e-Portfolio von Michael Lausberg
Besucherzäler

Rassismus in Deutschland

Von Margarete Lausberg

Antiziganismus (abgeleitet vom französischen Begriff für „Zigeuner“=tsigane) ist der in Analogie zum Antisemitismus gebildete wissenschaftliche Fachbegriff für die Feindschaft gegenüber Sinti und Roma oder „Zigeunerfeindlichkeit“. Winckel stellt fest: „Antiziganistisch ist nicht nur die Zuschreibung von negativ bewerteten Eigenschaften, sondern auch diejenige angeblich positiver Kennzeichen wie Musikalität. Beide schreiben Gruppenmerkmale als unveränderbar fest. Diese Festlegung vermeintlich typischer Charakteristika für eine Gruppe wird den Einzelnen, die ihr zugeordnet werden, niemals gerecht.“[1] Der Begriff „Zigeuner“ wurde von (gebildeten) Angehörigen der Mehrheitsgesellschaften geprägt und ist daher eine abwertende Fremdbestimmung. Sinti und Roma wehren sich gegen diesen Begriff und empfinden ihn als diskriminierend.[2]

Roma ist der Oberbegriff für eine Reihe ethnisch miteinander verwandte Gruppen, die ab dem 14. Jahrhundert über Vorderasien nach Nordafrika und Europa gelangten. Der historische Herkunftsraum der Roma ist der Nordwesten Indiens. Als Beleg dafür gilt, dass ihre Sprache, das Romanes, mit zentralindischen Sprachen wie dem Sanskrit verwandt ist. Roma leben heute als kulturelle Minderheit auf allen Kontinenten, vor allem aber in Europa. Die Sinti sind eine Untergruppe der europäischen Roma, die hauptsächlich in Mittel- und Westeuropa und im nördlichen Italien leben. In der BRD sollen zwischen 70.000-150.000 Sinti und Roma leben. Die wahrscheinlich in der Öffentlichkeit bekanntesten Sinti und Roma sind der Schauspieler Yul Brynner, die Sängerin Marianne Rosenberg und der Musiker Django Reinhardt.

Seit 1998 sind die „deutschen Sinti und Roma“ neben den Dänen, Friesen und Sorben als „nationale Minderheiten“ in der BRD anerkannt. Roma nichtdeutscher Staatsangehörigkeit sind von dieser Regelung und den daraus abzuleitenden Rechten logischerweise ausgenommen. Die für Duisburg relevanten Gruppen werden als bulgarische, rumänische usw. Staatsangehörige behandelt.

Der wichtigste internationale Zusammenschluss der Roma ist die „International Romani Union“ (IRU) aus dem Jahre 1978, deren Ehrenpräsident der bekennende Rom Yul Brynner ist. In Europa existiert seit 2005 das „European Roma and Travellers Forum“ (ERTF), das ein Partnerschaftsabkommen mit dem Europarat pflegt.

Organisationen in der BRD: In den 1970er und 1980er entwickelte sich eine Bürgerrechtsbewegung, die vor allem in Norddeutschland durch öffentliche Aktivitäten (Besetzung des ehemaligen KZ Neuengamme usw.) von sich reden machte. 1982 kam es zur Gründung des Zentralrats deutscher Sinti und Roma mit Sitz in Heidelberg. Daneben gibt es noch die Rom und Cinti Union in Hamburg, die Roma-Union Frankfurt, der Rom e.V. in Köln und andere lokale Organisationen.

Wissenschaft: Im Unterschied zur Antisemitismusforschung steckt die Antiziganismusforschung nicht nur in der BRD noch in den Kinderschuhen. Erst seit den 1990er Jahren wurde die Forschung durch die Beiträge von Wippermann angestoßen. Es gibt seit 1998 die Gesellschaft für Antiziganismusforschung in Marburg. Gemeinsamkeiten in der Verfolgungsgeschichte von Juden und Sinti und Roma in Deutschland wurden von Wippermann nachgewiesen. „Wissenschaftler“ wie Volkmar Weiß, der Sinti und Roma in einem Buch, das im rechten Leopold Stocker-Verlag erschienen ist, als eine „erbliche Unterschicht“ von „minderwertiger Bevölkerungsqualität“ bezeichnet, tragen zur antiziganistischen Hetze bei.[3]

Sinti und Roma haben selbst kaum schriftliche Zeugnisse über sich hinterlassen, es überwiegte die mündliche Tradition.[4] Es waren und sind hauptsächlich Berichte, Quellen, „wissenschaftliche“ Werke von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft über Sinti und Roma, wo sie sich praktisch ihre „Zigeuner“ mit allen Stereotypen selbst erschufen. Diese „gebildeten“ Autoren sind meistens Sinti und Roma selbst nicht begegnet.

1407-1871

Sinti und Roma stammen wie oben schon erwähnt aus Indien. Seit Mitte des 14. Jahrhunderts ist ihre Anwesenheit auf dem Balkan, seit dem späten 14. Jh. in Ungarn belegt. Auf deutschem Gebiet wurden Sinti und Roma das erste Mal 1407 in Hildesheim urkundlich erwähnt. Im 15. Jh. stellten Kaiser und Landesherren ihnen zunächst Schutzbriefe aus, mit denen sie sich im Reichsgebiet frei bewegen konnten. Spätestens auf dem Reichstag in Freiburg 1498 wurde ihnen Kumpanei mit den Türken, die West- und Mitteleuropa „bedrohten“ („Türkengefahr“), Verrat der Christenheit und Übertragung der Pest wie den Juden vorgeworfen. Sie wurden für vogelfrei erklärt, d.h. sie wurden zu sozial Ausgestoßenen, die wie ein Vogel von jedem frei gejagt und getötet werden konnten. Gerade in dieser Zeit war der Antiziganismus religiös geprägt: Ihnen wurde vorgeworfen, mit dem Teufel zu paktieren, die Nägel für die Kreuzigung Christi geschmiedet zu haben, der „heiligen Familie“ auf dem Weg nach Bethlehem die Herberge verweigert zu haben oder die christliche Religion nur zu ihrem Vorteil zu missbrauchen. Dies waren zu dieser Zeit schwerwiegende Vorwürfe, die zum Teil heute noch vorkommen.[5]

Bewaffnete Sinti und Roma nahmen als Söldner am 30jährigen Krieg im Heer Wallensteins teil, was eine kurzzeitige Verbesserung ihrer Situation und sozialen Stellung mit sich brachte. Kurz nach dem Ende des 30jährigen Krieges wurden schon wieder „Zigeunerverordnungen“ erlassen, die dazu dienen sollten, den alten Zustand der Rechtlosigkeit wieder herzustellen. Das 18. Jahrhundert war für die Sinti und Roma in Deutschland eine überaus grausame Leidenszeit. Sie wurden gejagt, gefoltert, versklavt und ermordet. Ihr bloßes Auftauchen in den verschiedenen Gebieten Deutschland stellte schon ein Verbrechen dar. Erfundene Artikel in Nachrichtenblättern berichteten davon, wie sie Dörfer in Brand steckten, Frauen schändeten, Kinder stehlen und verzehren und mit dem Teufel im Bunde stehen würden. Die Nähe zum Teufel ließ sich angeblich an ihrer „schwarzen“ Hautfarbe ablesen. Diese Stereotypen halten sich bis auf den Kannibalismus bis heute. 1721 veröffentlichte Kaiser Karl IV. ein Generalmandat, mit dem er die Verhaftung und Ausrottung der auf deutschem Boden befindlichen Sinti und Roma befahl. Vor vielen Städten brachte die Bevölkerung so genannte „Zigeunerstöcke“ an, um anreisende Gruppen vom Betreten der Stadt abzuhalten, sonst drohe Verstümmelung oder Brandmarkung.

Die Verfolgung der Sinti und Roma hatte folgenden politischen und ökonomischen Hintergrund:[6]

  1. Durchsetzung eines neuen Arbeitsethos: Müßiggang wurde verachtet und gestattete nur denjenigen Personen eine Lebensberechtigung, die arbeiten und „Leistung“ erbringen (protestantische Ethik). Die Armen waren an ihrer Situation selbst schuld. Auf diese Weise entstanden die Stereotype der „Faulheit“ der Sinti und Roma sowie die „Zigeunerkriminalität“.
  2. Durchsetzung der Territorial- und Nationalstaaten in Europa: Ein homogenes Staatsvolk war erwünscht, Nicht-Mitglieder der Nation wurden ausgegrenzt. Die angebliche Nichtsesshaftigkeit der Sinti und Roma stellte dies in Frage. Auf diese Weise entstand der Vorwurf der „vaterlandslosen Gesellen“.

„Gebildete“ Autoren sowie Wissenschaftler, die niemals je mit ihrem Untersuchungsobjekt zu tun hatten, prägten das Bild der „Zigeuner“ in der Bevölkerung, das durchweg negativ war. Der wichtigste war Heinz Moritz Gottlieb Grellmann, der eine Dissertation „Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volks in Europa nebst ihrem Ursprunge“ schrieb.[7] Dort wurden Sinti und Roma als „primitiv“, „nicht anpassungsfähig“, „kindlich“, „arbeitsscheu“ usw. beschrieben. Dieses Buch ist der Beginn der „Zigeunerwissenschaft“ in Deutschland, da Grellmann das unterstellte Verhalten ethnisierte ud biologisierte. Sein Buch war bis ins 19 Jh. das prägende Werk in der Forschung über „Zigeuner“.

Es gab im 19. Jh. den Versuch, Sinti und Roma nach bürgerlichen Kriterien zu erziehen (Arbeit, christliche Religion, Sesshaftigkeit). Der „evangelische Missionsverein zu Naumburg“ gründete eine „Zigeunerkolonie“ in Friedrichslohra 1828. 100 Sinti und Roma sollten von einem Lehrer „erzogen“ werden. Das Projekt scheiterte aus finanziellen Gründen, die erwachsenen Sinti und Roma wurden in Arbeitshäuser eingewiesen und die Kinder ins Waisenhaus gesteckt.

Positive antiziganistische Stereotype zeigten sich in der deutschen Romantik:[8]

Nach Abschaffung der Sklaverei in Rumänien 1864 wanderten viele der dort lebenden Roma nach West- und Mitteleuropa aus.

Der Dreißigjährige Krieg, der von 1618 bis 1648 andauerte, war ein Konflikt um die Hegemonie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein Religionskrieg. In ihm entluden sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits. Sinti waren als Soldat_innen sowohl in den Heeren der Union wie auch in der Liga zu finden. Sie kämpften in schwedischen und kaiserlichen Verbänden, auch unter Wallenstein. Einige von ihnen bekleideten sogar Offiziersränge.[9] In dem Werk der „Landstörtzerin Courasche“ spricht Grimmelshausen von einer „Ziegeunerische Rott von den königsmarckischen Völckern“, die sich der „schwedischen Hauptarmee“ angeschlossen haben.[10] Im Jahre 1642 befand sich im Amt Meinersen von Hannover eine „ganz und gar aus Tartaren und Zigeunern bestehende“ Kompanie unter dem Hauptmann Andreas Trems, die auf ein Engagement von der einen oder anderen Seite wartete. Dazu gehörten auch Frauen und Kinder der Soldat_innen.[11]

Dagegen wurde in der Forschung auch die These vertreten, dass Sinti und Roma keine Soldat_innen waren, sondern Teil der Nachhut bildeten, die von den Kämpfen profitierten. Herbert Langer bemerkte: Der familiäre Anhang der Soldaten und Offiziere, ihr Dienstpersonal, Marketender, untaugliche Soldaten, Deserteure von weither, Gaukler, feile Dirnen, Zigeuner, schachernde Juden – kurzum eine Masse, die von den täglichen Bedürfnissen, vom Spielgewinn, von der Beute und der Lebensgier der Soldaten lebte.“[12] Aufgrund der vielen voneinander unabhängigen Quellen kann jedoch festgehalten werden, dass die Mehrzahl der Sinti und Roma als Soldaten am Krieg teilnahmen und damit auch ein sozialer Prestigegewinn einherging.

Es existierte eine Vereinbarkeit zwischen der Lebensweise als Soldat(in) und als Angehöriger eines Familienverbandes. Eine Gruppe von Soldat_innen unter einem Anführer trat meistens als geschlossene Einheit in ein Regiment ein. Dort behielten sie ihren Charakter als eigenständige Größe. Deren Frauen und Kinder gingen entweder auch in das Regiment über oder hielten sich in der Nähe des Stationierungsortes auf.[13]

Nach dem Ende des 30jährigen Krieges übten manche Sinti und Roma den soldatischen Beruf weiter aus. Nach der Einverleibung Bremens an Schweden im Westfälischen Frieden entwickelte sich die Stadt zu einem schwedischen Anwerbeort, der auch Sinti und Roma anlockte.[14] Der Sinto Wilhelm Reinhard war Fähnrich in einem kaiserliche Leibregiment und Hauptmann in einer brandenburgischen Kompanie, die sich 1661 auflöste.

In der deutschsprachigen Literatur entstanden im Laufe der Jahrhunderte antiziganistische Stereotypen, die –je häufiger sie wiederholt wurden- sich im Gedächtnis der Mehrheitsbevölkerung festsetzten und schließlich als Wahrheit ausgegeben wurden. Wilhelm Solms und Daniel Strauß bemerkten zu Recht: „(…) gerade in der Literatur hat die Pflege des ‚Zigeunermythos‘ eine lange und unselige Tradition ausgebildet. (…) Ob in Märchen, Sagen, Schwänken, Volksliedern oder in der hohen Literatur – die Texte strotzten nur so von grotesken Klischees, die die eigenständige Erzähltradition der Sinti und Roma auf den Kopf stellen.“[15]

Der Theologe M.J. Thomasius warf in seiner Abhandlung „Curiöser Tractat von Zigeunern“ aus dem Jahre 1702 diesen Kindesraub, Diebstahl und Mord vor: „Man hat auch erfahren/daß sie als Menschen-Diebe kleine Kinder auffgefangen/und für sie die ihrigen aufferzogen haben. (…) als Diebe pfegten sie viel unverschämter als die Bettler/zu fordern: Alleine das Geld zu betteln/schämen sie sich es aber zu rauben aus dem Beutel heraus zu partiren/nehmen sie sich kein Gewissen. Ja sie geben auch zuweilen Räuber/Mörder und Vieh-Diebe ab. Daß sie sich erlaubten/die Stadt Juliobrigam die von der Pest gar ausgestorben war/zu überfallen und zu plündern. Kurz zu sagen/weil sie von Kindes-Beinen an zur Boßheit angewöhnt werden.“[16]

Der Justiziar Johann Benjamin Weissenbruch bezeichnete Sinti und Roma als „böse Nation“ und „böse Race“, „die weder durch geringe Straffe sich auf bessere Gedancken bringen läßt, noch, wenn man gleich aus der Jugend etwas Gutes ziehen will, die Zucht annimmt.“[17] Ein angeblicher Hang zum Diebstahl sei den „miserablen Creaturen“ „gleichsam angeboren“.[18]

Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert sollten Sinti durch Ausnahmegesetze der jeweiligen Landesherren am Betreten ihres Territoriums gehindert werden. Staatliche Stellen stellten ikonographische Schilder an den Grenzen und vor Orten oder Städten auf, die speziell an Sinti und Roma adressiert waren.[19] Sie wurden „Zigeunerwarnungsstöcke“, „Heidenstöcke“ oder „Zigeunertafeln“ genannt. Wenn sie die jeweiligen Gebiete betreten würden, drohten ihnen Bestrafungen wie Stockschläge, Brandmarken, Landesverweis, Handabschlagen oder Ohrabschneiden. In den deutschen Staaten wurde in öffentlichen Verlautbarungen Belohnungen für die Ergreifung von Sinti und Roma ausgesetzt, egal ob tot oder lebendig. Gemäß einem Gesetz im Reichskreis Oberrhein aus dem Jahre 1711 wurden Bürger_innen bestimmte Geldbeträge für die Mithilfe bei einer erfolgreichen Festnahme in Aussicht gestellt.

Staatliche Stellen schreckten sogar vor systematischen Morden an Sinti nicht zurück. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden in Schwaben, Franken, Hessen und der Pfalz insgesamt mindestens 237 Sinti hingerichtet.[20] Im Jahre 1726 verordnete Kaiser Karl VI., alle männlichen Sinti hinzurichten und den Frauen sowie den Kindern unter 18 Jahren ein Ohr abzuschneiden. Der Stadtrat von Aachen erließ 1728 eine Verordnung, die Sinti zum Tode verurteilten. Darin hieß es: „Gefangene Zigeuner, ob sie sich wehren können oder nicht, sollen auf der Stelle getötet werden. Allerdings soll denjenigen, die nicht zu einem Gegenangriff ansetzen, nicht mehr als eine halbe Stunde gewährt werden, um niederzuknien und, wenn sie es wünschen, den allmächtigen Herrgott um Vergebung ihrer Sünden bitten und sich auf den Tod vorzubereiten.“[21] Der Annweiler Vogt Koch veranlasste 1760 eine „Zigeunerjagd“, wo Männer, Frauen und Kinder umgebracht, ihre Hütten geplündert und niedergebrannt wurden.[22]

Öffentliche Hinrichtungen von Sinti und Roma wurden bisweilen wie ein Event gefeiert, an dem sich normale Bürger_innen berauschten. Bei einer Enthauptung von vier Sinti und Roma in Nürnberg 1733 errichtete ein Nürnberger Bürger 200 Erntewagen als eine Art von Tribünen und verlangte für das Mitansehen der Hinrichtung Eintrittsgeld.[23]

Teile der Mehrheitsbevölkerung widersetzten sich aber auch gegen die Anordnungen der staatlichen Stellen und halfen verfolgten Sinti und Roma auch unter Gefährdung ihres eigenen Lebens.[24] Anhand von Taufurkunden lässt sich belegen, dass städtische Beamt_innen oder Bürgermeister_innen eines Dorfes als Paten fungierten. Zahlreiche Quellen berichten darüber, dass staatliche Stellen gegen Dortschultheiß_innen, Gastwirte und Händler_innen vorgingen, die Sinti und Roma Unterschlupf gewährten oder mit ihnen Handel trieben. Manche staatlichen Stellen sahen sich deshalb gezwungen, unter Strafandrohungen den Kontakt der eigenen Bevölkerung mit Sinti und Roma zu verbieten. In einer gemeinsamen Pönalsanktion des Oberrheinischen und des Kurrheinischen Kreises von 1748 hieß es: „Sollen diejenigen, welche diesem Räuber- und Zigeunergesindel entweder freywillig und ungedrungen einigen Unterschleiff gestatten (…) deren geraubte Sachen wissentlich verkauffen, verhandeln oder auch den Raub verkundschafften, dazu Anschläge geben und sonsten in andere Weege behülflich seynd und dan participieren, falls nur ein anderer gefährlicher Umstand noch dabey mit untergeloffen (…) gleichergestalten, wo nicht mit Galgenstraffe, wenigstens §4 zur offentlichen Arbeit angesetzten Straff, und zwar allenfalls auf ihre selbst eigene Kosten, wenn sie es im Vermögen haben, unterworffen seyn.“[25]

Neben negativ zugeschriebenen Eigenschaften entwickelte sich auch eine romantisierende Sichtweise auf die „Zigeuner“. Sie wurden als Gegenetwurf zur bürgerlichen Gesellschaft inszeniert und als „edle Wilde“[26] idealisiert. Dies zeigte sich besonders in Goethes Drama Götz von Berlichingen. Auf der Flucht rettet der „Zigeunerhauptmann“ den verwundeten Götz, schützte ihn vor den Verfolger_innen und verlor dabei sein Leben. Götz stellte in dieser Szene fest: „O Kaiser! Kaiser! Räuber beschützen deine Kinder. Die wilden Kerls, starr und treu.“[27]

Der preußische Aufklärer Christian Wilhelm von Dohm setzte sich für eine Aufhebung aller Gesetze ein, die Juden sowie Sinti und Roma diskriminierten. Dies sollte jedoch nicht sofort, sondern erst nach einem Erziehungsprozess geschehen, der die „bürgerliche Verbesserung“ der Minderheiten beinhaltete. Da es sich bei „den Zigeunern“ um „eine sehr verwilderte Nation“ handele, würde die „Verbesserung“ erst nach einer Generation greifen.[28] Von Dohm schrieb: „Die Erfahrung lehrt, daß es äußerst schwierig sey, sie an diesem festen Aufenthalt und bleibende Beschäftigung zu gewöhnen, und daß sie dem bequemen und ruhigen Leben das unsichere und beschwerliche Umherziehen vorziehen. Aber die Kinder der itzigen, zum Theil im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft geboren, werden gewiß schon besser in dieselbe einpassen. Sollten aber auch erst die Nachkommen der itzigen Zigeuner nach mehr als einem Jahrhundert glücklichere Menschen und gute Bürger werden, so wird doch dieses unstreitig die Regierung nicht abhalten, ihre weisen Bemühungen fortzusetzen.“[29]

Im Jahre 1782 war in einem Zeitungsartikel zu lesen, dass in Ungarn zahlreiche „Zigeuner“ hingerichtet wurden, da sie angeblich Menschen töteten und die Leichen danach aufaßen. Später kam heraus, dass sich diese Vorwürfe als haltlos erwiesen und einen Justizskandal provozierten. Trotzdem gehörte seitdem der Vorwurf des Kannibalismus zum Standardrepertoire antiziganistischer Ressentiments.[30]

Grellmann-1871

Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann (1756-1804) wurde 1794 in Göttingen zum ordentlichen Professor ernannt. 1804 wechselte er an den Lehrstuhl für Statistik an die Universität Moskau, wo er kurz nach seinem Dienstantritt verstarb.

Grellmanns Werk „Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes, nebst ihrem Ursprunge“[31] aus dem Jahre 1783 ist als Beginn der „Zigeunerwissenschaft“ im deutschsprachigen Raum anzusehen. Während er die grundlegenden Motive des religiösen Antiziganismus als Legenden entlarvte, begründete er einen Antiziganismus auf rassistischer Grundlage. Wippermann stellt zu Recht fest: „Grellmann kann daher als Schöpfer des rassistischen Antiziganismus bezeichnet werden, den es schon vor dem Rassen-Antisemitismus gab und der die konkrete ‚Zigeunerpolitik‘ schon zu einem Zeitpunkt beeinflusste, als die ‚Judenfrage‘ noch unter mehr oder weniger rein religiösen und eben nicht rassistischen Aspekten diskutiert wurde.“[32] Die von Grellmann unterstellten Verhaltensdispositionen der „Zigeuner“ wurden von ihm nicht als individuelle Ausdrucksformen gesehen, sondern als feststehendes kulturelles Verhalten auf die gesamte Gruppe , die als „Volk“ bezeichnet wurde, übertragen. Dieses biologistische Deutungsmuster durchzieht das gesamte Buch. Dort heißt es zum Beispiel: „Oft schien ein Knabe (…) auf dem besten Wege zur Menschwerdung zu seyn, und plötzlich brach die rohe Natur wieder hervor, er gerieth in den Rückfall und wurde mit Haut und Haaren wieder Zigeuner“.[33]

Im Anschluss an andere Arbeiten vertrat Grellmann die These, dass die Sprache der „Zigeuner“ im Kern Sanskrit sei und sie ursprünglich aus Indien kämen. Daraus schloss er, dass sie von der untersten indischen Kaste, den „Sudern“ oder „Paria“ abstammen müssten.[34] So entstand das Bild von einem primitiven „orientalischen Nomadenvolk“, das sich auf der Vorstufe der so genannten Zivilisation befände. So schrieb Grellmann: „Die Zigeuner sind ein Volk des Orients und haben orientalische Denkart. Rohen Menschen überhaupt, vorzüglich aber den Morgenländern ist es eigen, fest an dem zu hängen, woran sie gewohnt sind. Jede Sitte (…) dauert unverändert fort und eine Neigung, die einmahl in den Gemüthern die Oberhand hat, ist sogar nach Jahrtausenden noch herrschend.“[35] Die „Zigeuner“ waren für Grellmann zwar primitive, aber dann doch menschliche Wesen, die aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Genuss der „zivilisatorischen Vorzüge“ kommen würden. Dieser kulturelle Kolonisationsgedanke Grellmanns wurde auch von späteren „Zigeunerexperten“ übernommen und weiterentwickelt. Grellmann stellte die „Zigeuner“ als „Naturvolk“ dar, das im Gegensatz zu den weißen europäischen „Kulturvölkern“ stünde und diesen unterlegen sei: „Man denke nur, wie sehr sie von Europäern verschieden sind. Dieser ist weiß, der Zigeuner schwarz; der Europäer geht bekleidet, der Zigeuner halb nacket, jenem schaudert für Speise vor verrecktem Vieh, dieser bereitet sich davon Leckerbissen. Ueberdieß sind auch diese Menschen, seit ihrer ersten Erscheinung in Europa durch Raub, Diebstahl und Mordbrennen berüchtigt; der Europäer hegt also nicht nur Abscheu gegen sie, sondern auch Haß. Um aller dieser Ursachen willen wieß der gesittete Theil von jeher den Zigeuner von sich, (…) und nur der Einfältige machte bisweilen genauere Bekanntschaft mit ihnen, um Angelegenheiten des Aberglaubens abzuthun.“[36] Die Ausübung von Musik und Poesie seien charakteristische Merkmale ihrer Kultur: „Musik ist unter allen die einzige Kunst, an der dieses Volk wirklich einen beträchtlichen Anteil hat. Sie dichten zwar auch, und das nach Weise orientalistischer Völker, aus dem Stegreife; und sind in der Walachey sogar die einzigen Inhaber dieser Kunst, wo sie ihre Verse, gleich italiänischen Improvisatoren, immer mit Gesang und Musik begleiten.“[37]

Grellmann schrieb den „Zigeunern“ in homogenisierender Weise die Eigenschaften der Faulheit und des Müßiggangs zu: „Hier entdeckt sich zugleich der Grund, warum Armuth und Dürftigkeit ein so gemeines Los dieser Menschen ist. Es liegt in ihrer Faulheit und übermäßigen Neigung zur Gemächlichkeit. Sucht man Menschen, die im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod essen, so wird man sie überall leichter, als unter dem Volke der Zigeuner finden. Jede Arbeit ist ihr Feind, wenn sie mühsam ist, und viele Anstrengungen erfordert.“[38]

Die von Grellmann behaupteten negativen Charakterzüge wie Müßiggang, Nomadentum, Unsittlichkeit oder Kriminalität, die ständige Konflikte mit den jeweiligen europäischen Mehrheitsgesellschaften zur Folge hätten, hielt er für angeboren.[39] Grellmann verstand sich selbst als Aufklärer und die „Zigeuner“ als erziehungsbedürftige Mängelwesen, die notfalls mit Gewalt und Zwang mit dem Ziel der völligen Assimilierung in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren seien. Er stellte dabei vor allen den ökonomischen Nutzen und das daraus resultierende staatliche Interesse an der Umerziehung der „Zigeuner“ in den Vordergrund.

In der Aufklärung nahm die Erziehung einen breiten Raum ein; sie sollte als Mittel dazu dienen, die angeblich noch im Naturzustand lebenden Gesellschaftsmitglieder zur Menschwerdung gelangen zu lassen. Immanuel Kant stellte fest: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“[40] Auf der philosophischen Abstraktheit wurde mit dem Menschen operiert. Das menschliche Zusammenleben sollte sich in der Vernunft aller Gesellschaftsmitglieder äußern. Der einzelne Mensch, die Menschheit qua Gattung und die Menschlichkeit wurden im 18. Jahrhundert nahe zusammengedacht.[41] Die großen Differenzen, aus denen sich die Realität des Menschlichen gestaltete, traten hingegen nur randständig in den Blick. Jaumann behauptete zu Recht, Aufklärung wurde als Teil des permanenten Prozesses auf dem Weg vom Naturzustand hin zu Kultur und Zivilisation zu einer stets aufsteigenden Menschheit verstanden. Stets war das Ziel jeder Entwicklung nicht etwa die Emanzipation der jeweiligen Minderheit als solcher, sondern die Aufhebung deren sozialer Existenz.“[42] Dazu gehört laut Grellmann die Aufgabe „Zigeuner“ oder auch „Jude“ zu sein.[43] Grellmann erklärte: „Mochten die Zigeuner bisher auch noch so vielen Nachtheil gestiftet haben; so war es doch an sich nichts Unmögliches, dass sie einmal aufhörten, so allgemein schädliche Geschöpfe zu seyn. (…) Aus dem Menschen kann alles werden, hätte man nur die gehörigen Mittel zu ihrer Besserung angewendet, so würde die Erfahrung bewiesen haben, dass sie nicht unverbesserlich wären.“[44] Er stellte die Forderung auf, die „Zigeuner“ im pädagogischen Sinne zu „brauchbaren Bürgern umzuschaffen.“[45] Diese Disziplinierung über die Erziehung beinhaltete zugleich deren Sesshaftmachung und die „Sorge für Aufklärung ihres Verstandes, und ein besseres Herz.“[46] Es sei „wenig wirtschaftlich“ die „Zigeuner als Schlacke weg zu werfen.“ In deren ersten Generation läge noch „die Wurzel des Verderbens“, aber „beim zweyten oder dritten Geschlecht“ würden sich die Anstrengungen ökonomisch auszahlen.[47]

Grellmanns Thesen bildeten bis ins 20. Jahrhundert hinein die Grundlage für spätere „Zigeunerforscher“, die die rassistischen Stereotype nicht überwanden, sondern tradierten und sie als allgemeingültige „Wahrheiten“ ausgaben.[48] Sie prägten auch fortan die staatliche „Zigeunerpolitik“: „Ökonomische Eingliederung und kulturelle Assimilation durch eine Erziehung ,zu brauchbaren Staatsbürgern und gesitteten Christenmenschen‘ galten in der einschlägigen Literatur (…) als Ziele der Zigeunerpolitik.“[49] Die einzige bekannte Kritik an Grellmanns Thesen äußerte der ostpreußische Pfarrer Johann Biester: „Hier wie an mehreren Orten möge man zweifeln, ob Hr. G. je Zigeuner gesehen hat; beobachtet und untersucht kann er sie wenigstens nicht haben.“[50] Grellmanns Werk besaß auch einen hohen Stellenwert im europäischen Ausland; 1787 wurde es ins Englische, später auch ins Französische übersetzt.

Der Faktor Arbeit bildete einen wichtigen Grundpfeiler in den Erziehungsvorstellungen der Aufklärung. In den Bildungsinstitutionen sollten Kinder und Jugendliche arbeiten lernen und diese nicht als Last empfinden, sondern als zur Identität eines jeden Menschen zugehörig. Dahinter verbarg sich das Postulat, dem Staat als nützliche und produktive Mitglieder zu dienen. Die protestantische Arbeitsethik ist gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass bildet den Mittelpunkt des Lebens bildet, um den herum Freizeit gestaltet wird: „Arbeit muss als gottgewollter Lebenszweck betrachtet werden, sie muss so gut wie möglich verrichtet werden und Arbeit muss als Pflicht gelten, die man erledigt, weil sie erledigt werden muss" [51] Es wurde der Versuch unternommen, Arbeitslose und „Müßiggänger“ mit erzieherischen Einflüssen zur Arbeit zu bewegen. Erwachsene wurden in Dingen unterrichtet, die ihnen eine künftige selbständige Lebensbewältigung zu versprechen schienen. Mit der Verherrlichung der Arbeit hing die allgemein verbreitete Ablehnung des Almosenwesens zusammen, das vielen Menschen den Lebensunterhalt sicherte.[52] Die Auffassung von der Arbeit als eine allgemeine Tugend der Menschen breitete sich vor allen im bildungsaffinen Bürgertum rasch aus. Die Erfassung der Kinder und Jugendlichen durch die Schule unter pädagogischen Gesichtspunkten und ihre Betreuung durch behördliche Organe unter Bezugnahme auf wirtschaftliches Profitstreben war zukunftsweisend.

Trotz aller universalistisch klingenden Emphase ist die Realisierung des im Namen des Menschen artikulierten Bildungszieles damals noch nicht konkret auf die meisten Mitglieder der Gesellschaft ins Auge gefasst worden. Sie erstreckte sich auch nicht zentral so genannte „Außenseiter“ der Gesellschaft wie Menschen mit Behinderung, Bettler_innen oder Minderheiten wie Jüd_innen sowie Sinti und Roma.[53]

Die Vorstellung, dass Kriminalität eine angeborene anthropologische Konstante der „Zigeuner“ war, war bei Polizei- und Justizbeamt_innen weit verbreitet. Der württembergische Oberamtmann Georg Jakob Schäffer gab 1787/88 eine „Zigeuner-Liste“ heraus, in der zwischen „Zigeunern von Geburt an“ und „Deutschen“ unterschied. Für Schäffer waren „Zigeuner“ Menschen mit angeborenen negativen Eigenschaften, die separat erfasst und kontrolliert werden müssten.

Aufklärungsphilosophen wie Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant sahen Sinti und Roma auf einer niedrigeren kulturellen Stufe als die deutsche Mehrheitsbevölkerung und machten aus ihrer Abneigung keinen Hehl. Herder beschrieb Sinti und Roma in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit als „eine verworfene indische Kaste, die vor allem, was sich göttlich, anständig und bürgerlich nennet, ihrer Geburt nach entfernt ist und dieser erniedrigenden Bestimmung noch nach Jahrtausenden treu bleibt, wozu taugte sie in Europa, als zur militärischen Zucht, die doch alles aufs schnellste discipliniret?“.[54]

Unter Bezugnahme auf Gobineaus Rassentheorie wollte Kant Sinti und Roma an der „indischen Hautfarbe“ oder „wahren Zigeunerfarbe“ erkennen. Laut Kant fehle ihnen der „Trieb zur Tätigkeit“.[55] Sie „haben niemals einen zu ansässigen Landbauern oder Handarbeitern tauglichen Schlag abgeben wollen“ und wären lediglich „Herumtreiber“.[56]

Das Motiv des Kinderraubes durch Sinti und Roma wurde wiederholt in der deutschen Literatur thematisiert und erlangte so in einer breiten Öffentlichkeit Popularität. In dem Lustspiel „Die Türkensklavin“ von Jakob Michael Reinhard Lenz stahl die „Zigeunerin“ Feyda die Sklavin Selima als Kind und verkaufte es an einen Bordellbesitzer.[57] In Clemens Bentanos drittem Rheinmärchen „Das Märchen vom Murmelthier“ wurde das Mädchen Murmelthier von ihrer Stiefmutter, einer „Zigeunerin“, als Baby aus dem königlichen Garten des Königshofes von Burgund gestohlen.

Erstmals wurde auch der Inzestvorwurf einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. In dem weit verbreiteten Meyers Konversationslexikon aus dem Jahre 1871 hieß es: „Ehen zwischen den jungen Leuten, gewöhnlich um 14 oder 15 Jahre, werden ohne Rücksicht auf Blutsverwandtschaft und fast nur durch gegenseitiges Uebereinkommen geschlossen.“[58]

Die Erziehung der „Zigeuner“ zu „brauchbaren Bürgern“ wurde im aufgeklärten Absolutismus in die Praxis umgesetzt. Kaiserin Maria Theresia von Österreich ließ Roma zwangsweise in Siedlungen im Burgenland ansiedeln, verbot Gewerbetätigkeit, Sprache und Pflege kultureller Traditionen und betrieb die Zerschlagung der familiären Strukturen durch Wegnahme der Kinder, um sie im christlichen Sinne erziehen zu lassen. Friedrich II. unterstützte ein ähnliches von christlichen Missionar_innen initiiertes Erziehungsprojekt In Friedrichslohra. Vor allem der staatliche Kinderraub ließ die Maßnahmen jedoch in Österreich wie in Preußen scheitern, da die Betroffenen sich zur Wehr setzten bzw. flüchteten. Dieses Scheitern wurde als Beweis dafür gewertet, dass ihre angeblich devianten Eigenschaften eine anthropologische Konstante darstellen. In Württemberg wurden Sinti seit 1828 auf einzelne Gemeinden verteilt, um ihre Assimilation in die Gesellschaft voranzutreiben. Seit 1856 wurden sie einer speziellen Polizeikontrolle unterstellt.[59]

Anfang des 19. Jahrhundert emigrierten viele Sinti und Roma nach Amerika, da sich für sie die Lebensbedingungen in Europa zunehmend verschlechterten. Im Zuge der Industrialisierung lohnten sich traditionelle Erwerbsformen nicht mehr. Außerdem erschwerten der Ausbau des Polizeiapparates, Aufenthaltsverbote und Grenzkontrollen das Wandergewerbe.

Der Schulmeister Theodor Tetzner beschimpfte Sinti und Roma als „Auswurf der Menschheit, die im Anfange des 15ten Jahrhunderts wie eine Strafe Gottes, gleich einem Heuschreckenschwarm, sich in unseren Gauen niederließ.“ Ebenso wie Menschen jüdischen Glaubens hielt Tetzner Sinti und Roma für nicht assimilierbar, weil die immer an ihren „Eigentümlichkeiten“ festhalten würden.[60] Der preußische Major Carl von Heister bezeichnete 1842 in seinem Werk „Ethnographische und geschichtliche Notizen über die Zigeuner“ diese als „malaische Race“. Aufgrund der Augen-, Haar- und Gesichtsfarbe wollte von Heister klassifizieren können, ob es sich bei Sinti und Roma um eine „reine Zigeuner-Abstammung“ handele.[61] Der Kriminalist Richard Liebich sprach Sinti und Roma unveränderliche Eigenschaften wie Nomadentum und Kriminalität zu und leistete damit einer Ethnisierung des Sozialen Vorschub: „Wenn der Richter sonst allenthalben zu individualisieren hat, d.h. das zu behandelnde Subject erst in seiner Eigenthümlichkeit erforschen und kennen lernen, und danach den Gang seines Verfahrens bestimmen muß, so darf der eingeweihte, mit dem Wesen der Zigeuner bekannte Inquirent bei diesen ohne alle Gefahr generalisieren und keinen Fehltritt zu thun besorgen, wenn er alle mit gleichem Maße mißt, in gleicher Weise behandelt; denn ein echter, wahrer Zigeuner ist der Typus aller anderen.“[62]

1871-1933

Nach 1871 wurden zahlreiche Verordnungen erlassen, um das „Umherziehen“ der Sinti und Roma zu unterbinden und eine Sesshaftigkeit herbeizuführen. Bismarck unterschied dabei zwischen Sinti und Roma, die „die Reichsangehörigkeit besitzen“ und „ausländischen“. Letztere sollten umgehend abgeschoben werden, die „inländischen“ sollten sesshaft werden. 1899 wurde in München der „Nachrichtendienst für die Sicherheitspolizei in Bezug auf Zigeuner“ eingerichtet. Die einzelnen Polizeibehörden sollten alle Sinti und Roma erkennungsdienstlich erfassen und dem Nachrichtendienst zur zentralen Erfassung übergeben. Die „Erkenntnis“ des italienischen Arztes und Kriminologen Cesare Lombroso, Sinti und Roma seien „geborene Verbrecher“, fand auch in Deutschland Beachtung. Die „Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ von 1906 verbot das „Reisen in Horden“, was die Berufsausübung der Sinti und Roma stark einschränkte. Im 1. Weltkrieg kämpften Sinti und Roma auf beiden Seiten. Spionagevorwurf gegen Sinti und Roma für den „Feind“ in Deutschland.

Das „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“ des bayrischen Landtags aus dem Jahre 1926 war ein Ausnahme- und Sondergesetz, das Maßnahmen gegen Sinti und Roma ohne Verdacht auf eine Straftat erlaubte. Alle Betroffenen, die keine „geregelte Arbeit“ nachweisen konnten, wurden in Arbeitshäuser eingewiesen und zur Zwangsarbeit verpflichtet.[63]

1933-1945

Die Nationalsozialisten gingen mit ihrer rassistischen und „sozialhygienischen“ motivierten Verfolgung weit über die Kriminalisierung der Sinti und Roma vor 1933 hinaus. Im September 1933 wurden die „Nürnberger Rassegesetze“ verkündet; die Heirat von Sinti und Nicht-Sinti wurde verboten.[64] In der 1936 eingerichteten „Rassenhygienischen und Kriminalbiologischen Forschungsstelle“ unter Leitung von Robert Ritter wurden seit 1937 Sinti und Roma nach ihren Genealogien erfasst und ihre körperlichen Eigenschaften vermessen. Am 8.12.1938 verkündete Himmler „die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen der Rasse heraus“. Im März 1939 wurden Verordnungen zur besonderen Kennzeichnung der Sinti und Roma erlassen und gesonderte „Rasseausweise“ ausgegeben. Am 30.1.1940 sollten laut Heydrich „sämtliche Juden der neuen Ostgaue und 30.000 Zigeunern aus dem Reichsgebiet und der Ostmark als letzte Massenbewegung in das Generalgouvernement“ deportiert werden.

Die „Forschungsstelle“ von Ritter erstellte bis Ende 1944 ca. 24.000 „Rassegutachten“ über weitere KZ-Deportationen deutscher Sinti und Roma. Ab Sommer 1941 wurden hinter der „Ostfront“ systematisch von Einheiten der Wehrmacht und der Ordnungspolizei Sinti und Roma erschossen. Am 16.12.1942 folgte der „Auschwitz-Erlass“ Himmlers für die Deportation von 22.000 Sinti und Roma aus Europa in den als „Zigeunerlager“ bezeichneten Abschnitt des KZ Auschwitz-Birkenau.[65] Der SS-Lagerarzt von Auschwitz, Josef Mengele, betreibt eine „Zwillingsforschung“, bei der unzählige Sintikinder getötet werden. Auch in anderen KZ’s werden Sinti und Roma Opfer von „medizinischen Experimenten“. Am 2.8.1944 wird das „Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau aufgelöst. Von den noch lebenden 6.000 Sinti und Roma werden 3.000 in andere KZ’s deportiert, die anderen 3.000 in der Nacht auf den 3. August ermordet.

Die Zahl der in Europa bis Kriegsende in KZ’s und von SS-Einsatzgruppen ermordeten Sinti und Roma wird auf ca. 500.000 geschätzt. Von den durch die NSDAP erfassten 40.000 deutschen und österreichischen Sinti und Roma wurden mehr als 25.000 ermordet.[66]

1945 bis in die Gegenwart

Auch nach 1945 bestand das System der Erfassung und Verfolgung in der Bürokratie der Bundesrepublik weiter. Viele Täter der „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ während der NS-Herrschaft wurden weiterbeschäftigt und bei der Erfassung und Diskriminierung der Sinti und Roma eingesetzt. Bei den Entschädigungsdebatten wurden Sinti und Roma nicht berücksichtigt. Die staatliche Version lautete, dass erst ab März 1943 (Beginn der Deportationen nach Auschwitz) Sinti und Roma Opfer rassistischer Verfolgung wurden. Davor seien sie als „Asoziale“ oder aus „kriegswirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und kriminalpräventiven“ Gründen verfolgt und deportiert worden.[67] Dies wurde 1956 vom Bundesgerichtshof bestätigt. Den zwangssterilisierten Sinti und Roma wurde jeder Anspruch auf Entschädigung versagt.

1982 erkannte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt die nationalsozialistischen Verbrechen an den europäischen Roma als Völkermord an. Im Rahmen eines Prozesses gegen einen SS-Mann, der wegen Völkermordes an den Sinti und Roma angeklagt worden war, wurde bestätigt, dass die Vernichtung der Sinti und Roma als „rassenpolitisches Programm“ systematisch betrieben wurde.

Der Arzt Hermann Arnold, der seit 1938 an anthropologischen Untersuchungen an Sinti und Roma beteiligt war, galt lange Zeit als „Zigeunerexperte“ in der BRD.[68] Er leugnete die Schuld Ritters an der Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Noch in den 1970er und 1980er Jahren wurden Sinti und Roma z.B. auf Campingplätzen die Unterbringung verwehrt. Polizeiliche Schikanen waren an der Tagesordnung. Erst durch die Ende der 1970er Jahre gebildete Bürgerrechtsbewegung gelangte der alltägliche Antiziganismus langsam in das Blickfeld der Öffentlichkeit.

DDR: Die Situation der Sinti und Roma in der DDR ist bislang nur unzureichend erforscht. In der DDR lebten ca. 3.000 Sinti und Roma. Die Anerkennung als Verfolgte des NS-Regimes dauerte bis zur Mitte der 1960er Jahre; sie erhielten dann niedrige Renten. In der Öffentlichkeit und in den Gedenkstätten wurde ihre Ermordung im „Dritten Reich“ jedoch nicht thematisiert.

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa verschärfte sich die Lage der dort lebenden Roma sowohl wegen Massenentlassungen als drohenden Pogromen durch die Reetablierung des Nationalen drastisch.[69] Aus diesen Gründen flohen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre Roma nach Westeuropa und damit auch nach Deutschland. Dort trafen sie auf einen aggressiven Antiziganismus (Pogrom in Rostock-Lichtenhagen, Angriffe in Mannheim-Schönau).

In Dolgenbrodt (Brandenburg) sollte ein ehemaliges Kinderferienlager als Wohnheim für Roma-Flüchtlinge genutzt werden. Die Bewohner drohten unverhohlen: „Muss es erst zu einem zweiten Rostock kommen?“, sinngemäß dieselbe Drohung, die auch in Duisburg-Bergheim von Anwohnern bekannt ist. Eine Nacht, bevor die Flüchtlinge in das Haus einziehen sollten, wurde es in Brand gesteckt. Später kam heraus, dass Dolgenbrodter Bürger einem Neonazi aus dem Nachbardorf 2.000 DM bezahlt hatten, um das Haus anzuzünden.

In vielen Ländern Osteuropas und Südosteuropas insbesondere der Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien werden Roma ausgegrenzt und leben am Rande der Gesellschaft oftmals in Ghettos abgeschottet von der Mehrheitsbevölkerung.[70] Es gibt Zutrittsverbote für Roma in öffentlichen Räumen und eine automatische Unterbringung von Romakinder in „Förderschulen“. Die Hetze gegen Roma ist nicht nur eine Sache von rechten Parteien oder Organisationen, große Teile der Mehrheitsbevölkerung sind antiziganistisch eingestellt. Roma leben ständig in der Angst, Opfer von Pogromen zu werden. Hier einige Beispiele:[71]

Diese Beispiele sollen zeigen, dass es sich bei den nach Westeuropa einwandernden Roma nicht nur um Armutsmigranten handelt. Ein weiterer Migrationsgrund liegt in der Angst vor (tödlichen) Pogromen der Bevölkerungsmehrheit.

Gewaltsame Angriffe gegen Sinti und Roma in Deutschland sind nur die Spitze des Eisbergs. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung sind antiziganistisch eingestellt, alltäglicher Rassismus ist die Regel.[72] Besonders Polizei und offizielle staatliche Stellen (Ordnungsämter, Ausländerbehörden usw.) sind am Rassismus gegen Sinti und Roma beteiligt (institutioneller Rassismus). Die Abschiebungspraxis ist zum Teil verfassungswidrig und unmenschlich. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Betroffenen kein großes Vertrauen in diese Organe haben. In Duisburg findet sich eine Synthese von rassistischen Einstellungen von normalen Bürgern, eine Hetze in weiten Teilen der Presselandschaft und wahrscheinlich auch antiziganistische Einstellungsmuster in lokalen Behörden. [73]

Heinrich Moritz Gottlieb Grellmanns Bild der „Zigeuner“

Antiziganistische Stereotype wie Nomadentum, Kriminalität, Primitivität, Arbeitsscheu usw entstanden in den vergangenen Jahrhunderten und werden seitdem wie ein „kultureller Code“ in der Gesellschaft von Generation zu Generation weiter tradiert. Die heutigen antiziganistischen Einstellungsmuster können nicht ohne den Rückgriff auf ihre historische Entwicklung verstanden werden. Romantisierende und exotistische Vorurteile wie die „musizierenden Zigeuner“, die „wild“ und „unproduktiv“ in den Tag hineinleben, sind immer noch vorhanden. Gelehrte Autor_innen der Mehrheitsgesellschaft, die oft niemals mit Sinti und Roma persönlich in Kontakt getreten waren, konstruierten Vorurteile wie Nomadentum, Kriminalität, Primitivität, Müßiggang usw., die –je häufiger sie wiederholt wurden- sich im Gedächtnis der Mehrheitsbevölkerung festsetzten und schließlich als „Wahrheit“ ausgegeben wurden. Die Autoren aus der Mehrheitsgesellschaft schafften es nicht, sich von den Normalitätsvostellungen seiner eigenen westlichen Kultur zu distanzieren und eine andere aus dessen eigenem Kontext zu begreifen. Das, was Bauerdick als Realität vorgibt, ist lediglich eine individuelle Interpretation seiner Begegnungen mit Roma. Sie geben nur die gesammelten subjektiven Erfahrungen wiedergeben, was niemals (wissenschaftliche) Objektivität widerspiegeln kann. Von einer multiperspektivischen Reflexion waren weit entfernt; ihr Blickwinkel könnte eher als Nostrismus bezeichnet werden, wo das Eigene zum Maßstab mit der Begegnung mit dem Anderen wird. Auf diese Weise entstand eine Konstruktion der Mehrheitsgesellschaft von vorgeblichen Lebensweisen Eigenschaften der Sinti und Roma, was nicht die Realität widerspiegelte. Dies wurde nicht hinterfragt, sondern einfach weiter tradiert.

