinere Teil des Gebäudes diente nun als Vorraum. Die Apsis erhielt 1849 ein Wandbild von Karl Gottfried Pfannschmidt, einem Schüler des Malers Peter von Cornelius aus der Gruppe der Nazarener. Das Motiv erinnert an Darstellungen des Frühmittelalters: Luise und Friedrich Wilhelm knien rechts und links vor dem thronenden Christus.

Nach dem Tod des ersten deutschen Kaiserpaares wurde das Bauwerk durch Albert Geyer nochmals vergrößert, sodass 1894 auch die von Erdmann Encke geschaffenen Marmorsarkophage von Wilhelm I. († 1888) und Kaiserin Augusta († 1890) hier aufgestellt werden konnten. Encke orientierte sich – gerade beim Grabmal für die Kaiserin – stark an den Ausführungen Rauchs.

Die im Mausoleum aufgestellten Marmorsarkophage sind Kenotaphe, also Grabmale für Verstorbene, die darin nicht tatsächlich bestattet sind. Die Leichname liegen in Metallsärgen in einer Gruft unter dem Hauptraum. Zu Füßen von Friedrich Wilhelm III. und Luise wurde dort auch das Herz ihres Sohnes Friedrich Wilhelm IV. († 1861), wie von ihm gewünscht, in den Boden eingelassen; sein Körper ist in der Potsdamer Friedenskirche beigesetzt. In der Gruft unter dem Vorraum stehen die Zinnsärge von Prinz Albrecht von Preußen († 1872), jüngsten Sohnes von Friedrich Wilhelm III. und Luise, und von Auguste Fürstin von Liegnitz († 1873), der zweiten Frau Friedrich Wilhelms III. Eine Grab- oder Gedenktafel für sie befindet sich dort jedoch nicht.

Berühmt geworden ist der Besuch König Wilhelms I. mit seinem Sohn Friedrich am 19. Juli 1870 am Grab seiner Mutter zu deren 60. Todestag. Kurz zuvor hatte Wilhelm die Nachricht über die von Bismarck provozierte Kriegserklärung Frankreichs an Preußen erhalten, die den Ausbruch des schließlich für Preußen siegreich beendeten Deutsch-Französischen Kriegs und Wilhelms Krönung zum deutschen Kaiser bewirkte. In der Erinnerung geblieben ist diese Szene durch ein erst im Jahr 1881 fertiggestelltes Gemälde des Hofmalers Anton von Werner. Aus dramaturgischen Gründen hatte der Maler den Sohn Friedrich auf dem Bild weggelassen.

Im Jahr 2008 wurden umfassende Sanierungsmaßnahmen für das Mausoleum geplant, die im März 2010, zum 200. Todestag der Königin Luise, abgeschlossen wurden. Die Gesamtkosten von rund 715.000 Euro werden aus dem Haushalt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) finanziert. Hauptsächlich wurden schadhafte Stellen an der Fassade, an den Treppen und im Innenraum instand gesetzt und Vorkehrungen getroffen, um neue Schäden durch Grundwasser und Kondensatbildung zu verhindern. Gegenstand der Sanierung war auch das gärtnerische Umfeld. Hier wurde durch Neuanpflanzungen ein Zustand wie zur Entstehungszeit des Mausoleums hergestellt.

Basierend auf den Planungen für das Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg orientierte sich offenbar auch der Entwurf des hannoverschen Hofbaumeisters Georg Ludwig Friedrich Laves für das Welfenmausoleum im Berggarten von Herrenhausen an der von Schinkel gefundenen Lösung, wie Zeichnungen im Nachlass von Laves nahelegen.

Die berühmte Grabskulptur  auf ihrem Sarkophag  stammt von Christian Daniel Rauch . Christian Daniel Rauch (1777-1857) war einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Bildhauer des deutschen Klassizismus. Er war ein Schüler von Johann Gottfried Schadow und zählt zur Berliner Bildhauerschule.

Als Rauch dreizehn Jahre alt war, begann er seine Lehre bei dem Bildhauer Friedrich Valentin in Helsen. Fünf Jahre später verließ Rauch Valentin, da es keine Aufträge mehr gab. Von 1795 bis 1797 war er Gehilfe des Bildhauers und Akademieprofessors Johann Christian Ruhl in Kassel, für den er an der Ausschmückung des Schlosses Wilhelmshöhe mitwirkte. An der Kasseler Landgräflichen Akademie, wo auch Ruhl lehrte, modellierte er in Ton.

Nach dem Tod des Vaters 1796 sorgte zunächst der elf Jahre ältere Bruder Friedrich, der Hofgärtner und danach Kammerdiener beim preußischen König im Schloss Sanssouci in Potsdam war, für die Familie. Als sein Bruder 1797 verstarb, musste der zwanzigjährige Christian Daniel die Sorge für Mutter und den jüngeren Bruder Ludwig übernehmen. Noch im gleichen Jahr trat er die Stelle seines Bruders an und wurde Kammerdiener bei Friedrich Wilhelm II. Nebenher studierte er Kunstgeschichte und Altertumskunde an der Berliner Kunstakademie.

Nach dem baldigen Tod des preußischen Königs wechselte er in den herrschaftlichen Dienst der jungen Königin Luise, die er auf ihren Reisen begleitete. An der Kunstakademie freundete er sich mit vielen Künstlern an, darunter Karl Wichmann und Karl Kretschmar. Es entstanden erste eigene plastische Arbeiten; er modellierte einige Reliefs nach Skizzen von Gottfried Schadow und wurde 1803 Schadows offizieller Gehilfe. Schadow war schon mit 24 Jahren Leiter der königlichen Bildhauerwerkstatt geworden und erkannte Rauchs Begabung. Versuche Rauchs, aus dem höfischen Dienst entlassen zu werden, scheiterten an der Weigerung der Königin. Rauch arbeitete bis spät in die Nacht, las Werke von Goethe und Schiller und modellierte, anstatt wie seine Freunde Karten zu spielen.

Auf einflussreiche Fürsprache hin gewährte ihm Friedrich Wilhelm III. mit Kabinettsorder vom 29. Juli 1804 für sechs Jahre ein Stipendium von jährlich 125 Talern und 12 Groschen für einen Studienaufenthalt in Italien. Mit 27 Jahren trat er die Reise nach Rom als Begleiter des jungen Grafen Karl Sandretzky an. Ihre Reise führte durch Deutschland, Schweiz, Frankreich und Italien. Bald nach seiner Ankunft wurde er Wilhelm von Humboldt, dem preußischen Gesandten beim Vatikan, vorgestellt. Sie schlossen Freundschaft, und Humboldt stellte weitere Kontakte zu Künstlern und Gelehrten her. In Rom lernte Rauch auch die klassizistischen Bildhauer Antonio Canova und Bertel Thorvaldsen kennen. Nach Humboldts Weggang lebte er in der Künstlerherberge Casa Buti. Im Jahr 1809 wurde Rauchs Stipendium auf 400 Taler jährlich erhöht.

Rauch lebte abwechselnd in Rom und Carrara, hier zeitweise in einer Wohn- und Arbeitsgemeinschaft mit Friedrich Tieck. Mit großer Anteilnahme erlebte Rauch aus der Entfernung den Niedergang Preußens sowie auch den Befreiungskrieg. Ihm wurde selbst in Italien mit Verbannung gedroht, und er musste sich einmal zwischen Carrara und Rom freikaufen.

Seit 1815 hatte Rauch in Berlin eine Wohnung im königlichen Schloss. Aber erst 1819 ließ er sich dauerhaft in der Hauptstadt nieder. Zunächst musste er einen heftigen Kampf um eine den Anforderungen genügende Werkstatt führen. Die Situation entspannte sich erst, als ihm das sogenannte „Lagerhaus“ in der Klosterstraße zur Verfügung gestellt wurde. Er löste seine Werkstatt in Carrara auf und ließ Tieck mit vier der geschicktesten italienischen Marmorwerkleute nach Berlin kommen.

Das Lagerhaus (seine "Heimat") wurde zum Ursprungsort der Berliner Bildhauerschule. Rauch selbst war unablässig tätig, gönnte sich bis ins hohe Alter nach dem einfachen Essen keine Ruhe, und der Gang zur Werkstatt war ihm auch in trüben Tagen ein Trost. Zeitweise war Rauch einer der meistbeschäftigten Bildhauer in ganz Europa.

In der zweiten Hälfte seines Lebens ging Rauch mehrfach auf Reisen, um bei der Einweihung seiner Denkmäler anwesend zu sein, um antike Skulpturen zu kaufen oder Einladungen zu folgen. So unternahm er Reisen nach Venedig und Neapel, wo er mit dem preußischen Gesandten Basilius von Ramdohr und Prinz Heinrich von Preußen zusammentraf. Er bereiste viele europäische Städte und besichtigte Kirchen, Schlösser, Museen sowie Werkstätten und Ateliers seiner Kollegen. 1830 unternahm er die vierte, 1855 eine letzte Italienreise.

Rauch wurde in gelehrte Gesellschaften, Akademien und Künstlerkreise aufgenommen, und man bedachte ihn mit zahlreichen Auszeichnungen und Orden. Die größte öffentliche Ehrung erhielt er nach der Enthüllung des Friedrich-Denkmals in Berlin. Er erhielt eine Plakette, die von der Königlichen Akademie der Künste zu seiner Ehrung gestiftet wurde. Die Vorderseite zeigt innen das Reiterdenkmal, umrandet von den bedeutendsten Werken Rauchs, die Rückseite sein Profil. Im Jahr 1851 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin verliehen. Außerdem war er seit dem 31. Mai 1842 Mitglied des preußischen Ordens Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste.

Rauchs Produktivität hielt bis zum Lebensende an. Noch in seinem 81. Lebensjahr schuf er eines seiner reifsten Werke, die Statue des Förderers der Landwirtschaft, Albrecht Daniel Thaer. Erst in den letzten Monaten erkrankte er und begab sich zur Behandlung nach Dresden. Dort starb er am 3. Dezember 1857, um sieben Uhr morgens, nachdem er 48 Stunden ohne Bewusstsein gewesen war. Er fand seine letzte Ruhe in einem Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof..

Bevor Rauch seine Skizzen zu einer Bildnisstatue anfertigte, besorgte er sich alle erreichbaren Porträts und die vorhandene Literatur über die Person. Die dann angefertigten Skizzen wurden dem Auftraggeber, meist Fürsten, aber später auch Bürgervereinen und Städten, vorgelegt, die vielfach Änderungen wünschten. Nach ihrem Einverständnis wurde zunächst ein kleines Gipsmodel angefertigt, dann ein Hilfsmodell in halber Größe. Die Modelle wurden nackt angefertigt, um anatomische Fehler zu vermeiden. Diesen Modellen hängte er Stoffbahnen zur Ausrichtung des Faltenwurfes um. Da Rauch sehr sparsam war, nutzte er diesen Stoff manchmal für Mäntel seiner Enkelkinder. Auch befasste er sich eingehend mit der Örtlichkeit, die für die Aufstellung des Denkmals vorgesehen war. Er forderte zum Beispiel Pläne, Skizzen der umstehenden Gebäude und Bodenprofile an oder wählte unter mehreren Plätzen aus. Erst hiernach konnte die richtige Größe festgelegt und dem vorläufigen Kostenanschlag ein endgültiger nachgereicht werden.

Die Ausarbeitung der Statue erfolgte in Ton. Damit dem oft viele Zentner schweren Koloss Halt gegeben werden konnte, richtete man vorher ein starkes Eisengerüst als Skelett auf und schichtete den Ton darum. Die Schaffung des Tonmodells dauerte Monate. Dabei musste der Ton ständig feucht gehalten werden, damit er nicht rissig wurde. Von dem Tonmodell wurde mit großer Vorsicht und Sorgfalt eine Kopie in Gips abgenommen. Solche Gipsmodelle, die leicht zu modellieren waren und der späteren Ausführung in Marmor oder Bronze genau glichen, wurden von Rauch gelegentlich in seiner Werkstatt öffentlich gegen Entgelt ausgestellt; der Ertrag kam dem Waisenhaus oder anderen sozialen Einrichtungen zu.

Sollte das Standbild in Marmor ausgeführt werden, so musste man sich zuerst grob von der Außenseite, dann vorsichtig mit Meißel, Raspel und Feile an das Bildwerk heranarbeiten. Diese Arbeit überließ Rauch weitgehend seinen Mitarbeitern und Schülern; er selbst legte nur die letzte Hand an. Anders hätte die fast unglaubliche Anzahl der Skulpturen nicht entstehen können. Er schuf in seinem Leben mit Hilfe seiner Schüler und Lehrlinge rund 50 Statuen, 150 Büsten und 90 Reliefs.

Zahlreiche Bildhauer und weitere Künstler waren Schüler Rauchs; zu ihnen zählen Friedrich Drake, der die Viktoria der Berliner Siegessäule fertigte, Ernst Rietschel, der das Goethe- und Schiller-Denkmal in Weimar schuf und Albert Wolff. Wenn sehr junge Bewerber um Aufnahme in seine Werkstatt baten, empfahl Rauch ihnen meist, vier bis fünf Jahre bei einem Steinmetz in die Lehre zu gehen, um die Technik dieses Handwerks gründlich zu erlernen und sich erst dann der Bildhauerkunst zu widmen.

Rauch hat zeitlebens an allen Erscheinungen der Kunst und des Kunstgewerbes großen Anteil genommen. Er half Bildhauern, indem er ihnen behauenes Material zur Verfügung stellte. Er beriet Fürsten und wohlhabende Leute bei Marmoreinkäufen aus Italien und Griechenland. Überdies sorgte er dafür, dass die Berliner Gießerei mit guten Formern und Gießern besetzt war. Mehrfach wurden auf seine Initiative hin Fachkräfte nach Petersburg und Paris geschickt.

Im Herbst 1810 wurde Rauch (nach Fürsprache Wilhelm von Humboldts) vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. der Auftrag erteilt, eine Liegefigur der verstorbenen Königin Luise für deren Sarkophag im Charlottenburger Mausoleum zu schaffen. Er fertigte die Gipsversion 1811 und 1812 unter den Augen des Königs an. Erschwert wurde die Arbeit dadurch, dass Rauch die Marmorarbeiten in Rom ausführen lassen, der König die Statue aber gerne in Berlin entstehen sehen wollte und sich das Zugeständnis für Rom nur schwer abrang.

1812 sandte Rauch das Gipsmodell nach Rom. Rauch beschloss, Statue und Sarkophag in Carrara roh anzulegen und erst in Rom zu vollenden. Nach der Vollendung des Grabmals wurde es für die Seefahrt nach Hamburg verladen. Rauch erfuhr aus der Zeitung, dass das Schiff gekapert worden war, und erst fünf Monate später kam die Nachricht, dass das Grabmonument auf einem anderen Schiff in Cuxhaven angekommen sei. Rauch konnte es noch vor der Rückkehr des Königs vom Wiener Kongress von den Salzwasserschäden befreien und in dem dafür neu erbauten Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg aufstellen. Heute noch wird man beim Betrachten des Grabmals die Bewegung des Königs verstehen, als er gleich nach seiner Ankunft das Mausoleum aufsuchte, da Natürlichkeit, Anmut und Harmonie des Werks beeindrucken.

Bei seiner rastlosen Arbeit mit Spatel, Meißel und Feile war Rauch immer wieder mit großen Problemen konfrontiert. Ein Standbild des Zaren Alexander I. von Russland, das Rauch für 1817 geplant hatte, konnte er erst drei Jahre später vollenden, da sich zweimal der Marmor als rissig und unbrauchbar erwies. Größte Sorgfalt widmete er auch den Denkmälern Scharnhorsts und Bülows. Bei diesen Statuen und den Sockelreliefs trat für Rauch zum ersten Mal die Frage der Kleidung auf. Da er die klassischen griechischen Werke als den Höhepunkt der plastischen Kunst empfand, kleidete er die von ihm geschaffenen Statuen in klassische Gewänder. Bei diesem Standpunkt blieb er sein Leben lang. So lehnte er es noch dreißig Jahre später ab, die Geistesheroen Schiller und Goethe als Gruppe für Weimar anders als im „idealen“ Kostüm zu entwerfen. Weil der berühmteste unter den Stiftern des Doppeldenkmals, König Ludwig von Bayern, auf seiner heroisierenden Auffassung bestand, verzichtete Rauch auf den Auftrag, der daraufhin seinem Schüler Rietschel erteilt wurde.

Rauch war von seiner bildhauerischen Grundschule, der Antike, und von dem zu benutzendem Material, dem Stein und dem Erz, her, nicht bereit, eine aus der Emotion kommende Bewegung darzustellen. Pathetisches, Effektvolles lag ihm fern. Bei aller realen Ähnlichkeit in Gesichtszügen und Gestalt sucht er seinen Geschöpfen eine zum Idealen strebende Allgemeingültigkeit zu geben, ohne jedoch eine innere Bewegung bei ihnen zu verbergen. Sein Streben nach Geschlossenheit und Harmonie trug ihm in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Vorwurf der Schwunglosigkeit und des Mangels an Anmut ein.

Als Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere lässt sich wohl der Staatsauftrag für das Reiterstandbild Friedrichs des Großen 1836 bezeichnen (1851 enthüllt), mit dem er seinem Lehrer Schadow endgültig den Rang abzulaufen schien

Neben vielen Fürsten- und Feldherrenstatuen fertigte er auch Bronze- und Marmorbüsten von Goethe und Dürer sowie einzelne Büsten für die Walhalla-Gedenkstätte in Regensburg an.

Eine Besonderheit im Werk Rauchs ist die Statuengruppe „Glaube“, „Liebe“ und „Hoffnung“, die in der Arolser Stadtkirche neben und vor dem Altar standen und nach der Kirchenrenovierung (1957/1958) einen neuen Platz in einer Wandnische fanden.

Anlass zum Entwurf der Statue „Glaube“ war eine 1821 geäußerte und nach zehn Jahren wiederholte Bitte um eine Plastik für die dortige Stadtkirche. Rauch gab deshalb seinem Knaben Camillo (Figur des Waisenknaben vom Francke-Denkmal in Halle wurde übernommen) eine Schale in die Hände, die er bittend vor sich hält. Dieses ist die Bezeichnung für Knaben aus edlen römischen Familien, die bei Götterverehrungs- und Opferverhandlungen tätig waren. Er beschloss, dem Gotteshaus eine größere Gruppe zu stiften. Dem Knaben mit der Bibel, der den „Glauben“ verkörpert, stellte er die Figur mit der wärmenden Flamme als „Liebe“ gegenüber. Bei einem Besuch Rauchs in Arolsen, dem ersten nach 23 Jahren, wurde die Aufstellung der Skulpturen besprochen. 1845 entwarf Rauch die Figur der „Hoffnung“, aber erst 1852 konnte sie in der Kirche aufgestellt und beim Weihnachtsgottesdienst dieses Jahres erstmals betrachtet werden.

1852 bot Rauch der Stadtkirche Gipsabdrücke der vier Kardinaltugenden Weisheit, Mäßigung, Gerechtigkeit und Stärke als Geschenk an. Die Kirchenbehörde ging darauf jedoch nicht ein, weil ihr die Allegorien aus theologischer Sicht problematisch erschienen. Rauch war tief verärgert und schenkte die vier Darstellungen 1856 dem Fürsten zu Waldeck, der sie im Treppenhaus des Schlosses anbringen ließ.

In Arolsen befinden sich das Christian-Daniel-Rauch-Museum und die Rauch-Gedenkstätte.

Eine frühere museale Erinnerungsstätte für Christian Daniel Rauch befand sich bis zu ihrer Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges in Berlin. Das heutige, im Oktober 2002 eröffnete Christian-Daniel-Rauch-Museum ist eine Zweigstelle des Museums in Bad Arolsen. Als Dauerleihgabe der Alten Nationalgalerie Berlin ist eine Auswahl von Skulpturen Rauchs und seiner Zeitgenossen zu sehen. In der Rauch-Gedenkstätte im Geburtshaus des Künstlers werden vornehmlich Erinnerungsstücke gezeigt.

Das Geburtshaus des Bildhauers kam nach dem Tod seiner Mutter im Jahre 1810 in den Besitz von deren Schwester, weil Rauch auf sein Erbe verzichtet hatte. Durch sie wurde das Haus an ihren Schwiegersohn weitervererbt. Nach dessen Tod 1856 erwarb die Stadt Arolsen das Grundstück mit den beiden Gebäuden für 1204 Taler. Man wollte eine Unterkunft für alte und mittellose Menschen schaffen. Der Künstler war darüber so erfreut, dass er für dieses Altenheim einen größeren Geldbetrag spendete. Dieser Betrag bildete den Grundstock zum Vermögen der Rauchstiftung. Es vergingen weitere drei Jahre bis zur Verwirklichung der Idee. Im Jahr 1950 wurde die Stiftung aufgelöst, da die Einkünfte zur Fortführung der Anstalt nicht mehr ausreichten.

Die Rauch-Gedenkstätte befindet sich im Geburtshaus von Christian Daniel Rauch (Rauchstraße 6). Die Besucher sollen einen Einblick in die Wohnkultur des 19. Jahrhunderts und Informationen über die Familie Rauch bekommen.

Hier kann man den Stammbaum Christian Daniel Rauchs betrachten sowie eine auf lateinisch geschriebene Urkunde mit einem Originalsiegel des Königs Friedrich Wilhelm IV. und viele andere Gegenstände und Büsten aus Gips, zum Beispiel Rauch als junger und alter Mann. Neben dem Geburtshaus befanden sich Schweine- und Ziegenstall sowie die Toilette. Hinter dem Haus findet man heute noch einen Garten, in dem wilder Hopfen wächst sowie eine Rose aus dem Jahr 1855.

Rauchs eigentlichen künstlerischen Nachlass findet man in der Alten Nationalgalerie in Berlin, die eine der bedeutendsten Kunstsammlungen des 19. Jahrhunderts aufweist. Für das Christian-Daniel-Rauch-Museum in Arolsen wurde daraus eine reiche Auswahl zusammengestellt, die als Dauerleihgabe im Marstall-Gebäude des Bad Arolser Schlosses ausgestellt und durch Filme über sein Leben und seine Arbeiten mit Bronze, Marmor und Gips ergänzt wird.

Eine Büste zu Ehren Christian Daniel Rauchs findet sich als „Nebenbüste“ zum zentralen Standbild König Friedrich Wilhelms IV. in der Denkmalgruppe 31 der Siegesallee in Berlin. Sie wurde 1900 von Karl Begas ausgeführt.

Die Berliner Bildhauerschule begann mit Johann Gottfried Schadow um 1785 und endete mit der Generation der Schüler von Reinhold Begas um 1915. Wichtigster Repräsentant war neben Schadow sein Schüler Christian Daniel Rauch, der eine neue stilistische Periode innerhalb der Schule einleitete. Dem Ethos der Rauchschule setzte Reinhold Begas im heraufziehenden Wilhelminismus das Pathos des Neobarock gegenüber. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts folgte ein Teil der Begasschule der Moderne. Die klassizistische Grundhaltung der Berliner Bildhauerschule klingt in Werken von Georg Kolbe und Richard Scheibe nach.

Johann Gottfried Schadow knüpfte an Andreas Schlüter  an und setzte der Romantik  einen oft schonungslosen Realismus gegenüber. Schadow besuchte mit seinen Brüdern zunächst das Gymnasium zum Grauen Kloster. Als der Vater das Talent seines Sohnes für das Zeichnen erkannte, ließ er ihm ab 1776 Zeichenunterricht bei Giovanni Battista Selvino erteilen. Mit der Zeichenunterrichtserteilung trug Selvino eine schon längere Zeit bestehende Werklohnschuld für Schneiderarbeiten gegenüber Schadows Vater ab. 1777 verließ Schadow die Schule, um von Madame Tassaert im Zeichnen unterwiesen zu werden. Im Herbst 1778 entschied er sich für den Beruf des Bildhauers und wurde Schüler des preußischen Hofbildhauers Jean Pierre Antoine Tassaert, bei dem er die gesamte bildhauerische Technik erlernte. Im Jahr 1778 begann er seine Ausbildung an der Akademie der Künste und den Besuch der Aktklasse.

Tassaert war seinem begabtesten Schüler sehr zugetan; er suchte daher auch die familiäre Bindung Schadows durch Verheiratung seiner Tochter; zugleich stellte ihm Tassaert dessen Nachfolge als Hofbildhauer in Aussicht. Schadow ging hierauf nicht ein; im Februar 1785 brannte er mit seiner Geliebten Marianne Devidels nach Wien zu seinem zukünftigen Schwiegervater durch. Auf der Reise wohnte er im April 1785 in Dresden bei dem Porträtmaler Anton Graff. Mit dem Geld seines Schwiegervaters reiste Schadow weiter nach Italien. Im Juni 1785 kam er nach Venedig, im Juli erreichte er Florenz und schließlich Rom. Hier trat er für kurze Zeit der Werkstatt Alexander Trippels bei, widmete sich dann aber lieber dem Studium der Antike. Im folgenden Jahr erhielt er mit der Tongruppe Perseus befreit Andromeda den Preis der römischen Akademie. Mit dem deutschen Maler Heinrich Füger, dem österreichischen Bildhauer Franz Anton von Zauner sowie mit dem italienischen Bildhauer Antonio Canova war er befreundet.

Am 25. August 1785 heiratete er in Prag die jüdisch erzogene (Marianne) Anna Augustine Devidels, geb. am 17. Dezember 1758 als Tochter des Wiener Juwelenhändlers Samuel Devidels. Angeblich hatte Schadow seine Frau im Salon der Henriette Herz in Berlin kennengelernt. In Rom trat Schadow zum Katholizismus über, seine Frau war schon seit 1779 katholisch. 1786 erfolgte die Geburt von Sohn Karl Zeno Rudolf (Ridolfo) Schadow (1786–1822) in Rom, der zunächst sein Schüler wurde und später selbst ein erfolgreicher Bildhauer.

Nach der Rückkehr nach Berlin 1787 konvertierte Schadow wieder zum Protestantismus, nicht zuletzt um im preußischen Staatsdienst eine Anstellung bekommen zu können. Zunächst wurde er Porzellanmaler bei der königlichen Porzellanmanufaktur. 1788 bekam Schadow vom König den Auftrag, das Grabmal des im Jungenalter verstorbenen Grafen von der Mark in der Dorotheenkirche fertigzustellen, nachdem Tassaert im Jahr 1788 verstorben war.

Dabei setzte er die strengere, an die Antike angelehnte Formgebung an die Stelle der nun oberflächlich wirkenden Kunst des Rokoko. Im gleichen Jahr war auch Schadows Vater gestorben. Schadow trat nun die Nachfolge Tassaerts an und wurde zum Leiter der Hofbildhauerwerkstatt ernannt. So war er auch beim Oberhofbauamt tätig. Aus der Zusammenarbeit mit dem dortigen Direktor Carl Gotthard Langhans entstanden viele gemeinsame Schöpfungen. 1788 erfolgte die Geburt des Sohnes Friedrich Wilhelm von Schadow (1788–1862), der ein bekannter Maler wurde. Schadow wurde ordentliches Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und 1793 der Kunstakademie in Kopenhagen. Die Freimaurerloge Royal York de l’Amitié hatte ihn 1790 aufgenommen. 1793 modellierte er die Quadriga für das neu errichtete Brandenburger Tor, die von Emanuel Ernst Jury in Potsdam in 2 mm Kupfer getrieben wurde. Für die 1798–1800 erbaute Berliner Münze am Werderschen Markt schuf er den 36 Meter langen sogenannten Münzfries.

Als Schadow in den folgenden Jahren immer weniger Aufträge als Bildhauer bekam, konzentrierte er sich auf die Lehre. 1801 besuchte Schadow Goethe in Weimar, um eine Plastik von ihm vorzubereiten. Dieser Besuch hatte aber nicht den gewünschten Erfolg. Dann lehrte er an der Akademie der Künste in Berlin, wo er 1805 Vizedirektor wurde. 1810 übernahm er die Direktion der Bauakademie, gründete 1814 den Berlinischen Künstlerverein und wurde dessen Vorsitzender.

Nachdem man Schadow 1816 zum Direktor der Königlich Preußischen Akademie der Künste ernannt hatte, blieb er in Berlin. In den folgenden Jahren unternahm er Reisen nach Dresden (1820), nach Wittenberg zur Enthüllung seines Lutherdenkmals (1821), nach Wittenberg (1822) und mit seinem Bruder Rudolf nach Hamburg und Lübeck (1823).

Nachdem sein Sohn Julius am 22. Juli 1824 geboren wurde († 1827), begann er sich auch politisch mehr zu engagieren und wurde 1827 zum Abgeordneten von Berlin gewählt. Der Höhepunkt beim Erfolg seiner Lehre als Professor stellte die 1830 erfolgte Ernennung zum Ehrendoktor der Philosophie durch die Berliner Universität dar. Mit seinem Sohn Felix unternahm er einige Reisen nach Leipzig (1835). 1836 musste Schadow sich einer Augenoperation unterziehen. Die Einschränkung des Augenlichtes war für den malenden und mit den Augen arbeiteten Schadow ein bitterer Einbruch in sein künstlerisches Schaffen. Er konnte nur noch zeichnen und war nur noch wenig als Bildhauer tätig. Daneben wurde er 1846 Mitglied der Kunstakademie Brüssel.

Der 75-jährige Schadow stellte 1839 den Antrag, ihn aus Altersgründen in den Ruhestand zu versetzen. Das wurde zwar abgelehnt, man stellte ihm aber einen Vizedirektor an die Seite. Schadow beschäftigte sich nun auch mit Geschichte und wurde deshalb 1840 Mitglied des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Besonders stolz war Schadow auf seinen Sohn Wilhelm – erst sein Schüler, später ein bedeutender Maler – als dieser 1843 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben wurde. Schadow wurde schließlich 1846 auch noch Mitglied der Kunstakademie Brüssel und reiste im gleichen Jahr wieder nach Dresden. Da Schadow viel Humor hatte wurde er 1849 Ehrenmitglied der Großen Karnevalsgesellschaft in Köln.

Gegen Ende seines Lebens schrieb er seine Memoiren und brachte 1849 die „Kunst-Werke und Kunst-Ansichten“ heraus. Schadow starb friedlich im Kreise seiner Kinder am 27. Januar 1850 im, für die damalige Zeit, hohen Alter von 85 Jahren in Berlin. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischer Friedhof in Berlin Mitte begraben. 1851 stellte man die bronzenen Statuette Schadows nach dem Modell von Heinrich Kaehler auf, die heute dort noch zu besichtigen ist

1838 erfolgte die Verleihung des Roten Adlerordens 2. Klasse mit Brillanten anlässlich seiner 50-jährigen Mitgliedschaft in der Akademie der Künste. 1842 bekam er den Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste von König Friedrich Wilhelm IV. in seiner Wohnung überreicht. Weiterhin erfolgte 1844 die Verleihung des schwedischen Nordstern-Ordens. Zudem wurde Schadow zu Ehren auf der Bank der Denkmalgruppe 30 in der ehemaligen Berliner Siegesallee ein Relief mit seinem Bildnis angebracht. Bildhauer der Gruppe war Gustav Eberlein, die Enthüllung fand am 30. März 1901 statt.

Schadow interessierte sich sehr für das Schachspiel und war im Jahr 1803 in Berlin Mitgründer des häufig auch nach ihm benannten ersten deutschen Schachklubs. 1848 wurde er Ehrenmitglied der Großen Karnevalsgesellschaft in Köln. Seit 1840 war er Mitglied des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Als Freimaurer gehörte er der Berliner Loge Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit an.

Schadow war ein Künstler, der stets die klassizistische und naturalistische Kunstauffassung wahrte. 1805 ließ er sich sein klassizistisches Wohnhaus in der heutigen Schadowstraße 10/11 in Berlin-Mitte auf Kosten des Staates von einem unbekannten Baumeister errichten, das sich als eines der wenigen Bürgerhäuser dieser Zeit erhalten hat. Spätestens seit 1800 sah er sich in einem ständigen Konflikt mit der aufkommenden romantischen idealistischen Kunstauffassung, die durch seine Schüler verkörpert wurden. Einer seiner wichtigsten Schüler war Christian Daniel Rauch. Weitere bedeutende Schüler waren seine Söhne Rudolf und Wilhelm sowie Friedrich Tieck, Karl und Ludwig Wichmann. Das gilt für Karl Friedrich Schinkel, durch den er aus der Leitung des Oberhofbauamtes gedrängt wurde.

Bekanntlich machte sich Schinkel mit Entwürfen für die Architektur von der akademisch klassizistischen Formensprache zusehends frei. Anfänglich hatte Schadow den Skulpturenschmuck der von Schinkel entworfenen Bauwerke im klassizistischen Stil angefertigt. Schrittweise geriet Schadow jedoch gegenüber den neuen künstlerischen Tendenzen ins Abseits und wurde später seitens des preußischen Königshauses mit nur wenigen Arbeiten beauftragt.

Schadow wandte sich zunehmend von der alten klassizistischen Formensprache ab und der neuen romantischen zu, ohne indes sie jemals völlig aufzugeben. Das wiederum vollzog sich nach dem Tod Friedrich Wilhelms II. im Jahre 1797, der Gönner und Mäzen Schadows gewesen war. Dadurch wandte er sich in späteren Jahren verstärkt der Graphik zu und betätigte sich als Karikaturist. Einige seiner Karikaturen, insbesondere die zu Napoléon Bonaparte reichen an die Qualität des englischen Karikaturisten George Cruikshank heran. Als Beispiel reicht die Karikatur "Fechtstunde" von 1814.

Schadow war sein Leben lang bemüht, ein öffentliches Reiterstandbild König Friedrichs des Großen zu schaffen. Dazu kam es jedoch nie, lediglich einige Standbilder wie zum Beispiel die Bronzestatue Friedrichs mit seinen Hunden oder das Standbild in Stettin wurden von Schadow angefertigt. Weiterhin ist eine Anzahl von Porträtköpfen in der Walhalla bei Regensburg zu erwähnen. Mehrere Porträtbüsten von seiner Hand gibt es unter anderem von Johann Wolfgang Goethe und Christoph Martin Wieland. Die in der Walhalla befindlichen Köpfe haben die anderthalbfache Lebensgröße. Das Reiterstandbild Friedrichs des Großen wurde hingegen durch Christian Daniel Rauch geschaffen. Dazu der Spruch von Schadow: „Mein Ruhm ist in Rauch aufgegangen“, was für seinen Humor spricht.

Zu den erwähnten Porträtköpfen von Goethe und Wieland gibt es folgendes zu sagen: Im Jahre 1801 wurde Schadow bei Goethe in Weimar vorstellig und erlitt eine Abfuhr mit seinem Ansinnen, dessen Kopf zu vermessen, um eine Büste anfertigen zu können. Es war vermutlich die direkte Art, mit der Schadow auf Goethe zuging. Dieses war jenem Großen dieser Zeit nicht genehm, und zudem war er es nicht gewohnt, so angegangen zu werden. Zu der Büste nach den originalen Abmessungen kam es erst 1823. Diese erfolgte nicht, wie lange angenommen, direkt von Goethe, sondern nach der Lebendmaske von Carl Gottlieb Weisser von 1815. Diese befindet sich in der Skulpturensammlung der Alten Nationalgalerie in Berlin. Bei Wieland hingegen hatte er dieses Problem wohl nicht, und somit schuf Schadow mehrere Wielandköpfe, obwohl er auf den 1781 von Martin Gottlieb Klauer geschaffenen hätte zurückgreifen können. Goethes Unmut hatte das indes ebenfalls erregt.

Schadow schuf Grabmäler und Denkmäler, Standbilder, Einzelfiguren, Gruppen und Bildnisbüsten, und weit mehr als 2200 Radierungen und Lithographien. Er veröffentlichte zudem kunsthistorische und theoretische Schriften. Zu seinen bekanntesten Werken gehören:

Grabmal des Grafen Alexander von der Mark (Berlin, Alte Nationalgalerie), 1790, Das Grabmal des Prinzen begründete den Ruf und späteren Erfolg von Schadow als bedeutender Bildhauer seiner Zeit durch die mitfühlende Darstellung des Kindes. Ausführung in Marmor und Aufstellung 1790. Heute in der Alten Nationalgalerie in Berlin. Quadriga (Berlin, Skulpturengruppe auf dem Brandenburger Tor), 1793. König Friedrich Wilhelm II. ließ das Brandenburger Tor im Andenken an seinen Vorgänger Friedrich den Großen als Friedenstor errichten. Höhepunkt ist die das Bauwerk bekrönende Quadriga, ein von der geflügelten Siegesgöttin Viktoria als Friedensbringerin gelenktes Vierergespann vor antikischem Kampfwagen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Tor schwer beschädigt, von der originalen Quadriga ist noch ein Pferdekopf in der Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin erhalten geblieben. Das Brandenburger Tor befand sich ab 1948 infolge der Spaltung Berlins im Grenzbereich von Ost- und West-Berlin. Die Quadriga wurde 1958 in schwieriger Zusammenarbeit beider Stadthälften rekonstruiert.

Schadows Schüler Christian Daniel Rauch hatte drei Jahre vor Schadow gleichfalls eine Goethe-Büste geschaffen, „die den Porträtierten bei allem Realismus als abgeklärten, durchgeistigten und dadurch ins Zeitlos-Gültige erhobenen Olympier zeigt.“ Der Klassizismus Rauchs und seiner Schule verzichtete auf zufällige anatomische und kostümliche Details. Mit geschlossenen Konturen, straffer Oberflächenbehandlung und formaler Stringenz brachte er die Bedeutung des Porträtierten zum Ausdruck. Seine Arbeiten waren bestimmt vom Bildungsideal der deutschen Klassik.

Die Werkstatt, die Rauch nach seiner Rückkehr aus Carrara nach Berlin eingerichtet hatte, wurde unter der Bezeichnung „Lagerhaus“ zur Keimzelle der Berliner Bildhauerschule. Seine Schüler führten seine Kunstauffassung in Europa und in den USA weiter und wirkten ihrerseits schulbildend. Albert Wolff, Gustav Blaeser, Friedrich Drake, Fritz Schaper, Rudolf Siemering, Melchior Zur Strassen, Elisabet Ney und Albert Manthe repräsentieren die Rauchschule in der Berliner Bildhauerschule.

Mit der Euphorie der Reichsgründung 1871 und dem Aufschwung der Gründerzeit entsprach die Nüchternheit der Rauch-Schüler nicht mehr dem Lebensgefühl. In der Kunst gab Reinhold Begas im Neobarock den Bedürfnissen nach Repräsentanz und Überhöhung des Materiellen Ausdruck.

1851 war er Schüler des Bildhauers Christian Daniel Rauch an der Akademie Berlin, die 1815 bis 1850 unter der Leitung von Johann Gottfried Schadow stand. 1848 wurde er Mitarbeiter Rauchs. 1852 errang er einen ersten Erfolg mit dem Gips der Gruppe Hagar und Ismael auf der Akademie-Ausstellung Berlin. Dank eines Stipendiums wurde ihm 1856 bis 1858 ein Romaufenthalt ermöglicht. Dort lernte er Arnold Böcklin und Anselm Feuerbach kennen. Hier entstand 1857 die Marmorgruppe Amor und Psyche, die von einer Skulptur des in Rom tätigen Basler Bildhauers Ferdinand Schlöth beeinflusst ist und in der Nachfolge der klassizistischen Thorvaldsen-Schule steht.

1861 erhielt er einen Ruf an die ein Jahr zuvor gegründete Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar, wo bereits Böcklin lehrte und es zur ersten Begegnung mit Franz Lenbach kam. Er blieb dort bis 1863 und kehrte anschließend nach Berlin zurück. 1863 bis 1864 war er erneut in Rom, 1865 bis 1869 wieder in Berlin. 1868 schuf er die lange verschollene, 2009 in Italien wiederentdeckte Skulptur aus Carrara-Marmor Pan als Lehrer des Flötenspiels, die sich heute im Begashaus in Heinsberg befindet, einem regionalen Museum für die von dort stammende Künstlerfamilie Begas.1869 und 1870 arbeitete er in Rom und Paris. Danach wirkte er zumeist in Berlin, wo er 1883 in den preußischen Orden pour le merite für Wissenschaft und Künste aufgenommen wurde. Seine Berliner Zeit wurde nur kurz von einem Aufenthalt in Rom 1892 unterbrochen.

Er erhielt zahlreiche Aufträge zu Porträtbüsten, Denkmälern und Kleinplastiken. Von 1871 bis zu seinem Tod 1911 war er Mitglied des Vereins Berliner Künstler und Mitglied der Akademie der Künste Berlin, deren Meisteratelier er von 1876 bis 1903 leitete.

Seine monumentalen Arbeiten waren charakteristisch für das preußische Berlin der Kaiserzeit. Insbesondere Kaiser Wilhelm II. schätzte das Pathos der Arbeiten von Begas und verschaffte ihm nach 1888 eine Vielzahl an repräsentativen Aufträgen. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I., enthüllt 1897, die künstlerische Oberleitung an der „Siegesallee“ (1895–1901, zerstört), für die er selbst zwei Gruppen beisteuerte, und das 1901 fertiggestellte Bismarck-Nationaldenkmal vor dem Berliner Reichstag (heute am Großen Stern). Reinhold Begas schuf außerdem 1886 bis 1891 den Neptunbrunnen am Berliner Stadtschloss. Begas wurde auf dem Alten Kirchhof der Zwölf-Apostel-Gemeinde an der Kolonnenstraße beigesetzt.

Seine wichtigsten Werke in Berlin waren die folgenden:

Die aufkommende monumentale Denkmalkunst und die Gestaltung repräsentativer Grabanlagen wie auf dem Dorotheenstädtisch-Friedrichswerderschen Friedhof löste die Formenstrenge zugunsten eines sinnlichen, oft krassen Naturalismus mit starker dekorativer Tendenz auf. Peter Bloch zeigte 1990 eine große Ausstellung zur Berliner Bildhauerschule 1786–1914 und stellte die beiden Strömungen der Schule im Ausstellungstitel plakativ gegenüber: Ethos und Pathos – Ethos der Rauchschule und Pathos der neobarocken Begasschule. Den Neobarock repräsentierten neben Begas selbst vor allem sein jüngerer Bruder Karl Begas sowie Norbert Pfretzschner, Cuno von Uechtritz-Steinkirch und Gustav Eberlein.

Ausdruck der monumentalen Inszenierungen war vor allem das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. auf der Berliner Schloßfreiheit von Begas, 1889–1897. Seinen Höhepunkt fand der Denkmalkultus in der Berliner Siegesallee, der von Teilen der Berliner Bevölkerung als Puppenallee belächelten Prachtstraße des Auftraggebers Wilhelm II. An den 32 Standbildern Brandenburger und Preußischer Herrscher und den 64 Nebenbüsten waren 27 Bildhauer beteiligt, die künstlerische Leitung lag bei Reinhold Begas.

Nach Uta Lehnert wurde die Siegesallee zur „Kraftprobe für die Berliner Bildhauerschule“, die in all ihren Facetten und Strömungen an der Arbeit beteiligt war. Unter den Künstlern war beispielsweise August Kraus, der sich mit Tuaillon, Heising und Gaul gegen den Neobarock der Begasschule formierte, später der Berliner Secession beitrat und zu den Wegbereitern der Moderne zählt. Allerdings hatte die Berliner Secession „für die Bildhauer eine viel geringere Bedeutung als für die malenden Kollegen.“

Hatte Begas noch als Modernisierer gegen die Rauchschule gekämpft, wurde er in der Auseinandersetzung mit den modernen Tendenzen der Bildhauerei zum konservativen Beharrer. Die Monumentalplastik der Moderne setzte dem dekorativen Neobarock unter dem Einfluss von Adolf von Hildebrands theoretischem Werk Das Problem der Form in der bildenden Kunst von 1893 eine konsequente Stilisierung der Form entgegen.

Die summarische Oberflächenbehandlung und Reduktion der Form der neuen Richtung zeigt sich sogar in dem Siegesalleestandbild von Reinhold Felderhoff zu Markgraf Johann II. Felderhoff verzichtete als einziger Bildhauer der kaiserlichen Prachtstraße auf eine Individualisierung des Standbilds. Er schuf eine typisierte, ruhig und ernst zu Boden blickende Kriegerfigur, „die den Typ des Mahnmals vorwegnimmt.“ Auftraggeber Wilhelm II., der in seiner sogenannten Rinnsteinrede die Moderne Kunst als in den Rinnstein niedergestiegen gebrandmarkt hatte, beanstandete die Arbeit nicht. Neben Felderhoff und Kraus gehörten Breuer, Brütt und Cauer zur modernen Richtung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts reichte das künstlerische Spektrum der Berliner Bildhauerschule „von der Pflege der Rauchtradition über den Begasschen Neubarock bis hin zur Moderne.“

Als Vertreter der Berliner Bildhauerei nach 1900 galten zu Beginn vor allem August Gaul oder der Jugendstilkünstler Hugo Lederer, der gemeinsam mit dem Architekten Johann Emil Schaudt das monumentale Bismarck-Denkmal in Hamburg plante und 1902 ausführte. Die literarischen Strömungen Neuromantik und Stilkunst, die sich als Gegenbewegung zu Naturalismus und Moderne verstanden und an die Inhalte der Romantik anknüpften und die auch die Berliner Bildhauerschule vor neue Aufgaben stellte, nahmen Gaul und Lederer nicht auf.

Insgesamt erwies sich die Berliner Bildhauerei vor dem Ersten Weltkrieg im Vergleich zu Entwicklungen in anderen Ländern als relativ kohärent. Der in verschiedenen Städten Europas aktuelle Symbolismus berührte die Berliner Bildhauer fast nicht. Rodin scheint in Berlin kaum wahrgenommen worden zu sein, obwohl er mehrmals auf Secessionsausstellungen vertreten war. Auch die raffinierte Kunst der Wiener Secession blieb in Berlin ohne Einfluss. Lediglich im Frühwerk von Georg Kolbe und bei Arthur Lewin-Funcke, Fritz Klimsch und dem früh verstorbenen Carl Otto zeigen sich ansatzweise Themen des Symbolismus und neue Stilmittel.

Ernst Barlach fand schließlich mit seinen einfachen schweren Formen zu einer neuen Ausdrucksform, zu der er sich in Russland hatte inspirieren lassen. Seine unsentimentalen Darstellungen von Bettlern und Bauern müssen im wilhelminischen Berlin schockierend gewirkt haben. Er findet eine neue, eigene plastische Sprache, die ihn als Expressionisten ausweist. Allerdings blieb der Einfluss Barlachs auf die Berliner Bildhauerschule gering.