Vor dem Hintergrund der aufkommenden Nationalstaaten und der Herausbildung des bürgerlich lebenden Menschen wurden „die Zigeuner“ zum Gegenentwurf des zivilisierten Bürgers stilisiert. Heinrich Grellmann sieht in seiner Göttinger Dissertation „ Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart, Verfassung und Schicksale dieses Volkes in Europa, nebst ihrem Ursprunge“ seinen Untersuchungsgegenstand als bildungslose, abergläubische und unzivilisierte „Wilde“, die der eigenen Kultur und Zivilisation diametral gegenüberstanden. Karola Fings schrieb: Grellmann war nie einem Rom begegnet und hatte seine vermeintlichen Kenntnisse aus den Schriften verschiedener Autoren und Journalisten gewonnen. Dennoch fanden seine Thesen Eingang in Lexika, wurden in Zeitungen und Zeitschriften aufgegriffen, spiegelten sich in der Literatur und Malerei und beeinflussten damit die populäre Wissenproduktion über ‚Zigeuner bis in die Gegenwart.“[74]

Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert sollten Sinti durch Ausnahmegesetze der jeweiligen Landesherren am Betreten ihres Territoriums gehindert werden. Staatliche Stellen stellten ikonographische Schilder an den Grenzen und vor Orten oder Städten auf, die speziell an Sinti und Roma adressiert waren.[75] Sie wurden „Zigeunerwarnungsstöcke“, „Heidenstöcke“ oder „Zigeunertafeln“ genannt. Wenn sie die jeweiligen Gebiete betreten würden, drohten ihnen Bestrafungen wie Stockschläge, Brandmarken, Landesverweis, Handabschlagen oder Ohrabschneiden. In den deutschen Staaten wurde in öffentlichen Verlautbarungen Belohnungen für die Ergreifung von Sinti und Roma ausgesetzt, egal ob tot oder lebendig. Gemäß einem Gesetz im Reichskreis Oberrhein aus dem Jahre 1711 wurden Bürger_innen bestimmte Geldbeträge für die Mithilfe bei einer erfolgreichen Festnahme in Aussicht gestellt.

Staatliche Stellen schreckten sogar vor systematischen Morden an Sinti nicht zurück. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden in Schwaben, Franken, Hessen und der Pfalz insgesamt mindestens 237 Sinti hingerichtet.[76] Im Jahre 1726 verordnete Kaiser Karl VI., alle männlichen Sinti hinzurichten und den Frauen sowie den Kindern unter 18 Jahren ein Ohr abzuschneiden. Der Stadtrat von Aachen erließ 1728 eine Verordnung, die Sinti zum Tode verurteilten. Darin hieß es: „Gefangene Zigeuner, ob sie sich wehren können oder nicht, sollen auf der Stelle getötet werden. Allerdings soll denjenigen, die nicht zu einem Gegenangriff ansetzen, nicht mehr als eine halbe Stunde gewährt werden, um niederzuknien und, wenn sie es wünschen, den allmächtigen Herrgott um Vergebung ihrer Sünden bitten und sich auf den Tod vorzubereiten.“[77] Der Annweiler Vogt Koch veranlasste 1760 eine „Zigeunerjagd“, wo Männer, Frauen und Kinder umgebracht, ihre Hütten geplündert und niedergebrannt wurden.[78]

Öffentliche Hinrichtungen von Sinti und Roma wurden bisweilen wie ein Event gefeiert, an dem sich normale Bürger_innen berauschten. Bei einer Enthauptung von vier Sinti und Roma in Nürnberg 1733 errichtete ein Nürnberger Bürger 200 Erntewagen als eine Art von Tribünen und verlangte für das Mitansehen der Hinrichtung Eintrittsgeld.[79]

Teile der Mehrheitsbevölkerung widersetzten sich aber auch gegen die Anordnungen der staatlichen Stellen und halfen verfolgten Sinti und Roma auch unter Gefährdung ihres eigenen Lebens.[80] Anhand von Taufurkunden lässt sich belegen, dass städtische Beamt_innen oder Bürgermeister_innen eines Dorfes als Paten fungierten. Zahlreiche Quellen berichten darüber, dass staatliche Stellen gegen Dortschultheiß_innen, Gastwirte und Händler_innen vorgingen, die Sinti und Roma Unterschlupf gewährten oder mit ihnen Handel trieben. Manche staatlichen Stellen sahen sich deshalb gezwungen, unter Strafandrohungen den Kontakt der eigenen Bevölkerung mit Sinti und Roma zu verbieten. In einer gemeinsamen Pönalsanktion des Oberrheinischen und des Kurrheinischen Kreises von 1748 hieß es: „Sollen diejenigen, welche diesem Räuber- und Zigeunergesindel entweder freywillig und ungedrungen einigen Unterschleiff gestatten (…) deren geraubte Sachen wissentlich verkauffen, verhandeln oder auch den Raub verkundschafften, dazu Anschläge geben und sonsten in andere Weege behülflich seynd und dan participieren, falls nur ein anderer gefährlicher Umstand noch dabey mit untergeloffen (…) gleichergestalten, wo nicht mit Galgenstraffe, wenigstens §4 zur offentlichen Arbeit angesetzten Straff, und zwar allenfalls auf ihre selbst eigene Kosten, wenn sie es im Vermögen haben, unterworffen seyn.“[81]

Neben negativ zugeschriebenen Eigenschaften entwickelte sich auch eine romantisierende Sichtweise auf die „Zigeuner“. Sie wurden als Gegenetwurf zur bürgerlichen Gesellschaft inszeniert und als „edle Wilde“[82] idealisiert. Dies zeigte sich besonders in Goethes Drama Götz von Berlichingen. Auf der Flucht rettet der „Zigeunerhauptmann“ den verwundeten Götz, schützte ihn vor den Verfolger_innen und verlor dabei sein Leben. Götz stellte in dieser Szene fest: „O Kaiser! Kaiser! Räuber beschützen deine Kinder. Die wilden Kerls, starr und treu.“[83]

Der preußische Aufklärer Christian Wilhelm von Dohm setzte sich für eine Aufhebung aller Gesetze ein, die Juden sowie Sinti und Roma diskriminierten. Dies sollte jedoch nicht sofort, sondern erst nach einem Erziehungsprozess geschehen, der die „bürgerliche Verbesserung“ der Minderheiten beinhaltete. Da es sich bei „den Zigeunern“ um „eine sehr verwilderte Nation“ handele, würde die „Verbesserung“ erst nach einer Generation greifen.[84] Von Dohm schrieb: „Die Erfahrung lehrt, daß es äußerst schwierig sey, sie an diesem festen Aufenthalt und bleibende Beschäftigung zu gewöhnen, und daß sie dem bequemen und ruhigen Leben das unsichere und beschwerliche Umherziehen vorziehen. Aber die Kinder der itzigen, zum Theil im Schoße der bürgerlichen Gesellschaft geboren, werden gewiß schon besser in dieselbe einpassen. Sollten aber auch erst die Nachkommen der itzigen Zigeuner nach mehr als einem Jahrhundert glücklichere Menschen und gute Bürger werden, so wird doch dieses unstreitig die Regierung nicht abhalten, ihre weisen Bemühungen fortzusetzen.“[85]

Das umfangsreichste deutschsprachige Lexikon erläutert in der Mitte des 18. Jahrhunderts, „Zigeuner“ seien „ein zusammen gelaufenes böses Gesindel, so nicht Lust zu arbeiten hat, sondern von Müßiggang, Stehlen, Huren, Fressen, Sauffen, Spielen u.s.w. Profession machen will.“ Es fügt hinzu, dass ihre fremde Erscheinung nicht ernst genommen werden dürfe, denn ihre Sprache hätten sie verabredet, um „communicieren zu können“, ohne dass „andere Leute sie verstehen“ und ihre Hautfarbe hätten sie einfach „durch allerhand Schmierereyen“ künstlich erzeugt.[86]

Im Jahre 1782 war in einem Zeitungsartikel zu lesen, dass in Ungarn zahlreiche „Zigeuner“ hingerichtet wurden, da sie angeblich Menschen töteten und die Leichen danach aufaßen. Später kam heraus, dass sich diese Vorwürfe als haltlos erwiesen und einen Justizskandal provozierten. Trotzdem gehörte seitdem der Vorwurf des Kannibalismus zum Standardrepertoire antiziganistischer Ressentiments.[87]

Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann (1756-1804) wurde 1794 in Göttingen zum ordentlichen Professor ernannt. 1804 wechselte er an den Lehrstuhl für Statistik an die Universität Moskau, wo er kurz nach seinem Dienstantritt verstarb.

Grellmanns Werk „Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes, nebst ihrem Ursprunge“[88] aus dem Jahre 1783 ist als Beginn der „Zigeunerwissenschaft“ im deutschsprachigen Raum anzusehen. Während er die grundlegenden Motive des religiösen Antiziganismus als Legenden entlarvte, begründete er einen Antiziganismus auf rassistischer Grundlage. Wippermann stellt zu Recht fest: „Grellmann kann daher als Schöpfer des rassistischen Antiziganismus bezeichnet werden, den es schon vor dem Rassen-Antisemitismus gab und der die konkrete ‚Zigeunerpolitik‘ schon zu einem Zeitpunkt beeinflusste, als die ‚Judenfrage‘ noch unter mehr oder weniger rein religiösen und eben nicht rassistischen Aspekten diskutiert wurde.“[89] Die von Grellmann unterstellten Verhaltensdispositionen der „Zigeuner“ wurden von ihm nicht als individuelle Ausdrucksformen gesehen, sondern als feststehendes kulturelles Verhalten auf die gesamte Gruppe , die als „Volk“ bezeichnet wurde, übertragen. Dieses biologistische Deutungsmuster durchzieht das gesamte Buch. Dort heißt es zum Beispiel: „Oft schien ein Knabe (…) auf dem besten Wege zur Menschwerdung zu seyn, und plötzlich brach die rohe Natur wieder hervor, er gerieth in den Rückfall und wurde mit Haut und Haaren wieder Zigeuner“.[90]

Im Anschluss an andere Arbeiten vertrat Grellmann die These, dass die Sprache der „Zigeuner“ im Kern Sanskrit sei und sie ursprünglich aus Indien kämen. Daraus schloss er, dass sie von der untersten indischen Kaste, den „Sudern“ oder „Paria“ abstammen müssten.[91] So entstand das Bild von einem primitiven „orientalischen Nomadenvolk“, das sich auf der Vorstufe der so genannten Zivilisation befände. So schrieb Grellmann: „Die Zigeuner sind ein Volk des Orients und haben orientalische Denkart. Rohen Menschen überhaupt, vorzüglich aber den Morgenländern ist es eigen, fest an dem zu hängen, woran sie gewohnt sind. Jede Sitte (…) dauert unverändert fort und eine Neigung, die einmahl in den Gemüthern die Oberhand hat, ist sogar nach Jahrtausenden noch herrschend.“[92] Die „Zigeuner“ waren für Grellmann zwar primitive, aber dann doch menschliche Wesen, die aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Genuss der „zivilisatorischen Vorzüge“ kommen würden. Dieser kulturelle Kolonisationsgedanke Grellmanns wurde auch von späteren „Zigeunerexperten“ übernommen und weiterentwickelt. Grellmann stellte die „Zigeuner“ als „Naturvolk“ dar, das im Gegensatz zu den weißen europäischen „Kulturvölkern“ stünde und diesen unterlegen sei: „Man denke nur, wie sehr sie von Europäern verschieden sind. Dieser ist weiß, der Zigeuner schwarz; der Europäer geht bekleidet, der Zigeuner halb nacket, jenem schaudert für Speise vor verrecktem Vieh, dieser bereitet sich davon Leckerbissen. Ueberdieß sind auch diese Menschen, seit ihrer ersten Erscheinung in Europa durch Raub, Diebstahl und Mordbrennen berüchtigt; der Europäer hegt also nicht nur Abscheu gegen sie, sondern auch Haß. Um aller dieser Ursachen willen wieß der gesittete Theil von jeher den Zigeuner von sich, (…) und nur der Einfältige machte bisweilen genauere Bekanntschaft mit ihnen, um Angelegenheiten des Aberglaubens abzuthun.“[93] Die Ausübung von Musik und Poesie seien charakteristische Merkmale ihrer Kultur: „Musik ist unter allen die einzige Kunst, an der dieses Volk wirklich einen beträchtlichen Anteil hat. Sie dichten zwar auch, und das nach Weise orientalistischer Völker, aus dem Stegreife; und sind in der Walachey sogar die einzigen Inhaber dieser Kunst, wo sie ihre Verse, gleich italiänischen Improvisatoren, immer mit Gesang und Musik begleiten.“[94]

Grellmann schrieb den „Zigeunern“ in homogenisierender Weise die Eigenschaften der Faulheit und des Müßiggangs zu: „Hier entdeckt sich zugleich der Grund, warum Armuth und Dürftigkeit ein so gemeines Los dieser Menschen ist. Es liegt in ihrer Faulheit und übermäßigen Neigung zur Gemächlichkeit. Sucht man Menschen, die im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod essen, so wird man sie überall leichter, als unter dem Volke der Zigeuner finden. Jede Arbeit ist ihr Feind, wenn sie mühsam ist, und viele Anstrengungen erfordert.“[95]

Die von Grellmann behaupteten negativen Charakterzüge wie Müßiggang, Nomadentum, Unsittlichkeit oder Kriminalität, die ständige Konflikte mit den jeweiligen europäischen Mehrheitsgesellschaften zur Folge hätten, hielt er für angeboren.[96] Grellmann verstand sich selbst als Aufklärer und die „Zigeuner“ als erziehungsbedürftige Mängelwesen, die notfalls mit Gewalt und Zwang mit dem Ziel der völligen Assimilierung in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren seien. Er stellte dabei vor allen den ökonomischen Nutzen und das daraus resultierende staatliche Interesse an der Umerziehung der „Zigeuner“ in den Vordergrund.

Mit seinem Werk konnte Grellmann zwar den religiös geprägten Antisemitismus überwinden, jedoch begründete er, indem er die Sinti als „orientalisches Volk“ sah, eine neue Form des Antiziganismus, den Rassenantiziganismus. Mit dem Begriff „orientalisches Volk“ waren zu dieser Zeit vor allem negative Eigenschaften wie Faulheit, Minderwertigkeit und Primitivität verbunden. Problematisch an Grellmanns Einschätzung ist außerdem, dass er alle diese „Eigenschaften“ für angeboren und somit eine Erziehung für unmöglich hält. Grellmanns Buch entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem viel gelesen und viel zitierten Werk. Dieser ständige Bezug auf Grellmanns Buch führte dazu, dass sich die Lage der Sinti und Roma nicht verbessern konnte und das sie sich nachfolgend vor allem rassistisch- motivierten Vorurteilen ausgesetzt sahen.

Im religiösen Antiziganismus ist den Roma eine Art Bundesgenossenschaft mit dem Teufel unterstellt worden. Sie hätten die Roma befähigt, verschiedene teuflische Dinge zu tun.Wegen dieser Verbrechen seien alle Roma, welche als Nachfahren des Brudermörders Kain angesehen wurden, von Gott zum ständigen Herumziehen verurteilt worden. Der Teufel dagegen habe sie für diese Verbrechen mit der Verleihung von gewissen dämonischen Fähigkeiten belohnt. Die Roma könnten die Zukunft voraussagen und in der Gegenwart (wie die Hexen) allerlei Schadenszauber betreiben. In der folgenden Beschreibung von Fritsch sind alle religiösen Stereotypen gegenüber den eingewanderten Sinti und Roma vorhanden: (…) Zigeuner (…) mit Lügen/Betteln/Betrug und heimlichen Plündereien/ unter den Vorwand einer heiligen und andächtigen Wolfarth/vielmehr aber einer Arbeits-Flucht und Land-Streichung/nicht geringen Schaden den armen und einfältigen Mann insonderheit zugefüget (…) dieser Müssiggänger und Landbetrieger/als Verrähter und Landschaffer des Römischen Reiches. (…) Und dennoch unser geliebtes Vaterland/bis auf diesen Tag/von diesen gemeinen übel nicht befrenet und gesäubert worden (…) etliche/welche sich nicht gescheuet/diese verhasste und Land-betriegerische Betteln/solcher faulsüchtigen Raub-Vogeln und Land-störer/zu entschuldigen und zu bemänteln. (…) erdichten unverschämter Weise/daß die Sünde ihrer Vorfahren/welche die Jungfrau Maria/die Gottes-Gebährerin/mit ihrem/die Tyrannes des Herodis entfliehenden Kinde Jesu/aufzunehmen und zu beherbergen verzaget/büssen müsten/und von ihren Göttern gezwungen würden/sieben ganzer Jahr aus ihrem Vaterlande im Elend zu schweben/wenn sie nicht allerley Unglück und Unfruchtbarkeit sich auf den Hals ziehen wolten. (…) dies zusammen gelauffene Wahrsager brechen/den herzunahenden Sommer/gleich wie die Schwärme der Hummeln/aus denen hohen und zähen Klippen und Steinhölen/des Alpischen oder Schweizerischen und des Pyreneischen Gebürges herfür/und ziehen in andere weitere und reichere Länder. (…) Sie beharren nicht lang an einem Ort/sondern/nachdem sie die Weide abgeäket/so ziehen sie mit ihrem Vieh/Weibern und Kindern/welche sie auf Karren/Wagen und Pferden mit sich herum führen/anderswo hin/und achten es für eine schwere Unglücksehligkeit/lange an einem Ort zu bleiben. (…) Leute/schwarz und ungestalt/von der Sonnen gleichsamgetrocknet/in Kleidung und allen ihren Thun unflätig/ auf Diebstahl und Rauberen insonderheit verschlagen/voraus die Weiber gemeldetes Volcks/Dann/die Männer ernehren sich vom Raub/der gemeine Mann nennet sie Tartern. Es seynd Leute/die im reisen gebohren/dem Müssigang ergeben seynd/und kein Vaterland erkennen. Also ziehet es herum/und lebet von dem Diebstal der Weiber. Sie leben wie die Hunde/achten keine Religion, die leben in den Tag hinein/aus einem Lande ziehen sie in das ander/nach Verlauff etlicher Jahren kommen sie wieder/aber sie theilen sich in viel Hauffen/amit nicht eben dieselbe an einem Ort/als nach lang verlorener Zeit/wider kommen. (…) Bauer-Leuten sehr getrang thut/wenn diese auf dem Felde ihrer Arbeit abwarten/so berauben sie derselben Hütten.(…) Wann wir dann auch aus dem Crantzio gemeldet/daß bey ihnen die christliche Religion gar wenig geachtet werde/und dieselbe/wann sie/nach ihrer Gewonheit/unsere Länder durchstreiffen/gar offt denen Pfarrern ihre kleine Kinder zur Taufe bringen pflegen/So wird denn nicht unbillich gezweiffelt/ob man ihrem Bitten mit gutem unverletzten Gewissen soll Raum geben. (religiöser Antizanismus) (…) bey dem heiligen Sacrament der Tauffe zu erhalten/solche demühtig gebereb/und nach dem sie es erhalten/diese an einem anderen Ort wiederholen.[97]

Es gibt eine Reihe von Ätologien, Erklärungssagen, die den Roma zugeschrieben werden, z.B.: Die „Zigeuner“ würden erzählen, dass sie deswegen zu ewiger Wanderschaft verflucht seien, da sie der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten keine Nachtherberge gegeben hätten. Diese Geschichte wurde jedoch nicht von den Roma erfunden, sondern anlässlich ihrer Ankunft in Mitteleuropa im 15. Jahrhundert von gelehrten Klerikern in die Welt gesetzt.[98] Es handelt sich zwar um eine Erklärungssage, jedoch von Nicht-Roma, die sich ihrerseits Erklärungsmuster für Herkunft und Wesen der Fremden zurechtlegten. (…), die Geschichte wurde kontinuierlich über die Jahrhunderte hinweg bis heute von Nicht-Roma tradiert, und zwar nicht in der mündlichen Überlieferung, sondern in Büchern über „Zigeuner“. Sie überstand auch einen Wechsel in der Funktion: Sollte sie ursprünglich das Nomadentum erklären, so wurde sie, als feststand, dass die Roma nicht aus Ägypten, sondern aus Indien gekommen und zur Zeit der Flucht der Heiligen Familie weder in Palästina noch in Ägypten gewesen waren, einfach zu einem Demonstrationsbeispiel der Roma umfunktioniert.

In den von Friedrich Krauss veröffentlichten Schwankmärchen findet sich ein weiteres Beispiel für die Zutaten des Erzählers, das wiederum zum Typ „überlisteter Teufel“ gehört. Der „Zigeuner“ legt den dummen Teufel durch zwei Tricks herein, die mit der Hautfarbe, sei es des Teufels oder des „Zigeuners“, nicht zu tun haben. Dennoch wird auch hier ihr Aussehen und obendrein ihr Geruch verglichen: „Der Teufel ist ohnehin von Haus aus schwarz wie ein Araber, unsauber und stinkig wie ein Dachs, und ebenso ist der Zigeuner von Haus aus dunkelhäutig, dazu vom Schmieden und Sichnichtwaschen rußig und übelriechend, darum hielt ihn der Teufel für seinesgleichen.“[99]

Grellmanns Werk prägte die ewig gebrauchten Stereotypen, die „Zigeunern“ negativ bewertete Eigenschaften wie ununterdrückbares „ewiges Wandern“, kriminelle Veranlagung, Unfähigkeit zu vorsorgender Lebensplanung und Wirtschaftsweise, Arbeitsscheue, Unzuverlässigkeit, Feigheit, Hinterhältigkeit, Unsauberkeit, mangelnde Ordnungsliebe, Streitlust, aber auch ambivalent oder positiv bewertete Eigenschaften wie magische und wahrsagerische Fähigkeiten, große Freiheitsliebe, starke erotische Ausstrahlung, besondere rhythmische und musikalische Fähigkeiten sowie manuelles und körperliches Geschick bei kriminellen oder bestimmten handwerklichen und schaustellerischen Tätigkeiten zuschreiben. Antiziganistische Stereotype beinhalten in Hinsicht auf die Körperlichkeit von „Zigeunern“ physiognomische Merkmalszuschreibungen wie schwarzes Haar, schwarze „blitzende“ Augen, dunkle Hautfarbe und unregelmäßige Gesichtszüge.

Zimmermann bringt Grellmann mit den Rassenhygienikern des 3. Reiches in einen Zusammenhang gebracht: „Der Gegensatz zwischen Grellmann und Ritter, zwischen Aufklärung und Rassenhygiene, gründete gleichwohl in einer gemeinsamen Perspektive: Die ‘Lösung der Zigeunerfrage’ sollte in der Auflösung der Zigeuner als gesellschaftliche Gruppe bestehen. Auf eben dieses Ziel rekurriert Ritter, als er 1938 die bisherigen polizeilichen und sozialpolitischen Versuche, das ‘Zigeunerproblem’ ‘zu lösen’, für gescheitert erklärt. In ‘Kenntnis ihrer rassischen Eigenart’ müssten ‘neue Wege’ beschritten werden.“[100] Wippermann erkennt in Grellmann nicht weniger als einen Urvater des Rassismus: Grellmann kann daher als Schöpfer des rassistischen Antiziganismus bezeichnet werden, den es schon vor dem Rassen-Antisemitismus gab und der die konkrete ‘Zigeunerpolitik’ schon zu einem Zeitpunkt beeinflusste, als die ‘Judenfrage’ noch unter mehr oder weniger rein religiösen und eben nicht rassistischen Aspekten diskutiert wurde.[101]

Die Wissenschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert prägte das Bild der „Zigeuner“ im positiven wie im negativen Sinne. Auf der einen Seite brachte die sprachwissenschaftliche Entdeckung des Romanes die Anerkennung der Sinti und Roma als ein ursprünglich aus Indien stammendes Volk. Auf der anderen Seite förderte dieselbe Entdeckung ihre Stigmatisierung. Die „bürgerliche Verbesserung“, die Christian Wilhelm von Dohm noch für möglich hielt, wurde von H.M.G. Grellmann in Frage gestellt. Für Grellmann waren die Sinti ein „orientalisches“ und damit „minderwertiges“ Volk, das schwerlich zu erziehen sei. In Anlehnung an Claudia Breger und Wolfgang Wippermann erkennt Marion Bonillo in Grellmanns Vorstellungen den Einfluss der „Rassenlehre“, die in der zeitgenössischen Naturwissenschaft Einzug hielt: „Auch wenn der Begriff ‚Rasse‘ bei Grellmann nicht auftaucht, war seine Darstellung doch eindeutig rassistisch geprägt.“[102]

In der Aufklärung nahm die Erziehung einen breiten Raum ein; sie sollte als Mittel dazu dienen, die angeblich noch im Naturzustand lebenden Gesellschaftsmitglieder zur Menschwerdung gelangen zu lassen. Immanuel Kant stellte fest: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“[103] Auf der philosophischen Abstraktheit wurde mit dem Menschen operiert. Das menschliche Zusammenleben sollte sich in der Vernunft aller Gesellschaftsmitglieder äußern. Der einzelne Mensch, die Menschheit qua Gattung und die Menschlichkeit wurden im 18. Jahrhundert nahe zusammengedacht.[104] Die großen Differenzen, aus denen sich die Realität des Menschlichen gestaltete, traten hingegen nur randständig in den Blick. Jaumann behauptete zu Recht, Aufklärung wurde als Teil des permanenten Prozesses auf dem Weg vom Naturzustand hin zu Kultur und Zivilisation zu einer stets aufsteigenden Menschheit verstanden. Stets war das Ziel jeder Entwicklung nicht etwa die Emanzipation der jeweiligen Minderheit als solcher, sondern die Aufhebung deren sozialer Existenz.“[105] Dazu gehört laut Grellmann die Aufgabe „Zigeuner“ oder auch „Jude“ zu sein.[106] Grellmann erklärte: „Mochten die Zigeuner bisher auch noch so vielen Nachtheil gestiftet haben; so war es doch an sich nichts Unmögliches, dass sie einmal aufhörten, so allgemein schädliche Geschöpfe zu seyn. (…) Aus dem Menschen kann alles werden, hätte man nur die gehörigen Mittel zu ihrer Besserung angewendet, so würde die Erfahrung bewiesen haben, dass sie nicht unverbesserlich wären.“[107] Er stellte die Forderung auf, die „Zigeuner“ im pädagogischen Sinne zu „brauchbaren Bürgern umzuschaffen.“[108] Diese Disziplinierung über die Erziehung beinhaltete zugleich deren Sesshaftmachung und die „Sorge für Aufklärung ihres Verstandes, und ein besseres Herz.“[109] Es sei „wenig wirtschaftlich“ die „Zigeuner als Schlacke weg zu werfen.“ In deren ersten Generation läge noch „die Wurzel des Verderbens“, aber „beim zweyten oder dritten Geschlecht“ würden sich die Anstrengungen ökonomisch auszahlen.[110]

Im Anschluss an andere Arbeiten vertrat Grellmann die These, dass die Sprache der „Zigeuner“ im Kern Sanskrit sei und sie ursprünglich aus Indien kämen. Daraus schloss er, dass sie von der untersten indischen Kaste, den „Sudern“ oder „Paria“ abstammen müssten.[111] So entstand das Bild von einem primitiven „orientalischen Nomadenvolk“, das sich auf der Vorstufe der so genannten Zivilisation befände. So schrieb Grellmann: „Die Zigeuner sind ein Volk des Orients und haben orientalische Denkart. Rohen Menschen überhaupt, vorzüglich aber den Morgenländern ist es eigen, fest an dem zu hängen, woran sie gewohnt sind. Jede Sitte (…) dauert unverändert fort und eine Neigung, die einmahl in den Gemüthern die Oberhand hat, ist sogar nach Jahrtausenden noch herrschend.“[112] Die „Zigeuner“ waren für Grellmann zwar primitive, aber dann doch menschliche Wesen, die aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Genuss der „zivilisatorischen Vorzüge“ kommen würden. Dieser kulturelle Kolonisationsgedanke Grellmanns wurde auch von späteren „Zigeunerexperten“ übernommen und weiterentwickelt. Grellmann stellte die „Zigeuner“ als „Naturvolk“ dar, das im Gegensatz zu den weißen europäischen „Kulturvölkern“ stünde und diesen unterlegen sei: „Man denke nur, wie sehr sie von Europäern verschieden sind. Dieser ist weiß, der Zigeuner schwarz; der Europäer geht bekleidet, der Zigeuner halb nacket, jenem schaudert für Speise vor verrecktem Vieh, dieser bereitet sich davon Leckerbissen. Ueberdieß sind auch diese Menschen, seit ihrer ersten Erscheinung in Europa durch Raub, Diebstahl und Mordbrennen berüchtigt; der Europäer hegt also nicht nur Abscheu gegen sie, sondern auch Haß. Um aller dieser Ursachen willen wieß der gesittete Theil von jeher den Zigeuner von sich, (…) und nur der Einfältige machte bisweilen genauere Bekanntschaft mit ihnen, um Angelegenheiten des Aberglaubens abzuthun.“[113] Die Ausübung von Musik und Poesie seien charakteristische Merkmale ihrer Kultur: „Musik ist unter allen die einzige Kunst, an der dieses Volk wirklich einen beträchtlichen Anteil hat. Sie dichten zwar auch, und das nach Weise orientalistischer Völker, aus dem Stegreife; und sind in der Walachey sogar die einzigen Inhaber dieser Kunst, wo sie ihre Verse, gleich italiänischen Improvisatoren, immer mit Gesang und Musik begleiten.“[114]

Grellmann schrieb den „Zigeunern“ in homogenisierender Weise die Eigenschaften der Faulheit und des Müßiggangs zu: „Hier entdeckt sich zugleich der Grund, warum Armuth und Dürftigkeit ein so gemeines Los dieser Menschen ist. Es liegt in ihrer Faulheit und übermäßigen Neigung zur Gemächlichkeit. Sucht man Menschen, die im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod essen, so wird man sie überall leichter, als unter dem Volke der Zigeuner finden. Jede Arbeit ist ihr Feind, wenn sie mühsam ist, und viele Anstrengungen erfordert.“[115]

Die von Grellmann behaupteten negativen Charakterzüge wie Müßiggang, Nomadentum, Unsittlichkeit oder Kriminalität, die ständige Konflikte mit den jeweiligen europäischen Mehrheitsgesellschaften zur Folge hätten, hielt er für angeboren.[116] Grellmann verstand sich selbst als Aufklärer und die „Zigeuner“ als erziehungsbedürftige Mängelwesen, die notfalls mit Gewalt und Zwang mit dem Ziel der völligen Assimilierung in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren seien. Er stellte dabei vor allen den ökonomischen Nutzen und das daraus resultierende staatliche Interesse an der Umerziehung der „Zigeuner“ in den Vordergrund.

Mit seinem Werk konnte Grellmann zwar den religiös geprägten Antisemitismus überwinden, jedoch begründete er, indem er die Sinti als „orientalisches Volk“ sah, eine neue Form des Antiziganismus, den Rassenantiziganismus. Mit dem Begriff „orientalisches Volk“ waren zu dieser Zeit vor allem negative Eigenschaften wie Faulheit, Minderwertigkeit und Primitivität verbunden. Problematisch an Grellmanns Einschätzung ist außerdem, dass er alle diese „Eigenschaften“ für angeboren und somit eine Erziehung für unmöglich hält. Grellmanns Buch entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem viel gelesen und viel zitierten Werk. Dieser ständige Bezug auf Grellmanns Buch führte dazu, dass sich die Lage der Sinti und Roma nicht verbessern konnte und das sie sich nachfolgend vor allem rassistisch- motivierten Vorurteilen ausgesetzt sahen.

Im religiösen Antiziganismus ist den Roma eine Art Bundesgenossenschaft mit dem Teufel unterstellt worden. Sie hätten die Roma befähigt, verschiedene teuflische Dinge zu tun.Wegen dieser Verbrechen seien alle Roma, welche als Nachfahren des Brudermörders Kain angesehen wurden, von Gott zum ständigen Herumziehen verurteilt worden. Der Teufel dagegen habe sie für diese Verbrechen mit der Verleihung von gewissen dämonischen Fähigkeiten belohnt. Die Roma könnten die Zukunft voraussagen und in der Gegenwart (wie die Hexen) allerlei Schadenszauber betreiben. In der folgenden Beschreibung von Fritsch sind alle religiösen Stereotypen gegenüber den eingewanderten Sinti und Roma vorhanden: (…) Zigeuner (…) mit Lügen/Betteln/Betrug und heimlichen Plündereien/ unter den Vorwand einer heiligen und andächtigen Wolfarth/vielmehr aber einer Arbeits-Flucht und Land-Streichung/nicht geringen Schaden den armen und einfältigen Mann insonderheit zugefüget (…) dieser Müssiggänger und Landbetrieger/als Verrähter und Landschaffer des Römischen Reiches. (…) Und dennoch unser geliebtes Vaterland/bis auf diesen Tag/von diesen gemeinen übel nicht befrenet und gesäubert worden (…) etliche/welche sich nicht gescheuet/diese verhasste und Land-betriegerische Betteln/solcher faulsüchtigen Raub-Vogeln und Land-störer/zu entschuldigen und zu bemänteln. (…) erdichten unverschämter Weise/daß die Sünde ihrer Vorfahren/welche die Jungfrau Maria/die Gottes-Gebährerin/mit ihrem/die Tyrannes des Herodis entfliehenden Kinde Jesu/aufzunehmen und zu beherbergen verzaget/büssen müsten/und von ihren Göttern gezwungen würden/sieben ganzer Jahr aus ihrem Vaterlande im Elend zu schweben/wenn sie nicht allerley Unglück und Unfruchtbarkeit sich auf den Hals ziehen wolten. (…) dies zusammen gelauffene Wahrsager brechen/den herzunahenden Sommer/gleich wie die Schwärme der Hummeln/aus denen hohen und zähen Klippen und Steinhölen/des Alpischen oder Schweizerischen und des Pyreneischen Gebürges herfür/und ziehen in andere weitere und reichere Länder. (…) Sie beharren nicht lang an einem Ort/sondern/nachdem sie die Weide abgeäket/so ziehen sie mit ihrem Vieh/Weibern und Kindern/welche sie auf Karren/Wagen und Pferden mit sich herum führen/anderswo hin/und achten es für eine schwere Unglücksehligkeit/lange an einem Ort zu bleiben. (…) Leute/schwarz und ungestalt/von der Sonnen gleichsamgetrocknet/in Kleidung und allen ihren Thun unflätig/ auf Diebstahl und Rauberen insonderheit verschlagen/voraus die Weiber gemeldetes Volcks/Dann/die Männer ernehren sich vom Raub/der gemeine Mann nennet sie Tartern. Es seynd Leute/die im reisen gebohren/dem Müssigang ergeben seynd/und kein Vaterland erkennen. Also ziehet es herum/und lebet von dem Diebstal der Weiber. Sie leben wie die Hunde/achten keine Religion, die leben in den Tag hinein/aus einem Lande ziehen sie in das ander/nach Verlauff etlicher Jahren kommen sie wieder/aber sie theilen sich in viel Hauffen/amit nicht eben dieselbe an einem Ort/als nach lang verlorener Zeit/wider kommen. (…) Bauer-Leuten sehr getrang thut/wenn diese auf dem Felde ihrer Arbeit abwarten/so berauben sie derselben Hütten.(…) Wann wir dann auch aus dem Crantzio gemeldet/daß bey ihnen die christliche Religion gar wenig geachtet werde/und dieselbe/wann sie/nach ihrer Gewonheit/unsere Länder durchstreiffen/gar offt denen Pfarrern ihre kleine Kinder zur Taufe bringen pflegen/So wird denn nicht unbillich gezweiffelt/ob man ihrem Bitten mit gutem unverletzten Gewissen soll Raum geben. (religiöser Antizanismus) (…) bey dem heiligen Sacrament der Tauffe zu erhalten/solche demühtig gebereb/und nach dem sie es erhalten/diese an einem anderen Ort wiederholen.[117]

Es gibt eine Reihe von Ätologien, Erklärungssagen, die den Roma zugeschrieben werden, z.B.: Die „Zigeuner“ würden erzählen, dass sie deswegen zu ewiger Wanderschaft verflucht seien, da sie der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten keine Nachtherberge gegeben hätten. Diese Geschichte wurde jedoch nicht von den Roma erfunden, sondern anlässlich ihrer Ankunft in Mitteleuropa im 15. Jahrhundert von gelehrten Klerikern in die Welt gesetzt.[118] Es handelt sich zwar um eine Erklärungssage, jedoch von Nicht-Roma, die sich ihrerseits Erklärungsmuster für Herkunft und Wesen der Fremden zurechtlegten. (…), die Geschichte wurde kontinuierlich über die Jahrhunderte hinweg bis heute von Nicht-Roma tradiert, und zwar nicht in der mündlichen Überlieferung, sondern in Büchern über „Zigeuner“. Sie überstand auch einen Wechsel in der Funktion: Sollte sie ursprünglich das Nomadentum erklären, so wurde sie, als feststand, dass die Roma nicht aus Ägypten, sondern aus Indien gekommen und zur Zeit der Flucht der Heiligen Familie weder in Palästina noch in Ägypten gewesen waren, einfach zu einem Demonstrationsbeispiel der Roma umfunktioniert.

In den von Friedrich Krauss veröffentlichten Schwankmärchen findet sich ein weiteres Beispiel für die Zutaten des Erzählers, das wiederum zum Typ „überlisteter Teufel“ gehört. Der „Zigeuner“ legt den dummen Teufel durch zwei Tricks herein, die mit der Hautfarbe, sei es des Teufels oder des „Zigeuners“, nicht zu tun haben. Dennoch wird auch hier ihr Aussehen und obendrein ihr Geruch verglichen: „Der Teufel ist ohnehin von Haus aus schwarz wie ein Araber, unsauber und stinkig wie ein Dachs, und ebenso ist der Zigeuner von Haus aus dunkelhäutig, dazu vom Schmieden und Sichnichtwaschen rußig und übelriechend, darum hielt ihn der Teufel für seinesgleichen.“[119]

Grellmanns Werk prägte die ewig gebrauchten Stereotypen, die „Zigeunern“ negativ bewertete Eigenschaften wie ununterdrückbares „ewiges Wandern“, kriminelle Veranlagung, Unfähigkeit zu vorsorgender Lebensplanung und Wirtschaftsweise, Arbeitsscheue, Unzuverlässigkeit, Feigheit, Hinterhältigkeit, Unsauberkeit, mangelnde Ordnungsliebe, Streitlust, aber auch ambivalent oder positiv bewertete Eigenschaften wie magische und wahrsagerische Fähigkeiten, große Freiheitsliebe, starke erotische Ausstrahlung, besondere rhythmische und musikalische Fähigkeiten sowie manuelles und körperliches Geschick bei kriminellen oder bestimmten handwerklichen und schaustellerischen Tätigkeiten zuschreiben. Antiziganistische Stereotype beinhalten in Hinsicht auf die Körperlichkeit von „Zigeunern“ physiognomische Merkmalszuschreibungen wie schwarzes Haar, schwarze „blitzende“ Augen, dunkle Hautfarbe und unregelmäßige Gesichtszüge.

Zimmermann bringt Grellmann mit den Rassenhygienikern des 3. Reiches in einen Zusammenhang gebracht: „Der Gegensatz zwischen Grellmann und Ritter, zwischen Aufklärung und Rassenhygiene, gründete gleichwohl in einer gemeinsamen Perspektive: Die ‘Lösung der Zigeunerfrage’ sollte in der Auflösung der Zigeuner als gesellschaftliche Gruppe bestehen. Auf eben dieses Ziel rekurriert Ritter, als er 1938 die bisherigen polizeilichen und sozialpolitischen Versuche, das ‘Zigeunerproblem’ ‘zu lösen’, für gescheitert erklärt. In ‘Kenntnis ihrer rassischen Eigenart’ müssten ‘neue Wege’ beschritten werden.“[120] Wippermann erkennt in Grellmann nicht weniger als einen Urvater des Rassismus: Grellmann kann daher als Schöpfer des rassistischen Antiziganismus bezeichnet werden, den es schon vor dem Rassen-Antisemitismus gab und der die konkrete ‘Zigeunerpolitik’ schon zu einem Zeitpunkt beeinflusste, als die ‘Judenfrage’ noch unter mehr oder weniger rein religiösen und eben nicht rassistischen Aspekten diskutiert wurde.[121]

Die Wissenschaft im ausgehenden 18. Jahrhundert prägte das Bild der „Zigeuner“ im positiven wie im negativen Sinne. Auf der einen Seite brachte die sprachwissenschaftliche Entdeckung des Romanes die Anerkennung der Sinti und Roma als ein ursprünglich aus Indien stammendes Volk. Auf der anderen Seite förderte dieselbe Entdeckung ihre Stigmatisierung. Die „bürgerliche Verbesserung“, die Christian Wilhelm von Dohm noch für möglich hielt, wurde von H.M.G. Grellmann in Frage gestellt. Für Grellmann waren die Sinti ein „orientalisches“ und damit „minderwertiges“ Volk, das schwerlich zu erziehen sei. In Anlehnung an Claudia Breger und Wolfgang Wippermann erkennt Marion Bonillo in Grellmanns Vorstellungen den Einfluss der „Rassenlehre“, die in der zeitgenössischen Naturwissenschaft Einzug hielt: „Auch wenn der Begriff ‚Rasse‘ bei Grellmann nicht auftaucht, war seine Darstellung doch eindeutig rassistisch geprägt.“[122]

In der Aufklärung nahm die Erziehung einen breiten Raum ein; sie sollte als Mittel dazu dienen, die angeblich noch im Naturzustand lebenden Gesellschaftsmitglieder zur Menschwerdung gelangen zu lassen. Immanuel Kant stellte fest: „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“[123] Auf der philosophischen Abstraktheit wurde mit dem Menschen operiert. Das menschliche Zusammenleben sollte sich in der Vernunft aller Gesellschaftsmitglieder äußern. Der einzelne Mensch, die Menschheit qua Gattung und die Menschlichkeit wurden im 18. Jahrhundert nahe zusammengedacht.[124] Die großen Differenzen, aus denen sich die Realität des Menschlichen gestaltete, traten hingegen nur randständig in den Blick. Jaumann behauptete zu Recht, Aufklärung wurde als Teil des permanenten Prozesses auf dem Weg vom Naturzustand hin zu Kultur und Zivilisation zu einer stets aufsteigenden Menschheit verstanden. Stets war das Ziel jeder Entwicklung nicht etwa die Emanzipation der jeweiligen Minderheit als solcher, sondern die Aufhebung deren sozialer Existenz.“[125] Dazu gehört laut Grellmann die Aufgabe „Zigeuner“ oder auch „Jude“ zu sein.[126] Grellmann erklärte: „Mochten die Zigeuner bisher auch noch so vielen Nachtheil gestiftet haben; so war es doch an sich nichts Unmögliches, dass sie einmal aufhörten, so allgemein schädliche Geschöpfe zu seyn. (…) Aus dem Menschen kann alles werden, hätte man nur die gehörigen Mittel zu ihrer Besserung angewendet, so würde die Erfahrung bewiesen haben, dass sie nicht unverbesserlich wären.“[127] Er stellte die Forderung auf, die „Zigeuner“ im pädagogischen Sinne zu „brauchbaren Bürgern umzuschaffen.“[128] Diese Disziplinierung über die Erziehung beinhaltete zugleich deren Sesshaftmachung und die „Sorge für Aufklärung ihres Verstandes, und ein besseres Herz.“[129] Es sei „wenig wirtschaftlich“ die „Zigeuner als Schlacke weg zu werfen.“ In deren ersten Generation läge noch „die Wurzel des Verderbens“, aber „beim zweyten oder dritten Geschlecht“ würden sich die Anstrengungen ökonomisch auszahlen.[130]

Die Überwindung von Unwissenheit und Ignoranz, von Verderbtheit und rohem Naturzustand galt als Forderung gegenüber jedwedem, und in gleicher Weise natürlich gegenüber den Angehörigen der Mehrheit, von denen bekanntlich auch der größte Teil noch in jener selbstverschuldeten Unwissenheit lebte. Es galt, die Ausbreitung des Geistes zum Wohl der bürgerlichen Gesellschaft zu befördern. Aufklärung wurde verstanden als Teil des permanenten Prozesses auf dem Weg vom Naturzustand hin zu Kultur und Zivilisation, zu einer stets aufsteigenden Menschheit.

Repräsentativ für diese Zeit ist das Werk Lessings „Nathan der Weise“ [131] zu nennen, der der aufklärerischen Idee der Toleranz klassischen Ausdruck gab. [132] Die „Erziehung des Menschengeschlechts“, was im Jahre 1780 erschien, war Lessings philosophisches Hauptwerk. Was die Religionsstifter der Menschheit gelehrt haben, musste schrittweise als symbolische Wahrheit der neuen Erkenntnis eingegliedert werden. Religion und Politik, die beiden wichtigsten Erziehungsmittel, haben die Menschen schrittweise zu bessern, sie zur Herrschaft der Vernunft und der Liebe zu erziehen. Lessing verstand dies als ein ins Unendliche fortschreitender Prozess; er neigte im Zusammenhang mit dieser Idee der organischen Fortentwicklung der ganzen Menschheit dem Gedanken der Seelenwanderung zu. Das Ideal, das als Ziel an seinem Endpunkt steht, kann nie ganz erreicht werden.

In der Staats- . und Rechtslehre trat an die Stelle göttlicher Legimitation des Monarchen der auf das Naturrecht gründende Gesellschaftsvertrag J.J. Rousseaus.[133]

Rousseau plädierte für Erziehung unter entschiedener Berücksichtigung der Lernbedürfnisse der jeweiligen Entwicklungsstufe: „Die Natur will, daß Kinder Kinder sind, bevor sie Erwachsene sind.“ Gegenüber dem Machtanspruch des Staates wurde das Recht des Einzelnen betont. Die auf Locke und Montesquieu zurückgehende Gewaltenteilung sollten die Grenzen der Staatsgewalt aufzeigen. [134] Auf dieser Grundlage basierte die Idee der steten Vervollkommnung und Verwirklichung eines freiheitlich, menschenwürdiges und glückliches Dasein in einer neuen Gesellschaft, die von einem unaufhörlichen Fortschrittsoptimismus begleitet war. Der Gedanke des von der Vernunft geleiteten Fortschritts fand sich besonders in den geschichtsphilosophischen Werken Herders, Montesquieus sowie Kants wieder. [135]Im gesellschaftlichen Leben rückte die höfische Kultur gegenüber der bürgerlichen immer mehr in den Hintergrund. Ein bürgerlicher Moralismus verdrängte den strahlenden Lebensgenuss des Rokoko.

Antiziganismus in der Aufklärung

Ein besonderes Wesensmerkmal der deutschen Aufklärung war folgendes: Ihre Stärke lag nicht so sehr im Aufstellen neuerer philosophischer Systeme: ihr historisches Verdienst lag in der Betonung des Vorrangs der praktischen, sittlichen Vernunft und ihrem tief reichenden Einfluss auf das allgemeine Denken und das praktische Leben.

Die Aufklärung brachte dem Erziehungswesen völlig neue Impulse. [136] Sie forderte eine Hinwendung zu naturgemäßer Pädagogik, die von Vernunft und sittlicher Lebensweise gekennzeichnet war. Die Erziehung wurde auf alle Angehörigen der Bevölkerung ausgedehnt, vor allem auf die Bildung von Frauen sowie die Weiterbildung von Erwachsenen. Wissenschaftliche Verfahrensweisen wurden auch auf praktische Tätigkeiten (Realbildung, landwirtschaftliche und gewerbliche Erziehung) ausgedehnt.

Das 18. Jahrhundert hat die Erziehung in vielfacher Weise unter den Gesichtspunkt von Beruf und Arbeit gerückt. Arbeitslose und „Müßiggänger“ versuchte man mit erzieherischen Einflüssen zur Arbeit zu bewegen. Man unterrichtete Erwachsene in Dingen, die ihnen eine künftige selbständige Lebensbewältigung zu versprechen schienen. Das Textilgewerbe spielte im Umkreis dieser Arten von Arbeit die wichtigste Rolle.

Die Aufgabe der Erziehung hat sich in verschiedenen Schularten einen Ort ihrer Realisierung verschafft: Industrieschule, Handelsschule, Handelsakademie, Realschule usw.. [137]Auf die Konzeptionen, die den verschiedenen Schularten zugrunde lagen, kann hier nicht näher eingegangen werden.

Für alle pädagogischen Neuerungen des 18. Jahrhunderts, die das Arbeits- und Berufsleben betrafen, galt, dass sie nicht öffentlich gewesen sind und keine Schulpflicht bestand. Zur Ausbildung dieser Charakteristika ist es erst im 19. Jahrhundert gekommen. Die Lebensdauer der zahlreichen neuartigen pädagogischen Einrichtungen ist oft sehr kurz gewesen: „Handel und Gewerbe besitzen noch nicht jenen Entwicklungsstand, der die theoretische Ergänzung der praktischen Betriebsunterweisung durch schulische Institutionen erfordert. Industrie, Handel und Handwerk bekunden nur ungenügendes oder kein Interesse an einer Schulträgerschaft, so daß den neuen Gründungen der Rückhalt aus den Bereichen fehlt, für die sie pädagogische Vorarbeit leisten.“ [138]

Mit der Verherrlichung der Arbeit hing die allgemein verbreitete Ablehnung des Almosenwesens zusammen, das vielen Menschen den Lebensunterhalt sicherte. Man sah es als unakzeptabel an und war so sehr von der positiven Bewertung des Arbeitsbegriffes durchdrungen, dass man sich nicht damit abfinden konnte. Das gesamte 18. Jahrhundert war die Zeit, in der sich die Auffassung von der Arbeit als einer allgemeinen Tugend der Menschen verbreitete. [139]

Es hat zur Zeit der Aufklärung bereits ein weit verbreitetes Interesse an der wirksamen Verhinderung von Armut in den bürgerlichen Schichten gegeben. Diese Züge der bürgerlichen Beachtung an öffentlichen Dingen sind nicht erst für die spätere Aufklärung charakteristisch gewesen. Allerdings prägten sie sich in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts besonders stark aus. Die religiöse Motivation, Rechtfertigung und Absicht war bei den meisten Anhängern der Aufklärung nicht mehr zu finden. Selbst wenn sie noch zu finden war, trat sie in den Hintergrund. Dafür gab es eine Ursache, die im aufklärerischen Verhältnis zur Religion begründet war. Nützlich zu sein und zu helfen – diese Tätigkeiten wurden so angesehen, dass es keines Rekurses auf religiöse Vorstellungen bedurfte, um sie zu rechtfertigen. Es hatte sich das Empfinden ausgebreitet, dass der Rückgriff auf Religiöses unangebracht wäre, wenn es z.B. um die gerechte Regelung des Armenwesens ging.

Die Zigeuner verkörpern auch für Herder, von dem die Bewegung des Sturm und Drang ausgegangen ist, nicht das Ideal des natürlichen Menschen, sondern dessen Gegenteil. Er beschreibt sie in den 1791 erschienenen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit als: „Eine verworfene indische Kaste, die vor allem, was sich göttlich, anständig und bürgerlich nennet, ihrer Geburt nach entfernt ist und dieser erniedrigenden Bestimmung noch nach Jahrtausenden treu bleibt, wozu taugte sie in Europa, als zur militärischen Zucht, die doch alles aufs schnellste discipliniret?“[140]

Trotz aller universalistisch klingenden Emphase ist die Realisierung des im Namen des Menschen artikulierten Bildungszieles damals noch nicht konkret für die meisten Mitglieder der Gesellschaft ins Auge gefasst worden. Sie erstreckte sich auch nicht zentral auf randständige Gruppen wie Behinderte, Bettler oder Minderheitengruppen wie Juden sowie Sinti und Roma.[141]

Grellmanns Thesen bildeten bis ins 20. Jahrhundert hinein die Grundlage für spätere „Zigeunerforscher“, die die rassistischen Stereotype nicht überwanden, sondern tradierten und sie als allgemeingültige „Wahrheiten“ ausgaben.[142] Sie prägten auch fortan die staatliche „Zigeunerpolitik“: „Ökonomische Eingliederung und kulturelle Assimilation durch eine Erziehung ,zu brauchbaren Staatsbürgern und gesitteten Christenmenschen‘ galten in der einschlägigen Literatur (…) als Ziele der Zigeunerpolitik.“[143] Die einzige bekannte Kritik an Grellmanns Thesen äußerte der ostpreußische Pfarrer Johann Biester: „Hier wie an mehreren Orten möge man zweifeln, ob Hr. G. je Zigeuner gesehen hat; beobachtet und untersucht kann er sie wenigstens nicht haben.“[144] Grellmanns Werk besaß auch einen hohen Stellenwert im europäischen Ausland; 1787 wurde es ins Englische, später auch ins Französische übersetzt.

Grellmanns Behauptungen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts nicht nur von anderen Zigeunerforschern" abgeschrieben, die daher den Antiziganismus nicht überwanden, sondern tradierten, sie prägten auch die sog. Zigeunerpolitik" der ebenfalls antiziganistische eingestellten Behörden.22 Eine bürgerliche Verbesserung" oder, wie es in Preußen hieß, eine Zivilisierung der Zigeuner", wurde erst gar nicht mehr versucht, weil die Sinti (und die jetzt eingewanderten Roma) als gänzlich unzivilisiert" und nicht verbesserungsfähig angesehen wurden.

Mit Recht wurde folgendes festgestellt: „Er (Grellmann, M.L.) forderte von den „Zigeunern“ wie manche andere „Zigeunerforscher“ nach ihm Anpassung an die „zivilisierte Volksmenge” mithilfe einer pädagogischen „Umschaffung”, eine Disziplinierung über die Erziehung, die immer eingeht mit der Sesshaftmachung. Dieses Ziel stand im klaren Widerspruch zu den Edikten und den Ausgrenzungsmechanismen, aber mit der „Umschaffung“ sollte das Ziel Assimilierung erreicht werden.

Grellmanns Begründung des Projekts der „Zigeuner-Assimilation” stellte den ökonomischen Nutzen und das daraus resultierende staatliche Interesse an der geplanten Umerziehung in den Vordergrund. Das Projekt scheiterte. Das Projektziel Assimilation wurde nicht infrage gestellt, sondern die „Zigeuner“ wurden zu einem Volk von kulturloser Primitivität erklärt. Die von Heinrich Grellmann mitbegründete Zigeunerwissenschaft glaubte, im Verhalten der Zigeuner Anzeichen gesellschaftsgefährdender Verwahrlosung zu erkennen, und erklärte sie zu schließlich „sittlichen Ungeheuern”.

Die Bezeichnungen, die Grellmann bringt und die dann endgültig Eingang in das enzyklopädische Wissen über „Zigeuner“, sprich Sinti und Roma, findet sind diskriminierend, beleidigend, bösartig und entspringen eher der Fantasie einer Mannes des 18. Jahrhunderts als der Realität der beschriebenen und negativ bewertenden Menschen aus der Minderheit. Die Denkstruktur von Grellmann war biologistisch, weil das unterstellte Verhalten nicht als individuelles Verhalten bewertet sondern per se zu einem Kulturgut für eine gesamte Gruppe erklärt wurden. Die Grundlage für den Rassismus war damit gelegt.“[145]

Den sog. inländischen Zigeunern" wurde die Niederlassung geradezu systematisch verwehrt. Sie wurden einem Sonderrecht unterworfen, das eindeutig rassistisch motiviert war und im krassen Widerspruch zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz stand, der schon in den Verfassungen des 19. Jahrhunderts verankert war.

Der Faktor Arbeit bildete einen wichtigen Grundpfeiler in den Erziehungsvorstellungen der Aufklärung. In den Bildungsinstitutionen sollten Kinder und Jugendliche arbeiten lernen und diese nicht als Last empfinden, sondern als zur Identität eines jeden Menschen zugehörig. Dahinter verbarg sich das Postulat, dem Staat als nützliche und produktive Mitglieder zu dienen. Die protestantische Arbeitsethik ist gekennzeichnet durch die Vorstellung, dass bildet den Mittelpunkt des Lebens bildet, um den herum Freizeit gestaltet wird: „Arbeit muss als gottgewollter Lebenszweck betrachtet werden, sie muss so gut wie möglich verrichtet werden und Arbeit muss als Pflicht gelten, die man erledigt, weil sie erledigt werden muss" [146]

Es wurde der Versuch unternommen, Arbeitslose und „Müßiggänger“ mit erzieherischen Einflüssen zur Arbeit zu bewegen. Erwachsene wurden in Dingen unterrichtet, die ihnen eine künftige selbständige Lebensbewältigung zu versprechen schienen. Mit der Verherrlichung der Arbeit hing die allgemein verbreitete Ablehnung des Almosenwesens zusammen, das vielen Menschen den Lebensunterhalt sicherte.[147] Die Auffassung von der Arbeit als eine allgemeine Tugend der Menschen breitete sich vor allen im bildungsaffinen Bürgertum rasch aus. Die Erfassung der Kinder und Jugendlichen durch die Schule unter pädagogischen Gesichtspunkten und ihre Betreuung durch behördliche Organe unter Bezugnahme auf wirtschaftliches Profitstreben war zukunftsweisend.

Trotz aller universalistisch klingenden Emphase ist die Realisierung des im Namen des Menschen artikulierten Bildungszieles damals noch nicht konkret auf die meisten Mitglieder der Gesellschaft ins Auge gefasst worden. Sie erstreckte sich auch nicht zentral so genannte „Außenseiter“ der Gesellschaft wie Menschen mit Behinderung, Bettler_innen oder Minderheiten wie Jüd_innen sowie Sinti und Roma.[148]

Die Vorstellung, dass Kriminalität eine angeborene anthropologische Konstante der „Zigeuner“ war, war bei Polizei- und Justizbeamt_innen weit verbreitet. Der württembergische Oberamtmann Georg Jakob Schäffer gab 1787/88 eine „Zigeuner-Liste“ heraus, in der zwischen „Zigeunern von Geburt an“ und „Deutschen“ unterschied. Für Schäffer waren „Zigeuner“ Menschen mit angeborenen negativen Eigenschaften, die separat erfasst und kontrolliert werden müssten.

Aufklärungsphilosophen wie Johann Gottfried Herder und Immanuel Kant sahen Sinti und Roma auf einer niedrigeren kulturellen Stufe als die deutsche Mehrheitsbevölkerung und machten aus ihrer Abneigung keinen Hehl. Herder beschrieb Sinti und Roma in den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit als „eine verworfene indische Kaste, die vor allem, was sich göttlich, anständig und bürgerlich nennet, ihrer Geburt nach entfernt ist und dieser erniedrigenden Bestimmung noch nach Jahrtausenden treu bleibt, wozu taugte sie in Europa, als zur militärischen Zucht, die doch alles aufs schnellste discipliniret?“.[149]

Unter Bezugnahme auf Gobineaus Rassentheorie wollte Kant Sinti und Roma an der „indischen Hautfarbe“ oder „wahren Zigeunerfarbe“ erkennen. Laut Kant fehle ihnen der „Trieb zur Tätigkeit“.[150] Sie „haben niemals einen zu ansässigen Landbauern oder Handarbeitern tauglichen Schlag abgeben wollen“ und wären lediglich „Herumtreiber“.[151]

Das Motiv des Kinderraubes durch Sinti und Roma wurde wiederholt in der deutschen Literatur thematisiert und erlangte so in einer breiten Öffentlichkeit Popularität. In dem Lustspiel „Die Türkensklavin“ von Jakob Michael Reinhard Lenz stahl die „Zigeunerin“ Feyda die Sklavin Selima als Kind und verkaufte es an einen Bordellbesitzer.[152] In Clemens Bentanos drittem Rheinmärchen „Das Märchen vom Murmelthier“ wurde das Mädchen Murmelthier von ihrer Stiefmutter, einer „Zigeunerin“, als Baby aus dem königlichen Garten des Königshofes von Burgund gestohlen.

Erstmals wurde auch der Inzestvorwurf einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. In dem weit verbreiteten Meyers Konversationslexikon aus dem Jahre 1871 hieß es: „Ehen zwischen den jungen Leuten, gewöhnlich um 14 oder 15 Jahre, werden ohne Rücksicht auf Blutsverwandtschaft und fast nur durch gegenseitiges Uebereinkommen geschlossen.“[153]

Die Erziehung der „Zigeuner“ zu „brauchbaren Bürgern“ wurde im aufgeklärten Absolutismus in die Praxis umgesetzt. Kaiserin Maria Theresia von Österreich ließ Roma zwangsweise in Siedlungen im Burgenland ansiedeln, verbot Gewerbetätigkeit, Sprache und Pflege kultureller Traditionen und betrieb die Zerschlagung der familiären Strukturen durch Wegnahme der Kinder, um sie im christlichen Sinne erziehen zu lassen.

Friedrich II. unterstützte ein ähnliches von christlichen Missionar_innen initiiertes Erziehungsprojekt In Friedrichslohra. Man nahm ihnen die Kinder weg - und sperrte sie in ein " Heim " ein (Grundschule 1-3. Klasse ). Nachts holten die Eltern die Kinder aus dem Heim durchs Dach raus und verschwanden. Dieses Erziehungsprojekt war als gescheitert zu betrachten, was den Sinti und Roma angelastet wurde und ihnen den Ruf eines „ewig unbelehrbaren Volkes“ einbrachte, wo keine „Besserung“ zu erwarten sei. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts radikalisierte sich zudem die rassistische Betrachtungsweise gegenüber der Minderheit durch die Übertragung der Darwinschen Evolutionslehre auf Anthropologie, Medizin und Gesellschaftslehre. Damit wurde der Boden für eine Politik bereitet, die sich auf einen biologistisch begründeten Rassismus stützte. Dies war keineswegs nur im Deutschen Reich der Fall. Aber hier erhielt der pseudowissen­schaftliche Rassismus als Grundlage der NS-Ideologie die historisch einmalige Ausprägung, die in den systematischen Völkermord führte.

Antiziganismus in Duisburg

Seit der EU-Erweiterung 2007 ist Duisburg so wie auch Dortmund, Berlin, Mannheim und weitere deutsche Städte mit erhöhter Migration aus Bulgarien und Rumänien konfrontiert. Die Zuwander_innen wurden und werden im Diskurs der Mehrheitsgesellschaft homogenisierend meist als (Sinti und) Roma oder in diskriminierender Weise als „Zigeuner“ identifiziert, was in Wirklichkeit nur in manchen Fällen zutrifft. Aufgrund von jahrhundertealten unhinterfragten antiziganistischen[154] Stereotypen wurden und werden sie Opfer von gesellschaftlicher Ausgrenzung. Große Teile der Mehrheitsbevölkerung Duisburgs scheinen aus der jüngeren nationalsozialistischen Vergangenheit wenig gelernt zu haben. Noch vor 80 Jahren sollte nach Vorbild der nationalsozialistischen „Rassenlehre“ Duisburg „zigeunerfrei“ werden.[155]

Antiziganistische Vorurteile wie Nomadentum, Kriminalität, Primitivität, Faulheit usw. entstanden in den vergangenen Jahrhunderten und werden seitdem wie ein „kultureller Code“ in der Gesellschaft von Generation zu Generation weiter tradiert. Wissenschaftliche Studien belegen, dass antiziganistische Einstellungsmuster nicht nur von Anhänger_innen der extremen Rechten vertreten werden, sondern fest verankert in der deutschen Gesellschaft sind. In einer von der Universität Leipzig untersuchten Verbreitung extrem rechter Einstellungen in der so genannten „Mitte der Gesellschaft“ im Jahre 2014 bejahten 55,4% die Aussage „Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten“.[156] 47,1% forderten, Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden. 55,9% waren der Auffassung, Sinti und Roma neigen zur Kriminalität. Aus einer 2011 durchgeführten Studie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit geht hervor, dass über 40 Prozent der Bevölkerung antiziganistisch eingestellt ist.[157] Diese Einstellungsmuster sind für eine demokratische Republik, die die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz im Grundgesetz festgeschrieben hat, mehr als beschämend.

Antiziganistischer Hass von der alltäglichen Herabwürdigung bis zur physischen Bedrohung gehört zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Hier wird nun speziell auf die Ereignisse in Duisburg bis zum Frühjahr 2014 in Duisburg eingegangen.

Antiziganistische Hetze in der „Mitte“ der Gesellschaft

Die Zuwander_innen kamen mit der Absicht, für sich und ihre Kinder bessere Lebensbedingungen und Zukunftschancen zu erreichen und um dem Rassismus in ihren Herkunftsländern zu entfliehen. Ende 2013 lebten 9.045 Rumän_innen und Bulgar_innen offiziell, wohl mindestens 10.000 Zuwanderer_innen insgesamt in Duisburg.[158] Die Konzentration der Migration auf bestimmte Stadtteile in Duisburg liegt an dem Zugang zu bezahlbaren Wohnraum und zu bereits bestehenden Netzwerken. Besonders in den Stadtteilen Hochfeld und Bergheim kam es zu Protesten mit teils rassistischem und wohlstandschauvinistischem Hintergrund gegen die Migrant_innen.

Einige Immobilienbesitzer_innen aus Duisburg-Hochfeld, die auf eine „Aufwertung“ des Stadtteils spekulierten, wollten mit einem offenen Brief an die Stadt Duisburg vor allem „gegen den Zuzug von Bulgaren protestieren“, den sie im weiteren Verlauf als „Ströme problembeladener und bildungsferner Wanderungsbewegungen“ bezeichneten.[159] Im Eingangsbereich zweier bekannter Supermarktketten in Hochfeld wurden „Zigeunerbesen“ aufgestellt, um so Roma in deren konstruierter Logik vor der Betretung des Ladens abzuschrecken.

Im bürgerlichen Stadtteil Duisburg-Bergheim wohnen südosteuropäische Zuwander_innen, darunter auch Roma, in dem Hochhaus „In den Peschen“, was in der Presse in abwertender Weise „Problemhaus“ oder „Roma-Haus“ genannt wird. Dieses Haus wurde durch intensive Medienberichterstattung zum bundesweiten Symbol für die „Armutsmigration“ aus Südosteuropa. Rassistische Anwohner_innen in Bergheim hetzen seit geraumer Zeit gegen die Migrant_innen und versuchen dies als legitimen Protest gegen die „Zustände“ im bürgerlich geprägten Stadtteil darzustellen. Ihre Strategie besteht darin, in der Öffentlichkeit als Vertreter_innen der politischen „Mitte“ wahrgenommen zu werden und sich von jeglicher rassistischen Gesinnung offiziell zu distanzieren. 300 Anwohner_innen im Stadtteil unterschrieben eine Petition zur „Umsiedlung“ der Zuwander_innen. Diese „Umsiedlung“ sollte erfolgen, „da unsere Wohn- und Umfeldqualität, welche in Jahrzehnten gewachsen ist, durch diese Zuwanderer zerstört wird und wir das als Bürger nicht hinnehmen werden“.[160] In einem essenzialisierendem Sinne wurde argumentiert, dass die Migrant_innen aufgrund ihrer Mentalität und Lebensart nicht integrierbar seien. Damit wurden alle Zuwander_innen ohne Ansehen des Individuums homogenisiert und ihnen unveränderliche deviante Merkmale zugeschrieben, die nicht mit einer wie auch immer gearteten bürgerlichen „deutschen Kultur“ vereinbar wäre und eine Separierung von der Mehrheitsbevölkerung notwendig machen würde.

Bei einem „politischen Abendgebet“, das der ortsansässige Pfarrer Heiner Augustin organisiert und mit dem Thema Zuwanderung verknüpft hatte, bemerkte ein Anwohner: „Das sind keine Menschen, das sind Untermenschen.“[161] Einige Anwohner_innen verteilten vor dem Duisburger Rathaus rassistische Flugblätter mit der Überschrift „Raus mit den Zigeunern!“[162] In nationalsozialistischer Diktion forderte ein Anwohner die physische Liquidation der Zuwander_innen: „Ich habe da eine Idee, wo die unterkommen können, in Auschwitz oder Buchenwald sind noch hübsche Baracken frei. Adolf hat meiner Meinung nach noch nicht genug von denen umgebracht.“[163] Bei einer Demonstration von Bergheimer Anwohner_innen gegen die „Zustände“ in ihrem Stadtteil am 5. Oktober 2013 waren die Redebeiträge voll von rassistischer Hetze, Gegendemonstrant_innen wurden gewaltsam entfernt und stadtbekannte Neonazis nicht von der Teilnahme ausgeschlossen. Einige der Teilnehmer_innen der bürgerlichen Versammlung solidarisierten sich später mit den Parolen von Pro NRW, die am selben Tag auch eine Kundgebung in Bergheim abhalten durfte.

Zuspitzung durch die extreme Rechte

Die extreme Rechte brauchte nur noch die rassistische Stimmung in der „Mitte“ der Gesellschaft aufzunehmen und zuzuspitzen. Das Hochhaus „In den Peschen“ wurde Ende 2012 mit einem Hakenkreuz und NPD-Aufklebern beschmiert. Die NPD verteilte in der Folgezeit mehrmals Flugblätter und Aufkleber in Bergheim und hielt dort am 18. Mai 2013 eine Kundgebung ab. Pro NRW veranstaltete am 12. März 2013 im Stadtteil eine Demonstration und hetzte auf ihrer Internetseite gegen „Zigeuner“.

Im März 2013 gab es einen Kellerbrand im Hochhaus „In den Peschen“, bei dem es sich laut offiziellen Stellen nicht um Brandstiftung handelte. Da aber auch auswärtige Personen durch Außenfenster in den Keller gelangen konnten, lässt sich ein Brandanschlag nicht völlig ausschließen. Im April 2013 wurden Roma in Facebookgruppen als „Menschenmüll“ beschimpft. Rassistische Parolen und Mordaufrufe von Nutzer_innen der Facebook- „Diskussionsgruppe“ „In den Peschen 3-5“ wie „Abbrennen soll mann die bude“, „Eine Bombe auf das haus und dann is endlich ruhe da“, „Niederbrennen das Dreckspack“, „Wir müssen die Ratten loswerden“, „Alles schreit abbrennen aber warum macht es denn keiner?“ um den 10. August 2013 bildeten eine neue Qualität in der Hetze gegen südosteuropäische Zuwander_innen. Am 13. August 2013 schmierten Unbekannte Schriftzüge mit rassistischen Parolen rund um den Wohnblock „In den Peschen“ an die Wände. In den darauf folgenden Nächten tauchten lokale und auswärtige Neonazis in größeren Gruppen vor dem Hochhaus „In den Peschen“ auf und bedrohten Bewohner_innen mit Knüppeln und Messer. Aufgrund der Verharmlosung der Situation durch die Duisburger Polizei übernahmen Anwohner_innen, Mitglieder_innen von Kirchengemeinden und antirassistische Gruppen in Eigeninitiative durch Nachtwachen den Schutz der dort lebenden Menschen.

Am 29. August kam es zu einer Kundgebung von Pro Deutschland in der Nähe des Hauses „In den Peschen“, der sich ca. 900 Antifaschist_innen entgegenstellten. Bei einer Veranstaltung der Gegendemonstrant_innen durfte ein in der Vergangenheit wegen antiziganistischer Äußerungen aufgefallener Anwohner sprechen.

In der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes im September 2013 tauchten antiziganistische Plakate der NPD mit der Aufschrift „Lieber Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ in Duisburg und einigen anderen Ruhrgebietsstädten auf. Diese Hetzkampagne fand offensichtlich Resonanz, die NPD holte 4,2% der Erst- und 2,8% der Zweitstimmen im gesamten Duisburger Stadtgebiet.

Am 9. Oktober 2013 wurde ein zum großen Teil von Roma bewohntes Haus in Duisburg-Hochheide in Brand gesetzt, wobei 17 Personen verletzt wurden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um einen antiziganistisch motivierten Anschlag handelt.

Am „braunen“ 1.Mai 2014 marschierten die NPD und Pro NRW im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahlen in zwei räumlich und zeitlich getrennten Kundgebungen durch Duisburg. Im Wahlkampf in Duisburg war die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien ein beherrschendes Thema. Die mit antiziganistischen Parolen angetretene extreme Rechte konnte ihren Stimmenanteil erheblich steigern. Bei der Kommunalwahl vom 25.5.2014 erzielte die PRO NRW 4,24% und die NPD 1,73%.[164] Alexander Häusler, Experte für die extreme Rechte, äußerte sich folgendermaßen zu diesem Rechtsruck: „Die extreme Rechte in Duisburg hat sich die Problematik rund um die Einwanderung von Rumänen und Bulgaren zunutze gemacht. Die etablierten Parteien haben den Bürgern anscheinend keine glaubhafte Lösung präsentiert: Diese Lücke hat vor allem Pro NRW besetzt."[165]

Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) in der Kommunalpolitik

Der Aufbau und die Entwicklung der im Jahre 1996 gegründeten „Bürgerbewegung Pro Köln“ sind eng verknüpft mit der extrem rechten „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH), die in Köln jahrelang die hegemoniale Partei des rechten Lagers war. Die DLVH wurde am 3.10.1991 von Mitgliedern der „Deutschen Allianz-Vereinigte Rechte“ (DA), einer Vereinigung ehemaliger Mitglieder der „Republikaner“, der NPD und der DVU, gegründet; im Oktober 1996 löste sie sich als Partei auf und konstituierte sich gleichzeitig neu als Verein.[166] Die neu entstandene Partei verstand sich als Sammlungsbewegung des rechten Lagers in der BRD. Der DLVH entstammen mehrere heutige Spitzenfunktionäre von Pro Köln wie Manfred Rouhs und Markus Beisicht.

Manfred Rouhs, der 1965 in Krefeld geboren wurde, hat innerhalb der Pro-Bewegung verschiedene Ämter inne. Gleichzeitig ist er Publizist und Verleger der völkischen Zeitschrift Nation 24. Seine ersten politischen Erfahrungen machte er in der Jungen Union (JU), wechselte aber im Jahre 1981 zur Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN).[167] Von 1985 bis 1987 war Rouhs JN-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Im März 1987 wurde Rouhs während seines Jura-Studiums in Köln Mitglied des Rings Freiheitlicher Studenten (RFS).1987 trat er den „Republikanern“ bei und baute zusammen mit Markus Beisicht den Kölner Kreisverband der „Republikaner“ auf. Hintergrund seines Ausscheidens bei der JN waren Vorwürfe, er habe die Namen der nordrhein-westfälischen JN-Mitglieder an die Republikaner weitergegeben.[168] Bei den Kommunalwahlen 1989 zog er für die Partei mit mehr als sieben Prozent der Stimmen in den Kölner Stadtrat ein. Allerdings enthob ihn im Oktober 1989 der Landesvorstand der Republikaner in NRW wegen „Putschversuches“ von seinen Ämtern, was einen Monat später zu seinem Ausschluss aus der Partei führte. Im Jahre 1991 gründeten unter anderem Rouhs und Beisicht den Kölner Kreisverband der DLVH; Rouhs wurde DLVH-Kreisvorsitzender. Im Kölner Stadtrat bildete die DLVH von 1991-1993 eine eigene Fraktion. Nach einem erfolglosen Aufbau eines „Nationalen Zentrums“ in Eschweiler-Dürwiß zog Rouhs wieder nach Köln.

1987 erschien die erste Ausgabe seiner extrem rechten Zeitschrift „Europa vorn“.[169] Rouhs publizierte ebenfalls die Broschüre „Europa Vorn aktuell“, die sich vor allem mit der Kommentierung tagespolitischer Fragen beschäftigte, und die mindestens einmal jährlich erscheinende Sonderausgabe „Europa Vorn spezial“. In dieser Sonderausgabe ging es vorrangig um Hintergrundberichte und theoretische Abhandlungen. Der Charakter des Projektes „Europa Vorn“ lag darin, ein Strategiepapier der extremen Rechten zu werden und damit eine intellektuelle Basis zu schaffen. Das geistige Fundament von „Europa Vorn“ bestand sowohl aus den Vorstellungen von Alain de Benoist sowie der französischen Nouvelle Droite als auch der „Konservativen Revolution“, einer geistig-politische Sammelbewegung antidemokratischer jungkonservativer Kräfte in der Weimarer Republik. Die rassistische Stoßrichtung von „Europa Vorn“ findet sich in vielen Artikeln. Zu dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen bemerkte Rouhs:[170] „Entgegen Presse- und Polizeiverlautbarungen war es nicht etwa eine ‚Stadtguerilla’, waren es keine ‚organisierten Rechtsextremisten’ oder ‚Neonazis’, die in Rostock vollendete Tatsachen geschaffen haben. Nachdem Rundfunk und Fernsehen zwei Tage lang über den Menschenauflauf und die bürgerkriegsähnlichen Zustände vor dem Rostocker Asylanten-Hochhaus berichtet hatten, setzten sich immer mehr und mehr junge Burschen aus dem Umland ins Auto oder in die Bahn, um beim „Asylantenklatschen“ mitzumachen. (…) Es gärt in Deutschland. Die Distanz weiter Bevölkerungskreise zum politischen Establishment war noch nie seit 1949 so groß wie heute. Qualitativ neu ist, dass diese Distanz in Gewaltbereitschaft umschlägt – wenn auch vorerst noch gegen die unmittelbar sichtbaren, äußeren Zeichen einer Politik, deren Ziel die Abschaffung Deutschlands im Namen einer multikulturellen Wahnvorstellung ist.“

Mitte 1998 wurde die Zeitschrift von „Europa Vorn“ in „Signal“ umbenannt. Der neue Name erinnerte an eine gleichnamige Auslandszeitschrift im 2. Weltkrieg (1940-1945), die zeitweise in 20 verschiedenen Sprachen erschien. Die Beweggründe für die Umbenennung lagen in den veränderten politischen Konstellationen nach dem Ende des Kalten Krieges:[171] „Begründet wurde die Namensänderung mit Irritationen die der alte Titel nach dem Ende des Kalten Krieges ausgelöst hatte. Während man ursprünglich mit dem Europabegriff einen Gegensatz zu den beiden Supermächten zum Ausdruck bringen und ein Europa der „freien Völker“ im Sinne der Nouvelle Droit propagieren wollte, könnte er heute zum Europa der EU missverstanden werden.“ Seit dem Jahre 2003 erschien Rouhs’ Zeitschrift unter dem Titel „Nation24“.

Markus Beisicht, Jahrgang 1963, studierte wie Rouhs Rechtswissenschaften an der Universität Köln und bekleidete bis 1987 den Posten des Bundesvorsitzenden des RFS.[172] Das Amtsgericht Münster stellte in einem Beschluss vom 6. November 1981 über den RFS fest:[173]: „(…) zusammenfassend nach Überlegung des Gerichts im Hinblick auf den dargelegten Erkenntnisstand zum Charakter des Ring Freiheitlicher Studenten nicht zu bestreiten ist, daß es sich bei dieser Vereinigung um eine studentische Gruppe mit stark neofaschistischen Tendenzen handelt.“

Im Jahre 1988 wechselte das bisherige CDU-Mitglied zu den „Republikanern“ und wurde sofort Parteivorsitzender des Kölner Kreisverbandes. Wie Rouhs wurde er im folgenden Jahr für die „Republikaner“ in den Kölner Stadtrat gewählt. Im Jahre 1991 wechselte er zur neu gegründeten DLVH und saß für diese Partei bis 1994 im Kölner Stadtrat. Schnell stieg er zum Landesvorsitzenden der DLVH in Nordrhein-Westfalen auf und wurde Mitglied des Bundesvorstandes.

Neben diesen Funktionen betrieb er noch eine Rechtsanwaltskanzlei in Leverkusen; als Rechtsanwalt vertrat er mehrmals Personen der rechten Szene, darunter auch Axel Reitz, einer der einflussreichsten Aktivisten aus dem Spektrum der neonazistischen Freien Kameradschaften und des Kampfbundes Deutscher Sozialisten (KDS).[174]

Am 18.1.1991 konstituierte sich in München der Verein „Deutsche-Allianz-Vereinigte Rechte“ als Sammlungsbewegung.[175] Im August beschloss der Bundesvorstand auf einer Sitzung in Würzburg aufgrund einer Klage der Allianz-Versicherungsgesellschaft, den Verein in „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ umzubenennen. In Villingen-Schwenningen kam es am 3.10.1991 zur offiziellen Parteigründung der DLVH. Unter den Gründungsmitgliedern und dem Parteipräsidium befanden sich einige ehemalige Funktionsträger extrem rechter Parteien; u.a. Rudolf Kendzia (ehemaliger Landesvorsitzender der NPD in Berlin und später Schatzmeister der „Republikaner“ in Berlin), Harald Neubauer (diverse Funktionen in der NPD, DVU und bei den „Republikanern“), Jürgen Schützinger (ehemaliger stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD), Franz Glasauer (ehemaliger NPD-Funktionär in Bayern und danach Schriftführer der „Republikaner“ in Bayern) oder Martin Mußgnug, der zuvor ca. 20 Jahre Bundesvorsitzender der NPD war.

In einem Flugblatt hieß es zur Gründung:[176] „Das politische Versagen der Altparteien ist offenkundig. Deutsche Patrioten haben sich deshalb zur Deutschen Allianz zusammengeschlossen, um eine politische Alternative für die Neunziger ins Leben zu rufen und in der bundesdeutschen Parteienlandschaft zu verankern. Die Deutsche Allianz versteht sich als nationale Sammlung.“

Das politische Programm der DLVH trug von vornherein rassistische Züge[177]: „Die politische Arbeit der DLVH wird bestimmt von dem Ziel, Deutschland als Land der Deutschen zu erhalten, seine Identität zu schützen und seine nationalen Interessen nach innen und außen wirksam zu vertreten. Sie wendet sich entschieden gegen die maßlose und unkontrollierte Einwanderung, gegen den Asylmissbrauch und die Überfremdung Deutschlands.“ Die Wirtschaftspolitik wird lediglich mit nationalistischen Phrasen gefüllt:[178] „Die Deutsche Liga bekennt sich zu einer Wirtschafts- und Sozialordnung der nationalen Präferenz. Arbeitsplätze, Wohnraum und soziale Versorgung müssen vorrangig den Einheimischen zur Verfügung gestellt werden.“

Das Parteiprogramm ähnelte sprachlich und ideologisch dem Programm der NPD.[179] Die DLVH lehnte eine „multikulturelle Gesellschaft“ ab und forderte eine „Ausländerpolitik, die den berechtigten Schutzinteressen des deutschen Volkes entspricht“. Daneben offenbarte sie deutliche Tendenzen zum Geschichtsrevisionismus, indem sie das NS-System und dessen Verbrechen relativierte. Stattdessen wurde eine Geschichtsschreibung gefordert, „die der Wahrheit entspricht und nicht für Kollektivschuldthesen und andere politische Manipulationen missbrauchen läßt“. Die „Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937“ war ein zentraler Programmpunkt. Die DLVH lehnte die Mitgliedschaft der BRD in der EU ab und agitierte gegen den Vertrag von Maastricht. Die fortschreitende Einigung Europas wurde mit „Gleichmacherei“, „Überfremdung“ und „Bevormundung“ gleichgesetzt.

Die DLVH verfügte bundesweit über acht Landesverbände. Im Landesverband Nordrhein-Westfalen bilden die Städte Hagen und Köln Schwerpunkte. Gleichberechtigte Bundesvorsitzende neben Beisicht waren Harald Neubauer aus München, der bis zur Wahl am 12. Juni 1994 Mitglied des Europaparlamentes war, Jürgen Schützinger aus Villingen-Schwenningen und Ingo Stawitz aus Kiel, der früher für die DVU im Landtag Schleswig-Holsteins saß.

Die DLVH konnte nur relativ wenige gute Ergebnisse bei Wahlen erzielen. Es gab jedoch einzelne Achtungserfolge. Die DLVH erhielt mit ihrem Kandidaten Martin Mußgnug im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 1992 4,6% der Stimmen und in Villingen-Schwenningen erhielt die Partei mit ihrem Kandidaten Schützinger 3,0%. Im Jahre 1993 kandidierte der Neonazi Frank Hübner ohne großen Erfolg für das Oberbürgermeisteramt in Cottbus. Allerdings konnte die DLVH durch Parteiübertritte Mandate in den Landesparlamenten von Bremen (1991-1993) und Schleswig-Holstein (1993-1996) übernehmen.[180]

Die DLVH machte in Köln Stimmung gegen die „multikriminelle Gesellschaft“ und insbesondere gegen Roma und Sinti aus dem ehemaligen Jugoslawien.[181] Der traurige Höhepunkt war Anfang 1993 die Aussetzung einer Belohnung in Höhe von 1.000 DM in Form eines Steckbriefes für Hinweise, die zur Verhaftung einer versteckt lebenden abgelehnten Asylbewerberin führen würden. Mit dem auch später von Pro Köln verwendeten Motto „Domit uns Kölle kölsch bliev“ gab sich schon die DLVH einen kruden lokalpatriotischen Anstrich. Im Rat der Stadt Köln stellte die DLVH einen Antrag zur Gründung einer „kommunalen Bürgerwehr.“[182]

Die DLVH nahm wegen fehlender Chancen nicht an Bundestags- oder Europawahlen teil. Ein Schwerpunkt für die Bundespartei war die Teilnahme an den Kommunalwahlen 1994 in Köln.

Das Wahlprogramm bestand größtenteils aus Beschimpfungen von Politikern anderer Parteien und Stigmatisierungen sozialer Randgruppen. Unter der Überschrift „Allein gegen die Mafia“ hieß es:[183] „Köln ist in der Hand einer korrupten und inländerfeindlichen Politikerkaste aus SPD, CDU, FDP und ‚Grünen’ (…) Die heimischen Autofahrer werden verteufelt, währenddessen Zigeuner, Schwulen- und Lesbengruppen und Asylbetrüger gehätschelt werden. (…) Nichts ärgert die Ausländerlobby, die Kirchen, die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften, die Synagogengemeinde, die Neven-Dumont-Presse sowie die Altparteienmafia mehr als eine starke Opposition von Rechts im Kölner Rat!“

Die Kölner DLVH stand in engem Kontakt mit der gewaltbereiten neonazistischen Szene. Zur Kommunalwahl 1994 trat sie mit einer offenen Liste an, auf der auch Mitglieder der kurze Zeit später verbotenen neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP)[184] und der NPD kandidierten. Zwei der damaligen DLVH-Kandidaten machten später durch menschenverachtende Taten Schlagzeilen.[185] Thomas Adolf, der zeitweise als Chauffeur für Manfred Rouhs arbeitete, ermordete im Jahre 2003 in Overath ein Ehepaar und dessen Tochter. Der ehemalige Söldner Adolf bezeichnete sich als „Führer der mit der Befreiung des Deutschen Reichsgebietes beauftragten SS-Division Götterdämmerung“.[186] Ulrich Klöries, ehemaliges Mitglied der FAP, ermordete im Jahre 2006 in Köln-Kalk seine Mitbewohnerin.

Das Ergebnis der Kommunalwahl war für die DLVH eine Katastrophe. Die Partei, die vorher durch Übertritte von den „Republikanern“ mit 2 Abgeordneten im Rat vertreten waren, erreichte lediglich 1,3% der Stimmen und scheiterte damit deutlich an der Fünfprozenthürde.

In einem Mitgliederrundbrief vom 1.11.1994 reagierte der Bundesvorstand auf das schlechte Wahlergebnis, indem er das frühere Ziel der Partei, die Zusammenarbeit mit anderen Parteien des rechten Lagers propagierte:[187] „Es geht um die Schaffung eines personellen Kristallationskerns, der verlässlich in der Fläche ausstrahlt und die verschiedenen Organisationsschwerpunkte zu einem funktionierenden Ganzen verbindet. Keine der vorhandenen Parteien und Gruppierungen ist allein stark und flächendeckend genug, um aus eigener Kraft die breite Wählermasse anzusprechen. Wir werden jetzt verstärkt alle Kontakte und Kanäle nutzen, um schon 1995 zu einem ‚runden Tisch’ der deutschen Rechten zu gelangen. Noch nie war die Situation günstiger “

Aufgrund des Verlustes der Fraktionszuschüsse konnte die DLVH ihre Zeitung „DomSpitzen“ nicht mehr monatlich herausgeben, sondern nur ab Herbst 1994 noch vierteljährlich. Neben den „DomSpitzen“ brachte der Kölner Kreisverband noch die Schülerzeitung „Der Hammer“ heraus. Die bundesweite Publikation der DLVH, die „Deutsche Rundschau“ war für die Verbreitung rassistischer, antiziganistischer und revisionistischer Propaganda verantwortlich. Im Februar 1994 bezeichnete das Blatt den Angriff auf Dresden im 2. Weltkrieg „(…)den in den Dimensionen der Zeit, Raum und Qual größten und vielleicht perversesten Akt des Völkermords in der Geschichte der Menschen“.[188]

Im Jahre 1994 unterstützte die Zeitschrift auch die Vereinigungsbestrebungen im extrem rechten Lager. Es wurde die so genannte „Pulheimer Erklärung“ veröffentlicht und für Unterschriften der Erklärung geworben.

Funktionäre der „Republikaner“, DVU, NPD, DSU und anderer rechter Splitterparteien sowie parteiungebundene Personen des rechten Establishment aus dem Rheinland trafen sich am 10.6.1995 in Bergisch-Gladbach auf Einladung des DLVH-Landesvorsitzenden Markus Beisicht und Manfred Rouhs zu einem ersten ‚Runden Tisch der Konservativen und Demokratischen Rechten im Rheinland’, um über eine Zusammenarbeit zu beraten. Die Versammlung, an der über 80 Personen teilnahmen, verabschiedete folgende Erklärung, den so genannten „Rheinischen Appell:[189] „Die jüngsten Landtagswahlen haben gezeigt, die potentiellen Wähler sind rechter Zwietracht im parteipolitischen Bereich überdrüssig. Geringe Stimmenzahlen für die antretenden Rechtsparteien und Flucht in die Wahlenthaltung sind die Folge. Man kann nicht glaubhaft den Anspruch erheben, die Einheit Deutschlands vollenden und dem ganzen Volk dienen zu wollen, wenn man nicht einmal die Einheit der Gleichgesinnten erreicht, die dazu bereit sind. Die heute Versammelten sind sich einig, daß eine in Zukunft einheitlich auftretende politische Rechte den zu erwartenden harten Kampf bestehen und Erfolge erringen kann. Um die Einheit aller Patrioten (rechtzeitig) vorzubereiten, sollen ab sofort überall lokal, regional und letztendlich bundesweit unter dem Motto ‚Ein Herz für Deutschland’ Runde Tische einberufen werden mit dem Ziel, ungeachtet früherer Auseinandersetzungen jede Person und jede Strömung solidarisch zu stützen, die auf eine Sammlung der demokratischen Rechten hinwirkt.“ Die Einigungsbestrebungen fanden am 19.11.1995 in einer offiziell als Autorenlesung von Franz Schönhuber deklarierten Veranstaltung in Overath-Marialinden ihre Fortsetzung,

Im Oktober 1996 wurde die DLVH von einer Partei in einen Verein umgewandelt, da so die angestrebte Sammlungsbewegung besser verkauft werden konnte. Dies war auch eine Reaktion auf die enttäuschenden Ergebnisse der DLVH bei Wahlen.

Als die DLVH bei der Wahl 1999 trotz der Abschaffung der Fünfprozenthürde den Einzug in den Kölner Stadtrat verpasste, wandten sich Beisicht und Rouhs dem Projekt Pro Köln zu.

Die Mitgliederzahl ging bundesweit von 600 im Jahre 1999 auf ca. 300 im Jahre 2000 zurück. Im Jahre 2001 soll sie nur noch über ca. 200 Mitglieder verfügen.[190]

Als Partei und auch Verein blieb die DLVH relativ bedeutungslos. Das angestrebte Ziel, eine neue alternative Partei zu den bisherigen rechtsextremistischen Parteien zu etablieren, schlug fehl. Obwohl einige bekannte Persönlichkeiten der extrem rechten Szene zur DLVH wechselten, konnte der selbst formulierte Ansatz einer Sammlungsbewegung nicht erfüllt werden.

Heidenau, Freital, Tröglitz und jetzt Clausnitz stehen stellvertretend für Orte rassistischer, menschenverachtender Gesinnung und Gewalt. Einer Gewalt, die durch die Beschwichtigungen von Verantwortlichen ihre Legitimation erfährt und im Netz tausendfach wiederholt wird. Das Verhalten der Polizei, die nicht etwa Rassisten zurückdrängt, sondern Gewalt gegen die Opfer der rassistischen Ausbrüche wie kürzlich in Clausnitz anwendet, rundet das Bild ab.

Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) stellt schon im Herbst 2015 zu Recht fest: „Jedoch ist in den Medien auch derzeit von ‚Ansturm‘ und ‚Flüchtlingsströmen‘ die Rede. Nahezu ein Konsens ist die angebliche ‚Überschreitung der Belastungsgrenze‘. Die hohe Zahl der Flüchtlinge erzeuge einen Staatsnotstand. Die Bilder, die damit hervorgerufen werden, sind dazu geeignet, die Situation zu verschärfen und Menschen als bedrohliche Massen wahrzunehmen. Auch ist es eine unverantwortliche Verharmlosung, wenn rassistische Protagonistinnen als ‚Asylgegner‘ oder ‚Asylkritiker‘ und rassistische Angriffe als ‚Protest‘ bezeichnet werden. Mehrheitlich schließen sich die Medien auch heute den Vorstellungen der Politik an, wenn sie z.B. eine Beschleunigung der Asylverfahren fordern, da andernfalls die Stimmung in der Bevölkerung zu ‚kippen‘ drohe, wobei mit ‚Beschleunigung‘ oftmals euphemistisch ein weiterer Abbau von Rechtsstaatlichkeit in Asylverfahren bezeichnet wird. (…) Während Geflüchtete durch rassistische Agitationen bedroht werden, grenzt ihre ‚Unterbringung‘ an eine humanitäre Katastrophe. Mitten in einem der reichsten Länder der Welt werden Zeltstädte oder Container errichtet, aus zahlreichen Unterkünften wird berichtet, dass den Geflüchteten nicht ausreichend Nahrung, Wasser und Hygieneartikel zur Verfügung gestellt werden und die Menschenrechte auf Gesundheit und Privatsphäre außer Kraft gesetzt sind. Wer solch einen künstlichen Notstand erzeugt, ist mitverantwortlich für die Taten der rechtsterroristischen Brandstifter. (…) Statt die Rechte von Geflüchteten noch weiter einzuschränken, muss es um den wirksamen Schutz von Flüchtlingen gehen. Deshalb sollten sich sowohl die zivilgesellschaftlichen wie auch die institutionellen Kräfte darauf konzentrieren, jedwede Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte zu verhindern und die Würde des Menschen zu achten.“[191]

Vieles erinnert an die rassistische Stimmung Anfang der 1990er Jahre, als die immer wiederkehrende Hetze aus der „Mitte der Gesellschaft“ gegen Flüchtlinge letztlich zu den tagelangen rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen führte, wo rassistische Anwohner und Neonazis Hand in Hand zusammenarbeiteten und eine unfähige Polizei nicht für die ausreichende Sicherheit der Flüchtlinge sorgen konnte oder wollte. Der Unterschied zur gegenwärtigen Situation liegt darin, dass sich heute nicht in der Breite wie damals die Medien an einen rassistisch aufgeladenen Diskurs anschließen und diesen noch verstärken.