Die klassizistische Grundhaltung der Berliner Bildhauerschule klingt vor allem in den Figuren Georg Kolbes und bis in die 1950er Jahre in den Arbeiten und Porträts Richard Scheibes sowie in den Plastiken von Renée Sintenis nach. Sintenis und Scheibe lehrten nach dem Zweiten Weltkrieg an der Berliner Hochschule der Künste, an der es Mitte der 1950er Jahre zu konkurrierenden Positionen kam. Richard Scheibe geriet zunehmend ins Abseits, während beispielsweise Hans Uhlmann mit seinen abstrakten Metallarbeiten – von den Nazis noch als Entartete Kunst diffamiert – in den Vordergrund trat. Die Meisterschülerin Scheibes Katharina Szelinski-Singer schloss sich den neuen Kunsttendenzen nicht an und blieb zumindest mit ihren ersten Werken wie dem Trümmerfrau-Denkmal von 1955 der figürlichen Auffassung Scheibes verbunden. Kunsthistoriker sehen deshalb noch das Werk Szelinski-Singers in einer Linie von Wilhelm Lehmbruck in seiner Berliner Zeit über Georg Kolbe, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Gerhard Marcks und Renée Sintenis bis zu ihrem Lehrer Richard Scheibe in der Tradition der Berliner Bildhauerschule, die laut Helmut Börsch-Supan über alle unterschiedlichen Richtungen hinweg stets das Bemühen um das Menschenbild einte.

An der Erweiterung des Schlosses Charlottenburg war der bekannte Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff auch beteiligt, der auch andere Bauten in Berlin und Potsdam für die preußischen Herrscher schuf.

Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699-1753) war zunächst Soldat, danach Porträt- und Landschaftsmaler, Theaterintendant, Landschaftsgestalter und Innendekorateur, in erster Linie aber Architekt im Dienste Friedrichs II. von Preußen.[6] Sein persönliches Verhältnis zum Kronprinzen und späteren König war gekennzeichnet durch einen harmonischen, beinahe freundschaftlichen Beginn, zunehmende Spannungen und ein halbwegs versöhnliches Ende. In nur etwa zwei Jahrzehnten lieferte er zahlreiche Entwürfe für Schlösser, Bürgerhäuser, Kolonnaden, Obelisken, Parks usw., die das Aussehen der Residenzstädte Berlin und Potsdam stark beeinflussten. Vieles davon wurde verändert oder zerstört, einiges blieb erhalten oder konnte wiederhergestellt werden.

Zur Architektur kam er erst auf einem Umweg, nämlich über die Darstellung von Bauwerken in seinen Bildern. Mehrfach wurde später die malerische Auffassung seiner Architekturentwürfe vermerkt und dabei unterschiedlich bewertet.[7]

Die notwendigen Kenntnisse für seinen neuen Beruf eignete sich Knobelsdorff, nach kurzer Ausbildung bei den Architekten Kemmeter und von Wangenheim, wiederum hauptsächlich im Selbststudium an. „Kavaliersarchitekten“ wie er waren im 16. und 17. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches und genossen durchaus fachliche und gesellschaftliche Wertschätzung. Sie bildeten sich durch unmittelbare Anschauung auf ausgedehnten Reisen und durch das Studium von Kupferstichsammlungen mit Ansichten klassischer und zeitgenössischer Bauten. Knobelsdorffs Vorbilder, die Engländer Inigo Jones (1573–1652) und William Kent (1684–1748) sowie der Franzose Claude Perrault (1613–1688) fanden ebenfalls auf Umwegen zu ihrem Beruf und waren keine jungen Männer mehr, als sie sich der Baukunst zuwandten.

König Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) wurde auf Knobelsdorff aufmerksam und delegierte ihn 1732 in die Umgebung seines Sohnes, des Kronprinzen Friedrich, später König Friedrich II. (Friedrich der Große).[8] Der hatte nach missglücktem Fluchtversuch und Festungshaft in Küstrin von seinem strengen Vater gerade wieder etwas größere Bewegungsfreiheit erhalten. Offenbar versprach sich der König von Knobelsdorff als einem vernünftigen, dazu künstlerisch begabten Edelmann mäßigenden Einfluss auf seinen Sohn. Die Ursachen für das erste Zusammentreffen Knobelsdorffs mit Friedrich werden in anderen Quellen abweichend dargestellt; übereinstimmend wird es auf das Jahr 1732 datiert.[9]

Damals hatte der Kronprinz, als Zwanzigjähriger zum Oberst ernannt, ein Regiment in der Garnisonsstadt Neuruppin übernommen. Knobelsdorff wurde sein Gesprächspartner und Berater in Fragen von Kunst und Architektur. Unmittelbar vor der Stadtmauer entstand nach ihrer gemeinsamen Planung der Amalthea-Garten, darin ein Monopteros, ein kleiner Apollotempel nach antikem Vorbild, seit dem Altertum das erste Bauwerk dieser Art auf dem europäischen Kontinent und Knobelsdorffs erste Probe als Architekt Friedrichs des Großen. Dort wurde musiziert, philosophiert und gefeiert und auch nachdem der Kronprinz 1736 in das nahe Schloss Rheinsberg umgezogen war, suchte er bei seinen Aufenthalten als Kommandeur in der Neuruppiner Garnison den Tempelgarten häufig auf.

1736 erhielt Knobelsdorff vom Kronprinzen Gelegenheit zu einer Studienreise nach Italien, die bis zum Frühjahr 1737 dauerte.[10] Sie führte ihn u. a. nach Rom, in die Gegend um Neapel, nach Florenz und Venedig. Seine Eindrücke sind in einem Reiseskizzenbuch mit annähernd einhundert Bleistiftskizzen festgehalten, allerdings nur von einem Teil der Reise: auf dem Rückweg hatte er sich bei einem Wagenunfall zwischen Rom und Florenz den Arm gebrochen. Einen Geheimauftrag konnte er nicht ausführen – die italienischen Opernsänger, die er nach Rheinsberg verpflichten sollte, waren mit den vorhandenen Geldmitteln nicht zu bezahlen. Im Herbst 1740, kurz nach Friedrichs Regierungsantritt wurde er vom König auf eine weitere Studienreise geschickt. In Paris war er eigentlich nur von den Arbeiten des Architekten Perrault beeindruckt - von der Fassade des Louvre und der Gartenfront des Schlosses von Versailles. Auf dem Gebiet der Malerei nannte er die Bilder von Watteau, Poussin, Chardin und anderen. Auf der Rückreise durch Flandern sah er die Gemälde von van Dyck und Rubens.[11]

Schloss Rheinsberg mit dem kleinen Hofstaat des Kronprinzen wurde ein Ort der heiteren Gemeinsamkeit und der musischen Kreativität – ein Gegenentwurf zur sachlich trockenen Berliner Hofhaltung des Soldatenkönigs. Hier diskutierten Friedrich und Knobelsdorff über Architektur und Städtebau und entwickelten erste Ideen zu jenem umfangreichen Bauprogramm, das nach der Thronbesteigung des Kronprinzen verwirklicht werden sollte. Knobelsdorff fand in Rheinsberg seine erste größere Aufgabe als Architekt. Das Schloss bestand seinerzeit nur aus einem Turm und einem Gebäudeflügel. In einem Gemälde von 1737 hatte Knobelsdorff die Situation vor dem Umbau dargestellt, gesehen vom gegenüberliegenden Ufer des Grienericksees. Nach Vorarbeiten des Baumeisters Kemmeter und in ständiger Absprache mit Friedrich gab Knobelsdorff dem Ensemble seine heutige Form. Er ergänzte die Anlage durch den zweiten Turm und den dazugehörigen Gebäudeflügel und durch die Kolonnade, die beide Türme verbindet.

Das Forum Fridericianum war als bedeutendes Bauvorhaben für den Beginn der fridericianischen Regierungszeit schon in Rheinsberg geplant worden.[12] Der König wünschte sich für Berlin ein neues Stadtschloss, das den Vergleich mit den prächtigen Residenzen europäischer Großmächte aushielt. Knobelsdorff entwarf einen ausgedehnten Komplex mit Innenhöfen, vorgelagertem Ehrenhof und halbkreisförmigen Kolonnaden unmittelbar nördlich der Straße Unter den Linden, davor einen weiträumigen Platz mit zwei frei stehenden Gebäuden – einem Opernhaus und einem Ball(spiel)haus. Bald nach Friedrichs Regierungsantritt im Mai 1740 begannen Bodenuntersuchungen sowie Verhandlungen über Ankauf und Abriss von 54 Häusern, die dem Projekt im Wege standen. Schon am 19. August 1740 wurden alle Vorbereitungen wieder abgebrochen, angeblich war der vorgesehene Baugrund nicht geeignet. In Wahrheit hatten entfernte Verwandte des Königs sich geweigert, ihr Palais, das mitten auf dem geplanten Residenzplatz lag, zu verkaufen.

Mit eigenhändig skizzierten Änderungen auf dem Lageplan versuchte Friedrich II., die Situation zu retten.[13] Als kurz darauf der Erste Schlesische Krieg (1740–1742) begann, musste die Entscheidung über das Forum aufgeschoben werden. Allerdings verlangte der König von Knobelsdorff, noch während des Krieges mit dem Bau des Opernhauses, der heutigen Staatsoper Unter den Linden, zu beginnen. Auch nach Kriegsende stagnierte die Entwicklung des Forums.

Zu Beginn des Jahres 1745 wurde das verstärkte Interesse Friedrichs an Potsdam als zweiter Residenz deutlich, die ursprünglichen Pläne gerieten in den Hintergrund. Die Bebauung des Platzes am Opernhaus, wie er damals genannt wurde, entwickelte sich in anderer Richtung. 1747 begann der Bau der Sankt-Hedwigs-Kathedrale, seit 1748 entstand das Prinz-Heinrich-Palais, zwischen 1775 und 1786 wurde die Königliche Bibliothek errichtet. Der fertige Platz hatte kaum Ähnlichkeit mit dem einstigen Plan, wurde aber schon von Zeitgenossen hoch gelobt und machte auch in dieser Form dem königlichen Bauherrn alle Ehre. Die Begriffe Forum Friedrichs, Friedrichsforum und Forum Fridericianum fanden aber erst im 19. Jahrhundert Eingang in die deutsche Fachliteratur. Offiziell wurden sie für den Platz nie verwendet.

Knobelsdorff war am Bau der St.-Hedwigs-Kirche beteiligt, unklar bleibt, in welchem Umfang.[14] Friedrich II. schenkte der katholischen Gemeinde Berlins die fertigen Baupläne, die wahrscheinlich weitgehend von ihm selbst angeregt und von Knobelsdorff ausgeführt worden waren. Das Opernhaus dagegen war in seiner ursprünglichen Form durchgehend von Knobelsdorff gestaltet worden und gilt als eines seiner Hauptwerke.[15] Bei den Fassaden des äußerlich schlicht gegliederten Gebäudes orientierte sich der Architekt an zwei Ansichten aus Colin Campbells „Vitruvius Britannicus“, einer der wichtigsten Sammlungen architektonischer Stiche mit Werken des englischen Palladianismus. Für das Innere konzipierte er eine Folge von drei bedeutenden Räumen, die unterschiedliche Funktionen hatten, auf verschiedenen Ebenen lagen und unterschiedlich ausgestattet waren: Apollosaal, Zuschauerraum und Bühne.

Durch technische Vorkehrungen konnten sie zu einem gemeinsamen Festsaal zusammengefasst werden. In einer Berliner Zeitung beschrieb Knobelsdorff die technischen Besonderheiten, bemerkte aber auch stolz: „Dieses Theater ist eins von den längsten und breitesten in der Welt“.[16] 1843 brannte das Haus bis auf die Grundmauern nieder. Im Zweiten Weltkrieg erhielt es mehrmals schwere Bombentreffer. Jedes Mal orientierte sich der Wiederaufbau an den Intentionen Knobelsdorffs, doch ergaben sich dabei auch deutliche Veränderungen sowohl der Fassade als auch der Innenräume. Opernhaus und Hedwigskirche waren schon bald nach ihrer Fertigstellung in Lehr- und Handbücher der Architektur aufgenommen worden.

Schon in Neuruppin und Rheinsberg hatte Knobelsdorff gemeinsam mit dem Kronprinzen Gartenanlagen im französischen Stil entworfen. Am 30. November 1741 erging ein Erlass des nunmehrigen Königs Friedrich II., der die Umgestaltung des Berliner Tiergartens zum „Parc de Berlin“ einleitete. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass Baron Knobelsdorff dafür genaue Instruktionen erhalten habe. Der Tiergarten, einst kurfürstliches Jagdgebiet und unter Friedrichs Vater stark vernachlässigt, sollte zum öffentlichen Park und Lustgarten der Residenzstadt umgeformt werden. Um Neuanpflanzungen zu schützen, wurde zunächst einmal mit sofortiger Wirkung verboten, weiterhin Vieh auf das Gelände zu treiben. Das Interesse Friedrichs an dem Projekt war auch an einem späteren Dekret zu erkennen, wonach es untersagt war, größere Sträucher oder Bäume ohne ausdrückliche Erlaubnis des Königs zu entfernen.[17]

Als Voraussetzung zur Umgestaltung des Tiergartens mussten weite Teile zunächst trockengelegt werden. Den notwendigen Entwässerungsgräben ließ Knobelsdorff vielfach die Form natürlicher Wasserläufe geben, eine Lösung, die von Friedrich II. später lobend hervorgehoben wurde.[18] Die eigentlichen Arbeiten begannen mit der Verschönerung der vorhandenen Hauptachse, des Straßenzuges, der in Verlängerung des Boulevards Unter den Linden durch den Tiergarten nach Charlottenburg führte. Die Straße wurde mit Hecken eingefasst, der „Große Stern“, Einmündung von acht Alleen, mit 16 Statuen geschmückt. Südlich davon ließ Knobelsdorff drei so genannte Labyrinthe nach dem Vorbild berühmter französischer Parks anlegen - Teilbereiche mit kunstvoll ornamental verschlungenen Heckenwegen. Besonders im östlichen Teil des Parks, in der Nähe des Brandenburger Tores entstand ein dichtes Netz sich vielfach kreuzender Wege, besetzt mit zahlreichen „Salons“ und „Kabinetten“ - kleinen Plätzen, die mit Bänken und Brunnen gewissermaßen möbliert waren.

Knobelsdorffs Nachfolger, der Königliche Planteur Justus Ehrenreich Sello begann damit, die spätbarocken Anlagen seines Vorgängers im Sinne des neuen, an England orientierten Ideals eines Landschaftsparks zu verändern. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war von Knobelsdorffs Maßnahmen, abgesehen von den Grundzügen des Wegesystems, kaum noch etwas erkennbar. Es bleibt die Tatsache, dass er den ersten, von Beginn an öffentlich zugänglichen Park Deutschlands gestaltet hat.

Zu Beginn des Jahres 1746 hatte Knobelsdorff ein umfangreiches Anwesen am Rande des Tiergartens bei einer Versteigerung günstig erworben. Es lag zwischen dem Großen Stern und der Spree etwa dort, wo heute das Schloss Bellevue steht. Zum Besitz gehörten eine Maulbeerplantage, Wiesen- und Ackerland, Gemüsebeete und zwei Meiereigebäude. Knobelsdorff ließ ein neues Hauptgebäude errichten, ein äußerlich schmuckloses Gartenhaus. Die Wand- und Deckengemälde in mehreren Räumen galten als Geschenk von Antoine Pesne an seinen Schüler und Freund. 1938 wurde das Haus abgerissen.

Auch die baulichen Veränderungen an den drei Schlössern Monbijou, Charlottenburg, Stadtschloss Potsdam gehörten zu dem umfangreichen Programm, das Knobelsdorff im Auftrag Friedrichs II. unmittelbar nach dessen Thronbesteigung oder wenige Jahre danach in Angriff nahm.[19]

Schloss Monbijou, als eingeschossiger Pavillon mit Gartenanlage an der Spree entstanden, war die Sommerresidenz und seit 1740 der Witwensitz der Königin Sophie Dorothee von Preußen, der Mutter Friedrichs des Großen.[20] Für das Repräsentationsbedürfnis der Königin erwies sich der Pavillon mit nur fünf Räumen und einer Galerie bald als zu klein. Unter Leitung von Knobelsdorff wurde der Bau in zwei Phasen zwischen 1738 und 1742 zu einer ausgedehnten symmetrischen Anlage mit Seitenflügeln und kleineren Pavillons erweitert. Kräftig farbige Flächen, Vergoldungen, Ornamente und Skulpturen sollten den langgestreckten Bau strukturieren. Diese Fassung war schon um 1755 verloren. Bis zur weitgehenden Zerstörung des Schlosses im Zweiten Weltkrieg war die Fassade weiß und glatt verputzt. Die Reste des Bauwerks wurden 1959/60 vollständig abgetragen.

Schloss Charlottenburg wurde unter Friedrich Wilhelm I. kaum genutzt.[21] Sein Sohn dachte daran, dort seinen Wohnsitz zu nehmen und ließ es gleich zu Beginn seiner Regierungszeit durch Knobelsdorff vergrößern. So entstand der neue, an das Schloss östlich anschließende Teil des Gebäudes, der Neue Flügel oder Knobelsdorff-Flügel. Er enthält zwei wegen ihrer Ausstattung berühmte festliche Räume. Der Weiße Saal als Speise- und Thronsaal Friedrichs des Großen mit einem Deckengemälde von Pesne macht einen schon beinahe klassizistisch strengen Eindruck. Dagegen kann die Goldene Galerie mit ihrer überaus reichen Ornamentik und ihrer Farbfassung in Grün und Gold als Inbegriff des fridericianischen Rokoko gelten. Der Kontrast der beiden unmittelbar nebeneinander liegenden Säle verdeutlicht die Spannweite der künstlerischen Ausdrucksformen Knobelsdorffs. Das Interesse des Königs an Charlottenburg ließ nach, als er Potsdam als zweite Residenz in Aussicht nahm, dort bauen ließ und schließlich auch dort wohnte. Das Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und nach 1945 weitgehend detailgetreu wieder rekonstruiert.

Das Potsdamer Stadtschloss war 1669 fertiggestellt worden. Nachdem sich die Pläne zum Bau einer neuen Residenz in Berlin zerschlagen hatte, ließ Friedrich der Große das Schloss von Knobelsdorff zwischen 1744 und 1752 umbauen und mit reicher Innenausstattung im Stil des Rokoko versehen.[22] Seine Änderungen an der Fassade zielten darauf ab, dem massiven Bau eine leichtere Anmutung zu geben. Von rot eingefärbten Putzflächen hoben sich Pilaster und Figuren aus hellem Sandstein deutlich ab. Zahlreiche Schmuckelemente wurden hinzugefügt, die blau lackierten Kupferdächer mit reich verzierten Schmuckschornsteinen bekrönt. Viele dieser Details gingen rasch verloren und wurden nicht wieder erneuert. Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Bauwerk schwere Schäden, 1959/60 wurde es vollständig beseitigt. Nach einem Beschluss des Brandenburgischen Landtags soll das Stadtschloss, zumindest in seiner äußeren Form, bis 2011 wieder errichtet werden. Schon seit 2002 steht an historischer Stelle die Kopie eines Teilstücks, des so genannten Fortunaportals.

Am 13. Januar 1745 ordnete Friedrich der Große den Bau eines „Lust-Hauses zu Potsdam“ an.[23] Dafür hatte er recht konkrete Entwurfsskizzen gezeichnet, die er Knobelsdorff zur Ausführung übergab. Sie sahen ein einstöckiges, ebenerdiges Gebäude auf den Weinbergterrassen am Südhang der Bornstedter Höhen im Nordwesten Potsdams vor. Knobelsdorff erhob Einwände gegen das Konzept, er wollte das Gebäude durch ein Sockelgeschoss erhöhen, unterkellern und nach vorn an den Rand der Terrassen rücken - es würde sonst, vom Fuß des Weinbergs aus gesehen, wie in den Boden versunken erscheinen. Friedrich bestand auf seinen Vorstellungen. Auch durch den Hinweis auf die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Gicht und Erkältungen ließ er sich nicht umstimmen; später erlebte er genau diese Unannehmlichkeiten und ertrug sie klaglos. Nach nur zweijähriger Bauzeit wurde das Schloss Sanssouci („Mein Weinberghäuschen“, wie der König es nannte) am 1. Mai 1747 eingeweiht. Friedrich der Große bewohnte es meist von Mai bis September, die Wintermonate verbrachte er im Potsdamer Stadtschloss.

Belege für die künstlerische Vielseitigkeit Knobelsdorffs sind seine dekorativen Entwürfe für Gartenvasen, Spiegelrahmen, Möbel und Kutschen.[24] Derartige Tätigkeiten gipfelten in der Gestaltung repräsentativer Innenräume, etwa des Zuschauerraums der Oper Unter den Linden und der Säle des Schlosses Charlottenburg. Dekorative Ornamentik war eine bedeutsame Kategorie im europäischen Rokoko. Drei französische Meister dieser Kunst, Antoine Watteau, Jules Aurele Meissonier und Jacques de La Joue, hatten dafür Vorlagen geschaffen, die als Kupferstiche und Radierungen weite Verbreitung fanden. Knobelsdorff war offensichtlich besonders von den Arbeiten Watteaus beeinflusst, dessen Motive er schon in Rheinsberg für Spiegel- und Bilderrahmen übernahm und variierte.

Als bestimmend erwies sich dieser Einfluss bei der Gestaltung der Goldenen Galerie im Neuen Flügel des Charlottenburger Schlosses, einem Meisterwerk des friderizianischen Rokoko, das zwischen 1742 und 1746 entstand.[25] Es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und später wiederhergestellt. Der lebenslang naturverbundene Künstler schuf hier einen Kunstraum, der die Natur zitieren und verherrlichen sollte. Gleichzeitig wurde die Szenerie des realen Schlossparks durch Spiegel in den Raum übertragen. Der Saal ist 42 Meter lang, die Wände mit chrysoprasgrünem Stuckmarmor verkleidet, Ornamente, Bänke und Konsolen sind vergoldet. Wände und Decken sind mit einer Ornamentik überzogen, die sich vorwiegend auf pflanzliche Motive stützt. Das Prinzip der Ornamentgrotesken Watteaus – ein Rahmen aus fantasievollen pflanzlichen und architektonischen Motiven umschließt eine Szene von Bäumen und von Figuren bei ländlichen Vergnügungen – hat sichtlich vielfach als Anregung gedient.

Die Französische Kirche ist ein Spätwerk Knobelsdorffs. Für die Gemeinde der Hugenotten entwarf er 1752 einen kleinen Zentralbau mit Anklängen an das römische Pantheon. Die Ausführung lag in den Händen von Jan Boumann, dessen Fähigkeiten als Baumeister Knobelsdorff nicht schätzte, der ihm aber bei Aufträgen in den letzten Jahren mehrfach vorgezogen worden war. Die Kirche hat einen ovalen Grundriss von etwa 15:20 Metern und eine freischwingende Kuppel, die von Karl Friedrich Schinkel noch 80 Jahre später als statisch sehr gewagt bezeichnet wurde. Der schlichte Innenraum wirkte durch eine umlaufende Holzempore wie ein Amphitheater, nach Maßgabe der französisch-reformierten Gottesdienstordnung war er frei von kirchlichem Zierrat – es gab keine Kreuze, kein Taufbecken, keinen Figurenschmuck. Am 16. September 1753, dem Todestag Knobelsdorffs, schenkte Friedrich II. der Potsdamer Gemeinde die fertige Kirche.[26]

Im 19. Jahrhundert veränderte Schinkel die inzwischen schadhafte Innenausstattung. Das Gebäude war auf feuchtem Baugrund errichtet worden, so traten in dichter Folge Schäden auf, die Kirche musste mehrfach jahrelang geschlossen werden, überstand aber schließlich sogar den Zweiten Weltkrieg unzerstört. Eine letzte, umfangreiche Instandsetzung erfolgte in den Jahren 1990 bis 2003.

1753 machte sich Knobelsdorffs langjähriges Leberleiden stärker bemerkbar. Eine Reise in das belgische Heilbad Spa brachte keine Besserung. Knobelsdorff starb am 16. September 1753. Am 18. September fand die Beisetzung in der Gruft der Deutschen Kirche auf dem Gendarmenmarkt statt. Vier Jahre später wurde sein Freund Antoine Pesne neben ihm bestattet.[27]

Beim Umbau der Kirche 1881 verlegte man die sterblichen Überreste auf einen der Friedhöfe am Halleschen Tor, das Grab war durch eine Marmortafel und einen Putto gekennzeichnet. Dieses wurde entweder während eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg zerstört oder kam bei Bauarbeiten zur Verlegung der Blücherstraße abhanden. Heute erinnert nur noch ein schmuckloser Grabstein auf einem Ehrengrab der Stadt Berlin in der Nähe des Friedhofseingangs Zossener Straße an den Künstler.

Als Architekt war Knobelsdorff stark beeinflusst von den Bauten und architekturtheoretischen Schriften Andrea Palladios. Dieser bedeutende italienische Baumeister der Hochrenaissance veröffentlichte 1570 das maßgebliche Werk „Quattro libri dell´architettura“ mit eigenen Entwürfen und zahlreichen Abbildungen antiker Architektur. Von Palladios Anregungen leitete sich ein Baustil ab, der im 17. Jahrhundert im protestantischen bzw. anglikanischen Nordeuropa, vor allem in England verbreitet war.[28]

Anders als das zeitgleiche Barock mit seinen bewegten Silhouetten und konkav-konvexen Fassadenreliefs verwendete der so genannte Palladionismus klassisch einfache und klare Formen. Diesem Prinzip fühlte sich auch Knobelsdorff in fast allen seinen Bauten verpflichtet, jedenfalls soweit es die äußere Form betraf. Die Vorbilder wurden von ihm nicht einfach kopiert, sondern in die eigene Formensprache übertragen (erst nach seinem Tod häuften sich in Berlin und Potsdam die direkten Kopien fremder Fassaden). Im weiteren Sinne war er schon ein Vertreter des Klassizismus, der im engeren Wortsinn in Preußen erst im späten 18. Jahrhundert begann und im frühen 19. Jahrhundert mit Karl Friedrich Schinkel seinen Höhepunkt fand. In der Innendekoration dagegen folgte Knobelsdorff von Anfang an der Hauptströmung der Zeit und lieferte mit seinem an französischen Vorbildern geschulten fridericianischen Rokoko hervorragende Beispiele spätbarocker Dekorationskunst.

Das Verhältnis Knobelsdorffs zu Friedrich II. war ein zentrales Thema seines Lebens. Aus gemeinsamem Interesse an Kunst und Architektur war in Neuruppin und Rheinsberg eine beinahe freundschaftliche Vertrautheit entstanden. Auf Betreiben Friedrichs wurde Knobelsdorff 1739 im Schloss Rheinsberg in die Loge du Roi oder Loge première, die erste preußische Freimaurerloge überhaupt, aufgenommen. Diese nahezu ständige persönliche Nähe, die Konzentration auf wenige Dinge, die beiden wichtig waren, fanden naturgemäß ein Ende, nachdem der Kronprinz 1740 als Friedrich II. den Thron bestiegen hatte und sich auf neuen Gebieten wie Kriegsführung und Staatsverwaltung bewähren musste, deswegen auch Kontakte zu einem weit größeren Kreis von Beratern und Mitarbeitern aufbaute und unterhielt.

Da Friedrich die Qualitäten seines Knobelsdorff kannte und sich viel von ihm versprach, überhäufte er ihn sogleich mit Arbeit, versorgte ihn aber auch mit Titeln und Ehrungen und wies ihm 1741 ein stattliches Wohnhaus in der Leipziger Straße als Dienstwohnung zu.[29] Er erhielt die Oberaufsicht über alle königlichen Bauten, daneben wurde er Intendant der Schauspiele und Musik (bis 1742). Er hatte neben seiner eigentlichen Tätigkeit als Architekt Verwaltungsarbeiten zu leisten und mancherlei Nebensächliches zu erledigen, etwa für ein Feuerwerk im Charlottenburger Schlossgarten zu sorgen, Operndekorationen zu entwerfen und sich um Pferdeställe in Berlin zu kümmern. Obwohl Knobelsdorff in der Regel nur Planskizzen und Ansichtszeichnungen lieferte und die Durchführung erfahrenen Baumeistern und Technikern überließ, wuchs ihm die Arbeit gelegentlich über den Kopf. Der ungeduldige König reagierte dann gereizt.[30]

Ein grundsätzlicher Widerspruch bestand jedoch von Anfang an und trat allmählich stärker zu Tage. Für Knobelsdorff, einen ernsthaften Künstler, standen Architektur und Malerei im Mittelpunkt seiner Existenz. Friedrich der Große war an beiden lebhaft interessiert, hatte sich auch Kenntnisse darin angeeignet, blieb dabei aber ein Außenseiter, für den die Beschäftigung mit Architektur nicht die Hauptsache sein konnte. Bei Gelegenheit verglich er sein Interesse daran mit dem spielerischen Vergnügen eines Kindes an seinen Puppen.

Beide, der König und sein Architekt, waren unbeugsame, manchmal schroffe Charaktere. So wurden aus unterschiedlichen Auffassungen in Sachfragen zunehmend auch persönliche Spannungen. Nachdem Knobelsdorff dem König bei der Planung für Schloss Sanssouci sehr entschieden widersprochen hatte, war er im April 1746 – offiziell aus Gesundheitsgründen – als Verantwortlicher beim Bau des Schlosses ausgeschieden. 1747 wurde in den Abrechnungen des Bauschreibers Fincke, der unter Knobelsdorffs Leitung jahrelang an großen Projekten mitgearbeitet hatte, enorme Unordnung festgestellt.

Dies war der Beginn einer dauerhaften Entfremdung. Zwar wurden Knobelsdorff auch weiterhin die verschiedensten Bauaufgaben übertragen – er entwarf für den Park von Sanssouci die Rehgartenkolonnade und die Neptungrotte, in Potsdam das Neustädter Tor, mehrere Bürgerhäuser, die Französische Kirche, den Obelisken auf dem Markt und manches andere – blieb aber dem königlichen Hof jahrelang fern. Der Versuch einer erneuten Annäherung endete dann mit einem Misserfolg. Der König bestellte ihn im Sommer 1750 nach Potsdam, ärgerte sich aber bald über eine Bemerkung des Architekten und wies ihn an, nach Berlin zurückzukehren. Knobelsdorff machte sich sofort auf den Weg, wurde jedoch auf halber Strecke von einem Feldjäger eingeholt, der ihn aufforderte, umzukehren und sich wieder bei Hof einzufinden.

Friedrich II. hat anscheinend zu allen größeren Bauten, an denen Knobelsdorff beteiligt war, eigene Entwurfsskizzen beigetragen.[31] Nicht immer ist der Umfang seiner Beiträge feststellbar. Wer seinen schöpferischen Anteil beurteilen will, muss auch berücksichtigen, dass die Skizzen des Königs oft schon Resultate gemeinsamer Überlegungen mit seinem Architekten gewesen sein können. Anfangs akzeptierte der junge Kronprinz den 13 Jahre Älteren als seinen Mentor in Fragen von Kunst und Architektur und folgte seinen Vorschlägen.

Später bestand er in einzelnen Punkten häufiger auf den eigenen Ansichten und setzte sie mit der Autorität seiner übergeordneten Stellung auch durch. In den Grundzügen aber stimmten die künstlerischen Auffassungen des Königs sein Leben lang mit denen Knobelsdorffs überein.[32] Noch nach dessen Tod ließ er zum Beispiel den Theaterraum und den Marmorsaal des Potsdamer Stadtschlosses, beide von Knobelsdorff gestaltet, im Neuen Palais von Sanssouci nachbauen – ein Indiz dafür, dass die zuletzt aufgetretenen Spannungen nicht primär auf künstlerischen Differenzen beruhten, sondern auf persönlichen Empfindlichkeiten.

Den 1824/1825 als neapolitanische Villa von Schinkel errichteten Neuen Pavillon hat Friedrich Wilhelm III. nicht gemeinsam mit seiner zweiten Frau, der Fürstin Liegnitz, bewohnt.

Zwei weitere Staffagebauten – das Otahitische Korbhaus (um 1790 von Ferdinand August Friedrich Voß entworfen) und das Gotische Angelhaus an der Spree (1788 von Carl Gotthard Langhans) – mussten wegen ihrer leichten Bauweise häufig repariert werden. 1849/1850 ein letztes Mal erneuert, wurden das Korbhaus 1865 und das Angelhaus 1884 abgerissen.

Nach starken Verwüstungen im Zweiten Weltkrieg sprach sich vor allem die Direktorin der West-Berliner Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, Margarete Kühn, für eine sich dem barocken Zustand annähernde Wiederherstellung des Parterres aus, da es in Deutschland nur wenige, in Berlin aber überhaupt keine barocken Gartenanlagen mehr gab. Dabei entsprechen die 1958 angelegten und 1967/1968 mit Broderie verzierten Flächen nicht dem Originalzustand. Weil dieser als zu pflegeaufwendig galt, wurde die Ornamentik anhand verschiedener barocker Musterbücher gestaltet und im Wegekreuz eine Fontäne geschaffen. Trotz vielfacher Kritik an dieser unhistorischen Konzeption erfolgte 2001 auf Betreiben der Berliner Gartendenkmalpflege die Restaurierung der Gestaltung aus den 1950er Jahren, weil diese Anlage mittlerweile ebenfalls als geschichtliches Zeugnis zu bewerten sei.

Der Schlossgarten dient den Bewohnern der angrenzenden, dicht besiedelten Charlottenburger Altbaugebiete seit langer Zeit als Naherholungsgebiet. Seit 2004 existieren Pläne der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, ein Eintrittsgeld zu erheben. Gegen diese Absichten hat sich die Bürgerinitiative Rettet den Schloßpark! gegründet.

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.).: Schloss Charlottenburg. Amtlicher Führer. 9. Auflage, Potsdam 2002.

Hinterkeuser, G.: Ehrenpforten, Gläserspind und Bernsteinzimmer. Neue und wieder gelesene Quellen zur Baugeschichte von Schloss Charlottenburg (1694–1711), in: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Jahrbuch 3 (1999/2000), S. 65–102

Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg: Sophie Charlotte und ihr Schloss. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, München, London, New York 1999,

Unmittelbar zum Schloss Charlottenburg dazu gehören die beiden Kunstmuseen Sammlung Scharf-Gerstenberg und das Museum Berggruen.

Das Museum Berggruen (auch bekannt als Sammlung Berggruen) gilt als eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen der Kunst der klassischen Moderne, die der Sammler und Kunsthändler Heinz Berggruen in einer „Geste der Versöhnung“ seiner Heimatstadt Berlin zu einem Preis weit unter Wert verkaufte. Vor allem Werke von Pablo Picasso, Alberto Giacometti, Georges Braque, Paul Klee und Henri Matisse sind hier unter einem Dach vereint. Die Sammlung Berggruen gehört zur Berliner Nationalgalerie.

Die Sammlung kam 1996 mit der Rückkehr des Stifters nach sechs Jahrzehnten des Exils in seine Heimatstadt nach Berlin. Sie war zunächst nur eine Leihgabe des Kunstsammlers Heinz Berggruen, der sie in über 30 Jahren aufgebaut hatte. Die seinerzeit auf 1,5 Milliarden Mark geschätzte Sammlung ging im Dezember 2000 für einen als „symbolisch“ eingeschätzten Preis von 253 Millionen Mark an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz über. Heute wird sie unter dem Titel Sammlung Berggruen – Picasso und seine Zeit als Teil der Nationalgalerie an der Schloßstraße im westlichen Stülerbau gegenüber dem Charlottenburger Schloss ausgestellt.

Im Zentrum der Sammlung steht mit mehr als 100 Exponaten das Werk Picassos sowie über 60 Bilder von Paul Klee. Mit mehr als 20 Werken ist Henri Matisse vertreten, darunter mehr als ein halbes Dutzend der berühmten Scherenschnitte. Plastische Ensembles von Alberto Giacometti sowie Beispiele afrikanischer Skulptur runden den Kern der Sammlung ab.

Seit der Eröffnung des Hauses 1996 kaufte Berggruen kontinuierlich weitere Werke an, darunter das vom Museum of Modern Art in New York erworbene bedeutende Picasso-Gemälde Häuser auf einem Hügel (Horta de Ebro) aus dem Jahr 1909. Insgesamt 165 Arbeiten wurden im Dezember 2000 von Heinz Berggruen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übereignet.

Im November 2005 ersteigerte Heinz Berggruen für 13,7 Millionen US-Dollar bei Sotheby’s in New York Picassos Nu Jaune (1907). Die Gouache ist eine der ersten Studien für Les Demoiselles d’Avignon, einem Meilenstein der Kunst des 20. Jahrhunderts.

Aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des Museums und seines endgültig verkündeten Rückzugs ins Privatleben im Alter von 92 Jahren schenkte der Mäzen Heinz Berggruen im Dezember 2006 dem Museum eine Skulptur von Alberto Giacometti, Die Große Stehende Frau III von 1960. Diese hatte bislang als bloße Leihgabe bereits im Stüler-Bau ihren Platz in der Rotunde gehabt. Damit das zwei Meter hohe Bronze-Standbild dem Lebenswerk Berggruens erhalten bleibt, erwarb er es kurzerhand und schenkte es der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Wenige Wochen später starb Berggruen am 23. Februar 2007 in Paris.

Innerhalb eines Jahrzehnts, von 1996 bis 2006, wurde das Museum von 1,5 Millionen Kunstfreunden besucht. Neben der Dauerpräsentation Picasso und seine Zeit wurden auch zahlreiche Themen- und Sonderausstellungen zur Klassischen Moderne der Kunstgeschichte angeboten.

Am 20. November 2013 wurde im Rahmen des Gedenkjahres „Zerstörte Vielfalt“ vor dem Museum die Informationstafel „Die Nachbarn des Schlosses“ zur Geschichte der Stülergebäude – mit besonderer Betonung der Nutzung als Führerschule der Sicherheitspolizei während der NS-Diktatur – aufgestellt.

Die Erben des Kunstsammlers gaben am 16. Juli 2007 bekannt, weitere 50 Werke der klassischen Moderne dem Museum Berggruen zur Verfügung zu stellen und damit die Tradition der Aussöhnung des Vaters mit Deutschland fortsetzen zu wollen. Berggruen hatte nach seinem Transfer zu Weihnachten 2000 weitere Gemälde gekauft, darunter Werke von Picasso, Matisse, Klee und Cézanne. Um die Voraussetzungen für eine Erweiterung zu schaffen, stiftete das Land Berlin das an den westlichen Stülerbau angrenzende Kommandantenhaus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu deren 50-jährigem Bestehen.

Zugleich wurde auch der „Förderkreis Museum Berggruen e. V.“ gegründet, Mitglieder sind neben der Witwe Bettina die Kinder Nicolas, Olivier und, aus erster Ehe, Helen Berggruen und John Berggruen. Weitere Mitglieder sind W. Michael Blumenthal, Peter Raue, Michael Naumann, Simon de Pury, Klaus-Dieter Lehmann und Peter-Klaus Schuster. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erklärte sich umgehend dazu bereit, die laufenden Betriebskosten zu übernehmen.

Nach einem Architektenwettbewerb 2008 wurde das Museum um einen Erweiterungsbau ergänzt und am 16. März 2013 wiedereröffnet. Die beiden denkmalgeschützten Gebäude sind nun durch eine moderne Pergola aus Stahl und Glas verbunden, die das Berliner Architekturbüro Kuehn/Malvezzi entworfen hatte. Die Kosten der äußeren und inneren Baumaßnahmen werden mit 4,2 Millionen Euro angegeben. In den Erweiterungsbau sind rund 60 Kunstwerke aus der Familiensammlung als Leihgaben eingezogen. Darunter befinden sich mehrere Bilder von Picasso, sowie Werke auf Papier von Matisse und Klee. Der Bund übernahm die Baukosten, das Land Berlin stellte das Gebäude und das Grundstück. Bereits im Mai 2008 wurde die Sammlung um weitere 70 Gemälde von der Familie Berggruen vergrößert.

Gegenüber dem Museum steht seit 1901 auf der Mittelpromenade der Schloßstraße das Prinz-Albrecht-Denkmal der Bildhauer Eugen Boermel und Conrad Freyberg.

Die Sammlung Scharf-Gerstenberg zeigt seit Juli 2008 Kunst von der französischen Romantik bis zum Surrealismus. Die Sammlung mit Gemälden, Grafiken und Skulpturen aus dem Besitz der „Stiftung Sammlung Dieter Scharf zur Erinnerung an Otto Gerstenberg“ ist zunächst leihweise für zehn Jahre in den ehemaligen Räumen des Ägyptischen Museums beheimatet und gehört zur Nationalgalerie Berlin.

Das Museum zeigt Werke der „Stiftung Sammlung Dieter Scharf zur Erinnerung an Otto Gerstenberg“. Otto Gerstenberg war Anfang des 20. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Kunstsammler in Berlin. Seine Sammlung wurde teilweise im Krieg zerstört. Andere Teile der Sammlung befinden sich als sogenannte ‚Beutekunst‘ in russischen Museen. Von den in Familienbesitz verbliebenen Kunstwerken erbte sein Enkel Dieter Scharf (1926–2001) eine Sammlung von Grafiken, die den Grundstock für seine eigene Sammlertätigkeit bildete. Kurz vor seinem Tod wandelte Scharf diese Sammlung, die bereits im Jahr 2000 unter dem Titel „Surreale Welten“ in Berlin zu sehen war, in eine Stiftung um. Zunächst ist zwischen der Stiftung und den Staatlichen Museen zu Berlin ein auf zehn Jahre befristeter Dauerleihvertrag vereinbart worden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellt der „Stiftung Sammlung Dieter Scharf zur Erinnerung an Otto Gerstenberg“ hierfür den östlichen Stülerbau in Charlottenburg zur Verfügung.

Die Sammlung Scharf-Gerstenberg befindet sich in der Schloßstraße 70 gegenüber dem heutigen Museum Berggruen (westlicher Stülerbau). Beide Gebäude sind durch den Spandauer Damm vom Schloss Charlottenburg getrennt. Sie gehen zurück auf Entwürfe des preußischen Königs Friedrich Wilhelms IV., die in den Jahren 1851–1859 vom Architekten Friedrich August Stüler umgesetzt wurden. Beide Stülerbauten dienten ursprünglich als Offiziers-Kasernen des Garde du Corps-Regiments. Dem östlichen Stülerbau schließt sich das 1855–1858 von Karl Wilhelm Drewitz errichtete ehemalige Marstall-Gebäude an. Von 1967 bis 2005 dienten der östliche Stülerbau zusammen mit dem Marstall-Gebäude als Ägyptisches Museum. Die Gebäude wurden von 2005 bis 2008 für die künftige Nutzung als Museum Scharf-Gerstenberg unter der Leitung des Architekten Gregor Sunder-Plassmann für zehn Millionen Euro umgebaut.

Zu den Werken der „Stiftung Sammlung Dieter Scharf zur Erinnerung an Otto Gerstenberg“ die Dieter Scharf aus der Sammlung seines Großvaters erbte, gehören Grafiken von Giovanni Battista Piranesi, Francisco de Goya, Charles Meryon, Victor Hugo, Édouard Manet und Max Klinger. Die Arbeiten dieser Künstler bildeten für Dieter Scharf die Grundlage für den Aufbau einer Sammlung des Symbolismus und Surrealismus.

Der Symbolismus bezeichnet eine Kunstströmung der Malerei  und Bildhauerei  des ausgehenden 19. Jahrhunderts, seine Hochphase fällt in die Zeit zwischen ca. 1880 und 1910.

Einen entscheidenden Impuls lieferte das „Symbolistische Manifest“ des französischen Dichters Jean Moréas  im Jahre 1886. Ein Kernsatz dieses Manifests lautete: »Die wesentliche Eigenschaft der symbolistischen Kunst besteht darin, eine Idee niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszusprechen«. Von Frankreich ausgehend breitete sich der Symbolismus über ganz Europa aus, nachdem er erstmals 1889 bei der Weltausstellung  in Paris einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden war.

In der vorausgegangenen Epoche des Realismus  (Hauptvertreter: Gustave Courbet ) vermissten viele Künstler die seelische Tiefe, die ein Kunstwerk ausdrücken müsse. Der Symbolismus wandte sich sowohl gegen die niedere Detailtreue des Naturalismus  als auch gegen die verklärte Schwärmerei der Romantik . Er sieht die Welt und deren Aspekte nur als Symbole einer tieferen Wirklichkeit, und die Kunst als Mittlerin zwischen diesen Ebenen (siehe auch „Tief unten“ von Joris-Karl Huysmans ).

Als Spielweise des Symbolismus wird die Décadence  gesehen, die versuchte, Verfall und Untergang einer Epoche künstlerisch zu begleiten und ihr Heil in überspitzter Sinneslust zu finden.

Der Symbolismus weist zahlreiche Parallelen zum Jugendstil  auf. Beide gelten zusammen als Bindeglied zwischen dem vorangegangenen Impressionismus  und dem nachfolgenden Expressionismus . Außerdem werden Symbolisten auch als Vorläufer der Surrealisten  bezeichnet.

Die Kunsthalle Bielefeld  widmete sich im 1. Quartal 2013 in ihrer Ausstellung „Schönheit und Geheimnis“ der ganzen Bandbreite des Symbolismus in Deutschland um 1900.[1 ]

In den Werken des Symbolismus gibt es besonders Motive der antiken Mythologie  und biblische  Allegorien . Weitere Themen sind von Traum  und Ekstase  durchtränkte Bildinhalte, aufgewühlte Gefühle, Unerklärliches, Krankheit , Tod , Sünde  und Leidenschaft , das Aufzeigen geistiger Wirklichkeit, Phantasie, Vision, Halluzination , Meditation und Empfindung.

Die Symbolisten verherrlichten gleichermaßen das „Reine, Edle und Erhabene“ im Sinne der Präraffaeliten , wie die „dunkle Seite“ um die Themenkomplexe Sünde , Geschlecht, Tod und Teufel. Motive der ersten Richtung sind Engel, Hirtenidyllen , religiöse Motive, und „reine und keusche “ meist in lange, weiße Gewänder gehüllte Frauengestalten. [2 ] Typische Vertreter z. B. sind Pierre Puvis de Chavannes , Maurice Denis , oder Michail Wassiljewitsch Nesterow  sowie Michail Alexandrowitsch Wrubel .

Surrealismus bezeichnet eine geistige Bewegung, die sich seit den 1920er Jahren als Lebenshaltung und Lebenskunst gegen traditionelle Normen äußert. Sie findet bis in die Gegenwart sowohl philosophisch als auch in den Medien, Literatur, Kunst und Film ihren Ausdruck. Im Unterschied zum satirischen Ansatz des Dada  werden gegen die herrschenden Auffassungen vor allem psychoanalytisch  begründete Theorien verarbeitet. Traumhaftes, Unbewusstes , Absurdes und Phantastisches sind daher Merkmale der literarischen, bildnerischen und filmischen Ausdrucksmittel. Auf diese Weise sollen neue Erfahrungen gemacht und neue Erkenntnisse gewonnen werden.[1 ]

Das Wort „Surrealismus“ bedeutet wörtlich „über dem Realismus [2 ] Etwas, das als surreal bezeichnet wird, wirkt traumhaft im Sinne von unwirklich.[2 ] Die vom französischen Schriftsteller und Kritiker André Breton  seit 1921 in Paris geführte surrealistische Bewegung suchte die eigene Wirklichkeit des Menschen im Unbewussten und benutzte Rausch- und Traumerlebnisse als Quelle der künstlerischen Eingebung. Sie bemühte sich darum, das Bewusstsein und die Wirklichkeit global zu erweitern und alle geltenden Werte umzustürzen. Logisch-rationale „bürgerliche“ Kunstauffassungen wurden radikal und provokativ abgelehnt. Der Surrealismus wird daher als anarchistische , bzw. revolutionäre  Kunst- und Weltauffassung bezeichnet.

Die Bezeichnung „Surrealismus“ geht auf Guillaume Apollinaire  zurück. Ganz im Sinne des Grundgedankens der Bewegung, erfand Apollinaire diese Bezeichnung. Er wolle mit diesem unbekannten, und daher symbolisch unbelasteten Wort eine Tendenz der gegenwärtigen literarischen und bildnerischen Aktivitäten benennen, schrieb er in der Einleitung seines Theaterstückes Les mamelles de Tirésias (Die Brüste des Tiresias). Es trägt den Untertitel „ein surrealistisches Drama“. Es wurde im Juni 1917 uraufgeführt[3 ] und später von Francis Poulenc  als Grundlage seiner gleichnamigen Oper  verwendet. Im Mai desselben Jahres hatte Apollinaire den Begriff bereits im Programmzettel zum Ballett Parade  erwähnt.[4 ] 1924 übernahm Breton das Wort Surrealismus als Namen für die bereits vorhandene Bewegung.

Ausgehend von der dadaistischen  Bewegung in Paris war auch der Surrealismus eine revolutionäre Bewegung, die gegen die unglaubwürdigen Werte der Bourgeoisie  antrat. Im Unterschied zum satirischen  Dadaismus wurde im Surrealismus eine neuartige Sicht der Dinge propagiert. Die künstlerischen Ausdrucksmittel waren vom Symbolismus , Expressionismus , Futurismus , den Schriften Lautréamonts , Arthur Rimbauds , Alfred Jarrys  und den Theorien Sigmund Freuds  beeinflusst.

Man kann den Surrealismus in zwei Unterarten unterteilen:

Die Gründungsmitglieder der surrealistischen Bewegung entstammten der Generation vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Denken, Literatur, Kunst und Musik hatten sich vielerorts schon von Traditionen verabschiedet und es entwickelten sich neue Ausdrucksmittel. Die metaphysische Malerei des Italieners Giorgio de Chiricos  beeindruckte denkende, dichtende und malende Künstler, die sich später in den Reihen der Surrealisten wiederfanden. Für ihn sei wichtig, was er sehe, schrieb er; am wichtigsten sei aber das, was er mit geschlossenen Augen sehe. Vermutlich war es diese Verbindung zwischen Vorgestelltem und sinnlich Wahrgenommenem in seinen Bildern, die Surrealisten faszinierte.

Ein weiterer Einfluss auf die Entstehung der surrealistischen Bewegung ging vom Dada aus. Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges  verstärkten diese Bewegung. Die Zeit vor dem Krieg war von den jugendlichen Surrealisten, die sich damals noch Supranaturalisten nannten, als unbeschwert und frei erlebt worden. In Paris waren internationale Gruppen entstanden, die sich miteinander im Gespräch befanden. Der Krieg unterbrach es. Die Erfahrungen dieses Krieges mit zigtausenden Toten und der Einbruch in soziale Beständigkeiten wirkten traumatisierend und forderten zur Stellungnahme heraus. Kriegsheimkehrer gründeten Zeitschriften wie SIC, Nord-Sud und Dada, die der dadaistischen Bewegung wieder eine Stimme gaben, die sich nicht dem Chor der Kriegsheldenverehrung anschließen wollte.

Wenige Jahre später kam es zum Bruch mit dem Dada. 1922 rief Bréton den Congrès de Paris ins Leben, um eine Richtung für die verschiedenen Formen der modernen Kunst vorzugeben. Der Kongress, mit parlamentarischer Satzung, sollte unter Polizeischutz stattfinden.

Für Tristan Tzara , den Führer des Dada stellte Bretons Vorgehen einen Affront dar, weshalb er die Einladung zum Kongress „in aller Freundlichkeit“ ablehnte. Breton wiederum ging nun Tzara öffentlich scharf an und bezeichnete ihn „als einen Schwindler, der nichts mit der Erfindung Dada zu tun habe.“ Der Vorfall artete zu einer Zerreißprobe der Mitglieder aus und bedeutete quasi das Ende der Dada-Bewegung.

In einer Julinacht im Jahr 1923 kam es schließlich im Pariser Théâtre Michel zu Handgreiflichkeiten, als Tristan Tzaras Schauspiel Le Cœur à Gaz aufgeführt werden sollte. Tzaras frühere Freunde Louis Aragon , Benjamin Péret  und Breton stürmten die Bühne und griffen die Darsteller an.[6 ]

Das Ende des Ersten Weltkriegs kann als Zeitpunkt der Entstehung der Bewegung in Frankreich gelten, die ab 1924 unter dem Namen Surrealismus das sozialpolitische Denken  und die Literatur  beeinflusste. Als französische Bewegung in Politik , Kunst  und Literatur ist sie auf die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen begrenzt. Andererseits gehört sie als geistige Bewegung zur europäischen Geistesgeschichte . Sie enthält Auffassungen, die auch schon in der Vergangenheit - z. B. in der Romantik  - auftauchten. Es ging dabei stets um Alternativen  zu traditionellen Auffassungen. Inzwischen sind surrealistische Auffassungen weltweit verbreitet.[7 ]

André Breton war eng mit der Entstehung der surrealistischen Bewegung in Frankreich verbunden. In der Anfangszeit zeigte sich der Surrealismus als philosophisch-literarische Bewegung. André Breton, Louis Aragon  und Philippe Soupault  gaben die Zeitschrift Littérature heraus. Hier wurden surrealistische Ideen  veröffentlicht und diskutiert. Die Zahl der Beiträge nahm zwischen 1922 und 1924 stark zu. Breton zeigte sich zunehmend als Wortführer. Kreativität, so propagierte er, hänge davon ab, ob es gelänge, sich von den Lasten der Vergangenheit und realistischen Strukturen zu befreien. Die Fantasie solle die ausschließliche Inspiration sein. Die Kontrolle durch die Vernunft  sei dabei überflüssig. Dieser Rahmen ermöglichte es Dadaisten und Surrealisten sich ihm anzuschließen. Im Zusammenhang mit politischen Entwicklungen - wie den revolutionären Veränderungen in Russland , der Gründung der KPF  und dem Hervorkommen des Faschismus  - entschied Breton Ende der 1920er Jahre, dass Surrealisten sich politisch engagieren sollten. Seinen Höhepunkt hatte diese Auseinandersetzung 1930 mit Bretons „Zweitem surrealistischen Manifest“, in welchem dieser auf eine klare Stellungnahme der Künstler gegen den sich ausbreitenden Faschismus in Europa hinwirken wollte.[8 ] Breton sagte sich von allen los, die seine revolutionäre Auffassung nicht teilten und behandelte sie als Gegner. Von nun an war die surrealistische Bewegung in die Gruppe der Revolutionäre und in die Gruppe derjenigen gespalten, die jahrelang dazu beigetragen hatten, surrealistische Ausdrucksmittel zu erfinden.[9 ]

Zu Bretons grundsätzlichen Gedanken, die auch seine Anhänger teilten, gehörte die Auffassung, dass es keine objektiv  gegebene äußere Wirklichkeit gibt.[10 ] Folglich kann die Sprache  die Welt nicht objektiv darstellen, wie traditionell angenommen wurde. Die Symbolik  der herrschenden Sprache  ermöglicht weder neue Erfahrungen  noch neue Erkenntnisse . Surrealistische Schriftsteller sollten daher eine neue Sprache erfinden,

Breton veröffentlichte 1924 sein erstes Manifeste du Surréalisme  in Paris und dominierte in der Folge die Bewegung. Für die Dauer der Bewegung blieb das Manifest maßgebend, im sogenannten „zweiten surrealistischen Manifest“ von 1929 wurden nur geringfügige Änderungen vorgenommen.[6 ] Die Zeitschrift Littérature wurde eingestellt, um La Révolution  surréaliste , dem Forum der neuen Bewegung, Platz zu machen. Ein „Büro für surrealistische Forschungen“ in der rue de Grenelle 15 rundete die Institutionalisierung ab.[13 ]

Die Bilder der Surrealisten haben oft traumhafte und abstrakte Wirkung. Ein vielbehandeltes Bildthema der surrealistischen Malerei ist beispielsweise Die Versuchung des Heiligen Antonius , unterstützt durch den Bel-Ami-Wettbewerb  von 1946, an dem viele bekannte Künstler der Zeit, wie Max Ernst, Salvador Dalí und viele andere teilnahmen. Ernst wurde der erste Preis zuerkannt.

Bevorzugte Arbeitsweisen waren: Das Bewusstsein durch Traum, Schlaf oder Rauschmittel abschalten und Unbewusstes in einem automatischen, nicht gesteuerten Schaffungsprozess zum Ausdruck kommen lassen sowie eine übergenaue Malweise, Verfremdung oder Kombination unmöglicher Dinge und Zustände, welche die Wirklichkeit übersteigen.

Das Verfahren, mit dem schreibend und zeichnend experimentiert wurde, war das Automatische Schreiben  (Écriture automatique), das spontan und ohne Einschränkungen des Bewusstseins sein sollte. In gewollter Trance  und in Traumprotokollen sollten Ängste und Begierden ohne Zensur des Bewusstseins deutlich werden und Figuren ohne Erinnerung an bereits vorhandene Bilder freisetzen.[14 ]

Politische Streitigkeiten hatten zur Auflösung der Gruppe der Surrealisten nach 1928/29 beigetragen. Trotz einer Wiederbelebung während der Jahre der Résistance  (1940–44) kann nach dem Zweiten Weltkrieg von einer surrealistischen Bewegung kaum noch die Rede sein. Unter dem französischen Einfluss fasste der Surrealismus besonders in Spanien  und in den Vereinigten Staaten  Fuß. Auch im deutschen Sprachraum wurden surrealistische literarische Texte von Autoren wie Alfred Kubin , Hermann Kasack  u. a. geschrieben. Der Surrealismus hat auch in der Literatur seinen Einzug erhalten. Dort konnte mit Hilfe von literarischen Impulsen aus der deutschen Romantik und des französischen Symbolismus und unter der Einbeziehung der zeitgenössischen Wissenschaften, wie Psychiatrie und Psychoanalyse  die Literatur als Medium der Weltveränderung und Selbsterkenntnis neu definiert werden. So hat der Surrealismus eine nachhaltige Wirkung auf verschiedenste Werke zeitgenössischer Kunst und Literatur, wie zum Beispiel auf die seit etwa 1950 entstandene konkrete und abstrakte Dichtung.

Texte und Ideen von René Magritte  hatten später großen Einfluss auf die Konzeptkunst , z. B. Marcel Broodthaers . Die Situationisten  beriefen sich in den 1960er Jahren bei ihrem Angriff auf die Wirklichkeit auch auf die Surrealisten.

Heute wird jeder Stil als surrealistisch bezeichnet, der Reales mit Traumhaftem oder Mystischem verbindet. So beansprucht auch das Irreale oder der sinnlose Zusammenhang den gleichen selbstverständlichen Realitätscharakter wie die alltägliche Wirklichkeit, die selbst oft surreal oder absurd  scheint. Surrealistische Bild- und Traumwelten haben durch Werbung  und Massenmedien  als kommerzielle Produkte den Weg in den Alltag gefunden (z. B. zeitgenössisches Spielzeug ). Doch auch in der zeitgenössischen Malerei ist der Surrealismus (wieder) lebendig.[15 ]

Obwohl die Bezeichnung „Surrealismus“ historisch die Künstlergruppe um Breton meint, gibt es auch in der Nachfolge viele andere Gruppen und Einzelpersonen, die den Namen aufgenommen haben.

Bereits 1947 gründete Christian Dotremont  die kurzlebige Revolutionary Surrealist Group; 1948 schloss er sich mit Asger Jorn  und mehreren anderen Künstlern zu der Gruppe COBRA  zusammen. Parallel zu COBRA entwickelte sich in Frankreich um Isidore Isou  der vom Surrealismus beeinflusste Lettrismus .

Mitglieder dieser verschiedenen Gruppierungen schlossen sich schließlich in den 1950er Jahren zu der Situationistischen Internationalen  zusammen, die ein komplexes Verhältnis zum Surrealismus aufrechterhielt. Einige Situationisten wie Asger Jorn, Charles Radcliffe  und Raoul Vaneigem  waren offen erkennbar vom Surrealismus beeinflusst und reflektierten diesen, während andere wie Guy Debord  sich davon distanzierten. Während surrealistische Techniken noch ein Bestandteil des Konzeptes waren, war der politische Anspruch im Situationismus oftmals vorrangig.

Ähnlich politisch motiviert war die 1966 gegründete Chicago Surrealist Group.[16 ] Auch in Europa entstanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Künstlergruppierungen, wie die polnische Orange Alternative , die surrealistische Konzepte in politischen Aktionen umsetzten.

Aktuell beziehen sich zahlreiche Gruppen wie das International Massurrealism Movement, das OFFAL Project in New York oder die Surrealist London Action Group explizit auf surrealistische Ideen. Auch in der Malerei werden surrealistische Motive und Techniken weiterhin aufgegriffen, wie beispielsweise durch Wolfgang Lettl  und Frank Kortan .

Der Comte de Lautréamont  gilt als „Großvater“ des Surrealismus. André Gide  sah es als bedeutendstes Verdienst von Louis Aragon , André Breton und Philippe Soupault  an, seine „literarische und ultraliterarische Bedeutung“ erkannt und verkündet zu haben. 1920 nahm Man Ray  die berühmt gewordene Stelle aus dem 6. Gesang als Ausgangspunkt für sein Werk „The Enigma of Isidore Ducasse“ (Das Geheimnis des Isidore Ducasse). Die Gesänge des Maldoror  inspirierten zahlreiche weitere surrealistische Künstler, darunter Salvador Dalí, René Magritte , Victor Brauner , Oscar Dominguez , Joan Miró  und Yves Tanguy . In unmittelbarer Anlehnung an Lautréamonts „zufällige Begegnung“ hat Max Ernst die Struktur des surrealistischen Bildes definiert: „Collage-Technik ist die systematische Ausbeutung des zufälligen oder künstlich provozierten Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene – und der Funke Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten überspringt.“[17 ]

Die Klassiker des surrealistischen Films sind Ein andalusischer Hund  (Un chien andalou) und Das goldene Zeitalter  (L’Âge d’Or) von Luis Buñuel  und Salvador Dalí . Letzterer verursachte bei seiner Aufführung im Jahre 1930 einen Skandal, als rechtsgerichtete Gruppierungen Farbbeutel gegen die Leinwand warfen und surrealistische Bilder zerstörten. Zur Aufrechterhaltung der Ruhe wurde der Film für Jahrzehnte verboten.

Antonin Artaud , Philippe Soupault  und Robert Desnos  schrieben Drehbücher für surrealistische Filme. Alfred Hitchcock  ließ eine Traumsequenz seines Films Spellbound  („Ich kämpfe um dich“) von Salvador Dalí gestalten. Verwandtschaft zeigen die Filme von Viking Eggeling , Hans Richter  und Fernand Léger .

Neben Gemälden von Salvador Dalí, Jean Dubuffet, Max Ernst, René Magritte, André Masson, Gustave Moreau, Odilon Redon, Henri Rousseau und Yves Tanguy, sowie Skulpturen von Max Ernst, Jacques Lipchitz, Henri Laurens und Antoni Tàpies liegt der Schwerpunkt der Sammlung Scharf, wie beim Vorbild Otto Gerstenberg, auf grafischen Arbeiten. Zu den weiteren Künstlern der Sammlung gehören Gerhard Altenbourg, Willi Baumeister, Hans Bellmer, Victor Brauner, Paul Éluard, James Ensor, Alberto Giacometti, George Grosz, Horst Janssen, Paul Klee, Fernand Léger, André Masson, Joan Miró, Edvard Munch, Richard Oelze, Francis Picabia, Pablo Picasso, Kurt Schwitters, Georges Seurat, Mark Tobey und Wols.

Die Sammlung Scharf-Gerstenberg schließt sich thematisch an die Sammlung „Picasso und seine Zeit“ im gegenüberliegenden Museum Berggruen an, wobei einzelne Künstler wie Picasso, Klee und Giacometti in beiden Sammlungen vertreten sind. Bis zur Fertigstellung des vierten Ausstellungsflügel des Pergamonmuseums sind im Museum Scharf-Gerstenberg auch das Kalabscha-Tor und die Säulen des antiken Sahuré-Tempels aus der Sammlung des Ägyptischen Museums zu sehen.

Schloss Versailles

Als Ludwig XIV. 1661 die Herrschaft antrat, war Frankreichs Staatshaushalt durch den letzten Krieg mit Spanien stark angespannt.[33] Ludwig förderte enorm den Geldkreislauf, indem er große Summen für seine Kriege, für das Hofleben, Kunst und Kultur ausgab. Große Geldmengen verschwanden durch Korruption in der französischen Bürokratie. Ludwig selbst schreibt: „Als Mazarin starb, da herrschte viel Unordnung in der Verwaltung meines Königreiches.“ Ludwig XIV. setzte sich zum Ziel dieses Chaos auszurotten und klare Ordnung in den staatlichen Strukturen Frankreichs herzustellen. Als erstes ließ er 1661 seinen Finanzminister (Oberintendanten der Finanzen) Nicolas Fouquet verhaften, weil sich dieser an den Einnahmen des Staates bereichert hatte, um das luxuriöse Schloss Vaux-le-Vicomte erbauen zu können. Ein deutliches Zeichen an dessen Nachahmer.

Ludwig XIV. ernannte daraufhin Jean-Baptiste Colbert, den bekanntesten Förderer des Merkantilismus, zu seinem Generalkontrolleur der Finanzen.[34] Das Amt des Finanzministers wurde abgeschafft und durch einen Finanzrat ersetzt, dem der König und Colbert persönlich vorstanden. Etwas Unerhörtes zu dieser Zeit, denn ein König hatte sich damals eigentlich nicht um etwas so Unschickliches wie Geld zu kümmern. Indem Colbert die Korruption bekämpfte und die Bürokratie neu organisierte, konnte er die Steuereinnahmen mehr als verdoppeln, ohne neue Steuern erheben zu müssen. So war es Ludwig möglich, bereits am Anfang seiner persönlichen Regierung eine Steuersenkung zu erlassen und so ein schnelleres Wachstum der französischen Wirtschaft zu erreichen.[35]

Die Wirtschaft wurde durch die Einrichtung von Handelskompanien und Manufakturen gefördert.[36] Besonders die französische Luxusindustrie wurde bald führend in Europa und darüber hinaus. Mit Waren wie Gobelinteppichen, Spiegeln, Spitzen, Goldschmiedearbeiten und Möbeln, die in ganz Europa begehrt waren, erzielte die Krone Spitzenprofite. Nach innen wurde Nordfrankreich einer Zollunion unterworfen, um so innerfranzösische Handelshemmnisse abzubauen. Colberts Versuche eine einheitliche Zollbarriere für das ganze Königreich zu erwirken, scheiterten jedoch an lokalen Handelsprivilegien.[37]

Das französische Steuersystem enthielt Handelssteuern (aides, douanes), Salzsteuer (gabelle) und Landsteuer (taille). Durch veraltete Regelungen aus dem Feudalismus waren der Adel und der Klerus von diesen direkten Steuern befreit, die von der Landbevölkerung und der aufstrebenden Mittelklasse (der Bourgeoisie) aufgebracht werden mussten. Vermutlich wurde die Französische Revolution auch vom Ärger über dieses alte Steuersystem genährt. Allerdings ist unter Ludwig XIV. die Tendenz festzustellen, den Adel und Klerus der direkten Steuer zu unterwerfen. Zur Zahlung der indirekten Steuern waren diese ohnehin verpflichtet. Der König führte die „capitation“ – eine Kopfsteuer – ein, von der die unteren Schichten kaum erfasst wurden, aber von der die beiden oberen Stände in vollem Umfang betroffen waren. Selbst die Prinzen von Geblüt und der Dauphin mussten den höchsten Steuersatz zahlen. Auf diese Weise wurde der Hochadel zum ersten Mal unvermittelt an der Finanzierung des Staates beteiligt.[38]

Beim Tode Ludwig XIV. war Frankreich das reichste Königreich Europas mit überdurchschnittlichen Staatseinnahmen, welche die Finanzen anderer Staaten bei weitem übertraf. Allerdings betrugen die Staatsschulden durch die harten Anforderungen des Spanischen Erbfolgekrieges 3,5 Milliarden Livres; als Ludwig im Jahr 1715 starb betrugen die Steuereinnahmen 69 Millionen und die Staatsausgaben 132 Millionen Livres. Dies änderte aber nichts an der enormen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Frankreich verfügte über das zweitgrößte Handelsvolumen und eine deutlich positive Handelsbilanz; nur die Holländer vermochten höhere Gewinne mit ihren internationalen Handelskompanien zu erzielen. Frankreich war ein strukturell stabiles und ressourcenstarkes Land, das mit über 20 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Europas war.[39]

Eine wichtige Rolle in Ludwigs Politik spielten auch die katholischen Würdenträger Jacques Bossuet und François Fénelon. Jacques Bénigne Bossuet war französischer Bischof und Autor. Nach der Priesterweihe und dem Doktorat 1652 wurde er Kanonikus (Domherr) im 1633 von Frankreich annektierten Metz, wo sein Vater ein Richteramt am neu gegründeten Parlement erhalten hatte. Hier machte er sich die Bekämpfung des Protestantismus zur vordringlichen Aufgabe und publizierte 1655 seine erste Schrift, die gegen den protestantischen Pfarrer Ferri gerichtete Réfutation du catéchisme de Paul Ferri. Daneben hielt er sich aber häufig auch in Paris auf und war dort Schüler des großen Predigers der Caritas Saint Vincent de Paul (1581–1660).

Ab 1660 lebte er ganz in Paris und machte sich rasch einen Namen als Kanzelredner und Panegyriker.[40] 1662 durfte er im Louvre vor König Ludwig XIV. und dem Hof die Fastenpredigt halten. Hiernach war er in Mode, obwohl er sich nicht scheute, gelegentlich den jungen König zu mehr Sittenstrenge zu ermahnen oder die Reichen an ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Armen zu erinnern. Immer öfter wurde er auch gebeten, die Totenmesse für hochstehende Verstorbene zu zelebrieren und dabei eine Trauerrede zu halten, zum Beispiel 1667 für Anna von Österreich, die fromme Königin-Mutter, oder 1670 für Henriette d'Angleterre, die jungverstorbene Schwägerin Ludwigs. 1669 wurde er zum Bischof der kleinen Diözese Condom in Südwestfrankreich ernannt, die er aber weitgehend von Paris aus verwalten konnte. 1671 wurde er Mitglied der Académie Française.

Kurz zuvor (1670) war er zum Hauslehrer (précepteur) des Kronprinzen (Dauphin) Louis berufen worden (der 1711 vor seinem Vater Ludwig XIV. starb, d.h. nicht den Thron bestieg). Für seinen königlichen, jedoch nicht allzu bildungshungrigen Zögling verfasste er im Lauf seiner insgesamt zehn Präzeptorjahre eine Reihe von Traktaten: eine Exposition de la doctrine catholique („Darlegung der katholischen Lehre“), eine Regierungsanleitung La Politique tirée des propres paroles de l'Écriture Sainte („Die Politik, gezeichnet nach den eigenen Worten der Heiligen Schrift“); weiter den philosophisch-theologischen Traité de la connaissance de Dieu et de soi-même („Traktat über die Erkenntnis Gottes und seiner selbst“) und vor allem den Discours sur l'histoire universelle („Abhandlung über die Weltgeschichte“, 1681), eine kurzgefasste Geschichte der Welt, in der Bossuet als lenkende Kraft aller materiellen und ideellen Ursachen und Wirkungen den Willen Gottes zur Ausbreitung des Christentums und zum ewigen Heil der Menschen darstellt. Der Discours ist der letzte große Versuch einer Deutung der Geschichte als Heilsgeschichte, an der sich u. a. auch Voltaire abgearbeitet hat.[41]

1681, nach der Heirat des Dauphins, wurde Bossuet zum Bischof von Meaux ernannt. Obwohl er sein Amt sehr ernst nahm, war er weiterhin oft in Paris und Versailles, beschäftigt u.a. mit Predigten und Trauerreden (zum Beispiel 1687 beim Tod des zum Königshaus gehörenden Prince de Condé). 1689, nachdem er seine Rolle als Redner (vielleicht auch aus stimmlichen Gründen) für beendet erklärt hatte, erschien erstmals eine Auswahl seiner Reden im Druck. Sie prägte sein Bild in der Literaturgeschichte.

Bossuet war aber auch, dank seiner langen Nähe zum König und seiner intimen Kenntnis der Verhältnisse am Hof, sehr aktiv in der Politik im engeren und weiteren Sinne, die er durch direkte Einwirkung sowie mittels zahlreicher Schriften zu beeinflussen suchte.[42] Als Mitglied des Grand Conseil de l'Église de France wuchs er zunehmend in die Rolle eines Primas der französischen Bischöfe hinein und wurde bekannt als streitbarer „Adler von Meaux“. Als dieser half er 1682 die Rechte Roms in Frankreich gegen die der Krone abzugrenzen und einzuschränken (Gallikanismus). Zugleich bekämpfte er an allen Fronten den Protestantismus, zum Beispiel mit einer Histoire des variations [Veränderungen] des Églises protestantes (1688), worin er die widerstreitenden Lehrmeinungen und Spaltungen der protestantischen Kirchen aufzeigt, um die Einheitlichkeit der katholischen Lehre herauszustellen. 1685 war er nicht unbeteiligt an der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes, mit dem Heinrich IV. 1598 den Protestanten Religionsfreiheit und bürgerliche Gleichberechtigung zugestanden hatte. 1687 stellte er sich in der Querelle des Anciens et des Modernes, einem von Charles Perrault ausgelösten, kulturpolitisch motivierten Literatenstreit, auf die Seite der Traditionalisten unter Nicolas Boileau.

Daneben schrieb er gegen den Jansenismus und bekämpfte vor allem den mystisch frommen Quietismus, der um 1690 von Jeanne Marie Guyon du Chesnoy ausgegangen war und im kriegsgeschüttelten und verarmenden Frankreich rasch Verbreitung und Sympathisanten fand, darunter einen anderen Bischof, Kronprinzenpräzeptor und Autor: François Fénelon.[43]

1694 griff Bossuet mit seinen Maximes et réflexions sur la comédie auch das Theater an, das Sitten und Seelen verderbe, und trug damit zur Erstarrung des geistigen Lebens Frankreichs in der Spätzeit Ludwigs XIV. bei. In seinen letzten Jahren musste er erleben, wie zahlreiche der von ihm bekämpften Strömungen nicht nur nicht verschwanden, sondern sogar an Einfluss gewannen. Ende des 17. Jahrhunderts sprach Bossuet mit dem lutherischen Abt Gerhard Wolter Molanus am Loccumer Hof in Hannover über Möglichkeiten zur Wiedervereinigung der beiden Konfessionen.

François de Salignac de La Mothe-Fénelon war französischer Erzbischof, Schriftsteller und auch ein Gegner des hugenottischen Glaubens.[44]

Nachdem er als junger Priester durch schöne Predigten auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurde Fénelon 1678 zum Direktor des Institut des Nouvelles Catholiques ernannt, einer Pariser Internatsschule zur Erziehung junger Mädchen aus guter Familie, deren Eltern zum Katholizismus konvertiert waren. 1681 reflektierte er seine pädagogische Praxis im Traité de l’éducation des filles (= Traktat über die Mädchenerziehung, publiziert erst 1687). Ende 1685, nach der Aufhebung des 1598 von Heinrich IV. erlassenen Toleranzedikts, unternahm er eine erste von mehreren Missionsreisen in die damals protestantischen Regionen Südwestfrankreichs, die offenbar aber nur mäßig erfolgreich waren.

Kurz zuvor (1685) war er mit einer ersten theologischen Schrift hervorgetreten, dem anti-jansenistischen Traité de l’existence de Dieu et de la réfutation du système de Malebranche sur la nature et sur la Grâce (= Traktat über die Existenz Gottes zwecks Widerlegung von M.s System der Natur und der Gnade), welches von Jean Meslier in seinen Schriften (1718) Punkt für Punkt widerlegt wurde. Zugleich äußerte er sich zur Rhetorik in seinen Dialogues sur l’éloquence (= Dialoge über die Beredsamkeit, 1685).

Fénelon zählte in diesen Jahren zum Kreis um Jacques Bénigne Bossuet, dem streitbaren Primus der französischen Bischöfe.[45] 1688 wurde er Madame de Maintenon vorgestellt, der morganatisch angetrauten zweiten Gattin von Ludwigs XIV. Diese verkehrte zu jener Zeit noch mit der mystisch-frommen Madame de Guyon und sympathisierte mit deren „Quietismus“, der offenbar vielen Franzosen als eine Art Evasionsmöglichkeit erschien angesichts einer innen- und außenpolitisch zunehmend unfriedlichen Realität. Auch Fénelon war von Madame Guyon tief beeindruckt, als er sie im Winter 1688/89 kennenlernte.

Im Sommer 1689 wurde er wohl auch auf Vorschlag von Madame de Maintenon, deren geistlicher Berater er inzwischen geworden war, von Ludwig XIV. zum Erzieher seines 7-jährigen Enkels und eventuellen Thronfolgers, des Duc de Bourgogne, berufen. Dies verschaffte ihm eine einflussreiche Position am Hof und war sicherlich ausschlaggebend für seine Aufnahme in die Académie française (1693) sowie für seine Ernennung zum Erzbischof von Cambrai, Cambrai (1695). Allerdings scheint er mit dieser Ernennung nicht völlig zufrieden gewesen zu sein. Zumindest behauptet der bekannte Memoiren-Autor Saint-Simon in seinen Erinnerungen, dass Fénelon eher auf das vakante Erzbistum Paris spekuliert hatte.

Für seinen fürstlichen Zögling schrieb Fénelon (wie schon so häufig Fürstenerzieher vor ihm, beispielsweise Bossuet) mehrere unterhaltende und zugleich belehrende Werke: zunächst eine Sammlung von Fabeln, sodann die Aventures d’Astinoüs (= die Abenteuer A.s) und die Dialogues de morts (= Totendialoge), vor allem aber den umfänglichen, 1694–96 verfassten Abenteuer-, Reise- und Bildungsroman Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (1733 in Deutsch erschienen als Die seltsamen Begebenheiten des Telemach).[46]

In diesem pseudo-historischen und zugleich utopischen Roman führt der Autor den jungen Odysseus-Sohn Telemachos und dessen Lehrer Mentor (in dem sich Minerva alias Athene verbirgt und der sichtlich Sprachrohr Fénelons ist) durch diverse antike Staaten, die meist durch Schuld ihrer von Schmeichlern und falschen Ratgebern umgebenen Herrscher ähnliche Probleme haben wie das in Kriege verstrickte und verarmende Frankreich der 1690er Jahre. Er zeigt aber an einem Paradefall, wie sich diese Probleme dank der Ratschläge Mentors lösen lassen durch friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn und durch Wachstum stimulierende Reformen, insbesondere die Förderung der Landwirtschaft und die Zurückdrängung der Luxusgüterproduktion.

Der Télémaque, der ab 1698 in Abschriften am Hof zirkulierte, wurde sofort interpretiert als kaum verschlüsselte Kritik am autoritären, zunehmend abgehobenen Regierungsstil Ludwigs XIV. sowie an seiner aggressiven, kriegerischen Außenpolitik und seiner exportorientierten merkantilistischen Wirtschaftslenkung, die die Produktion und den Export von Luxusgütern unterstützte. Fénelons größter Gegner am Hof, sein einstiger Förderer Bossuet, gewann nun die Oberhand, nachdem er ihn schon seit 1694 in scheinbar theologisch motivierte Querelen über den Quietismus gezogen und 1697 versucht hatte, vom Papst eine Verteidigungsschrift verurteilen zu lassen, die Fénelon für Madame Guyon verfasst hatte, die nach und nach zum Quasi-Staatsfeind avanciert war (und 1698 inhaftiert wurde).

Anfang 1699 verlor Fénelon seinen Erzieherposten, und als im April sein Télémaque, zunächst anonym und ohne seine Zustimmung, im Druck erschien, wurde er vom Hof verbannt. Er zog sich zurück in sein Bistum Cambrai, wo er sich weiterhin als theologischer und politischer Autor betätigte und ein exemplarisches Regiment gemäß den Lehren seiner Figur Mentor zu führen versuchte. Nach seinem Tod wurde er in der alten Kathedrale von Cambrai bestattet. Nach deren Zerstörung in der Revolution kamen seine sterblichen Überreste in die neue Kathedrale von Cambrai, wo 1823/26 ein aufwendiges Grabmonument für ihn entstand.

Fénelons Télémaque war im Frankreich des 18. und des 19. Jahrhunderts ein vielgelesenes Jugendbuch und gilt als ein wichtiger Markstein der beginnenden Aufklärung.[47] Noch z. B. der junge Sartre muss es gelesen haben, denn in seinem Stück Les Mouches (Die Fliegen) legt er der Figur Jupiter eine Anspielung darauf in den Mund.

Der König hatte die Absicht, die besten Künstler, Architekten, Maler, Poeten, Musiker und Schriftsteller für Frankreich arbeiten zu lassen.[48] Er entfaltete ein noch nie zuvor gesehenes Mäzenatentum mit der Absicht, die gesamte Kunstlandschaft Frankreichs zu beeinflussen, zu prägen und zu lenken, um sie im Interesse königlicher Politik zu instrumentalisieren. Die Kunst stand im Dienste der Verherrlichung des Königs und seiner Ziele, ganz nach barocker Manier. Das Ansehen des Königs und des Staates sollte gesteigert werden; dazu wurde Ludwigs Minister Colbert damit beauftragt Literatur, Kunst und Wissenschaft zu fördern. Dem Minister wurde die Organisation der Gloire des Königs überlassen. Zahlreiche Königliche Akademien wurden auf allen Gebieten der Kunst und Wissenschaft gegründet

Im Sinne der Selbstdarstellung des Monarchen sind auch die Feste in Versailles zu verstehen.[49] Die Repräsentation des Königs diente dem Ansehen des Staates in aller Welt.

Die Königliche Oper des Schlosses von Versailles wurde 1770 unter Ange-Jacques Gabriel in der Regierungszeit Ludwig XV. vollendet. Die Errichtung des heutigen Opernhauses war eines der letzten großen Bauprojekte des Ancien Régimes in Versailles. Es ist bis in die Gegenwart weitgehend unverändert erhalten geblieben und wird noch heute regelmäßig bespielt.

Das Versailler Schloss war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch den Sonnenkönig Ludwig XIV. von einem kleinen Jagdsitz zur dauerhaften königlichen Residenz ausgebaut worden. Obwohl sich Versailles in dieser Zeit zu einem Musenhof der Französischen Oper entwickelte, fehlte aus finanziellen Gründen ein festes Gebäude für die Schauspiele. Ein 1682 von Jules Hardouin-Mansart vorgestelltes Projekt blieb unausgeführt und Theater- und Singspiele wurden bis ins 18. Jahrhundert hinein in wechselnden Räumen mit mobilen Tribünen bespielt.

Ludwig XV. beauftragte den Hofarchitekten Ange-Jacques Gabriel 1748 mit dem Bau einer festen Hofoper im Schloss, die Pläne blieben jedoch fast 20 Jahre lang unangetastet.[50] Den Anlass zum Bau des Opernhauses gab schließlich die Vermählung des Thronfolgers Ludwig XVI. mit der österreichischen Erzherzogin Marie Antoinette. Die Eröffnung im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten fanden – nach nur rund zweijähriger Bauzeit - am 16. Mai 1770 statt, aufgeführt wurde Jean-Baptiste Lullys Werk Persée. Die Hofoper wurde bis zum Ende des Ancien Regime neben den regelmäßigen Aufführungen auch für Bälle und ähnliche Ereignisse genutzt, so 1777 und 1781 beim Empfang Josephs II. und 1784 beim Empfang des schwedischen Königs Gustav III. Im 19. Jahrhundert diente das Opernhaus einige Jahre als Sitzungssaal der französischen Nationalversammlung.Das Opernhaus wird bis in die Gegenwart regelmäßig bespielt. Von 2007 bis 2009 wurde es für rund 12 Millionen Euro renoviert.

Das Opernhaus befindet sich - von außen kaum kenntlich - am Ende des Nordflügels des Versailler Schlosses. Die Ausstattung des ovalen Raumes ist aus Gründen der Akustik vollständig aus Holz errichtet, sämtliche zum Opernsaal führenden Treppenhäuser und Galerien sind aus Stein gefertigt, um im Falle eines Brandes das übergreifen des Feuers auf das übrige Schloss zu verhindern. Der Orchestergraben bietet Platz für 80 Musiker, der Zuschauerraum kann mehr als 700 Gäste aufnehmen. Das Parkett konnte mit Hilfe einer Hebemechanik auf das Niveau des Bühnenbodens angehoben werden, so dass der Zuschauerraum der Oper auch für Bälle und Bankette nutzbar wurde.[51]

Der von Gabriel gestaltete Zuschauerraum verzichtet auf die im 18. Jahrhundert noch übliche Gestaltung mit einzelnen Logen, das Publikum der Ränge findet stattdessen auf drei terrassenartigen Tribünen seinen Platz.[52] Der Saal verweist mit seinen hohen korinthischen Säulenstellungen und der angedeuteten Form eines Amphitheaters bereits auf den Klassizismus, ist mit seiner Ornamentik und der kräftigen Farbgebung jedoch noch dem Stil des Louis-quinze zuzuordnen. Das Zentrum des Zuschauerraums wird von der königlichen Loge gebildet, deren Ehrenplatz auf der Höhe des dritten Rangs von einem Halbkuppelgewölbe betont wird. Auf der Höhe des zweiten Rangs befindet sich außerdem eine hinter Gittern verborgene, zweite Loge, die es dem König möglich machte, ungesehen zu den Aufführungen zu erscheinen.

Einige Künstler erklommen im Dienste des Königs ungeahnte Höhen; hier wären besonders Jean-Baptiste Lully auf dem Gebiet der Musik und des Tanzes zu nennen, aber auch Jean-Baptiste Molière, der für Ludwig XIV. zahllose Bühnenstücke verfasste. Beide Künstler zusammen zeigten sich für die Organisation der königlichen Spektakel verantwortlich.[53]

Jean-Baptiste Lully lebte in Frankreich bei der Grande Mademoiselle Anne Marie Louise d’Orléans im Palais de Tuileries. Zu seinen Aufgaben gehörte es nicht nur, die Dame des Hauses zu unterhalten und sie auf der Gitarre zu begleiten, sondern auch, die Garderobe zu sortieren, die Kamine zu heizen und die Kerzen anzuzünden. Er vervollkommnete weiter sein Geigenspiel, nahm Cembalo- und Kompositionsunterricht bei Nicolas Métru, Francois Roberday und Nicolas Gigault und trat in komischen Rollen auf. Jean Regnault de Segrais, der mit Francois de La Rochefoucault und Madame de Sevigné verkehrte und 1661 in die Académie francaise aufgenommen wurde, sorgte für Lullys Ausbildung zum Ballett-Tänzer.

Kardinal Mazarin und Anna von Österreich führten die Regierungsgeschäfte allein. Solange sie den jungen Ludwig nicht benötigten, wurde dieser arg vernachlässigt und trieb sich zusammen mit seinem Bruder im Graben des Louvere herum. Dort trafen sich die Kinder des Personals, um miteinander zu spielen; hier mag es auch gewesen sein, dass der zukünftige Sonnenkönig Giovanni Battista Lully kennenlernte. Kaum mag man den König und seinen Bruder unter den anderen Kindern vermutet haben, denn die königlichen Gewänder wurden von Mazarin wie ein Augapfel gehütet, sein Geiz war legendär. So kam es, dass manch ein Dienstbotenkind besser angezogen war als der König von Frankreich. Zwischen Lully und dem König entstand eine enge Freundschaft, sie lernten gemeinsam Tanzen und Gitarre spielen. Das Verhältnis ging wohl über das Mäzenatentum weit hinaus.[54]

Jean de Cambefort, der bisher zuständig für die Ballettmusik am französischen Hof war, sah ihn jetzt schon als ernste Bedrohung. Genauso der Leiter der 24 Vilolinen des Königs (das Orchester wurde von Ludwig XIII. gegründet und ist das erste feststehende Orchester der Musikgeschichte gewesen), Guillaime Dumanoir . Aber es gab auch Hofkomponisten, die den jungen Musiker nach Kräften förderten, wie Regnault und Michel Lambert, der als größter Meister des Air de Cour in die Musikgeschichte einging. Er wurde später Lullys Schwiegervater.

Am 7. März 1652 trat Lully in der Mascerade de la foire Saint-Germain als Händler auf. Nach einem kurzen Intermezzo in Saint-Fargeau, wohin Lully der Grande Mademoiselle gefolgt war, die nach Niederringung der Fronde gezwungen worden war, Paris zu verlassen, konzentrierte sich Lully seit Ende 1652 ganz auf Ludwig XIV. Im Ballet royal de la nuit, mehrere Male zwischen dem 23. Februar und 16. März 1653 aufgeführt, war Lully als Schäfer, Soldat, Bettler, Krüppel und Grazie zu sehen. Der König selbst tanzte hier zum ersten Male die Rolle der aufgehenden Sonne.

Lully war Tänzer, „balladin“, fühlte sich wohl auf der Bühne, war Theatermann. Im Raum trat er zuerst zutage mit seinem Körper, dann mit der Stimme und Instrumenten, was ihn abhob von allen Musikern seiner und folgender Zeiten. Die Musik war ihm hierfür Zweck, nicht Selbstzweck, zwanzig Jahre lang diente sie ihm dazu, Tänzer – besonders ihn selbst – im Raum sich bewegen zu lassen. Nichts für den Konzertsaal: nur der Ansporn der Bühne mit ihren Herausforderungen belebte sein Werk. Das Ungewöhnliche und Maßlose, das seinem Tanz anhaftete, ließ Zeitungsleute, die sich sonst kaum mit Tänzern befassten, ihn als „Baptiste“ zum fortwährenden Gegenstand ihrer Berichte auswählen.

Ludwig XIV. fand ein solches Gefallen an Lully, dass er ihn am 16. März 1653 zum Compositeur de la musique instrumentale ernannte.[55] Nicht selten tanzte Lully an der Seite des Königs, zum Beispiel im Ballet des plaisirs. Er konnte auch erste Erfolge als Komponist verzeichnen. Für das Ballet de Psyché hatte er ein Concert italien beigesteuert. Seine erste größere Komposition war die Maskerade La Galanterie du temps, die im Palais Mazarins unter Mitwirkung der Petits violons aufgeführt wurde. Mit den seit 1648 bestehenden Petits violons fand Lully ein Ensemble vor, das flexibler einsetzbar war als die länger etablierte, aus 24 Violinen bestehende Grande bande und ihm zudem ermöglichte, älteren komponierenden Rivalen, die seinen Erfolg missbilligten, besser aus dem Weg zu gehen.

Lully gehörte zur Gruppe der in Paris unter Förderung Mazarins tätigen Italiener. Doch ungeachtet seiner Herkunft war Lully bereits in dieser Zeit der Hauptvertreter eines französisch geprägten Tanzstils, dem er etwas zufügen konnte, was nur aus ihm kam. Viel Tanzmusik in der französischen Art schrieb er, und einige italienisch klingende „chaconnes“ und „ritournelles“, sowie Vokalmusik ausgeprägt italienisch, doch ohne die üppige Harmonie und den Wagemut deren dort. Bei Lullys Ankunft hatte die Musik zum französischen Ballett vorherrschend einen leicht unzusammenhängenden Aufbau, was er durch Anbringen einer dynamischeren Struktur änderte. Dem Ballett verhalf er so zu mehr konzertanter Musik, mit einem offeneren, klareren und mehr gehenden Stil. Mit Amour malade, am 17. Januar 1657 uraufgeführt, gelang Lully der Durchbruch als Komponist.

Lully gehörte nun unzweifelhaft dem inneren Kreis um den König an.[56] Als der König 1659 mit Mazarin zur Vorbereitung des Pyrenäen-Friedensvertrages in die Pyrenäen reiste, begleitete ihn Lully und komponierte unter anderem das Ballet de Toulouse. Am 29. August 1660, drei Tage nach dem Einzug Ludwigs in Paris, erklang in der Église de la Merci in Anwesenheit der Königinmutter Anna von Österreich, des Königs, der Königin Maria Theresia von Spanien und Philippe I. de Bourbons, des Königs Bruder, mit großem Erfolg Lullys Friedensmotette Jubilate Deo.