In Deutschland sind 2015 789 Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte verübt worden.[192] Das geht aus einer Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Darunter seien 65 Brandstiftungen. Im gesamten Jahr 2014 waren es zum Vergleich sechs Brandanschläge gewesen. Die Zahl der Übergriffe hat sich damit 2015 im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht.[193] Dass es bislang noch keine Toten gab, ist nichts als Zufall. Diese Anschläge sind als Mordversuche zu werten und sind keine Bagatelldelikte von „frustrierten Bürgern“ oder Neonazis.

Clausnitz

„Geflüchtete sind willkommen“ - war eigentlich die Botschaft, die Clausnitz' Bürgermeister Michael Funke (parteilos) laut eigener Aussage gegenüber dem MDR am Abend des 18.02.2016 den 24 Menschen überbringen wollte, die ab diesem Tag in der sächsischen Gemeinde leben sollen. Doch es kam anders: Die Zufahrtswege wurden von 100 Anwohnern und Neonazis blockiert, der Bus mit Geflüchteten und die aussteigenden Personen zusammengebrüllt. Pegida-Parolen wie „Wir sind das Volk“ schallten den Refugees entgegen, als sie nach dreistündigem Ausharren im Reisebus von der Polizei aus diesem gezerrt wurden.[194]

Die Bilder aus Clausnitz gingen in kürzester Zeit um die Welt: Zwei der Geflüchteten, einer von ihnen offensichtlich minderjährig und beide mehr als offensichtlich stark verängstigt und traumatisiert durch das gesamte Geschehen, wurden von Polizisten gedrängt, an Armen und Hals gepackt und in die Unterkunft gezerrt - während nur wenige Meter daneben die rassistische Menge die Gewalt bejubelt. Erst nach 22h verzog sich der rassistische Mob.

All das Geschehene war vorhersehbar: Bereits seit mehreren Wochen hingen Rassisten Transparente mit der Aufschrift „Widerstand“ im Ort auf und begegneten Hilfe für Geflüchtete mit Gewalt und Hetze, so dass Informationsveranstaltungen zur geplanten Unterkunft nicht mehr sicher durchgeführt werden konnten. Die Drohungen waren klar, kamen an - und wurden ignoriert.[195]

Bürgermeister Funke äußerte danach in den Medien, dass es sich bei dem rassistischem Mob nicht um Mitglieder seiner Gemeinde, sondern um Auswärtige gehandelt. Der Protest im Ort hätte sich keinesfalls gegen die Geflüchteten gerichtet, sondern „gegen die große Politik“.[196] Das eingeübte Dreierlei aus Ignorieren, Relativieren bei konsequenter Umkehrung von Tätern und Opfern wird gerade in Sachsen in Dauerschleife aufgeführt. Die Äußerungen des Bürgermeisters stehen stellvertretend für so viele andere, die Neonazis nicht mal dann erkennen wollen wenn mit dem Hitlergruß, der sächsischen Variante der Willkommenskultur, salutiert wird und die brennenden Flüchtlingsheime vor allen Dingen für ein Image-Problem halten.

Tröglitz

Im Jahr 2015 hat der kleine Ort Tröglitz im Süden Sachsen-Anhalts weit über die Grenzen Deutschlands hinaus traurige Berühmtheit erlangt. Gleich zweimal eskalierte die Diskussion um Flüchtlinge in dem 2.700 Einwohner zählenden Ort: Erst trat im März der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth wegen NPD-geführter Anfeindungen zurück, einen Monat später brannte die bezugsfertige Flüchtlingsunterkunft. Inzwischen sei Normalität eingekehrt, sagte Landrat Götz Ulrich (CDU). Statt wie bisher zwölf sollen ab Januar 24 Flüchtlinge im Ort leben. Ulrich bemerkte: „Allein, dass wir weitere Wohnungen anmieten, zeigt, dass wir denken, dass wir es Tröglitz zumuten können und vor allem, dass wir es den Flüchtlingen zumuten können, dort zu leben“.[197]

Wie geplant sollten künftig 40 Flüchtlinge in den Ort kommen. Voraussetzung sei, dass weitere Vermieter Wohnungen anböten. Das seit dem Brandanschlag unbewohnbare Mehrfamilienhaus will der Landrat nicht mehr nutzen. „Der Eigentümer der Brandruine informierte uns, dass sie möglicherweise doch saniert wird, jedoch könnte sie frühestens Mitte 2017 fertig sein.“[198] Wegen dieser großen Verzögerung nehme der Landkreis Abstand von der Immobilie.

Die Bilanz des zurückgetretenen Bürgermeisters Nierth fällt weniger positiv aus. Tröglitz bleibt aus seiner Sicht zerrissen und hätte sich seit der Ankunft der ersten Flüchtlinge im Juni nur äußerlich beruhigt. Die demagogischen Schreckensszenarien der Rassisten hätten sich nicht bewahrheitet: „Wir haben hier vier Flüchtlingsfamilien, die den Müll trennen, die sich mühelos integriert haben und im Sport engagieren. Aber dafür haben wir einen Ort, der zerrissen ist. Beziehungen und Freundschaften sind zu Bruch gegangen, es gab unzählig viel Ärger und Streit, Verzweiflung und Angst.“[199]

Wochenlang gab es rechte Demonstrationen gegen die Flüchtlinge im Ort. Als die Behörden Proteste angeführt von der NPD direkt vor seiner Haustür nicht verboten, zog Nierth Anfang März die Notbremse. Sein ehrenamtliches Engagement gab er nicht auf. Für die drei afghanischen Familien, die inzwischen in Tröglitz leben, übernahm seine Familie die Patenschaft. Zudem richteten sie ein Begegnungscafé ein. „Künftig wollen wir das Begegnungscafé regelmäßig für Veranstaltungen nutzen, in denen wir die Familien jeweils mit Vereinen, Seniorengruppen oder Schülern zusammenbringen, damit sich alle besser kennenlernen“.[200] Für die angekündigten Neuankömmlinge seien schon weitere Paten im Ort organisiert.

Aufgeklärt wurde der Brandanschlag von Tröglitz in der Nacht zum 4. April 2015 bisher noch nicht. Im Oktober 2015 hatten die Behörden zwar einen Tatverdächtigen verhaftet. Sie mussten ihn jedoch wenig später freilassen, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet hatte.[201] Eine heiße Spur zu den Tätern gibt es nach Aussagen der Staatsanwaltschaft weiterhin nicht.

Heidenau

Rechte Demonstranten hatten in Heidenau, das in der Nähe von Dresden liegt, vor einem früheren Baumarkt, der nun als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt werden soll, mit Steinen, Flaschen und Böllern geworfen. Die Polizisten gingen mit Reizgas gegen die zum großen Teil betrunkenen Demonstranten vor. Nur unter Polizeischutz haben Dutzende Flüchtlinge die Notunterkunft im sächsischen Heidenau beziehen können. Nach Angaben von Reportern war die Polizei zunächst unterbesetzt und mit der Situation völlig überfordert.

Am frühen Freitagabend hatten zunächst mehrere Hundert Menschen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Heidenau demonstriert, Neonazis und „besorgte Bürger“ zogen grölend durch die Stadt. Vor dem Haus von Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) riefen sie „Volksverräter“ Die Veranstalter sprachen von mehr als 1.000 Teilnehmern. Zu dem Marsch hatte unter anderem die NPD aufgerufen, außerdem die von ihr gesteuerte rassistische Initiative „Heidenau-Hört zu.“.[202]

Im Anschluss daran blockierten Dutzende Demonstranten die Bundesstraße vor dem früheren Baumarktgebäude. Auf den beiden jeweils knapp 3.000 Quadratmeter großen Etagen des Baumarktgebäudes sollen künftig bis zu 600 Menschen unterkommen.

In Heidenau hatte am Samstag kurz vor ein Uhr morgens ein erster Bus mit Asylsuchenden verspätet das Gebäude erreicht. Bis zum Morgen kamen dann zwei weitere Busse an. Nicht einmal ein Dutzend Unterstützer von Flüchtlingen waren am Ort. Den Einzug der ersten Flüchtlinge beobachteten auch nach dem Polizeieinsatz noch gut 200 Menschen. Viele in der pöbelnden Menge hatten Bierflaschen in der Hand und schienen mehr oder weniger angetrunken.[203] Aus der Menge flogen dann Wurfgeschosse gegen die Polizei und es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Nur unter Schutz der inzwischen verständigten Polizeiverstärkung konnten die Flüchtlinge die Notunterkunft beziehen.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verurteilte scharf die Angriffe auf Flüchtlinge in Heidenau: „Wir dürfen niemals tolerieren, dass Menschen in unserem Land bedroht oder angegriffen werden. Dagegen müssen wir mit aller Härte des Rechtsstaates vorgehen. Gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gilt null Toleranz.“[204]

Die sächsische Landesregierung reagierte lediglich mit einem kurzen Statement von Innenminister Markus Ulbig (CDU): „Gegenüber Fremdenfeindlichkeit gilt in Sachsen null Toleranz. Wir werden auch die ausufernde Gewalt gegen Polizisten nicht tolerieren und die Straftaten mit aller Konsequenz verfolgen.“[205] Ulbig hatte am Freitag Heidenau besucht, führte dort Gespräche mit Landtagsabgeordneten und dem Bürgermeister, bei denen auch die neue Flüchtlingsunterkunft eine Rolle spielte.

Sachsens SPD-Chef Martin Dulig nannte die Vorfälle „schlichtweg beschämend“. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Dulig, er verfolge die Meldungen über die Auseinandersetzungen um Flüchtlinge in Heidenau mit Abscheu und Entsetzen: „Dass solch blinder Hass und Ablehnung Asylbewerbern entgegenschlägt, welche vor Krieg, Not und Verfolgung geflohen sind, schockiert mich. Wir werden entschlossen und mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen diese geistigen Brandstifter vorgehen. Dieser Rassismus und die gestern erlebte Fremdenfeindlichkeit werden nicht toleriert.“[206] Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann, erklärte: „Die NPD versucht in Heidenau, die Situation politisch zu missbrauchen und zu eskalieren. Wer mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik auf Polizisten losgeht ist kein 'besorgter Bürger', sondern ein rechter Straftäter. Da darf nichts relativiert werden.“

Die rassistische Internetseite „Heidenau - Hört zu“ erklärte zunächst, die NPD und auch das Organisationsteam distanzierten sich von den Vorfällen. Später löschte sie diese Erklärung zum braunen Terror in der Stadt und behauptete, die Gewalt in Heidenau sei von der Polizei ausgegangen. Diese habe massiv Tränengas und Rauchgranaten eingesetzt, auch ältere Bürger geschlagen. „Einige“ der Demonstranten hätten sich dann „mit Steinen, Knallern und Flaschen“ gewehrt. Die Initiative forderte ihre Anhänger auf, Videos einzusenden, die belegen sollen, „wie gewaltbereit die Polizei vorgegangen ist“.[207]

Der Dresdner Polizeisprecher Marko Laske widersprach dieser Darstellung vehement: „Die Gewalt ging nicht von der Polizei aus. Punkt.“ Im Gegenteil habe es „massive Angriffe“ aus der Gruppe der Demonstranten gegen die Polizei gegeben: „Aus der Menschenmenge heraus wurden Polizeibeamte vehement mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern beworfen. Zudem kam es zu Sachbeschädigungen. Weiterhin gab es wiederholte Blockadeversuche, auch unter Zuhilfenahme von Baustelleneinrichtungen.“[208] Insgesamt waren 136 Beamte im Einsatz. 31 Polizisten sind bei der Gewalt in Heidenau verletzt worden, einer von ihnen schwer. Das Rote Kreuz hatte in der Nacht zunächst zehn Verletzte gemeldet.

Lutz Bachmann von Pegida äußerte auf seiner Facebook-Seite allen Ernstes, diese „besoffenen, kotzhohlen NPD-Flachzangen“ seien vom Verfassungsschutz geschickt, „um Stimmung zu machen und zur Eskalation beizutragen“.[209]

Nach Aussagen der Landespolizei soll auf dem Gelände des Baumarktes ein Wachdienst für Ordnung und Sicherheit sorgen. Außerhalb werde das Terrain verstärkt von der Polizei überwacht.

Freital

Überraschend kamen die rassistischen Eskalationen im Juni 2015 in Freital nicht. Doch hatte sich schon vor Wochen eine „Bürgerwehr gegen Flüchtlinge“ gegründet, tätliche Angriffe auf Asylsuchende blieben nicht aus. Immer wieder gab es Demonstrationen des Pegida-Ablegers Frigida.[210]

Die CDU als stärkste politische Kraft in Freital lieferte den Rechten regelmäßig Argumente. Der Anfang Juni gewählte neue Freitaler CDU-Oberbürgermeister Uwe Rumberg zweifelte nach seiner Wahl bei der Mehrzahl der Flüchtlingen an deren Integrationswillen: „Es muss stärker unterschieden werden zwischen wirklich Hilfsbedürftigen und sogenannten Glücksrittern, die nach Deutschland kommen, um auf Kosten der Gemeinschaft ein sorgloses Leben ohne Gegenleistung zu führen.“[211]

Am Wochenende vor den rassistischen Ausschreitungen war Bundesinnenminister Thomas de Maiziere in Freital, bei einem von seiner CDU organisierten „Bürgerforum zum Thema Asyl“ in Freital. Auch Pegida-Propagandist Lutz Bachmann und seine Mitstreiterin Tatjana Festerling saßen im Publikum, vor dem Veranstaltungsgebäude demonstrierten AfD, NPD-Vertreter und „besorgte Bürger“ gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Festerling bezichtigte de Maizière anschließend auf Facebook, in der Debatte mit falschen Zahlen zu operieren.[212]

Drei Tage später wurde dann klar, dass der Bundesinnenminister zumindest eines bei seinem Besuch in Freital nicht erreicht hat: „Willkommenskultur“ zu vermitteln. Denn am Montagabend wurde, für viele in der Stadt überraschend, bekannt, dass im ehemaligen Hotel „Leonardo“, wo seit einigen Wochen Asylbewerber untergebracht wurden, bis zu 280 weitere Flüchtlinge unterkommen sollen. Dies sei eine „Interimslösung für die Erstaufnahme“, wie die zuständige Landesdirektion Sachsen erläuterte.[213]

Auf rassistischen Internetseiten in Sachsen wurde zu „Spontandemonstrationen“ mobilisiert. Auch Lutz Bachmann machte sich unmittelbar nach der Kundgebung in Dresden auf nach Freital. Auf Facebook hetzte er gegen die „Überrumpelungsaktion“, bei der „unangemeldet 150 Asylanten angekarrt“ worden seien. „Das muss ein Ende haben! Auf die Straße! Wehrt Euch!“[214] Weiterhin schrieb er von „Abgründen der Korruption und Geschäftemacherei mit Asylanten“, es gehe um „jede Menge Kohle, die sich mit den Glücksrittern aus Afrika machen lässt“. Der Noch-Oberbürgermeister der Stadt, Klaus Mättig (CDU), beklagte sich über die Entscheidung seiner Parteifreunde: „Als die Landesdirektion am Freitag anrief, hieß es noch, Freital wird keine Erstaufnahmeeinrichtung. Und jetzt werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt!“

Immer wieder gab es auch Aufrufe zur Gewalt. Ein anonymer User schrieb auf einer der Facebook-Seiten von Bachmann: „Lutz, irgendwie bringen friedliche Spaziergänge' nichts. Müssten nicht langsam mal schwerere Geschütze aufgefahren werden?"[215] Auch auf der rassistischen Facebook-Seite "Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim" entlud sich der Hass. Dort wurde schon vor Wochen angekündigt, der sächsischen Stadt die „entscheidende Rolle für ein Ende der Asylwirtschaft“ zu geben. Kommentatoren dort schrieben: „Kauft Euch Hunde, bringt Frauen und Kinder in Sicherheit!“ Auch zu einem Brandanschlag gegen den Bus mit den Asylsuchenden wurde aufgerufen: „Kann nicht jemand auf den Tank vom Bus schießen?“[216]

Die Aufrufe zum Protest verfehlten ihre Wirkung nicht. Rund 100 Anwohner demonstrierten gegen die neuen Flüchtlinge. Ihnen gegenüber standen 15 bis 20 Menschen, die Solidarität mit den Flüchtlingen zeigten, von Bachmann wurden sie als „SAntifa-Einsatzstaffel“ verunglimpft.

Die Bewohner des Flüchtlingsheims wurden aufgefordert, die Fenster zu schließen. Augenzeugen zufolge flogen Böller. Die Polizei reagierte verspätet - und aus Sicht von Flüchtlingsaktivisten auch falsch. Zunächst war sie gar nicht vor Ort. Später war dann zunächst nur ein Einsatzwagen am ehemaligen Hotel.

„Freital wehrt sich“ schrieb, mehr als 100 Bürger würden ihren „Unmut gegen die Verarschung“ kundtun. Ihnen gegenüber „stehen 15 Gutmenschen. Dazwischen ein Auto der Polizei.“[217] Erst am späten Abend waren dann laut Polizei gut ein Dutzend Polizisten vor Ort. Der Sprecher des sächsischen Innenministeriums, Martin Strunden, erklärte knapp: „Die Vorfälle sind beschämend und lenken von dem Engagement vieler für Asylbewerber ab.“ Die Polizeidirektion Dresden versicherte, die Beamten hätten „im Gespräch mit den anwesenden Personen der angespannten Stimmung entgegengewirkt“. Zu Auseinandersetzungen sei es nicht gekommen. Personalien der rassistischen Demonstranten wurden trotz Straftaten offenbar durch die Beamten nicht aufgenommen. Die Leitung des Heimes wollte sich nicht zu den Vorfällen äußern.

Eine Flüchtlingsaktivistin in Freital stellte fest, es habe eine „gewisse Art von Pogromstimmung“ geherrscht: „Die Polizei war nicht in der Lage einzugreifen und die Rassisten wegzuschicken.“ Die drohenden Auseinandersetzungen um die Unterkunft beschrieb sie folgendermaßen: „Vergleiche mit Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sind durchaus angebracht.“[218]

Die Internetseite Alternative Dresden News (ADDN) stellte die Frage, warum so wenig Polizei bei den rassistischen Protesten gewesen sei und verglich dies mit einem Einsatz kürzlich in Dresden, als die Polizei mit einem „riesigen Aufgebot“ einen Aufmarsch von 120 Neonazis durchgesetzt habe. Petra Zais, migrationspolitische Sprecherin der Grünen im sächsischen Landtag, zeigte sich über die Vorfälle, entsetzt.[219] Ihre Fraktion warne schon seit Februar davor, dass die Situation in Freital vollends kippen könne – und sich Szenen wie einst in Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen abspielen könnten. Die „Nein-zum-Heim-Bewegung“ in Freital sei als aggressiv bekannt, hinzu komme eine Art rechte Bürgerwehr, die Flüchtlinge auch militant einzuschüchtern versuche. Sie kritisierte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) scharf: „In dieser Situation Öl ins Feuer zu gießen und – weitgehend ohne vorherige Abstimmung und Kommunikation – aus dem als zentrale Unterkunft genutzten Hotel künftig ein Durchgangslager für Erstaufnahmen zu machen, ist entweder fahrlässig oder dumm – oder es hat Methode.“[220]

Juliane Nagel, Flüchtlingspolitikerin der Linken-Landtagsfraktion, sagte zu den rechten Protesten gegen Flüchtlinge: „Seit Monaten marodieren in Freital Rassisten gegen die Asyl-Unterkunft. Nun riskiert das sächsische Innenministerium wissentlich die Unversehrtheit dieser Menschen, indem dort eine Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet wird. Das ist brandgefährlich und nicht akzeptabel." Seit April habe es mindestens zehn Übergriffe gegen Flüchtlinge gegeben, „das heißt, die Sicherheitsbehörden sind nicht in der Lage oder willens für Schutz zu sorgen“.[221] Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann, warf den Pegida-Organisatoren eine „besonders erschreckende Stimmungsmache“ vor: „Manche geistigen Brandstifter unterscheiden sich von militanten Straftätern nur noch durch die Tat. Ich warne vor einer Normalisierung des Rassismus in unserem Land.“[222]

Ein normales Wochenende im Herbst 2015

In Magdeburg ging in der Nacht zum Sonntag eine Gruppe Neonazis mit Baseballschlägern auf syrische Flüchtlinge los, drei der Opfer mussten nach Polizeiangaben im Krankenhaus behandelt werden. Bei dem Überfall konnten Zivilpolizisten eingreifen und Schlimmeres verhindern. Dennoch erlitten mehrere Syrer Prellungen und Verletzungen im Gesicht. Die 20 bis 30 dunkel gekleideten Angreifer flüchteten in alle Richtungen. Ein 24-jähriger Beschuldigter wurde später festgenommen.[223]

Im sächsischen Freital warfen Unbekannte illegale Feuerwerkskörper auf ein Asylbewerberheim. Dabei wurden in der Nacht zum Sonntag mindestens drei Fenster von bewohnten Zimmern im Erdgeschoss beschädigt. Ein Bewohner erlitt Verletzungen im Gesicht. Eine rechte Motivation sei „sehr wahrscheinlich“, teilte die Polizei mit.[224] Freital hatte im Juni 2015 durch rassistische Aufmärsche gegen eine Flüchtlingsunterkunft in der Vergangenheit bundesweit Schlagzeilen gemacht (siehe oben). Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte den Anschlag in Freital als „feige und kaltblütig“. Die Täter hätten schwere Verletzungen oder gar Schlimmeres billigend in Kauf genommen. Die Taten müssten „empfindlich“ bestraft werden. Die Angreifer müssten wissen, „dass für sie kein Platz in unserer Gesellschaft ist“.

In Sehnde wurde im Eingangsbereich eines Fachwerkhauses, in dem Flüchtlinge untergebracht sind, Feuer gelegt.[225] Passanten bemerkten den Brand am Sonntag um 1 Uhr morgens. Die Feuerwehr konnte die Flammen schnell löschen, so dass niemand verletzt wurde. Unter Tatverdacht steht ein 43-jähriger Mann, der festgenommen wurde, wie die Polizei mitteilte. In der Nacht zum Samstag brannten zudem im sächsischen Dippoldiswalde mehrere Wohncontainer, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Auch hier geht die Polizei von Brandstiftung aus. Der Schaden beläuft sich nach Schätzungen auf 300.000 Euro. In Dresden brannte etwa zur selben Zeit ein ehemaliges Hotel. Durch Feuer auf mehreren Etagen wurde auch dieses Gebäude unbewohnbar. Medienberichten zufolge sollten dort Flüchtlinge untergebracht werden. Die Polizei konnte dies zunächst jedoch nicht bestätigen. Auch die Brandursache ist demnach noch unklar.

Attentat auf Henriette Reker

Einen Tag vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin verübte ein Neonazi am 17. Oktober 2015 mit einem Messer ein Attentat auf Henriette Reker und verletzte sie sowie eine weitere Frau schwer, drei weitere Personen leicht. Reker war als Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt der Stadt Köln auch für die kommunale Unterbringung von Flüchtlingen im Rahmen der Flüchtlingspolitik in der BRD zuständig.

Das Attentat ereignete sich am 17. Oktober 2015, einen Tag vor der Oberbürgermeisterwahl in Köln am 18. Oktober 2015. Die parteilose Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt Reker betrat gegen 9 Uhr einen Wochenmarkt in Köln-Braunsfeld, um an Wahlkampfständen der Kölner CDU, Grünen und FDP, die ihre Kandidatur gemeinsam unterstützten, präsent zu sein. Am CDU-Stand wurde Reker kurz darauf vom Täter mit einem 30 Zentimeter langen Bowiemesser in den Hals gestochen. Vier weitere Personen wurden ebenfalls verletzt, eine davon schwer.

Dort wurde der Täter, dessen Überwältigung von einem zufällig anwesenden Bundespolizisten unterstützt worden war, festgenommen. Eine ebenfalls privat anwesende Ärztin leistete bis zum Eintreffen weiterer Rettungskräfte Erste Hilfe. Reker überlebte das Attentat nach einer Notoperation im Universitätsklinikum Köln. Einen Tag danach gewann sie, noch im künstlichen Koma auf der Intensivstation, die Oberbürgermeisterwahl.

In einem offenen Brief vom 6. November 2015 bedankte sich Reker unter anderem bei „den Menschen, die sich in höchster Gefahr schützend vor mich gestellt (…) und geholfen haben, den Angreifer abzuwehren“ und stellte ihren Amtsantritt in Aussicht, sobald es ihr gesundheitlich möglich sei.[226] Am 20. November 2015, nach abgeschlossener Rehabilitationsbehandlung, trat Reker schließlich ihr Amt als Oberbürgermeisterin an.

Neben der eigentlichen Zielperson des Anschlags wurden vier weitere Personen verletzt, darunter die CDU-Politikerin Marliese Berthmann. Berthmann wurde vom Täter mit einem Butterfly-Messer in die linke Lende gestochen.[227] Die FDP-Ratsfrau Katja Hoyer erlitt eine Stichwunde an der linken Wange. Anette von Waldow (FDP) wurde durch zwei Stiche verletzt. Pascal Siemens (Grüne) erlitt einen tiefen Schnitt im rechten Arm.[228]

Nach Polizeiangaben handelte es sich bei dem Täter um einen 44 Jahre alten, arbeitslosen gelernten Maler und Lackierer aus Köln-Nippes der nach Angaben der Bundesanwaltschaft aus rassistischen Motiven gehandelt hat. Er beging die Tat „aus Unzufriedenheit mit der Asylpolitik Henriette Rekers im Rahmen der Flüchtlingskrise“.[229] Nach Aussage des Generalbundesanwalts wollte der Täter ein Klima der Angst bei allen in Flüchtlingsunterkünften untergebrachten Personen erzeugen.[230] Polizeibeamten gegenüber äußerte sich er kurz nach seiner Festnahme mit den Worten „Ich wollte sie töten, um Deutschland und auch der Polizei einen Gefallen zu tun“ und „Ich wollte in 20 Jahren nicht in einer muslimisch geprägten Gesellschaft leben“.[231] Seine politische Vorgeschichte geht zurück auf die neonazistische Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), zu der er Anfang der 1990er Jahre Kontakt gepflegt hatte.[232] Er war zum Zeitpunkt der Tat mehrfach vorbestraft: In den Jahren 1996, 1997 und 1998 verurteilte das Amtsgericht Bonn ihn jeweils wegen Körperverletzung.[233]

Gegen den Täter wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen eingeleitet.[234] Der Neonazi wollte nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft „ein Zeichen“ gegen die aus seiner Sicht immer höher werdende Anzahl der von der Bundesrepublik aufgenommenen Flüchtlinge setzen.[235] Er gab gegenüber Ärzten und Psychologen an, sich vor seiner Tat „Mut angetrunken“ zu haben.[236] Am 28. Oktober 2015 erließ die Generalbundesanwaltschaft Haftbefehl gegen den Attentäter. Am 2. Februar 2016 erhob sie Anklage gegen ihn wegen versuchten Mordes und Körperverletzung in fünf Fällen, die am Oberlandesgericht Düsseldorf vor dem Staatsschutzsenat verhandelt wird.[237]

Das Attentat hatte eine große mediale Resonanz und wurde auch international aufgegriffen.[238]

Noch am Tag des Attentates bildeten zahlreiche Bürger sowie Vertreter der nordrhein-westfälischen Landespolitik vor dem Kölner Rathaus eine Menschenkette als Zeichen der Solidarität mit Reker und gegen Gewalt. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bezeichnete den Anschlag als „Angriff auf uns alle“.[239]

Auch aus der Zivilgesellschaft kamen Solidaritätsbekundungen für Reker. Die irische Rockband U2 widmete Reker bei ihrem Kölner Auftritt am Tag der Tat den Song Pride.[240] Der Bundesligaverein FC Schalke 04 zeigte sich „erschüttert über das Ausmaß an Radikalisierung, Hass und Gewalt“ und übermittelte Henriette Reker öffentlich Genesungswünsche. Der Opernregisseur Bruno Berger-Gorski bringt das Attentat im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in seiner Inszenierung von Josef Tals israelischer Kammeroper „Der Garten“ in der Bonner Bundeskunsthalle auf die Bühne.[241]

Bundesjustizminister Heiko Maas gab dem fremdenfeindlichen Demonstrationsbündnis Pegida eine Mitschuld, da Pegida die Hemmschwelle dafür senke, dass „aus Worten Taten werden“.[242]

Auch Bundespolitiker verschiedener Parteien warfen Pegida vor, den Boden für den Anschlag bereitet zu haben. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet forderte Pegida-Mitläufer auf, „nach Köln“ zu schauen, und warnte vor Menschen, die sich von „gefährlichen Worten und Bildern möglicherweise zu Taten anstacheln lassen“.[243] Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bezeichnete die Pegida-Organisatoren als „Demokratiefeinde“ und „geistige Brandstifter“ und machte Rechte für das vergiftete Klima verantwortlich, aus dem der Anschlag erwachsen sei.[244] Auch die Bundesvorsitzende der Linken Katja Kipping konstatierte „eine neue Unverfrorenheit, auch eine neue Gewalteskalation“, die jeden treffen könne, wenn „der braune Mob einmal loslegt. (…) Pegida, AfD und Co. haben ganz klar eine gesellschaftliche Stimmung mit angeheizt, die dann zu solchen erschreckenden Übergriffen führt.“[245]

Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, forderte eine nicht näher definierte Verschärfung des Strafrechts, um Politiker besser vor Drohungen und Gewalttaten zu schützen. Droh-E-Mails und Hasskommentare sollten bei einer zentralen Sammelstelle gemeldet werden.[246]

Schändung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

Nicht nur Flüchtlinge oder ihre Unterstützer aus Politik und Öffentlichkeit wurden Zielscheibe des rechten Hasses. Alle Personengruppen, die nicht in das Weltbild der Neonazis passen, mussten oder müssen befürchten, früher oder später deren Opfer zu werden. So wurde im Herbst 2015 das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas mit einem Hakenkreuz und der Aufforderung „Vergasen“ geschändet.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas wurde am 24. Oktober 2012 im Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundespräsidenten Joachim Gauck eingeweiht.[247] Es befindet sich in Berlin-Mitte etwas südlich des Reichstages. Der israelische Künstler Dani Karavan schuf ein kreisrundes Wasserbecken mit zwölf Metern Durchmesser mit schwarzem Grund. In die Beckenmitte platzierte der Künstler eine dreieckige steinerne Stele, die von oben gesehen an den Winkel auf der Kleidung der KZ-Häftlinge erinnert. Auf der Stele liegt eine frische Blume. Immer wenn sie verwelkt ist, versinkt der Stein in einen Raum unter dem Becken, wo eine neue Blume auf den Stein gelegt wird, um danach wieder hochzufahren und aus dem Wasserbecken emporzusteigen.

Nun wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Zentrum wurde mit Hakenkreuzen beschmiert.[248] Die Täter hinterließen unter anderem den Schriftzug „Vergasen". Dies teilte die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas Ende Oktober 2015 in Berlin mit. Die Schmierereien sind inzwischen entfernt worden. Die Stiftung, die auch für die Betreuung des Denkmals zuständig ist, habe Anzeige erstattet und die Sicherheitsmaßnahmen an der Gedenkstätte nahe dem Brandenburger Tor verstärkt. Der Staatschutz wurde eingeschaltet und ermittelt nun gegen Unbekannt.

Politiker und Funktionäre verurteilten den Anschlag auf das Schärfste und forderten ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antiziganismus. Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, bezeichnete den Anschlag als „aggressiven Antiziganismus“.[249] Romeo Franz, Direktor der Hildegard Lagrenne Stiftung und Komponist des Musikstückes am Denkmal, bezeichnete den Vorfall als „Angriff auf den Prozess der Versöhnung“. Er treffe viele Sinti und Roma mit ihrer leidvollen Familiengeschichte persönlich: „Auch in Deutschland erfahren unsere Menschen 70 Jahre nach dem Völkermord noch immer tagtäglich Ausgrenzung und Diskriminierung."[250] Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagte, die Schändung, die „in diesem Ausmaß erstmals am Denkmal stattgefunden hat, zeigt, dass die Rechtsextremisten in der momentanen Krise jetzt die Gelegenheit sehen, den Geist Hitlers wieder neu zu beleben“. Der Zentralrat kündigte an, nicht nur Strafanzeige wegen Volksverhetzung, sondern auch wegen Bedrohung zu erstatten. Rose führte aus: „Den Tätern kam es mit dem Begriff 'Vergasen' offensichtlich darauf an, zur Gewalt gegen die Minderheit aufzurufen, die Opfer des Holocausts in Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern wurde".[251]

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, bezeichnete den Anschlag als „abscheuliche Tat". Die Feindschaft gegenüber Sinti und Roma habe in Deutschland keinen Platz. Lüders führte aus: „Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Sinti und Roma in Deutschland diskriminiert werden und antiziganistische Hetze verharmlost wird".[252]

Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, sprach von einem dreisten Anschlag auf das Gedenken Hunderttausender NS-Opfer. Sie gehe davon aus, dass diese „widerliche Tat“ auch ein Produkt des Hasses sei, der von der islamfeindlichen „Pegida“-Bewegung "und anderen Rassisten" gesät werde. Es sei wichtig, dass die Demokraten in Deutschland nun dagegenhielten und sich mit Flüchtlingen solidarisierten. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Volker Beck, forderte ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antiziganismus: "Taten wie diese veranschaulichen die hässlichen Abgründe der deutschen Gesellschaft, doch sie haben keine Konsequenzen".[253] Die deutsche Gesellschaft müsse die Tat als einen "Anschlag auf die Menschenwürde und unser aller Freiheit" sehen.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern bilanzierte: "Ich verurteile diese widerliche Tat auf das Schärfste und fühle mit den Sinti und Roma. Doch trifft diese Tat nicht nur die Sinti und Roma. Sie trifft unsere Gesellschaft im Kern. Diese rassistische Schändung ist ein weiteres Zeichen unserer Zeit, in der offene Fremdenfeindlichkeit, völkisch-nationale Parolen und rechtsextremes Gedankengut im öffentlichen Diskurs immer präsenter und lauter werden. Die politische Kultur Deutschlands steht unter Beschuss von radikalen Scharfmachern. Das ist der Nährboden für derartige Schändungen und Schmähzuschriften, für die tägliche Gewalt gegen Flüchtlingseinrichtungen, für das Attentat auf Henriette Reker und für die unerträglichen digitalen Exzesse, die wir im Internet erleben. Angesichts dieser Situation in unserem Land müssen bei allen wehrhaften freiheitlichen Demokraten in Politik und Gesellschaft die Alarmglocken schrillen".[254]

Mit ihrer rassistischen Hetze ist die AfD der ideologische und praktische Wegbereiter für die zahllosen Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte.[255]

Es gibt vielmehr seit Jahrzehnten ein nachweisbares hohes Einstellungspotential innerhalb der „Mitte der Gesellschaft“, das nun durch die AfD zur Wahl einer rechten Partei ermuntert und nur noch in Stimmzetteln umgemünzt werden musste.[256] Es gelang in den letzten Jahrzehnten abgesehen von den Wahlerfolgen der NPD in Sachsen, der DVU in Sachsen-Anhalt 1998 und den „Republikanern“ in Baden-Württemberg 1996 keiner rechten Partei dieses schlummernde rechte und demokratiefeindliche Potential auch nur annähernd abzurufen. Nur dank der Inkompetenz der bisherigen etablierten rechten Parteien und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr – in welcher Form auch immer- blieb eine elektorale Stärke von Rechs bisher aus. Die CSU/CDU und auch die FDP saugten mit ihren jeweiligen starken rechten Flügeln diese Wählerschichten auf. Der schwindende Einfluss der Stahlhelm-Fraktion in der CDU/CSU und die Annäherung der Politik Angela Merkels an moderne Überzeugungen ließ Platz für eine Partei rechts von der CDU/CSU, den die AfD nun ausfüllt.

Die „Alternative für Deutschland“ ist eine rechtspopulistische Partei mit einer nationalistischen, rassistischen, antifeministischen, und antisozialen Agenda.[257]

In ihrem Wahlprogramm spricht die AfD in beinahe apokalyptischem Duktus davon, dass Zukunft der BRD durch die „verfehlte Eurorettungspolitik“, die „kopflose Energiewende“ und die „völlig verantwortungslose Asyl- und Flüchtlingspolitik“ gefährdet sei. Sie fühle sich bedroht durch „grüne und rote Ideologen“ und einer „Allianz der Altparteien“, die das Land in den „kulturellen und ökonomischen Ruin“ treiben würden. Gegen den von ihr ausgemachten „rapiden Verfall der Demokratie und des Rechtsstaates“ postuliert sie „Freiheit und Selbstverantwortung, gesundes Selbstbewusstsein und Heimatliebe, direkte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, ideologiefreien Realismus und ökonomische Vernunft, Bürgersinn und Tradition“.[258] Doch hinter diesen Worthülsen verbirgt sich stramm rechtes Gedankengut.

Die AfD grenzt sich von der Politik der Bundesregierung ab, der sie vorwirft, sich nicht um die „Interessen des Volkes“ zu kümmern.[259] Die Alternative soll in der radikalen Bevorzugung des nationalen Kollektivs gegenüber dem Rest der Menschheit liegen. So solle das Geld, das für die Eurorettung aufgewendet wird, lieber für Deutschland ausgegeben werden. Die AfD setzt auf die kompromisslose Abschottung des Nationalstaats. So fordert sie die Aussetzung des Schengen-Abkommens und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Sie will die Zeit zurückdrehen und würde wohl am liebsten die Deutsche Mark wieder einführen. Dem Rechtspopulismus geht es weniger um die pragmatische Verwaltung des Bestehenden als um nationale Identität und die Simulation politischer Handlungsfähigkeit. Maßnahmen wie die von der AfD geplante Einführung eines „Tages des Heimatschutzes“, die Wiedereinführung des allgemeinen Wehrdienstes oder die Förderung von Deutsch als Wissenschaftssprache schlagen in diese Kerbe.[260]

Das Hauptthema der AfD im derzeitigen Wahlkampf ist ihr Kampf gegen den „Einwanderungswahn“ und die vermeintliche „Willkommensdiktatur“.[261] Es wird von einer „Völkerwanderung“ fabuliert, welche die „kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Grundlagen“ Deutschlands und Europas zu „zertrümmern“ drohe. Die Flüchtlinge würden „Konflikte aus aller Welt“, „archaische Sitten“ und „unüberbrückbare kulturelle Unterschiede“ nach Deutschland importieren.[262] Eine Integration in Staat und Arbeitsmarkt sei unmöglich. Als Konsequenz daraus fordert die AfD mehr Abschiebungen, die Beseitigung von „Abschiebehindernissen aus gesundheitlichen Gründen“, die Streichung des Aufenthalts aus humanitären Gründen, die Abschaffung der Härtefallkommission, die Abschaffung des Partizipations- und Integrationsgesetzes, die Abschaffung des Widerspruchsverfahren im Ausländerrecht, die Abschaffung des Integrationsministeriums, den Bau von speziellen Abschiebegefängnissen und die Schaffung grenznaher Lager für Flüchtlinge, um diese in einem 48-Stunden-Verfahren möglichst schnell abschieben zu können.[263]

Die lange Zeit dominante Form des klassischen, biologistisch argumentierenden Rassismus, den etwa die NPD vertritt, transformiert sich zunehmend zu einem kulturalistisch argumentierenden Rassismus. Mittlerweile wird eher weniger auf „Rasse“ oder „Gene“, sondern mehr auf die angeblich unveränderliche „Kultur“ eines Menschen verwiesen, um ihn als „Störfaktor“ innerhalb einer homogen vorgestellten Gesellschaft zu klassifizieren.[264]

In der aktuellen Flüchtlingsdebatte und auch bei der AfD wird hierbei eine Unterscheidung von Flüchtlingen in zwei Gruppen vorgenommen:[265] So stehen auf der einen Seite „nützliche“ Einwanderer, die gut ausgebildet und der deutschen Wirtschaft dienlich seien, sowie „Kriegsflüchtlinge“. Wer nicht in diese Kategorien fällt, der wird als „Wirtschaftsflüchtling“ oder „Scheinasylant“ diffamiert, der das Recht auf Asyl „missbrauchen“ würde und so schnell wie möglich wieder abgeschoben werden soll. Die deutsche Abschiebepraxis, die von den Grünen, der SPD und der CDU getragen wird, funktioniert nach eben dieser menschenverachtenden Maßgabe, die von der AfD nur noch radikalisiert wird.

Rechtsruck in Teilen der parlamentarischen Linken

Die Asylrechtsverschärfung 2015 sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive früher an Sprachkursen teilnehmen dürfen. Der Bund nimmt Ländern und Kommunen zudem einen größeren Teil der Gesamtkosten ab als bisher. Im Gegenzug dazu werden Abschiebungen erleichtert und die Balkanstaaten Albanien, Kosovo und Montenegro zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Die Erstaufnahmeeinrichtungen sollen statt Taschengeld künftig verstärkt Sachleistungen ausgeben, etwa in Form von Wertgutscheinen.

Wenige Tage, nachdem die Große Koalition beschlossen hat, das Asylrecht weiter zu verschärfen, forderte der langjährige Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, noch weitreichendere Maßnahmen. Lafontaine verlangte, die Zahl der Flüchtlinge, denen in der BRD Schutz gewährt wird, durch „feste Kontingente in Europa zu begrenzen und dafür den hier Aufgenommen zu ermöglichen, ihre Ehepartner und Kinder nach zu holen“.[266] In rechtspopulistischer Manier behauptete er, „ein stetig ansteigender Zuzug“ hätte „zwangsläufig zur Folge, dass der Nachzug von Familienmitgliedern begrenzt werden müsste. (…) Eine entsprechende klare Aussage der Bundeskanzlerin Angela Merkel fehlt bisher. Nach Auffassung führender Politiker in Europa ist sie daher mittlerweile mit verantwortlich für die stetig ansteigenden Flüchtlingszahlen und das Erstarken rechter Parteien in Europa.“[267]

Mit seinen populistischen Thesen stellte sich Lafontaine offen in eine Reihe mit der CSU und anderen rassistischen Scharfmachern, die von Merkel härtere Maßnahmen gegen Flüchtlinge fordern. Lafontaine startete auch den Versuch, ärmere Deutsche gegen Flüchtlinge auszuspielen: „Die Kosten dürfen nicht diejenigen tragen, die ohnehin schon benachteiligt sind, nämlich die Geringverdiener, Arbeitslosen, Rentner und Familien. Es darf nicht sein, dass an Schulen, im sozialen Bereich, bei der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Polizei gekürzt und gestrichen wird, während sich Merkel, Gabriel und Co weigern, Millionäre angemessen an der Finanzierung zu beteiligen.“[268]

Lafontaines Übernahme von rechten Parolen in Fragen der Migration sind aber nichts Neues. Er zählt zu den „Pionieren der reaktionären deutschen Flüchtlingspolitik“.[269]

Anfang der 1990er Jahre erließ Lafontaine noch als Ministerpräsident des Saarlandes und SPD-Mitglied als Bestandteil einer landesweiten Kampagne gegen Flüchtlinge „Sofortmaßnahmen“: darunter die Einführung von Sammellagern, Gemeinschaftsverpflegung und Sachleistungen. Lafontaine galt damals als Verfechter eines harten Kurses in der Flüchtlingspolitik und war im August 1992 zusammen mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Björn Engholm für die „Petersburger Wende“ verantwortlich, der Radikalisierung der SPD in der Asyl- und Außenpolitik, die u.a. zur faktischen Abschaffung des Asylrechts im „Asylkompromiss“ führte. In der Bild-Zeitung postulierte er, dass unter „den 15 Prozent“ der Flüchtlinge, die Afrika verließen, „nicht die Schwachen, die Alten, die Kranken und die elternlosen Kinder“ seien. „Es sind in der Regel die Gesunden, die Leistungsfähigen, die nach Europa wollen, um besser zu leben“.[270]

Wenig später bekräftigte Sarah Wagenknecht die Aussagen Lafontaines zu „europäischen Kontingenten“ in der Flüchtlingspolitik. In einem Interview mit Spiegel Online am 7.12.2015 stellte sie fest: „Wir können nicht jedes Jahr eine Million Menschen aufnehmen. Deshalb muss Deutschland viel mehr dafür tun, dass nicht mehr so viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Die Kriege sind ja die Fluchtursache Nummer eins.“[271] Sie bezeichnete weiterhin „europäische Kontingente“ für Flüchtlinge als „Verbesserung“ und stützte damit die These Lafontaines: „Es braucht eine europäische Flüchtlingspolitik. Wenn Kontingente bedeuten, dass auch andere EU-Länder Flüchtlinge in größerer Zahl aufnehmen und wenn damit legale Einwanderungswege geöffnet werden, wären Kontingente auf jeden Fall eine Verbesserung.“[272] Weiterhin versuchte sie Teile der Wähler der Linkspartei, die mit den Forderungen von Pegida sympathisieren, vom Vorwurf des Rassismus freizusprechen: „Ich halte es genauso für falsch, jeden, der Probleme anspricht, die wir infolge der Flüchtlingskrise haben, oder der sich Sorgen macht wegen steigender Mieten oder Kürzungen an anderer Stelle, in die Pegida-Ecke zu stellen.“[273]

Wagenknechts Verwendung des immer wieder gebrauchten Begriffes der „Flüchtlingskrise“ oder sonstige Angstmetaphern sind sicherlich auch nicht hilfreich für eine Versachlichung des Diskurses. Schon Anfang der 1990er Jahre bestärkten Begriffe wie „Asylantenflut“ oder „Ausländerschwemme“, die 2015/16 unhinterfragt wiederverwendet werden, den rassistischen Diskurs. Das Wort „Flüchtlingskrise“ suggeriert auch, dass die Flüchtlinge für eine „Krise“ in der BRD sorgen würden, also Ursache des „Problems“ sind. Vielmehr sind sie in großer Zahl vor Kriegen geflüchtet, traumatisiert und aufgrund der zuweilen unzulänglichen staatlichen Organisation von Problemen betroffen.

Rassistische Hetze bei der CSU

Unter den bürgerlichen Parteien sticht besonders die CSU mit rassistischen und wohlstandschauvinistischen Parolen gegen Flüchtlinge und Ausländer im Allgemeinen hervor.

Die CSU unternimmt systematisch den Versuch, mit rassistischen und populistischen Thesen zur Flüchtlingspolitik der AfD das Wasser abzugraben und macht sich mitschuldig am angeheizten rassistischen Klima in der Gesellschaft, was direkt in Übergriffe auf Flüchtlinge oder Anschläge auf ihre Wohnheime mündet. Im Folgenden einige Beispiele:

Als am 5.9.2015 die deutsche Regierung mit Beteiligung von CSU-Ministern der Einreise von 8000 in Ungarn festgehaltener Flüchtlinge zustimmte, verurteilte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Entscheidung als „völlig falsches Signal innerhalb Europas“.[274]

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer kündigte Anfang Oktober 2015 an, neu ankommende Asylbewerber direkt in andere Bundesländer weiterzuleiten: „Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands.“[275]

Wenige Stunden nach den Anschlägen von Paris stellte Markus Söder (CSU) mit dem Tweet „#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen“ völlig zusammenhanglos einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terrorismus her. Dies erntete Kritik aus allen Fraktionen in Bundestag. Söder hielt dem entgegen: „Die deutsche Regierung muss zuvorderst an ihre eigenen Leute denken.“ Die Regierungsmitglieder hätten sich dazu verpflichtet, das deutsche Volk zu schützen: „Sie verpflichten sich nicht, dies für die ganze Welt zu tun.“ Seehofer stellte sich vor Söder und forderte: „Wir müssen uns umgehend wieder Klarheit verschaffen, wer in unser Land kommt, wer durch unser Land fährt und wer sich hier aufhält.“[276]

Horst Seehofer forderte in der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kategorisch eine Kurskorrektur: „Wie man es dreht und wendet, an einer Begrenzung, einer Obergrenze führt kein Weg vorbei".[277] Seehofers Hauptforderungen in der Flüchtlingsdiskussion waren eine Obergrenze für Asylsuchende, Transitzonen an Grenzen Bayerns, eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge sowie schnellere Vertreibung abgelehnter Asylsuchender. Nach jüngsten Meinungsumfragen sinkt die Beliebtheit der Kanzlerin in Bayern, während Seehofers Werte auf ein Rekordhoch gestiegen sind. Daraus schloss Seehofer: „Wir sind von dem Sinkflug (der Union) nicht erfasst. Die Basis denkt wie wir.“[278]

Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionsvorsitzende bemerkte im Bayerischen Landtag zu der rassistischen Agitation der CSU: „Wir brauchen einen politischen Diskurs, in dem auf geistige Brandstiftung verzichtet wird, da dies reale Feuerteufel nach sich zieht.”[279]

Nach einem Brandschlag in Franken stellte Heribert Prantl zu Recht fest: „Wer heute hetzerische Reden verharmlost, leistet Beihilfe zur Herstellung von Agitationscocktails. Und wer, wie 1992, von Wogen, Wellen und Massen von Flüchtlingen spricht, soll seine Hände nicht in Unschuld waschen.“[280]

Die Taktik der CSU besteht darin, mit rassistischen Aussagen den rechten Rand bedienen, um diese immer größer werdende Gruppe für die Koalition einzunehmen und der AfD das Wasser abzugraben. Flüchtlinge werden dabei als Gefahr dargestellt, anstatt die Fluchtursachen zu bekämpfen. Migration wird in der Semantik der Gefahren dargestellt und mit Angstmetaphern betitelt, eine sachliche Darstellung der eigentlichen Situation und zielgerichtetes Handeln nach den Prinzipien der Vernunft ist nicht erkennbar und wahrscheinlich auch gar nicht gewollt.