Der Kardinal hatte anlässlich der Feierlichkeiten Francesco Cavalli, den berühmtesten italienischen Opernkomponisten, nach Paris kommen lassen. Auch vorher schon hatte Paris Aufführungen italienischer Opern erlebt:Luigi Rossis Werke wurden oft gespielt, besonders eindrucksvoll war die Aufführung von dessen Oper Orfeo. Cavalli sollte unter dem Titel Ercole amante (Der verliebte Herkules) eine Festoper zu Ehren des Hochzeitspaares schreiben. Lully wurde abgestellt, um Balletteinlagen für die Prunkoper zu verfassen, aber er war nicht unterwegs, um mit Cavalli zusammenzuarbeiten, sondern um als Saboteur im Auftrag des Königs (der die italienischen Opern hasste) die Aufführung zu untergraben.

Cavalli konnte das Werk nicht rechtzeitig vollenden und musste auf ein älteres Werk zurückgreifen: Xerse, doch auch hierfür komponierte Lully Ballettmusik. Als am 21. November 1660 Cavallis Xerse in der Gemäldegalerie des Palais des Tuileries aufgeführt wurde, überwucherten die von Lully beigesteuerten Tanzeinlagen die Oper geradezu. Lully, der gebürtige Italiener, hatte eine ganz und gar französische Musik komponiert, die sich neben die italienische, durchaus mit dem Anspruch der eigenen Überlegenheit, stellte. Cavallis Oper wurde kaum beachtet, er selbst nicht einmal als Komponist erwähnt. Doch war nicht Cavalli das eigentliche Ziel dieser Vorkommnisse, sondern der Kardinal, der durch das Versagen des von ihm protegierten Komponisten lächerlich gemacht werden sollte.

Nach dem Tod Mazarins am 9. März 1661 verließen viele Italiener Frankreich. Doch obwohl man die italienische Oper in ihre Schranken verwiesen hatte, wurde Ercole Amante im neu erbauten Theatre des Tuileries doch noch aufgeführt. Das Ballett Hercule amoureux sollte eines der denkwürdigsten Ereignisse der Musikgeschichte werden, denn hier trat der König nun zum zweiten Mal als Apollo auf, doch diesmal in aller Pracht, der Hof skandierte während seines Tanzes „Lang lebe der Sonnenkönig!“[57] Diesen Spitznamen sollte Ludwig XIV. sein Leben lang behalten. Cavalli kehrte als entehrter Mann nach Venedig zurück und schwor, niemals wieder für die Bühne zu komponieren (was er nicht wahrmachte). Lully machte weiter Karriere. Am 5. Mai 1661 ernannte Ludwig XIV. ihn zum Surintendant de la musique du roi, wobei er auf die 10.000 Livre, die das Amt gekostet hätte, verzichtete.[58] Michel Lambert wurde Maître de musique de la chamber.

Im Februar 1662, zwei Monate nachdem er erfolgreich den König um die Einbürgerung gebeten hatte, nahm er Magdelaine Lambert zur Frau. Er behielt zeitlebens einen florentinischen Akzent und sorgte für eine Großfamilie nach italienischer Art: Seine sechs Kinder, Verwandte und deren Freunde wohnten bei ihm. Nach drei Umzügen wurde das Hôtel Lully in der Pariser Rue Sainte-Anne der endgültige Wohnsitz. In der Musik jedoch verschwand sein bisheriger Stil eines italienischen „bouffon“, eines Spaßmachers. Er komponierte mit dem Ballet des Arts 1663 sein erstes vollständig rein französisches „grand ballet de cour“. Die Liedtexte schrieb Isaac de Benserade. In gleichem Maße für den Erfolg bedeutend waren dessen Verse im „livret“, die kommentierten, was auf der Bühne getanzt wurde.

Der Finanzminister Nicolas Fouquet hatte sich in Vaux-le-Vicomte einen Palast erbauen lassen und dafür die besten Künstler Frankreichs verpflichtet: Louis Le Vau als Architekt, André Le Notre für die Gartenanlagen und Charles Lebrun, den ersten Hofmaler und hervorragenden Dekorateur, für die Gestaltung der Prunkräume. Am 17. August 1661 fand das große Fest statt, zu dem der König, seine Familie und zahlreiche Gäste geladen waren. An achtzig Tischen wurden sie bewirtet und auf dreißig Büffets fanden sich 6000 massiv silberne Teller. Für die musikalische Gestaltung sorgten die fähigsten Musiker, darunter Michel Lambert und Lully. Lully, mit Moliere befreundet, hatte diesen wenige Tage zuvor noch in panischer Stimmung gefunden, da er für seine Komödie Les Fâcheux (Die Lästigen) nicht genügend Schauspieler zur Verfügung hatte. Abhilfe schuf eine genial einfache Idee: Zwischen die Szenen wurden Ballettnummern eingefügt, um den Schauspielern Zeit zum Umkleiden zu geben. Pierre Beuachamp und Lully arrangierten die Ballettnummern, für die Lully nur eine Courante neu komponierte.

Die Aufführung wurde ein unglaublicher Erfolg, und die Ballett-Komödie, für die nächsten Jahre ein wichtiges Medium Lullys, war geschaffen. Das teure Schloss und das verschwenderische Fest hatten jedoch den König verärgert. Bald darauf ließ er Fouquet verhaften, seine Besitztümer beschlagnahmen – und begann ab sofort das alte Jagdschloss seines Vaters zur allerprächtigsten Residenz zu erweitern: Schloss Versailles.

Als 1664 die ersten Arbeiten im Park abgeschlossen waren, wurde ein gewaltiges Fest ausgerichtet: Les Plaisirs de l’îsle enchantée, thematisch bezogen auf eine Geschichte aus Ariosts Orlando furioso, dauerte vom 7. bis 13. Mai.[59] Eröffnet wurde mit einem „Carrousel“, einem Pferdeballett, in dem sich der Hof in kostbaren Kostümen präsentierte. Der König selbst führte, als Roger kostümiert, den Zug an. Den Abschluss des Tages bildete das Ballet des Saisons (Ballett der Jahreszeiten), in dem unter anderem der Frühling auf einem Pferd, der Sommer auf einem Elefanten, der Herbst auf einem Kamel und der Winter auf einem Bären einzogen. Musik, die Lully für diesen ersten Tag komponiert hat, ist verschollen.

Es gab Lotterien, Bankette, Bälle, Aufführungen dreier Molière-Lully-Ballette, La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis, 8. Mai), Les Fâcheux (11. Mai), Le Mariage forcé ( Die Zwangsheirat, 13. Mai), und am 12. die Premiere des Tartuffe, der ein Verbot des Stückes folgte.[60]

Den Höhepunkt des Festes aber bildete die Erstürmung des „Palastes der Alcina“, einer großartigen Kulisse auf einer künstlichen Insel im großen Kanal von Versailles, die in einem sehr aufwändigen Feuerwerk unterging.

In den folgenden Jahren entstanden weitere Ballettkomödien: George Dandin wurde 1668 im Rahmen des zweiten großen Festes von Versailles gegeben, Monsieur de Pourceaugnag im Jahr darauf (auch Le Divertissement de Chambord, 1669). Lully sang dabei unter dem Pseudonym „Chiacchiarone“, was seiner Position als „Surintendant“ geschuldet war. Doch der größte Erfolg sollte den beiden Ballett-Komödien Les amants magnifiques (Die Fürsten als Brautwerber) und Le Bourgeois Gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) beschieden sein, beide von 1670. Letztere war auf den türkischen Botschafter gemünzt, der sich bei Hof lächerlich gemacht hatte.

Neben der Zusammenarbeit mit Molière komponierte Lully weiterhin die Hofballette. 1669 entstand das letzte große Hofballet Ballet Royal de Flore, in dem Ludwig XIV. zum dritten Mal als die Sonne auftrat, in der Ballettkomödie Les amants magnifiques dann zum vierten und letzten Mal. Angeblich war der König mit der schweren Choreographie überfordert.

1671 schufen Lully und Molière die Tragédie-ballet (Ballett-Tragödie) Psyché (Psyche), um dem „größten König der Welt“ Heroisches vorzuführen.[61] Aus Zeitnot musste Molière zwei weitere Librettisten beschäftigen, nämlich Pierre Corneille und für die Divertissements Philippe Qiunault, der von da an Lullys Librettist erster Wahl werden sollte.

Als der Herzog von Orléans, der Bruder des Königs, sich nach dem Tod seiner ersten Gattin 1671 mit Liselotte von der Pfalz vermählte, wurde das Ballet des Ballets bestellt. Lully und Molière schufen ein Pasticcio aus erfolgreichen Szenen der letzten gemeinsamen Werke, gerieten aber während der Arbeiten in Streit und trennten sich im Zorn. Zwar wurde das Ballett aufgeführt, aber Molières Komödie La Comtesse d’Escarbagnas (Die Gräfin von Escarbagnas, Dezember 1671) wurde bereits von einem anderen vertont: Marc-Antoine Charpentier, der auch für Molières letztes Werk Le malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) die umfangreiche Bühnenmusik schrieb.

1672 brachte Robert Cambert, der ehemalige Oberhofmeister der Musik der Königinmutter, die erste französische Oper auf die Bühne: Pomone. Der Erfolg war wider Erwarten bombastisch. Pierre Perrin war für das Libretto verantwortlich. Lully beobachtete den Erfolg der beiden mit Neugier und großem Neid.

Durch geschickte Intrigen gelang es, Pierre Perrin in den Ruin zu treiben. Er kam in die Conciergerie, weil er sich vor Schulden kaum noch retten konnte. Lully suchte den Unglücklichen auf und unterbreitete ihm ein Angebot: er sorge für die Begleichung der Schulden und erwirke beim König seine Freilassung, dafür müsse er ihm die Opernrechte und alles, was damit zusammenhing, überlassen. Perrin ging auf den Handel ein, ohne zu wissen, was er damit in Gang setzte.[62]

Lully hatte nun das Monopol zur Aufführung von Opern, er erwirkte noch weitere Rechte beim König, der sie bereitwillig einräumte. So war jegliche Aufführung mit Musik ohne die Genehmigung des Surintendanten untersagt und wurde mit Konfiszierung sämtlicher Instrumente, Kostüme, Einnahmen etc. geahndet. Dies traf Molière besonders schwer in seinen letzten Lebensjahren, da alle Texte, zu denen Lully Musik komponiert hatte, nun Eigentum des Florentiners waren. Die Académie royale de musique war fest in den Händen Lullys. Seine Macht ließ er nun jeden spüren, was zur Folge hatte, dass viele der angesehenen Komponisten und Musiker den Hof verließen. Bestes Beispiel ist der Begründer der französischen Cembaloschule Jacques Champion de Chambonnieres.

1672, also im Jahr der „Machtübernahme“, brachte Lully seine erste Oper auf die Bühne, eine Pastorale Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus.[63] Hier folgte er aus Zeitnot dem Modell des Ballet des Ballets, also ein Pasticcio. Das Werk war äußerst erfolgreich und legte den Grundstein für seine weitere Karriere als Begründer der französischen Nationaloper.

Im Gegensatz zu Cambert und Perrin räumte er dem Ballet enormen Raum in seinen Werken ein. So bestehen alle Tragédies Lullys aus einem Prolog und fünf Akten. Jeder Akt verfügt über ein Divertissement, eine großzügige Szene mit Ballett und Choreinlagen. Der Prolog kann durchaus als ein eigenständiges Divertissement gesehen werden und diente ausschließlich zur Verherrlichung des Sonnenkönigs.

1673 kam die Oper Cadmus et Hermione auf die Bühne, sie gilt als Lullys erste Tragödie.[64] 1674 folgte Alceste, diese Prunkoper wurde im Marmorhof von Versailles uraufgeführt. Sie war einer der Höhepunkte des dritten großen Festes von Versailles. 1675 wurde Thésée gegeben, ebenso prunkvoll, ebenso erfolgreich.

1676 folgte Atys. Da der König hier angeblich selbst mitkomponiert haben soll sowie sehr lange mit Lully zusammensaß, um dieses Werk zu vollenden, hat diese Tragödie den Untertitel Die Oper des Königs. Hier verzichtet Lully auf Pauken und Trompeten, um einen dunklen rauen Klang zu erzielen. Legendär wurde die Schlummerszene, hier trat der noch junge Marin Marais als einer der Träume auf.

1677 wurde Isis gegeben. Obwohl Lully hier ein geniales Werk vorgelegt hat, war der Oper wenig Erfolg beschieden. Man kritisierte die seltsame Handlung, die Philippe Qiunault vorgelegt hatte, und empfand Lullys Musik als zu intellektuell. Die Oper bekam den Untertitel Die Oper der Musiker, denn Musiker bzw. musikalisch gebildete Zuschauer waren von dem Werk begeistert.

1678 arbeitete Lully die Tragédie-ballet Psyché mit Hilfe der Librettisten Thomas Corneille und Bernard le Bovier de Fontenelle zu einer Oper um; die gesprochenen Dialoge wurden durch Gesang ersetzt.

1679 kam Bellérophon auf die Bühne, wieder in Kooperation mit Thomas Corneille. 1680 folgte Proserpine, 1681 auf Befehl des Königs ein Hofballett Le Triomphe de l’Amour. Ludwig XIV. wünschte sich eine Wiederbelebung der alten Hofballette. Dieses Werk wurde von den Nachkommen des Königs getanzt, es wurde zu einem der berühmtesten Werke Lullys überhaupt.

1682 zog der Hof endgültig nach Versailles. Zu diesem Anlass wurde Persée gegeben. [65]Mit diesem Werk wurde am 17. Mai 1770 das Opernhaus zu Versailles eingeweiht, der Anlass: die Hochzeit des zukünftigen Ludwig XVI. mit Marie Antoinette. Dies spricht für die Bedeutung, welche man den Werken Lullys noch im 18. Jahrhundert zubilligte. 1683 starb die Königin von Frankreich, die Aufführungen von Phaetonwurden verschoben.

1684 kam Lullys erfolgreichstes Werk auf die Bühne: Amadis. Zwar schon 1683 komponiert, wurde die Uraufführung wegen des Todes der Königin um ein Jahr verschoben. Amadis wurde jedes Jahr aufgeführt, so lange der König lebte. Des Weiteren wandten sich Lully und Quinault von der Mythologie ab und besangen französische Ritterepen, welche die Verteidigung des Glaubens als höchstes Ideal zum Inhalt haben. Die Aufhebung des Ediktes von Nantes sollte auch in der Musik seine Spuren hinterlassen.

1685 wurde Roland gegeben. Durch die starke Einflussnahme der Madame de Maintenon befasste sich der König nun weniger mit Lullys Musik; dessen Stern begann zu sinken. Seit 1683 war Madame de Maintenon des Königs geheime Gemahlin, und ihr gefielen weder die Musik Lullys noch der Komponist selbst, dessen Homosexualität sie als streng religiöse Frau nicht tolerierte. Als öffentlich ruchbar wurde, dass Lully einen Pagen namens Brunet liebte, war dies der geeignete Anlass, Lully die Gunst des Königs zu entziehen. Hinzu kam seine Beteiligung an den Orgien der Herzöge von Orléans und Vendome. Der König zitierte Lully zu sich und unterbreitete ihm, dass er nicht weiter gewillt sei, sein Verhalten zu dulden. Zwar war Lully inzwischen zum Secrétaire du Roi ernannt worden, war sogar (zumindest auf dem Papier) Berater des Königs und hatte die Erhebung in den Adelstand erhalten, doch der König behandelte seinen ehemaligen Vertrauten und Freund nun mit Kälte.

Lully schrieb dem König und bat ihn um Vergebung. Beinahe wäre er erfolgreich gewesen: Der Marquis de Seignelay, Sohn Colberts, hatte ein Werk bei ihm in Auftrag gegeben, Idylle sur la Paix. Den Text dazu schrieb Jean Racine. Der König, der in Sceaux der Aufführung beiwohnte, war äußerst angetan von dem neusten Werk seines Oberhofmeisters, er ließ Lully große Abschnitte wiederholen. Doch Madame de Maintenon schob der Versöhnung einen Riegel vor.

1686 wurde Armide, Lullys neueste Oper, nicht am Hof uraufgeführt, sondern in Paris. Lully war seit längerem in Ungnade gefallen, und der König empfing ihn nicht mehr. Lully hoffte jedoch, die Protektion des Königs wieder zu erlangen. Seine nächste Oper, die er für Louis-Joseph Duc de Vendôme auf ein Libretto des Jean Galbert de Campistron komponierte, war eine subtile Huldigung an den Thronfolger und damit an den König. Acis et Galatée erklang am 6. September 1686 im Schloss Anet anlässlich einer Jagdpartie des Dauphins. Vor der Aufführung hatten Lully und die Sänger zusammen mit den Gästen diniert.

1687 arbeitete Lully an seiner Oper Achille et Polixène, bald bekam der König erhebliche gesundheitliche Probleme. Der Arzt Felix de Tassy war am 18. November 1686 gefordert, als es galt, eine gefährliche Fistel am Gesäß des Monarchen operativ zu entfernen. Richelieu war bei einem derartigen Eingriff gestorben, de Tassy übte im Hospital von Versailles an herbeigeschafften Leidensgenossen des Königs und konnte auch dank Ludwigs Leidensfähigkeit die Entfernung des Geschwürs mit Erfolg vornehmen. Man rechnete schon mit dem Tod des Königs, doch dieser erholte sich. Für die Feierlichkeiten zur Genesung des Königs bearbeitete Lully sein 1678 komponiertes Te Deum und ließ es auf eigene Kosten mit 150 Musikern singen.[66]

Was sich zutrug, als er die Motette am 8. Januar 1687 in der Église des Pères Feuillants aufführte, wurde von Lecerf de La Viéville 1705 so beschrieben, dass er mit dem zum Schlagen des Taktes gebrauchten Stock die Fußspitze traf, eine kleine Verletzung zunächst. Tatsächlich finden sich in zeitgenössischer Literatur oder auf Abbildungen keine Belege für das Dirigieren mit langen Stöcken – benutzt wurde ein aufgerolltes Blatt Papier in einer oder beiden Händen. Möglicherweise besaß Lully aber einen Spazierstock, mit dem er die anwesenden Musiker zur Aufmerksamkeit rufen wollte. Die Wunde entzündete sich rasch und infizierte sich mit Wundbrand. Da sich Lully weigerte, den Zeh amputieren zu lassen, verstarb er wenige Monate darauf.

Seine letzte Oper wurde von seinem Sekretär Pascall Colasse vollendet. Die Nachfolge im Amt des Surintendanten übernahmen zuerst seine Söhne Jean und Louis de Lully, zusammen mit seinem Schüler Marin Marais, bis der König Michel-Richard Delalande das Amt übertrug.

Abschließend lässt sich feststellen, dass Lully mit seiner neuen Orchesterdisziplin nicht nur den französischen Stil weiterführte und maßgeblich prägte, sondern damit enormen Einfluss auf die europäische Musiklandschaft des ausgehenden 17. Jahrhunderts ausübte.

Typisch für den Klang seines Orchesters sind die Vorhalte, der fünfstimmige Orchestersatz und die große Besetzung des Orchesters. Die 24 Violinen des Königs bilden den Kern des Ensembles; hinzu treten die 12 großen Oboen (an der Weiterentwicklung der Schalmei zur Oboe soll Lully maßgeblich beteiligt gewesen sein), eine umfangreiche Continuogruppe mit Lauten, Gitarren, Cembalo etc. und recht oft Pauken und Trompeten. Beliebt war auch die ins Werk eingebundene „Zurschaustellung“ neuer Instrumente, wie der Traversflöte oder das „französische Trio“ aus 2 Oboen und Fagott. Diese Instrumente hatten in vielen Tänzen und Instrumentalstücken Soloauftritte, meist sogar auf der Bühne. In der nachfolgenden deutschen Tradition wurde das französische Trio oft verwendet, besonders von Fasch und Telemann. In den frühen Jahren spielte Lully selbst bei seinem Ensemble die erste Violine, oftmals sind in den Partituren der Philidor Sammlung Vermerke wie „M. de Lully joue“ („Herr von Lully spielt“) zu lesen, die Violinstimme sollte dann mit möglichst blumigen Verzierungen dargeboten werden.[67]

Die typisch französische Ouvertüre im punktierten Rhythmus mit anschließender Fuge und Wiederholung des ersten Teils ist allerdings nur zum Teil eine Neuschöpfung Lullys. Seine Vorgänger, Lehrer und Zeitgenossen wie Jean de Cambefort, Francois Caroubel, Nicolas Dugap, Jacques de Montmorency de Bellville, Jacques Cordier, Pierre Beauchamps, Guillaume Dumanoir, Michel Mazuel, Mignot de la Voye oder Robert Cambert schrieben bereits Ouvertüren, oder besser gesagt Eröffnungsmusiken für die Hofballette. Diese Ouvertüren haben nichts mit den italienischen Sinfonias zu tun, wie sie von Monteverdi, Luigi Rossi oder Francesco Cavalli und Marc‘ Antonio Cesti komponiert wurden – der typisch französische Orchesterstil wurde schon zu Zeiten Ludwigs XIII. und seiner Ballettmeister entwickelt und ist auf die Gründung der 24 Violinen zurückzuführen – Lullys Wirken besteht vornehmlich in der Weiterführung der Tradition seiner Vorgänger. Doch während die alten Ouvertüren eher nur gravitätisch waren, fügte Lully ihnen noch einen fugierten Teil hinzu. 1660 wurde eine solche „neue“ Ouvertüre im Ballett Xerxes zum ersten Male aufgeführt, diese Form wurde seitdem beibehalten. Fast jedes Werk beginnt mit einer solchen Ouvertüre, eine Ausnahme bildet Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus, welches noch mit einem altertümlich anmutenden Ritournell eröffnet wird.

Lully selbst war als Tänzer sehr darauf bedacht, seine Tänze und Ballette so zu gestalten, dass man allein an der Musik schon erkennt, um welchen Tanz es sich handelt. So steht bei der Komposition nicht die Musik an erster Stelle – sondern der Tanz, den sie verkörpern soll.

Die französische Oper war von Anfang an als Gegenpol zur italienischen etablierten Oper gedacht.[68] So wie Ludwig XIV. in allen Bereichen der Kunst eine eigene französische Ausdrucksform forderte, war es ihm ein persönliches Anliegen, dass das auch in der Musik geschehen sollte. In Lully fand er einen willigen und talentierten Meister, der seine Vorstellungen umsetzen konnte.

Besonders auffällig ist im Vergleich zur italienischen Oper das französische Rezitativ. Dieses von Lully und Lambert entwickelte Rezitativ ist vielmehr eine Weiterentwicklung des Air de Cour und hat mit den italienischen Rezitativen kaum etwas gemein. So gehen rezitierte Passagen ohne weiteres in kleine liedhafte Airs über. Die italienische Da-capo-Arie existiert in der französischen Oper nicht. Die berühmteste Szene Lullys ist der Monolog der Armide aus der gleichnamigen Tragdie lyrique: Enfin il est à ma puissance! (Akt II, Szene 5). Zeitgenossen wie später auch Jean-Philippe Rameau betrachteten diese Passage als das Ideal der französischen Opernkunst. Der größte Verdienst Lullys liegt in der Begründung der französischen Nationaloper. Mit der von ihm geschaffenen Opernform schaffte er es, die Erwartungen des Publikums zufriedenzustellen, eine eigene, verständliche Oper zu kreieren und eine Erhaltung und Integration des Balletts zu erreichen.

Jede seiner Opern ist in fünf Akte und einen Prolog unterteilt. Der Prolog dient musikalisch zu Verherrlichung seines Königs. Er besteht in der Regel nur aus Balletten, Chören und Airs, aber kaum Rezitativen. Die fünf Akte der Tragödien (natürlich wurden nur klassische Stoffe behandelt wie Ritterepen und Geschichten der griechisch-römischen Mythologie) sind alle in Versen abgefasst, was dem speziellen französischen Rezitativ sehr entgegenkommt. Jeder der Akte verfügt über ein Divertissement, also große Chorszenen und Ballette. Bestimmte Szenen wurden zum Standard wie die beliebten Traumszenen (Sommeil), die pompösen Schlachten (Combats), die Stürme (Vents) und die abschließenden großen Chaconnen und Passacaillen, oft mit Solisten und Chor.

Schon seit den Plaisirs de l’îsle de enchantée war der französische Musikstil in Europa populär geworden, und so zog es recht viele junge Musiker nach Paris, um bei Lully zu studieren. Diese jungen Musiker machten den Stil Lullys vor allem in Deutschland und England populär. Die Orchesterstücke seiner Opern und Ballette kursierten als Suiten in gedruckter Form in ganz Europa.[69] So wundert es nicht, dass diese Suiten die barocke Orchestersuite maßgeblich prägten.

In fast jeder Musikbibliothek eines Fürsten fanden sich Abschriften der Werke Lullys. In Deutschland sind es vor allem die Höfe in Hannover, Celle, Düsseldorf, Kassel, Darmstadt, Rastatt und München gewesen, die nicht nur Lullys Musik sammelten, sondern auch französische Musiker importierten. Selbst wenn Lullys Opern noch in der Entstehungsphase waren, so gab es schon Schwarzkopien seiner fertiggestellten Szenen, die auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden. Sein Stil fand etliche Nachahmungen, so sind selbst die berühmten Orchestersuiten von Johann Sebastian Bach Nachahmungen der von Lully begründeten Formen. Gerade in England wurde sein Stil durch den frankophilen Geschmack der Stuartkönige gepflegt, der Stil Lullys ist in der Musik von Locke, Humfrey, Blow und Purcell nicht zu überhören. Aber schon zu Zeiten Karls I. war der französische Musikstil am Hof etabliert, unter anderem durch den französischen Komponisten und Geiger Stephen Nau .

In Frankreich blieb der Stil Lullys etwa für weitere hundert Jahre bindend. Die Formen, die er dem Ballett, der Oper und der geistlichen Musik gab, wurden nicht angetastet. Es war selbst tabu, einen Text, den Lully bereits vertont hatte, ein weiteres Mal zu vertonen. So komponierten die französischen Komponisten in der direkten Nachfolge Lullys ihre Opern ganz in seinem Stil.[70]

Erst mit der Gründung des Concert spirituel in Paris und den immer öfter aufgeführten italienischen Konzerten wich die Abneigung gegen die italienische Musik. Als dann eine italienische Truppe Pergolesis La serva padrona in Paris aufführte, brach ein offener Konflikt zwischen den Anhängern der französischen traditionellen Oper und den Anhängern der neuen Opera buffa aus. Zeitgenossen berichten, dass es dort des Öfteren wie bei Religionskriegen zugegangen sei, zumindest was die Schmähschriften betrifft. Dieser Buffonistenstreit ging in die Geschichte ein und wurde erst Jahre später durch die ersten Aufführungen der Opern Glucks beigelegt.

Mit knapp 16 legte Moliere den Amtseid als künftiger Nachfolger seines Vaters im Tapissier-Amt ab und studierte wenig später Jura in Orléans.[71] Zurück in Paris erhielt er die Zulassung als Anwalt. Ob er je als solcher tätig war, ist nicht bekannt. Um dieselbe Zeit frequentierte er die Vorlesungen des Naturforschers und Philosophen Pierre Gassendi, was ihm eine gewisse Distanz zu den Dogmen der Kirche vermittelte. Offenbar verfasste er damals eine Vers-Übertragung von De rerum natura des römischen Philosophen Lukrez, die aber verlorengegangen ist.[72]

1641 oder 1642, also um die 20, lernte er die vier Jahre ältere Schauspielerin Madeleine Béjart kennen, die ihn in seinem Drang zum Theater bestärkte – gegen den Willen seines Vaters, der ihn im Sommer 1642 nötigte, in Ausübung seines Tapissier-Amtes Ludwig XIII. auf einer längeren Reise zu begleiten und ihm die wechselnden Nachtquartiere einzurichten.[73]

1643 übertrug Molière das ungeliebte Amt seinem jüngeren Bruder, ließ sich einen Vorschuss auf das Erbe seiner Mutter auszahlen und gründete, noch unter dem Namen Poquelin, gemeinsam mit Madeleine Béjart, ihren Geschwistern Louis und Geneviève sowie fünf weiteren Komödianten mit Vertrag vom 30. Juni 1643 eine Theatergruppe, das L’Illustre Théâtre. Dieses ging 1645 bankrott und Molière wurde vorübergehend in Schuldhaft genommen. In der Folge schloss er sich mit den Béjarts der Wandertruppe des Schauspielers Charles du Fresne an, die vom Duc d’Épernon finanziell unterstützt wurde und hauptsächlich in West- und Südfrankreich auftrat.

Bald stieg er zum Direktor der Truppe auf und gewann 1653 für einige Jahre den Gouverneur des Languedoc als Förderer, den Prince de Conti, den er von der Schule her kannte.[74] Das Repertoire der Truppe umfasste neben Tragödien, Tragikomödien und Komödien zeitgenössischer Autoren auch komische Farcen und lustige Theaterstücke im Stil der italienischen Commedia dell’arte. Ab 1655 nahm Molière auch eigene Werke ins Programm, z. B. die in Versen verfasste Komödie L’Étourdi ou Les Contretemps (Der Tollpatsch oder die Querstreiche), in der ein gewitzter und pfiffiger Diener und sein notorisch ungeschickter junger Herr die Hauptrollen spielen.

Nach 13 Wanderjahren, in denen er Menschen aus allen Schichten kennengelernt hatte und sein Handwerk als Schauspieler, Theaterdirektor und schließlich auch Autor von Grund auf gelernt hatte, gastierte Molière 1658 in Rouen, wo er dem berühmten Dramatiker Pierre Corneille begegnete. Vor allem aber kam er hier in Kontakt mit „Monsieur“, d. h. dem jüngeren Bruder von Ludwig XIV, Herzog Philippe I. d’Orléans. Dieser lud die Truppe an den Hof nach Paris ein, wo Molière die Tragödie Nicomède von Corneille und seine eigene Farce Le médecin amoureux (Der verliebte Arzt) aufführte. Letztere gefiel dem jungen, gerade erst 20-jährigen König so sehr, dass er der Truppe erlaubte, im Saal des an den Louvre grenzenden Petit-Bourbon zu spielen. Die Sonntage, Dienstage und Freitage gehörten dort allerdings schon einer italienischen Truppe um den Komödianten Tiberio Fiorilli (1608–1694), der wegen seiner Paraderolle als Scaramouche berühmt war.

Den Durchbruch erzielte Molière im November 1659 mit seiner in Prosa verfassten Komödie Les précieuses ridicules (Die lächerlichen feinen Damen), seinem ersten für ein überwiegend Pariser Publikum konzipierten Stück.[75] Am Beispiel der beiden Protagonistinnen, zweier etwas exaltierter, möchte-gern-adelig und gebildet tuender Bürgermädchen, verspottet er hier die gekünstelte Sprechweise und die wirklichkeitsfremden Denkweisen der Preziösen, wie sie inzwischen auch im Bürgertum zu finden waren. Der Erfolg des Stücks verschaffte ihm erste Neider, das Thema erste Feinde, darunter den Chef der Verwaltung der königlichen Schlösser, der pünktlich zu Beginn der Spielzeit 1660/61 den Abriss des Petit-Bourbon verfügte. Molière blieb drei Monate ohne Spielstätte, bis er vom König den Saal des Palais Royal zugewiesen bekam.

Ein weiterer Schlag war 1661 der komplette Misserfolg der Tragikomödie Dom Garcie de Navarre, mit der Molière sich offenbar dem gehobenen Genus der Tragödie anzunähern gedachte.[76] Mit dem zentralen Thema des Stücks, der exzessiven Eifersucht, bearbeitete er sicher aber auch ein persönliches Problem, denn der 40-Jährige umwarb zu dieser Zeit die offenbar kokette 18-jährige Armande Béjart, die jüngste Schwester von Madeleine und ebenfalls Schauspielerin in seiner Truppe.

Der nächste große Erfolg war erst Ende 1662 L’École des femmes (Die Schule der Frauen), eine Verskomödie, in der Molière (dem soeben Armande ihr Jawort gegeben hatte) für eine gemäßigte Emanzipation der jungen Frauen wirbt und für ihr Recht auf eine Liebesheirat. Die heftige Kontroverse, die er hiermit auslöste, heizte er 1663 weiter an mit den Prosastücken La Critique de l’École des femmes (Kritik der Schule der Frauen) und L’Impromptu de Versailles (Das Stegreifspiel von Versailles) an. Dem König scheint dies gefallen zu haben, denn er setzte Molière eine jährliche Pension von 1000 Livres aus. Im Januar 1664 wurde der König sogar Taufpate Molières ersten (allerdings bald danach verstorbenen) Kindes Louis, was er wohl auch deshalb tat, um das Gerücht zu widerlegen, Armande sei ein Kind Madeleine Béjarts und Molières und dieser habe somit seine eigene Tochter geheiratet.

In den Jahren 1663 bis 1665 wurde Molière für kurze Zeit zum Protektor des noch unbekannten Nachwuchsdramatikers Jean Racine. Er beauftragte ihn mit einer Tragödie über den Ödipus-Stoff, die er Anfang 1664 wenig erfolgreich inszenierte unter dem Titel La Thébaïde. Ou les frères ennemis (Die Thebais. Oder die feindlichen Brüder). 1665 spielte er mit immerhin mäßigem Erfolg Racines Tragikomödie Alexandre le Grand.

Molière erlebte allerdings, dass der mit der Inszenierung unzufriedene Jungautor mit seinem Stück zu der Truppe des Hôtel de Bourgogne abwanderte, die auf Tragödien spezialisiert war. Dabei nahm Racine eine von Molières beliebtesten Schauspielerinnen mit, Mademoiselle du Parc, die sich mit Racine liiert hatte und ihm zur Konkurrenz folgte. Das Verhältnis der beiden Männer war hiernach naturgemäß gespannt. Molière rächte sich, indem er in der Folgezeit häufig ältere Stücke von Racines Rivalen Pierre Corneille wieder aufnahm oder neue uraufführte.

Im Mai 1664 – inzwischen war er zum Vergnügungsdirektor Ludwigs XIV. avanciert – organisierte Molière ein mehrtägiges Hoffest im neuangelegten Park von Versailles. Dort spielte er zunächst, mit Balletteinlagen, die sein jüngerer Freund Jean-Baptiste Lully komponiert und choreographiert hatte, die unverfänglichen (eigenen) Komödien La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis), Le Mariage forcé (Die Zwangsheirat) und Les fâcheux (Die Lästigen). Am sechsten Tag führte er eine neue Verskomödie in drei Akten auf, die zum Politikum wurde: Tartuffe.[77]

Schon im Vorfeld hatten etliche fromme Höflinge die Aufführung dieses Stücks um einen scheinbar strenggläubigen, in Wahrheit aber herrschsüchtigen, raffgierigen und lüsternen Schwindler zu verhindern versucht. Nach der Aufführung brach Empörung beim gesamten „alten Hof“ aus, einer Gruppierung meist älterer Höflinge, die sich um die fromme Königinmutter Anna von Österreich scharten und der Zeit vor 1661 nachtrauerten, wo man unter ihr und ihrem Minister Kardinal Mazarin die Macht gehabt hatte. Dem König war Molières Attacke auf die auch ihm lästigen Frömmler zunächst sehr recht gewesen, unter dem Druck des „alten Hofes“ hielt er es aber doch für geraten, das Stück zu verbieten. Die nächsten Jahre Molières waren bestimmt von seinem Kampf für den Tartuffe und gegen die Intrigen des „Klüngels der Frommen“, wie er sie nannte.[78] Diese waren teilweise in einem bigotten Geheimbund organisiert, der Compagnie du Saint-Sacrement, der auch sein ehemaliger Gönner Conti angehörte, der nach einer Syphilisinfektion fromm geworden war.

Molière verfolgte unterdessen das Thema der Heuchelei weiter: Ende 1664, also bald nach dem ersten Verbot des Tartuffe, verfasste er Don Juan, ein Prosastück über einen hochadligen Heiratsschwindler, Betrüger und Libertin, der, um sich den Nachstellungen empörter Geschädigter zu entziehen, eine Bekehrung zu christlicher Moral und Frömmigkeit heuchelt, aber schließlich zur Hölle fährt. Auch dieses Stück wurde nach wenigen Aufführungen verboten, vermutlich wegen der nicht eindeutig negativen Darstellung von Don Juans Freidenkertum.[79]

Immerhin sah sich Molière vom König insofern unterstützt, als er im Sommer 1665 seine Jahrespension von 1000 auf 6000 Livre erhöht bekam und mit seiner Truppe den Titel Troupe du roi annehmen durfte, beides kurz nach der Geburt seiner Tochter Esprit-Madeleine, die als einziges Kind überleben sollte.[80]

Im Juni 1666 brachte Molière die Verskomödie Le Misanthrope (Der Menschenfeind) heraus, eine Satire auf die unehrliche Schmeichelei am Hof und die geheuchelte Nettigkeit in den Pariser Salons. Die ungewöhnlich stark autobiographisch geprägte Figur des Misanthropen Alceste, von Molière selbst gespielt, spiegelt sichtlich dessen eigenes Unvermögen und seine Unlust wider, sich auf dem glatten Parkett der Hofgesellschaft opportunistisch und angepasst zu verhalten. In der enttäuschten Liebe Alcestes zu der koketten jungen Célimène spiegelt sich die Enttäuschung Molières über seine 20 Jahre jüngere Frau Armande wider, die sich gerade (vorübergehend) von ihm getrennt hatte.

Im Sommer 1667 versuchte er eine auf fünf Akte verlängerte, überarbeitete und in L’Imposteur (Der Schwindler) umbetitelte Version des Tartuffe in sein Programm aufzunehmen, wobei er den Protagonisten in „Panulphe“ umbenannte und nicht mehr priesterähnlich, sondern als Adeligen kostümierte. Doch der Präsident des Pariser Parlements, der für den auf einem Feldzug in Flandern befindlichen König die Polizeigewalt ausübte, reagierte sofort mit einem Verbot; der Erzbischof von Paris drohte Molière sogar mit Exkommunikation. Als dieser zwei Schauspieler mit einer Bittschrift zum König schickte, signalisierte der zwar Wohlwollen, tat aber nichts. Immerhin duldete er, dass sein Bruder Philippe und danach der Fürst de Condé (der ältere Bruder Contis) 1668 das Stück in ihren Schlössern privat aufführen ließen.

Nach dem Verbot auch der zweiten Tartuffe-Version übte Molière 1668 in der Verskomödie Amphitryon erstmals leise Kritik an seinem wenig zuverlässigen Gönner Ludwig, den er verschlüsselt in der Rolle Iupiters ganz ungeniert seinem sexuellen Lustgewinn nachgehen lässt. In George Dandin (Prosa, ebenfalls 1668) brandmarkte er die Arroganz, mit der Adlige, selbst wenn sie verarmt sind, glauben, die gesellschaftlich nützliche Bourgeoisie verachten und ausbeuten zu dürfen.

Erst am 5. Februar 1669, nachdem der „alte Hof“ nach Annas Tod 1666 endgültig entmachtet, die Compagnie du Saint-Sacrement verboten und Ludwigs Macht nach innen- und außenpolitischen Erfolgen so gefestigt war, dass er keine Rücksicht mehr auf die frommen Gegner Molières nehmen musste, konnte dieser das nochmals überarbeitete, nun als Tartuffe, ou l’Imposteur betitelte Stück frei aufführen. Die Aufführung war ein triumphaler Erfolg und gilt als eines der großen Ereignisse der französischen Theatergeschichte.

Diese letzten Lebensjahre Molières waren gekennzeichnet von einem sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand, bedingt durch den beruflichen Stress sowie das lange Hin und Her um den Tartuffe.[81] Häufige Eheschwierigkeiten setzten ihm zusätzlich zu. 1671 kam es bei der Einstudierung der Ballett-Tragödie Psyché (deren letzte zwei Drittel Corneille verfasst hatte) zum Bruch mit Partner Lully. Anfang 1672 erkrankte und verstarb seine langjährige Weggefährtin Madeleine Béjart. Ende desselben Jahres starb ein drittes Kind bald nach der Geburt, und Molière musste erleben, wie Lully zum Rivalen wurde, den der König vorzuziehen begann.

Le Malade imaginaire sollte in bitterer Ironie sein letztes Stück bleiben und die Hauptrolle des eingebildeten Kranken seine letzte Rolle.[82] Bei der vierten Aufführung am 17. Februar 1673 erlitt er einen Schwächeanfall und starb wenig später in seiner nahe gelegenen Wohnung. Nur mühsam gelang es seiner Frau Armande, den Widerstand des Gemeindepfarrers zu brechen und über den König beim Erzbischof von Paris zu erreichen, dass eine halbwegs ehrbare Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof genehmigt wurde.

Die Truppe Molières blieb unter Armandes Leitung zunächst bestehen. Sie schloss sich aber bald, als Rivale Lully den Saal des Palais Royal zugesprochen bekam, der Truppe des Théâtre du Marais an, wobei Armande einen von deren Schauspielern heiratete. 1680 verschmolz die neue Truppe auf Anweisung von Ludwig XIV. mit der Truppe des Hôtel de Bourgogne: Die noch heute bestehende Comédie-Française war geboren.

Die Comédie-Française ist eines von fünf Theatern in Frankreich, die den Status eines Nationaltheaters innehaben. Die Comédie-Française unterhält als einziges dieser Nationaltheater ein festes Ensemble (Troupe des Comédiens français). Das Haus der Comédie-Française befindet sich im 1. Pariser Arrondissement, dem Arrondissement du Louvre. Der Name Molière ist eng mit dem Theater verbunden, weshalb es auch oft La Maison de Molière (Molières Haus) genannt wird. Sein großer Einfluss auf die französische Theaterlandschaft und die Schauspielkunst prägte die Geschichte des Hauses.

Die Comédie-Française wurde am 21. Oktober 1680 durch ein Lettre de cachet von König Ludwig XIV. gegründet, das den Zusammenschluss der beiden Pariser Schauspieltruppen des Théâtre de l’hôtel de Bourgogne und des Théâtre de Guénégaud regelte. Bereits am 24. August gab das aus 27 Schauspielern bestehende Ensemble seine erste öffentliche Vorstellung, mit einer gemeinsamen Aufführung der Tragödie Phèdre von Jean Racine und einer Komödie des zweitrangigen Schriftstellers Jean de La Chapelle (1651–1723). Das Repertoire bestand vorwiegend aus Stücken von Molière, Racine, Pierre Corneille, Paul Scarron und Jean de Rotrou.

Während der Französischen Revolution wurden die Comédie-Française am 3. September 1793 per Verordnung des Wohlfahrtsausschusses geschlossen und die Schauspieler verhaftet. Erst sechs Jahre später, am 30. Mai 1799, hob die neue Regierung diesen Beschluss auf und erlaubte weitere Vorführungen des wiedervereinigten Ensembles im Richelieu-Saal (Salle Richelieu).

Am 25. Februar 1830 kam es anlässlich der Uraufführung von Victor Hugos Stück Hernani im Theater zur sogenannten „Schlacht um Hernani“. Das Publikum war gespalten in Anhänger der französischen Klassik und solche der Romantik, die durch das Stück mitbegründet wurde, und trug diesen Konflikt während der Aufführung lautstark aus. Letztlich trugen die Anhänger des neuartigen „romantischen“ Theaters den Sieg davon, und Abweichungen von den klassischen Theaterregeln wurden verbreiteter.

Die Comédie-Française verfügt über drei Theater in Paris: den Richelieu-Saal, das Théâtre du Vieux-Colombier und das Studio-Théâtre.

Gegen die absolutistisch geprägte Comédie-Francaise gab es bürgerliche Oppositionsveranstaltungen in Form der Pariser Jahrmarkttheater.

Pariser Jahrmarktstheater (Théâtre de la foire) nennt sich ein Spektrum von Unterhaltungsveranstaltungen in Paris seit dem 17. Jahrhundert, zu denen Theater-Parodien, Marionettentheater, Artistik, Pantomime, Vaudeville und später die Opéra comique gehörten.

Diese Veranstaltungen hatten ihr jahreszeitliches und örtliches Zentrum auf den Jahrmärkten von Saint-Germain, Saint-Laurent und später Saint-Ovide. Sie waren der Ursprung aller kontinentaleuropäischen Theaterformen, die nicht von den Hoftheatern ausgingen, sondern vom Unternehmertum des Dritten Standes. Diese Bedeutung hat mit dem Publikumsvolumen zu tun: Paris als größte europäische Stadt überschritt im 18. Jahrhundert schon die Grenze von 500.000 Einwohnern, während Wien, die größte Stadt im deutschsprachigen Raum, um 1790 erst 200.000 Einwohner zählte.

Jahrmarktstheater waren stets ein Symbol für den individuellen (und privatwirtschaftlichen) Widerstand gegen die etablierten, vom Adel geführten Theater der Stadt und des Hofs, die ihre Konkurrenz bekämpften.

Der Jahrmarkt wird erstmals um 1176 erwähnt und wurde rund um die Abtei Saint-Germain-des-Prés abgehalten. Er dauerte in der Regel drei bis fünf Wochen um Ostern herum. Seit dem 18. Jahrhundert war er vom 3. Februar an bis zum Palmsonntag geöffnet. Es wurden Textilien und Geschirr besserer Qualität verkauft, aber keine Waffen oder Bücher. Es gab den Jahrmarkt bis 1789, als er in der Französischen Revolution in den Besitz der Stadt überging. 1818 wurde er als städtischer Markt wiedereröffnet. Den Jahrmarkt gibt es wieder seit seiner Wiederbelebung 1978.

Die ersten bekannten Komödianten, die sich auf diesem Jahrmarkt produzierten, waren Jean Courtin und Nicolas Poteau, die 1595 einen Prozess gegen die Truppe des Hôtel de Bourgogne gewannen, die auf ihrem Privileg bestand. Einen ähnlichen Erfolg hatten 1618 André Soliel und Isabel Le Gendre. Später zeigten sich Marionettenspieler, Seiltänzer, Bodenakrobaten und Tierbändiger auf dem Jahrmarkt. 1696 wurden vier kleine Theater mit je etwa 100 Sitzplätzen gebaut.

Nach 1700 erfolgte eine Literarisierung, auch eine Politisierung des Jahrmarktstheaters. Mehr und mehr wurden Opern und Theaterstücke gespielt, die bekannte höfische Theaterereignisse verspotteten. Schriftsteller wie Alain Lesage oder Louis Fuzelier schrieben für das Jahrmarktstheater.

Der Jahrmarkt Saint-Laurent bestand seit 1344 im Enclos Saint-Laurent zwischen der gleichnamigen Kirche und dem heutigen Ostbahnhof (Gare de l'Est). Im 18. Jahrhundert wurde er vom 9. August bis zum 29. September abgehalten.

Der Jahrmarkt Saint-Laurent war ein Treffpunkt für Handwerker, Händler und bürgerliche Kunden unter freiem Himmel, während der überdachte Jahrmarkt Saint-Germain eher als Einkaufszentrum für Luxusgüter wie Schmuck oder Porzellan diente.

Viele Artisten und Theatertruppen des Jahrmarkts Saint-Germain traten auch hier auf, weil der eine Jahrmarkt im Frühling und der andere im Sommer abgehalten wurde. Als sich die Theaterszene vergrößerte, wurden Theaterproduktionen von Saint-Germain in Saint-Laurent wieder aufgenommen.

Der Jahrmarkt Saint-Ovide wurde seit 1764 auf dem Place Louis XIV abgehalten und 1772 auf den Place Louis XV verlagert. Trotz der kleinen Dimension war er eine wichtige Konkurrenz von Saint-Laurent, der ungefähr zur gleichen Zeit stattfand (etwa 15. August bis 15. September). 1777 wurden die Buden durch einen Brand zerstört.

Die artistischen Darbietungen des 17. Jahrhunderts wurden zunehmend zu kleinen Komödien und damit zu einem Markt für talentierte Schriftsteller und Komponisten. Seit der Vertreibung der italienischen Komödianten aus Paris 1697 durch Ludwig XIV. entstanden neue französische Theaterformen. Die Professionalisierung der Jahrmarktsspektakel beunruhigte sogar die Comédie-Française, die in ihnen eine gefährliche Konkurrenz zu erblicken begann. Aufgrund verschiedener Prozesse, die sie gegen die Jahrmarktskomödianten führte, erreichte sie 1707 das berühmte Verbot der „pièces dialoguées“ auf den Jahrmärkten, ein generelles Verbot (französischer) Bühnen-Dialoge, aus dem die stumme Pantomime hervorging.

Aus der Geschicklichkeit, mit der dieses Verbot umgangen wurde, entstanden neue Theaterformen, etwa Stücke, die ausschließlich aus Monologen bestanden. Später wurde auch ein Kauderwelsch erfunden, um den alleinigen Anspruch der Comédie-Française auf die französische Sprache nicht zu verletzen. Schließlich wurden Zwischentexte auch mit Hilfe von Schildern und Papierrollen gezeigt. Um das Gesangsverbot auf der Bühne zu umgehen, wurde das Publikum zum Singen animiert.

Auf diese Weise konnte die Comédie-Française nicht mehr gegen erfolgreiche Produktionen vorgehen. Die Pariser Oper demgegenüber hatte bereits im ganzen französischen Königreich das alleinige Recht, Gesangs- und Ballettdarbietungen aufzuführen, und mussten sich deshalb um keine Verbote bemühen. Die Direktoren der Oper versuchten jedoch, ihre Einkünfte zu verbessern, indem sie Theaterunternehmern auf den Jahrmärkten das Recht zu musikalischen Spektakeln verkauften. So entstand 1714 das Genre der Opéra comique.

Die Opéra comique ist eine Operngattung, deren Anfänge im 17. Jahrhundert auf Vorstadtkomödien mit Musikeinlagen (Vaudevilles) zurückgehen. Sie war in der ersten Zeit dadurch gekennzeichnet, dass die musikalischen Nummern nicht durch Rezitative verbunden waren, sondern durch gesprochene Dialoge. Damit war sie ein Pendant zum deutschen Singspiel und der englischen Ballad Opera beziehungsweise der Spieloper.

Die anfangs in der Regel aus drei Akten bestehende Opéra comique verwendete keine antiken mythologischen Sujets wie die Tragédie lyrique, sondern historische oder gegenwärtige Stoffe, und ihre Helden waren keine Adligen.

Im Laufe der Zeit erfährt die Opéra comique eine Reihe stilistischer Wandlungen, wobei auch mehr als drei Akte oder Rezitative anstelle der Dialoge möglich werden. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts findet eine Aufspaltung in zwei Richtungen statt: eine, die sich zunehmend der Operette nähert, und eine andere, die sich verstärkt der Mittel der Grand opéra bedient. Bei letzterer verschmelzen schließlich die Kunstmittel der Opéra comique so stark mit dem Drame lyrique, dass eine Unterscheidung nach Gattungen nicht mehr möglich ist.

Ob der Charakter eines Werkes komisch oder tragisch ist, spielt für diese Gattungsbezeichnung keine Rolle. Die Opéra comique ist oft gar nicht komisch, sondern hat eher rührend-sentimentale Handlungen. Die Bezeichnung comique rührt im Grunde nur daher, dass die Tragödie bis zum 18. Jahrhundert dem Adel vorbehalten war und das aufstrebende Bürgertum sich mit Komödien begnügen musste. Deshalb wurde die Opéra comique zu einer bürgerlichen Oper, die sich von der (tragischen) höfischen Oper ebenso distanzierte wie von den (komischen) Jahrmarktsvergnügungen.

Ebenso wurde mit der ursprünglichen Opéra comique das Einheimische gegen die italienischen Kulturimporte ausgespielt, was für das Singspiel im deutschen Sprachgebiet ebenso eine Rolle spielte wie in Frankreich. Da große Teile gesprochen waren, konnten die Partien auch von Schauspielern ausgeführt werden, während man für die Oper (italienische) Gesangsvirtuosen benötigte.

Weil es im deutschen Sprachgebiet auch im 19. Jahrhundert noch das Hoftheater für die Repräsentation des Adels gab, im Unterschied zu Paris, hielt sich hier der ursprüngliche Sinn der Opéra comique als Gegengattung zur höfischen Oper (zum Beispiel in Albert Lortzings Singspielen, am radikalsten in seiner „Freiheitsoper“ Regina, 1848), während diese Gattungsbezeichnung in Paris nach der Französischen Revolution mit der Institution der Opéra-Comique und ihren Vorschriften und Gegebenheiten zusammenfiel. Daher muss man eine bieder-bürgerliche Opéra comique des 18. Jahrhunderts, die sich um ein bürgerliches Selbstbewusstsein bemühte, ohne es sich mit den Aristokraten zu verderben, von einer großstädtisch-glanzvollen Opéra comique des 19. Jahrhunderts unterscheiden.

Als ein Gesangsverbot auf den Jahrmärkten 1714 aufgelöst wurde (das jedoch nicht das letzte an diesen Orten bleiben sollte), schlossen sich zwei französische Theatertruppen zur Institution der Opéra comique zusammen, die eine französische Alternative zu den italienischen Opern bieten sollten. Alain Lesages Opernparodie Télémaque trägt um 1715 als eines der ersten Stücke die Gattungsbezeichnung Opéra comique. In die Vaudevilles waren Lieder mit neuen Texten zu bekannten Melodien eingelegt, in der Opéra comique war dagegen auch die Musik neu komponiert. Oft wurden diese Stücke „comédie mêlée d'ariettes“ oder „drame mêlé de chants“ genannt, was die Mischung aus gesprochenem Text und Gesang anzeigt. Eine Zusammenstellung der Musik aus Werken verschiedener Komponisten war nicht selten. Unterschätzt wird heute häufig die Bedeutung des Gesellschaftstanzes für diese frühen populären Opern.

Die Rivalität zwischen italienischer und französischer Musik wurde stets von Neuem angefacht. Als eine italienische Operntruppe in Paris 1752 wiederum sehr erfolgreich war, präsentierte der Philosoph und Musiker Jean-Jacques Rousseau mit seinem Intermède Le Devin du village (Der Dorfwahrsager) eine Opéra comique, die den Italienern mit Hilfe des Hofes Konkurrenz machen konnte. Rousseau, der sich über den Erfolg freute, aber durchaus nicht zur konservativen „französischen“ Partei gehörten wollte, zettelte daraufhin mit einem öffentlichen Brief (Lettre sur la musique française, 1753) den sogenannten Buffonistenstreit an, indem er die französische Opernmusik pauschal verurteilte und ihr die italienische Opera buffa als leuchtendes Beispiel voranstellte.

Wie ihre italienischen Vorbilder (La serva padrona, 1733) behandelt Rousseaus Kurzoper den Erfolg einfacher Leute, aber Komik und Intrige sind zugunsten der konstruktiven und positiven Handlungselemente stark zurückgenommen. Obwohl sich Rousseau in dieser Oper um französische Rezitative bemühte, machte sein Beispiel nicht Schule. Man blieb in der Opéra comique beim gesprochenen Text der Jahrmarktskomödien. Aber der schlichte, sentimentale Ton wies den „ernsthaften“ Stücken dieses Genres einen Weg.

So wurde die Opéra comique nach der Jahrhundertmitte zu einer „bürgerlichen“ Opern-Alternative einerseits gegenüber der höfischen Tragédie lyrique und andererseits gegenüber dem „vulgären“ Vaudeville. Komponisten wie François-André Danican Philidor oder Pierre-Alexandre Monsigny entwickelten ihre musikalischen Mittel. Erstmals (und vorerst auch letztmals) konnten sich beide Gattungen – Opéra comique und Tragédie lyrique – in Antonio Salieris Tarare (1787) vermischen.

Der Dichter Charles Simon Favart rühmte sich, mit der Opéra comique eine Oper für die „honnêtes gens“, das Bürgertum seiner Zeit, geschaffen zu haben. Er arbeitete etwa mit dem italienischen Komponisten Egidio Duni oder mit Antoine Dauvergne zusammen. Nach ihm ist die Salle Favart benannt, das „Haus“ der Opéra comique. Nicolas Dalayrac vertrat eine leichtere, komödienhafte Spielart der Opéra comique. Seine Gesangspartien konnten oft noch von Schauspielern gemeistert werden. Der Komponist André Grétry gilt als ein Wegbereiter der moderneren, dramatischeren und musikalisch gewichtigeren Opéra comique. Seine Oper Richard Cœur-de-lion (1784) enthält eine mehrmals wiederkehrende patriotische Melodie, die oft als Vorform des Leitmotivs gedeutet wurde. Zur Opéra comique der Revolutionszeit gehören Werke von Étienne-Nicolas Méhul, Nicolas Isouard oder François Devienne.

Im deutschen Sprachgebiet wurde die Opéra comique bewundert und nachgeahmt, aber ihr Witz wurde oft nicht verstanden. So wurde Marie Duroncerays Les amours de Bastien et Bastienne (1753), eine bissige Parodie auf Rousseaus Devin du village, in der von Mozart vertonten deutschen Fassung Bastien und Bastienne (1768) wieder zum bieder-rührenden Singspiel. Neben den parodistischen gab es gewiss auch sentimentale Originale, die in Deutschland besser verstanden wurden: Méhuls rührender Joseph (1807) wurde im deutschen Sprachgebiet häufig gespielt und regte ähnliche deutschsprachige Opern an wie Joseph Weigls Die Schweizer Familie (1809).

Die älteren Opéras comiques bildeten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ein unerschöpfliches Reservoir für Übersetzungen, Bearbeitungen und Neuvertonungen in andern Sprachen. Die deutschen Wanderbühnen hatten stets auch opéras comiques im Repertoire, die sich mit relativ geringem Aufwand aufführen ließen. Selbst die erste Wiener Operette Das Pensionat (1860) geht noch auf eine ältere Opéra comique zurück. Eine nationalistisch orientierte Theater- und Musikgeschichtsschreibung seit dem Ende jenes Jahrhunderts versuchte allerdings oft, die deutschsprachigen Spielopern als Originalwerke auszugeben.

Da Paris nicht nur die Kultur der Höfe anleitete, sondern bis ins 19. Jahrhundert auch die größte Stadt auf dem europäischen Kontinent war, kamen die meisten kulturellen Strömungen von dort. Christoph Willibald Gluck komponierte als Kapellmeister des Französischen Theaters (Burgtheater) in Wien auf französische Libretti zwischen 1758 und 1763 mehrere opéras comiques, bevor sich dieses Theater dem deutschsprachigen Singspiel zuwandte wie Mozarts Die Entführung aus dem Serail (1782), was im 19. Jahrhundert als bürgerlicher und „nationaler“ Triumph des „Deutschen“ gesehen wurde.

Die Emanzipation der Opéra comique war gleichsam vollendet, als sie nach der Revolution an die Stelle der höfischen Tragödie treten konnte. Zur Opéra comique dieser Art gehört Luigi Cherubinis tragische Oper Médée (1797). In Verbindung mit dem Theatermelodram ergaben sich allerdings modernere Typen der Tragödie oder Tragikomödie wie die Rettungsoper mit ihren Abenteuerstoffen. Eine unruhige Ära des Experimentierens zu Beginn des Jahrhunderts spiegelt die Regierungszeit Napoléon Bonapartes. Beethovens Fidelio (1805–1814) vollzieht diese Entwicklung nach: Orientiert sich der erste Akt noch weitgehend an der rührstückhaften älteren Opéra comique, begibt sich Beethoven im weiteren Verlauf der Komposition mit einem Melodram und dem spektakulären Befreiungs-Quartett in den Bereich der Rettungs-Oper, um im großen utopischen Chorfinale das Werk gleichsam oratorienhaft zu beenden.

Die moderneren „Spektakelstücke“ Frankreichs hatten auch erheblichen Einfluss auf die sogenannte romantische Oper, wie zum Beispiel auf Carl Maria von Webers Der Freischütz (1821).

Mit der Tradition dieser jüngeren und größeren Opéra comique verbindet man die Namen der Komponisten François-Adrien Boïeldieu und Daniel-François-Esprit Auber sowie des Librettisten Eugène Scribe. Boïeldieus La dame blanche (1825) setzt die Adelsgesellschaft in ihr altes Recht und steht damit im Dienst der Restauration, während Aubers Le maçon (1825) Handwerkerschicksale im exotischen Umfeld behandelt und unter dem deutschen Titel Maurer und Schlosser häufig gespielt wurde.

Im Jahr 1827/28, als der Melodram-Dichter und -Produzent René Charles Guilbert de Pixérécourt Direktor der Opéra-Comique war, waren sich die Varianten des Pariser Musiktheaters so nahe wie nie zuvor, und es spaltete sich die Grand opéra als Folgegattung für die altmodisch gewordene Tragédie lyrique ab. Die politische Bedeutung der Opéra comique kam nur noch gelegentlich zum Tragen und ging auf die Grand opéra über wie in Aubers La muette de Portici (1828), deren Aufführung am 25. August 1830 in Brüssel die belgische Revolution auslöste. Obwohl dieses Stück heute aufgrund der fünf Akte und Rezitative zur Grand opéra gerechnet wird, behielt es durch die integrierte pantomimische Rolle und die sozial niedrig stehenden Hauptfiguren Eigenschaften der Opéra comique bei.

In der Zeit des Vormärz waren die unterhaltsamen Stücke, die nirgends anecken konnten, modern. Sie entwickelten musikalische Stilmittel weiter, die Gioachino Rossini berühmt gemacht hatten (der in Paris lebte, aber nicht mehr komponierte). Aubers Fra Diavolo (1830) und Gaetano Donizettis La Fille du Régiment (1840) gehören zu den erfolgreichsten Opern dieses Genres und blieben hundert Jahre lang im Repertoire.

Der Postillon von Lonjumeau (1836) von Adolphe Adam (1803–1856) wurde zu einer auch im deutschen Sprachgebiet verbreiteten Opéra comique. In ihr zeigt sich die Ideologie der älteren Opéra comique, in der das Komische zum Sentimentalen tendiert, wieder sehr deutlich: Die vorgebliche Bigamie der Hauptfigur stellt sich als Treue heraus, weil sich die zweite Ehefrau des zum Gesangsstar gewordenen Postillons als seine verlassene erste entpuppt: Er führt also kein Lotterleben, sondern ist im Grunde doch ein pflichtbewusster Bürger.

Zur repräsentativen großbürgerlichen Operngattung wurde allerdings die Grand opéra (die ihrerseits an eine Pariser Institution, die „Opéra“, gebunden war) mit ihrem hauptsächlichen Vertreter Giacomo Meyerbeer. Meyerbeer versuchte die Opéra comique mit seinem deutsch uraufgeführten Werk Ein Feldlager in Schlesien (Berlin 1844) zur repräsentativen aristokratischen Oper zu machen, stieß damit aber auf geharnischten Widerstand in der deutschsprachigen Theaterwelt, sodass dieses Werk erst in seiner französischen Umarbeitung L’Étoile du Nord (1854) in Paris Fuß fassen konnte.

Die Opéra comique hatte zunehmend Mühe, sich zu profilieren, und eiferte der Grand opéra nach. Hector Berlioz stand mit seinem Künstlerdrama Benvenuto Cellini (1838) unentschieden zwischen Opéra comique und Grand opéra. Die Opéra comique konnte sich nicht mehr als Gegengattung zur höfischen Oper ausgeben und war auch nicht mehr das „heitere“ Genre.

Mit den modernen Vaudevilles der Boulevardtheater und später mit den Music Hall-Attraktionen entstand demgegenüber eine Art Musiktheater für Dienstboten und Arbeiter, sodass die Opéra comique ebenso wie die Grand Opéra das gehobene Bürgertum repräsentierte.

Dies bemängelte der Komponist Jacques Offenbach und erklärte in einer Abhandlung von 1856, dass er die Opéra comique als „einfache und wahre“ Oper (le genre primitif et vrai) des 18. Jahrhunderts wiederbeleben wolle, weil die im Haus der Opéra-Comique gespielten Stücke mittlerweile „kleine Grand Opéras“ geworden seien. Das Ergebnis war Offenbachs Pariser Operette im Théâtre des Bouffes-Parisiens. Offenbachs an der Opéra-Comique aufgeführtes Werk Barkouf (1860) mit einem Hund als Hauptfigur fiel durch. Die grotesk-komischen Stücke hatten an diesem Ort keine Zukunft. Heitere Werke gab es in diesem Genre allerdings nach wie vor wie etwa bei Victor Massé.

Die größer dimensionierte Opéra comique konnte sich halten, weil die Grand opéra nach Meyerbeers Tod 1864 erschöpft schien. Mignon (1866) von Ambroise Thomas nach Wilhelm Meisters Lehrjahre zeigte nach Faust und Werther erneut, wie gut sich Goethes Romanfiguren auf der französischen Opernbühne machten. Mit Georges Bizets Carmen (1875) wurde die Opéra comique wieder zur führenden französischen Oper. Die Tradition, dass die Opéra comique eine Operngattung der „einfachen Leute“ war und auch tragische Schicksale in diesem Milieu darstellen konnte, wurde mit Carmen aufgenommen und radikalisiert (denn die Hauptfigur schert sich dort nicht um bürgerliche Werte). Dies führte bei der Uraufführung zu einem Skandal, setzte sich aber im Nachhinein durch.

Gegen die Tendenzen der Zeit waren jedoch die traditionell gesprochenen Dialoge der Opéra comique. Weil die Gesangspartien von Schauspielern nicht mehr zu bewältigen waren und Sänger Mühe mit den gesprochenen Dialogen hatten, gab es aufführungspraktische Schwierigkeiten. Außerdem empfand man oft die Stückelung der Musik als der Oper nicht mehr angemessen. Dies führte dazu, dass viele Opéras comiques nachträglich mit Rezitativen versehen oder große Ballette integriert wurden. Carmen teilt das Schicksal der nachkomponierten Rezitative mit Charles Gounods Faust (1859) und Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann (1881), die als letzte bedeutende Werke der Gattung gelten.

Zur Vermeidung des Begriffs Opéra comique wurde mehr und mehr auch die Gattungsbezeichnung Drame lyrique gebraucht. Mit dem Drang zur durchkomponierten Form verschwand die Opéra comique allmählich, etwa zur selben Zeit, da in Deutschland Singspiel beziehungsweise Spieloper dem Musikdrama als „hohem“ und der Wiener Operette als „niederem“ Genre wichen. – Tragédie lyrique wurde als Gattungsbegriff von Jules Massenet wieder verwendet, auch „Opéra lyrique“ taucht gelegentlich auf.

Doch mit dem wachsenden Erfolg der Jahrmarktsproduktionen erhöhte die Oper auch die Lizenzgebühren und brachte die freien Unternehmer in Schwierigkeiten. Dies nutzte wiederum die Comédie-Française, indem sie 1719 ein generelles Aufführungsverbot auf den Jahrmärkten mit Ausnahme von Marionettenspiel und Seiltanz erreichte.

1716, nach dem Tod des Sonnenkönigs, der die Italiener vertrieben hatte, hatte der Regent Philippe II. die Comédie-Italienne gegründet, das spätere Théâtre-Italien: Sie spielte 1721–1723 ohne nennenswerten Erfolg auf dem Jahrmarkt Saint-Laurent.

Der Kaufmann Maurice Honoré konnte 1724 das erneute Recht zu Opernaufführungen erwerben. Auf ihn folgten weitere Lizenznehmer. Der bedeutendste Vertreter des Jahrmarktstheaters Charles Simon Favart wertete die Opéra comique durch seine dichterischen und unternehmerischen Leistungen auf, sodass sie 1762 als erstes ursprünglich bürgerliches Theatergenre in das königliche Théâtre-Italien Einzug halten konnte.

Das Genre der Opernparodie, das auf den Jahrmärkten entstand, hatte weit über die französischen Grenzen hinaus Einfluss, so auch auf das Alt-Wiener Volkstheater. Favarts Gattin Marie Duronceray etwa gab in ihrer berühmten Parodie auf Jean-Jacques Rousseaus Le Devin du village mit dem Titel Les Amours de Bastien et Bastienne (1753) das zarte Landmädchen realistisch mit Holzschuhen und Dialekt. Der Stellenwert einer ernsten Oper ließ sich danach bemessen, wie oft sie auf den Jahrmärkten parodiert wurde.

Neben den Theater- und Opernaufführungen gab es auf den Jahrmärkten auch zirkusähnliche Darbietungen, Schaustellungen von Abnormitäten in Kuriositätenkabinetten, Wandermenagerien etc. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verlagerten sich die Veranstaltungen mehr und mehr in die Spielstätten an den Pariser Boulevards, hauptsächlich am Boulevard du Temple.

Neben Moliere und Lully sind in diesem Zusammenhang noch Jean Racine und Pierre Corneille zu erwähnen.

Jean Baptiste Racine (1639-1699) war einer der bedeutendsten Autoren der französischen Klassik. Er las schon in seiner Jugend zugleich mit Interesse klassische lateinische und griechische Theaterstücke, und zwar sowohl im Original als auch in moralisch und religiös „gereinigten“ französischen Übertragungen, die einer seiner Lehrer verfasste, Isaac Lemaistre de Sacy. Daneben begann er zu schreiben: Oden auf die Natur um Port-Royal, aber auch fromme Verse, z. T. auf Latein.

Ab 1656 wurde er Zeuge der Schikanierung der Jansenisten durch die Staatsgewalt und deren Verbündete, die Jesuiten, und wurde 1658 von der Schließung der Schule von Port-Royal betroffen. Er wechselte nach Paris auf das jansenistische Collège d’Harcourt, wo er seine Schulzeit mit der „philosophie“-Klasse abschloss (1659).

Hiernach fand er knapp 20-jährig Aufnahme bei einem Verwandten, der im Stadtpalast einer Herzogsfamilie lebte und deren Haus, Liegenschaften und Finanzen verwaltete. Von ihm wurde Racine in einige schöngeistige Zirkel eingeführt, wo er u. a. den späteren Fabel-Dichter Jean de La Fontaine kennenlernte, einen entfernten Verwandten. Zum Vortrag in diesem Umfeld und im Ambiente des Stimmungshochs nach dem Ende des langen Krieges mit Spanien (1659) verfasste Racine allerlei Gelegenheitsgedichte, darunter diverse galante. Auch die Welt des Theaters, das nach dem Friedensschluss einen starken Aufschwung nahm, erfuhr er nun als Realität und versuchte sich an einem ersten Stück, der Tragödie oder Tragikomödie Amasie, die jedoch nicht angenommen wurde und verloren ist. Hiernach scheint er ein Stück um die Figur des römischen Dichters Ovid begonnen zu haben, stellte es aber, vielleicht wegen einer längeren Krankheit, nicht fertig.

1660 fiel er dem einflussreichen Literaten Jean Chapelain positiv auf mit der Ode La Nymphe de la Seine à la Reine, wo er in der Rolle einer fiktiven Seine-Nymphe die Ankunft der spanischen Prinzessin Maria-Teresa und ihre Hochzeit mit Ludwig XIV. besingt. Auf Vorschlag Chapelains erhielt er die beachtliche Gratifikation von 100 Écus (2400 Francs) aus der Schatulle des Königs.

Insgesamt war er angetan von seiner mondänen Existenz in Paris und schien dem strengen Jansenismus den Rücken zu kehren. Seine Verwandten und seine Lehrer waren allerdings entsetzt über diese unfromme Entwicklung. 1661 drängten sie ihn, nach Uzès in Südfrankreich zu einem Bruder seiner Mutter zu gehen, der Stellvertreter des dortigen Bischofs war. Hier sollte er sich auf den Empfang zumindest der niederen Weihen vorbereiten, damit man ihm anschließend eine kirchliche Pfründe verschaffen konnte, die ihn, als die mittellose Waise, die er war, für den Rest seines Lebens versorgen sollte.

In Uzès jedoch, wo er sich pflichtgemäß mit Theologie befasste, aber wie im Exil fühlte, wurde Racine sich endgültig seiner dramaturgischen Ambitionen bewusst. Er ließ sich brieflich durch Pariser Bekannte auf dem Laufenden halten und begann offenbar ein Stück nach dem Liebes- und Abenteuerroman Äthiopica von Heliodor (3. Jh. n. Chr.), d. h. der Geschichte von Theagenes und der schönen Chariklea, die in Frankreich in der vielgelesenen Übertragung von Jacques Amyot bekannt war. Doch scheint er über das Anfangsstadium nicht hinausgekommen zu sein.

1663 brach er seinen Aufenthalt in Uzès ab, kehrte zurück nach Paris und versuchte, seine Kontakte wiederzubeleben und neue zu knüpfen. Hierbei schloss er Freundschaft mit dem wenig älteren Literaten Nicolas Boileau und lernte u. a. den Komödienautor und Theaterdirektor Molière kennen. Seine panegyrische Ode sur la convalescence du Roi brachte ihm erneut den Beifall Chapelains ein, der ihm eine königliche Pension von jährlich 600 Francs verschaffte, etwa der Hälfte dessen, was eine sparsam wirtschaftende Person benötigte. Ebenfalls über Chapelain erlangte er die Protektion des hochadeligen Duc [=Herzog] d’Aignan, der ihn dem König vorstellte. Vor allem jedoch verfasste er für die Truppe Molières, vielleicht sogar in seinem Auftrag und mit seiner Hilfe, die Tragödie La Thébaïde ou les frères ennemis (= Die Thebais oder die feindlichen Brüder), die von dem blutigen Streit der Zwillingssöhne des Ödipus um die Herrschaft im griechischen Stadtstaat Theben handelt. Das Anfang 1664 aufgeführte Stück hatte aber nur geringen Erfolg.

Sein nächstes Stück, die Tragikomödie Alexandre le Grand (1665), war eher romanesk. Racine übte sich darin erstmals in der nüancierten Darstellung der Liebe und der durch sie ausgelösten Konflikte, eine Thematik, die von nun an eine Schlüsselrolle bei ihm spielte. Aufgeführt wurde das Stück wiederum von der Truppe Molières, doch gefiel Racine die Inszenierung nicht. Er reichte es deshalb hinter dem Rücken Molières weiter an die auf Tragödien und Tragikomödien spezialisierte Truppe des Hôtel de Bourgogne. Den jungen König, der beide Truppen protegierte, hatte er vor seinem Wechsel offenbar eingeweiht und für sich gewonnen, denn er durfte ihm 1666 die Druckfassung des Alexandre widmen, was sicher auch deshalb gelang, weil Ludwig es liebte, mit Alexander verglichen zu werden. Das Verhältnis Racines zu Molière dagegen ging in die Brüche, zumal er eine von dessen beliebtesten Schauspielerinnen mitnahm, Mademoiselle Du Parc, die bis zu ihrem frühen Tod Ende 1668 auch seine Geliebte war.

Nach dem zwar nicht rauschenden, aber achtbaren Erfolg des Alexandre und seinem Aufstieg zum Günstling des herrschenden Regimes hatte Racine offenbar das Bedürfnis, sich demonstrativ von den Jansenisten und ihrer lustfeindlichen Religiosität zu lösen und sich von ihrer latenten politischen Opposition zu distanzieren: 1666 attackierte er mit einem ironischen offenen Brief einen seiner Ex-Lehrer, den Moraltheologen Pierre Nicole, der Romanciers und Dramatiker als „öffentliche Seelenvergifter“ gebrandmarkt hatte.

1667 intensivierte sich Racines Kontakt zum Hof, denn er fand Anschluss an Henriette d’Angleterre, die junge Schwägerin von König Ludwig, die ihn (nach einer Fehlgeburt und dem Verlust eines Kindes durch Krankheit) als Unterhalter schätzte und ihn aus dem neuen Stück vorlesen ließ, an dem er schrieb, der Tragödie Andromaque. Seine Pension wurde auf 800 Francs erhöht.

Ende 1667 erzielte Racine mit Andromaque seinen Durchbruch. Zugleich hatte er sein Thema gefunden: die schicksalhafte, leidenschaftliche, aber unerfüllte Liebe, die die Liebenden in ihrer Eifersucht und/oder Enttäuschung bis zum Äußersten – Mord und Selbstmord eingeschlossen – und damit in den Untergang treibt. Nach dem Triumph von Andromaque, zu dem die Du Parc in der Titelrolle sehr viel beigetragen hatte, wurde Racine von seinen Bewunderern auf eine Stufe gestellt mit dem eine Generation älteren „großen Corneille“, der seinerseits so deprimiert war, dass er sich für zwei Jahre vom Theater zurückzog.

Racine verkehrte weiterhin am Hof und erhielt ab 1668 eine Pension von 1200 Francs. Ebenfalls 1668 bekam er ein Priorat im Anjou als Pfründe zugewiesen, wobei er, denn er war ja nicht geweiht, einen Teil der Einkünfte dem Priester abtreten musste, der als offizieller Inhaber figurierte und ihn vor Ort vertrat.

Beflügelt durch den schmeichelhaften Vergleich mit Corneille, versuchte Racine auch mit Molière gleichzuziehen mittels der Komödie Les plaideurs (1668). Das etwas konstruiert wirkende Stück um einen monomanischen Richter, zwei Prozesshansel (plaideurs), ein Liebespaar und zwei pfiffige Diener kam beim Pariser Publikum jedoch erst an, nachdem König Ludwig es ostentativ beklatscht hatte. Es blieb die einzige Komödie Racines.

Hiernach trat er wieder in Konkurrenz zu Corneille und begab sich mit der Tragödie Britannicus (1669) auf dessen Spezialgebiet, die Verarbeitung von Stoffen aus der römischen Geschichte. Auch das nächste, „römische“, Stück, die Tragikomödie Bérénice (1670), war eine Herausforderung an Corneille, der zur gleichen Zeit ein thematisch ähnliches Stück, Tite et Bérénice, von Molière herausbringen ließ. Nachdem Racine tatsächlich Corneille in der Gunst des Publikums geschlagen hatte (und inzwischen auch bei dem allmächtigen Minister Colbert aus und ein ging), wechselte er mit dem Intrigenstück Bajazet (1672), das am Hof von Istanbul spielt, in die jüngere türkische Geschichte. Frankreich war nämlich gerade mit dem Sultan gegen den deutschen Kaiser im Bunde, und „turqueries“ waren in Mode.

Nach dem Erfolg von Bajazet beherrschte Racine das Pariser Theater. 1673 wurde er in die Académie française gewählt. Mit Mithridate (1673) schrieb er nochmals ein „römisches“, Corneille Konkurrenz machendes Stück. Hiernach kehrte er in die Welt der griechischen Antike zurück mit Iphigénie en Aulide (1674). Die Uraufführung fand statt auf einem Fest, mit dem der König mitten im Niederländischen Krieg (1672–78) die Annexion der 1668 eroberten Franche-Comté feierte.

Im selben Jahr 1674 erhielt Racine das nicht unbedeutende, ihn aber kaum belastende Amt eines „Schatzmeisters von Frankreich“ (Trésorier de France) für den Bezirk Moulins übertragen. 1676 ließ er eine Sammelausgabe seiner Stücke erscheinen, die er hierfür gründlich überarbeitet hatte.

Anfang 1677 wurde Phèdre aufgeführt, nach dem antiken Phaidra-Stoff. Es gilt als sein neben Andromaque bestes und quasi tragischstes Stück. Der Erfolg war jedoch nur mäßig. Als dagegen ein gleichnamiges mittelmäßiges Stück von Jacques Pradon allgemein gelobt und beklatscht wurde, zog sich Racine frustriert zugunsten seiner anderen Aktivitäten vom Theater zurück. Auch heiratete er: die fromme und reiche, entfernt verwandte Catherine de Romanet, mit der er bis 1692 nacheinander einen Sohn, fünf Töchter und nochmals einen Sohn bekam.

Schon 1676 war er, zusammen mit seinem Freund Boileau, zum Königlichen Chronisten (Historiographe du roi) ernannt worden und musste hinfort an den nunmehr fast pausenlosen Feldzügen von Ludwig XIV. teilnehmen, um sie zu protokollieren (u. a. 1678 Belagerung von Gent im Niederländischen Krieg, 1692 Belagerung von Namur im Pfälzischen Erbfolgekrieg). Seine und Boileaus Aufzeichnungen wurden später jedoch bei einem Brand vernichtet.

Ab 1685 war Racine Vorleser bei Ludwig und seiner „linker Hand“ angetrauten frommen Gattin Madame de Maintenon. Von dieser ließ er sich 1688 und 1690 nochmals zum Stückeschreiben bewegen und verfasste die religiöse Stoffe behandelnden Esther und Athalie, die zur Aufführung in dem adeligen Kloster und Mädchenpensionat Saint-Cyr bestimmt waren und dort von Pensionärinnen aufgeführt wurden. Theologen bekrittelten die Stücke allerdings als weltliche Profanierung geistlicher Gegenstände.

1690 erreichte Racine den Höhepunkt seiner Höflingskarriere mit der Ernennung zum Königlichen Kammerherrn (gentilhomme ordinaire de la chambre du roi), womit die Erhebung in den Adelsstand verbunden war.

Gegen Ende der 70er Jahre war er wieder fromm geworden, was zu der gedrückter werdenden Stimmung passte, die Ludwigs pausenlose, zunehmend ruinöse Kriege in Frankreich bewirkten. Seiner eigenen Entwicklung und dieser Stimmung entsprechend verfasste er geistliche Lyrik, die gesammelt 1694 als Chants spirituels erschien.

Allmählich, zunächst aber nur insgeheim, kehrte er auch zu dem strenggläubigen Jansenismus seiner Jugendzeit zurück und versöhnte sich unter der Hand mit einigen seiner alten Lehrer. 1694 erregte er den Unwillen des Königs, weil er beim Pariser Erzbischof für das Kloster Port-Royal einzutreten versucht hatte, das nach wie vor als geistiges Zentrum der Jansenisten fungierte. Als er 1698 mit einem Abrégé de l’histoire de Port-Royal (= Abriss der Geschichte von P.-R.) seine Sympathien auch öffentlich zeigte, fiel er bei Ludwig in Ungnade.

Abseits vom Hof verlebte er seine letzten Monate in Verbitterung, wenn auch als reicher Mann und als Patriarch im Kreis seiner großen Familie.

Seinem Wunsch gemäß wurde er in Port-Royal nahe bei seinem Lieblingslehrer Jean Hamon begraben.

Racine hat die französischen Dramatiker neben ihm und nach ihm bis ins 19. Jahrhundert hinein stark beeinflusst. Die Eleganz und Musikalität seiner Verse galt und gilt als beispielhaft, die Intensität seiner Darstellung der Gefühle als kaum zu übertreffen. Als meisterhaft erscheint auch seine Kunst, Spannung nicht aus einer bewegten Handlung zu erzeugen, sondern aus den inneren Konflikten der Figuren und ihrer Entwicklung.

Im deutschen Sprachraum scheint er nie wirklich heimisch geworden zu sein, obwohl die meisten seiner Stücke übertragen und auch aufgeführt wurden, Goethe die Iphigénie kannte und Schiller kurz vor seinem Tod die Phèdre übertrug.

Pierre Corneille (1606-1684) war ein französischer Autor, der vor allem als Dramatiker aktiv war. Im europäischen Maßstab gesehen gehört er mit seinem gesamten Schaffen dem Zeitalter des Barock an.

Sein eigentlicher Ehrgeiz galt jedoch schon seit der Schulzeit dem Verfassen von Gedichten (auch auf Lateinisch) und von Stücken. Als 1629 der bekannte Schauspieler Mondory mit seiner Wandertruppe in Rouen gastierte, bot Corneille ihm seine Komödie Mélite an, die er spätestens im Vorjahr, vielleicht schon 1625 verfasst hatte. Dieses Verwirrspiel um sechs junge Leute, die sich schließlich zu drei Paaren zusammenfinden, wurde im Winter 1629/1630 mit Erfolg in Paris inszeniert und half Mondory, sich dort mit einem neuen Theater, dem Théâtre du Marais, zu etablieren.

In den folgenden Jahren schrieb Corneille für das Marais zahlreiche Stücke. Das erste war die Tragikomödie Clitandre, Ou l’innocence persécutée (Clitandre oder die verfolgte Unschuld, 1631), ein kompliziertes Stück um Liebe, Eifersucht, Hass, Mordversuche, Verwechselungen und den Zorn eines Fürsten, der den Titelhelden, einen Höfling, als vermeintlichen Verräter verurteilt, aber dann begnadigt. Mit Clitandre bezieht sich Corneille zum ersten Mal, wenngleich nur vage, auf zeitgenössische Ereignisse, nämlich den Prozess gegen den Anti-Richelieu-Verschwörer Marillac. Clitandre war auch das erste Stück, das er drucken ließ, wobei er unter dem Titel Mélanges poétiques eine Auswahl seiner bis dahin verfassten Gedichte anhängte. Es folgten die Komödien La Veuve (Die Witwe, 1633), La Galerie du Palais (Der große Saal des Palastes, 1634), La Suivante (Die Gesellschafterin, 1634) und La Place Royale (Der Königsplatz, 1634), einer Komödie, in der Corneille mit der Bindungsstörung des Protagonisten Alidor ein eigenes Problem zu gestalten scheint, das vielleicht durch seine enttäuschte Jugendliebe zu einer gewissen Catherine Hue verstärkt worden war.

Diese frühen Stücke gelten heute als zwar weniger bedeutende Jugendwerke, wirkten damals aber neuartig, denn sie schienen trotz ihrer konventionellen Aufmachung die zeitgenössische Gesellschaft zu spiegeln und spielten meist auch explizit in Paris. Entsprechend hatten sie passablen bis großen, La Galerie sogar sehr großen Erfolg und verschafften Corneille früh den Status eines anerkannten Autors.

Zwar lebte er nach wie vor in Rouen, wo er auch seine Ämter ausübte, doch hatte er bei seinen häufigen Paris-Besuchen Kontakt zu Literatenkreisen und Salons erhalten, unter anderem zu Marquise de Rambouillet. Als geistreicher Unterhalter galt Corneille dort zwar nicht und auch effektvoll aus seinen Stücken vorzulesen lag ihm wenig, doch schätzte man die Gelegenheitsgedichte, die er zu diesem oder jenem geselligen Anlass beisteuerte.

1633 betätigte er sich erstmals als Panegyriker, ein heute wenig bekannter Aspekt seines Schaffens: Im Auftrag des Bischofs von Rouen verfasste er ein Begrüßungs- und Lobgedicht anlässlich eines Besuchs von König Ludwig XIII. und Richelieu.

1634, nach dem großen Erfolg der Tragödie Sophonisbe von Jean Mairet, versuchte sich auch Corneille, vorerst wenig überzeugend, in dieser Gattung mit Médée (Medea, aufgeführt 1635), seinem ersten Stück mit einem Stoff aus der Antike.

1635 wurde er, unter anderem zusammen mit dem etwas jüngeren Jean Rotrou, Mitglied einer Gruppe von fünf Autoren im Dienst Richelieus, der das Theater zu einem Ort der politischen Propaganda für eine Stärkung der absoluten Monarchie zu machen versuchte. Nach zwei gemeinsam verfassten Stücken stellte Corneille seine Mitarbeit zwar ein, erhielt jedoch die ihm gewährte Jahresgage („Pension“) von 1500 Francs (etwa dem, was eine bescheidene Person samt einem Domestiken brauchte) bis zu Richelieus Tod 1642.

Ebenfalls ab 1635 befasste Corneille sich offenbar mit spanischer Literatur. Einerseits hatte sein Konkurrent und Kollege Jean Rotrou kurz zuvor begonnen, spanische Stücke für das französische Theater umzuschreiben. Andererseits erhielt Spanien mit dem Beginn des jahrzehntelangen französisch-spanischen Krieges auch ein politisches Interesse.

Im Winter 1635/1636 brachte Corneille, erneut sehr erfolgreich, L’Illusion comique heraus, eine Komödie, in der er das beliebte barocke Motiv des Theaters im Theater verarbeitet und zugleich, ganz im Sinne seines Dienstherrn Richelieu, für die Aufwertung des Schauspielerberufes wirbt. Innerhalb einer märchenhaften Rahmenhandlung spielen in L’Illusion weitere, erst im Nachhinein als bloßes Theater erkennbare Handlungen (worin unter anderem der prahlerische Haudegen Matamoro sich als Feigling erweist und die von ihm umworbene Frau an seinen Gefolgsmann Clindor verliert). L’Illusion ist das letzte Stück, in dem Corneille die Lehre von den drei Einheiten (des Ortes, der Zeit und der Handlung) ignoriert, die in Pariser Literatenkreisen gerade lebhaft diskutiert wurde.

Nachdem im Sommer 1636 die Spanier die Grenz- und Festungsstadt Corbie erobert, aber nach langem Ringen wieder verloren hatten, stellte Corneille im Spätherbst eine Tragikomödie fertig, die Bezüge auf diesen Kampf zu enthalten scheint: Le Cid. Die Aufführung des Stücks gegen Ende des Jahres war Corneilles endgültiger Durchbruch. Das Stück gilt als Beginn der hohen Zeit des Theaters der Klassik. Die Handlung des Cid spielt im Spanien des 11. Jahrhunderts und fußt auf dem Stück Las Mocedades del Cid von Guillén de Castro aus dem Jahr 1618, worin die Heldentaten des jugendlichen Cid, des mittelalterlichen spanischen Nationalhelden, geschildert werden.

Die Handlung ist ein klassisches Beispiel für den Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, der sich beim verlobten adeligen Paar Rodrigue und Chimène manifestiert: Rodrigue muss, den Geboten der Familienehre gehorchend, den Vater seiner Verlobten zum Duell fordern, weil der seinen eigenen, schon ältlichen Vater durch eine Ohrfeige beleidigt hat. Chimène dagegen muss, nachdem Rodrigue ihren Vater in dem Duell getötet hat, beim König die Todesstrafe gegen ihn fordern. Rodrigue wird jedoch nach einigem Hin und Her vom König im Sinne der Staatsräson begnadigt und aufs Neue mit Chimène verlobt. Der Grund dafür ist, dass er sich inzwischen um das Vaterland verdient gemacht hat, indem er als Feldherr das Heer der Mauren vor Sevilla geschlagen hat. Die Entscheidung des Königs wird allerdings auch als moralisch richtig bestätigt, dadurch dass Chimène sich zu ihrer Liebe bekennt, als sie einen Augenblick lang irrtümlich annimmt, ein von ihr akzeptierter Fürkämpfer, der seinerseits Rodrigue zum Duell gefordert hatte, habe ihn besiegt und getötet.

Le Cid war eines der größten Ereignisse der französischen Theatergeschichte. Der Erfolg war so spektakulär, dass Ludwig XIII. den Vater von Corneille umgehend in den Adelsstand erhob, womit der Sohn als schon adelig geboren galt. Mehrere Nachahmer beeilten sich, die Handlung mit eigenen Stücken fortzusetzen (z. B. Le Mariage du Cid oder La Mort du Cid). Allerdings traten rasch auch Neider und Mäkler auf den Plan, darunter die rivalisierenden Dramatiker Georges Scudéry und Jean Mairet. Sie attackierten Corneille vordergründig mit dem Argument, er habe die Regeln der „bienséance“ (Anstand, Sittsamkeit) verletzt, sein Vorbild plagiiert und zudem die mittlerweile als obligatorisch geltenden drei Einheiten – vor allem die des Ortes und der Zeit – nicht korrekt beachtet. Als Corneille Anfang 1637 selbstbewusst mit einer ironischen kleinen Schrift, der Excuse à Ariste (Entschuldigung gegenüber A.), reagierte, löste er eine heftige Kontroverse aus, die Querelle du Cid, in die sich weitere Literaten mit Pamphleten einmischten (circa 35 davon sind erhalten). Der monatelange Streit endete mit dem Eingreifen Richelieus, den zwar die positive Darstellung des wiederholt von ihm verbotenen Duells unter Adeligen verärgert hatte, dem jedoch das Lob der Staatsräson gefiel. Er beauftragte die junge Académie Française, ein Urteil abzugeben, das überwiegend von Jean Chapelain verfasst wurde und zwar negativ, aber versöhnlich ausfiel.

Während das Publikum weiter den Cid beklatschte, der auch auf Dauer das meistgespielte Stück Corneilles blieb, zog sich dieser verunsichert nach Rouen zurück. Hier versuchte er 1638 vergeblich, eine Doppelbesetzung seiner Ämter zu verhindern, die eine Halbierung seiner Einkünfte aus ihnen bedeutete und damit auch ihren Wiederverkaufswert minderte.

Erst 1640, inmitten aufstandsähnlicher Wirren in Rouen, die von kriegsbedingten Steuererhöhungen ausgelöst worden waren und schließlich von Truppen niedergeschlagen wurden, schrieb Corneille sein nächstes Stück: die im alten Rom spielende Tragödie Horace, in der er den legendären Stoff des Kampfes zwischen den Gentes der Horatier und Curiatier verarbeitete. Das Drama verdeutlicht thesenhaft, dass zwar zwischenmenschliche Bindungen, etwa unter Gatten und Geschwistern, ein hoher Wert sind, dass jedoch der Nutzen und der Ruhm des Vaterlandes Vorrang haben und ein Herrscher deshalb einen Gesetzesbrecher, hier einen Schwestermörder im Affekt, amnestieren darf, wenn der sich um den Staat verdient gemacht habe. Corneille widmete die Druckfassung des Werkes Richelieu, der es nach einer Privataufführung für gut befunden hatte. Um die historische Treue und die Beachtung der aristotelischen Einheiten zu demonstrieren, versah Corneille zahlreiche seiner Stücke mit Quellenangaben in der Originalsprache (in diesem Fall mit dem Bericht des römischen Historikers Livius) sowie mit einem Examen mit Ausführungen zur jeweiligen Einheit von Zeit, Ort und Handlung.