Konkrete Fluchtursachen (Kriege, Gewalt, regionale Bürgerkriege aufgrund der westlichen Interventionen in den vergangenen Jahrzehnten, deutsche Waffenlieferungen) werden bewusst in der Debatte unterschlagen.[281] Dass die eigentliche Gefahr der teilweise rassistische Umgang mit der Situation der Flüchtlinge und die dramatisch zunehmenden Anschläge auf Unterkünfte oder rechte Gewalttaten sind, ist nur ein Nebenschauplatz. Die Situation der Flüchtlinge wird gezielt von der CSU für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert.

Ausblick

Im Zeitalter der Globalisierung bilden nicht mehr die Nationalstaaten, sondern die kosmopolitische Weltgesellschaft den Referenzrahmen des alltäglichen Denken und Handelns. Die Bedeutung der Nationalstaaten schwindet, da sie ihre ökonomische, soziale und kulturelle Steuerungsfunktion nur noch in begrenztem Maße wahrnehmen können. Die interagierende Weltgesellschaft mit ihrer kulturellen Vielfalt kann nur durch interkulturellen Dialog und Kooperation bestehen. Der Philosoph Kwame Anthony Appiah stellt zu Recht fest: „Eine Welt, in der sich Gemeinschaften klar gegenüber abgrenzen, scheint keine ernsthafte Option mehr zu sein, falls sie es denn jemals war. Abtrennung und Abschließung waren in unserer umherreisenden Spezies schon immer etwas Anormales.“[282] Die Geschichte der Ein- und Auswanderung nach bzw. aus Deutschland zeigt eindeutig, dass es immer wieder zu einer Vermischung und Neuschöpfung von Kultur in jeglicher Form gab.[283] Die im Laufe des 17. Jahrhunderts nach Brandenburg-Preußen eingewanderten Salzburger Protestanten, holländische Fabrikanten und Handwerker sowie die französischen Glaubensflüchtlinge (Hugenotten) sind dafür das beste Beispiel. Gerhard Paul bemerkt richtigerweise: „‘Autochtone‘ Kulturen gibt es nicht. So gibt es keine reine oder ‚wahrhaft‘ deutsche Kultur.“[284]

Flucht und Migration sind Folgeerscheinungen von Kriegen, zu deren Entstehung die Bundesrepublik und andere westliche Staaten auch durch Waffenlieferungen beigetragen haben. Es gilt also auf dem Parkett der internationalen Politik für ein Ende der Kriege oder wenigstens einen vorzeitigen überprüfbaren Frieden zu sorgen.

Als weiteres gilt, das was Aydan Ösuguz, Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, bemerkte: „Die EU ist multikulturell, multiethnisch und multireligiös. Unsere Grundwerte verpflichten uns und diejenigen, die bei uns eine neue Heimat suchen. Besonders schutzbedürftige Personen, wie die syrischen Flüchtlinge, sollten bereits im Libanon oder Nordafrika aufgenommen und auf sicheren und legalen Wegen nach Europa gebracht werden. Sie dürfen sich nicht mehr länger in Lebensgefahr begeben, um bei uns Asyl zu beantragen. Der aktuelle Zustrom an Flüchtlingen ist die Folge dramatischer Entwicklungen in unserer Nachbarschaft. Doch die Krisen in den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge – wie Bürgerkriege, zerfallende Staatlichkeit, Terrorismus oder Armut – werden wir nicht mit Zäunen an den Außengrenzen der EU oder Patrouillenbooten im Mittelmeer lösen. Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge!“[285]

Stück für Stück wurde in den letzten Jahren die Mauer um Europa hochgezogen und die „Festung Europa“ auch durch die BRD ausgebaut. Während es innerhalb des Schengen-Raums mit den richtigen Papieren immer einfacher wird, die Landesgrenzen zu überschreiten, werden Menschen außerhalb des Kontinents zunehmend Hindernisse in den Weg gelegt. Tausende von Migranten sind in den letzten Jahren schon an der EU-Außengrenze gestorben.

Unter diesen Umständen muss die jetzige Flüchtlingspolitik revidiert und folgende Punkte umgesetzt werden:

In den Sechziger- und frühen Siebzigerjahren wurden Arbeitsmigranten aktiv angeworben, zunächst in den Niederlanden, Westdeutschland, Italien, Österreich, Belgien und Griechenland, später auch in Jugoslawien und der Türkei. Bilaterale Abkommen wurden mit Italien, Österreich und Ungarn geschlossen und die Schwedische Arbeitsagentur Arbetsmarknadsstyrelsen richtete in Turin, Athen, Belgrad und Ankara Rekrutierungsbüros ein. Viele Migranten kamen auch aus dem damals im Vergleich zu Schweden weniger wohlhabenden Finnland. Anders als z.B. in Deutschland oder den Niederlanden verfolgte die schwedische Regierung keine "Gastarbeiterpolitik", sondern ging von Beginn an davon aus, dass die zugewanderten Arbeitskräfte bleiben, sich integrieren und schließlich schwedische Staatsangehörige werden würden.[286]

1972/73 wurde die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte gestoppt, da die Wirtschaft erlahmte. Die Migrationsbewegungen setzten sich jedoch auch danach noch fort. Statt als angeworbene Arbeiter kommen Zuwanderer seither hauptsächlich im Rahmen des Familiennachzugs zu bereits in Schweden ansässigen Verwandten oder als Schutzsuchende (z.B. Flüchtlinge). Seit dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 gilt zudem auch in Schweden das Prinzip der Personenfreizügigkeit von EU-Bürgern. Auch dem Schengener Abkommen ist Schweden beigetreten, wodurch die Kontrollen an Grenzen mit anderen Vertragspartnern entfielen. Im Ergebnis führte Schweden an seinen Landgrenzen bislang keine Kontrollen mehr durch.

Schweden war lange Zeit das Land mit der großzügigsten Asylpolitik in Europa und nahm bereits vor den heutigen Flüchtlingsbewegungen – relativ zur Bevölkerungszahl von nur 9,8 Millionen Einwohnern – viel mehr Flüchtlinge auf als jedes andere EU-Land. Im Jahr 2014 wurden dort 13 % der Asylanträge in der EU registriert, während das Land weniger als 2 % der Einwohner hat. 2014 wurden insgesamt 81.300 Flüchtlinge in Schweden aufgenommen. Im Jahre 2014 kamen auf 1000 Einwohner 7,8 Asylbewerber, im Vergleich dazu waren es in Deutschland 2,1. Flüchtlinge erhielten nach der Anerkennung eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und konnten nach vier Jahren Aufenthalt die schwedische Staatsbürgerschaft erwerben. Bei Wohnraumbeschaffung, Familienzusammenführung und finanzieller Versorgung der Flüchtlinge wurde in Schweden großzügig verfahren.[287]

Bereits bei der Reichstagswahl am 14. September 2014 erreichte die rechte Partei Schwedendemokraten knapp 13 % der Stimmen, in Umfragen vom August 2015 erreichte sie 23–25 %, mehr als jede andere schwedische Partei. Die Rechten warben als einzige Partei Schwedens schon immer dafür, weit weniger Flüchtlinge ins Land zu lassen als bisher, und wollen mit Anzeigen Flüchtlinge davon abhalten, ihre Flucht von der Türkei aus nach Schweden fortzusetzen.

Um eine unverhältnismäßig starke Konzentration der eingewanderten Bevölkerung an bestimmten Orten zu verhindern, versuchte die Regierung in der Vergangenheit, neu ins Land gekommene Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge über das ganze Land zu verteilen, ein Ansatz, der als "Ganz-Schweden"-Politik bekannt geworden ist.[288] Dieser sollte auch erkennbaren Tendenzen der Alterung in entlegenen Regionen, insbesondere in Zentral- und Nordschweden, sowie der Entvölkerung kleiner Städte durch die Abwanderung junger Menschen in Städte im Süden des Landes entgegenwirken.

Die "Ganz-Schweden"-Politik hat im Laufe der vergangenen Jahre jedoch ein Dilemma heraufbeschworen: Gemeinden in Regionen, die unter Abwanderung und Überalterung leiden, erklärten sich bereit, Asylbewerber und Flüchtlinge aufzunehmen. Gleichzeitig aber mangelte es dort oftmals an Arbeitsplätzen, so dass Migranten, die dort untergebracht wurden, häufig versuchten, so schnell wie möglich in eine größere Stadt weiterzuziehen. In Städten wie Göteborg, Malmö oder Stockholm gibt es zwar tatsächlich eher freie Stellen, dafür aber nur wenige preiswerte Wohnungen. Dadurch kommt es verbreitet zur Konzentration von Migranten auf engem Raum in Vororten, was zu sozialen Spannungen beiträgt.

Die Prognose für die Zahl der 2015 gestellten Asylanträge wurde im Spätsommer 2015 von 90.000 auf 74.000 gesenkt, weil erhofft wurde, die im Vergleich zu Deutschland langen Bearbeitungszeiten würden potentielle Asylbewerber von einer Antragstellung in Schweden abhalten. In Anbetracht der Änderung der gesamten Situation wurde die Schätzung im Oktober 2015 auf bis zu 190.000 Asylsuchende im Jahr 2015 umgeändert. Es wurde mitgeteilt, dass die Menschen wohl nicht alle in winterfesten Unterkünften untergebracht könnten. Die zusätzlichen Kosten der erhöhten Bewerberzahl bezifferte man auf 7,4 Milliarden Euro. Bei dem Besuch eines Aufnahmezentrums für Flüchtlinge Ende Oktober 2015 äußerte Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven in Anbetracht der angespannten Flüchtlingssituation im Land: „Wir sind in Schweden an der Grenze unserer Aufnahmekapazität“.

Anfang November 2015 erklärte der Ministerpräsident, dass die Kapazitäten nun „überdehnt“ seien und Flüchtlinge, die sich bereits in Schweden befänden, auf andere EU-Länder verteilt werden müssten. Eine Nachrichtenagentur verbreitete in dem Zusammenhang eine Kapazität von bis zu 54.000 Personen.

Am 11. November 2015 gab die Regierung Löfven bekannt, dass ab dem 12. November wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Von dieser Maßnahme, die zunächst auf zehn Tage befristet wurde, waren die Zug- und Autotrassen auf der Öresundbrücke sowie die Fährverbindungen in Südschweden betroffen.

Anfang Herbst stellten wöchentlich 10.000 Flüchtlinge in Schweden Asylanträge. Durch die ständig steigenden Flüchtlingszahlen, aber auch wegen der fehlenden Solidarität anderer EU-Länder fühlte sich die Regierung „überfordert“. Ende November 2015 beschloss die schwedische Regierung deshalb Verschärfungen im Asylrecht.

Auf Beschluss des schwedischen Parlaments wurden Mitte Dezember 2015 die bereits von Polizei und Transportunternehmen durchgeführten Passkontrollen auf den Fähren auf Busse und Züge, die aus Dänemark und Deutschland kommen, ausgedehnt. Flüchtlingen ohne Dokumente wurde die Einreise nicht mehr erlaubt. Außerdem ist vorgesehen, dass Personen, die als Flüchtlinge anerkannt werden, fortan nur auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden. Geplant ist auch die Einführung von zeitlichen Beschränkungen beim Familiennachzug und diesen nur noch zu gestatten, wenn ein Nachweis der finanziellen Selbstversorgung erbracht werden kann; praktisch ist dies meistens unmöglich. Die drastisch angestiegene Zahl von unbegleitet kommenden Flüchtlingskindern soll durch medizinische Alterstests begrenzt werden. Seit dem 4. Januar 2016 muss sich jede Person ausweisen, die aus Dänemark nach Schweden einreisen möchte. Am 7. Januar verlängerte Schweden diese Regelung bis zum 8. Februar 2016.

Die Regierung verschärfte die auch Regeln für die Aufnahme von Asylbewerbern. So wurde beispielsweise eine befristete Aufenthaltserlaubnis eingeführt. Einige Flüchtlinge, etwa Familien mit Kindern, sollen davon ausgenommen werden. Außerdem sollen Asylanträge schneller bearbeitet und abgewiesene Asylbewerber schneller zurückgeschickt werden, damit Unterkünfte für Neuankömmlinge frei werden. Am 28. Januar 2016 verkündete die Regierung Schwedens, dass das Land 80.000 Asylbewerber –das ist die Hälfte der 2015 aufgenommenen Personen– abschieben werde.[289]

Auf ihrer Parteikonferenz Mitte Oktober 2015 schlugen die oppositionellen Konservativen eine Verschärfung der Praxis bei der Aufnahme von Flüchtlingen vor. Sie wollen die Vergabe von permanenten Aufenthaltsbewilligungen restriktiver gestalten und beim Familiennachzug strengere Kriterien einführen. Damit wandte sich die Parteichefin Anna Kinberg Batra vom Kurs ihres Vorgängers Fredrik Reinfeldt ab und begründete dies damit, dass sich die Situation geändert habe.

Diese wachsende Ablehnung der Einwanderung von Flüchtlingen und damit verbundene latente rassistische Stimmung war der Nährboden für Übergriffe auf Flüchtlinge, Brandanschläge auf deren Unterkünfte oder andere Gewalttaten bis hin zu Mord.

Bei einem Brandanschlag auf eine Moschee in Schweden am 23.12.2014 sind fünf Menschen verletzt worden. Der Sprengsatz entfachte einen Brand in dem Gotteshaus in Eskilstuna, rund 90 Kilometer westlich von Stockholm. In der Moschee, die sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses befindet, hielten sich 15 bis 20 Menschen auf. Die Verletzten wurden mit Rauchvergiftungen, Schnittwunden und Knochenbrüchen ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen schwerer Brandstiftung ein. Der Vorsitzende der Vereinigung der Muslime in Schweden, Omar Mustafa, sagte im Radiosender SR, das Land erlebe einen zunehmenden „Hass gegen Muslime.“[290]

Aus rassistischen Motiven hat ein Mann, mit einem Schwert bewaffnet, in einer Schule in der Industriestadt Trollhättan Anfang 2015 einen Lehrer und einen Schüler getötet. Der Täter hatte im Internet Material verbreitet, in dem Adolf Hitler und Nazi-Deutschland glorifiziert wurden. Es ging demnach auch um Hetze gegen den Islam und Einwanderer.

Die schwedischen Medien berichteten im Oktober 2015 fast täglich von Zwischenfällen im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften.[291] Ein Brand, der in einem bereits bewohnten Heim ausgebrochen war, wurde von der Polizei als „nicht spontan entstanden“ bezeichnet. Einen Tag später wurde in ein Gebäude nördlich von Stockholm eingebrochen, das als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. Die Täter konnten jedoch fliehen, als Mitarbeiter eines Überwachungsdienstes auftauchten. Die Polizei fand später im Gebäude einen vorbereiteten Brandsatz. Andere Feuer in verschiedenen Teilen des Landes hatten ebenfalls einen rassistischen Hintergrund. So brannten in Arlöv in der Provinz Skaane Baracken nieder, in denen allein ankommende minderjährige Flüchtlingskinder untergebracht werden sollten.

In Städten wie Malmö an der Südspitze Schwedens oder Umeaa weit im Norden beschlossen die dortigen Behörden, die Adressen von vorgemerkten Gebäuden zur Unterbringung von Flüchtlingen aus Angst vor möglichen Brandanschlägen geheim zu halten.

Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven zeigte sich über die Serie von Brandanschlägen „sehr beunruhigt“. Dies sei „nicht das Schweden, das er sehen wollen und auf das er stolz sei“. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass das Land bei der Unterbringung von Flüchtlingen an die Grenzen seiner Kapazität stosse und gab damit der Ablehnung von Flüchtlingen weitere Nahrung.[292]

Der gewaltsame Tod der 22-jährigen Flüchtlingshelferin Alexandra Mezher, die von einem 15-jährigen Jugendlichen Anfang Februar 2016 in einem Flüchtlingsheim erstochen wurde, schürte eine rassistische Pogromstimmung. Maskierte Männer hetzten in den folgenden Tagen Flüchtlinge durch die Straßen der schwedischen Hauptstadt: 50 bis hundert Angreifer gingen auf zufällig ausgewählte Migranten los. „Gebt den nordafrikanischen Straßenlümmeln die Prügel, die sie verdienen", war auf den Flugzetteln zu lesen, die die Angreifer in Stockholm verteilt hatten. Die Polizei konnte die Angreifer vertreiben.[293]

Das Svenska Dagbladet, eine der auflagestärkten Zeitungen in Schweden, schürte diese Stimmung und forderte die Ausweisung von straffällig gewordenen Ausländern.

Löfven war nach dem Mord sofort zum Ort des Geschehens geeilt, ein Vorort von Göteborg im Südwesten des Landes. Dort ist die Situation aufgrund der hohen Zahl der Flüchtlinge besonders angespannt. "Es gibt keine einfachen Lösungen", sagte der Regierungschef. Die Regierung kündigte in den folgenden Tagen an, die Ausweisung von Flüchtlingen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, mit mehr Nachdruck als bisher zu verfolgen. Mindestens 60.000 Menschen wären allein für das Jahr 2015 davon betroffen.

Der schwedische Geheimdienst hat als Verantwortliche für die diese Übergriffe Hooligans von lokalen Fußballclubs im Visier. Vor allem aus den Reihen der "Ultras" der beiden Stockholmer Clubs AIK und Djurgarden sollen die Männer gekommen seien, die in der Stockholmer Innenstadt Jagd auf die Flüchtlinge gemacht hatten.

In Schweden hat die Polizei Anfang März 2016 14 Männer festgenommen, die offenbar ein Flüchtlingsheim überfallen wollten.[294] Bei den Verdächtigen wurden Äxte, Messer und Eisenrohre gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass eine Flüchtlingsunterkunft in Nynashamn, 60 Kilometer südlich von Stockholm, das Ziel des geplanten Anschlages war.

Neben den etablierten Parteien sind vor allem die rechten Schwedendemokraten mit ihrer rassistischen Hetze der ideologische und praktische Wegbereiter für Brandanschläge und gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. So starteten die Schwedendemokraten zum Beispiel in dem Transitland Dänemark eine öffentlichkeitswirksame Kampagne, dass Schweden „voll“ sei.[295]

Die Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna) wurden 1988 gegründet, seit 2005 ist Jimmie Äkesson ihr Vorsitzender.[296] Seit der Parlamentswahl 2010 sind die Schwedendemokraten im schwedischen Reichstag vertreten.

Im Herbst 2010 reklamierten die Schwedendemokraten etwa 5.000 Mitglieder für sich. Es gibt dreizehn regionale Verbände sowie etwa 200 lokale oder kommunale Vereinigungen. Hauptthemen der Partei sind die Integrations-, Zuwanderungs-, Wirtschafts- und Familienpolitik.

Die Schwedendemokraten wollen die Steuern senken und den Einfluss der Politik auf die Wirtschaft begrenzen sowie kleine und mittelständische Unternehmen stärken. Durch eine rigidere Asyl- und Einwanderungspolitik will die Partei die Kosten, „die das multikulturelle Gesellschaftsexperiment verschlingt“, einsparen. Sie argumentiert, so seien Steuersenkungen möglich, ohne gleichzeitig Sozialleistungen kürzen zu müssen. In der Gesellschaftspolitik wird die traditionelle Familie in Form von Mann, Frau und Kindern bevorzugt. Zudem setzen sich die Schwedendemokraten für die Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe sowie gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ein.

Die bisherige Einwanderungs- Integrationspolitik wird als gescheitert betrachtet. Die Schwedendemokraten bezeichnen sich selbst als einzige Partei, die dies offen auszusprechen wage. Die Einwanderung habe soziale und ökonomische Probleme hervorgerufen, die es zu lösen gelte: „Eine homogene Gesellschaft hat bessere Voraussetzungen, eine friedliche und demokratische Entwicklung zu nehmen, als eine heterogene.“ Die Schwedendemokraten befürworten deshalb eine strikte Beschränkung der Einwanderung sowie die Ausweisung größerer Gruppen von Ausländern. Die Vision der Schwedendemokraten ist das „Volksheim“, eine homogene Gemeinschaft aller Schweden ohne störende Migranten.[297]

Die lange Zeit dominante Form des klassischen, biologistisch argumentierenden Rassismus, transformiert sich bei den Schwedendemokraten zunehmend zu einem kulturalistisch argumentierenden Rassismus. Mittlerweile wird eher weniger auf „Rasse“ oder „Gene“, sondern mehr auf die angeblich unveränderliche „Kultur“ eines Menschen verwiesen, um ihn als „Störfaktor“ innerhalb einer homogen vorgestellten Gesellschaft zu klassifizieren. Es wird von einer „Völkerwanderung“ fabuliert, welche die „kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Grundlagen“ Schwedens und Europas zu „zertrümmern“ drohe. Die Flüchtlinge würden „Konflikte aus aller Welt“, „archaische Sitten“ und „unüberbrückbare kulturelle Unterschiede“ nach Schweden importieren.[298]

In der Außenpolitik sehen die Schwedendemokraten „traditionelle schwedische Werte“ und die schwedische Kultur durch Einwanderung, eine aus ihrer Sicht stattfindende „Islamisierung“, Globalisierung und so genannten kulturellen US-Imperialismus bedroht.[299] Darüber hinaus lehnen die Schwedendemokraten supranationale Einheiten wie die Europäische Union ab und befürworten stattdessen die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Staaten, vor allem zwischen den Ländern Nordeuropas. Sie lehnen überdies eine eventuelle EU-Mitgliedschaft der Türkei ab.

Die Partei stellt sich selbst offiziell als „national“ dar und gibt an, jede Form von Rassismus abzulehnen. Der Parlamentarier Kent Ekeroth ist Vorstandsmitglied der europäischen Partei „Europäische Allianz für Freiheit (EAF), an der auch Mitglieder des Front National, der FPÖ sowie des belgischen Vlaams Belang beteiligt sind.[300] Nach Medienberichten wurde die Partei von Alan Lake beraten, der als einer der Strategen der islamfeindlichen English Defence League gilt.

Die Schwedendemokraten finden vor allem in Südschweden Zuspruch und erreichen dort in einigen Kommunen teilweise zweistellige Ergebnisse. Sie sprechen vor allem junge und männliche Wähler an. Bereits unter dem früheren Parteivorsitzenden Mikael Jansson versuchte sich die Partei Ende der 1990er Jahre vom extrem rechten Milieu zu lösen und sich seriös und bürgerlich zu geben. Åkesson führte diese Strategie u.a. im Wahlkampf 2006 fort und richtete die Partei am Vorbild der österreichischen FPÖ aus. Die Politik der Schwedendemokraten findet in den letzten Jahren zunehmend Zuspruch. So erreichten sie in den Meinungsumfragen im August 2015 19,4 % der Stimmen, was einer Zunahme von 6,5 Prozentpunkten seit der Reichstagswahl 2014 entspricht. Der Zuwachs war vor allem unter jungen männlichen Arbeitern zu verzeichnen.

Die Schwedendemokraten bekamen bei der Wahl zum schwedischen Reichstag 2006 2,93 % der Stimmen und verfehlten damit die Vierprozenthürde für den Einzug ins schwedische Parlament. Bei der Gemeinderatswahl in der Gemeinde Landskrona erreichte die Partei mit 22,26 % ihr bestes Ergebnis.

Bei der Reichstagswahl 2010 erreichten die Schwedendemokraten 5,7 % der Wählerstimmen. Sie entsandten damit 20 Abgeordnete in den Reichstag. Bei der Europawahl 2014 konnte die Partei erstmals in das Europäische Parlament einziehen. Die Partei erreichte 9,7 % der Stimmen und damit zwei Abgeordnete. Diese schlossen sich der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ an. Bei der Reichstagswahl 2014 erreichten die Schwedendemokraten 12,9 % der Wählerstimmen. Sie zählt damit 49 Abgeordnete im Reichstag.[301]

Die Schwedendemokraten erzielten im September 2015 bei einer Meinungsumfrage mit 27% vor den regierenden Sozialdemokraten den höchsten Wert. Andere Erhebungen operierten jedoch mit weit niedrigeren Zahlen. Doch der politische Trend zu der Partei und ihren rassistischen Thesen innerhalb der schwedischen Bevölkerung lässt sich nicht leugnen.[302]

Jimmie Akesson verlangte, die Aufnahme von Flüchtlingen stark zu begrenzen und stattdessen in „Krisengebieten vor Ort zu helfen“. Das angeblich „großzügige Wohlfahrtssystem“ Schwedens würde immer mehr Flüchtlinge anlocken und drohe zu kollabieren. Dass sich nun Akesson als Retter des Wohlfahrtsstaates aufspielt, ist angesichts der neoliberalen Politik seiner Partei schwer zu verdauen. Er unternahm den populistischen Vorstoß, eine „Volksumfrage“ zur Flüchtlingspolitik umsetzen zu wollen. Bei seiner Agitation gegen Flüchtlinge profitiert er von der Tatsache, dass die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen bei der praktischen Bewältigung der vorläufigen Integration keine gute Figur abgibt.

Die Schwedendemokraten bezeichnen sich als „einzige Opposition“ im schwedischen Parlament und werden auch von Teilen der Bevölkerung so wahrgenommen.[303] Dies liegt auch an der besonderen Konstellation im politischen Gefüge des Landes. Ministerpräsident Löfven steht einer Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen vor, die sich bei Linken und Konservativen um Mehrheitsverhältnisse bemühen müssen.

Das Ausschließen der Schwedendemokraten als politischer Partner, zu dem sich die anderen Parteien seit dem Einzug der rassistischen Partei im Reichstag und in anderen Regionalparlamenten verpflichtet haben, wird mehr und mehr aufgeweicht. Vor allem in der Region Schonen im Süden des Landes, wo viele Flüchtlinge leben, gibt es Kooperationen der Konservativen mit den Schwedendemokraten.

In Teilen der Gesellschaft sind die Schwedendemokraten schon längst angekommen und werden als normale Partei behandelt.[304] Die Etablierung der Schwedendemokraten als neue „Volkspartei“ rief die Wirtschaft schon auf den Plan. Die schwedische Wirtschaftslobby hat sich deshalb heimlich mit Vertretern der Schwedendemokraten getroffen. Der Pressesprecher von "Svenskt Näringsliv", dem größten Arbeitgeberverband des Landes, sagte in einer Stellungnahme: „Das ist eine große Reichstagspartei und wir behandeln sie wie alle anderen Parteien auch, auf die wir einwirken wollen.“[305]

Die Interessenvertreter der schwedischen Wirtschaft sind mit der Politik der Regierung schon lange unzufrieden, da deren Steuerbelastung und die Arbeitskosten zu hoch seien. Laut einer Umfrage haben die schwedischen Unternehmer dreimal so viel Vertrauen in Akesson als in Löfven.[306]

Ethnisierung des Sozialen in Medien und der Politik

Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nach Duisburg entwickelte sich zu einem ständigen Thema in der lokalen Medienlandschaft. In der Berichterstattung taucht immer wieder der Begriff „Roma-Problem“[307] auf, womit ein Zusammenhang zwischen „Roma“ und „Problemen“ suggeriert wird.

Die Untersuchung der Berichterstattung des Medienportals „der Westen.de“ über die Zuwanderung aus Südosteuropa von Ende April 2008 bis Dezember 2012, die von der Migrationssoziologin Alexandra Graevskaia durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass „der überwiegende Teil der Berichterstattung die Zuwanderer als eine ethnisch homogene Gruppe von kriminellen Armutsflüchtlingen darstellt, deren Bräuche und Verhaltensweisen von denen der Mehrheitsgesellschaft abweichen. Positive und differenzierende Diskursfragmente kommen zwar vor, aber nicht in der Qualität und Quantität wie negative Zuschreibungen. Somit wird Antiziganismus in der Medienberichterstattung – zum großen Teil ohne direkte Absicht, sondern durch feste Verankerung antiziganistischer Ressentiments in der Gesellschaft – reproduziert.“[308] Eine Auswertung der Bild-Zeitung (Schwerpunkt Ruhrgebiet) im Hinblick auf das Thema Einwanderung aus Südosteuropa vom 5.12.2012 bis zum 5.6.2013 ergab folgenden Befund: Insgesamt gesehen ist die Berichterstattung über Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, die sich fast nur auf Roma konzentriert, fast durchgängig negativ. Die Einwanderung wird durchgängig als „Problem“ wahrgenommen, die Städte im Ruhrgebiet und die Anwohner_innen vor allem des „Roma-Hauses“ in Bergheim als Opfer oder „Betroffene“ gesehen.[309]

Politiker_innen vor allem aus den Reihen der beiden großen „Volksparteien“ beteiligten sich an der Stigmatisierung der Einwander_innen und waren und sind somit für die antiziganistische Stimmung in der Öffentlichkeit mitverantwortlich.

Vor einem Millionenpublikum beim Sender Stern TV warf Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) den Zuwander_innen Primitivität, Sozialmissbrauch und die Bildung von organisierten Diebesbanden vor. Link erklärte: „Duisburg ist massiv betroffen! (…) Müllberge größer als ich. (…) Nicht alle sind gekommen, um hier legal zu arbeiten. (…) Da werden Kinder missbraucht, klauen zu gehen.“[310]

Reinhold Spaniel (SPD), Leiter des Sozialdezernats der Stadt Duisburg, verteidigte die „Proteste“ der Anwohner_innen gegen die Zuwanderung und schob pauschal den Zuwander_innen die Schuld zu: „Das Sozialverhalten vieler (Zuwanderer, M.L.) ist eine Zumutung. Das fängt beim Lärm an –auf der Straße wird bis um drei Uhr morgens Party gemacht. Die Gärten der Anwohner werden zugemüllt, die Straße wird als Toilette benutzt. Da ist es doch völlig legitim, dass sich die Bürger beschweren!“[311] Er sprach ihnen pauschal eine „Mietfähigkeit“ ab und leistete damit einem kulturellen Rassismus und einer Ethnisierung des Sozialen Vorschub: „(…)Voraussetzung ist aber, dass sie mietfähig sind. (…) Die sind oft Analphabeten, die verstehen unsere ganzen Vorschriften nicht und müssen lernen, dass man den Müll nicht aus dem Fenster wirft.“[312]

Die CDU versuchte sich als „Anwalt“ der Anwohner_innen zu inszenieren und das „Problem“ der Zuwanderung auf die politische Agenda zu bringen.[313] Der Duisburger CDU-Ratsfraktionschef Rainer Enzweiler sah in den Forderungen des damaligen Bundesinnenminister Friedrich im Sommer 2013 wie Ausweisung und Einreisesperre einen guten Ansatzpunkt: „Wir brauchen Sanktionsinstrumente, die auch greifen. Wir dürfen auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, es gebe in Deutschland oder in der EU in einigen Bereichen rechtsfreie Räume, in denen offensichtlichem Sozialbetrug tatenlos zugesehen wird.“[314]

Im Kommunal- und Europawahlkampf 2014 ist die Duisburger CDU scharf in die Kritik geraten, weil sie ein antiziganistisches Wahlplakat zum Stimmenfang benutzte. Als Foto wurde eine veraltete Aufnahme des Hochhauses "In den Peschen" hinter Müllbergen verwendet. Auf dem Wahlplakat ist die Schlagzeile „Missstände beseitigen“ zu lesen.[315]

Trotz offizieller Abkehr von der früheren Verdrängungspolitik kam es auch zu einem viel diskutierten Fall von institutionellem Rassismus. Viele Zuwander_innen hatten Post vom Bürger- und Ordnungsamt der Stadt Duisburg erhalten.[316] Darin wurden sie aufgefordert, nachzuweisen, dass sie die Voraussetzungen erfüllen, sich weiter in Deutschland aufhalten zu dürfen. Falls sie nicht innerhalb eines Monats die nötigen Unterlagen von Finanzamt, Steueramt, Krankenkasse und Mietvertrag einreichen, könnten sie in Abschiebehaft genommen und dann ausgewiesen werden. Viele Zuwander_innen lebten deshalb in Angst oder sind bereits ausgereist. Ingrid Jost aus der Bezirksvertretung Mitte spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von „illegalen Abschiebungen“ und vom „politische Willen“ der Stadt „die Kommunen leer zu fegen.“[317]

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas wurde am 24. Oktober 2012 im Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundespräsidenten Joachim Gauck eingeweiht. Der israelische Künstler Dani Karavan schuf ein kreisrundes Wasserbecken mit zwölf Metern Durchmesser mit schwarzem Grund. In die Beckenmitte platzierte der Künstler eine dreieckige steinerne Stele, die von oben gesehen an den Winkel auf der Kleidung der KZ-Häftlinge erinnert. In Berlin ist damit ein Erinnerungszeichen von besonderer Bedeutung entstanden.

Völkermord im Nationalsozialismus

Die schon im deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik rassistisch motivierte Ausgrenzungspolitik gegenüber Sinti und Roma erlangte im Kontext der rassenideologischen Konzeption der Nationalsozialist_innen eine neue Dimension. Ihre Verfolgung war ein Bestandteil der allgemeinen Rassenpolitik des nationalsozialistischen Systems.[318] Romani Rose stellt zu Recht fest: „Letztlich zielten alle gegen Sinti und Roma gerichteten Verordnungen darauf ab, die gesamte Volksgruppe ebenso wie die jüdische Bevölkerung von der deutschen Gesellschaft ‚abzusondern‘ und die ‚Endlösung‘ propagandistisch und organisatorisch vorzubereiten.“[319] Den Nationalsozialist_innen war der Umstand bekannt, dass die Vorfahren der Sinti und Roma ursprünglich aus Indien stammten und das Romanes zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehörte. Die folgerichtige Schlussfolgerung, dass sie deshalb gemäß der rassenideologischen Vorstellungen der Nationalsozialisten als „Arier“ anzusehen seien und zur „Rassenelite“ gehören müssten, wurde unter den Teppich gekehrt.

Das „Berufsbeamtengesetz“ vom 7.4. 1933 betraf vor allem Jüd_innen sowie Sinti und Roma. Darin wurde festgelegt, dass Beamt_innen „nichtarischer Abstammung“ in den (vorzeitigen) Ruhestand zu versetzen seien.[320] Das im Juli 1933 verabschiedete „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde dazu benutzt, Sinti und Roma zwangsweise zu sterilisieren. Erklärungen der „freiwilligen Sterilisation“ wurden von den Betroffenen nur deshalb unterschrieben, weil sie von den Behörden durch Androhung schärferer Maßnahmen unter Druck gesetzt wurden. Seit 1934 wurden Sinti und Roma aus Berufsorganisationen ausgeschlossen, wenn sie keinen „Ariernachweis“ erbringen konnten. Damit verloren die meisten der erwerbsfähigen Arbeiter_innen oder Angestellte ihre materielle Existenzgrundlage. Arbeitsämter verhinderten systematisch, dass jugendliche Sinti und Roma nach ihrem Schulabschluss eine Lehre beginnen konnten. Im Herbst 1935 begann die „Reichstheaterkammer“ damit, „Nichtarier“ und somit auch Sinti und Roma auszuschließen. Im Winter 1937/1938 kam es zum systematischen Ausschluss von „Zigeunern“ aus der „Reichsmusikkammer“.[321] Die Benutzung von Straßenbahnen oder Zügen wurde ihnen verboten; Krankenhäuser wurden dazu angehalten, keine Sinti und Roma mehr zu behandeln. In einigen Städten durften Angehörige der Minderheit lediglich zu festlegten Zeiten in manchen ausgewählten Geschäften einkaufen. Der Besuch von Lokalen, Kinos oder Theatern wurden ihnen in vielen Städten und Gemeinden verboten. Der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen wurde ihnen in manchen Städten untersagt. In Minden zum Beispiel stellte die dortige Stadtverwaltung Schilder mit der Aufschrift „Zigeunern und Zigeunermischlingen ist das Betreten des Spielplatzes verboten.“ auf.

In der Folgezeit durften sowohl Jüd_innen als auch Sinti und Roma nicht an Wahlen teilnehmen. Am 7.12.1935 ordnete Reichsinnenminister Frick an, dass „in allen Fällen, in denen strafbare Handlungen von Juden begangen sind, dies auch besonders zum Ausdruck zu bringen“, was besonders Presseorgane, Funk und Fernsehen betraf. Diese Propaganda richtete sich auch gegen Sinti und Roma und lieferte den Vorwand für die staatlichen Verfolgungsmaßnahmen sowie letztlich auch die Endlösung.

Am 6.6.1936 rief der Reichsinnenminister den „Erlaß zur Bekämpfung der Zigeunerplage“ ins Leben, der die einzelnen bisher geltenden „Zigeunergesetze“ der Länder zusammenfasste.[322] Dies bedeutete, dass alle deutschen Sinti und Roma einem Sonderrecht unterstellt wurden. Ab dem Jahre 1937 begann der Ausschluss der Sinti und Roma aus der Wehrmacht. Der im Dezember 1937 verabschiedete „Asozialenerlaß“ gab der Polizei ausdrücklich die Berechtigung, Sinti und Roma in Konzentrationslager einzuweisen.[323]

Eine Reihe von Städten trieb die Ausgrenzung von Sinti und Roma eigenmächtig voran und errichtete kommunale Lager meist am Stadtrand, wo „Zigeuner“ zwangsweise zusammengepfercht wie Vieh leben mussten.[324] Seit Mitte des Jahres 1935 begann die Stadt Köln damit, Sinti und Roma in einem umzäunten und bewachten Lager am Stadtrand zwangsumzusiedeln. Angelehnt an das „Vorbild“ Köln wurden 1936 in Berlin, Frankfurt/Main und Magdeburg und ein Jahr später in Düsseldorf, Essen, Kassel und Wiesbaden spezielle „Zigeunerlager“ errichtet. Brucker-Boroujerdi und Wippermann stellten zu Recht fest: „Die in der NS-Zeit errichteten ‚Zigeunerlager‘ dienten der Konzentration und Freiheitsberaubung, der Selektion nach rassenideologischen Kriterien, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit und der unmittelbaren Vorbereitung der Deportation von Sinti und Roma.“[325] Bei der Zwangsarbeit wurden Sinti und Roma, darunter auch Frauen und Kinder, im Hoch- und Tiefbau, in Land- und Forstwirtschaft, in Rüstungsbetrieben oder in der Straßenausbesserung beschäftigt.

Vor der Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 wurde extra für die in Berlin lebenden Sinti und Roma ein Zwangslager errichtet. Berlin wollte sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit von seiner besten Seite präsentieren; Sinti und Roma wurden in diesem Zusammenhang als „störend“ empfunden. Ohne sich auf Gesetze oder staatliche Verordnungen berufen zu können, entstand so das „Zigeunerlager“ Berlin-Marzahn. Am 16.6.1936 wurden die ersten Berliner Sinti und Roma ohne Angabe von Gründen von der Polizei verhaftet und in das Lager eingewiesen.[326] Das Lager war ständig bewacht; nur zur Zwangsarbeit in Berliner Fabriken und im Straßenbau durfte es verlassen werden. Alle Lagerinsass_innen bekamen „Zigeunerpässe“, in denen ein großes Z als rassistisches Erkennungsmerkmal gestempelt war. Zutritt zum Lager hatten nur Mitarbeiter_innen der protestantischen „Zigeunermission“ und Angehörige der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ aus Berlin-Dahlem.

Die Rassenhygienische Forschungsstelle (RHS) beim Reichsgesundheitsamt spielte eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung, Planung und Durchführung der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma im „Dritten Reich“.[327] Adolf Würth, Mitglied der RHS, bemerkte zur Arbeit des Instituts: „Die rassenbiologische Zigeunerforschung ist die unbedingte Voraussetzung für eine endgültige rassenhygienische Lösung der Zigeunerfrage. Diese Lösung dient dem großen Ziel, das Blut des deutschen Volkes vor dem Eindringen fremdrassigen Erbgutes zu schützen und zu verhindern, daß die weitverbreitete und gefährliche Mischlingspopulation sich immer stärker vermehrt.“[328]

Die RHS wurde finanziell durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Für ihren Leiter Robert Ritter waren Sinti und Roma „Schmarotzer“, die „ohne unsere Arbeit und unseren Fleiß und unsere Sittlichkeit in diesem Erdteil gar nicht leben könnten.“ Für ihn stellte sich „die Frage, ob wir die Zigeuner als sorglose, nomadisierende, nahrungssuchende Naturmenschen, als urtümliche Sammler und primitive Handwerker, die noch auf einer Kindheitsstufe der Menschheit stehen, oder ob sie insgesamt gewissermaßen nur eine mutativ entstandene entwicklungsunfähige Spielart der Gattung Mensch darstellen.“[329] Ritter sprach sich nachdrücklich für eine Einweisung von Sinti und Roma in Konzentrationslager aus: „Die Zigeunerfrage kann erst dann als gelöst betrachtet werden, wenn die Mehrzahl der asozialen und nutzlosen Zigeunermischlinge in großen Lagern zusammengefaßt und zur Arbeit angehalten wird, und die andauernde Fortpflanzung dieser Mischbevölkerung endgültig unterbunden ist. Erst dann werden die zukünftigen Generationen des Deutschen Volkes von dieser Bürde befreit sein.“[330]

Die Mitarbeiter_innen der RHF führten genealogische und anthropologische Untersuchungen an Sinti und Roma durch.[331] Diese Untersuchungen umfassten Vermessungen des Kopfes, der Ohren, der Hände, daktyloskopische Fragen, die Beschreibung des Körperbaus, der Haare und der Schambehaarung.[332] Neben diesen Untersuchungen wertete die RHF von staatlichen Behörden wie Polizei, Gesundheits- und Fürsorgeämter angeforderte Akten und Kirchenbücher aus.[333] Diese Informationen wurden im „Zigeunersippenarchiv“ im Reichsgesundheitsamt in Karteien zusammengefasst und zu „Sippentafeln“ kombiniert.[334] Fast alle der in Deutschland lebenden Sinti und Roma wurden erfasst und in die Kategorien „Vollzigeuner“, „Zigeuner-Mischling mit vorwiegend zigeunerischen Blutsanteil“, „Zigeuner-Mischling mit gleichem zigeunerischen und deutschen Blutsanteil“ sowie „Zigeuner-Mischling mit vorwiegend deutschem Blutsanteil“ kategorisiert. Die auf dieser Grundlage bis zum Ende des 2. Weltkrieges angefertigten 24.000 „Rassegutachten“ und Klassifikationskriterien waren eine entscheidende Grundlage für die Deportation von „Zigeunern“ und „Zigeunermischlingen“ in die Konzentrations- und Vernichtungslager.[335] Die RHS arbeitete mit „Forschungseinrichtungen“ wie dem Institut für Erb- und Rassenpflege der Universität Gießen unter der Ägide des „Asozialenforschers“ H.W. Kranz und dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin zusammen, die ebenfalls „Zigeunerforschung“ betrieben.[336]

Eine Reihe von Städten trieb die Ausgrenzung von Sinti und Roma eigenmächtig voran und errichtete kommunale Lager meist am Stadtrand, wo „Zigeuner“ zwangsweise zusammengepfercht wie Vieh leben mussten.[337] Seit Mitte des Jahres 1935 begann die Stadt Köln damit, Sinti und Roma in einem umzäunten und bewachten Lager am Stadtrand zwangsumzusiedeln. Angelehnt an das „Vorbild“ Köln wurden 1936 in Berlin, Frankfurt/Main und Magdeburg und ein Jahr später in Düsseldorf, Essen, Kassel und Wiesbaden spezielle „Zigeunerlager“ errichtet. Brucker-Boroujerdi und Wippermann stellten zu Recht fest: „Die in der NS-Zeit errichteten ‚Zigeunerlager‘ dienten der Konzentration und Freiheitsberaubung, der Selektion nach rassenideologischen Kriterien, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit und der unmittelbaren Vorbereitung der Deportation von Sinti und Roma.“[338] Bei der Zwangsarbeit wurden Sinti und Roma, darunter auch Frauen und Kinder, im Hoch- und Tiefbau, in Land- und Forstwirtschaft, in Rüstungsbetrieben oder in der Straßenausbesserung beschäftigt.

Vor der Eröffnung der Olympischen Spiele 1936 wurde extra für die in Berlin lebenden Sinti und Roma ein Zwangslager errichtet. Berlin wollte sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit von seiner besten Seite präsentieren; Sinti und Roma wurden in diesem Zusammenhang als „störend“ empfunden. Ohne sich auf Gesetze oder staatliche Verordnungen berufen zu können, entstand so das „Zigeunerlager“ Berlin-Marzahn. Am 16.6.1936 wurden die ersten Berliner Sinti und Roma ohne Angabe von Gründen von der Polizei verhaftet und in das Lager eingewiesen.[339] Das Lager war ständig bewacht; nur zur Zwangsarbeit in Berliner Fabriken und im Straßenbau durfte es verlassen werden. Alle Lagerinsass_innen bekamen „Zigeunerpässe“, in denen ein großes Z als rassistisches Erkennungsmerkmal gestempelt war. Zutritt zum Lager hatten nur Mitarbeiter_innen der protestantischen „Zigeunermission“ und Angehörige der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ aus Berlin-Dahlem.

Die Rassenhygienische Forschungsstelle (RHS) beim Reichsgesundheitsamt spielte eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung, Planung und Durchführung der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma im „Dritten Reich“.[340] Adolf Würth, Mitglied der RHS, bemerkte zur Arbeit des Instituts: „Die rassenbiologische Zigeunerforschung ist die unbedingte Voraussetzung für eine endgültige rassenhygienische Lösung der Zigeunerfrage. Diese Lösung dient dem großen Ziel, das Blut des deutschen Volkes vor dem Eindringen fremdrassigen Erbgutes zu schützen und zu verhindern, daß die weitverbreitete und gefährliche Mischlingspopulation sich immer stärker vermehrt.“[341]

Die RHS wurde finanziell durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Für ihren Leiter Robert Ritter waren Sinti und Roma „Schmarotzer“, die „ohne unsere Arbeit und unseren Fleiß und unsere Sittlichkeit in diesem Erdteil gar nicht leben könnten.“ Für ihn stellte sich „die Frage, ob wir die Zigeuner als sorglose, nomadisierende, nahrungssuchende Naturmenschen, als urtümliche Sammler und primitive Handwerker, die noch auf einer Kindheitsstufe der Menschheit stehen, oder ob sie insgesamt gewissermaßen nur eine mutativ entstandene entwicklungsunfähige Spielart der Gattung Mensch darstellen.“[342] Ritter sprach sich nachdrücklich für eine Einweisung von Sinti und Roma in Konzentrationslager aus: „Die Zigeunerfrage kann erst dann als gelöst betrachtet werden, wenn die Mehrzahl der asozialen und nutzlosen Zigeunermischlinge in großen Lagern zusammengefaßt und zur Arbeit angehalten wird, und die andauernde Fortpflanzung dieser Mischbevölkerung endgültig unterbunden ist. Erst dann werden die zukünftigen Generationen des Deutschen Volkes von dieser Bürde befreit sein.“[343]

Die Mitarbeiter_innen der RHF führten genealogische und anthropologische Untersuchungen an Sinti und Roma durch.[344] Diese Untersuchungen umfassten Vermessungen des Kopfes, der Ohren, der Hände, daktyloskopische Fragen, die Beschreibung des Körperbaus, der Haare und der Schambehaarung.[345] Neben diesen Untersuchungen wertete die RHF von staatlichen Behörden wie Polizei, Gesundheits- und Fürsorgeämter angeforderte Akten und Kirchenbücher aus.[346] Diese Informationen wurden im „Zigeunersippenarchiv“ im Reichsgesundheitsamt in Karteien zusammengefasst und zu „Sippentafeln“ kombiniert.[347] Fast alle der in Deutschland lebenden Sinti und Roma wurden erfasst und in die Kategorien „Vollzigeuner“, „Zigeuner-Mischling mit vorwiegend zigeunerischen Blutsanteil“, „Zigeuner-Mischling mit gleichem zigeunerischen und deutschen Blutsanteil“ sowie „Zigeuner-Mischling mit vorwiegend deutschem Blutsanteil“ kategorisiert. Die auf dieser Grundlage bis zum Ende des 2. Weltkrieges angefertigten 24.000 „Rassegutachten“ und Klassifikationskriterien waren eine entscheidende Grundlage für die Deportation von „Zigeunern“ und „Zigeunermischlingen“ in die Konzentrations- und Vernichtungslager.[348] Die RHS arbeitete mit „Forschungseinrichtungen“ wie dem Institut für Erb- und Rassenpflege der Universität Gießen unter der Ägide des „Asozialenforschers“ H.W. Kranz und dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin zusammen, die ebenfalls „Zigeunerforschung“ betrieben.[349]

In den vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Gebieten in Osteuropa wurden zehntausende Roma Opfer rassistisch motivierter Morde.[350] Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (SD) bekamen die Order, direkt hinter der Front alle „rassisch und politisch unerwünschten Elemente“ umzubringen. Diese Spezialeinheiten wurden jeder der vier Heeresgruppen der Wehrmacht und der Ordnungspolizei zugeordnet. Zwischen Juli 1941 und April 1942 töteten die Spezialeinheiten ca. 560.000 Menschen. Auch Einheiten der Wehrmacht und der Ordnungspolizei waren an Massenexekutionen beteiligt.