Anfang 1641 schloss Corneille Cinna, ou la clémence d’Auguste ab, ein Stück um die Verschwörung einiger republikanischer Patrizier gegen Kaiser Augustus und dessen großmütige, aber auch politisch kluge Vergebung, als er das Komplott entdeckt. Erkennbar spiegelt sich in diesem Werk die sich anbahnende Cabale des Importants, eine zeitgenössische Intrige hochstehender Adeliger gegen Richelieu und dessen Politik des zentralistischen Absolutismus.

Horace und Cinna waren sehr erfolgreich, und das letztere Stück, das als das formal gelungenste des Autors gilt, wurde nach dem Cid auch sein meistgespieltes. Dennoch stockte Corneilles künstlerischesSchaffen in den folgenden Jahren. 1641 heiratete er mit 35 Jahren, also für die damalige Zeit sehr spät, die elf Jahre jüngere Richterstochter Marie de Lampérière, mit der er vier Söhne und zwei Töchter haben würde. 1642 übernahm er beim Tod seines Vaters dessen Haus und die Vormundschaft für zwei noch unmündige Geschwister, unter anderem den 19 Jahre jüngeren Bruder Thomas, den späteren Dramatiker.

Erst Anfang 1643 brachte Corneille ein neues Stück heraus, Polyeucte martyr („Polyeuctos der Märtyrer“), eine um 250 in Armenien spielende „christliche Tragödie“. Sie wurde ein Erfolg beim Publikum, vor allem dank der mit dem religiösen Geschehen verwobenen Liebesgeschichte. Der Klerus allerdings tadelte die Profanierung eines religiösen Stoffs durch die Darstellung auf der Bühne.

Ebenfalls 1643 erreichte es Corneille mit einem Lobgedicht, die Gunst von Kardinal Mazarin, dem Nachfolger Richelieus, zu erlangen und von ihm eine jährliche Pension von 1000 Francs zu erhalten.

Nach Polyeucte ließ Corneille eine ganze Serie von Stücken folgen, in denen er den mit Le Cid, Horace und Cinna eingeschlagenen Weg weiterverfolgte und sich so Renommee erwarb. Die Handlungen, die sämtlich auf historischen Stoffen beruhen, weisen in der Regel einen verdeckten Bezug zur damaligen Politik auf und kreisen um hochgestellte Personen, die den Konflikt zwischen Neigung und Pflicht zugunsten der letzteren lösen, insbesondere im Sinne der Staatsräson, aber auch der Ethik von René Descartes. Die wichtigsten Titel bis 1648 sind La Mort de Pompée („Der Tod des Pompeius“, 1643), Rodogune, princesse des Parthes („Rodogune, die Parther-Fürstin“, 1644), Héraclius (1647). Die einzigen Komödien aus dieser Zeit sind Le Menteur („Der Lügner“, 1643) und La Suite du Menteur (1644). Die zunächstgenannte erfolgreichere gilt als die erste französische Charakterkomödie vor Molière und als wichtiges Vorbild für diesen. Die Tragödie Andromède, die Corneille 1647 auf Bestellung Mazarins verfasste, die aber wegen widriger Umstände erst 1650 zur Aufführung kam, war sein erstes Stück mit Gesangseinlagen und dem Einsatz von Maschinen.

1647 wurde Corneille in die Académie Française aufgenommen. Nachdem er schon 1644 einen ersten Sammelband seiner Stücke veröffentlicht hatte, brachte er 1648 einen zweiten heraus. Er schien nun vollends etabliert.

Hiernach geriet er jedoch in die Wirren der anti-absolutistischen Aufstände der sogenannten Fronde (1648-52) gegen Königin Anna, die für ihren noch unmündigen Sohn Ludwig XIV. die Regentschaft ausübte. Zuvor geriet Corneille jedoch in Konflikt mit Mazarin, der die absolutistische Politik seines Vorgängers Richelieu fortsetzte. So wurde 1649 der vom Publikum zunächst gut aufgenommene Dom Sanche d’Aragon letztlich zum Misserfolg, weil der Fürst Condé, der ranghöchste Mitanführer der Frondeure, die gerade Paris beherrschten, das Stück als Huldigung an Mazarin verstand und den Daumen senkte.

Im Gegenzug sah sich Corneille Anfang 1650 von Mazarin nach dessen vorläufigem Sieg belohnt, als er das hochrangige Amt des Anwaltes der Ständeversammlung der Normandie am Parlement von Rouen erhielt, dessen Inhaber, ein Frondeur, abgesetzt worden war. Hiernach konnte er seine beiden bisherigen, kleineren Ämter verkaufen.

Dennoch scheint er sich innerlich bald von Mazarin gelöst zu haben, denn sichtlich huldigte er noch 1650 mit Nicomède dem Fürsten Condé, der gefangengenommen worden und zu einer Art anti-absolutistischen Lichtgestalt geworden war. Corneille musste jedoch erleben, dass Condé nach seiner Freilassung 1651 endgültig unterlag und dass daraufhin Pertharite, ein Stück um einen vom Thron verdrängten König, in Paris durchfiel, weil das Thema nach der siegreichen Rückkehr des jungen Ludwig XIV. und der Königinmutter in die Hauptstadt obsolet geworden war.

Corneille, der überdies sein neues Amt an den inzwischen amnestierten und wieder eingesetzten Vorgänger hatte zurückgeben müssen, zog sich enttäuscht zurück. In dieser Zeit der Frustration arbeitete er vor allem an einer Versübertragung der Imitatio Christi des Thomas a Kempis. Sie erschien von 1652 bis 1654 in drei Bänden unter dem Titel L’Imitation de Jesu-Christ (Die Nachahmung von Jesus Christus), brachte ihm viel Anerkennung ein und wurde mehrfach neu aufgelegt. Dass Corneille sich des Öfteren als religiöser Autor betätigte, ist wenig bekannt.

Erst 1658 beendete Corneille seine innere Emigration. Ein Grund war zweifellos, dass im Sommerhalbjahr die Wandertruppe von Molière längere Zeit in Rouen gastierte und dort auch einige Stücke Corneilles spielte. Hierdurch kam dieser mit der Truppe in Kontakt und verliebte sich in die junge Schauspielerin Marquise du Parc. Als die Truppe im Herbst nach Paris weiterzog, hatte er einen zusätzlichen Grund, dem schon längeren Zureden seines Bruders Thomas zu folgen, der 1656 eine eigene Karriere als Dramatiker in der Hauptstadt gestartet hatte. Auch lockte Corneille die Gunst des als Groß-Mäzen agierenden Finanzministers Nicolas Fouquet, der ihm eine Pension von 2000 Francs aussetzte. Er reiste nun wieder häufig nach Paris und bewegte sich, von dem gesellschaftlich geschickteren Thomas lanciert und flankiert, als anerkannter Autor und galanter Lyriker in dem Kreis um Nicolas Fouquet sowie in anderen Salons. Auch versuchte er sich bald wieder als Dramatiker, indem er auf einen Vorschlag Fouquets die Tragödie Œdipe (Ödipus) verfasste. Die Aufführung Anfang 1659 durch die Truppe Molières und mit der Du Parc als Jocaste wurde zwar ein mondänes Ereignis, doch schien es manchen, als habe Corneille nachgelassen.

Das nächste Stück folgte 1660: die Tragödie La Toison d’or (Das Goldene Vlies), die im Auftrag eines reichen Adeligen entstand und mit aufwendigen Maschinen im Sommer auf dessen normannischem Schloss und im Winter in Paris aufgeführt wurde. Im selben Jahr brachte Corneille eine neue Gesamtausgabe seiner Stücke heraus, nun in schon drei Bänden. Hierbei eröffnete er jeden Band mit einem Discours sur la poésie dramatique und ließ die pompösen Widmungsadressen fort, die er den früheren Einzelausgaben der Stücke jeweils vorangestellt hatte, nun aber offenbar für unter seiner Würde hielt. In der Tat war er als „le grand Corneille“ zu einer Art Platzhirsch des Pariser Theaterlebens avanciert.

Den Sturz Fouquets, der 1661 verhaftet und wegen Bereicherung im Amt verurteilt wurde, überstand Corneille unbeschadet. Er fand rasch einen neuen Gönner in Herzog Henri de Guise, der ihn und Thomas (der eine Schwester seiner Frau geheiratet hatte) 1662 sogar samt ihren Familien in seinen Stadtpalais aufnahm. Nach der Übersiedelung von Rouen nach Paris lebten die Brüder Corneille den Rest ihres Lebens dort, meistens, wie schon in der Heimatstadt, im selben Haus.

1663 stellte der neue Minister Colbert eine Liste von Autoren zusammen, die von ihm selbst und seinem jungen König als einer Pension würdig erachtet wurden und von denen man im Gegenzug regimefreundliche und panegyrische Texte erwartete. Auch Corneille kam darauf mit erfreulichen 2000 Francs. Er entsprach den Erwartungen, die an ihn gerichtet waren, sogleich mit der Dankesschrift Remerciement présenté au Roi en 1663 und tat es auch in der Folge häufig. So bat er etwa schon 1664 den König mit einem Sonett um die Neuausstellung seines Adelsbriefes, der zusammen mit Hunderten anderer durch einen Erlass Colberts kassiert worden war. Später ersuchte Corneille ihn poetisch um Förderung der Karrieren seiner älteren Söhne, eines Geistlichen und zweier Offiziere.

Mit dem passabel erfolgreichen Œdipe und dem viel bestaunten Maschinen-Stück La Toison d’or hatte Corneille seine Arbeit als Dramatiker wieder voll aufgenommen. Wie vorher schrieb er vor allem Tragödien mit Stoffen aus der älteren, meist römischen Geschichte (Sertorius, 1661/62; Sophonisbe, 1662; Othon, 1664; Agésilas, 1665/66; Attila, 1666/67). Insgesamt jedoch bevorzugte er nun, seinen inzwischen sehr erfolgreichen Bruder Thomas imitierend, eher romaneske Handlungen. Hiermit versuchte er, dem Publikumsgeschmack zu entsprechen, der sich stark verändert hatte: aufgrund der innenpolitischen Ruhe, die nach dem Sieg des Absolutismus unter Mazarin herrschte, aber auch wegen der wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchstimmung, die Frankreich nach dem Ende des Krieges gegen Spanien (1659) und Beginn der Alleinherrschaft des jungen Ludwigs XIV. im Jahr 1661 erfasste.

Die neuen Stücke wurden sämtlich aufgeführt, zum Teil von der Truppe Molières, die seit 1659 ständig in der Hauptstadt spielte. Sie hatten stets auch einen gewissen Erfolg, doch trafen sie nicht mehr den Nerv der Zeit. Sichtlich fehlte ihnen weitgehend der Bezug zur politischen Realität, der jene Stücke ausgezeichnet hatte, die in den bewegten Zeiten vor und während der Fronde entstanden waren. Darüber hinaus litten sie bald auch unter dem Vergleich mit den Stücken des jüngeren Rivalen Jean Racine, der ab 1665 die Pariser Bühne zu beherrschen und den Geschmack zu bestimmen begann.

1667 betätigte sich Corneille wiederum als Panegyriker, indem er den im August siegreich aus dem Devolutionskrieg heimkehrenden Ludwig XIV. mit dem Lobgedicht Au Roi sur son retour de Flandre (Dem König zu seiner Rückkehr aus Flandern) begrüßte und ihm etwas später mit dem langen Gedicht Les victoires du Roi en 1667 huldigte.

Als sich Ende 1667 Racine mit der Tragödie Andromaque endgültig durchsetzte, war Corneille so frustriert, dass er an einen gänzlichen Rückzug vom Theater dachte. In dieser Situation schrieb er 1669 erneut ein langes frommes Werk, das Office de la Vierge traduit en français, tant en vers qu’en prose, par P. Corneille, avec les sept psaumes pénitentiaux, les vêpres et complies du dimanche et tous les hymnes du breviaire romain. Es kam Anfang 1670 im Druck heraus mit einer Widmung an die Königin Marie-Thérèse. Anders als die Imitation von 1652-1654 fand das Office jedoch kaum Beachtung und erlebte keine Neuauflage.

Ende 1670 versuchte Corneille, gedrängt von alten Freunden und Bewunderern sowie auch von Feinden und Neidern Racines, ein neuerliches Comeback mit der „comédie héroïque“ Tite et Bérénice. Allerdings brachte der inzwischen selbstbewusste Racine zur selben Zeit das themengleiche Stück Bérénice heraus, das vom Publikum als das deutlich bessere bewertet wurde.

Corneille schrieb dennoch drei weitere Stücke, die aber keinen größeren Anklang mehr fanden: Psyché (1670/71), Pulchérie (1671/72) und Suréna, général des Parthes (1674). Eine Sonderstellung nimmt hierunter die „Ballett-Tragödie“ Psyché ein, deren Plan und erster Akt von Molière stammten, während die letzten drei Viertel von Corneille verfasst wurden. Als bestes Stück seines Spätwerks gilt heute das letzte, die Tragödie Suréna.

Seinen hohen Status in der Literatenszene und in der Pariser Gesellschaft konnte Corneille bis zum Ende seines Lebens wahren, auch dank dem Geschick und dem Einfluss seines immer loyalen Bruders und dank dem Kollegen Jean Donneau de Visé, der in seiner 1672 gegründeten Zeitschrift Le Mercure Galant treu zu Corneille stand. Darüber hinaus erhielt er häufig Lob von Feinden und Neidern Racines, die diesen so zu kränken versuchten.

In Pariser Adelskreisen und am Hof behielt Corneille ebenfalls seine Bewunderer, und gewogen blieb ihm auch König Ludwig, dem er 1672 das lange Lobgedicht Les victoires du Roi sur les États de Hollande en l'année 1672 (Die Siege des Königs über die holländischen Stände im Jahr 1672) widmete. 1675 und 1676 hatte er die Genugtuung, dass Ludwig am Hof vier bzw. sechs ältere Stücke von ihm aufführen ließ.

Die gelegentlich zu findende Angabe, Corneille sei im Alter verarmt, ist falsch.

Nach seinem Tod wurde sein Sessel in der Académie Française, deren Sitzungen er stets gewissenhaft besucht hatte, an seinen Bruder Thomas vergeben. Der einstige Rivale Jean Racine hielt eine Laudatio auf Corneille.

Corneille hat mit seinen etwa 35 Stücken alle Dramatiker neben und direkt nach ihm beeinflusst, insbesondere Racine; aber auch für die nachfolgenden Autorengenerationen blieb er ein Vorbild, z. B. für Voltaire. Entsprechend galt und gilt er bis heute als einer der größten französischen Dramatiker und als größter Tragöde neben Racine, der trotz seines deutlich schmaleren Gesamtwerks oft als der Größere erachtet wird.

Aufgrund seines Erfolgs in Frankreich wurden Stücke Corneilles schon zu seinen Lebzeiten in Übertragungen auch von deutschen Theatertruppen gespielt. In der Folge machte Gotthold Ephraim Lessing Corneille und dessen Stücke, die auf dem Spielplan des Hamburger Nationaltheaters standen, zu einem der Hauptgegenstände seiner dramentheoretischen Polemiken in der Hamburgischen Dramaturgie. Corneille wurde für Lessing zum Repräsentanten einer auf deutschen Bühnen stark präsenten französischen klassizistischen Theatertradition, gegen die er anschrieb. Beim Versuch, auf eine eigenständige nationale Bühnendichtung hinzuwirken, machte Lessing Corneille u. a. die falsche Auslegung der aristotelischen Poetik, mangelndes Genie, schlechte, da nicht an der Natur des Menschen orientierte Motivationstechnik und insgesamt „mißgeschilderte Charaktere“ zum Vorwurf.

Daneben förderte Ludwig XIV. noch zahlreiche berühmte Künstler: Darunter auf dem Gebiet der Literatur Nicolas Boileau, Jean de La Fontaine und Racine, in der Malerei Charles Lebrun, Hyacinthe Rigaud und Pierre Mignard, im Bereich der Musik – die Ludwig besonders wichtig war – unter anderem Charpentier, François Couperin, Michel-Richard Delalande und Marin Marais, in der Architektur Louis Le Vau, Claude Perrault, Robert de Cotte, als auch Jules Hardouin-Mansart, die im Auftrag des Königs den französischen klassizistischen Barock prägten, und im Kunsthandwerk Antoine Coysevox sowie insbesondere André-Charles Boulle.[83] Auf dem Gebiet der Wissenschaft konnte Ludwig XIV. einige bekannte Forscher für Paris gewinnen, darunter Giovanni Domenico Cassini, Christiaan Huygens und Vincenzo Maria Coronelli, deren Arbeiten er mit hohen Pensionen unterstützte.

Charles Lebrun war ein französischer Maler, Architekt, Ornamentzeichner, Hofmaler (1662), Direktor der Gobelin-Manufaktur sowie Rektor und Kanzler der Académie royale de peinture et de sculpture. Er leitete die Arbeiten zur Ausstattung der Schlösser Vaux-le-Vicomte und Versailles und war einer der bedeutendsten und prägendsten Künstler des Stiles Louis XIV.

Le Brun entstammte einer Bildhauerfamilie, die wahrscheinlich schottischen Ursprungs war. Sein Vater Nicolas Le Brun (gestorben 1648) unterrichtete seinen Sohn in den Grundlagen der Bildhauerei und des Zeichnens. Charles wandte sich wie seine Brüder Nicolas (1615−1660) und Gabriel (1625−1660) jedoch nicht dem väterlichen Beruf zu, sondern der Malerei, in der er einiges Talent zeigte.

Eine Federzeichnung des 13-Jährigen, die Ludwig XIII. zu Pferde darstellte, machte den Kanzler Ségnier (teilweise auch Séguier) auf Le Brun aufmerksam. Ségnier erkannte das Talent des Jungen, nahm ihn bei sich auf und ließ ihm eine Ausbildung angedeihen. Dabei studierte Le Brun 1632 Malerei bei Francois Perrier, genannt der Burgunder, und 1634/1637 bei Simon Vouet, bei dem er sich vor allem an der Antikensammlung und der Sammlung italienischer Meister in Schloss Fontainebleau schulte.

Bereits 1638 war er Peintre du Roi („königlicher Maler“) und erhielt erste Aufträge von Kardinal Richelieu, der von den Werken des jungen Künstlers sehr angetan war.

Sein Gönner Ségnier ermöglichte es Le Brun 1642 nach Rom zu gehen um dort bei Poussin, der ihn sehr freundlich aufnahm, zu studieren. Zusätzlich erhielt Le Brun von Ségnier eine Pension von 200 Ecus. In Rom zeichnete er besonders nach den antiken Skulpturen, widmete sich aber auch den Werken Carraccis, Raffaels und Guido Renis, die einen starken Einfluss auf Lebruns späteres Schaffen hatten. Als er 1646 nach Frankreich zurückkehrte war er dort durch seine in die Heimat geschickten Arbeiten längst berühmt und erhielt so in der Folgezeit mannigfache Aufträge zur Ausgestaltung von Privathäusern wie etwa dem Hotel Lambert in Paris (Herkulessage, Pan und Bacchus), aber auch für Altar- und sonstige Kirchengemälde.

1648 war er Mitbegründer der Académie royale de peinture et de sculpture, der er zeitlebens verbunden blieb. Ab 1657 wurde Nicolas Fouquet, Surintendant des Finances sein Gönner und stattete ihn mit einer Rente von 12.000 Livres aus. Le Brun wurde Leiter der Fouquet'schen Tapisserie-Manufaktur in Maincy und begann ab 1658 mit der Ausschmückung von Fouquets Schloss Vaux-le-Vicomte, was ihn mit Louis Le Vau und André Le Nôtre bekannt machte. Jules Mazarin führte ihn 1660 bei Hofe ein, worauf er für den König mit der Ausführung des Alexanderzyklus, einer Gemäldeserie, die Stationen aus dem Leben Alexanders des Großen darstellt, begann und für die Königin-Mutter Anna ein Gemälde für deren Andachtsraum schuf.

Mit dem gewaltsamen Sturz Fouquets durch den König 1661 wechselte das Künstlerdreigestirn von Vaux-le-Vicomte geschlossen in die Dienste der Krone über und realisierte für diese gemeinsam viele Projekte. In Colbert fand Le Brun nun einen neuen Gönner, der ihm zu einem schier kometenhaften Aufstieg verhalf: 1662 wurde Le Brun in den Adelsstand erhoben und zum Premier Peintre du Roi, dem höchsten offiziellen Maleramt, ernannt. Ein Jahr darauf, 1663 wurde er zum Garde général der königlichen Sammlungen (etwa Generalintendant) berufen und erhielt auf Betreiben Colberts die Direktion der Manufacture Royale des Tapisseries et Meubles de la Couronne (Die staatlichen Kunstwerkstätten und Manufakturen, die neben Gobelins und Möbeln auch diverse andere Kunstgegenstände produzierten), für die er zahlreiche Entwürfe machte und deren Ausführung er dann überwachte. 1666 begründete er die Außenstelle der Akademie in Rom, 1668 wurde er Rektor und Kanzler der Akademie. 1677 begleitete er den König auf dessen Flandernfeldzug (gegen spanische Besitzungen).

Währenddessen erfolgten zahlreiche Arbeiten in Schlössern, so die Ausschmückung der Apollo-Galerie (ab 1661), der Spiegelgalerie (1679) und der Großen Gesandtentreppe (Grand Escalier des Ambassadeurs, 1674/1678) in Versailles, die Ausschmückung von Schloss Marly (1683/1686) sowie die Dekoration von Colberts Schloss Sceaux (1670/1674).

Le Brun war auf dem Höhepunkt seiner Karriere der unangefochtene Kunstpatron − mancher meinte schon Kunstdespot −, als am 6. September 1683 Colbert starb. Der Tod seines Gönners bereitete dem Aufstieg des Künstlers einen jähen Abbruch: zwar wurde er nicht vom König fallen gelassen, doch wandte sich die königliche Gunst nunmehr, vor allem auf Betreiben von Louvois, dem Nachfolger Colberts, Mignard zu, der von Louvois protegiert wurde.

Kaum ein anderer Künstler hatte einen Kunststil so geprägt wie Le Brun den Stil Louis XIV. Vor allem die große Breite seines Schaffens, neben Gemälden und Innendekoration auch zahlreiche Entwürfe für Tapisserien wie etwa aus Aubusson und für sonstige Zierornamentik, ermöglichte ihm diese weitreichende Einflussnahme. Le Brun, der an den italienischen Meistern geschult war, hinterließ ein Werk, das für die folgenden Generationen französischer höfischer Kunst in seiner Stringenz und gravitätischen Würde immer wieder beispielhaft war. Gerade mit der zunehmenden Verspieltheit des Dekors im 18. Jahrhundert, besann sich die Kunstdebatte der Zeit zurück auf das Grand siècle (das „große Jahrhundert“ unter Ludwig XIV.), dessen Kunstproduktion als die „wahre französische Kunst“ idealisiert.

Nicolas Poussin (15.6.1594-19.11.1665) war ein französischer Maler des klassizistischen Barock, der vom König wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten sehr geschätzt wurde.[84]

Im Jahre 1612 siedelte er nach Paris über, das das künstlerische Zentrum Frankreichs dieser Zeit war. In den königlichen Kunstsammlungen studierte er Werke von Raffael und Tizian. Er fühlte sich vor allem der spätmanieristischen Schule von Fontainebleau hingezogen.[85] Die Schule von Fontainebleau ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Künstlern und für den von ihnen vertretenen Manierismus, die vom 16. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts vom Schloss Fontainebleau, der bevorzugten Residenz des französischen Königs Franz I., ausging. Wurde Die Schule von Fontainebleau entwickelte sich zu einem Zentrum für die Verbreitung der Ideenwelt der Renaissance und der Kunst des Manierismus im nördlichen Europa. Die zweite Schule von Fontainebleau in den Jahren 1590-1620, zu der Ambroise Dubois aus Antwerpen und die Pariser Toussaint Dubreil, Antoine Caron und Martin Fréminet sowie eine Reihe anonymer Künstler zählten, verzichtete auf religiöse Malerei und bevorzugte stattdessen Themen aus der griechischen und römischen Mythologie, darunter auch erotische und sexistische Sujets.[86]

Einer seiner Förderer war der italienische Dichter Giambattista Marino, der Poussin für die griechische und römische Mythologie, insbesondere für die Metamorphosen Ovids begeisterte. Poussin fertigte für Marino 16 Federzeichnungen zu den Metamorphosen Ovids bzw. seinem Epos L’Adone, wo Marino in Versen die Liebesgeschichte von Venus und Adonis nachzeichnete, an.Ab 1624 hielt Poussin sich hauptsächlich in Rom auf. Er fand dort Anschluss an den Kreis um den Bildungsphilister und Mäzen Cassiano dal Pozzo. Dal Pozzo gehörte zu einem Kreis von adligen Kunstsammlern, Gelehrten, Buchhändlern und Verlegern, die sich für die Antike, die Wissenschaften und die zeitgenössische Kunst interessierten. Ab 1623 war er Sekretär des Kardinals Francesco Barberini, eines Neffen Papst Urbans VIII.. Poussin studierte antike Kunstwerke auch in dal Pozzos Sammlung und Archiv. Dies führte dazu, dass er sich in der Folgezeit auf Bilder in kleineren Formaten mit mythologischen, religiösen, politischen und historischen Themen auseinandersetzte. Dal Pozzo selbst gab 40 Bilder bei Poussin in Auftrag; darunter die berühmten Sieben Sakramente und das Berliner Selbstbildnis. Wahrscheinlich im Auftrag des Kardinals Francesco Barberinis malte Poussin sein erstes aufsehenerregendes Werk, den „Tod des Germanicus“.

Der „Tod des Germanicus” ist wahrscheinlich das eindrucksvollste Historienbild Poussins.[87] Die an der klassischen Antike erinnernde Haltung der Figuren, die Harmonie der Posen und Linien mit den altertümlichen Gewändern und Rüstungen vor einer klassischen Architekturkulisse verleiht der Sterbeszene Erhabenheit und Realismus. Poussin galt spätestens seit diesem Bild als Schöpfer der ins Ideale und Erhabene gesteigerten klassischen Landschaften, in denen in antike Gewänder gehüllte bekannte Figuren in Natursituationen mit klassischen Bauten erscheinen. Anschließend entsteht das Bild „Triumpf der Flora“ für einen Kardinal. Danach lebt Poussin von Aufträgen für Altarbilder. Mitte der 1630er Jahre entstehen die „Anbetung des Goldenen Kalbes“ und der „Raub der Sabinerinnen“ im klassizistischen Stil.[88]

In Frankreich schaffte Poussin durch drei von Kardinal Richelieu bestellte Bilder „Triumph des Pan, des Bacchus und des Neptun“ seinen künstlerischen Durchbruch. 1641 kehrte Poussin auf Druck des französischen Königs Ludwig XIII. und des Kardinals Richelieus nach Paris zurück. Ludwig XIII gab Poussin den Posten des Direktors der Ausstattung der königlichen Bauten und beauftragte ihn mit der Ausmalung der Grande Salle im Louvre und mit Entwürfen für die Teppichweberei. Für Richelieu malte er das allegorische Bild „Die Zeit entzieht die Wahrheit den Angriffen des Neides“. Poussin konnte sich aber mit seiner Rolle und seinen Aufgaben am königlichen Hof nicht anfreunden. Seine herausragende Stellung erweckte den Neid anderer Künstler, was für heftige Spannungen sorgte. Dies führte dazu, dass Poussin bereits im Herbst 1642 Paris verließ und kehrte nach Rom zurückkehrte.Ende der 1640er Jahre entwarf Poussin die mythologischen Landschaften Pyrymus und Thisbe sowie Orpheus und Eurydike.

1665 bekam er eine Nachricht vom französischen König Ludwig XIV., dass er als Erster Maler Frankreichs ausgezeichnet wurde. Kurz danach verstarb er und wurde in der Kirche San Lorenzo in Lucina beigesetzt. Seine detaillierte Kenntnis antiker Quellen war die Voraussetzung dafür, dass in seinen Bildern die Figuren, Architektur, Gegenstände und Landschaften quasi originalgetreu wiedergegeben wurden. Poussin verwendete bevorzugt unvermischte Lokalfarben, die seinen Bildern Intensität und Reinheit verliehen.

Poussin war ein Anhänger des Stoizismus, dessen Ideen über Tod, Leben und das Ausgeliefertsein der Menschheit an eine höhere Macht er in seinen Werken zum Thema machte. Die Tatsache, dass er sich im Zeitalter des Barocks an der Kunst der Antike orientierte, führte dazu, dass er in der Kunstgeschichte bevorzugt als Maler des Barock-Klassizismus eingeordnet wurde.[89] Die beiden Bilder der arkadischen Hirten gehören mit zu den bekanntesten Werken Poussins.[90]

Die schwer zugängliche Landschaft Arkadien auf dem Peloponnes galt schon in der Antike als glücksseliges ruhiges Hirtenland. Das von Theokritos in den Eidyllia verherrlichte sizilianische Bauerntum wurde von Vergil auf die griechische Landschaft Arkadien auf dem Peloponnes übertragen. Für Vergil war Arkadien das Ursprungsland der Dichtung und der Musik.[91] Der Realismus des Hirtenlebens in den Gedichten von Moschos und Bion von Smyrna weicht einer Verklärung und Idealisierung desselben als ein idyllisches und sorgenfreies Leben.

In der Zeit des Hellenismus wurde die Zuschreibung erweitert; Arkadien war nun auch der Ort des Goldenen Zeitalters, wo die dort lebenden Menschen unbelastet von schwerer Arbeit und Kriegen naturverbunden als glückliche Hirten wohnten.[92] Ohne dass jemand eine exakte Vorstellung über Arkadien entwickelte, galt das Land als Symbol für die Schilderung eines idyllischen Landlebens.

Zwischen Mitte des 15. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts griff die Literatur in Europa den Sehnsuchtsort Arkadien auf. Mindestens 100 verschiedene Phantasien des mythischen Hirtenlandes sind allein in Italien überliefert. Größere Berühmtheit erlangten die volkssprachlichen Schäferdichtungen Jacopo Sannazaros Arcadia aus dem Jahre 1502. Konstituierend für das Genre und von großer Wirkung auf die gesamteuropäische Produktion wurde aber Jorge de Montemayors Diana aus dem Jahre 1559. Nach seiner Ausbreitung vor allem in Großbritannien und Italien erreichte das Genre mit Honoré d´Urfés L´Astrée (1607-1627) in Frankreich einen Höhepunkt.

Die griechische Landschaft Arkadien wurde in der Renaissance und im Barock zum Symbol für das Goldene Zeitalter, wo die Menschen als freie Hirten im Einklang mit der Natur lebten und sich der Ruhe, der Dichtung, der Musik und der freien Liebe hingaben. Hier diente Senecas Vorstellung vom Goldenen Zeitalter als Orientierungspunkt.[93] Laut Seneca gab es ein Goldenes Zeitalter, wo das eine Grundübereinstimmung zwischen der äußeren Natur und dem Menschen bestand. Die Natur stellte dem Menschen das zur Verfügung, was seinen wahren Bedürfnissen entspricht. Dieser Zustand änderte sich erst, als die Habsucht und die widernatürliche Begierde nach Überflüssigem aufkamen und die Genussgier den Anreiz zu Erfindungen bot. In Senecas Tragödie Medea ist die mythische Argonautenfahrt der Ausdruck des menschlichen Strebens nach Beherrschung des Meeres durch die Seefahrt, deren Einführung das Ende des urzeitlichen Einklangs von Mensch und Naturordnung markiert.

Noch heute gibt es eskapistische Darstellungsmuster, die Arkadien als Ort mit einem glücksseligen einfachen Leben gleichsetzen. Vor allem in der Ökologiebewegung seit 1980 wurde das Motiv Arkadiens wieder rezipiert.

Das erste Bild zu dem Satzfragment „Et in Arkadia ego“ entwarf um das Jahr 1620 der italienische Maler Guernico. Die Inschrift „Memento mori“ ist auf einem Mauerstück geschrieben, auf dem ein Totenkopf liegt. Der Totenkopf, der mit den beiden Hirten den Mittelpunkt des Bildes ausmacht, ist als Symbol für die Vergänglichkeit zu verstehen. Die Inschrift mahnt die Hirten inmitten der idyllischen Landschaft an den Tod, der jedes glückliche Leben einmal beendet.[94]

In zwei Gemälden mit dem Titel „Die Hirten von Arkadien“ griff Poussin die Thematik auf und entwickelte sie durch Eingriffe in die Komposition wesentlich weiter. Die entscheidendste Veränderung Poussins ist, dass er das Mauerstück durch einen Sarkophag ersetzt.

Poussin malte zwei dem Bild Guernicos ähnliche Fassungen.[95] Das erste Bild mit der Grabinschrift „Et in Arkadia ego“ entstand um 1630. Dort werden zwei Hirten und eine Schäferin gezeigt, die auf die Inschrift an einem Sarkophag mit Totenschädel gestoßen sind. Im Vordergrund ist ein Flussgott zu sehen, der durch Arkadien fließt. Das zweite Bild mit demselben Titel und derselben Grabinschrift entstand vermutlich zwischen 1650-1655.

Das Bild ist geometrisch aufgebaut und vermittelt eine viel positivere Stimmung als das erste. Die Inschrift „Et in Arkadia ego“ befindet sich nicht mehr auf einem Sarkophag, sondern auf einem schlichten Monument. Diesmal werden drei Hirten und eine Frau in einem prunkvollen Gewand abgebildet. Poussin betrachtet sie einzeln, es ist keine Gruppe mehr. Über Kreuz treten sie Figuren in Verbindung und scheinen miteinander zu kommunizieren. Sie betrachten die Inschrift, wo der Totenkopf fehlt. Der Arm eines knienden Hirten wirft einen sensenförmigen Schatten auf die Inschrift, wobei die Sense als Symbol des Todes gedeutet werden kann. Im zweiten Bild wird in einer symbolischen Ebene der Tod analog der Wirklichkeit gesetzt; die Präsenz des Todes inmitten eines idyllischen Lebens wird Teil der Realität gesehen.[96]

Das Schöne, wie von Platon in den Enneaden als ewig, unwandelbar und zeitlos dargestellt, wird von Poussin als vergänglich demaskiert. Die beiden Bilder mit den arkadischen Hirten werden kontrovers diskutiert. Johannsen bemerkt: „Es ist die mit der Benennung der Dinge und mit der Reflexion einsetzende Bewusstwerdung des Menschen, die Poussin (…) malt; der Verlust der Unschuld, auch die Vertreibung aus dem Paradies. Einmal ihrer selbst bewusst, vom Tod wissend, werden die Hirten nie mehr nach Arkadien zurückkehren können, es nicht mehr finden.“[97]

Alf Hermann hat folgenden Deutungsansatz: „Statt des Todes scheint nun der Tote zu uns zu sprechen, der hier seine ewige Ruhe gefunden hat. ‚Auch ich war in Arkadien‘ teilt er uns wehmütig mit, war also ein Mensch, der die Annehmlichkeiten des Lebens in vollen Zügen genossen hat und nun diejenigen, die noch am Leben sind, an die Vergänglichkeit ihres Aufenthalts auf Erden erinnern.“[98] Aus psychoanalytischer Sicht deuten Becht-Jördens und Wehmeier das Bild folgendermaßen: Weil der Tod selbst in Arkadien herrscht, seine Herrschaft also keine Grenzen kennt, herrscht auch die Malkunst dort und überall da, wo er am Werk ist. Denn er bzw. das Bewusstsein seiner unausweichlichen Realität sei es, weswegen der Mensch der Kunst und des Trostes bedürfte, den sie aufgrund ihrer Befähigung zur Repräsentanz des Abwesenden gewährt.[99]

Es gab eine breite Rezeption von Poussins arkadischen Hirten mit der Inschrift „Et in Arcadia ego“Schillers Gedicht „Resignation“, das 1787 abgedruckt wurde, beginnt mit den Worten „Auch ich war in Arkadien geboren“. Carl Wilhelm Kolbes Werk aus dem Jahre 1801 trug den Titel „Auch ich war in Arkadien“, zwischen 1834 und 1838 schrieb Joseph von Eichendorff eine Erzählung mit dem gleichnamigen Titel. Ingeborg Bachmann schrieb 1952 einen Roman mit dem Titel „Auch ich habe in Arkadien gelebt“. Das 2. Streichquartett von Moritz Eggert aus dem Jahre 1997 nannte sich „Et in Arcadia ego“.[100]

Poussin galt bis ins 20. Jahrhundert als einer derbedeutendsten Maler der französischen Barockzeit. Nachfolgende Künstler wie Cezanne, Picasso, Francis Bacon und Lüpertz beschäftigten sich intensiv mit seinen Werken. Die Beschäftigung Cézannes mit Poussin lässt sich mit dem berühmten Ausspruch Cézannes „refaire Poussin sur nature“ und „eine Kunst wie die der Museen“[101] gut charakterisieren. Dies bedeutet keine Rückkehr zum Klassischen der alten Kunst“ beschreiben. Durch ein intensives Studium der Werke Poussins entwickelte Cézanne Erkenntnisse für das eigene „in seiner Originalität durchaus voraussetzungsloses Schaffen“.[102] Diese Rückbesinnung auf alte Traditionen geht jedoch von der Gegenwart aus und will diese weiterentwickeln. Machotka fasst zusammen:„But for Cézanne classicism meant not a return to tradition, but the logical expression of his sensation, inspired by the systematic methods of earlier artists.“[103] Eine große Poussin-Ausstellung im Louvre im Jahre verlieh ihm posthum erneutes Prestige und erneuerte die Auseinandersetzung mit seinen Werken und Ideen.

Ludwigs Bewunderung galt auch der Schule von Fontainebleau. Die Schule von Fontainebleau ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Künstlern und für die von ihnen geprägte Spielart des Manierismus, die vom 16. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts vom Schloss Fontainebleau, der bevorzugten Residenz des französischen Königs Franz I., ausging.

Durch das Mäzenatentum des Königs, das sich ebenso auf Literatur und Wissenschaft wie auf die Kunst erstreckte, wurde Fontainebleau zu einem Zentrum für die Verbreitung der Ideenwelt der Renaissance und der Kunst des Manierismus im nördlichen Europa.

Man unterscheidet zwei durch einen Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren getrennte unterschiedliche Epochen. Die Künstler der ersten Phase stammten alle aus Italien. Sie werden unter dem Namen Erste Schule von Fontainebleau zusammengefasst. Die Künstler der Zweiten Schule von Fontainebleau, die bis in das frühe 17. Jahrhundert tätig waren, kamen in der Regel aus Frankreich oder Flandern.

Franz I. hatte durch die Invasion Frankreichs in Italien zwischen 1494 und 1499, durch die Werke der Kunst, der Buchkunst, der Literatur und der Wissenschaften nach Frankreich gelangten, Kenntnisse von der Blüte der italienischen Kultur. Nach seiner Thronbesteigung war er bestrebt, seinen Machtanspruch in Europa durch eine glanzvolle Residenz, vergleichbar den Höfen in Florenz, Mantua oder Mailand, zu unterstreichen. Er lud neben humanistischen Gelehrten renommierte italienische Maler und Architekten nach Frankreich ein, neben dem alten Leonardo auch Michelangelo, der dem Ruf nach Frankreich jedoch nicht folgte, die Architekten Vignola und Serlio oder den Goldschmied Cellini, der in Fontainebleau seine berühmte Saliera für den König herstellte. Diese Künstler verweilten aber nur kurz in Frankreich, ohne dauerhafte Spuren zu hinterlassen.[104]

Folgenreich war jedoch 1531 die Ankunft von Rosso Fiorentino, der bis zu seinem Tod im Jahre 1540 in Fontainebleau bleiben sollte. Rosso Fiorentino war ein italienischer Maler des Manierismus.[105]

Über die Anfänge Rossos als Maler gibt es nur wenige gesicherte Daten. Eine der wichtigsten zeitgenössischen Quellen über ihn ist das 1550 erstmals erschienene Buch Le Vite de' più eccellenti architetti, pittori et scultori italiani von Giorgio Vasari. Vasari ordnet ihn keinem der möglichen Lehrmeister zu, da seine Werke denen potentieller Lehrer widersprächen. Wahrscheinlich wurde er zusammen mit Pontormo von Andrea del Sarto ausgebildet. Am 26. Februar 1516 wurde Rosso Fiorentino Mitglied der Malerzunft von Florenz.

Der Künstlername Rosso Fiorentino bezieht sich auf die roten Haare des Künstlers.Eins seiner ersten gesicherten Werke stammt aus dem Jahr 1517, eine Auferstehung, die noch stark an del Sarto und Pontormo orientiert ist und die Handschrift Rossos noch nicht erkennen lässt. Die Entwürfe für ein Altarbild Madonna mit Kind und Heiligen für das Hospital S. Maria Nuova in Florenz befremdeten seine Auftraggeber, denen die Heiligen eher wie Teufel vorkamen. Auch die Heiligen, die Madonna und Kind in der schließlich ausgeführten Fassung umgeben, entsprechen nicht einer überkommenen Norm. Johannes der Täufer, das übliche haarige Gewand mit einer blauen Seidenschleife gegürtet, ist in leichte, weißseidene und rosafarbenen Gewänder gekleidet. Er wird einem ausgemergelten, vergeistigten Hieronymus gegenübergestellt, dessen überlange Gliedmaßen und zartgliedrige Hände graziös in Szene gesetzt sind. 1521 hielt sich Rosso in Volterra auf.

Von überwältigender Theatralik ist seine Kreuzabnahme für die dortige Kathedrale, sowohl was die obere, erregt um den Leichnam Christi kreisende Gruppe betrifft als auch die um das Kreuz versammelte Gruppe von sechs Personen, bei denen er alle Abstufungen von Trauer und Schmerz durchspielt. In der leuchtenden Farbigkeit dieser Bilder zeigt sich noch Rossos Nähe zu Pontormo.

Im folgenden Jahr ging er nach Arezzo und 1523 nach Rom, wo er bis 1527 tätig war. Rosso war beeindruckt durch Michelangelo, dessen Werke er aufmerksam studierte und die ihre Spuren in Rossos Bildern hinterlassen haben. Das Bild Moses und die Töchter des Jethro von 1523 ist ohne Michelangelos Aktdarstellungen nicht denkbar. Das Gleiche gilt für das für Kardinal Lorenzo Tornabuoni gemalte Bild Der tote Christus mit den fackeltragenden Engeln, das auch Ergebnisse von Rossos Antikenstudium zeigt.[106]

Durch den verhängnisvollen Sacco di Roma im Jahr 1527 verlor Rosso Werkstatt, Vermögen und Auftraggeber. Wie viele seiner Kollegen verließ er die Stadt, um sich neue Mäzene im nördlichen Italien zu suchen, so in Citta di Castello, Perugia, Borgo Sansepolcro, Arezzo und Venedig.

1530 reiste er auf Einladung des Königs an den Hof Franz I. in Fontainebleau, den er 1531 erreichte. Dort war er in den nächsten zehn Jahren bis zu seinem Tod tätig. Er hatte den Status eines Hofmalers und wurde 1532 mit dem Amt eines Kanonikus an der Sainte Chapelle ausgezeichnet. Rosso hat Frankreich nicht mehr verlassen.

Der König hatte das mittelalterliche Schloss umbauen und erweitern lassen. Bei der Ankunft Rossos war der Bau fertiggestellt, und Rosso wurde mit der Innenausstattung beauftragt. Sein Hauptwerk ist die Galerie, die erste dieser Art in einem französischen Schloss. Der langgestreckte Raum ist mit Bildern und weißer Stuckplastik ausgestattet, die einem komplexen und schwer zu deutendem Programm folgen. Typisch für den Manierismus in Fontainebleau ist die Verknüpfung von Malerei, Skulptur, farbintensiven Ornamenten, Holzschnitzereien und Rollwerk, von Historiengemälden und mythologischen Bildern.

1532 rief Franz I. den bei Giulio Romano in Mantua tätig gewesenen Maler Primaticcio nach Fontainebleau, der eng mit Rosso zusammenarbeitete und nach dessen Tod die Arbeiten an der Innenausstattung fortsetzte. Rosso und Primaticcio gelten als Begründer der Ersten Schule von Fontainebleau.

Rosso pflegte seine Gemälde in Zeichnungen vorzubereiten, von denen aber nur noch wenige erhalten sind. Seine Werke wurden durch Stiche von Cherubino Alberti, Gian Giacomo Caraglio, René Boyvin und anderen verbreitet. Der Begriff Schule von Fontainebleau wurde zum ersten Mal 1818 verwendet, um die graphische Produktion aus Fontainebleau, deren Blätter häufig nicht signiert sind, zu kennzeichnen und zusammenzufassen.

1532 folgte ihm Primaticcio, der Frankreich bis auf kurze Reisen nach Italien im Auftrag des Königs ebenfalls nicht mehr verlassen hat. Als dritter dieser Erste Schule von Fontainebleau genannten Gruppe kam 1552 Nicolò dell’Abbate aus Bologna hinzu, den Heinrich II. auf Bitten Primaticcios engagiert hatte.

Hauptaufgabe dieser Künstler war die glanzvolle Ausstattung von Fontainebleau mit Bildern, Fresken, Skulpturen, Reliefs, Stuckarbeiten, Ledertapeten und Bildteppichen. Rossos Hauptwerk ist die bis heute gut erhaltene Galerie François Ier, die erste ihrer Art in Frankreich, die in den Jahren 1531 bis 1540 gestaltet wurde. Nach dem Tod Rossos führte Primaticcio die Arbeiten in Fontainebleau weiter. Das von ihm eingerichtete Schlafzimmer des Königs ist jedoch vollständig zerstört, vom Salon der Herzogin d'Estampes sind nur Fragmente erhalten. Sein Mitarbeiter und späterer Nachfolger Niccolo dell’Abbate stattete den Ballsaal und die Galerie des Ulysses aus, die 1697 abgerissen worden sind. Die Innenausstattung der zerstörten Räume ist allerdings durch zahlreiche erhaltene Teppiche, in denen die Bildausstattung der Räume kopiert wurde, zu rekonstruieren.[107]

Wegen der Religionskriege von 1584 bis 1595 und der Nachfolgefrage nach dem Tod des letzten Valois Henri III. wurden die Arbeiten unterbrochen, da das Schloss verlassen worden war.