Ein geographischer Schwerpunkt der Massenmorde an Roma waren die besetzten Gebiete Jugoslawiens. Im deutsch besetzten Serbien kam es zu systematischen Morden an Roma oder an als solche identifizierten Personen, woran Einheiten der Wehrmacht maßgeblich beteiligt waren. Roma waren für die deutschen Besatzer „rassisch minderwertige“, „asoziale“ „Spione“ des „jüdisch-bolschewistischen“ Feindes.[351] Die deutsche Verwaltung registrierte alle Roma und verordnete, dass diese als „Zigeuner“ gelbe Armbinden zu tragen haben. Die Wehrmacht nahm im Herbst 1941 Jüd_innen und männliche Roma gefangen und ließ sie aus „Rache“ für gefallene deutsche Soldaten erschießen.[352] Der Leiter des Verwaltungsstabes der Militärverwaltung in Serbien, Harald Turner, meldete am 26.8.1942: „Im Interesse der Befriedung wurde durch deutsche Verwaltung (…) die Judenfrage ebenso wie die Zigeunerfrage völlig liquidiert (Serbien einziges Land, in dem Juden- und Zigeunerfrage gelöst)“.[353] Dies wurde damit begründet, dass Jüd_innen und „Zigeuner“ ein „Element der Unsicherheit und damit der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ darstellen würden.[354] Der „Zigeuner“ könne „auf Grund seiner inneren und äußeren Konstitution kein brauchbares Mitglied der Volksgemeinschaft“ sein. Tausende Roma wurden als „Agenten des Widerstandes“ standrechtlich exekutiert. Hauptsächlich Frauen und Kinder wurden im Konzentrationslager Zemun von der SS vergast.

Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion vom 22.6.1941 wurden vor allem Roma und Jüd_innen Opfer der Völkermordpolitik der Sicherheitspolizei und des SD. Die Morde besaßen dann systematischen Charakter, wenn diese Einheiten längere Zeit in einem Gebiet blieben und auf die direkte und indirekte Hilfe der Ordnungspolizei sowie der zivilen Besatzungsverwaltung rechnen konnten.[355] Die Tötung von Roma begründete die 339. Infantrie-Division im Herbst 1941 mit der Verschlechterung der „Verpflegungslage“, weshalb alle „Schädlinge und unnütze Esser auszumerzen“ seien.[356] Angehörige der Wehrmacht übergaben Roma in der Regel an die Einsatzgruppen.

Im Jahre 1938 spitzte sich die Situation für die im „Dritten Reich“ lebenden Sinti und Roma zu. In der Zeitschrift des Nationalsozialistischen Ärztebundes forderte Karl Hannemann: „Ratten, Wanzen und Flöhe sind auch Naturerscheinungen, ebenso wie die Juden und Zigeuner. (…) Alles Leben ist Kampf. Wir müssen deshalb alle diese Schädlinge allmählich ausmerzen.“[357] Adolf Würth, Mitarbeiter der RHF, bemerkte im August: „Die Zigeunerfrage ist für uns heute in erster Linie eine Rassenfrage. So wie der nationalsozialistische Staat die Judenfrage gelöst hat, so wird er auch die Zigeunerfrage grundsätzlich regeln müssen.“[358] Himmler ordnete am 8.12.1938 in einem Dekret an, „die Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse hinaus in Angriff zu nehmen.[359] Aufgrund einer Verordnung zur besonderen Kennzeichnung von Sinti und Roma wurden ihnen ab März 1939 besondere „Rasseausweise“ ausgehändigt und ihre alten Ausweise abgenommen. Adolf Eichmann, der ab 1939 die „Endlösung der Judenfrage“ organisierte, plante ebenfalls die Deportationen der Sinti und Roma in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Eichmann und seine Helfershelfer arbeiteten dabei eng mit der RHS zusammen. Am 21.9.1939 wurde entschieden, dass alle im „Großdeutschen Reich“ lebenden Sinti und Roma in das „Generalgouvernement Polen“ gebracht werden sollten. Der kurz darauf folgende „Festschreibungserlass“ Himmlers besagte, dass Sinti und Roma ihre Heimatorte nicht verlassen dürften. Im Fall der Übertretung dieses Erlasses wurde mit Haft in einem Konzentrationslager gedroht.[360] Am 30.1.1940 wurde bei einem Treffen von Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), mit hohen SS-Führern die Deportation aller „Juden der neuen Ostgaue und 30.000 Zigeunern aus dem Reichsgebiet und der Ostmark als letzte Massenbewegung in das Generalgouvernement“ beschlossen.[361] Nachdem Himmler am 27.4.1940 die erste Deportation von Sinti und Roma aus dem westlichen und nordwestlichen Teilen des „Dritten Reiches“ in das neu entstandene „Generalgouvernement Polen“ angeordnet hatte, wurden ab Mai 1940 ca. 2.500 „Zigeuner“ per Bahn dorthin deportiert. Dies war der Auftakt für die geplante Zwangsumsiedlung aller Sinti und Roma sowie der Jüd_innen in das „Generalgouvernement Polen“ und anderen besetzten Gebiete im Osten. Das Vermögen der deportierten Sinti und Roma wurde vom nationalsozialistischen Staat eingezogen, was dazu führte, dass die wenigen Überlebenden nach Ende des 2. Weltkrieges völlig mittellos waren.[362] Im „Generalgouvernement Polen“ mussten die deportierten Sinti und Roma in Ghettos Zwangsarbeit leisten. Personen, die infolge der menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen erkrankten oder nicht mehr arbeiten konnten, wurden rücksichtslos erschossen. Vor allem ab 1942 wurden Sinti und Roma systematisch von der SS getötet.

Sinti und Roma arbeiteten beim Flugzeug- und Straßenbau, in Munitionsfabriken und beim Bau von Konzentrationslagern. Dabei trugen sie Armbinden mit einem blauen „Z“ für „Zigeuner“. Wegen des Arbeitskräftemangels in der deutschen Kriegs- und Rüstungsindustrie wurde verstärkt auch auf Häftlinge in den Konzentrationslagern zurückgegriffen. Sinti und Roma mussten sowohl für SS-eigene Betrieben als auch für private Rüstungsbetriebe Zwangsarbeit leisten. Darunter waren Unternehmen wie Daimler-Benz, BMW, VW, Siemens, Henkel, AEG oder Krupp, die noch heute die Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel ihrer Firmengeschichte scheuen.[363]

Am 16.12.1942 gab Himmler den Befehl, dass ca. 23.000 Sinti und Roma aus ganz Europa, davon über 10.000 aus dem damaligen Reichsgebiet, familienweise in den als „Zigeunerlager“ bezeichneten Abschnitt des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, das auf Weisung Himmlers im Abschnitt B II errichtet worden war, deportiert werden sollten.[364] Dieses „Zigeunerlager“ wurde zum Zentrum des staatlich organisierten Völkermordes an Europas größter Minderheit.[365] Fast 90% der dortigen Insassen kamen durch die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, den Terror der Aufseher_innen oder in den Gaskammern ums Leben. Ab März 1943 wurden die über 10.000 Sinti und Roma aus dem damaligen Reichsgebiet nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Den Insass_innen des Lagers wurden eine Nummer und ein großes „Z“ als „Erkennungszeichen“ auf den Arm tätowiert. Die als „arbeitsfähig“ eingestuften Sinti und Roma wurden zur Zwangsarbeit herangezogen.[366] Dazu gehörten Erd- und Bauarbeiten wie das Ausheben von Entwässerungsgräben und Gleisverlegungsarbeiten zu den Krematorien. Medizinische Experimente an Sinti und Roma waren ebenfalls in Auschwitz an der Tagesordnung. Typhus-, Senfgas- und Kälteschockversuche, Experimente zur Sterilisation und Kastration mit Röntgenstrahlen und Pflanzengift und Meerwasserversuche führten zu unvorstellbaren Qualen für die Opfer, die meist mit dem Tode endeten. Josef Mengele, der 1943 SS-Lagerarzt in Auschwitz wurde, benutzte für seine „Zwillingsforschung“ Juden- und Sintikinder. Auch in anderen Konzentrationslagern wurden medizinische Versuche an Sinti und Roma durchgeführt. Im KZ Ravensbrück führte Prof. Dr. Clauberg Experimente an Sinti und Roma zur Sterilisation durch.

Als am 16.5.1944 die SS versuchte, alle Häftlinge des „Zigeunerlagers“ in Auschwitz-Birkenau in Gaskammern zu ermorden, scheiterte dies am bewaffneten Widerstand der Insass_innen.[367] Kurz darauf schickte die SS alle „arbeitsfähigen“ Insass_innen als Zwangsarbeiter_innen in die Konzentrationslager Buchenwald, Mittelbau-Dora, Flossenbrück und Ravensburg. Die noch im Lager verbliebenen Sinti und Roma, darunter vor allem Greise, Frauen und Kinder, wurden in der Nacht auf den 3.8.1944 in den Gaskammern ermordet. Von den ca. 23.000 Sinti und Roma, die von den Nationalsozialisten ins „Zigeunerlager“ deportiert wurden, kamen insgesamt mehr als 18.000 ums Leben.[368] Die Zahl der in Europa bis zum Ende des 2. Weltkrieges getöteten Sinti und Roma wird auf eine halbe Million geschätzt. 25.000 der von den Nationalsozialisten erfassten 40.000 deutschen und österreichischen Sinti und Roma wurden ermordet.

Unwürdiger Streit um das Mahnmal

Im Jahr 1992 beschloss die damalige Bundesregierung nach jahrelangem Druck verschiedener Selbstorganisationen, ein "Denkmal für die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den Sinti und Roma" zu errichten. ((Aachener Nachrichten vom 25.10.2012)) Um den Text einer zunächst geplanten Widmung des Denkmals gab es zwischen den beiden von der Bundesregierung in die Vorbereitungen einbezogenen Opferverbänden Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und Sinti Allianz Deutschland sowie der Bundesregierung jahrelange einen unwürdigen Streit. ((Robel, Y.: Konkurrenz und Uneinigkeit. Zur gedenkpolitischen Stereotypisierung der Roma, in: End/Herold, Dies.: Antiziganistische Zustände, a.a.O., S. 110-130, hier S. 112))

Die Bundesregierung hatte die stigmatisierende Bezeichnung der Mehrheitsgesellschaft "Zigeuner" für den Denkmaltext vorgesehen, was der Zentralrat als unwürdig und unzumutbar ablehnte. Hier zeigte sich mindestens eine fehlende Sensibilisierung, die neues Vertrauen in die Lernfähigkeit des deutschen Staates zerstörte.

Widerstand gegen den Bau des Denkmals gab es aus den Reihen der Berliner CDU. Der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen meinte, in der Stadt gebe es "keinen Platz für ein weiteres Mahnmal." ((Taz vom 28.8.1999)) Der damalige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky erklärte, "wir müssen noch erhobenen Hauptes durch die Stadt gehen können." ((Taz vom 11.12.1999)) Die durch die Meinungsverschiedenheiten verzögerten Bauarbeiten zum Denkmal begannen dann symbolisch am 19. Dezember 2008, dem offiziellen Gedenktag des Bundesrates für die Opfer des Völkermordes an den Sinti und Roma.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas wurde am 24. Oktober 2012 im Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundespräsidenten Joachim Gauck eingeweiht. ((FAZ vom 24.10.2012)) Es befindet sich in Berlin-Mitte etwas südlich des Reichstages. Der israelische Künstler Dani Karavan schuf ein kreisrundes Wasserbecken mit zwölf Metern Durchmesser mit schwarzem Grund. In die Beckenmitte platzierte der Künstler eine dreieckige steinerne Stele, die von oben gesehen an den Winkel auf der Kleidung der KZ-Häftlinge erinnert. Auf der Stele liegt eine frische Blume. Immer wenn sie verwelkt ist, versinkt der Stein in einen Raum unter dem Becken, wo eine neue Blume auf den Stein gelegt wird, um danach wieder hochzufahren und aus dem Wasserbecken emporzusteigen.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Zentrum wurde mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Täter hinterließen unter anderem den Schriftzug "Vergasen". Dies teilte die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas Ende Oktober 2015 in Berlin mit.

Die Schmierereien sind inzwischen entfernt worden. Die Stiftung, die auch für die Betreuung des Denkmals zuständig ist, habe Anzeige erstattet und die Sicherheitsmaßnahmen an der Gedenkstätte nahe dem Brandenburger Tor verstärkt. Der Staatschutz wurde eingeschaltet und ermittelt nun gegen Unbekannt.

Reaktionen auf den Anschlag

Politiker und Funktionäre verurteilten den Anschlag auf das Schärfste und forderten ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antiziganismus. Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, bezeichnete den Anschlag als "aggressiven Antiziganismus". Romeo Franz, Direktor der Hildegard Lagrenne Stiftung und Komponist des Musikstückes am Denkmal, bezeichnete den Vorfall als "Angriff auf den Prozess der Versöhnung". Er treffe viele Sinti und Roma mit ihrer leidvollen Familiengeschichte persönlich: "Auch in Deutschland erfahren unsere Menschen 70 Jahre nach dem Völkermord noch immer tagtäglich Ausgrenzung und Diskriminierung." Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagte, die Schändung, die "in diesem Ausmaß erstmals am Denkmal stattgefunden hat, zeigt, dass die Rechtsextremisten in der momentanen Krise jetzt die Gelegenheit sehen, den Geist Hitlers wieder neu zu beleben". Der Zentralrat kündigte an, nicht nur Strafanzeige wegen Volksverhetzung, sondern auch wegen Bedrohung zu erstatten. Rose führte aus: "Den Tätern kam es mit dem Begriff 'Vergasen' offensichtlich darauf an, zur Gewalt gegen die Minderheit aufzurufen, die Opfer des Holocausts in Auschwitz und den anderen Vernichtungslagern wurde".

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, bezeichnete den Anschlag als "abscheuliche Tat". Die Feindschaft gegenüber Sinti und Roma habe in Deutschland keinen Platz. Lüders führte aus: "Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Sinti und Roma in Deutschland diskriminiert werden und antiziganistische Hetze verharmlost wird".

Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, sprach von einem dreisten Anschlag auf das Gedenken Hunderttausender NS-Opfer. Sie gehe davon aus, dass diese "widerliche Tat" auch ein Produkt des Hasses sei, der von der islamfeindlichen "Pegida"-Bewegung "und anderen Rassisten" gesät werde. Es sei wichtig, dass die Demokraten in Deutschland nun dagegenhielten und sich mit Flüchtlingen solidarisierten. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Volker Beck, forderte ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antiziganismus: "Taten wie diese veranschaulichen die hässlichen Abgründe der deutschen Gesellschaft, doch sie haben keine Konsequenzen". Die deutsche Gesellschaft müsse die Tat als einen "Anschlag auf die Menschenwürde und unser aller Freiheit" sehen.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern bilanzierte: "Ich verurteile diese widerliche Tat auf das Schärfste und fühle mit den Sinti und Roma. Doch trifft diese Tat nicht nur die Sinti und Roma. Sie trifft unsere Gesellschaft im Kern. Diese rassistische Schändung ist ein weiteres Zeichen unserer Zeit, in der offene Fremdenfeindlichkeit, völkisch-nationale Parolen und rechtsextremes Gedankengut im öffentlichen Diskurs immer präsenter und lauter werden. Die politische Kultur Deutschlands steht unter Beschuss von radikalen Scharfmachern. Das ist der Nährboden für derartige Schändungen und Schmähzuschriften, für die tägliche Gewalt gegen Flüchtlingseinrichtungen, für das Attentat auf Henriette Reker und für die unerträglichen digitalen Exzesse, die wir im Internet erleben. Angesichts dieser Situation in unserem Land müssen bei allen wehrhaften freiheitlichen Demokraten in Politik und Gesellschaft die Alarmglocken schrillen".

Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland bemerkte weiterhin: "Die Rechtsextremisten und -populisten haben zu viel Spielraum in unserem Land. Wenn weiterhin zugelassen wird, dass Hass-Prediger immer lautstärker die Deutungs- und Meinungshoheit für sich beanspruchen und damit zu immer mehr Menschen in der breiten Mitte der Gesellschaft durchdringen, sind der gesellschaftliche Frieden, unsere historisch gewachsene politische Kultur und in letzter Konsequenz unser demokratisches Gemeinwesen ernsthaft bedroht.“

Die Einweihung

Reden von der Einweihung am 24. Oktober 2012

Rede von Kulturstaatsminister Bernd Neumann anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

Datum: 24.10.2012Ort: Simsonweg/Scheidemannstraße, 10117 Berlin

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Anrede,dies ist ein besonderer, ein bewegender Augenblick: Nach vielen Jahren der Diskussion können wir heute endlich das Denkmal einweihen, das an den Völkermord und die entsetzlichen Verbrechen erinnert, die während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in ganz Europa an den Sinti und Roma und an den als so genannte Zigeuner Verfolgten verübt wurden. Dazu gehören auch die Jenischen.

Der Völkermord, dem etwa 500.000 Menschen zum Opfer fielen, wurde planmäßig und systematisch durchgeführt mit dem Vorsatz und dem Willen zur endgültigen Vernichtung. Dies macht uns immer wieder fassungslos und erfüllt uns als Deutsche mit Scham!

Nur wenige haben die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie überlebt. Nur wenige können noch Zeugnis von dem unermesslichen Leid ablegen, das den Sinti und Roma angetan wurde.

Für uns alle ist es eine besondere Ehre, dass heute Überlebende zusammen mit ihren Angehörigen anwesend sind und dafür zumeist eine weite Anreise auf sich genommen haben. Stellvertretend für sie alle begrüße ich mit besonderer Herzlichkeit Zoni Weisz!

Die Errichtung des Denkmals war ein langer und schwieriger Weg, aber es war richtig und wichtig, ihn zu gehen. In Berlin, der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, ist damit ein Erinnerungszeichen von besonderer Bedeutung entstanden. Ich danke allen, die trotz immer wieder aufgetretener Hindernisse dieses Vorhaben bis heute begleiteten.

An erster Stelle nenne ich Romani Rose, den Vorsitzenden des Zentralrates der Sinti und Roma. Mit Ihrem Namen, lieber Herr Rose, ist die Initiative zu diesem Denkmal untrennbar verbunden. Sie haben in den vielen Jahren alle Beteiligten immer wieder zusammen gebracht und von ihnen unermüdlich die Fortsetzung der Arbeit eingefordert. Wir danken Ihnen von ganzem Herzen!

Ich danke auch allen beteiligten Opferverbänden: dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma, der Sinti-Allianz Deutschland und Ihnen, lieber Timo Wagner, als dem Vertreter des Jenischen Bundes in Deutschland.

Bei allen unterschiedlichen Auffassungen haben die Opferverbände nie das Ziel aus den Augen verloren und schließlich durch die Bereitschaft zu Kompromissen seine Verwirklichung ermöglicht. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch an die leider jüngst verstorbene Natascha Winter erinnern, die sich als Vorsitzende der Sinti Allianz Deutschland ebenfalls vehement für das Denkmal eingesetzt hat.

Es ist auch ein gutes Zeichen, dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestages den Weg bis heute gemeinsam mitgegangen sind. Das Grundstück hier im Tiergarten, auf dem das Denkmal nun steht, hat das Land Berlin dankenswerterweise zur Verfügung gestellt und ebenfalls die Baumaßnahmen durchgeführt.

Es ist ein würdiger Ort im Zentrum Berlins in unmittelbarer Nachbarschaft zum Deutschen Bundestag und unweit des Denkmals für die ermordeten Juden Europas.

Besonders freue ich mich über die Anwesenheit von Dani Karavan, dem großen Künstler, der mit seinen Werken weltweit Maßstäbe gesetzt hat. Nach Ihrem Entwurf, lieber Herr Karavan, wurde das Denkmal errichtet; es ist ein ebenso eindringliches wie sensibles Kunstwerk entstanden.

Mit Beharrlichkeit und Geduld haben Sie die exakte Umsetzung Ihrer künstlerischen Vorstellungen verfolgt. Entstanden ist ein großes Werk der Erinnerung und Mahnung.

Sie sagen selbst, dieses Denkmal ist eines der wichtigsten Werke, das Sie geschaffen haben, wenn nicht das wichtigste von allen. Wir sind Ihnen sehr dankbar!

Meine Damen und Herren,dieses Denkmal macht unmissverständlich deutlich, dass wir die Verbrechen an den Sinti und Roma nicht verdrängen, nicht vergessen und dass wir den Opfern ein würdiges Andenken bewahren. Es ist ein wichtiger Baustein der deutschen Erinnerungskultur, mit dem wir dokumentieren, dass der Völkermord an den Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes ist.

Aber dieses Denkmal soll nicht nur Teil der Erinnerung sein, sondern vor allem auch für die Zukunft eine eindringliche Mahnung und Aufforderung, gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma anzugehen und sich immer wieder für Menschenrechte, Toleranz und den Schutz von Minderheiten einzusetzen – hier in Deutschland und darüber hinaus!

Quelle: www.bundesregierung.de 

Rede von Zoni Weisz anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin am 24.10.2012.

Exzellenzen, verehrte Gäste, liebe Freunde, Latcho Dives mare Sinti oen Roma

Ich begrüße ganz besonders alle Überlebenden des Völkermordes an den Sinti und Roma. Dies ist gerade für Sie, die Überlebenden, ein besonderer Tag. Ein Tag mit gemischten Gefühlen – einerseits Freude, dass dieses Denkmal nun endlich eingeweiht wird, und andererseits die unvermeidliche Erinnerung an die schreckliche Nazi-Zeit und an unsere Lieben, die den Nazi-Wahnsinn nicht überlebt haben.

Für mich als Überlebenden ist es eine besondere Ehre hier und heute reden zu dürfen – stellvertretend für die Hunderttausenden von Sinti und Roma, die dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer fielen.

Nach vielen Jahren der Vorbereitung und nach vielen Problemen, die erst überwunden werden mussten, ist es nun so weit. An diesem wundervollen Ort im Herzen Berlins dürfen wir die Einweihung unserer Gedenkstätte für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma erleben. Es ist dem Gestalter, dem israelischen Künstler Dani Karavan, gelungen, ein besonderes und interessantes Denkmal zu schaffen.

Leider ist es für viele Überlebende der Nazi-Schrecken inzwischen zu spät, aber für die wenigen, die das hier noch miterleben dürfen, und für ihre Familien ist dieses Denkmal in meinen Augen eine Art der Wiedergutmachung. Es ist eine spürbare Anerkennung für das von unserem Volk durchlittene, unfassbare Leid.

Bereits kurz nach der Machtübernahme durch Hitler und seine Nazi-Schergen 1933 wurden Sinti und Roma in Konzentrationslager deportiert. Weil sie waren, wer sie sind, Sinti und Roma. Totaler Wahnsinn!

Dass es Sinti und Roma, aber auch den Juden, schlecht ergehen würde, war damals schon klar. Schritt für Schritt wurden wir aller unserer Rechte beraubt.

Wir wurden identifiziert, registriert, isoliert, beraubt, deportiert und schließlich ermordet.

Ein sinnloser, industriell betriebener Mord war das, an wehrlosen, unschuldigen Menschen, ausgeheckt und sorgfältig ausgeführt von fanatischen Nazis und vielleicht noch fanatischeren Bürokraten. Verbrecher, die hierfür eine Legitimation in ihren Rassengesetzen fanden.

Eine halbe Million Sinti und Roma, Männer, Frauen und Kinder, wurden während des Holocausts ermordet. Nichts, fast nichts, hat die Gesellschaft daraus gelernt, sonst würde man jetzt auf andere Art und Weise mit uns umgehen.

Wenig, sehr wenig weiß die Welt vom Völkermord an Sinti und Roma.

Sogar in den Nürnberger Prozessen wurde nur summarisch über das Schicksal der Sinti und Roma gesprochen.

Ich hoffe, dass mit der Einweihung dieses Denkmals der – wie ich ihn nenne – »Vergessene Holocaust« nicht länger vergessen sein wird und die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient.

In 1936 fanden hier in Berlin die Olympischen Spiele statt. Deshalb sollte Berlin »zigeunerfrei« gemacht werden. es wäre doch schrecklich, wenn »Zigeuner« das Straßenbild verschmutzen würden. Welchen Eindruck würde das auf die Welt machen? Fast alle Sinti und Roma wurden verhaftet und in ein Konzentrationslager in der Vorstadt Marzahn interniert, wo sie unter erbvärmlichen Umständen leben mußten. Sie wurden danach alle in Nazi-Vernichtungslager deportiert. Unter den Deportierten befand sich auch der Berliner Sinto Otto Rosenberg, der die Nazi-schrecken überlebte.

Meine Damen und Herren, heute kann ich hier bei Ihnen sein, weil ich dem so genannten »Zigeunertransport« am 19. Mai 1944 vom Lager Westerbork nach Auschwitz auf wundersame Weise entkommen bin. Auch ich sollte als siebenjähriger Junge mit diesem Transport deportiert werden und stand zusammen mit meiner Tante Moezla und einer kleinen Gruppe Familienangehörigen auf dem Bahnsteig, um auf den Zug nach Auschwitz zu warten.

Der Bahnsteig war voller Soldaten und Polizisten. Geschrei, stampfende Stiefel: Einsteigen, schnell, schnell! Da kam der Zug, in dem sich bereits mein Vater, meine Mutter, meine kleinen Schwestern und mein kleiner Bruder befanden.

Ich sah sofort, wo unsere Familie war. Mein Vater hatte den blauen Mantel meiner Schwester vor die Gitterstäbe des Viehwaggons gehangen. Ich erkannte ihn sofort. Es war ein Mantel aus weichem blauem Stoff. Wenn ich die Augen schließe, spüre ich heute noch, wie herrlich weich sich der Mantel meiner Schwester anfühlte. Auch wir sollten mit auf diesen Transport nach Auschwitz gehen.

Mit Hilfe eines »guten« Polizeibeamten, wahrscheinlich ein Mitglied der Widerstandsbewegung, ist es uns gelungen, der Deportation zu entgehen.

Im letzten Augenblick, in dem wir uns sahen, schrie mein Vater voller Verzweiflung aus dem Viehwaggon meiner Tante zu:

»Moezla, pass gut auf meinen Jungen auf«. Das war das Letzte, was ich von meinen Lieben sah. Dieses Bild hat sich für immer in meine Netzhaut eingebrannt. Ich war allein. Als Kind von sieben Jahren hatte ich alles verloren und fiel in ein unermesslich tiefes Loch.

Oft, auch heute, muss ich an meine Mutter denken, die im »Zigeunerlager« in Auschwitz-Birkenau unter den schrecklichsten Umständen für meine Schwestern und meinen Bruder sorgen musste. Meine Mutter, die sich das Essen vom Mund absparte, um ihre Kinder am Leben zu erhalten.

Wir können uns keine Vorstellung von den unvorstellbaren Leiden machen, die meine Mutter und all die anderen Mütter erlitten haben. Sie mussten in manchen Fällen erleben, dass an ihren Kindern die fürchterlichsten medizinischen Experimente durchgeführt wurden. Schließlich wurden in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 die noch verbliebenen 2.900 Frauen, Kinder und Älteren aus dem »Zigeunerlager« vergast, auch meine Mutter, meine Schwestern und mein Bruder.

Das ist der Grund, warum wir heute hier zusammengekommen sind.

Wir haben jetzt einen eigenen Ort, an dem wir unserer ermordeten Lieben gedenken können.

Meine Damen und Herren, dieses Denkmal ist ein Zeichen der Anerkennung – Anerkennung des uns in der Zeit des Nationalsozialismus zugefügten Leids.

Es ist ein Denkmal der Besinnung, aber auch ein Denkmal, das Fragen aufwirft.

Wie war es möglich, dass so viele unschuldige Menschen ermordet wurden?

Wie war es möglich, dass so viele Menschen weggeschaut haben und dachten, dass es so schlimm nicht kommen würde?

Wie war es möglich, dass so viele Menschen zu Mitläufern wurden und schließlich Teil des verhängnisvollen Nazi-Systems und damit mitschuldig an dem größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte?

Wir müssen Lehren aus der Geschichte ziehen. Es kann und darf nicht sein, dass unsere Lieben umsonst gestorben sind, dass wir nichts aus der Geschichte gelernt haben. Wir haben die Aufgabe, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Minderheiten in Frieden und Sicherheit leben können.

Meine Damen und Herren, dieses Denkmal ist auch ein Zeichen der Hoffnung.

Hoffnung, dass jeder – ungeachtet seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion gleiche Rechte und gleiche Chancen hat.

Hoffnung, dass diese Rechte in der Praxis auch anerkannt und ausgeführt werden.

Hoffnung, dass der Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus, der sich in vielen Ländern wieder manifestiert, nicht die Ausmaße annimmt wie in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Hoffnung, dass die Bekundungen von Fremdenhass künftig nicht mehr toleriert werden.

Hoffnung, dass wir zusammen in Frieden leben können, trotz der großen Unterschiede zwischen Kulturen und Völkern, und Hoffnung, dass wir einander wieder respektieren werden.

An dieser Stelle spreche ich auch die Hoffnung aus, dass die Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Verantwortung übernehmen und mit der Umsetzung des von der Europäischen Kommission initiierten »EU-Rahmens für die nationale Strategie zur Integration der Roma« beginnen. Dieser Rahmen wurde von allen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet, die Umsetzung lässt jedoch noch viel zu wünschen übrig.

Schwerpunkte dieses Rahmens sind: Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnung.

Meine Damen und herren, dieses Denkmal ist kein Schlußpunkt, sondern vielmehr der Ausgangspunkt für eine verstärkte Auseinandersetzung des Umgangs mit dem Holocaust an Sinti und Roma, für einen Umgang, die von der Verantwortung für unsere Menschen in Deutschland und Europa getragen wird. Wir Überlebende würden uns sehr wünschen, dass der Zentralrat der deutschen Sinti und Roma, als Initiator des Denkmals, baldmöglichst eine eigene Repräsentanz in Berlin erhält, um den Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, noch wirkungsvoller begegnen zu können.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass diese Gedenkstätte ein Ort des Nachdenkens, der Besinnung sein wird und das gegenseitige Verständnis fördert, damit wir miteinander in Frieden und Freundschaft leben können.

Durch den Mut eines Einzelnen habe ich als Kind überlebt, doch Abertausende andere Sinti- und Roma-Kinder konnten dem Vernichtungswillen der Nazis nicht entrinnen. Sogar aus Kinderheimen und Adoptivfamilien wurden sie in die Todeslager deportiert. Aus einem dieser Kinderheime ist ein einzigartig filmisches Zeugnis erhalten. Es sind Aufnahmen einer NS-Rassen-Forschungsstelle. Sie mißhandelten 40 dort untergebrachte Kinder für ihre Doktorarbeit. Die Eltern hatten sie schon vorher in Konzentrationslager verschleppt. Es sind die letzten Bilder der Kinder. Im Mai 1944 wurden sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert und fast alle in Gaskammern ermordet. Sehen Sie die bewegenden Originalaufnahmen in Gedenken an die unseligen namenlosen Kinder, die dem Völkermord zum Opfer fielen.

Danke.

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas

Datum: 24.10.2012Ort: Berlin

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,sehr geehrter Herr Staatsminister,liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten,sehr geehrter Herr Karavan,

aber vor allen Dingen sehr geehrter Herr Weisz, als Erstes möchte ich mich an Sie wenden, stellvertretend für alle Überlebenden eines grauenhaften Völkermordes. Ich danke Ihnen für Ihre berührenden, uns alle, glaube ich, tief berührenden Worte, die Sie an uns gerichtet haben. Ich danke Ihnen einfach, dass Sie heute bei uns sind!

Sehr geehrter Herr Rose, ich möchte auch Ihnen danken, der Sie als Vertreter der nachgeborenen Generation und Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma so lange für das Denkmal gekämpft haben, das wir heute endlich einweihen können. Sie haben nicht nachgelassen, Sie haben durchgehalten. Danke!

Meine Damen und Herren, dieses Denkmal erinnert an eine Opfergruppe, die öffentlich viel zu lange viel zu wenig wahrgenommen wurde. Es erinnert an die vielen hunderttausend Sinti und Roma, an die im Nationalsozialismus als sogenannte Zigeuner Verfolgten, darunter auch die Jenischen, deren Leben die unmenschliche Rassenpolitik des nationalsozialistischen Terror-Regimes zerstörte. Dieses Denkmal mitten in Berlin erinnert an das unsägliche Unrecht, das ihnen allen widerfuhr.

Ebenfalls mitten in Berlin nahm die Katastrophe ihren Lauf, als der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg vor bald 80 Jahren einen neuen Reichskanzler ernannte. Der verhängnisvolle Tag, der 30. Januar 1933, ist auf Filmen und Fotos dokumentiert. Das, was auf den ersten Blick wie der Amtsantritt eines neu gewählten Regierungschefs in einem demokratisch verfassten Staat aussah, war in Wirklichkeit das Ende der Weimarer Republik und der Beginn einer grausamen Zeit irrsinnigen Rassenwahns und fanatischen Großmachtstrebens.

Schon vier Wochen später setzte die sogenannte Reichstagsbrandverordnung zentrale Grundrechte außer Kraft. Bald darauf folgte das Ermächtigungsgesetz. Zur gleichen Zeit wurde in Dachau das erste Konzentrationslager der SS errichtet. Politische Gegner wurden fortan verfolgt, Parteien und Gewerkschaften zerschlagen. Es begann die systematische Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität oder ihrer Art zu leben.

Es begann damit auch die Verfolgung der Sinti und Roma. Ihr Alltag veränderte sich radikal. Verbote schränkten das Leben zusehends ein. Die Grundlagen der eigenen Existenz – sie waren plötzlich dahin. Am Ende standen: gezielte Verfolgung, Zwangssterilisation, der Zivilisationsbruch des Holocaust, der Völkermord an den Sinti und Roma Europas. An ihn denken wir heute.

Jedes einzelne Schicksal dieses Völkermordes ist eine Geschichte unfassbaren Leids. Jedes einzelne Schicksal erfüllt uns, erfüllt mich mit Trauer und Scham. Jedes einzelne Schicksal mahnt uns. Denn jede Generation steht aufs Neue vor der Frage: Wie konnte es nur dazu kommen?

Die Antwort auf diese Frage wird immer unbefriedigend bleiben müssen, weil das, was damals in Deutschland geschah und von Deutschland ausging, letztlich unfassbar ist. Antworten auf das Warum zu suchen, das ist und bleibt dennoch Aufgabe kultureller, historischer, politischer Bildungsarbeit, und zwar deshalb, um uns für die Zukunft dazu zu befähigen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und von vornherein Schlimmeres zu verhüten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang Bundespräsident Roman Herzog zitieren, der am 27. April 1995 in Bergen-Belsen sagte: „Totalitarismus und Menschenverachtung bekämpft man nicht, wenn sie schon die Macht ergriffen haben. Man muss sie schon bekämpfen, wenn sie zum ersten Mal – und vielleicht noch ganz zaghaft – das Haupt erheben.“

Deshalb ist es so wichtig, genau hinzuschauen, sich rechtzeitig einzumischen und Verantwortung zu übernehmen. Dies ist im Übrigen nicht nur als Aufgabe von Bildungsträgern wichtig, so unverzichtbar diese auch sind, sondern es ist Aufgabe von uns allen, es ist die Aufgabe jedes Einzelnen von uns. Denn in der Gleichgültigkeit, in einem Klima des Geht-mich-nichts-an, keimt bereits die Menschenverachtung auf.

Menschlichkeit – das bedeutet Anteilnahme, die Fähigkeit und die Bereitschaft, auch mit den Augen des anderen zu sehen. Sie bedeutet hinzusehen und nicht wegzusehen, wenn die Würde des Menschen verletzt wird. Davon lebt jegliche Zivilisation, Kultur und Demokratie.

Das sollte, das muss uns die bleibende Mahnung aus unserer Geschichte sein, weil wir nur so eine gute Zukunft gestalten können. Das sind wir den Toten schuldig. Und das sind wir den Überlebenden schuldig. Denn im ehrenden Gedenken der Opfer liegt immer auch ein Versprechen. So verstehe ich auch unseren Auftrag zum Schutz von Minderheiten heute nicht nur im Blick auf die Schrecken der Vergangenheit, sondern als Auftrag für heute und für morgen. Was wir zu tun haben, darauf haben Sie uns hingewiesen.

Die Geschichte von Minderheiten, ihre Kulturen, ihre Sprachen – sie sind eine Bereicherung der Vielfalt Deutschlands. Diese Vielfalt macht unser Land lebenswert und liebenswert. Doch reden wir nicht drumherum: Sinti und Roma leiden auch heute oftmals unter Ausgrenzung, unter Ablehnung. Sie, lieber Herr Rose, werden nicht müde, wieder und wieder darauf hinzuweisen. Sinti und Roma müssen auch heute um ihre Rechte kämpfen. Deshalb ist es eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben. Deshalb wirkt Deutschland auch im Rahmen der Europäischen Union und in den Beitrittsprozessen darauf hin, dass die Rechte der Sinti und Roma gewahrt werden.

So verstanden ist die vielfältige Gedenkkultur, die Deutschland pflegt, Erinnerung, die nicht rückwärtsgewandt ist. So verstanden trägt ein nationales Denkmal zum Nachdenken bei. Es hilft heutigen und kommenden Generationen, das Verantwortungsbewusstsein für ein gedeihliches Miteinander aller Menschen in Deutschland wachzuhalten. Erinnern ist also Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses, um die Zukunft gestalten zu können.

Ohne Zweifel sprechen die Gedenkstätten an authentischen Orten eine besonders deutliche Sprache. Bilder einstiger Gefängniszellen, KZ-Baracken und Krematorien prägen sich uns allen tief ein. Ausstellungen erläutern ergänzend, was an diesen Orten geschah. Es gibt aber auch andere Formen des Erinnerns. So erinnert unweit von hier das Stelenfeld Peter Eisenmans an die ermordeten Juden Europas. Ebenfalls in Reichweite steht das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Noch im Entstehen ist ein Ort des Gedenkens an die Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde.

Viele Menschen, die in Berlin leben oder die die Stadt besuchen, werden in Zukunft auch an dem von uns heute einzuweihenden neuen Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas vorbeikommen. Zum Reichstag, dem Sitz des Deutschen Bundestages, sind es nur wenige Meter. Auch das Brandenburger Tor, Wahrzeichen dieser einst geteilten und heute weltoffenen Stadt, steht in unmittelbarer Nähe. Mitten in Berlin, mitten in der pulsierenden Metropole, mitten unter uns gibt es diesen Ort des Gedenkens an die Toten.

Wir können die ermordeten Sinti und Roma damit nicht zurück ins Leben holen. Wir können Geschehenes nicht ungeschehen machen. Doch wir können das Gedenken, die Erinnerung, die Mahnung in unsere Mitte holen.

Wir tragen dieses Gedenken in unsere Mitte, damit niemand vergisst, was geschehen ist: die Entrechtung und Erniedrigung, die Gewalt und Deportation, der Missbrauch in pseudomedizinischen Versuchen, die Ermordung hunderttausender Sinti und Roma im von Deutschland besetzten Europa. Dieser Völkermord hat tiefe Spuren hinterlassen und noch tiefere Wunden.

Deshalb danke ich Ihnen, lieber Herr Weisz, und allen Überlebenden und ihren Angehörigen, dass Sie die Kraft gefunden haben, heute mit uns zusammen dieses Denkmal einzuweihen. Denn diejenigen, die Zeugen der Verbrechen waren, und diejenigen, die Angehörige und Freunde verloren haben – sie können nicht vergessen. Und wir alle, wir dürfen nicht vergessen.

Es ist deshalb in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen, dass wir nach langen Jahren und manchen Rückschlägen heute nun dieses nationale Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas einweihen können – ein Denkmal, das Gefühl und Verstand gleichermaßen anspricht, indem es uns auf eine dunkle Wasserfläche auf einer Granitplatte blicken lässt, einem See stummer Tränen gleich hält es uns einen Spiegel der unendlichen Tiefe der Trauer vor, in der Mitte jedoch immer eine frische Blume. Indem es auf Glastafeln die Leidensgeschichte der Sinti und Roma schildert, gibt es eine Chronologie des Grauens.

Dieser Ort lässt erahnen: Das Leid hat Gesichter, es hat viele einzelne, individuelle Gesichter. Jeder einzelne grausam beendete Lebensweg steht ganz für sich allein. Es war ein Leben. Es war das Leben eines Menschen. Wir sehen in diesem Denkmal diesen einen Menschen, dieses eine Leben.

Dies zum Ausdruck zu bringen – das ist Ihr Verdienst, lieber Herr Karavan, und ich danke Ihnen sehr dafür. Das von Ihnen gestaltete Denkmal trägt das Schicksal des einzelnen Menschen in unsere Mitte, damit es uns stets Mahnung sei. Möge es uns mahnen, dass wir immer und zuerst die Würde des einzelnen Menschen zu achten haben, ganz gleich, wie er lebt, ganz gleich, woher er kommt, und ganz gleich, wer er ist, und zwar im Sinne des Artikels 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Dieser erste Artikel unseres Grundgesetzes war und ist die Antwort auf die Jahre der unfassbaren Schrecken zuvor. Und er ist und bleibt die Richtschnur unseres Handelns heute und in Zukunft – und zwar in jedem einzelnen Falle.

Herzlichen Dank.

http://www.doam.org/index.php/projekte/raeume-der-erinnerung/deutsche-sintiundroma/1640-mahnmalfuer-sintiroma-rede-rrose

Rede Romani Rose, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma

Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas Rede zur Einweihung des Denkmals in Berlin am 24. Oktober 2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen, Herr Bundespräsident, Herr Bundestagspräsident, Frau Bundeskanzlerin, Herr Regierender Bürgermeister, Herrn Staatsminister, sehr geehrter Herr Graumann, lieber Zoni Weisz, lieber Dani Karavan, und Ihnen allen, dass Sie heute teilnehmen an der Einweihung dieses Denkmals.

Sie erweisen damit unseren Menschen die Ehre und den Respekt vor ihrem Schicksal.

Ich danke den Überlebenden, die heute hierher gekommen sind. Unsere Gedanken sind bei denen, die nicht bei uns sein können.

Mit der Einweihung dieses Denkmals für die über 500.000 im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas gedenken wir der Opfer des Völkermords. Zugleich erinnern wir an dieses jahrzehntelang verdrängte Menschheitsverbrechen.

Es gibt in Deutschland keine einzige Familie unter den Sinti und Roma, die nicht unmittelbare Angehörige verloren haben – dies prägt unsere Identität bis heute.

Die ungeheuerlichen Verbrechen der Nazis entziehen sich noch immer dem Verstehen. Sie begannen mit Ausgrenzung und Entrechtung, und sie endeten mit Massenmord in den Vernichtungslagern, in denen Sinti und Roma gemeinsam mit den Millionen anderer Opfer litten. Ich begrüße an dieser Stelle den Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Herrn Heubner.

Sinti und Roma wurden allein aufgrund ihrer vorgeblichen Rassenzugehörigkeit, ihrer bloßen biologischen Existenz ausgesondert und unterschiedslos ermordet, alte Menschen ebenso wie Kinder.

Dieses Denkmal neben dem Reichstag, in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor und zum „Denkmal für die ermordeten Juden Europas" ist Ausdruck der Verpflichtung, Antiziganismus ebenso wie Antisemitismus zu ächten.

Es gibt aber in Deutschland und in Europa einen neuen, zunehmend gewaltbereiten Rassismus gegen Sinti und Roma. Dieser Rassismus wird nicht nur von rechtsextremen Parteien und Gruppierungen getragen, sondern er findet immer mehr Rückhalt in der Mitte unserer Gesellschaft.

Gerade der heutige politische und juristische Umgang mit rechtsextremer Gewaltideologie stellt einen Prüfstein dar, ob und welche Lehren wir aus Krieg und Holocaust gezogen haben. Es gibt heute vor allem im Internet massive Aufrufe zur Gewalt gegen Juden, gegen Sinti und Roma; der Mordserie der sogenannten NSU fielen zehn Menschen zum Opfer. Dieser Rassismus richtet sich vordergründig gegen unsere Minderheit, tatsächlich aber richtet er sich gegen unsere Demokratie und unsere demokratischen Werte. Hier genügen keine Verbote — die Ächtung jedweder Gewalt muss in der ganzen Gesellschaft Platz greifen.

Als 1980 eine Gruppe von Sinti und Roma, darunter fünf Überlebende des Holocaust, im ehemaligen Konzentrationslager Dachau in einen Hungerstreik traten, um auf die Tatsache des Völkermordes und seine jahrzehntelange Verleugnung in der Bundesrepublik Deutschland aufmerksam zu machen, konnte sich niemand von uns vorstellen, dass es einmal ein solches Denkmal geben würde.

Bis dahin waren die Überlebenden ausgeschlossen von jeder moralischen, rechtlichen und politischen Entschädigung; erst 1982 wurde der Holocaust an Sinti und Roma durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt anerkannt.

Dieses Denkmal, das wir heute einweihen, ist auch ein Ergebnis der langen Auseinandersetzung mit der Geschichte von Sinti und Roma in Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Denkmal verbindet für uns Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Es steht zugleich für eine besondere, aus dem Holocaust resultierende Verantwortung für die Sinti und Roma in Deutschland und in Europa. Untrennbar damit verknüpft ist der eindeutige Auftrag an Politik und Gesellschaft, künftig die Rechte unserer Minderheit zu wahren und ihre und Würde und Sicherheit zu garantieren.

Wir verbinden mit diesem Denkmal die Hoffnung, dass der Holocaust an den Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes wird. Dass es in Deutschland für alle Menschen eine gemeinsame Kultur der Humanität und der gegenseitigen Anerkennung gibt, in der die Würde des Menschen, wie es unsere Verfassung verspricht, der höchste Maßstab jeglichen Handelns ist.

Romani Rose

Die Junge Freiheit deckt das für politisch-kulturell orientierte Wochenzeitungen übliche Themenspektrum ab. Die Titelseite kommentiert aktuelle Ereignisse aus Autorensicht. Es folgen die Rubriken Meinung, Im Gespräch, Politik, Wirtschaft & Umwelt, Hintergrund, Kultur, Literatur, Geschichte & Wissen, Forum, Leserforum, Zeitgeist & Medien. Das Online-Archiv enthält sämtliche Artikel ab April 1997. Die Seite „Im Gespräch“ enthält jeweils ein Interview mit einer Person der Zeitgeschichte. Dabei beziehen sich diese Interviews und weitere Artikel der Folgeseiten oft ebenfalls auf Tagesthemen der Titelseite, so dass Kommentare dazu ein großes Gewicht erhalten.

Die JF stellt sich in die Tradition der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik. Die Konservative Revolution steht für eine Gruppe ideologischer Strömungen und der sie tragenden Akteure, die sich im Kontext der Weimarer Republik entwickelten. Gemeinsam war diesen Akteuren, dass ihre Ideologien entschieden antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Züge trugen.[369] Das Ziel der „Konservativen Revolution“ war nicht der Erhalt der bestehenden oder die Wiederbelebung einer früheren Ordnung, sondern der Sturz der Weimarer Republik, um eine neue Ordnung zu schaffen, die erst dann konserviert werden könne. Die Autoren der Konservativen Revolution bildeten keine feste Gruppe, sondern eher ein verzweigtes publizistisches Geflecht. Sie schufen keine einheitliche Doktrin, bemühten sich jedoch alle, ähnlich dem italienischen Faschismus, die „Phänomene der Moderne“ in eine theoretische Synthese mit einer rechten Weltanschauung zu bringen.

Die Konservative Revolution kann auch als Reaktion auf eine als krisenhaft empfundene gesellschaftliche Modernisierung verstanden werden, als eine neokonservative intellektuelle Suchbewegung im Umbruch der sich durchsetzenden Moderne. Die dort vertretenen Intellektuellen waren in der Regel keine aktiven Nationalsozialisten, die sich in der NSDAP betätigten und Adolf Hitler als Führer verherrlichten, standen aber ebenso wenig nationalsozialistischen Ideen in fundamentaler Ablehnung gegenüber. Die Bewegung wird als einer der „intellektuellen Wegbereiter“ des Nationalsozialismus gesehen. Rassismus und völkische weltanschauliche Positionen wurden jedoch von vielen Personen offen vertreten. Von vielen Vertretern der Konservativen Revolution wurden ständische, korporative Modelle als Organisationsformen der Gesellschaft angestrebt. Diese seien organische Staatsauffassungen, die aus der Betonung der Ungleichheit der Menschen die Notwendigkeit einer – vorgeblich in der Natur begründeten – hierarchischen Ordnung in an die Ständeordnung des Mittelalters angelehnten Stufen ableiten. [370]

Ideologen wie Arthur Moeller van den Bruck, Carl Schmitt, Ernst Jünger, Othmar Spann und Oswald Spengler vertraten in der Weimarer Republik antiliberale Positionen und waren ideologische Steigbügelhalter der NSDAP.[371] Im Mittelpunkt ihrer politischen Ideologie wird das Politische nicht als demokratischer Gestaltungsraum betrachtet, sondern als ein Raum von schicksalhaftem Wirken höherer Mächte.

Die „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) durch die Säkularisierung und Rationalisierung zerstöre das vermeintlich Schicksalhafte und Tiefe sowie das Ursprüngliche und das Eigentliche.[372] Die Ideen der „Konservativen Revolution“ waren in wesentlichen Teilen irrational. Ihre Vertreter beriefen sich auf angebliche ewig gültige Normen und Ideale als sinnstiftend für die Gesellschaft. Edgar Julius Jung erläuterte:[373] „Konservative Revolution nennen wir die Wiedereinsetzung aller jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann. An Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an Stelle der sozialen Gesinnung der gerechte Einbau in die gestufte Gesellschaft.“

Deshalb solle der Mensch wieder von einer höheren Ordnung wie „Volk“ oder „Nation“ in die Pflicht genommen werden.[374] Nur wenn der Mensch sich einer höheren Idee und einer großen Politik für „Volk“ und „Nation“ unterwerfe, fände er die eigenen Wurzeln und seinen angestammten Platz in der Welt.[375]

Die „Konservative Revolution“ lehnte die objektiven Wissenschaften und die universalistischen Grundlagen der Lebensverhältnisse für alle Menschen ab. Liberalismus, Parlamentarismus, Marxismus, Egaliatarismus, und Individualismus ständen der zu schaffenden homogenen völkischen Nation entgegen und müsse daher bekämpft werden. Der Sturz der Weimarer Republik konnte ihrer Ansicht nur durch einen kulturellen Wandel im vorpolitischen Raum erfolgen. Aus diesem Grunde riefen die „Konservativen Revolutionäre“ Diskussionszirkel und eine Medien in Leben, um ihre Gedanken einem breiteren bildungsbürgerlichen Publikum vorzustellen.[376] Bei ihr handelt es sich nicht um eine festgefügte Organisation oder homogene politisch-ideologische Richtung. Arthur Moeller van den Bruck formulierte beispielsweise: „Liberalismus hat Kulturen zerstört. Er hat Religionen vernichtet. Er hat Vaterländer zerstört. Er war die Selbstauflösung der Menschheit.“[377]

Die JF bezieht sich positiv auf das Werk „In den Stahlgewittern“ von Ernst Jünger, was auch auf ihren antipazifistischen Charakter hindeutet.[378] Jünger schildert darin die Kampfhandlungen des 1. Weltkrieges aus der Perspektive eines jungen Kriegsfreiwilligen, der sich nach seiner ersten, im Frühjahr 1915 in der Champagne erlittenen Verwundung zum Infanterieoffizier weiterbilden lässt und anschließend in der Gegend von Arras den Stellungskrieg kennenlernt. In den Stahlgewittern fasst Jünger den Krieg als ein schicksalhaftes Geschehen auf, dem die Menschen wie einer Naturgewalt ausgeliefert sind. Dies kommt in der für den Titel gewählten Metapher zum Ausdruck und lässt sich auch anhand anderer Textstellen belegen, in denen Kriegsereignisse als „Unwetter“ oder „Naturschauspiel“ bezeichnet und beschrieben werden. Die Grausamkeit des Krieges wird eindringlich und realistisch dargestellt, die Beschreibung bleibt dabei nüchtern. Die Betonung einer starken Bundeswehr und ein militärisches Eingreifen in „Krisenherden der Welt“ gehören mit zum Selbstverständnis der Jungen Freiheit

Seit 1993 führte die Junge Freiheit jährlich ein mehrtägiges Seminar durch, welches sie als „Sommeruniversität“ bezeichnete. In den Jahren 1993 und 1994 fanden diese in Zusammenarbeit mit der Burschenschaft Danubia München, der Freiheitlichen Studenteninitiative Innsbruck und dem Edgar-Jung-Institut statt und sollten als „Kristallisationspunkt“ der Lesekreise und der Zusammenführung der „Lesekreisleiter“ dienen. In ihrer Selbstdarstellung lehnten sie sich bewusst an die antidemokratische Strömung des historischen Juni-Klubs von Moeller van den Bruck und seiner „jungkonservativen“ Freunde an:[379] „Nach dem Vorbild des Politischen Kollegs der zwanziger Jahre bieten Repräsentanten verschiedener konservativer Richtungen Material für künftige Führungskräfte in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.“

1993 warb die Junge Freiheit Abonnenten mit dem Slogan „Jedes Abo eine konservative Revolution“.[380].

Um ihre Ideen durchzusetzen, verfolgte die Zeitung eine metapolitische Strategie angelehnt an der Theorie des Marxisten Antonio Gramsci (1891-1937). Gramsci verfolgte über die Marxistische Lehre hinausgehend das Konzept einer „kulturellen Hegemonie“. Welche der sozialen Klassen in der Gesellschaft die Herrschaft ausüben könne, hänge nicht nur von den materiellen ökonomischen Faktoren ab, sondern auch von ihrer Fähigkeit, Ideologie und Bewusstsein zu beeinflussen, Begriffe zu besetzen, gesellschaftliche Erwartungshaltungen und Deutungsmuster.[381] Von Antonio Gramsci übernahm die JF die Vorstellung eines Kulturkampfes, in dem es darum gehe, vor der politischen die kulturelle Hegemonie zu gewinnen, d.h. den vorpolitischen Raum zu besetzen. Erst wenn die Meinungsführerschaft errungen sei, könnten extrem rechte Parteien erfolgreich sein und die rechte Stimmung in Wahlanteile, Parlamentssitze und Regierungsverantwortung ummünzen. Die kulturelle Hegemonie müsse der politischen Macht vorangehen. Dieser Kampf im vorpolitischen Raum wurde als „metapolitischer Ansatz“ ausgegeben. Die Erringung der geistigen Vorherrschaft in einer Gesellschaft, wo Schlüsselbegriffe und Themen der öffentlichen Diskussion besetzt werden, wäre bedeutsam für eine politische Veränderung. Diese Strategie wird auch als „Gramscismus von rechts“ bezeichnet.

Die JF transportiert ein klares Freund-Feind-Denken in der Tradition des deutschen antidemokratischen Staatsrechtlers Carl Schmitt, der auch noch nach 1945 über eine positive Rezeption verfügte.[382] Das Schwarz-Weiß-Denken ist in der Regel verknüpft mit Stereotypen und Vorurteilen, als Folge von Vereinfachungen. Komplexität wird reduziert durch eine scheinbar einfache Logik.

In seiner Schrift „Der Begriff des Politischen“ stellt Carl Schmitt fest, dass „das Politische“ die unüberholbare Voraussetzung aller politischen und staatlichen Handlungen bedeutet. Für ihn verfügt „das Politische“ über eigene, spezifisch politische Kategorien, die relativ losgelöst sind von Ökonomie, Moral und Ästhetik: „Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind.“[383] In seinem Freund-Feind-Denken hält Schmitt nur Gruppen von Menschen oder Völker für mögliche Akteure des Politischen. Wie Schmitt geht de Benoist von der Bejahung des Politischen aus, d.h. von der Prämisse, dass Politik wesenhaft aus Konflikten besteht. Seine Wunschvorstellung ist eine „identitäre Demokratie“, das die Verschmelzung von Regierenden und Regierten beinhaltet. Nach diesem Modell soll ein mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteter (männlicher) Präsident den einheitlichen Volkwillen verkörpern, während dem Parlament Vollmachten entzogen werden.

Helmut Kellershohn vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS), sah die Redakteure der JF 1994 als „Exponenten einer breiten Strömung im Übergangsfeld zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus“. Die Redaktion sei vor allem von deutschen Vertriebenenverbänden und Burschenschaftern geprägt, also gerade nicht von jungen, „neuen“ Rechten. 2007 bekräftigte er seine Sicht, die JF versuche durch Themenwahl und Themenbeschreibung bisher als „konservativ“ geltende politische Positionen allmählich in Richtung eines „völkischen Nationalismus“ zu verschieben und diesen als konservative Normalität auszugeben. In seinen Studien zum Völkischen Nationalismus der Neuen Rechten zählt er auch die Junge Freiheit zu dessen Protagonisten. Zu den „Kernideologemen“ der JF zählt er folgende sieben Punkte:

Mitte der 1990er Jahre veranlassten rechtsextreme Tendenzen in einigen JF-Leserkreisen und die Nähe einiger Redakteure zur Partei Die Republikaner die Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die Zeitung zu beobachten.[384] Der Landesverfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalens erwähnte die JF erstmals 1994, da „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen“ existieren würden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erwähnte sie erstmals in seinem Bericht für 1995. Verfassungsschutzberichte Baden-Württembergs erwähnten sie seit 1997, erklärten sie aber erst 2000 offiziell zum Beobachtungsobjekt. Die Berichte Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs ordneten die Zeitung bis 2005 als „Scharnier“ zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus ein und begründeten dies mit Beispielen für rechtsextreme Argumentationsmuster bei Redaktion und Stammautoren. Die JF sei ein wichtiges Sprachrohr für die Bemühungen von Neuen Rechten und Rechtsextremisten, im konservativen Lager und unter Intellektuellen Fuß zu fassen. Sie benutze Beiträge und Interviews von Personen aus dem demokratischen Spektrum als Beiwerk und Tarnung, um ihr Image zu verbessern und damit Werbung für sich zu machen.[385]

Die JF beruft sich auf das Konzept des Ethnopluralismus, das den Rassismus alter Prägung ablösen will. Das kulturrelativistische Modell des Ethnopluralismus vertritt die Überzeugung, dass sich bestimmte Kulturen strikt voneinander unterscheiden und ein wechselseitiges Verständnis ausschließen. Der Ethnopluralismus ist ein von Alain de Benoist, dem führenden Kopf der französischen Rechten, entwickeltes Modell. Für de Benoist sind die „sozio-kulturellen Eigenheiten der Völker“, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben, unabänderbar, da sie „natürlich vorgegeben“ wären.[386] Nach völkischen Kriterien sollen deshalb die „Völker und Kulturen“ der Welt strikt getrennt werden, um „Ent- und Überfremdungen“ zu verhindern, die die jeweiligen „kulturellen Identitäten“ vernichten würden. Entscheidend sei nicht der Einzelne, sondern „das Volk, das sich im Laufe der Geschichte durch die Evolution herausgebildet habe“.

Die „Völker“ werden als „Schicksalsgemeinschaften“ begriffen, als „Wesenheiten mit eigener Persönlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte geprägt“ und die eine spezifische, letztlich genetisch bedingte Kultur hervorgebracht haben.[387] Berührungen zwischen ethnisch bestimmten Gruppen lehnt die Neue Rechte prinzipiell ab, da Völker und Nationen durch „Vermischung“ ihre Einzigartigkeit verlören. .

De Benoist löst den Rassismus weitgehend von der Verknüpfung an biologische Rassenkonstruktionen und wendet ihn als komplexen Diskriminierungszusammenhang auch auf ähnliche Einteilung und Bewertungen aufgrund von Klasse, Geschlecht, Nation, Kultur und Religion an. Vermischung verursache, so de Benoist , einen Ethnozid, bzw. Ethnosuizid, der von Antirassisten an der eigenen Kultur begangen werde.

Laut de Benoist würde der Universalismus und der Liberalismus zum „Ethnozid, das heißt zum Verschwinden der Ethnien als Ethnien führen“. Er lehnt auch die Idee von universalistischen Menschenrechten ab. Die allgemein gültigen Menschenrechte widersprechen diametral dem Ethnopluralismus innewohnenden zentralen Ideen des historisch gewachsenen Volkes, der gemeinsamen Kultur, Sprache und Abstammung. Menschenrechte deutet als Herrschaftsideologie der liberalistischen System, wo das Individuum unteilbare Rechte besitzt und nicht das „Volk“ als Ausgangspunkt des politischen weltanschaulichen Systems genommen wird.

Vorgegangen wird „nach dem Schema ‚X’ den ‚X’-en“, zum Beispiel „Deutschland den Deutschen“ oder „Grönland, den Grönländern“.[388] Dabei wird fast allen Gruppen das Recht auf einen Staat zugesprochen, nur für Israelis und für US-Amerikaner gilt diese Vorstellung nicht. US-Amerikaner werden „als Eindringlinge gesehen, denen als nicht-authentische Gruppe das Existenzrecht in diesem Staat abgesprochen wird (…) Israel wird nicht als legitimer Staat anerkannt, den Israelis wird kein Ort zugeschrieben, sie sollen ‚raus‘ aus der Ordnung der Welt“. [389] Seltsamerweise gilt diese Zuschreibung nicht für Kanada, Australien oder Neuseeland, wo auch „Eindringlinge“ aus westlichen Staaten die indigene Kultur weitgehend zerstörten und eine „Vermischung“ von Angehörigen aus verschiedenen Staaten stattfand. Der Ethnopluralismus richtete sich gegen die „Fremdherrschaft“ in Europa, also gegen die Weltmächte USA und Sowjetunion, die die „Freiheit der Völker“ durch ihre „egalitaristischen Ideologien“ (Liberalismus, Kommunismus) bedrohen würden. Die „raumfremden Mächte“ sollten vertrieben werden und eine „Nation Europa“ vom Atlantik bis zum Ural geschaffen werden, die ein „Zusammenspiel“ der „europiden Völker“ gewährleisten sollte.[390]

Die drei zentralen Punkte des Konzept des Ethnopluralismus sind laut de Benoist: „Wir definieren, daß eine Gesellschaft und ein Volk richtig handeln, wenn sie 1) sich ihrer kulturellen und geschichtlichen Herkunft bewußt bleiben, 2) sich um einen – persönlichen oder symbolischen – Mittler scharen, der fähig ist, Energien zusammenzufassen und als Katalysator des Schicksalswillens zu dienen und 3) den Mut bewahren, ihren Feind zu bezeichnen.“[391]

Die andere und die eigene Kultur sind für de Benoist fest determinierte Wesenheiten.[392] Von daher erhalten die Bewahrung der Tradition und die Erhaltung der Homogenität der erinnerten Geschichte ihre besondere Bedeutung. De Benoist möchte verhindern, dass es eine „Vemischung“ der Lebens und Denkweisen zwischen den „Völkern“ gibt. Hier wird eine „Reinheit“ konstruiert, die alles „Fremde“ aussondert. Reinfeldt und Schwarz stellten fest: „Jedes Volk ist einmalig, jedes Volk ist durch jahrhundertelange, jahrtausendelange Anpassung an seine Umwelt entstanden, weshalb es zu bewahren ist. Jedes Volk hat eine einmalige Kultur hervorgebracht und diese Vielseitigkeit der Menschheit ist auch eine Voraussetzung zum Überleben. Die Vielseitigkeit der Völker sei zu bewahren, weil jedes Volk einen Wert an sich darstelle. Diese postulierte ‚Einmaligkeit der Völker‘ führt zu Praktiken des Einschlusses ,unserer‘ intern gespaltenen und widersprüchlichen Lebensformen in ein homogenes ‚Wir‘ und zum Ausschluss aller ebenso vereinheitlichten ‚Anderen‘.“[393]

Als Gegenreaktion auf die Studentenunruhen im Mai 1968 gründeten extrem rechte Intellektuelle unter maßgeblicher Beteiligung von de Benoist und Venner die extrem rechte Organisation Groupement de Recherche et d’Etudes sur la Civilisation Europeénne (GRECE) (Forschungs- und Studiengruppe über die europäische Zivilisation). GRECE war von Anfang an als elitäre Organisation konzipiert, die zu einer ideologischen Neuausrichtung der extremen Rechten beitragen wollte. Die Ideologie- und Kulturfeindlichkeit sowie kurzfristiges Strategiedenken der Alten Rechten in Frankreich sollten mit der Neugründung überwunden werden. De Benoist vertrat ideologisch einen Neopaganismus, der eine wie auch immer beschaffene polytheistische, indogermanische Ur-Religion postuliert. Diese Positionen fanden sich in der GRECE wieder: die Ablehnung der als „egalitär“ bezeichneten jüdisch-christlichen Religionstradition zugunsten einer neuheidnischen Religiösität, die Propagierung rassistischer Ideen sowie eine ideologische Mystifizierung des Indoeuropäertums zum Ursprung einer angestrebten europäischen Zivilisationsgemeinschaft wurden vertreten.

Der Ethnopluralismus beansprucht für sich, „antirassistisch“ zu sein. Im Gegensatz zu früheren Ideologemen würde er die „Überlegenheit einer Rasse“ und ihrer Kultur, der dieser folgerichtig das Recht zuspricht, eine andere zu unterdrücken, auszubeuten oder zu eliminieren, ablehnen.[394] Der Ethnopluralismus respektiere vielmehr die Gleichwertigkeiten der „Rassen“ und Kulturen.

Der von links vertretene Antirassismus habe seinen Ursprung im Universalismus, der durch die These der Gleichheit aller Menschen Unterschiede einebne und somit den Kulturen ihre Identität nehme: „Der ‚universalistische Antirassismus‘ führt mittelbar zum gleichen Ergebnis wie der Rassismus, den er verurteilt. Er ist nämlich ebenso allergisch gegen Unterschiede, erkennt in den Völkern nur ihre gemeinsame Zugehörigkeit zur Art und neigt dazu, ihre besonderen Identitäten als vorübergehend und nebensächlich zu betrachten.“[395]

Der Ethnopluralismus wendet sich gegen das universalistische Denken, das postuliert, Menschen seien ihrem Wesen nach gleich. Der Universalismus soll laut de Benoist für die Vermassung und damit Austauschbarkeit der Individuen verantwortlich zu sein. De Benoist wehrt sich gegen eine Vorstellung, was Individuen und nicht etwa „Völker“ zum Ausgangspunkt politischen Denken und Handelns nimmt.[396] Die hinter dem Universalismus stehende jüdisch-christliche Tradition mit ihrer Betonung der Unantastbarkeit der Würde des je einzelnen Menschen, die sich über alle Kulturen, „Völker“ und Gemeinschaften hinweg als solidarisch innerhalb einer Menschheit versteht, wird als individualistische Ideologie abgelehnt.

Die allgemein gültigen Menschenrechte widersprechen diametral dem Ethnopluralismus innewohnenden zentralen Ideen des historisch gewachsenen Volkes, der gemeinsamen Kultur, Sprache und Abstammung. Pluralismus existiert immer nur zwischen Völkern, keinesfalls darf es zu einem Pluralismus innerhalb eines Volkes kommen. SO nimmt de Benoist die Feindbestimmung Universalismus vor: „Das wesentlichste Gegensatzpaar heißt heute nationale Identität versus Entfremdung, Ethnopluralismus gegen One-World-Ideologie.“[397]

Laut der ethnopluralistischen Ideologie sei ein Zusammenleben unterschiedlicher ethnischer Gruppen grundsätzlich abzulehnen.[398] Der Zuzug von Migranten müsse verhindert werden oder auf ein Minimum beschränkt werden. Die als Nicht-Franzosen konnotierten Menschen müssten Frankreich verlassen und wohin auch immer abgeschoben werden. Die Sicherung der „nationalen Identität“ führt dazu, dass de Benoist „Einwanderung eindeutig verdamme“.[399]

Die Migration von Nicht-Europäern vornehmlich nach Westeuropa „widerspreche den Naturgesetzen, da sie einerseits die Migranten ihrem natürlichen Lebensraum entwurzele und andererseits durch Migration die „biologische Substanz der Völker“ gefährdet“ werde. De Benoist führt weiter aus: (…) Ein Volk, das sich dauerhaft mit Menschen anderer Kulturen mische, werde langfristig sterben. (…) Alle Soziologen wissen, daß, wenn zwei Populationen zusammenleben, die sich vom ethnisch-kulturellen Gesichtspunkt aus deutlich unterscheiden, sobald eine gewisse Schwelle überschritten wird, daraus Schwierigkeiten aller Art resultieren: Diskriminierung, Segragation, Kulturverlust, Straffälligkeit etc. Es versteht sich von selbst, daß diese Schwierigkeiten allen betroffenen Gesellschaften tiefgehenden Schaden zufügen.“[400]

De Benoist war auch regelmäßiger Autor in der JF, bevorzugt zum Thema Ethnopluralismus der Abwehr und Verteufelung von Migration und über demographischen Wandel in den westeuropäischen Industrienationen.

Das Thema Demographie hat in der Berichterstattung der JF eine lange Tradition. Schon Anfang der 1990er Jahre wurde die „Bevölkerungsexplosion in den Ländern des Südens“ beschworen und mit der Mahnung verbunden, die Bevölkerungszahl in Deutschland zu vermehren. Unter Bezugnahme auf Manfred Ritter[401] wurde die These aufgestellt, dass Deutschland und andere mitteleuropäische Industriestaaten von einer „Völkerwanderung“ bedroht würden.

Die Darstellung dieses äußeren Bedrohungsszenarios wandelte sich im Laufe der Zeit zu einer „inneren Bedrohung“. Das „Aussterben des deutschen Volkes“ wird dem Kinderreichtum von Migranten in Deutschland gegenübergestellt. Um die „völkische Homogenität“ zu erhalten, die einen entscheidenden Punkt in den bevölkerungspolitischen Vorstellungen der JF einnimmt, sollen deutsche Frauen mehr Kinder gebären und Migranten dagegen weniger. Dabei steht die quantitative Vermehrung im Vordergrund, qualitative Elemente werden nicht diskutiert. Um den Problemen der Überalterung der Gesellschaft und des Geburtenrückganges entgegenzuwirken, wird ein spezielles Anforderungsprofil an die (deutsche) Frau erstellt. Sie solle ihre Rolle als Mutter deutscher Kinder wahrnehmen und „Erhalterin des deutschen Volkskörpers“ sein. Dies ist der Versuch der Wiederbelebung des konservativen Familienidylls und reaktionärer Praktiken in der Bevölkerungspolitik.

Die JF stellt fest, dass in demographischer Hinsicht die Zukunft einer Unterschicht mangelhaft integrierter Migranten gehöre.[402] Sie spricht von einer Unterschichteneinwanderung seit Beginn der 1970er Jahre in Deutschland, die das innerstaatliche Gefüge und die sozialen Sicherungssysteme sprengen würde. Dies sei eine Einwanderung in die Sozialsysteme gewesen, worunter die „autochthone“ Bevölkerung zu leiden hätte. Angelockt von üppigen Sozialleistungen würden Migranten verstärkt Kinder zeugen, die ihr „größtes Kapital“ seien.[403] Unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wachse die Zahl von unqualifizierten Einwanderern, „deren latenter Haß in den Parallelgesellschaften jederzeit zum Flächenbrand entfacht werden kann“. Diese Gruppe würde sich nicht mit Sozialleistungen zufrieden geben, was „den Keim eines Bürgerkrieges in sich“ trägt, „in dem nur eine Seite kämpfen wird.“[404]

Als Gegenmaßnahmen werden eine bevölkerungspolitisch ausgerichtete Einwanderungs-, Sozial- und Familienpolitik gefordert, sonst drohe ein „deutscher Sonderweg in den Ethnosuizid“. Laut JF findet in der BRD seit Jahrzehnten eine Bevölkerungspolitik faktisch nicht statt. Die bisherige Familienpolitik diene nicht der Steigerung der Geburtenraten, sondern sei nur ein Mittel zur Wirtschaftsförderung, „die das Arbeitsmarktreservoir der Frauen günstig erschließen soll“.[405]

Der wichtigste Akteur in der Behandlung des Themas Demographie ist für die JF der Bevölkerungswissenschaftler Robert Hepp.

Hepp veröffentlichte im Jahre 1988 das Buch „Die Endlösung der deutschen Frage“, wo er vor den Folgen des Bevölkerungsrückgangs innerhalb der deutschen Gesellschaft warnte und für eine Steigerung der Geburtenzahl plädierte. Der Titel des Buches suggeriert eine Gleichsetzung von Shoa und die abnehmende Bevölkerungszahl in der Bundesrepublik, was gleichzeitig den Holocaust relativiert. In der JF wird Hepp als „der profundeste Mahner der demographischen Krise in Deutschland und Europa“ bezeichnet.[406] Hepp führte den völkisch konnotierten Begriff der „Ethnomorphose“ Anfang der 1980er Jahre in die Thematik ein. Dieter Stein sprach in einem Plädoyer für die Steigerung der Geburtenzahlen in Deutschland auch von einer grassierenden „Ethnomorphose“. (JF vom 13.7.2007, 3)

Die JF bemängelt, dass die „Warnungen“ Hepps in den letzten Jahren und Jahrzehnten als Horrorszenario abgetan würden.[407] Erwähnt werden neben Hepp hier „Richard Korherr, der schon in der Zwischenkriegszeit seine Stimme erhoben hat, über Ilse Schwidetzky, die nach 1945 auf die anthropologische Realität des ‚Völkertodes’ verwies, bis hin zu denjenigen, die in den letzten Jahren der alten Bundesrepublik versuchten, die immer bedrohlich werdende Entwicklung zu korrigieren. (…) Wer wie Manfred Ritter (…) oder Jan Werner (…) offen gegen die Landnahme argumentierte, sah sich beruflicher Disziplinierung oder dauerhafter Zurücksetzung unterworfen.“[408] Hepp sei von seinem Arbeitgeber, der Universitätsleitung in Osnabrück, mit einer „Zensur“ belegt worden, die dazu geführt habe, dass er „künftig von jeder Breitenwirkung“ abgeschnitten worden sei. Schuld an dieser Entwicklung sei der „Liberalismus, der mit seiner Verachtung des Volkes und seinem Minderheitenfetischismus die staatlichen Grundlagen zerstört.“ habe. Es drohe eine „Konkordanzdemokratie“[409] oder eine Militärdiktatur in der Zukunft.[410]

Für Hepp, der die Geburtenzahl als „Reproduktioniveau“ bezeichnet, liegen die Hauptursachen des Geburtenrückgangs in Deutschland in der Reform des Ehe- und Familienrechts sowie im Paragraphen 218. Er fordert eine Anhebung der „Fruchtbarkeit“ der deutschen Bevölkerung.[411] Dabei distanziert er sich nicht von der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik: „Die bloße Tatsache, daß Adolf Hitler etwas für richtig hielt, war für mich noch nie ein Grund, es unbesehen für falsch zu halten.“[412] Weiterhin plädiert er für die Überlegenheit einer pronationalistischen Bevölkerungspolitik über die Zuwanderungspolitik: „Bevölkerungsschwund ist ein Ausdruck kollektiver Todessehnsucht, und wer dem als Politiker nicht entgegentritt, verrät seine Pflicht gegenüber dem Volk.“[413]

Neben Hepp bezieht sich die JF auch auf den Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg, für den Deutschland in Zukunft nur „noch ein geographischer Begriff“ sein werde: „Ein von 90 Prozent Moslems bewohnter Stadtteil ist nicht kulturell ‚zurückzuholen’. (…) Im Jahre 2050 werde man in deutschen Betrieben besser nicht mehr deutsch sprechen, vielleicht ist es bis dahin nur nicht chic, sondern ein Entlassungsgrund“[414]

Außerdem würdigt Hepp den Historiker und Publizist Walter Laqueur [415], der die These vertritt, dass die Weltmachtstellung Europas aufgrund des Geburtenrückgangs der Vergangenheit angehöre.[416]

Die JF nimmt den Islam nur als monolithischen Block wahr.[417] Unterschiedliche Glaubensvorstellungen bei Sunniten, Schiiten, Alewiten usw. oder die Auffassung eines säkularen Islams fehlen in der Berichterstattung. Die Zeitung erklärt, dass der Islam „aus seiner eigenen Sicht ein Feind des Christentums“ ist und es „vernichtet, wo er kann.“[418] Die Ermordung eines italienischen katholischen Priesters in Trapzon durch einen angeblichen Islamisten und andere Meldungen dieser Art dienen als Vorboten für den Kampf des Islams gegen das Christentum.[419] Es wird versucht, diesen Konflikt in einen größeren historischen Kontext zu setzen: „Denn der Islam steht kurz davor, die Schlacht von Tours und Poitiers als Irrtum der Geschichte zu relativieren.“[420]

In der Schlacht von Tours und Poitiers im Jahre 732 besiegte der fränkische Hausmeier Karl Martell die muslimischen Araber und beendete ihren Vormarsch im Westen. Karl Martell wurde daraufhin als „Retter des Abendlandes“ gefeiert. Die JF stützt sich auf Samuel P. Huntingtons Buch „Kampf der Kulturen“. Seine 1996 erschienene Monographie basiert auf dem drei Jahre zuvor in der Zeitschrift Foreign Affairs veröffentlichten Essay „The Clash of Civilizations?“. Laut Huntington sind die Konflikte des 21. Jahrhunderts nicht ideologisch oder ökonomisch motiviert, sondern entstehen durch kulturelle Differenzen.[421]

In einer einseitigen Auslegung wird behauptet, dass Gewalt Bestandteil des muslimischen Glauben sei: „Die muslimische Geschichte ist von Gewalt gegen fremde Völker, gegen ‚Ungläubige’, gegen Frauen und ‚Abtrünnige’ gekennzeichnet.“[422]

Die JF übernimmt die These von Efraim Karsh, Leiter des Programms für Mittelmeerstudien am King’s College der Universität London, der in seinem Werk „Imperialismus im Namen Allahs“[423] feststellt, dass islamische Reiche sich in der Geschichte als Imperien schlechthin verstanden hätten. Der Islamismus sei nicht als „Bruch“ mit der Geschichte des Islams zu verstehen, sondern als Bestandteil imperialen Denkens von Beginn an:„In der historischen Vorstellung vieler Muslime und Araber ist bin Laden kein Geringerer als die neue Inkarnation Saladins. Der Krieg des Hauses des Islam um die Weltherrschaft ist ein traditionelles, ja sogar ehrwürdiges Bestreben, das keineswegs vorüber ist.“[424]

Der islamische Traum von der Weltherrschaft wäre in den Herzen und Köpfen vieler Muslime höchst lebendig geblieben. Selbst Länder, die nie zum Imperium des Islam gehörten, seien legitime Ziele islamischer Vorherrschaft geworden. Dies sei der „Ausdruck einer Überzeugung“, wonach der Islam letztlich über den Westen triumphieren würde. Vor allem durch die Schwäche und Gleichgültigkeit in den europäischen Ländern und nicht zuletzt der Kirchen konnte der Islam zu einer machtvollen Mehrheitsreligion werden und den alten Kontinent kultur- und machtpolitisch bedrohen.“[425] Dies wird als Entwicklung gesehen, die „zum absehbaren Ende der deutschen Geschichte und Kultur“ führe.[426] Der Erfurter Pfarrer Roland Weißelberg, der sich im November 2006 aus Protest gegen die Ausbreitung des Islams in Deutschland selbst verbrannte, besitzt in der JF eine Art Märtyrerstatus. Er wird als derjenige gesehen, der sein Leben für das „christliche Abendland“ aus Sorge vor einer „Islamisierung Deutschlands und Europas“ geopfert hätte.[427]

Der Beitritt der Türkei zur EU wird als Horrorszenario dargestellt und strikt abgelehnt: „Sollte es jemals so weit kommen, werden Millionen junger Moslems in das vergreiste Deutschland einwandern und dieses Land übernehmen.“[428] Als Maßnahmen gegen den wachsenden Einfluss des Islams in Deutschland sollten die Zahl der MuslimInnen begrenzt und zurückgeführt sowie weitere Einschränkungen des Familiennachzugs beschlossen werden.[429] Weiterhin sollten schärfere Anforderungen wie der Nachweis eines Arbeitsplatzes oder verbesserte Deutschkenntnisse durchgesetzt werden; in Moscheen wäre nur noch der Gebrauch der deutschen Sprache erlaubt. Mehr als eine oder zwei Millionen MuslimInnen dürften nicht in Deutschland leben.

Die JF lehnt Einwanderung als Reaktion auf den Geburtenrückgang in Deutschland vehement ab. Die Politik solle die deutsche Bevölkerung in familienpolitischer Hinsicht dazu ermuntern, mehr Kinder zu bekommen. Das Thema Demographie wird von der JF in einen antiegalitären und völkisch nationalistischen Deutungsrahmen überführt, an dem Teile des konservativen bevölkerungspolitischen Diskurses anknüpften können.[430]

Die JF lehnt es ab, durch den Zuzug von Migranten die demographischen Probleme zu lösen, weil sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft in eine „Multiminoritätengesellschaft“ verwandeln würde. Dieses Zerrbild dient dazu, mit Bedrohungsszenarien den Hass auf Migranten und auf die von Teilen der Politik vertretene multikulturelle Gesellschaft zu steigern.

Eines der am meisten von der JF bekämpften Politikkonzepte ist das der multikulturellen Gesellschaft. Die schon in den 1990er Jahren diesbezüglich aufgestellten Thesen von Andreas Mölzer bestimmen auch heute noch die Berichterstattung der JF. Mölzer ging davon aus, dass die multikulturelle Gesellschaft in Westeuropa ein Faktum geworden sei. Daher stelle sich die Frage, ob sich das Europa des 21. Jahrhunderts zu einem „melting pot“ oder zu einer durch den Ethnopluralismus gekennzeichneten Gesellschaft entwickeln werde: „Der ‚melting pot’ würde wohl nicht nach amerikanischem Muster funktionieren, sondern vielmehr nach dem brasilianischen oder nach dem Balkan-Modell vonstatten gehen. (…) Das brasilianische Modell würde völlige ethnische-kulturelle Vermischung und Nivellierung auf den simpelsten zivilisatorischen Nenner bedeuten. Die Balkanisierung hingegen würde eine Überschichtung der Ethnien in Form einer brisanten Gemengelage bedeuten.“[431]

Der „melting pot“ würde eine „Ghettogesellschaft“ mit Bürgerkriegen, Verteilungskämpfen und ständigem Sprachkonflikten bedeuten: „Rassenkriege, die Kämpfe religiöser Fundamentalisten und härteste soziale Unruhen wären zwangsläufig die Folge.“[432] Außerdem könnten Auseinandersetzungen „aus der Dritten Welt“ in den europäischen Einwanderungsgesellschaften nicht ausgeschlossen werden. Mölzers Gegenentwurf ist das Konzept des Ethnopluralismus. Anders als im Nationalsozialismus tritt hier eine rein biologistische Argumentationsweise in den Hintergrund. Unter Bezug auf anthropologische, ethnologische und psychologische Erkenntnisse wird die Objektivität einer Vielfalt und Ungleichheit der „Völker“ – im differentialistischen Sinne - betont. Mit Hilfe kulturalistischer Argumentationsmuster wird die Unvergleichlichkeit und Unantastbarkeit der verschiedenen Kulturen und das Selbstbestimmungsrecht der „Völker“ unterstrichen.

Die „Völker“ werden als „Schicksalsgemeinschaften“ begriffen, „als Wesenheiten eigener Persönlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte“[433] ausgeprägt und eine spezifische, letztlich genetisch bedingte Kultur hervorgebracht hätten. Die „Völker“ hätten sich unabhängig voneinander in ihrem je eigenen „Lebensraum“ – ein gegenseitiger Austausch wird abgestritten - entwickelt, deshalb seien die jeweiligen Wertesysteme und Kulturen nicht universalisierbar, sondern an die „Völker“ und deren Heimat und Territorien gebunden.

Unter Rückgriff auf Carl Schmitt hat sich Politik am Primat der „nationalen Homogenität“ auszurichten: „Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung und Vernichtung des Heterogenen“[434]

Das Konzept der Ab- und Ausgrenzung von inneren und äußeren Feinden und die daraus resultierende „nationale Identität“ stehen daher in einem Gegensatz zum Konzept der multikulturellen Gesellschaft. Die JF entwirft in ihrer Berichterstattung über die Kriminalität von MigrantInnen ein bewusst realitätsfernes und verzerrtes Bild, das nichts mit der Realität in deutschen Großstädten zu tun hat. Es wird von täglichen Überfällen ausländischer Jugendbanden auf Deutsche berichtet. Die „deutschen Opfer“ seien „stets in der Unterzahl oder aufgrund ihres Alters oder Konstitution erkennbar schwächer“, womit das Bild des feigen kriminellen Ausländers gezeichnet wird.[435] Diese „neue Stadtguerilla“ von arabischen und türkischen Jugendlichen, die in „ethnischen Kolonien“ leben, verschiebe das Kräfteverhältnis im öffentlichen Raum und schaffe rechtsfreie Räume (no-go-areas).[436] Dies seien laut Dieter Stein „alltägliche Anzeichen des Vorbürgerkrieges“.

Die These des „Vorbürgerkrieges“ geht von der Feststellung aus, dass eine Krise der „nationalen Identität“ besteht. Dies zeige sich am immer weiter fortschreitenden „Multikulturalismus“ und der „ausufernden Kriminalität ausländischer Jugendbanden“. Ethnische Minderheiten unternähmen den Versuch „unseren Staat anders zu organisieren oder zumindest so etwas wie ethnisch befreite Zonen bilden.“[437] Götz Kubitschek folgert in seinem Politischen Tagebuch, dass es nur eine Alternative gäbe: „Gegenwehr oder Verschwinden“. Diese Gegenwehr bezeichnet er als „Vorbürgerkrieg“, der „vor allem ein geistiger Bürgerkrieg“ sei, „in der die Gegenwehr begrifflich und strukturell organisiert wird. Wer den Vorbürgerkrieg ernst nimmt, muß den Bürgerkrieg wollen. Nur so wird er ihn vermeiden können.“[438]

Ausländischen Jugendlichen werden Rassismus, „Deutschfeindlichkeit“ und antichristliche Gesinnung vorgeworfen, während die Berichterstattung der JF selbst als rassistisch zu bezeichnen ist. Die „Taten“ der jugendlichen Migranten werden sogar in revisionistischer Weise mit dem Nationalsozialismus verglichen: „Schulfeiern müssen von Wachschützern gesichert werden, sonst verschaffen Ausländerbanden sich in ‚SA-Manier’ Zutritt und sprengen die Veranstaltung.“[439] Es wird von „Jugendrichtern“ gesprochen, die „ohne Umschweife von no-go-areas für Deutsche“ sprechen, ohne irgendeine Quelle oder Namen zu nennen. Es seien „bleibende Gesundheitsschäden“ der Opfer zu beobachten.

Nach dem Auflisten der Taten wird auf die „Täter“ eingegangen. Diese „sind 12, 15 oder 18 Jahre alt, ohne Schulabschluss, mit rudimentären Deutschkenntnissen. Trotz ihres jungen Alters haben sie bereits Dutzende Straftaten begangen. Sie stammen fast durchweg aus zugewanderten muslimischen Unterschichten.“ So wird ein „Täterprofil“ erstellt, an dem sich der deutsche Alltagsrassismus orientieren kann; eine Ethnisierung der Kriminalität wird herausgestellt.

Der Maßnahmenkatalog ist simpel und orientiert sich an der bewährten Methodik der Repression. Die „Staatsgewalt“ müsse „den Schutz der Allgemeinheit über den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts“ stellen und eine „Staatsräson“ durchsetzen, die „auf das Wohl des vom Grundgesetz bezeichneten Demos bezogen ist“. Die Familien der straffällig gewordenen jugendlichen MigrantInnen sollten in Regress genommen werden. [440](Ebd.)

Wie dies in der Realität auszusehen hat, wird nicht näher erläutert. Diese Maßnahmen seien aber die einzige Möglichkeit, die oben beschriebene Entwicklung aufzuhalten, sonst „wird eben die Zukunft dieses Landes eine dramatische sein.“ (Ebd) Denn „wenn die Entwicklung weitertreibt wie bisher, werden in wenigen Jahren nicht mehr nur Taschengeld, Turnschuhe und Fahrräder, sondern Autos, Immobilien von den Deutschen ‚abgezogen’“ (Ebd.) Diese spekulative Sichtweise, die sich nicht auf seriöse Untersuchungen stützen kann, hat den Sinn, ein Horrorszenario auszumalen.