Während der Regierung von Henri IV. wurde das Schloss umfassend restauriert. Der König lud flämische und französische Künstler nach Fontainebleau ein, die mit dem Namen Zweite Schule von Fontainebleau als Künstlergruppe bezeichnet werden.[108] Zu diesen zählen Ambroise Dubois aus Antwerpen und die Pariser Toussaint Dubreil, Antoine Caron und Martin Fréminet sowie eine Reihe anonymer Künstler, die üblicherweise mit Notnamen bezeichnet werden. Dubreuil malte den 1703 zerstörten Pavillon des Poésies aus. Von Fréminet stammt die Ausstattung der Dreifaltigkeitskapelle in Fontainebleau, ausgeführt zwischen 1606 und 1616 und bis heute erhalten.[109]

Aus der zweiten Phase der Schule von Fontainebleau stammt eine Reihe von erotischen Bildern, für die hier offenbar eine besondere Vorliebe bestand.[110] Beispielhaft für diese Art Gemälde mit ihrer bis heute oft nicht vollständig entschlüsselten Ikonographie ist das Bild eines anonymen Malers Gabrielle d’Estrées mit ihrer Schwester, der Herzogin von Villars, das heute im Louvre gezeigt wird.

Typisch für Fontainebleau ist der grundsätzliche Verzicht auf religiöse Malerei, die Bevorzugung von Themen aus der griechischen und römischen Mythologie bzw. von erotischen Sujets, eine Vorliebe für Ornamente und Grotesken, für die Integration von Malerei, Skulptur und Stuck in ein Gesamtkonzept sowie bei den Figuren eine ähnliche Tendenz zur Überlängung der Gestalten wie bei den manieristischen Malern Italiens.[111] Das Besondere an den erotischen Bildern ist eine überbetonte raffinierte Erotik bei gleichzeitiger distanzierter Sprödigkeit und einem Mangel an Emotionalität und Sinnlichkeit. In der Ikonographie der Gemälde liebt man Rätsel, Verschlüsselungen und gelehrte Anspielungen und in der Ausführung bevorzugt man langgliedrige, sich kapriziös gebende Gestalten in klaren Konturen, während die Farbwirkung der Bilder häufig kühl und von gedämpfter Ausdruckskraft bleibt.

Der in Fontainebleau entwickelte Stil verbreitete sich schnell in ganz Frankreich und in Nordeuropa, während Einflüsse in Italien marginal blieben. Die Kenntnis über Skulpturen aus Fontainebleau wurde durch Repliken aus Bronze und Ton verbreitet. Wichtigste Medien dieses Transfers waren jedoch vor allem die Bildteppiche, die in der Manufaktur von Fontainebleau gewebt wurden, sowie die Kupferstiche, von denen es eine blühende Produktion gab. Von René Boyvin, der beispielsweise Rossos Arbeiten in Fontainebleau in Stichen dokumentierte, sind allein 240 Blätter erhalten, die ihm zugeschrieben werden. Ein weiterer Künstler, der die Werke der Schule durch seine Stiche verbreitete, war Gian Giacomo Caraglio.[112]

Boyvin betrieb zusammen mit Pierre Millan eine florierende Werkstatt, die nach dem Tod Franz I. ihre Tätigkeit nach Paris verlagerte. Weitere in Fontainebleau tätige Kupferstecher sind Antonio Fantuzzi, ebenso aus Bologna wie Primaticcio und seine engen Mitarbeiter, die Italiener Francesco Penni und dessen Sohn Luca, die Franzosen Léon Davent, Jean Mignon, Geoffroy Dumoustier, und Domenico del Barbiere, ein weiterer Italiener.

Der Bau des Schlosses von Versailles war Teil von Ludwigs Strategie zur Zentralisierung der Macht.[113] Ludwig XIV. vollendete die Bestrebungen der Kardinäle Richelieu und Mazarin und schuf einen zentralisierten, absolutistischen Territorialstaat. Er schwächte den Adel, indem er die Adeligen lieber zu Mitgliedern seines Hofes als zu regionalen Provinzherrschern machte. Zu diesem Zweck baute er Versailles, einen gewaltigen Palast vor den Toren von Paris, den der Hof am 6. Mai 1682 bezog. Die höfische Etikette nötigte die Adeligen dazu, immense Geldsummen für ihre Kleidung auszugeben, und ihre Zeit vor allem auf Bällen, Diners und anderen Festlichkeiten zu verbringen, die die alltägliche Routine des Hoflebens darstellten.

Ludwig XIV. soll ein fotografisches Gedächtnis gehabt haben, so dass er beim Betreten eines Saales auf einen Blick feststellen konnte, wer anwesend war.[114] Deshalb konnte kein Aristokrat, der auf die Gunst des Königs angewiesen war, seine Abwesenheit riskieren. Anstatt seine regionalen Angelegenheiten zu regeln und seine dortige Macht zu behalten, wetteiferte der Adel nun um solche trivialen Ehren wie die, dem König beim Ankleiden helfen zu dürfen. Dadurch konnte Ludwig den niederen Amtsadel fördern und Bürgerliche in Positionen einsetzen, die früher von der traditionellen Aristokratie beansprucht wurden. So ruhte die politische Macht fest in der Hand des Königs.

Man kann nicht stark genug herausstellen, dass Versailles hauptsächlich nicht als Ort für das persönliche Vergnügen des Königs diente, sondern ein politisches Machtinstrument war.[115] Durch die Bindung des Hochadels an den Hof geriet dieser nicht nur zunehmend in persönliche Abhängigkeit vom König, sondern wurde ebenso von Rebellionen und Machtkompetenzen ferngehalten. Das Schloss war mit einer Fülle von politischen Aussagen gefüllt, die jedem Besucher in der Anordnung der Räume, den Gemälden und Skulpturen, in den Gärten und Alleen begegnete. Die Sinnaussage war folgende: Der König ist der Garant für Ruhe, Ordnung und Wohlstand des Staates, der einzige Stellvertreter Gottes auf Erden und niemand kommt seiner Macht gleich.[116]

Das Schloss des Königs war ein Ausdruck der Leistungsfähigkeit Frankreichs und ein Symbol seiner Größe und Stärke. Die geordnete Natur der Parkanlagen war ein Spiegelbild der Ordnung, die Ludwig XIV. dem Land brachte.

Nachdem er als Kind die Gefahr der Fronde in Paris am eigenen Leib erleben musste, konnte sich der König nie für die französische Hauptstadt begeistern, er liebte dagegen das kleine Jagdschloss seines Vaters.[117] Dort konnte er einen angemessen repräsentativen und weitläufigen neuen Palast erbauen, der zudem so im engen Paris undenkbar gewesen wäre. Der Entschluss, den Hof 1682 aus dem Louvre und dem Tuilerienpalast hierher zu verlegen, sollte Frankreichs Geschichte für viele Jahre prägen. Hier vollendete Ludwig XIV. den Regierungsstil, den man später als Absolutismus bezeichnete. Der König wollte weitere Aufstände wie die Fronde verhindern, er schnitt die Aristokratie von ihrer alten Aufgabe der Provinzverwaltung ab und setzte Beamte dafür ein, die Mitglieder des Adels wurden dagegen an den Hof geholt. Eine mögliche Opposition aus der Ferne gegen ihn, wie sie zum Beispiel seinem Vater widerfuhr, wurde somit erschwert. Die Angehörigen des Adels wurden politisch entmachtet und im Gegenzug mit kostbaren Geschenken und prunkvollen Festen entschädigt. Der einst mächtige Hochadel Frankreichs verließ bereitwillig seine Schlösser in den Provinzen, nur wenige konnten es sich leisten, dauerhaft eigene Hofgesellschaften zu unterhalten. Um auf der Höhe der Zeit zu sein und den neuesten Moden des Hofes folgen zu können, verschuldeten sich die Aristokraten oder erhielten willkürliche Renten vom König.

Eine Wohnung in Versailles zugewiesen zu bekommen, war ein bedeutendes Privileg, das zudem die Illusion vermittelte, im Zentrum der Macht an der Regierung beteiligt zu sein. Wer zu den Logeants, den im Schloss Wohnenden gehörte, stand im Rang über den Galopins, den Kutschierenden, die Abends zurück in ihre Stadtwohnungen nach Paris mussten.[118] Innerhalb des Hoflebens übernahm die Etikette eine bedeutende Rolle, im Prinzip unbedeutende Hofämter standen symbolisch für politischen Einfluss. Lediglich bei Hofe konnten Posten, Titel und Ämter errungen werden, und wer sich vom Sonnenkönig distanzierte, lief Gefahr, Vorrechte und Rang zu verlieren. Aus diesem Grund hielt sich die Aristokratie so gut wie ständig um ihren König auf und versuchte, ihm gefällig zu sein. Das sorgte dafür, dass zeitweise mehrere Tausend Menschen zugleich das Schloss bewohnten.

Für die französische Gesellschaft bedeutete der Wandel des Zweiten Standes vom Land- zum Hofadel auf Dauer eine schwere Belastung. Von ihren alten Pflichten und Aufgaben weitgehend entbunden, fristete die Aristokratie bald ein dekadentes Dasein. Während der Dritte Stand die Steuerlast und die Arbeit zu tragen hatte, konnte – beziehungsweise musste – sich der Adel dem Müßiggang hingeben. Dieser Umstand sollte über hundert Jahre später einer der Auslöser der Französischen Revolution werden.

Nach dem Tode Ludwigs XIV. 1715 und der Regentschaft Philipp II. im Namen von Ludwig XV., der zu dieser Zeit noch ein Kind war, verließ der Hof den riesigen Palast und begab sich vorübergehend nach Saint-Cloud und ins Palais Royal. Unter den Nachfolgern des Sonnenkönigs verlor Versailles seine umfassende zentralistische Bedeutung und die Gesellschaft traf sich nun zunehmend auch wieder in den Landschlössern des Adels oder den Pariser Hôtels. Dennoch residierten auch Ludwig XV. und Ludwig XVI. in Versailles, so dass das Schloss ab 1682 nur mit kurzen Unterbrechungen fast ständig von der Königsfamilie bewohnt war. Obwohl öfter Ausflüge in die vielen weiteren Schlösser rund um Paris unternommen wurden, blieb Versailles immer Regierungssitz und Mittelpunkt des höfischen Frankreichs.[119]

Am Ende des Ancien Régime umfasste der Hofstaat rund 10.000 Personen, von denen bis zu 5.000 direkt im Schloss lebten.[120] Die eigentlichen Höflinge machten davon rund 1.000 Personen aus, hinzu kamen Kammerfrauen, Köche, Leibwachen und andere Bedienstete. Der Palast war eine Stadt unter einem großen Dach, mit Wohnungen, Arbeitsräumen und Vergnügungsstätten. Auf den Gängen und Höfen ließen sich Händler nieder. Das Schloss war fast ständig überbelegt und die Aristokratie, so sie nicht zur königlichen Familie gehörte, war zum Teil verarmt und hauste sogar in den engen Dachkammern der oberen Geschosse oder im benachbarten Grand Commun.

Victor Hugo bezeichnete das Schloss später als eine einzige Höflingskaserne.[121] Der Palast war nicht allein dem Adel vorbehalten: Zugang hatte auch das gewöhnliche Volk, die Neugierigen wurden von den Bewohnern als Voyeux bezeichnet. Je höher der Rang des Besuchers war, desto weiter durfte er in das Innere des Schlosses gelangen. Der freie Zugang zum Schloss bedeutete jedoch nicht zugleich Kontakt mit den hier lebenden Personen. Wer als Bittsteller kam oder auf ein Amt hoffte, musste offiziell bei Hofe vorgestellt werden, wozu man neben einem verbrieften Titel. üblicherweise die Fürsprache eines bereits etablierten Höflings benötigte. Als etabliert galt, wer über eines der zahlreichen käuflichen Hofämter verfügte, die, je nach Bedeutung des Amts, vom König oder dem Haushofmeister vergeben wurden.

Trotz der prunkvollen Ausstattung war Versailles ein unkomfortables Schloss. Die en filade gereihten, zugigen und hohen Räume ließen sich schlecht heizen Im strengen Winter 1709 platzten sogar Likörflaschen durch die Kälte. Die große Spiegelgalerie besaß keine Kamine, und auch das zentrale Schlafzimmer Ludwigs XIV. war so kalt, dass Ludwig XV. ein privates Schlafzimmer im Nordtrakt des Corps de Logis einrichten ließ, das er nach der Zeremonie des Coucher zum Schlafen aufsuchte und morgens rechtzeitig zum Lever wieder verließ.

Es gab, wie damals in ganz Europa üblich, im Schloss weder fließendes Wasser noch fest installierte Toiletten.[122] Man verrichtete die Notdurft in Leibstühle und Nachttöpfe, deren Inhalte von der Dienerschaft in bis zu 29 Sickergruben in der Umgebung des Schlosses ausgeleert wurden. Ludwig XVI. ließ sich Frankreichs erstes Wasserklosett mit Toilettenspülung einbauen. Das Schloss hatte wiederholt mit Ratten- und Mäuseplagen zu kämpfen und einmal jährlich begab sich der Hof nach Fontainebleau, damit der Versailler Palast in dieser Zeit von Grund auf gereinigt werden konnte. Der Körperpflege wurde im 17. Jahrhundert zwar noch kein übermäßiger Stellenwert zugeschrieben, doch bereits Ludwig XIV. ließ sich im Untergeschoss des Corps de Logis mehrere Zimmer umfassende Badegemächer einrichten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts fanden sich auch zunehmend Baderäume in den Appartements der königlichen Familienmitglieder, während sich die übrigen Schlossbewohner weiterhin mit feuchten Tüchern und Waschschüsseln behelfen mussten.

Die Versorgung des Hofstaats mit Nahrungsmitteln und Getränken beschäftigte eine Anzahl von mehreren hundert Angestellten.[123] Die Mitglieder der königlichen Familie und Höflinge von hohem Rang wurden als commensaux, als Tischgenossen des Königs betrachtet und aus seiner Küche versorgt. Verschiedene Höflinge hatten die Verpflichtung, offene Tafeln zur Verkostung weiterer Schlossbewohner zu halten, andere Hofangestellte erhielten für ihre bouche eine finanzielle Entschädigung, mussten sich um die Versorgung allerdings selbst kümmern. Die Mahlzeiten stammten zum Teil aus den Wirtshäusern in der Umgebung des Schlosses, zum Teil aus selbst organisierten Küchen, von denen sich im Laufe der Zeit immer mehr in den Höfen und unter den Dächern des Schlosses einfanden.

Das Leben bei Hof bedeutete Verzicht auf Privatsphäre.[124] Die Königsfamilie nahm selbst gewöhnliche Mahlzeiten vor Publikum ein und auch die Niederkünfte der Königinnen waren innerhalb der Hofgesellschaft traditionell öffentliche Ereignisse – so sehr, dass Marie Antoinette während der Geburt ihres ersten Kindes in Lebensgefahr geriet, als sich zu viele Menschen in ihrem Schlafzimmer aufhielten.[125] Schon unter den Vorgängern des Sonnenkönigs gab es strenge Riten zur Verherrlichung der französischen Herrscher, doch um das Schloss Versailles und Ludwig XIV. wurde eine beispiellose Abfolge von Zeremonien entwickelt. Die Etikette regelte und beschrieb jeden Vorgang, von großen Festlichkeiten und Empfängen bis hin zu so alltäglichen Dingen wie dem Mittagsmahl.

Auch für den Fall von Krankheit und Tod gab es vorgeschriebene Regeln, und als Ludwig XV. 1774 im Trianon an den Pocken erkrankte, wurde er eilig ins Versailler Schloss gebracht, um dort unter den Augen des Hofs zu sterben.[126] Die Bedeutung dieses Systems kann heute nicht mehr annähernd nachvollzogen werden. Dem König widerfuhr eine nahezu göttliche Verehrung und entrückte diesen, durchaus beabsichtigt, vom Volk und unterstrich seine übergeordnete Stellung. Dem König zu dienen bedeutete, Frankreich zu dienen. Ihm beim Aufstehen, beim Lever behilflich zu sein, ihm einfach nur das Wasser oder das Hemd zu reichen, galt als allergrößte Ehre, die über Aufstieg und Fall bei Hofe entscheiden konnte. Ob man in der Gegenwart des Königs stehen, sitzen oder sprechen durfte und selbst durch welche Tür man sein Schlafzimmer betrat, war ein für alle Anwesenden sichtbares Zeichen des eigenen Rangs.

Die Etikette galt nicht nur im Umgang mit dem König, sondern auch für jeden Herzog, jeden Prinzen, jeden Höfling. Das Protokoll regelte den Umgang miteinander und wies jedem Mitglied des Hofs einen für alle sichtbaren Platz innerhalb dieser Gesellschaft zu. Das uralte System der höfischen Etikette wurde auch unter den Nachfolgern des Sonnenkönigs kaum verändert.

Das tägliche Leben Ludwigs XIV. vollzog sich weitestgehend in der Öffentlichkeit inmitten eines großen Hofstaates, der alles in allem rund 20.000 Personen umfasste. Unter die vornehme, adelige Hofgesellschaft mischten sich in den weiträumigen Schlossanlagen Besucher, Schaulustige und zumeist eine beträchtliche Zahl von Bittstellern. Im Prinzip stand jedem Untertan das traditionelle Recht zu, dem König Bittgesuche (placets) zu überreichen.[127]

Neben der offensichtlichen Zurschaustellung von Luxus und Reichtum diente das Schloss auch einer subtileren Darstellung des Ruhms und der Macht des Königstums. Die unter Ludwig XIV. angelegten Staatsräume und Säle verherrlichen den Sonnenkönig. Die Dekoration des Stucks und die Themen der Gemälde sind auf seine wirtschaftlichen und politischen Erfolge abgestimmt und künden von seinen Feldzügen und Siegen. Eine große Rolle nahmen außerdem die römische und die griechische Mythologie ein, mit deren Motiven die oberen Gesellschaftsschichten des 17. und 18. Jahrhunderts wohlvertraut waren.

Die Mythologie wurde als Gleichnis eingesetzt und Ludwig XIV. wiederholt als Gott Apollon dargestellt, was der Hofgesellschaft zahlreiche Interpretationen ermöglichte. Die Darstellung als antiker Gott der Sonne und des Lichts verlieh Ludwig XIV. zudem die Aura eines mystischen, höchsten Wesens, ohne zugleich mit der Kirche in Widerspruch zu geraten – denn den Rang des Königs mit dem christlichen Gott gleichzusetzen, war auch im absolutistischen, aber immer noch katholisch geprägten Frankreich unmöglich und wäre einem Sakrileg gleichgekommen. Der Vergleich mit Apollon dagegen bekräftigte seinen Ruf als Sonnenkönig.

Obwohl der französische Hauhaltsplan immense Ausgaben für das Schloss vorsah, war das Geld in Versailles immer knapp und die Bauphasen konnten nur in den Friedenszeiten zwischen den Reunionskriegen vorangetrieben werden.[128] Nachdem der Pfälzische Erbfolgekrieg ausbrach, musste Ludwig XIV. 1689 sogar das berühmte Silbermobiliar der Spiegelgalerie verkaufen und einschmelzen, um somit die Kriegsausgaben zu bestreiten. Viele geplante Bauvorhaben, wie der oben beschriebene Umbau der Stadtfassaden, konnten aus Kostengründen nicht in Angriff genommen werden. Fast alle Aufträge wurden ausgeschrieben, Voranschläge unbedingt eingehalten und die Armee in Friedenszeiten zu Bauarbeiten herangezogen. Was den meisten Betrachtern als unglaublicher Luxus erschien, war in Wirklichkeit so kostengünstig wie nur möglich gebaut, was zur Folge hatte, dass die Kamine oft nicht zogen, die Fenster nicht richtig schlossen und das Leben dort im Winter sehr unkomfortabel war.

Bereits zwischen 1661 und 1663 waren mehr als 1.500.000 Livres für das Schloss ausgegeben worden.[129] Der erste Bau Ludwigs XIII. hatte insgesamt gerade einmal 300.000 Livres verbraucht, wovon 213.000 auf das Schloss verwendet und weitere 82.000 für die Gärten benötigt wurden. Im Zeitraum von 1664 bis 1688 wurde jährlich eine durchschnittliche Million Livres in Versailles verbaut. Der französische Staatshaushalt verfügte in den 1680er Jahren über ein Budget von etwa 110 Millionen Livres, wovon Ludwig nach dem Frieden von Nimwegen 15 Millionen für seine Bautätigkeiten genehmigt bekam.

Bis zum Tode des Sonnenkönigs sollen 300 Millionen Livres in die Versailler Schlösser, den Park, die Ausstattung und den Unterhalt geflossen sein.[130] Fünfzig bis sechzig Millionen allein für das Mobiliar und zwei Millionen für den Bau des Eure -Kanals. Bescheiden nimmt sich dagegen die Leibpension für die bei Unfällen verstorbenen Arbeiter aus, deren Familien im Schnitt 40 bis 100 Livres als Hinterbliebenenrente erhielten.

Die Gartenanlagen gehen auf den von Jacques Boyceau de la Baraudie für Ludwig XIII. geschaffenen Petit Parc zurück. Sie wurden in ihrer heutigen Ausdehnung weitgehend in drei Abschnitten von 1662 bis 1667, 1668 bis 1677 und 1678 bis 1689 durch André Le Notre geschaffen. Der Schlosspark gliedert sich in drei für alle Barockgärten typische Bereiche: Die dem Schloss nahen Paterres, die anschließenden Boskette und den fernen Jagdwald. Der Bereich der Parterres, der Boskette und des großen Kanals wird noch heute als Petit Parc bezeichnet, der ursprünglich mehrere tausend Hektar große Waldbereich als Grand Parc. Die aus dem Vorbild von Vaux-le-Vicomte übernommene Hauptachse gliedert die Gartenanlagen und führt von der Stadt durch das Schloss, durch den Garten und den großen Kanal bis in die weite Ferne.

Das Petit Trianon ist ein nordwestlich des Schlosses von Versailles im Park von Versailles, dort im Petit Parc genannten Teil, gelegenes Lustschloss, das im Auftrag von Ludwig XV. von Ange-Jacques Gabriel für die königliche Mätresse Madame de Pompadour errichtet wurde und später in den Besitz von Marie Antoinette kam.

In der Nähe des Schlosses von Versailles, am Nordarm des Großen Kanals, wurde bereits durch Ludwig XIV. mit dem Grand Trianon im 17. Jahrhundert ein kleines Schloss errichtet, welches dem König und seiner Familie als Rückzugsort vor der Hektik und der politischen Repräsentation bei Hofe diente. Nordöstlich davon ließ sein Nachfolger Ludwig XV. das Petit Trianon für Madame de Pompadour († 1764) in Auftrag geben, die jedoch kurz nach dem Baubeginn starb, so dass das Schlösschen gelegentlich von der neuen Favoritin Madame Dubarry genutzt wurde. Als Ludwig XVI. seinen Großvater beerbte, schenkte er es seiner Gemahlin Marie Antoinette, die das Gebäude für sich herrichten ließ. Im 19. Jahrhundert, nach dem Ende des Ancien Régime, legte hier dann die Kaiserin Eugénie, die Frau Napoleons III., eine Sammlung mit Gegenständen aus dem Besitz Marie-Antoinettes an.

Das kleine Trianonschlösschen ist untrennbar mit der Person der Marie Antoinette verbunden. Die noch als junges Mädchen aus politischen Gründen mit dem französischen Dauphin vermählte Marie-Antoinette entstammte dem Habsburgischen Kaiserhaus. Als jüngste Tochter Maria Theresias erhielt sie in Wien zwar eine Erziehung, die sie auf die Rolle einer zukünftigen Herrscherin vorbereitete, doch am französischen Hof fühlte sie sich lange fremd, Sitten und Gebräuche waren ihr unbekannt und die strenge Etikette der Bourbonen tat ein Übriges, die junge Thronfolgerin und spätere Königin zu verunsichern. Ludwig XVI. schenkte ihr kurz nach Beginn seiner Regentschaft schließlich das Kleine Trianon, das ihr abseits des Hofes als Ort der Ruhe und Entspannung dienen sollte. Ludwig war von diesem Zeitpunkt an nur noch als Gast, nicht mehr als König zu Besuch im Schloss.

Marie Antoinette flüchtete gern vor der Etikette bei Hofe hierher. Es ist überliefert, dass sie eine Verfügung erließ, dass sich niemand im Petit Trianon erheben müsse, wenn sie eines der Zimmer beträte – eine für damalige Verhältnisse geradezu skandalöse Anweisung – auch war sie sich nicht zu schade, im zum Trianon gehörenden Theater selbst auf der Bühne zu stehen. Sie umgab sich hier nur mit Freunden und Vertrauten und entfernte sich innerlich vom strengen Leben im Palast von Versailles.

Die Königin ließ das kleine Schlösschen nach ihrem Geschmack herrichten und stattete die Salons und Kabinette mit hochwertigen Möbeln, Gemälden und anderen Kunstwerken aus. Da sie selbst immer wieder Einfluss auf die für sie hergestellten Gegenstände nahm und deren Aussehen und Dekoration maßgeblich mitbestimmte, wurde sie bald das Sinnbild einer Königin des Rokoko. Die Moden, die sie entwarf und die Ausstattung, mit der sie das Trianon dekorierte, wurden kurz darauf vom gesamten Hofstaat kopiert und imitiert. Die Ausgaben für das Schloss und die hier gefeierten Feste brachten ihr aber auch einen schlechten Ruf ein, sie galt als verschwenderisch und hatte schließlich nicht nur das einfache Volk gegen sich aufgebracht, sondern auch jenen Teil des Hofadels, dem sie den Zugang zu ihrem Schloss verweigerte.

Marie-Antoinette umgab sich hier nur mit Günstlingen und Freundinnen, wie der Prinzessin Lamballe und der Herzogin Polignac, denen sie Pensionen, Titel und teure Geschenke zukommen ließ, während sie ihr unliebsame Personen bewusst mied. Die derart brüskierten Mitglieder des Hofes brachten eine Unmenge bösartiger Gerüchte über die Königin und ihre Verschwendungssucht in Umlauf. Hier konnte sich Marie-Antoinette auch ungestört mit Axel von Fersen treffen, der einigen Überlieferungen nach wahrscheinlich ein Liebhaber der Königin war. Dies führte letztlich dazu, dass die negativen Berichte und üblen Nachreden über Marie-Antoinette als einer der Gründe für die Französische Revolution angesehen werden.

Mit dem Bau des Petit Trianon wurde der Architekt Ange-Jacques Gabriel beauftragt, die Arbeiten dauerten von 1764 bis 1768. Obwohl die äußere Gestalt in der Tradition des klassizistischen französischen Barock steht, der von jeher auf ruhige und strenge Formen zurückgriff, gilt das Gebäude auch als wegweisend für den Stil des Klassizismus und Paradebeispiel für den Louis-seize-Stil in der Architektur. Die elegante Fassadendekoration aus Sandstein ähnelt dem Flügel Trianon sous Bois des benachbarten Grand Trianon und ist auf jeder der vier Seiten leicht unterschiedlich gestaltet. Mal ist die Gebäudemitte mit Säulen, mal mit Pilastern betont, zudem ist das Schloss so in den Garten integriert, dass es auf zwei Seiten zwei- und auf zwei weiteren Seiten dreistöckig erscheint. Das Dachgeschoss wird von einer umlaufenden Balustrade geschmückt.

Der Amortempel wurde vom Architekten Richard Mique aus Marmor gestaltet; als Vorlage diente der Tempel der Vesta in Rom. Seine Einweihung erfolgte bei einer feierlichen Zeremonie am 3. September 1778. Marie Antoinette konnte den Tempel von den Fenstern ihres Zimmers im Petit Trianon aus sehen, aber auch von denen des Königs im Dachgeschoss.

Der Tholos befindet sich erhöht auf einem Sockel und ist von allen Seiten durch eine siebenstufige Rundtreppe zugänglich. Er besteht aus zwölf korinthischen Alabastersäulen, die eine mit Steinkassetten verzierte Kuppel tragen. Skulpturen aus Gips und Holz von Joseph Deschamps, der auch die Vormodelle aus Wachs anfertigte, schmücken die Säulenkapitelle. Das Zentrum der Kuppeldecke ist mit einer Trophäe von zwei Metern Durchmesser dekoriert und wird von einem Blumenwulst umschlossen, der mit Attributen des römischen Liebesgottes Amor ausgestattet ist („Kränze aus Rosen, Pfeilköcher, Brandfackeln, mit Bändern verbundene Pfeile, die von Rosen und Olivenblättern umschlungen werden.“). Der Boden besteht aus weißem, gemasertem Marmor mit rot umrandeten Kompartimenten, zwischen den Säulen sind Streifen aus flämischem Marmor eingefasst.

Deschamps sah für die Mitte des Bauwerks eine Amorette vor, man entschied sich jedoch stattdessen für eine Statue von Edmé Bouchardon mit dem Motiv: Amor schnitzt sich einen Bogen aus der Keule des Herkules. Dieses Werk, vom königlichen Baudirektor Philibert Orry unter Ludwig XV. in Auftrag gegeben und für die Aufstellung im Herkulessalon bestimmt, war wahrscheinlich zu innovativ für die damalige Zeit. Wegen ihrer „Nacktheit und jugendlichen Sinnlichkeit“ musste sie in die Orangerie von Schloss Choisy verlegt werden. Madame Pompadour ließ währenddessen für ihr Schloss Bellevue in Meudon (Hauts-de-Seine) eine Kopie anfertigen, die „ihre Tanten“ 1774 alsbald wieder entfernen ließen.

Die Skulptur im Zentrum des Tempels ist ebenfalls eine Kopie, die an einen anderen Bildhauer, Louis-Philippe Mouchy, im September 1778 in Auftrag gegeben und von diesem 1780 ausgeführt wurde. Sie wurde zur Revolutionszeit ins Musée spécial de l’École française gegeben, gelangte danach in die Orangerie von Schloss Saint-Cloud, bevor sie dann 1816 wieder ihren Platz im Temple de l’Amour einnahm. Das Original wurde auf Befehl von Königin Marie-Antoinette ins Louvre verlegt, wo es heute noch aufbewahrt wird. 1805 wurde die verschwundene Statue im Tempel unterdessen durch eine Statuengruppe von Vassé ersetzt, die Venus und Amor darstellte.

1778 wurden auf der den Tempel umgebenden Insel Paradiesapfelbäume und Schneeballrosen gepflanzt, die wohlriechende Düfte verströmten, heute aber nicht mehr vorhanden sind. Im Rahmen zahlreicher Abendveranstaltungen kam es immer häufiger zu Beschädigungen, die Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Restaurierung des Bodens geführt haben. Eine vollständige Restaurierung, einschließlich einer Befestigung der Säulen, wurde 2005/2006 vorgenommen.

Trotz seiner bescheidenen Größe beherbergt das Kleine Trianon eine Vielzahl an Räumen. Das Erdgeschoss dient fast vollständig als Wirtschaftsbereich, hier finden sich unter anderem die Küche, die Gardenkammer und der Raum für das Tafelsilber. Auch ein Billardzimmer befindet sich hier. Das erste Geschoss, das bedingt durch die Bauart des Schlösschens an zwei Seiten ebenerdig betreten werden kann, beherbergt verschiedene Salons und Kabinette sowie das Appartement der Königin. Im Obergeschoss sind verschiedene Gästeräume sowie eine Zimmerflucht für den König eingerichtet.

Das Petit Trianon ist von einem eigenen Schlosspark umgeben, der sich in mehrere einzelne, ineinander übergehende Bereiche gliedert. Die Fläche zwischen dem Großen und dem Kleinen Trianon wird als Französischer Garten bezeichnet, er ist formal mit Rasenflächen und Hecken gestaltet und beinhaltet einige der Nebengebäude, wie den so genannten französischen Pavillon und das Theater.

Der Pavillon bildet das Herzstück des Französischen Gartens. Seine hohen Fenstertüren öffnen sich nach allen Seiten hin auf dessen Sichtachsen. Sowohl als Zentrum und natürliche Erweiterung des „neuen königlichen Gartens“ erschaffen, diente er zum privaten Vergnügen als Musik-, Spiel- und Konversationssaal. Der Bau gilt als ein Paradebeispiel für den Stil des Louis-quinze. Sein außergewöhnlicher Grundriss beruht auf einem achteckigen Saal, der von vier kleinen, in Kreuzform angeordneten Nebenräumen flankiert wird.

In die Zierfassade sind an jeder Seite Kreuzstockfenster eingelassen, die von Maskaronen überragt werden. Sie repräsentieren die Jahreszeiten und stammen von Jules-Antoine Rousseau. Auf dem Dach befindet sich eine Balustrade, auf der acht Vasen- und acht Kinderskulpturgruppen angeordnet sind, die Allegorien für die vier Jahreszeiten und die vier Elemente darstellen. Die inzwischen vergoldete Wandvertäfelung im Inneren des kreisförmigen Zentralsaals stammt von Jacques Verbeckt und war ursprünglich mit Pastellfarben bemalt, die für eine ländliche Stimmung sorgten. Acht korinthische Säulen stützen ein mit verschiedenen Hühner- und Entenvögeln geschmücktes Gesims, in Anspielung auf die nah gelegene Menagerie.

Während der Französischen Revolution in ein Café umgewandelt, diente der Pavillon zur Kaiserzeit wie zu Zeiten des Ancien Régime wieder als Festsaal, bevor er dann langsam dem Verfall preisgegeben wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er ein erstes Mal originalgetreu restauriert, bevor man ihn im Jahr 2008 einer weiteren vollständigen Restaurierung unterzog. Seit 1862 ist er zusammen mit dem Versailler Schloss und seinen Nebengebäuden als Monument historique klassifiziert, am 31. Oktober 1906 wurde dieser Titel durch einen Erlass erneuert. Der öffentlich zugängliche Pavillon wird vom Musée national des châteaux de Versailles et de Trianon verwaltet und gehört innerhalb des Schlosskomplexes zu den Wohnorten von Marie-Antoinette.

Hinter dem Petit Trianon liegt der von Marie-Antoinette in Auftrag gegebene Englische Garten. Dieser Bereich des Parks zeichnet sich durch eine Landschaft aus, die wie gewachsen erscheint. Einzelne Baumgruppen, ein kleiner Bach und exponiert liegende Gebäude, wie der „Belvedere“ genannte Musiksalon und der Amortempel schmücken den Garten. Den Höhepunkt dieser „natürlich“ erscheinenden Landschaft bildet das Hameau de la Reine, das Dorf der Königin. Hierbei handelt es sich um mehrere, rings um einen See angeordnete Bauernhäuser, die den Häusern des Pays de Caux nachempfunden sind, aber deren Inneneinrichtungen einer Königin würdig waren. Dieses Dörfchen sollte Marie-Antoinettes Sehnsucht nach einer ländlichen Idylle stillen und hatte selbstverständlich keine Ähnlichkeit mit dem wirklichen Landleben des 18. Jahrhunderts.

Das Hameau de la Reine ist ein idealisiertes Dorf, das am Ende des 18. Jahrhunderts für die französische Königin Marie Antoinette errichtet wurde.

1774 erhielt die Königin von ihrem Gatten Ludwig XVI. das Lustschloss Petit Trianon zum Geschenk, in welches sich Marie-Antoinette von der Etikette und der Strenge des Versailler Hoflebens zurückziehen konnte. In den nächsten Jahren wurde das Gebäude ihren Wünschen angepasst. Sie veränderte auch den Gartenbereich des Schlösschens, indem sie ihn in einen Park nach englischen Vorbildern umgestalten ließ. Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde von Philosophen wie Jean-Jacques Rousseau ein Leben nah der Natur propagiert, und das Leben auf dem Lande wurde verklärend mit Freiheit und Schönheit verbunden: In Marie-Antoinette entstand so der Wunsch, Teil an diesem „einfachen Dasein“ zu haben oder zumindest in dieses gelegentlich flüchten zu können. So wurde östlich des Petit Trianon von 1783 bis 1788 ein sogenannter Weiler - ein kleines Dorf, französisch hameau - durch Richard Mique für sie erbaut. Die Idee für ein solches Staffagedorf war nicht neu, die ländliche Idylle war in Mode, und in anderen Schlossparks - z. B. bei Schloss Chantilly– gab es bereits ähnliche ferme ornées; doch hier in der Nähe der Residenz Versailles wurde die vollkommenste Anlage ihrer Art erschaffen.

Mit dem hameau machte sich die Königin bei ihrem Volk unbeliebt. Ihre angebliche Verschwendungssucht hatte ihr bereits einen schlechten Ruf beigebracht, und die Vorstellung, dass sich Marie-Antoinette mit silbernen Rechen oder kleinen Eimern aus Porzellan dem „bäuerlichen Leben“ hingab, brüskierte nicht nur das Landvolk, das in der Realität ein ganz anderes Leben zu führen hatte. Zudem waren über den Unterhalt des Dörfchens verschiedene Gerüchte im Umlauf; es sei teuer und verschlänge jede Menge Geld für den laufenden Betrieb. Versailler Konten hingegen konnte man entnehmen, dass das kleine Gut sogar einen positiven Saldo erwirtschaftet haben soll.

Marie-Antoinette wurde im Laufe der Französischen Revolution hingerichtet, den Architekten Richard Mique traf dasselbe Schicksal. Der Weiler verfiel in der Folgezeit; er wurde jedoch um 1810 im Auftrage Napoleons I. restauriert.

Um einen künstlichen See entstand ein Ensemble, das die verschiedenen Aspekte eines Bauerndorfes vereinen sollte. Entfernt erinnern die Gebäude an Bauernhäuser aus der Normandie, doch eine genaue stilistische Einordnung ist nicht möglich und wahrscheinlich war eine wirklichkeitsnahe Darstellung auch nicht beabsichtigt. Der Weiler bestand aus einem guten Dutzend Gebäuden, die die verschiedensten Funktionen wahrnahmen; das wichtigste Haus war jenes der Königin, die Maison de la Reine. Das Äußere dieses und der anderen Häuser war betont einfach gehalten, die Innenausstattung überraschte jedoch mit einer hochqualitativen, luxuriösen Ausstattung, die selbstverständlich nichts mit der Wirklichkeit des entbehrungsreichen Landlebens gemein hatte. So war das Haus der Königin mit einem prächtigen Boudoir ausgestattet, besaß ein Billardzimmer und war über die hölzerne Galerie mit einem Ballhaus verbunden. Weiter gab es unter anderem einen Bauernhof, eine Mühle, eine Fischerei, eine Molkerei sowie einen Aussichts-, den Marlborough-Turm. Ab 1785 ließ Marie-Antoinette sogar eine Familie aus der Touraine kommen, welche die bäuerliche Wirtschaft in Betrieb halten und das stimmungsvolle Bild ihres Dörfchens abrunden sollte.

Marie Antoinette (1755-1793) war als Maria Antonia Josepha Johanna geborene Erzherzogin von Österreich sowie Prinzessin von Ungarn, Böhmen, der Toskana und entstammte dem Haus Habsburg-Lothringen. Durch ihre Heirat mit dem französischen Thronfolger und späteren König Ludwig XVI. wurde sie zunächst Dauphine und später Königin von Frankreich und Navarra. Sie gilt als eine der schillerndsten Figuren während der Französischen Revolution und teilte neun Monate nach ihrem Gemahl dessen Schicksal auf dem Schafott.

Maria Antonia verbrachte ihre Kindheit im Kreis einer großen Familie, die als liebevoll, aber sittenstreng galt. Sie musste schon mit drei Jahren genauso wie die anderen weiblichen Familienmitglieder engste Korsetts tragen, die ihr oft schwere Atemprobleme bereiteten. Die Erziehung beruhte wie bei ihren Geschwistern von frühester Kindheit an auf einem strengen Schulungsprogramm, das Maria Theresia speziell für ihre Kinder ausgearbeitet hatte. Der Stundenplan enthielt Tanzstunden, Theateraufführungen, Geschichte, Malen, Rechtschreibung, Staatskunde, ein wenig Mathematik und Fremdsprachen. Die Mädchen wurden zudem in Handarbeiten und in der Konversation unterwiesen.

Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz verfolgten das ehrgeizige Ziel, die politischen Beziehungen Österreichs zu den ausländischen Staaten und die Stellung Österreichs in Europa zu verbessern, und versuchten, die kaiserlichen Kinder vorteilhaft zu verheiraten. Sie schmiedete sehr früh Heiratspläne für ihre 14 überlebenden Kinder. In ständiger Furcht vor Friedrich II. von Preußen und vor Russland konzentrierte sie sich bei diesen Eheplänen vor allem auf die Erweiterung der familiären Verbindungen zu den damals in Frankreich, Spanien, Neapel-Sizilien und Parma regierenden Bourbonen. Sowohl Maria Antonia wie auch ihre Geschwister mussten Personen heiraten, die ihre Mutter für sie ausgesucht hatte.

Als erstes Heiratsprojekt aus einer Reihe von geplanten Verbindungen zwischen Bourbonen und Habsburgern fand die Vermählung zwischen Erzherzog Joseph, dem späteren Kaiser Joseph II., mit Maria Isabella von Bourbon-Parma statt. Als Nächstes musste Josephs Bruder Leopold, der spätere Kaiser Leopold II., Prinzessin Maria Ludovika von Spanien ehelichen. Der dritte Sohn, Erzherzog Ferdinand Karl, wurde mit der Erbin von Modena, Herzogin Beatrix von Modena-Este, verheiratet.

Im Vergleich zu der reibungslosen Realisierung der Heiratsprojekte ihrer Söhne wurde Maria Theresia bei den Eheverhandlungen ihrer Töchter mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Die älteste Tochter, Erzherzogin Maria Anna, blieb aufgrund ihrer schlechten Gesundheit unverheiratet. Das kurz vor der Verwirklichung stehende Heiratsprojekt zwischen der hübschen Erzherzogin Marie Elisabeth von Österreich und dem französischen König Ludwig XV. von Frankreich scheiterte an einer Pockenerkrankung der Erzherzogin. Während sich Erzherzogin Maria Christine von Österreich ihren Ehemann, Herzog Albert von Sachsen-Teschen, selbst wählen durfte, wurde Erzherzogin Maria Amalia von Österreich gegen ihren Willen mit Herzog Ferdinand I. von Bourbon-Parma verheiratet. Erzherzogin Johanna Gabriele und ihre Schwester Erzherzogin Maria Josepha starben beide an den Pocken, sodass Erzherzogin Maria Karolina von Österreich den Platz als Braut von König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien einnehmen musste.

Im Zuge dieser traditionellen Heiratspolitik der Habsburger wurde frühzeitig eine Eheschließung zwischen Maria Antonia und dem Dauphin Louis-Auguste ins Auge gefasst. Die Vermählung zwischen der österreichischen Erzherzogin und dem französischen Dauphin sollte das letzte und zugleich ehrgeizigste Heiratsprojekt aus einer Reihe von Eheschließungen zwischen Habsburgern und Bourbonen sein und den Frieden zwischen Frankreich und Österreich nach der Umkehrung der Allianzen besiegeln. Nach langwierigen Verhandlungen ersuchte 1769 König Ludwig XV. von Frankreich um die Hand der Erzherzogin Maria Antonia für seinen Enkel und Erben, den Dauphin. Nachdem der Heiratsvertrag unterzeichnet worden war, analysierte Maria Theresia die Erziehung ihrer Tochter Maria Antonia und bemerkte gravierende Mängel in der Allgemeinbildung und in der Beherrschung der französischen Sprache. Erst jetzt wurden Erzieher, Tanz- und Sprachlehrer engagiert, die die österreichische Erzherzogin innerhalb kürzester Zeit auf das Amt einer französischen Königin vorbereiten sollten. Von nun an bestand die Kaiserin darauf, dass ihre Tochter bis zu ihrer Abreise das Schlafgemach mit der Mutter teilte.

Am 19. April 1770 fand die Vermählung per procurationem in der Augustinerkirche in Wien statt.

Das vierzehnjährige Mädchen verabschiedete sich am 21. April 1770 von seiner Mutter und von den Geschwistern in Wien und trat mit einem imponierenden Brautzug seine Reise nach Frankreich an. Sie fuhr die Donau entlang, und über München und Augsburg gelangte sie unter anderem nach Günzburg, Ulm, Obermarchtal und Freiburg im Breisgau. Danach erfolgte am 7. Mai die „Übergabe“ auf „neutralem Gebiet“, einer unbewohnten Rheininsel vor Straßburg. Im Rahmen dieser Übergabe musste sich das junge Mädchen von allen österreichischen Freunden und Bekannten trennen und vollständig entkleiden. Anschließend wurde sie mit französischen Gewändern bekleidet. An diesem Tag wurde aus der österreichischen Erzherzogin Maria Antonia die französische Dauphine Marie Antoinette.

In Straßburg und in Saverne war Marie Antoinette Gast von Kardinal Louis de Rohan, der später eine wichtige Rolle in der Halsbandaffäre spielen sollte. Erst am 16. Mai fand die eigentliche Vermählung von Marie Antoinette und dem Dauphin im Schloss Versailles statt, und die Dauphine wurde offiziell am französischen Hof eingeführt. Ein Fest anlässlich der Hochzeit folgte dem anderen, Empfänge, Bälle, Theaterveranstaltungen. Als Abschlussveranstaltung war am 30. Mai 1770 ein riesiges Volksfest geplant, das auf der Place Louis Quinze (heute Place de la Concorde) stattfand: mit Musik, Feuerwerk, Wein, Brot und Fleisch auf Staatskosten. Die Menschenmassen drängten sich auf und rund um den Platz, wo sich riesige, unzulänglich abgesicherte Baugruben für Prachtbauten befanden. Feuerwerkskörper, die krachend und zischend in der Menschenmenge explodierten, lösten eine Panik aus. Die Festbesucher flüchteten nach allen Seiten, stießen und drängten, viele stürzten in die Baugruben oder wurden zu Tode getrampelt. Das mangelhaft organisierte Fest forderte 139 Tote und hunderte Verletzte. Die Toten wurden auf dem Friedhof cimetière de la Madeleine bestattet – 23 Jahre später wurde hier der Leichnam der Königin in einem Massengrab verscharrt.

Am französischen Hof fiel die junge und unerfahrene Marie Antoinette meist negativ auf. Als erste Hofdame wurde ihr die sittenstrenge Madame Noailles zugewiesen, doch Marie Antoinette fühlte sich von der älteren Dame bevormundet und bezeichnete sie zumeist als Madame l'Étiquette. Der Prinzessin waren die französischen Sitten fremd und sie stützte sich fast ausschließlich auf den österreichischen Botschafter, den Grafen von Mercy-Argenteau. Dieser war ihr von Maria Theresia als Mentor beigegeben und sollte zugleich Maria Theresia auf dem Laufenden halten. So entstand die berühmte Korrespondenz Mercy-Argenteaus, eine wertvolle Chronik von Marie Antoinettes Leben von ihrer Heirat 1770 bis zum Tode Maria Theresias 1780.

In ihren ersten drei Ehejahren stand sie nicht nur unter dem Einfluss von Mercy, sondern auch unter dem von drei unverheirateten Töchtern des Königs – Adélaïde, Madame Victoire und Madame Sophie. Diese benutzten die naive und gutmütige Dauphine für ihre diversen Ränkespiele, die vornehmlich gegen die Mätresse des Königs gerichtet waren, die für die drei Damen eine Persona non grata war. Beeinflusst durch die sogenannten Tanten hegte Marie Antoinette eine große Abneigung gegen die Mätresse Ludwigs XV., Madame Dubarry. Obwohl diese viele Verbindungen am Hofe hatte, weigerte sich die Dauphine, mit ihr zu sprechen, und der Dubarry war es nicht gestattet, das Wort an die künftige Königin zu richten. Erst nachdem die Kronprinzessin dem schriftlichen Rat ihrer Mutter folgte, sich bei Hofe anzupassen (den Wunsch des Königs ignorierte sie, was der Hof als Skandal empfand), sprach sie nach zwei Jahren der Dubarry gegenüber die berühmten sieben Worte „Es sind heute viele Leute in Versailles“ aus. Das waren die ersten und die letzten Worte, die die Dauphine an Gräfin Dubarry richtete.

Nachdem Marie Antoinette die Prinzessin Lamballe kennengelernt und einen Zirkel eigener Freunde um sich geschart hatte, wandte sie sich langsam vom Einfluss der „Tanten“ ab, was diese ihr mit zunehmender Missgunst dankten. Die Dauphine begann die Möglichkeiten ihrer Stellung auszunutzen und besuchte Bälle oder die Pariser Oper, auch protegierte sie den Komponisten Christoph Willibald Gluck. Eine ihrer Leidenschaften war das Pharo-Spiel, bei dem sie immer wieder große Summen verspielte. Sie gab monatlich etwa 15.000 Livres aus. Ein Großteil der Franzosen hungerte und diese Verschwendung trug nicht zur Beliebtheit Marie Antoinettes bei.

Die Thronbesteigung des jungen Königspaars nach dem Tod Ludwigs XV. im Mai 1774 wurde enthusiastisch begrüßt. Ihre ersten Schritte brachten Marie Antoinette aber bereits in offene Konflikte mit der anti-österreichischen Partei. So drängte sie hartnäckig auf die Entlassung des Herzogs von Aiguillon und tat alles, was in ihrer Macht stand, um den früheren Außenminister Choiseul zu berufen, der aufgrund einer Intrige der Madame Dubarry sein Amt hatte aufgeben müssen. Daher hatte sie alle Feinde Choiseuls und der österreichischen Allianz gegen sich. Die Tanten Ludwigs XVI. nannten sie verächtlich l’Autrichienne, „die Österreicherin“. Dabei handelte es sich um ein Sprachspiel, da es im Französischen beinahe wie l’autre chienne („die andere Hündin“) ausgesprochen wird. Ihr legerer Umgang mit der ihr verhassten Hofetikette schockierte viele Höflinge, und ihr Hang zu Vergnügungen ließ sie die Gesellschaft des Bruders des Königs, des späteren Königs Karl X. (1757–1836), und seines jungen und ausschweifenden Zirkels suchen. 1775 ließ der sogenannte Mehlkrieg bereits kommende Ereignisse erahnen.

Ihre dynastische Hauptaufgabe – Mutter eines Thronfolgers zu werden – erfüllte Marie-Antoinette lange nicht. Für das jahrelange Ausbleiben eines männlichen Erben machten die Öffentlichkeit und der Hof die Königin verantwortlich, der in Schmähschriften statt Interesse an ihrem Mann eine immer größere Zahl an Affären nachgesagt wurde. Ab dem Herbst 1774 wurden ihr in Pamphleten auch lesbische Neigungen vorgeworfen. Ob die Königin tatsächlich jemals außereheliche Beziehungen pflegte, ist ungewiss. In verschiedenen Biographien wird der schwedische Graf Hans Axel von Fersen zu ihrem Liebhaber stilisiert, doch es ist unbekannt, wie tief das Verhältnis wirklich ging.

Ihr verschwenderischer Lebensstil – ihr Interesse galt Modefragen und extravaganten Frisuren – brachte sie ebenso in Misskredit wie ihre freundschaftlich-geschäftliche Beziehung zur Modistin Rose Bertin. Über die Ausgaben für ihr kleines Schloss Le Petit Trianon, das sie von Ludwig 1774 als Ort der Erholung abseits der Versailler Etikette zum Geschenk erhielt, wurden überzogene Berichte verbreitet. Indem sie den Zugang zum Petit Trianon auf ihre Freunde und Gönner reduzierte, beleidigte sie die ausgeschlossenen Mitglieder des Hofes.

Marie Antoinettes Freundschaft zur Prinzessin Lamballe verlor an Intensität und deren Stellung wurde zunehmend von der Gräfin Polignac eingenommen. Der Gräfin gelang es, mehr und mehr Mitglieder ihrer Familie an den Hof zu holen und durch Marie Antoinettes Einflussnahme mit Ämtern und Titeln zu versehen, was der Versailler Hof schlichtweg als skandalös empfand. Die Zahl ihrer Feinde und Neider wuchs. Unter ihnen waren die Tanten des Königs, der Graf von Provence, der Herzog von Orléans und seine Anhänger im Palais Royal.

In dieser kritischen Zeit besuchte ihr Bruder, Kaiser Joseph II., Frankreich. Er hinterließ der Königin ein Memorandum, das ihr in unmissverständlichen Worten die Gefahren ihres Verhaltens aufzeigte. Joseph drängte das Königspaar zudem, sich endlich der Frage der Nachkommenschaft anzunehmen. Im Dezember 1778 wurde darauf – nach acht Jahren der Ehe und vier Jahren auf dem französischen Thron – die Tochter Marie Thérèse Charlotte, Madame Royale, geboren, die spätere Herzogin von Angoulême. Nach der Geburt des Kindes, das nicht der erhoffte männliche Erbe war, lebte die Königin zurückgezogener.

Mit dem Tod ihrer Mutter Maria Theresia am 29. November 1780 verlor Marie Antoinette eine strenge, aber umsichtige Beraterin. Die Stellung der Königin wurde durch die langerwartete Geburt des Dauphins Louis Joseph Xavier François am 22. Oktober 1781 gestärkt. Auch hätte sie nach dem Tode des Ersten Ministers, des Grafen von Maurepas, erheblichen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten ausüben können.

Der Einfluss der Familie Polignac erreichte nun einen weiteren Höhepunkt. Madame de Polignac gelang die Ernennung Calonnes zum Generalkontrolleur der Finanzen, und sie folgte Madame de Guise nach dem Konkurs des Prinzen Guise als Gouvernante der Kinder. Sie unterstützte auf Anraten Mercys die Bestellung von Loménie de Brienne zum Generalkontrolleur; eine Ernennung, die zwar allgemein gutgeheißen wurde, aber nach dessen Scheitern der Königin zur Last gelegt wurde.

Wie unpopulär Marie Antoinette nun war, zeigte sich 1785 in einem Betrugsskandal, der sogenannten Halsbandaffäre. An dieser Affäre war Marie Antoinette zwar nicht aktiv beteiligt, doch ihr Lebenswandel machte es dem Volk nahezu unmöglich, an ihre Unschuld zu glauben.

Mit ihrem Weiler beim Petit Trianon, in dem sie spielerisch das Leben einer einfachen Bauersfrau nachahmte, brüskierte sie den Hochadel ebenso wie das Landvolk. Marie Antoinette war aber oft auch ein Opfer der Umstände, die ihr häufig keine Wahl zu umsichtigem Handeln ließen. Als sie sich, mit den ewigen Verschwendungsvorwürfen konfrontiert, 1783 in einem schlichten Leinenkleid porträtieren ließ, gingen die Seidenweber auf die Straßen und beklagten, „eine Königin, die sich so schlecht kleide, sei schuld, wenn die Seidenweber verhungerten“.

Am Tag nach Allerheiligen 1783 erlitt Marie Antoinette erneut eine Fehlgeburt. Marie Antoinette gebar in den folgenden Jahren zwei weitere Kinder, am 27. März 1785 Louis-Charles, Herzog der Normandie, später Dauphin und von den Royalisten als König Ludwig XVII. bezeichnet, sowie am 9. Juli 1786 Sophie-Beatrix, die allerdings elf Monate später verstarb.

Bei einem Theaterbesuch kurz nach der Halsbandaffäre wurde sie vom Publikum ausgebuht – nun erst wurde ihr klar, was sich über Monate und Jahre an Hass und Feindschaft gegenüber dem Herrscherhaus beim Volke aufgestaut hatte. Sie war nun bereit, ihren Lebensstil zu ändern, und verzichtete auf kostspielige Annehmlichkeiten. Es gab keine Hasardspiele mehr in ihren Salons, Günstlinge in Trianon verloren ihre Positionen. Sie mied das Theater, Bälle und Empfänge. Sie zog sich in den Kreis ihrer Familie zurück, wo sie sich mit den Kindern beschäftigte, und versuchte ein neues, stilleres Leben zu führen. Diese Einsicht kam jedoch zu spät.

Das Jahr 1789 stellte einen Wendepunkt im Leben Marie Antoinettes dar. Am 4. Juni starb ihr ältester Sohn. Die schlechte Finanz- und Wirtschaftslage Frankreichs sollte durch die Generalstände beraten werden. Mit der Erklärung des dritten Standes, sich als Nationalversammlung zu betrachten, begann die Französische Revolution. Am 5. und 6. Oktober 1789 zwangen die Revolutionäre die königliche Familie, von Versailles nach Paris in den Tuilerienpalast umzuziehen. Da Marie Antoinette sich in Paris hilflos und isoliert vorkam, stützte sie sich auf ihre Freunde außerhalb Frankreichs – Mercy, Axel von Fersen und Louis Auguste Le Tonnelier de Breteuil.

Das Tuilerienpalast in Paris war das frühere Stadtschloss der französischen Herrscher, ungefähr 500 Meter von der königlichen Residenz des Louvre entfernt und mit diesem zeitweise durch große Flügelbauten verbunden. Es brannte 1871 beim Aufstand der Pariser Kommune aus und wurde später abgerissen.

Heute erinnert nur noch der prächtige, mit vielen Bildsäulen geschmückte Park Jardin des Tuileries an das ehemalige Schloss. Er erstreckt sich am rechten Seine-Ufer vom Pavillon de Flore des Louvre bis zum gegenüberliegenden Pavillon de Marsan parallel zum Place de la Concorde. Hier befindet sich auch das in einem ehemaligen Ballhaus untergebrachte Museum Galerie nationale du Jeu de Paume. Das Palais des Tuileries wurde ab 1564 auf Betreiben von Katharina von Medici nach Plänen von Philibert Delorme anstelle einer früheren Ziegelei (frz. la tuilerie) errichtet. Nach dem Tod Katharinas wurde der Palast nicht fertiggestellt.

Heinrich IV. fasste den Plan, den Louvre und die Tuilerien durch den Bau von zwei Galerien im Süden und im Norden zu verbinden. Dieses Vorhaben, genannt Grand Dessein, sah durch die Verbindung der beiden Paläste einen einzigen, riesigen Palast entstehen, auch dieser Plan gelangte nicht vollständig zur Ausführung. Erst unter Karl IX. wurde die Grande Galerie im Süden entlang der Seine erbaut. Im 17. Jahrhundert, nachdem Ludwig XIV. seine Residenz in das Schloss Versailles verlegte, verloren die Tuilerien ihre Bedeutung und standen zeitweise sogar leer. Im Konzertsaal fanden ab 1725 die Concerts spirituels statt.

Ab 6. Oktober 1789, während der Französischen Revolution, war das Schloss der Wohnort der hier festgesetzten königlichen Familie. Diese konnte anfangs noch im größeren Umfang Hof halten, bis sie schließlich immer stärkere Einschränkungen hinnehmen musste. Am 10. August 1792 kam es zum Tuileriensturm. Ein großer Teil der königlichen Schweizergarde fiel den Angreifern zum Opfer, woran das Löwendenkmal Luzern erinnert. Ludwig XVI., Marie Antoinette und deren Kinder wurden infolge dieser Ereignisse in das Temple-Gefängnis verbracht.

Ab 1806 wurden die Arbeiten an der Vereinigung der beiden Paläste wiederaufgenommen. Charles Percier und Pierre-François-Léonard Fontaine begannen mit einem Nordflügel parallel zur Grande Galerie, der Galerie Napoléon. Unter Ludwig XVIII. und während des Zweiten Kaiserreichs dauerten die Arbeiten unter den Architekten Louis Visconti und Hector Lefuel an. Napoléon III. konnte den fertiggestellten Nouveau Louvre 1857 einweihen. Beim Aufstand der Pariser Kommune wurden im Mai 1871 die Tuilerien in Brand gesteckt, und die Ruinen wurden 1880 bis auf zwei kleine Pavillons abgerissen. Die beiden verbliebenen Pavillons dienten ab 1887 der auch als Salon des Indépendants bekannten Société des Artistes Indépendants als Ausstellungsraum. Ein kleiner Ruinenrest wurde 1871 verkauft und nach Berlin geschafft. Dort steht er seither auf der Insel Schwanenwerder.

Am 20. Juni 1791 versuchte die königliche Familie, ins Ausland zu fliehen. Marie Antoinettes langjähriger Freund Graf Hans Axel von Fersen spielte bei der Flucht nach Varennes eine führende Rolle. In Varennes wurde der König erkannt und verhaftet. Die königliche Familie wurde daraufhin unter Bewachung nach Paris zurückgebracht. Am 10. August 1792 veröffentlichte der Herzog von Braunschweig ein Manifest, in dem Gewalt angedroht wurde für den Fall, dass der königlichen Familie etwas zustoße. Das Volk stürmte daraufhin die Tuilerien und brachte die königliche Familie in den Temple, eine ehemalige Festung des Templerordens. Dort wurde die Königsfamilie streng bewacht, aber es gab immer noch Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Die Teilnahmslosigkeit des Königs führte dazu, dass die Königin in den Verhandlungen mitwirkte. Wegen ihrer Unerfahrenheit und Unkenntnis sowie unsicherer Informationen aus dem Ausland war es aber schwierig für sie, eine klare Politik zu verfolgen. Ihre Haltung bei der Rückkehr aus Varennes hatte Antoine Barnave beeindruckt, der im Namen der Feuillants und der konstitutionellen Partei Kontakt mit ihr aufnahm.

Ungefähr ein Jahr verhandelte sie mit Mercy und dem Kaiser Leopold II., ihrem Bruder. In geheimen Botschaften versuchte sie die Herrscher Europas zu einer bewaffneten Intervention zur Niederschlagung der Revolution zu bewegen. Da sie merkte, dass Barnaves Partei bald machtlos gegen die radikalen Republikaner sein würde, wurden ihre Appelle immer dringlicher. Aber die Verhandlungen dauerten an. Am 1. März 1792 starb Leopold II., ihm folgte Franz II. Marie Antoinette fürchtete nicht zu Unrecht, dass der neue Kaiser keine Intervention zu ihren Gunsten wagen würde. Während der Gefangenschaft erkrankte Marie Antoinettes Sohn.

Am 21. Jänner 1793 wurde Ludwig XVI. nach einem Schauprozess hingerichtet. Durch Marie Antoinettes Freunde, unter anderem Jarjayes, Toulan, Lepitre und den Baron Baz, wurden mehrere Versuche unternommen, sie und ihre Kinder zu retten. Auch mit Danton wurden Verhandlungen über ihre Freilassung oder ihren Austausch geführt. Man hatte ihr bereits ihren Sohn weggenommen und trennte sie jetzt auch von ihrer Tochter und Madame Élisabeth, der Schwester des Königs; am 1. August 1793 überstellte man sie in das Conciergerie-Gefängnis.

Am 14. Oktober 1793 begann der Prozess gegen die „Witwe Capet“ (bezugnehmend auf Hugo Capet, den Ahnherrn des französischen Herrschergeschlechts). Ihre Verteidigung hatten Claude Chauveau-Lagarde und Guillaume Tronson du Coudray übernommen. Man beschuldigte sie des Hochverrats und der Unzucht. Ihre Haltung angesichts der Anschuldigungen Fouquier-Tinvilles nötigte selbst manchen ihrer Feinde Respekt ab, und ihre Antworten während der langen Verhöre waren klar und durchdacht. Die Geschworenen entschieden einstimmig auf schuldig und verurteilten sie zum Tode, für den 16. Oktober 1793 wurde die Hinrichtung angesetzt. Um 12 Uhr wurde sie auf dem Revolutionsplatz, dem heutigen Place de la Concorde, enthauptet. Vom französischen Maler Jacques-Louis David gibt es eine Zeichnung, die Marie Antoinette auf dem Henkerskarren auf ihrer Fahrt zur Guillotine zeigt. Er stand am Fenster, als sie unten auf der Straße vorbeigefahren wurde.

Marie Antoinette wurde in einem Massengrab in der Nähe der heutigen Kirche La Madeleine verscharrt. An diese erste Grablege erinnert heute die Chapelle expiatoire. Mehr als 20 Jahre nach ihrem Tod wurde ihr Leichnam exhumiert – wobei ein Strumpfband bei ihrer Identifizierung half – und Marie Antoinette wurde nun in der Basilika Saint-Denis in Saint-Denis (10,3 km nördlich von Paris), der traditionellen Grablege der französischen Könige, an der Seite ihres Gatten beigesetzt.

Das Grand Trianon oder auch Große Trianon ist ein Lustschloss im Park des Schlosses von Versailles, das König Ludwig XIV. nach den Plänen des Architekten Jules Hardouin-Mansart als privaten Rückzugsort errichten ließ.

Ludwig XIV. erwarb 1668 das an der Stelle des heutigen Parkschlosses gelegene Dorf Trianon, um den Schlosspark von Versailles zu erweitern. Nach Abtragung des Dorfes wurde von 1670 bis 1672 von Louis Le Vau ein Ensemble aus einem größeren und vier kleineren um einen Hof gruppierten Pavillons errichtet. Der größere Königspavillon, der aus einem zentralen Salon sowie einem „Appartement de Diane“ und einem „Appartement des Amours“ bestand, sollte lediglich kurzen Aufenthalten dienen, die anderen Pavillons waren zur Zubereitung von Mahlzeiten bestimmt. Die Gebäude waren üppig mit Fayencekacheln verziert, weswegen der Ort Trianon de Porcelaine genannt wurde. Dieser Schmuck erwies sich als nicht winterfest und schon nach wenigen Jahren waren die Fliesen zu einem großen Teil gesprungen und das Ensemble in einem schlechten Zustand.

Der König entschied, ein größeres Schloss zu errichten, welches ihm abseits von Versailles als Ruheort dienen sollte. Es wurde von 1687 bis 1688 durch Jules Hardouin-Mansart erbaut. Dieses Gebäude wurde mit edlen Marmorsorten gestaltet und Trianon de Marbre genannt; es behielt diesen Namen bis zum Bau des benachbarten Petit Trianon. Hierhin zog sich der König mit seiner Favoritin Madame de Maintenon zurück, hier konnte er sich vor der Etikette und dem Hofzeremoniell erholen. Der Besuch von Trianon war, anders als der von Versailles, nicht jedermann gestattet und eine Einladung des Königs war eine außerordentliche Ehre. Das Schloss war auch nach dem Tode Ludwigs XIV. – nach einer kurzen Zeit des Leerstands – einer der bevorzugten Aufenthaltsorte seiner Nachfolger. Lediglich durch den Bau des Petit Trianon verlor das große Vorbild an Bedeutung, der Hof scharte sich nun um Marie Antoinette, die als spätere Besitzerin des Kleinen Trianon dort eine ganze Epoche prägte.

Auch Napoléon bezog kurzzeitig einige Räume des Grand Trianon – welches er ursprünglich seiner Mutter zudachte – und ließ das Schloss und einige Räume für sich herrichten, nachdem das nun über hundert Jahre alte Gebäude marode geworden war. 1920 wurde hier der Friedensvertrag von Trianon unterzeichnet, ein Teil des Versailler Vertrags, welcher das Ende des Ersten Weltkrieges besiegeln sollte.

Das Große Trianon war geplant als mehrflügeliger Bau nördlich des Großen Kanals. Den Mittelpunkt bildet das Peristyl, eine Säulenhalle, von der die einzelnen Gebäudeabschnitte wegführen.

Das Peristyl ist in der antiken Architektur ein rechteckiger Hof, der auf allen Seiten von durchgehenden Säulenhallen (Kolonnaden) umgeben ist. Das griechische Wort setzt sich aus peri „um herum“ und stylos „Säule“ zusammen und bedeutet eigentlich „das von Säulen Umgebene“. Gelegentlich werden totum pro parte auch nur die umgebenden Säulenhallen als Peristyl bezeichnet.

Das Peristyl wurde als Bautyp in der griechisch-hellenistischen Architektur entwickelt und tritt seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. auf. Es verbindet den Gedanken des Innenhofes mit dem der Stoa (Säulenhalle). Der gepflasterte Innenhof hat einen rechteckigen oder quadratischen Grundriss und ist auf allen vier Seiten von gleichmäßig gestalteten Hallen umgeben, die sich mit Säulenstellungen zum Hof hin öffnen. Die Rückseiten der Hofhallen können entweder an weitere Gebäudeteile oder an eine Außenwand angrenzen. Peristyle können auch zweistöckig gebaut werden, der dabei im Obergeschoss entstehende Umgang verfügt dann über eine kleinere Säulenstellung mit eingezogenen Brüstungen. Das Peristyl ist oft ein zentraler Bestandteil des herrschaftlichen Wohngebäudes (beispielsweise in den Palästen auf dem Burgberg von Pergamon) und über die Säulenhallen unmittelbar mit weiteren repräsentativen Räumen wie dem Andron verbunden.

Im Verlauf des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurde das Peristyl in die römische Architektur übernommen und zum so genannten Gartenperistyl weiterentwickelt. Das traditionelle italische Stadthaus (domus) besaß im hinteren Bereich des Hauses einen ummauerten Garten (hortus), der nun bei repräsentativeren Häusern zunehmend nach dem Vorbild eines griechischen Peristyls umgestaltet wurde. Auf der Hoffläche wurde bevorzugt ein Ziergarten angelegt, dessen Anblick von den angrenzenden Speiseräumen (z. B. triclinien) aus genossen werden konnte.

Auch in den luxuriösen Villen (villae urbanae) der römischen Oberschicht auf dem Land wurde das Peristyl ein wichtiger Bestandteil. Viele Villen besaßen mehrere Peristyle beträchtlicher Größe, von denen dann oft eines als Gartenperistyl, häufig mit Wasserbecken und Brunnenanlagen ausgestattet, und eines als gepflastertes Peristyl im Wohnbereich angelegt wurden zum Beispiel in der Villa dei Papiri bei Herculaneum. Der römische Architekturtheoretiker Vitruv empfahl für die Villa die Abfolge von Eingang, Peristyl und Atrium in der Mittelachse des Gebäudes, während für das Stadthaus die umgekehrte Abfolge üblich war, bei der im Eingangsbereich das Atrium liegt und das Peristyl im hinteren, privateren Bereich des Hauses.

Bei der frühchristlichen Basilika werden die den Vorhof umgebenden Säulenhallen ebenfalls als Peristyl bezeichnet, der Innenhof selbst auch als Atrium. Die Begriffe stimmen mit den antiken Bauformen gleichen Namens nur noch teilweise überein. Die Hofhallen wurden in der Regel als Arkaden (Bogengänge) ausgeführt.

Die offene, den Blick in die Gärten freigebende Halle ist in dieser Gestalt auf direkte Veranlassung des Königs errichtet worden, der eine Durchsicht vom Ehrenhof in die Gärten verlangte und den Raum im Sommer als luftigen Speisesaal zu nutzen gedachte. Während des 19. Jahrhunderts war das Peristyl zeitweise mit großen Fenstertüren verschlossen, heute zeigt es sich wieder in seinem ursprünglichen Bild. Die Balustraden, die das flache Dach des Grand Trianon verbergen, waren bis zur französischen Revolution mit Statuen, Vasen und Trophäen dekoriert, dieser Schmuck wurde damals jedoch geplündert und nicht wiederhergestellt. Abgesehen vom Nordflügel, dem sog. Trianon sous Bois, ist das gesamte Gebäude einstöckig und vermittelt so durch die großen Rundbogenfenster einen Eindruck von Weite und Großzügigkeit. Der Flügel Trianon sous Bois ist mit der symmetrischen Gartenfassade des Grand Trianon durch einen langen Galeriebau verbunden und war unter anderem der bevorzugte Wohnort der Liselotte von der Pfalz.

Während der Zeit, die das Schloss bewohnt wurde, sind in der Ausstattung immer wieder Veränderungen vorgenommen worden, so zeigen sich einige Räume noch immer in ihrer barocken Dekoration, besonders die von Napoléon bewohnten Räume sind jedoch im Stile des Empire umgestaltet.

Seit der Regierungszeit Charles de Gaulles ist im Trianon sous Bois eine Wohnung für das französische Staatsoberhaupt eingerichtet. Das Schloss wird von der französischen Regierung auch heute noch für Empfänge und ähnliche Veranstaltungen genutzt, ist für Besucher aber geöffnet.

Rund um das Schloss befinden sich die barocken Gartenanlagen, welche die Bedeutung des Trianon als Gartenschloss noch unterstreichen. Zur Zeit des Sonnenkönigs waren die Blumen in den Broderieparterres nicht direkt in die Erde gepflanzt, sondern es wurde ein System von tönernen Töpfen entwickelt, das es möglich machte, die Pflanzen in kurzer Zeit durch andere zu ersetzen. So konnte der Blumenschmuck innerhalb weniger Stunden vollständig ausgetauscht werden. Die Gartenanlagen gehen direkt in den Park des Petit Trianon über und bildet mit diesem einen eigenen Bereich innerhalb des Versailler Schlossparks.

Der Park wurde durch mehr als 75.000 gestutzte Bäume und Bäumchen verziert, von denen zahlreiche aus den Baumschulen Vaux-le-Vicomtes stammten und zu Fouquets konfisziertem Vermögen gehörten.[131] Bezeichnenderweise blieb der Park in seiner barocken Struktur bis zum Ende des Ancien Regime in weiten Teilen unverändert. Die im 18. Jahrhundert von englischen Vorbildern beeinflusste Umgestaltung vieler europäischer Schlossparks tangierte die Versailler Gärten nur im kleinen Maßstab im sogenannten Boskett der Königin, im Boskett des Apollo-Bades und im privateren Bereich der Trianon-Schlösser. Zur Zeit Ludwigs XVI. wurden Teile des Parks umgestaltet und eine Aufforstung der Boskette vorgenommen. Dafür wurden weite Bereiche gerodet und neu bepflanzt, eine ähnliche Neubepflanzung wurde in den 1990er Jahren vorgenommen.

Den Übergang vom Schloss- zum Gartenbereich bilden die Parterres, die durch ihre niedrige Bepflanzung den Blick auf das Gebäude gewähren und durch ihre ornamentale Gestaltung die Motive der Baudekoration wiederholen.[132] Vor dem Nord- und dem Südflügel des Schlosses befinden sich prächtige Broderieparterres, das Parterre du Nord und das Parterre du Midi, die mit ornamentalen Blumenpflanzungen, zahlreichen Prunkvasen und Statuen dekoriert sind. Dem Corps de Logis sind zwei große Wasserbecken vorgelagert, die als Parterre d’Eau bezeichnet werden. In den fünfzehn Bosketten wiederholen sich die Säle des Schlossinneren im Freien. Hier sind mit gärtnerischen Mitteln Salons zwischen Hecken und Bäumen eingerichtet, die man ebenfalls mit Skulpturen, Springbrunnen und kunstvoll beschnittenen Pflanzen ausstaffierte. Zu den bekanntesten Gartenarchitekturen Frankreichs gehört dort die von Mansart entworfene kreisrunde, mit dutzenden Springbrunnen verzierte Kolonnade, seinerzeit berühmt war auch das große Labyrinth von Versailles.[133]

Das Zentrum des Petit Parcs bildet der aus mehreren Treppenstufen gebildete Brunnen der Latona, von dort führt die Königliche Allee mit dem so genannten Grünen Teppich in Richtung des Apollp-Brunnens, aus welchem der Sonnengott emporsteigt und sich symbolisch in Richtung des Königs erhebt. Hinter diesem Bassin beginnt der kreuzförmige Grand Canal, der den Park optisch in die Ferne verlängert und zugleich das sumpfige Gelände entwässert. Zur Zeit des Ancien Régime wurde die Wasserfläche mit venezianischen Gondeln samt italienischer Gondolieri befahren, für die eigens ein kleines Wohnareal namens Petit Venise, Klein Venedig, geschaffen wurde. Sogar der Nachbau eines Kriegsschiffes lag dort vor Anker.[134]

Am Südarm des Kanals befand sich eine große Menangerie, Ludwig XIV. hielt dort von 1668 bis 1681 unter anderem einen afrikanischen Elefanten, der ein diplomatisches Geschenk aus Portugal war.[135]

Latona kann mit Anna von Österreich interpretiert werden, deren Sohn Ludwig dann Apollon entspricht. Die Bedrohung der Latona durch die lykischen Bauern und deren anschließende Bestrafung ist ein Symbol der politischen Unruhen während der Kindheit Ludwigs. Im Hintergrund die Königliche Allee mit dem Grünen Teppich und in der Ferne der Große Kanal

Wie das Schloss, so diente auch der Park der Verherrlichung des Sonnenkönigs und ist voll von offenen und versteckten Anspielungen auf ihn.[136] In den Brunnen und Skulpturengruppen wird die griechische Mythologie als Gleichnis auf die Regierung Ludwigs dargestellt. Die Gärten steigen, durch mehrere Terassen gegliedert, zum Schloss an, so dass man sich nicht nur symbolisch hoch zum König begab. Sternförmige Wegkreuzungen entwickeln sich an verschiedenen Punkten des Parks, doch alle Hauptwege führen zu der dominierenden Mittelachse. Diese führt vom Großen Kanal zum Schloss und darüber hinaus durch die Stadt, ein Symbol für die Wege, die beim König zusammentreffen. Das Parterre d’Eau ist mit Skulpturen geschmückt, die Frankreichs große Flüsse versinnbildlichen und somit Zeichen von der Größe des Landes geben.[137]

Ludwig XIV. selbst verfasste den ersten Führer zu seinem Park, in dem er einen Rundweg empfahl, die Bedeutung der Statuen und Brunnen erläuterte und auf Besonderheiten in den Anpflanzungen hinwies.[138]

Seit 1661 hat Ludwig XIV. jene Praxis reglementiert, zugleich aber auch gefördert. Der Monarch sah darin eine willkommene Möglichkeit, sich mit den unmittelbaren Sorgen und Nöten seiner Untertanen vertraut zu machen. Später wurde in Versailles jeden Montag im Raum der Garde des Königs ein großer Tisch aufgestellt, auf dem die Bittgesuche von ihren Überbringern deponiert wurden. Bis 1683 war der Marquis de Louvois, Staatssekretär für das Kriegswesen und Minister, für die Weiterleitung dieser Gesuche verantwortlich. Sie wurden danach von den zuständigen Staatssekretären bearbeitet und alsbald – mit einem entsprechenden Bericht versehen – dem König vorgelegt, der dann jeden Fall persönlich entschied.

Am Hof gab es neben großen Festveranstaltungen, Theater- und Musikaufführungen auch vielfältige andere Möglichkeiten der Zerstreuung bis hin zum Glücksspiel und zu Vergnügungen einfachster Art.[139]

Paris erlebte unter der Aufsicht Colberts einen Bauboom, wie kaum wieder in der Geschichte. Ludwig ließ den Louvre umbauen, die Stadtmauern von Paris schleifen und durch breite Boulevards ersetzen, zahlreiche neue Plätze (darunter die Place des Victoires und Place Vendôme) erbauen, des Weiteren Kirchen (wie Saint-Roch und Val-de-Grâce), Brücken (den Pont Royal), Parkanlagen (wie der Tuileriengarten und die Champs-Élysées), Triumphbögen (z. B. die Porte Saint-Denis) und neue Stadtviertel (darunter die Faubourgs St. Antoine und St. Honoré) errichten. Aber auch so praktische Maßnahmen, wie eine durchgehende Straßenpflasterung, die ersten Straßenlaternen und frühe Formen der Kanalisation durchführen.

Unter diesen Baumaßnahmen ist auch das Hôtel des Invalides mit dem Invalidendom zu nennen, wo die Kriegsversehrten kostenlos versorgt wurden, sowie das Hôpital Salpêtrière. Auch das Pariser Observatorium für wissenschaftliche Studien und das Collège des Quatre Nations, das bis heute als Sitz der Académie française dient, zählen dazu, als auch die Gründung der Comédie-Française. Paris wuchs sprunghaft und war mit 700.000 Einwohnern eine der größten Städte der Welt, in der durch Ludwigs Förderung schließlich 20 % der intellektuellen Elite Europas wohnten. Die französische Hauptstadt wurde zum städtebaulichen und kulturellen Vorbild für den ganzen Kontinent.[140]

Der französische Hof wechselte des Öfteren den Aufenthaltsort, verließ aber nur höchst selten die Nähe von Paris.[141] Es gab einige Hauptresidenzen in der Umgebung der Hauptstadt, welche seit langem als Sitz der Könige dienten. Diese suchte Ludwig XIV. auszubauen und zu verschönern. In Fontainebleau ließ er in den Gärten ein neues Barockparterre, einen großen Kanal und einen neuen Park anlegen. In Saint-Germain-en-Laye wurde die Große Achse geschaffen und ebenfalls die Gärten neu gestaltet. Durch die Gartenarchitektur wurde André Le Nôtre – der Schöpfer des französischen Barockgartens – in ganz Europa berühmt.[142]

Im Schlosspark von Versailles ließ er sich mit dem Grand Trianon zudem ein Lustschloss errichten, welches wie Marly-le-Roi als Privatresidenz des Monarchen gedacht war.[143] In Marly entstand ab 1678 eine imposante Anlage, die als einzige nicht der Öffentlichkeit zugänglich war. Hierher zog sich Ludwig XIV. vom geschäftigen und stets öffentlichen Leben in Versailles zurück. Erscheinen durfte man nur auf ausdrückliche Einladung und eine solche galt als eine der höchsten Ehren im Leben eines Höflings. In der Umgebung, der nunmehr zur Stadt erhobenen Anlagen von Versailles, entstanden zahllose Schlösser und Gärten, die von Angehörigen des Königshauses und vom Hofadel errichtet wurden. Hier suchte man Ruhe vom Hof und ging der Jagd nach, oder lud den König für ein Fest zu seinen Ehren ein.[144] All dies verschlang ungeheure Mengen Geld und der Adel war bald gezwungen Pensionen vom König zu erbitten, um den Lebensstandard zu halten. So vergrößerte sich die Abhängigkeit der Adeligen weiter.[145]

Ludwig XIV. war ein komplexer Charakter. Er war für seinen Charme bekannt und brachte jedem die Höflichkeit entgegen, die ihm gebührte. Selbst vor Mägden soll er den Hut gezogen haben. Seine wichtigsten Eigenschaften waren wohl eine unerschütterliche Menschenkenntnis und der ihm nachgesagte scharfe Verstand. Als Monarch legte er einen großen Arbeitseifer an den Tag. Das Regieren fiel ihm leicht, denn er hatte eine geradezu professionelle Einstellung zu seiner Arbeit. Es wird berichtet, dass er in Sitzungen niemals ermüdete und jedem aufmerksam zuhörte, der das Wort an ihn richtete.

Ludwig XIV. schätzte hohe Bildung und seine Kenntnisse in Politik und Geschichte waren gefürchtet.[146] Auch zeichnete ihn enorme Willenskraft aus; so begegnete er Schmerzen und Situationen der Todesgefahr mit völliger Gelassenheit und Selbstbeherrschung. Beispielhaft dafür steht, dass er schon wenige Wochen nach einer ohne Narkose durchgeführten Operation wieder ausritt. Dennoch war er auch in hohem Maße von Egozentrik beherrscht, verbunden mit einem hohen Selbstwertgefühl. Er wurde von einem starken Drang nach Ruhm und Reputation geleitet, aber auch vom Gefühl der Pflichterfüllung gegenüber dem Staat und seinen Untertanen.[147]

Als Kavalier war Ludwig XIV. vorbildlich.[148] Frauen spielten in seinem Leben eine große Rolle, besonders als Mätressen. Seine Familie war ihm wichtig, besonders seinen Kindern schenkte er daher große Aufmerksamkeit. Als Vater und Großvater war er fürsorglich und liebevoll, er konnte aber auch hart und unnachgiebig sein. Seine unehelichen Kinder legitimierte er ausnahmslos, erhob sie in den Prinzenrang und verheiratete sie mit Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt. Ludwig XIV. selbst war von durchschnittlicher Körpergröße und trug hohe Absätze, um noch größer zu wirken. Zeitgenossen berichten sogar, dass er auf viele Menschen durch seine äußere Erscheinung recht einschüchternd wirkte. Als Liebhaber und Förderer des Hofballetts tanzte er bis zu seinem 30. Lebensjahr ausgesprochen gern in öffentlichen Aufführungen.[149]

Ludwig XIV. steht für den monarchischen Absolutismus schlechthin, er hat diesen zwar nicht begründet, aber in Frankreich ausgebaut und verfestigt.[150] Auf dem Feld der Innenpolitik zeichneten ihn insbesondere die effektive Stärkung der königlichen Zentralverwaltung aus, um so traditionelle Machtrivalen, wie Schwertadel und Provinzialstände, zu schwächen. Dazu baute Ludwig konsequent ein straffes Netz aus dreißig Intendanten auf, die als Funktionsträger des Königs fungierten und so erfolgreich den Willen der Krone in den Provinzen durchsetzen konnten.[151]

Dies war sicherlich einer der wichtigsten Fortschritte seiner Herrschaft. Aber es wären ebenso die Gesetzgebungswerke des Königs auf dem Gebiet der Rechtspflege (Code Louis), des Handels, der Schifffahrt und des Sklavenhandels (Code Noir) zu nennen, die zu den großen innen- und wirtschaftspolitischen Leistungen seiner Regierung gezählt werden. Der Code Noir ist eines der vielen Gesetze, die auf Jean-Baptiste Colbert zurückgehen.[152]

Zu den Schattenseiten seiner Herrschaft gehören zweifellos auch die Repressionen gegenüber den Hugenotten, die beispielhaft für die religiöse Intoleranz der Epoche stehen und in fast ganz Europa auf ähnliche Weise stattgefunden haben. Damals war die 1685 erfolgte Aufhebung des Ediktes von Nantes in Frankreich aber eine der populärsten Entscheidungen seiner Amtszeit.

Der Vorwurf hingegen, Ludwig XIV. hätte sein Land in den Ruin geführt, ist angesichts der historischen Realität unplausibel. Eine wirtschaftliche Stagnation ließ sich in Frankreich nur während des Spanischen Erbfolgekriegs beobachten, als auch die Steuern für Gewerbe, Grundherrn und Kirche ungewöhnlich hoch waren sowie durch diverse Missernten Hungersnöte hinzukamen. Nach dem kräftezehrenden Erbfolgekrieg zeigte sich das Reich der Bourbonen zwar als hoch verschuldet, aber noch immer prosperierend. Die Staatsverschuldung von 1715 resultierte auch nicht aus einem übertriebenen Hang zu höfischen Luxus und Großbauten, sondern war überwiegend die Folge des Spanischen Erbfolgekriegs, der ungeheure finanzielle Anstrengungen nötig gemacht hatte. Zweimal ließ er alles Silber im Land konfiszieren, einschmelzen und prägte daraus Münzen, um seine Armeen bezahlen zu können. Erst mit dem Lawschen Finanzsystem - zwei Jahre nach Ludwigs Tod und ab 1716 - konnte durch die Mississippi-Spekulation mit dem anschließenden Zusammenbruch der Bank ein Großteil der Staatsschulden abgeschrieben werden.[153]

Die größten Erfolge kann Ludwig im Bereich der Außenpolitik vorweisen.[154] Er hinterließ ein mächtigeres, größeres und auch strategisch abgesichertes Frankreich, das nun endgültig als eine der führenden Seemächte anerkannt war. Abgesichert nicht zuletzt deshalb, weil es ihm in den letzten Jahren seiner Herrschaft gelungen war, die habsburgische Einkreisung für immer zu beenden. Allerdings musste Ludwig dafür lange Kriege führen, deren Kosten die große Masse der Bevölkerung zu tragen hatte. Dennoch waren die Steuern seiner Zeit sicher nicht – wie gern behauptet – ruinös für die Untertanen. Eine beachtliche Leistung nach innen und außen war ebenso die Kunst- und Repräsentationspolitik. Mit deren Hilfe hatte Ludwig quasi eine Hegemonie der französischen Kultur über Europa etablieren können, die sich sogar bis in das 19. Jahrhundert erhalten sollte.[155]

Der Sonnenkönig wurde immer wieder, je nach Epoche und politischer Ausrichtung, höchst unterschiedlich bewertet. So galt er den Republikanern als ein Scheusal der Autokratie und die nationalistischen Deutschen stilisierten ihn zum Raubkönig, der Deutschland im Würgegriff gehalten habe. Tatsächlich lieferte Ludwig durch seine aggressive Expansionspolitik den Deutschnationalen ein Argument für die deutsch-französische Erbfeindschaft. Andere hingegen sehen in ihm einen pflichtbewussten und umsichtigen Monarchen, der bereits Prinzipien der Aufklärung vorwegnahm. In Frankreich wird er bis heute für seine tatkräftige Steigerung der nationalen Größe auch verehrt und zu den mit Abstand bedeutendsten Persönlichkeiten der französischen Geschichte gezählt. Der erste Autor, der ihm eine umfangreiche historische Analyse widmete, war der Philosoph Voltaire.

Fußnoten

  1.  ↑ Zur Biographie Pesnes vor seinem Wirken in Potsdam bemerkt Plagemann: „Als Sproß einer angesehenen Pariser Malerfamilie bildete er sein Talent vor allem in Rom, Neapel und Venedig, wo er die Malkunst Tizians und Veroneses studierte und mit dem italienischen Maler Adrea Celesti (1637-1706) bekannt wurde. In Venedig entstand im Jahre 1707 das Bildnis des preußischen Gesandten Freiherr von Knyphausen, das Friedrich I. veranlasste, Pesne nach Berlin zu rufen. So siedelte der gebürtige Pariser im Jahre 1710 mit seiner Gattin Ursula Anne und der Familie seines Schwiegervaters Dubuisson nach Berlin über.“ Zitiert nach: Plagemann, K.-E.: Antoine Pesne. Hofmaler bei drei preußischen Königen, in: Schmelz, U. (Hrsg.): Potsdam ohne Ausländer? Zum Einfluss von Ausländern auf die Entwicklung Potsdams, Potsdam 1999, S. 40-48, hier: S. 40
  2.  ↑ Gahrig, Unterwegs zu den Hugenotten im Land Brandenburg, a.a.O. S. 67
  3.  ↑ Volk, Historische Straßen und Plätze heute: Potsdam, a.a.O., S. 20
  4.  ↑ Plagemann, K.-E.: Antoine Pesne. Hofmaler bei drei preußischen Königen, in: Schmelz, U. (Hrsg.): Potsdam ohne Ausländer? Zum Einfluss von Ausländern auf die Entwicklung Potsdams, Potsdam 1999, S. 40-48, hier: S. 41
  5.  ↑ Gelscher, J.: Brandenburg-Preußen, Berlin 1976, S. 98
  6.  ↑ Steffen, A.: Die Metropole Berlin, München 1987, S. 210
  7.  ↑ Ebd., S. 211
  8.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 2
  9.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 67
  10.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 22
  11.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 2
  12.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 24
  13.  ↑ Steffen, A.: Die Metropole Berlin, München 1987, S. 212
  14.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 2
  15.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 27
  16.  ↑ Steffen, A.: Die Metropole Berlin, München 1987, S. 215
  17.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 3
  18.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 46
  19.  ↑ Woltmann, A.: Die Baugeschichte Berlins bis auf die Gegenwart, Kapitel V: Friedrich der Große und Knobelsdorff, Berlin 1872, S. 48
  20.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 3
  21.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 45
  22.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 5
  23.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 55
  24.  ↑ Woltmann, A.: Die Baugeschichte Berlins bis auf die Gegenwart, Kapitel V: Friedrich der Große und Knobelsdorff, Berlin 1872, S. 67
  25.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 108
  26.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 6
  27.  ↑ Woltmann, A.: Die Baugeschichte Berlins bis auf die Gegenwart, Kapitel V: Friedrich der Große und Knobelsdorff, Berlin 1872, S. 112
  28.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 7
  29.  ↑ Kadatz, H. J.: Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Baumeister Friedrichs II. München 1983, S. 112
  30.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S: 8
  31.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 7
  32.  ↑ Eggeling, T.Ute-G. Weickardt, U.-G. (Hrsg.): Zum Maler und zum großen Architekten geboren. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, 1699–1753. Ausstellungskatalog. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999, S. 11
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  50.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 73
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  80.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 78
  81.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 128
  82.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 92
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  107.  ↑ Brandt, R.: Philosophie in Bildern, 2. Auflage, Köln 2001, S. 255
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  135.  ↑ d’Archimbaud, N.: Versailles. Verlag Stiebner, 2001, S. 125
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  150.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 103
  151.  ↑ Bluche, F.: Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV. Ploetz, Freiburg 1986, S. 38
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