Doris Neujahr, i. e Thorsten Hinz, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Es werden nicht mehr nur Parallelgesellschaften, sondern Herrschaftsstrukturen entstehen und mit der Staatsmacht konkurrieren“[441]. Die oben beschriebenen „kriminellen Ausländer“ würden einen politischen Machtanspruch artikulieren, in dem sich „kriminelle Energie, rassistische Überlegenheitsgefühle, religiöses Sendungsbewusstsein kreuzen“. Die „no-go-areas“ würden sich immer weiter ausbreiten, zuerst nur in bestimmten Stadtvierteln, dann in ganzen Ballungszentren, was dann zu einem „offenen Bürgerkrieg“ führen würde. [442]

Die Schuld an diesen Zuständen trägt für Stein die so genannte `68-Generation:[443] „Die alltägliche Laschheit, Inkonsequenz, Autoritätslosigkeit der deutschen Gesellschaft, noch dazu der Verlust an Ehrgefühl, Religion, Sitte und Nationalstolz reizen die nach Orientierung, Identität, Zucht gierenden jungen Männer zusätzlich.“ Rolf Stolz plädiert für eine Abschiebung aller „Mehrfachstraftäter“ und die „Begrenzung“ der Zuwanderung in die BRD.[444] Thorsten Hinz ist ebenfalls für eine Abschiebung von „kriminellen Ausländern“: „Das ‚Bleiberecht’ von Schwerkriminellen steht mittlerweile höher als das Interesse der angestammten Bevölkerung und des Staates.“[445]

Fußnoten

  1.  ↑ WInckel, Ä.: Antiziganismus. Rassismus gegen Roma und Sinti im vereinigten Deutschland, Münster 2002, S. 11
  2.  ↑ * Jocham, A.L.: Antiziganismus. Exklusionsrisiken von Sinti und Roma durch Stigmatisierung, Konstanz 2011, S. 38
  3.  ↑ Weiß, V.: Die IQ-Falle. Intelligenz, Sozialstruktur und Politik, Graz 2000, S. 195-202
  4.  ↑ * Winckel, Ä.: Antiziganismus. Rassismus gegen Sinti und Roma im vereinigten Deutschland, Münster 2002, S. 16
  5.  ↑ * Jocham, A.L.: Antiziganismus. Exklusionsrisiken von Sinti und Roma durch Stigmatisierung, Konstanz 2011; S. 37
  6.  ↑ Reemsma, K.: Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München 1996; S. 56f
  7.  ↑ * Jocham, A.L.: Antiziganismus. Exklusionsrisiken von Sinti und Roma durch Stigmatisierung, Konstanz 2011, S. 47f
  8.  ↑ * Wippermann, W.: Wie die Zigeuner: Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin 1997, S. 88
  9.  ↑ Freytag, G.: Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648 – Das Heer. Soldatenleben und Sitten, Bad Langensalza 2003, S. 153
  10.  ↑ Zitiert aus Opfermann, „Seye kein Ziegeuner, sondern kayserlicher Cornet“. Sinti im 17. und 18. Jahrhundert, a.a.O., S.223f
  11.  ↑ Ebd., S. 229
  12.  ↑ Langer, H.: Kulturgeschichte des 30jährigen Krieges, Stuttgart 1978, S. 97
  13.  ↑ Opfermann, „Seye kein Ziegeuner, sondern kayserlicher Cornet“. Sinti im 17. und 18. Jahrhundert, a.a.O., S. 241
  14.  ↑ Ebd., S. 223
  15.  ↑ Solms, W./Strauß, D. (Hrsg.): „Zigeunerbilder“ in der deutschsprachigen Literatur, Marburg 2005, S. 8
  16.  ↑ Thomasius, M.J.: Curiöser Tractat von Zigeunern, Dresen/Leipzig 1702, S. 25
  17.  ↑ Weissenbruch, J.B.: Ausführliche Relation von den famosen Ziegeuner-, Diebs-, Mord- und Rauber-Bande, Frankfurt/Main/Leipzig 1727, S. 18
  18.  ↑ Ebd., S. 41f
  19.  ↑ Opfermann, „Seye kein Ziegeuner, sondern kayserlicher Cornet“. Sinti im 17. und 18. Jahrhundert, a.a.O., S. 141
  20.  ↑ Grabowski, G.: Der Staat in der Frühen Neuzeit, München 1991, S. 83
  21.  ↑ Zitiert aus Medel, M.: Absolutismus, Marburg 1986, S. 67
  22.  ↑ Krausnick, M.: Die Zigeuner sind da. Roma und Sinti zwischen gestern und heute, Würzburg 1981, S. 18
  23.  ↑ Grabowski, Der Staat in der Frühen Neuzeit, a.a.O., S. 102
  24.  ↑ Deibler, N.: Das Zeitalter des absolutistischen Regimes, Frankfurt/Main 1988, S. 52ff
  25.  ↑ HStAWb, Abt. 172, Nr. 3796, Gemeinsame Kur- und Oberrheinische Pönalsanktion vom 4.9.1748, S. 5
  26.  ↑ Die idealisierte Figur des edlen Wilden soll einen von der (europäischen) Zivilisation unverdorbenen „Naturmenschen“ darstellen. Trotz dieser positiv gedeuteten Verharrung im „Naturzustand“ wird dieser Mensch weiterhin als „wild“ betrachtet, der im Gegensatz zu dem europäischen „Kulturmenschen“ auf einer „minderwertigen“ Kulturstufe steht.
  27.  ↑ Zitiert aus Ulmschneider, H.: Götz von Berlichingen: Ein adeliges Leben der deutschen Renaissance, Sigmaringen 1974, S. 73
  28.  ↑ Von Dohm, C.W.: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, Berlin/Stettin 1781, S. 18
  29.  ↑ Ebd., S. 21f
  30.  ↑ Hille, A.: Identitätskonstruktionen. Die „Zigeunerin” in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2005, S. 137f
  31.  ↑ Grellmann, H.M.G.: Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes, nebst ihrem Ursprunge, Dessau/Leipzig 1783. Eine zweite veränderte Auflage erschien 1787 in Göttingen.
  32.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, a.a.O., S. 101
  33.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 11
  34.  ↑ Solms, W.: Warum die Sinti und Roma keine „ZigeunerInnen“ sind, in: Heft der Flüchtlingsräte (Hrsg.): Antiziganismus, München 2010, S. 17-19, hier S. 17
  35.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 3
  36.  ↑ Ebd., S. 9
  37.  ↑ Ebd., S. 117
  38.  ↑ Ebd., S. 80ff
  39.  ↑ Ebd., S. 74
  40.  ↑ Zitiert aus Löwith, K.: Das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes und Kant, Heidelberg 1964, S. 443
  41.  ↑ Jaumann, H.: Frühe Aufklärung als historische Kritik. Pierre Bayle und Christian Thomasius, in: Neumeister, S. (Hrsg.): Frühaufklärung, München 1994, S. 149-170, hier S. 153
  42.  ↑ Heuß, H.: Aufklärung oder Mangel an Aufklärung? Über den Umgang mit Bildern vom „Zigeuner“, in: Engbring-Romang, U./Strauß, D. (Hrsg.): Aufklärung und Antiziganismus. Beiträge zur Antiziganismusforschung, Band 1, Seeheim 2003, S. 11-33, hier S. 16
  43.  ↑ Ebd., S. 14
  44.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 182
  45.  ↑ Ebd., S. 140
  46.  ↑ Ebd., S. 120
  47.  ↑ Ebd.
  48.  ↑ Vgl. dazu auch Krauß, J.: Die Festschreibung des mitteleuropäischen Zigeunerbildes. Eine Quellenkritik anhand des Werkes von Heinrich M.G. Grellmann, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Band 19, S. 33-56
  49.  ↑ Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, a.a.O., S. 43
  50.  ↑ Zitiert aus Bonillo, M.: „Zigeunerpolitik“ im deutschen Kaiserreich 1871-1918, Frankfurt/Main u.a. 2001, S. 43
  51.  ↑ Himanen, P.: Die Hacker-Ethik und der Geist des Informations-Zeitalters, München 2001 S. 27
  52.  ↑ Schindler, I.: Allgemeine Brauchbarkeit und Gemeinnützigkeit. Das Menschenbild der Aufklärungspädagogik, Saarbrücken 1988, S. 56f
  53.  ↑ Häberlein, M./Schwanke, I./Wiebel, E./Zürn, M.: Fremde in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Mitteilungen des Instituts für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg, 10 (Oktober 2002), S. 9-42, hier S. 25f
  54.  ↑ Herder, J.G.: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Band 16, Riga 1784-1791, zitiert in Fricke, T.: Die Zigeuner im Zeitalter des Absolutismus. Bilanz einer einseitigen Überlieferung, Pfaffenweiler 1996, S. 553
  55.  ↑ Weischedel, W. (Hrsg.): Immanuel Kant. Von den verschiedenen Rassen der Menschen, Band 9, Darmstadt 1968, S. 24
  56.  ↑ Weischedel, W. (Hrsg.): Immanuel Kant. Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien, Band 8, Darmstadt 1968, S. 157
  57.  ↑ Meier, A.: Jakob Michael Reinhard Lenz. Vom Sturm und Drang zur Moderne, Heidelberg 2001, S. 121ff
  58.  ↑ Meyer: Neues Konversations-Lexikon. Ein Wörterbuch des allgemeinen Wissens, 4. Auflage, 16. Band, Leipzig/Wien 1871, S. 1079
  59.  ↑ www.sintiundroma-nrw.de/geschichtezwei.htm
  60.  ↑ Tetzner, T.: Geschichte der Zigeuner, ihre Herkunft, Natur und Art, Weimar 1835, S. V
  61.  ↑ Von Heister, C.: Ethnographische und geschichtliche Notizen über die Zigeuner, Königsberg 1842, S. 144ff
  62.  ↑ Liebich, R.: Die Zigeuner in ihrem Wesen und in ihrer Sprache, Leipzig 1863, S. 113
  63.  ↑ * Zimmermann, M.: Verfolgt, vertrieben, vernichtet. Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma, Essen 1989, S. 79
  64.  ↑ * Wippermann, W.: Wie die Zigeuner: Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin 1997, S. 138
  65.  ↑ * Rose, R. (Hrsg.): Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg 1995, S. 89
  66.  ↑ * http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/sintiroma/index.html
  67.  ↑ * Rose, R. (Hrsg.): Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg 1995, S. 138
  68.  ↑ * Zimmermann, M.: Verfolgt, vertrieben, vernichtet. Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma, Essen 1989, S. 27
  69.  ↑ * Reemsma, K.: Sinti und Roma. Geschichte, Kultur, Gegenwart, München 1996, S. 36
  70.  ↑ * Winckel, Ä.: Antiziganismus. Rassismus gegen Sinti und Roma im vereinigten Deutschland, Münster 2002, S. 16
  71.  ↑ * http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/sintiroma/index.html
  72.  ↑ * Wippermann, W.: Wie die Zigeuner: Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin 1997, S. 77
  73.  ↑ * Jocham, A.L.: Antiziganismus. Exklusionsrisiken von Sinti und Roma durch Stigmatisierung, Konstanz 2011, S. 97
  74.  ↑ Fings, K.: „In unsere Zivilisation nicht zu integrieren“- Historische Grundlagen des Antiziganismus, in: Detzner, M./Drücker, A./Manthe, B. (Hrsg.): Antiziganismus – Rassistische Stereotype und Diskriminierung von Sinti und Roma, Düsseldorf 2014, S. 42-44, hier S. 43
  75.  ↑ Opfermann, „Seye kein Ziegeuner, sondern kayserlicher Cornet“. Sinti im 17. und 18. Jahrhundert, a.a.O., S. 141
  76.  ↑ Grabowski, G.: Der Staat in der Frühen Neuzeit, München 1991, S. 83
  77.  ↑ Zitiert aus Medel, M.: Absolutismus, Marburg 1986, S. 67
  78.  ↑ Krausnick, M.: Die Zigeuner sind da. Roma und Sinti zwischen gestern und heute, Würzburg 1981, S. 18
  79.  ↑ Grabowski, Der Staat in der Frühen Neuzeit, a.a.O., S. 102
  80.  ↑ Deibler, N.: Das Zeitalter des absolutistischen Regimes, Frankfurt/Main 1988, S. 52ff
  81.  ↑ HStAWb, Abt. 172, Nr. 3796, Gemeinsame Kur- und Oberrheinische Pönalsanktion vom 4.9.1748, S. 5
  82.  ↑ Die idealisierte Figur des edlen Wilden soll einen von der (europäischen) Zivilisation unverdorbenen „Naturmenschen“ darstellen. Trotz dieser positiv gedeuteten Verharrung im „Naturzustand“ wird dieser Mensch weiterhin als „wild“ betrachtet, der im Gegensatz zu dem europäischen „Kulturmenschen“ auf einer „minderwertigen“ Kulturstufe steht.
  83.  ↑ Zitiert aus Ulmschneider, H.: Götz von Berlichingen: Ein adeliges Leben der deutschen Renaissance, Sigmaringen 1974, S. 73
  84.  ↑ Von Dohm, C.W.: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, Berlin/Stettin 1781, S. 18
  85.  ↑ Ebd., S. 21f
  86.  ↑ (Zedler, J.H.: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Band 62, Leipzig 1749, S. 525f
  87.  ↑ Hille, A.: Identitätskonstruktionen. Die „Zigeunerin” in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2005, S. 137f
  88.  ↑ Grellmann, H.M.G.: Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes, nebst ihrem Ursprunge, Dessau/Leipzig 1783. Eine zweite veränderte Auflage erschien 1787 in Göttingen.
  89.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, a.a.O., S. 101
  90.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 11
  91.  ↑ Solms, W.: Warum die Sinti und Roma keine „ZigeunerInnen“ sind, in: Heft der Flüchtlingsräte (Hrsg.): Antiziganismus, München 2010, S. 17-19, hier S. 17
  92.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 3
  93.  ↑ Ebd., S. 9
  94.  ↑ Ebd., S. 117
  95.  ↑ Ebd., S. 80ff
  96.  ↑ Ebd., S. 74
  97.  ↑ Fritsch, A.: Historische und politische Beschreibung der so genannten Zigeuner, o.O. 1662
  98.  ↑ (Köhler-Zülch, I.: Die Heilige Familie in Ägypten, die verweigerte Herberge und andere Geschichten von „Zigeunern“: Selbstäußerungen oder Außenbilder?, in: Strauß, D. (Hrsg.): Die Sinti/Roma Erzählkunst im Kontext Europäischer Märchenkultur, Heidelberg 1992, S. 35-84, hier S. 38ff
  99.  ↑ (Krauss, F.S.: Zigeunerhumor, Leipzig 1907, S. 222-226)
  100.  ↑ Zitiert aus Hille, A.: Identitätskonstruktionen. Die „Zigeunerin” in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2005, S. 132
  101.  ↑ Ebd.
  102.  ↑ Ebd.
  103.  ↑ Zitiert aus Löwith, K.: Das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes und Kant, Heidelberg 1964, S. 443
  104.  ↑ Jaumann, H.: Frühe Aufklärung als historische Kritik. Pierre Bayle und Christian Thomasius, in: Neumeister, S. (Hrsg.): Frühaufklärung, München 1994, S. 149-170, hier S. 153
  105.  ↑ Heuß, H.: Aufklärung oder Mangel an Aufklärung? Über den Umgang mit Bildern vom „Zigeuner“, in: Engbring-Romang, U./Strauß, D. (Hrsg.): Aufklärung und Antiziganismus. Beiträge zur Antiziganismusforschung, Band 1, Seeheim 2003, S. 11-33, hier S. 16
  106.  ↑ Ebd., S. 14
  107.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 182
  108.  ↑ Ebd., S. 140
  109.  ↑ Ebd., S. 120
  110.  ↑ Ebd.
  111.  ↑ Solms, W.: Warum die Sinti und Roma keine „ZigeunerInnen“ sind, in: Heft der Flüchtlingsräte (Hrsg.): Antiziganismus, München 2010, S. 17-19, hier S. 17
  112.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 3
  113.  ↑ Ebd., S. 9
  114.  ↑ Ebd., S. 117
  115.  ↑ Ebd., S. 80ff
  116.  ↑ Ebd., S. 74
  117.  ↑ Fritsch, A.: Historische und politische Beschreibung der so genannten Zigeuner, o.O. 1662
  118.  ↑ (Köhler-Zülch, I.: Die Heilige Familie in Ägypten, die verweigerte Herberge und andere Geschichten von „Zigeunern“: Selbstäußerungen oder Außenbilder?, in: Strauß, D. (Hrsg.): Die Sinti/Roma Erzählkunst im Kontext Europäischer Märchenkultur, Heidelberg 1992, S. 35-84, hier S. 38ff
  119.  ↑ (Krauss, F.S.: Zigeunerhumor, Leipzig 1907, S. 222-226)
  120.  ↑ Zitiert aus Hille, A.: Identitätskonstruktionen. Die „Zigeunerin” in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2005, S. 132
  121.  ↑ Ebd.
  122.  ↑ Ebd.
  123.  ↑ Zitiert aus Löwith, K.: Das Verhältnis von Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes und Kant, Heidelberg 1964, S. 443
  124.  ↑ Jaumann, H.: Frühe Aufklärung als historische Kritik. Pierre Bayle und Christian Thomasius, in: Neumeister, S. (Hrsg.): Frühaufklärung, München 1994, S. 149-170, hier S. 153
  125.  ↑ Heuß, H.: Aufklärung oder Mangel an Aufklärung? Über den Umgang mit Bildern vom „Zigeuner“, in: Engbring-Romang, U./Strauß, D. (Hrsg.): Aufklärung und Antiziganismus. Beiträge zur Antiziganismusforschung, Band 1, Seeheim 2003, S. 11-33, hier S. 16
  126.  ↑ Ebd., S. 14
  127.  ↑ Grellmann, Die Zigeuner, a.a.O., S. 182
  128.  ↑ Ebd., S. 140
  129.  ↑ Ebd., S. 120
  130.  ↑ Ebd.
  131.  ↑ Ritscher, H.: Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise, 9. Auflage, Diesterweg 1979
  132.  ↑ 1777 veröffentlichte Lessing die Schriften des aufklärerischen Wissenschaftlers Herrmann Samuel Reimaurus, der die Auferstehung Christi leugnete. Der einflussreiche Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze und andere Theologen kritisierten daraufhin Reimaurus und Lessing. Obwohl Lessing die Ansichten von Reimaurus nicht teilte, verteidigte er die Herausgabe seiner Schriften, da er sich für eine freie Diskussion über diese Themen einsetzte. Sein Arbeitgeber, der Herzog Karl von Braunschweig, intervenierte in diesem Streit und verbot Lessing die öffentliche Auseinandersetzung. Daraufhin behandelte Lessing das Problem in seinem Drama „Nathan der Weise“ (1779). Darin treffen zur Zeit der Kreuzzüge drei Vertreter der großen monotheistischen Weltreligionen in Jerusalem aufeinander, der moslemische Sultan Saladin, der jüdische Händler Nathan und ein christlicher Tempelritter. An zentraler Stelle des Dramas stellt Saladin dem Juden Nathan eine Fangfrage. Er will wissen, welche Art von Religion Nathan für die richtige hält. Nathan antwortet daraufhin mit der Ringparabel. Durch Nathans Mund verkündet Lessing damit seine aufklärerische Einstellung zum Streit der Religionen. Es komme nicht auf die Dogmen der Religionen an, sondern es gehe vielmehr um die Verwirklichung der religiösen Lehren im Leben, um die Praxis. Anstatt im Namen der Religionen Kriege zu führen, solle jeder Gläubige nach den Maximen seiner Religion Gutes tun. Laut Lessing ist das Streben nach dem Guten der Inhalt jeder der drei Religionen. Untereinander aber sollen die Religionen Toleranz üben. Die Ringparabel gilt als ein Schlüsseltext der Aufklärung und als pointierte Formulierung der Toleranzidee. Vgl. dazu Hildebrandt, D.: Lessing. Biographie einer Emanzipation, Berlin 1982, S. 68ff
  133.  ↑ Rousseau stellt sich in seinen staatstheoretischen Texten die Frage, wie ein von Natur aus wildes und freies Individuum seine Freiheit behalten konnte, wenn es aus dem Naturzustand in den Zustand der Gesellschaft eintrat bzw. diesen Zustand begründete. Im Gegensatz zu Montesquieu wollte Rousseau die Bevölkerung in allen Bereichen der politischen Entscheidungen einbeziehen und nicht nur in einer Gewalt (Legislative) mitwirken lassen. Nach Auffassung von Rousseau verpflichtete sich jede Person, sich dem allgemeinen Willen (volonté générale) zu unterwerfen. Dieser Allgemeinwille war ein auf das Wohl der gesamten Bevölkerung gerichteter Wille aller Bürger. Als solcher stellte er die Summe der sich überschneidenden Teile der Einzelwillen dar. Jeder einzelne Bürger war Teil eines konfessionell neutralen Staatswesens, das den allgemeinen Willen vollstreckt und zugleich totale Verfügungsgewalt über ihn besaß. Der Staat war befugt, Gesetze zu verabschieden, die jederzeit den unantastbaren Willen des Volkes zum Ausdruck brachten. Nach Rousseau entwickelte sich der Mensch und war durch Erziehung und politische Institutionen formbar; die Verwandlung der Menschen durch die politische Verfassung war das Ziel. Die Gesetze sollten nicht nur das äußere Verhalten der Staatsbürger bestimmen, sondern auch ihren Willen motivieren. Oberste Erziehungsaufgabe des Staates war es daher, die Bürger zur Liebe zu den Gesetzen zu veranlassen. Die Errichtung einer Herrschaftsordnung, in der die Gesetze über den Menschen standen, wurde dann zur ermöglichenden Bedingung für die Selbstüberwindung des tugendhaften, vom Gewissen und der volonté générale geleiteten Individuums. In kritischer Abwendung von den während seiner Epoche gängigen Konzepten der Erziehungstheorie und Erziehungspraxis vertrat Rousseau im Vorwort seines Erziehungsromans „Émile“ aus dem Jahre 1762 die folgende Auffassung: „Man kennt die Kindheit nicht, und infolge der falschen Vorstellungen über sie verirrt man sich weiter, je weiter man geht. Die Weisesten (…) suchen immer den Erwachsenen im Kinde, ohne daran zu denken, was es ist, ehe es ein Erwachsener wird.“Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschten in den Bildungsstätten Europas nach wie vor stofforientierte Methoden vor, z.B. die des Dozierens und Memorierens. Sie versetzten den Schüler in eine reproduktive Rolle. Ohne seine Verdienste für die wissenschaftliche Pädagogik schmälern zu wollen, muss man konstatieren, dass Rousseau als Erzieher völlig versagt hat: „Daß Rousseau die Kinder, die ihm Thérese Levasseur (vorehelich) geboren hatte, von ihrer Mutter ins Findelhaus bringen ließ, damit sie die vielseitige, aufreibende geistige Arbeit des nervösen Literaten nicht belasteten, bleibt als unentschuldbarer ewiger Vorwurf an ihm haften.“Die Formel „Zurück zur Natur“ bedeutete für Rousseau keineswegs eine nostalgische Hinwendung zu einer frühgeschichtlichen Epoche der Menschheit, sondern eine Aufforderung, gemäß der „natürlichen Erziehung“ zu erziehen und zu leben: „Obgleich (der Mensch M.L.) im staatsbürgerlichen Zustand mehrere Vorteile, die ihm die Natur gewährt, aufgibt, so erhält er doch dafür (…) bedeutende andere Vorteile. Seine Fähigkeiten üben und entwickeln sich, seine Ideen erweitern, seine Gesinnungen veredeln, seine ganze Seele erhebt sich in solchem Grade, daß er (…) den glücklichen Augenblick segnen müßte, der ihn dem Naturzustande auf ewig entriß und aus einem ungesitteten und beschränkten Tiere ein einsichtsvolles Wesen, einen Menschen machte.“
  134.  ↑ Engel, M.: Faktoren der Aufklärung, Kirchberg a. d. J. 1989, S. 33f
  135.  ↑ Ebd. S. 49
  136.  ↑ Dammer, K.-H.: Zur Integrationsfunktion von Erziehung und Bildung, Hamburg 2008, S. 8ff
  137.  ↑ Blankertz, H.: Die Geschichte der Pädagogik, Wetzlar 1982, S. 54
  138.  ↑ Dörschel, A.: Geschichte der Erziehung im Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft, 2. Auflage, Berlin 1996, S. 112
  139.  ↑ Maul, P.: Formen der sozialen Intervention im 18. Jahrhundert, Köln 1991, S. 54
  140.  ↑ (Herder, J.G.: Ideen zur Philosophie der Menschheit, Buch 16, Riga 1784-1791, zitiert in Fricke, T.: Die Zigeuner im Zeitalter des Absolutismus. Bilanz einer einseitigen Überlieferung, Pfaffenweiler 1996, S. 553
  141.  ↑ Häberlein, M./Schwanke, I./Wiebel, E./Zürn, M.: Fremde in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Mitteilungen des Instituts für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg 10 (Oktober 2002), S. 9-42, hier S. 25f
  142.  ↑ Vgl. dazu auch Krauß, J.: Die Festschreibung des mitteleuropäischen Zigeunerbildes. Eine Quellenkritik anhand des Werkes von Heinrich M.G. Grellmann, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Band 19, S. 33-56
  143.  ↑ Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, a.a.O., S. 43
  144.  ↑ Zitiert aus Bonillo, M.: „Zigeunerpolitik“ im deutschen Kaiserreich 1871-1918, Frankfurt/Main u.a. 2001, S. 43
  145.  ↑ https://sintiromahessen.wordpress.com/antiziganismus/
  146.  ↑ Himanen, P.: Die Hacker-Ethik und der Geist des Informations-Zeitalters, München 2001 S. 27
  147.  ↑ Schindler, I.: Allgemeine Brauchbarkeit und Gemeinnützigkeit. Das Menschenbild der Aufklärungspädagogik, Saarbrücken 1988, S. 56f
  148.  ↑ Häberlein, M./Schwanke, I./Wiebel, E./Zürn, M.: Fremde in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Mitteilungen des Instituts für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg, 10 (Oktober 2002), S. 9-42, hier S. 25f
  149.  ↑ Herder, J.G.: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Band 16, Riga 1784-1791, zitiert in Fricke, T.: Die Zigeuner im Zeitalter des Absolutismus. Bilanz einer einseitigen Überlieferung, Pfaffenweiler 1996, S. 553
  150.  ↑ Weischedel, W. (Hrsg.): Immanuel Kant. Von den verschiedenen Rassen der Menschen, Band 9, Darmstadt 1968, S. 24
  151.  ↑ Weischedel, W. (Hrsg.): Immanuel Kant. Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien, Band 8, Darmstadt 1968, S. 157
  152.  ↑ Meier, A.: Jakob Michael Reinhard Lenz. Vom Sturm und Drang zur Moderne, Heidelberg 2001, S. 121ff
  153.  ↑ Meyer: Neues Konversations-Lexikon. Ein Wörterbuch des allgemeinen Wissens, 4. Auflage, 16. Band, Leipzig/Wien 1871, S. 1079
  154.  ↑ Bei der Definition von Antiziganismus beziehe ich mich auf End, M.: Antiziganismus. Zur Verteidigung eines wissenschaftlichen Begriffs in kritischer Absicht, in: Bartels, A./Ders./von Borcke, T./Friedrich, A. (Hg.): Antiziganistische Zustände 2. Kritische Positionen gegen gewaltvolle Verhältnisse, Münster 2013, S. 39-72, hier S. 47
  155.  ↑ Von Lüpke-Schwarz, M.: „Zigeunerfrei!“ Die Duisburger Kriminalpolizei und die Verfolgung der Sinti und Roma 1939-1944, Saarbrücken 2008, S. 4
  156.  ↑ www.netz-gegen-nazis.de/artikel/mitte-studie-2014-9489
  157.  ↑ Heitmeyer, W.: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) in einem entsicherten Jahrzehnt, in: Ders. (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 10, Frankfurt/Main 2012, S. 15-41, hier S. 38f
  158.  ↑ www.taz.de/!130213/
  159.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  160.  ↑ www.duisburgweb.de/2012/Bilder/Politik/2012.09/Protest_OB.pdf
  161.  ↑ http://taz.de/Osteuropaeische-Roma-im-Ruhrgebiet/!105347/
  162.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-fuehlen-sich-in-der-einwanderungsdebatte-von-der-politik-allein-gelassen-id7158128.html
  163.  ↑ Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5. hier S. 5
  164.  ↑ http://wahlergebnis.duisburg.de/EWKWINT/05112000/tabelle2631.htm
  165.  ↑ www.derwesten.de/thema/kommunalwahl/den-rechtsruck-gab-es-bei-der-kommunalwahl-nur-in-duisburg-id9393693.html
  166.  ↑ Grumke, T./Wagner, B. (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, Opladen 2002, S. 366
  167.  ↑ Jugendclub Courage Köln e.V. (Hrsg.): Köln ganz rechts. Die extreme Rechte und die Braunzone in Köln, Köln 2008, S. 10
  168.  ↑ Grumke,/Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, a.a.O., S. 306
  169.  ↑ Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalens (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 1996, Düsseldorf 1997, S. 141
  170.  ↑ Europa Vorn, Nr. 35,1991
  171.  ↑ Innenministerium des Landes Nordrhein Westfalen (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 1998, Düsseldorf 1999, S. 118
  172.  ↑ Jugendclub Courage Köln e.V., Köln ganz rechts, a.a.O., S. 18
  173.  ↑ Amtsgericht Münster: Beschluss vom 6. November 1981, Az. 32 Ds 46 Js 59/80, Seite 9
  174.  ↑ Jugendclub Courage Köln e.V., Köln ganz rechts, a.a.O., S. 18
  175.  ↑ Grumke/Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, a.a.O., S. 367
  176.  ↑ Zitiert nach Braasch, S.: „Deutsche Liga für Volk und Heimat – Neue Rechtspartei gegründet,“ in: Der Rechte Rand 14/1991, S. 20
  177.  ↑ Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2000, Düsseldorf 2001, S. 76
  178.  ↑ Zitiert nach Grumke/Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, a.a.O., S. 367
  179.  ↑ Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 1994, Düsseldorf 1995, S. 57
  180.  ↑ Grumke/Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, a.a.O., S. 367
  181.  ↑ Häusler, S. 56
  182.  ↑ Detjen, J.: Die rechtspopulistische Mobilisierungsstrategie von „pro Köln“, in: Helas, H./Rubisch, D. (Hrsg.): Rechtsextremismus in Deutschland. Analysen, Erfahrungen, Gegenstrategien, Berlin 2006, S. 84-94, hier S. 85
  183.  ↑ Zitiert aus Jugendclub Courage Köln e.V., Köln ganz rechts, a.a.O., S. 56
  184.  ↑ Vgl. dazu Christians, G.: Die Reihen fest geschlossen: die FAP, zu Anatomie und Umfeld einer militant neofaschistischen Partei in den 80er Jahren, Marburg 1990
  185.  ↑ Jugendclub Courage Köln e.V., Köln ganz rechts, a.a.O., S. 10
  186.  ↑ KStA 30.12.2003
  187.  ↑ Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 1994, Düsseldorf 1995, S. 57
  188.  ↑ Zitiert aus Benz, W. (Hrsg.): Antisemitismus in Deutschland. Zur Aktualität eines Vorurteils, München 1995, S. 102
  189.  ↑ Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 1995, Düsseldorf 1996, S. 71
  190.  ↑ Grumke./Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, a.a.O., S. 367
  191.  ↑ http://www.migazin.de/2015/09/01/eine-situation-das-problem-rassismus/
  192.  ↑ http://www1.wdr.de/westpol-fluechtlinge-brandanschlaege-100.html
  193.  ↑ http://www.derwesten.de/politik/789-anschlaege-auf-fluechtlingsheime-seit-jahresbeginn-id11365088.html#plx296536233
  194.  ↑ http://www.taz.de/!5280055/
  195.  ↑ hxxps://www.facebook.com/events/199167233773479/
  196.  ↑ http://www.mdr.de/mdr-aktuell/clausnitz-reaktionen100_zc-36d200d6_zs-046016ee.html
  197.  ↑ http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_75720152/brandanschlag-in-troeglitz-vor-aufklaerung-verdaechtiger-gefasst.html
  198.  ↑ Ebd.
  199.  ↑ Ebd.
  200.  ↑ http://www.spiegel.de/politik/deutschland/brandanschlag-troeglitz-die-angst-der-bewohner-a-1027424.html
  201.  ↑ http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_75720152/brandanschlag-in-troeglitz-vor-aufklaerung-verdaechtiger-gefasst.html
  202.  ↑ http://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Wenn-Rassismus-salonfaehig-wird-article15788411.html
  203.  ↑ http://www.sz-online.de/nachrichten/heidenau-synonym-fuer-rassismus-3180728.html
  204.  ↑ http://taz.de/!5259169/
  205.  ↑ http://www.sz-online.de/nachrichten/heidenau-synonym-fuer-rassismus-3180728.html
  206.  ↑ http://taz.de/!5259169/
  207.  ↑ http://www.sz-online.de/nachrichten/heidenau-synonym-fuer-rassismus-3180728.html
  208.  ↑ http://taz.de/!5259169/
  209.  ↑ http://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Wenn-Rassismus-salonfaehig-wird-article15788411.html
  210.  ↑ http://www.tagesspiegel.de/politik/einwanderer-in-freital-der-rassismus-ist-nicht-neu/12507200.html
  211.  ↑ Ebd.
  212.  ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/freital-fluechtlingsheim-proteste-stellungskrieg
  213.  ↑ http://www.tagesspiegel.de/politik/einwanderer-in-freital-der-rassismus-ist-nicht-neu/12507200.html
  214.  ↑ http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/wie-kommt-es-zu-rassistischem-mob-freital-1817
  215.  ↑ Ebd.
  216.  ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/freital-fluechtlingsheim-proteste-stellungskrieg
  217.  ↑ http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/wie-kommt-es-zu-rassistischem-mob-freital-1817
  218.  ↑ Ebd.
  219.  ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/freital-fluechtlingsheim-proteste-stellungskrieg
  220.  ↑ Ebd.
  221.  ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-06/freital-fluechtlingsheim-proteste-stellungskrieg
  222.  ↑ Ebd.
  223.  ↑ http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Attacke-in-Wismar-Erste-Hinweise-auf-Taeter,attacke114.html
  224.  ↑ http://www.tagesspiegel.de/politik/einwanderer-in-freital-der-rassismus-ist-nicht-neu/12507200.html
  225.  ↑ http://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Wenn-Rassismus-salonfaehig-wird-article15788411.html
  226.  ↑ Frankfurter Rundschau, 19. Oktober 2015
  227.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger vom. 23. Oktober 2015
  228.  ↑ Kölnische Rundschau vom 18. Oktober 2015
  229.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger. 28. Oktober 2015
  230.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger. 29. Oktober 2015
  231.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger, 20. Oktober 2015,
  232.  ↑ Express, 21. Oktober 2015
  233.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger, 21. Oktober 2015
  234.  ↑ Frankfurter Rundschau, 19. Oktober 2015
  235.  ↑ Kölnische Rundschau. 23. Oktober 2015
  236.  ↑ Ebd.
  237.  ↑ Süddeutsche Zeitung vom 2. Februar 2016.
  238.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger vom 19. Oktober 2015
  239.  ↑ Ebd.
  240.  ↑ Kölnische Rundschau vom 18. Oktober 2015.
  241.  ↑ Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. November 2015
  242.  ↑ Der Tagesspiegel vom 18. Oktober 2015
  243.  ↑ Der Tagesspiegel vom 17. Oktober 2015
  244.  ↑ Ebd.
  245.  ↑ Mitteldeutsche Zeitung vom 19. Oktober 2015
  246.  ↑ Neue Osnabrücker Zeitung vom 19. Oktober 2015
  247.  ↑ FAZ vom 24.10.2012
  248.  ↑ http://www.migazin.de/2015/12/02/vergasen-wir-haben-ein-zunehmendes-problem-antiziganismus/
  249.  ↑ Ebd.
  250.  ↑ Ebd.
  251.  ↑ Ebd.
  252.  ↑ Ebd.
  253.  ↑ Ebd.
  254.  ↑ Ebd.
  255.  ↑ Häusler, A./Roeser, R.: Die »Alternative für Deutschland«– eine Antwort auf die rechtspopulistische Lücke?, in: Braun, S./Geisler, A./Gerster, M. (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten: Hintergründe – Analysen – Antworten. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2015, S. 101–128, hier S. 121
  256.  ↑ Decker, F.: Alternative für Deutschland und Pegida: Die Ankunft des neuen Rechtspopulismus in der Bundesrepublik, in: Ders./Henningsen, B./Jakobsen, K. (Hrsg.): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien (= International Studies on Populism. Bd. 2), Baden-Baden 2015, S. 75–90, hier S. 77
  257.  ↑ Häusler, A. Zerfall oder Etablierung? Die Alternative für Deutschland (AfD) als Partei des Rechtspopulismus, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 63 (2015), S. 741–758, hier S. 745
  258.  ↑ Kellershohn, H.: Die AfD, die jungkonservative Neue Rechte und die Demokratiekritik von Rechts, in: Kastrup, W./Ders. (Hrsg.): Kapitalismus und / oder Demokratie? Beiträge zur Kritik „marktkonformer“ Demokratieverhältnisse (= Edition DISS. Edition des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung. Bd. 36). Münster 2014, S. 127–140, hier S. 133
  259.  ↑ Lewandowsky, M.: Eine rechtspopulistische Protestpartei? Die AfD in der öffentlichen und politikwissenschaftlichen Debatte, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft Jahrgang 25 (2015), Heft 1, S. 119–134, hier S. 124
  260.  ↑ Lewandowsky, M.: Eine rechtspopulistische Protestpartei? Die AfD in der öffentlichen und politikwissenschaftlichen Debatte, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft Jahrgang 25 (2015), Heft 1, S. 119–134, hier S. 125
  261.  ↑ Rohgalf, J.: Subsidiarität als Kampfbegriff. Politik und Emotionalisierung am Beispiel der AfD, in: Korte, K.-R. (Hrsg.): Emotionen und Politik. Begründungen, Konzeptionen und Praxisfelder einer politikwissenschaftlichen Emotionsforschung, Baden-Baden 2015, S. 297–316, hier S. 303
  262.  ↑ Rohgalf, J.: Subsidiarität als Kampfbegriff. Politik und Emotionalisierung am Beispiel der AfD, in: Korte, K.-R. (Hrsg.): Emotionen und Politik. Begründungen, Konzeptionen und Praxisfelder einer politikwissenschaftlichen Emotionsforschung, Baden-Baden 2015, S. 297–316, hier S. 306
  263.  ↑ Wagner, A./Lewandowsky, M./ Giebler, H.: Alles neu macht der Mai? Die Alternative für Deutschland (AfD) und die Europawahl 2014, in: Kaeding, M./Switek, N. (Hrsg.): Die Europawahl 2014. Spitzenkandidaten, Protestparteien, Nichtwähler, Wiesbaden 2015, S. 137–148, hier S. 142
  264.  ↑ Kellershohn, H.: Die AfD, die jungkonservative Neue Rechte und die Demokratiekritik von Rechts, in: Kastrup, W./Ders. (Hrsg.): Kapitalismus und / oder Demokratie? Beiträge zur Kritik „marktkonformer“ Demokratieverhältnisse (= Edition DISS. Edition des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung. Bd. 36). Münster 2014, S. 127–140, hier S. 132
  265.  ↑ Niedermayer, N.: Eine neue Konkurrentin im Parteiensystem? – Die „Alternative für Deutschland“, in: Ders. (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2013, Wiesbaden 2014, S. 175–207, hier S. 179
  266.  ↑ http://www.linksfraktion-saarland.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/zurueck/presse-4/artikel/oskar-lafontaine-fluechtlings-zuzug-begrenzen-um-in-deutschland-den-familiennachzug-zu-ermoeglichen/
  267.  ↑ Ebd.
  268.  ↑ Ebd.
  269.  ↑ https://www.wsws.org/de/articles/2015/11/11/lafo-n11.html
  270.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  271.  ↑ http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-militaerische-interventionen-des-westens-helfen-dem-is-a-1066246.html
  272.  ↑ Ebd.
  273.  ↑ Ebd.
  274.  ↑ www.tagesspiegel.de/politik/newsblog-zu-fluechtlingen-csu-sauer-auf-die-kanzlerin-linke-geben-usa-schuld-an-krise/12282848.html
  275.  ↑ Abendzeitung München, 8.10.2015
  276.  ↑ http://www.mz-web.de/politik/-terror-von-paris-sote-soeder-zusammenhang-terror-fluechtlinge,20642162,32421910.html#plx927164031
  277.  ↑ www.derwesten.de/politik/csu-will-merkel-bei-parteitag-wegen-fluechtlingen-unter-druck-setzen-id11304786.html
  278.  ↑ Ebd.
  279.  ↑ SZ, 17. Juli 2015, S. 37
  280.  ↑ SZ 13.12.2014, S. 4
  281.  ↑ www.tagesspiegel.de/politik/newsblog-zu-fluechtlingen-csu-sauer-auf-die-kanzlerin-linke-geben-usa-schuld-an-krise/12282848.html
  282.  ↑ Appiah, K.A.: Der Kosmopolit. Philosophie des Weltbürgertums, München 2009, S. 19
  283.  ↑ Bade, K.J.: Europa in Bewegung: Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2000 oder Bade, K.J. (Hrsg.), Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland: Migration in Geschichte und Gegenwart, München 1992
  284.  ↑ Paul, Einführung in die interkulturelle Philosophie, a.a.O., S. 19
  285.  ↑ http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/gastbeitrag-die-fluchtursachen-bekaempfen-nicht-die-fluechtlinge-13597358.html
  286.  ↑ http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/57839/schweden
  287.  ↑ http://www.tagesschau.de/ausland/schweden-rechtspopulismus-101.html
  288.  ↑ http://www.nzz.ch/international/europa/unruhe-nach-anschlagsserie-1.18633625
  289.  ↑ http://www.sueddeutsche.de/politik/asylpolitik-schweden-will-bis-zu-menschen-ausweisen-1.2838205
  290.  ↑ Frankfurter Rundschau vom 26.12.2014
  291.  ↑ http://www.nzz.ch/international/europa/unruhe-nach-anschlagsserie-1.18633625
  292.  ↑ Ebd.
  293.  ↑ http://www.focus.de/politik/ausland/maskierte-hetzen-fluechtlinge-jagdszenen-im-herzen-von-stockholm-schweden-sind-entsetzt-ueber-ihr-eigenes-land_id_5257254.html
  294.  ↑ http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/02/09/schweden-polizei-verhindert-offenbar-gross-anschlag/
  295.  ↑ http://www.nzz.ch/international/europa/unruhe-nach-anschlagsserie-1.18633625
  296.  ↑ Jungar, A. C.: Convergence by different means: The Finns Party and the Sweden Democrats, in: Decker, F./Henningsen, B./Jakobsen, K. (Hrsg.): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, Baden-Baden 2015, S. 187 ff.
  297.  ↑ Jungar, A. C.: Convergence by different means: The Finns Party and the Sweden Democrats, in: Decker, F./Henningsen, B./Jakobsen, K. (Hrsg.): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, Baden-Baden 2015, S. 188
  298.  ↑ Ebd., S. 189
  299.  ↑ http://www.taz.de/Die-Wahrheit/!5224321/
  300.  ↑ Jungar, A. C.: Convergence by different means: The Finns Party and the Sweden Democrats, in: Decker, F./Henningsen, B./Jakobsen, K. (Hrsg.): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, Baden-Baden 2015, S. 190
  301.  ↑ Ebd., S. 192f
  302.  ↑ http://www.heise.de/tp/artikel/46/46081/1.html
  303.  ↑ http://www.taz.de/Die-Wahrheit/!5224321/
  304.  ↑ Jungar, A. C.: Convergence by different means: The Finns Party and the Sweden Democrats, in: Decker, F./Henningsen, B./Jakobsen, K. (Hrsg.): Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. Die Herausforderung der Zivilgesellschaft durch alte Ideologien und neue Medien, Baden-Baden 2015, S. 187 ff.
  305.  ↑ http://www.heise.de/tp/artikel/46/46081/1.html
  306.  ↑ Ebd.
  307.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/stadt-duisburg-scheint-problem-in-hochfeld-nicht-in-den-griff-zu-bekommen-id6234603.html
  308.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  309.  ↑ Bild vom 1.3.2013
  310.  ↑ www.bild.de/regional/ruhrgebiet/soeren-link/soeren-link-roma-29323500.bild.html
  311.  ↑ Ebd.
  312.  ↑ Ebd.
  313.  ↑ www.welt.de/regionales/duesseldorf/article114747378/Duisburgs-Wutbuerger-fordern-Umsiedlung-der-Roma.html
  314.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/streit-ueber-zuwanderung-was-minister-friedrich-auf-links-kritik-antwortet-id8051194.html?ciuac=true
  315.  ↑ www.bild.de/regional/ruhrgebiet/kommunalwahlen-nordrhein-westfalen/plakat-zoff-im-kommunal-wahlkampf-in-duisburg-35670146.bild.html
  316.  ↑ Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5, hier S. 4
  317.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/linke-attackiert-auslaenderbehoerde-id8082691.html
  318.  ↑ Wippermann, W.: Verweigerte Wiedergutmachung. Die Deutschen und der Völkermord an den Sinti und Roma, in: Standpunkte 14/2012, S. 1-6, hier S. 5
  319.  ↑ Rose, Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, a.a.O., S. 14
  320.  ↑ Ebd., S. 17
  321.  ↑ www.bpb.de/apuz/33275/ns-verfolgung-von-zigeunern-und-wiedergutmachung-nach-1945
  322.  ↑ Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, a.a.O., S 158ff
  323.  ↑ www.bpb.de/apuz/33275/ns-verfolgung-von-zigeunern-und-wiedergutmachung-nach-1945 (zuletzt abgerufen am 28.1.2013)
  324.  ↑ Widmann, P.: An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik, Berlin 2001, S. 17
  325.  ↑ Brucker-Boroujerdi, U./Wippermann, W.: Das „Zigeunerlager“ Berlin-Marzahn. Zur Geschichte und Funktion eines nationalsozialistischen Zwangslagers, in: pogrom 130, 6/1987, S. 77-80, hier S. 78
  326.  ↑ Rose, R. (Hrsg.): Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg 1995, S. 48
  327.  ↑ Brucker-Boroujerdi, U./Wippermann, W.: Die „Rassenhygienische und Erbbiologische Forschungstelle“ im Reichsgesundheitsamt, in: Bundesgesundheitsblatt 32, März 1989, S. 13-19, hier S. 13ff
  328.  ↑ Zitiert aus Schenk, M.: Rassismus gegen Sinti und Roma. Zur Kontinuität der Zigeunerverfolgung innerhalb der deutschen Gesellschaft von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart, Frankfurt/Main u.a. 1994, S. 60
  329.  ↑ Hohmann, J.S.: Verfolgte ohne Heimat. Geschichte der Zigeuner in Deutschland, Frankfurt/Main u.a. 1990, S. 118f
  330.  ↑ Wippermann, W.: „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich Berlin 1997, S. 146
  331.  ↑ Danckwortt, B.: Wissenschaft oder Pseudowissenschaft? Die „Rassenhygienische Forschungsstelle“ im Reichsgesundheitsamt, in: Hahn, J./Kavcic, S./Kopke, C. (Hrsg.): Medizin im Nationalsozialismus und das System der Konzentrationslager, Frankfurt/Main 2005, S. 140-164, hier S. 149
  332.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“, a.a.O., S. 147
  333.  ↑ Wippermann, W.: Holocaust mit kirchlicher Hilfe, in: Evangelische Kommentare 9, 1993, S. 519-521, hier S. 519f
  334.  ↑ Rosenhaft, E.: Wissenschaft als Herrschaftsakt: Die Forschungspraxis der Ritterschen Forschungsstelle und das Wissen über „Zigeuner“, in: Zimmermann, M.: Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 329-353, hier S. 342
  335.  ↑ Zimmermann, M.: Verfolgt, vertrieben, vernichtet. Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma, Essen 1989, S. 25f
  336.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, a.a.O., S. 144
  337.  ↑ Widmann, P.: An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik, Berlin 2001, S. 17
  338.  ↑ Brucker-Boroujerdi, U./Wippermann, W.: Das „Zigeunerlager“ Berlin-Marzahn. Zur Geschichte und Funktion eines nationalsozialistischen Zwangslagers, in: pogrom 130, 6/1987, S. 77-80, hier S. 78
  339.  ↑ Rose, R. (Hrsg.): Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg 1995, S. 48
  340.  ↑ Brucker-Boroujerdi, U./Wippermann, W.: Die „Rassenhygienische und Erbbiologische Forschungstelle“ im Reichsgesundheitsamt, in: Bundesgesundheitsblatt 32, März 1989, S. 13-19, hier S. 13ff
  341.  ↑ Zitiert aus Schenk, M.: Rassismus gegen Sinti und Roma. Zur Kontinuität der Zigeunerverfolgung innerhalb der deutschen Gesellschaft von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart, Frankfurt/Main u.a. 1994, S. 60
  342.  ↑ Hohmann, J.S.: Verfolgte ohne Heimat. Geschichte der Zigeuner in Deutschland, Frankfurt/Main u.a. 1990, S. 118f
  343.  ↑ Wippermann, W.: „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich Berlin 1997, S. 146
  344.  ↑ Danckwortt, B.: Wissenschaft oder Pseudowissenschaft? Die „Rassenhygienische Forschungsstelle“ im Reichsgesundheitsamt, in: Hahn, J./Kavcic, S./Kopke, C. (Hrsg.): Medizin im Nationalsozialismus und das System der Konzentrationslager, Frankfurt/Main 2005, S. 140-164, hier S. 149
  345.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“, a.a.O., S. 147
  346.  ↑ Wippermann, W.: Holocaust mit kirchlicher Hilfe, in: Evangelische Kommentare 9, 1993, S. 519-521, hier S. 519f
  347.  ↑ Rosenhaft, E.: Wissenschaft als Herrschaftsakt: Die Forschungspraxis der Ritterschen Forschungsstelle und das Wissen über „Zigeuner“, in: Zimmermann, M.: Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 329-353, hier S. 342
  348.  ↑ Zimmermann, M.: Verfolgt, vertrieben, vernichtet. Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma, Essen 1989, S. 25f
  349.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, a.a.O., S. 144
  350.  ↑ Rose, Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, a.a.O., S. 110
  351.  ↑ Zimmermann, M.: Verfolgt, vertrieben, vernichtet: die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma, Essen 1989, S. 263
  352.  ↑ Zimmermann, M.: Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, Hamburg 1996, S. 234
  353.  ↑ Zitiert aus Rose, Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, a.a.O., S. 110
  354.  ↑ Wippermann, „Wie die Zigeuner“, a.a.O., S. 162
  355.  ↑ Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, a.a.O., S. 234
  356.  ↑ Schreiben der 339. Infantrie-Division an die Befehlshaber rückwär. Heeres-Gebiet-Mitte vom 5.11.1941, in: Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg RH 26/339/5
  357.  ↑ Zitiert aus Weisz, Z.: Ein noch immer vergessener Holocaust – Essay in: www.bpb.de/apuz/33273/ein-noch-immer-vergessener-holocaust-essay (zuletzt abgerufen am 28.1.2013)
  358.  ↑ Zitiert aus von Haase-Mihalik, E./Kreuzkamp, D.: Du kriegst auch einen schönen Wohnwagen. Zwangslager für Sinti und Roma während des Nationalsozialismus in Frankfurt/Main 1990, S. 35
  359.  ↑ Rose, Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, a.a.O., S. 64
  360.  ↑ Ebd., S. 91
  361.  ↑ Luchterhandt, M.: Der Weg nach Birkenau. Entstehung und Verlauf der nationalsozialistischen Verfolgung der „Zigeuner“, Lübeck 2000, S. 57
  362.  ↑ Gebhardt, A.: Die langen Schatten der Vergangenheit, Münster 1994, S. 117
  363.  ↑ Ebd., S. 161
  364.  ↑ Zimmermann, M.: Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung, das System der Konzentrationslager und das Zigeunerlager in Auschwitz-Birkenau, in: Herbert, U./Orth, K./Dieckmann, C. (Hrsg.): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager: Entwicklung und Struktur, Göttingen 1998, S. 887-910, hier S. 888
  365.  ↑ Rede von Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma: zum Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus, Landtag Sachsen-Anhalt, in: Heft der Flüchtlingsräte (Hrsg.): Antiziganismus, München 2010, S. 47-50, hier, S. 49
  366.  ↑ Rose, Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, a.a.O, S. 136
  367.  ↑ Rosenberg, O.: Das „Zigeunerlager“ in Auschwitz-Birkenau, in: Kramer, H. (Hrsg.): Die Gegenwart der NS-Vergangenheit, Berlin 2000, S. 221-238, hier S. 230f
  368.  ↑ Rose, Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, a.a.O, S. 136
  369.  ↑ Ranger, T.: Geistesgeschichte der Weimarer Republik, München 1992, S. 32ff
  370.  ↑ Butterwegge, C.: Entwicklung, gegenwärtiger Stand und Perspektiven der Rechtsextremismusforschung, in: Ders./Griese, B./Krüger, C. u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, Opladen 1997, S. 9-53, hier S. 19
  371.  ↑ Vgl. dazu Petzold, J.: Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1978, Petzinna, B.: Erziehung zum Deutschen Lebensstil. Ursprung und Entwicklung des jungkonservativen „Ring“-Kreises 1918–1933, Berlin 2000
  372.  ↑ Cremet/Krebs/Speit, Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“-Ein Zwischenbericht, a.a.O., S. 23
  373.  ↑ Jung, E.J.: Deutschland und die konservative Revolution, Berlin 1932, S. 380
  374.  ↑ Kubon, S.: Die bundesdeutsche Zeitung „Junge Freiheit“ und das Erbe der „Konservativen Revolution“, Würzburg 2006, S. 45
  375.  ↑ Cremet/Krebs/Speit, Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“-Ein Zwischenbericht, a.a.O., S. 23
  376.  ↑ Petzold, J.: Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1978, S. 273f
  377.  ↑ Moeller van den Bruck, A.: Das dritte Reich, 3. Auflage, Hamburg 1931, S. 104
  378.  ↑ Kubon, S.: Die bundesdeutsche Zeitung „Junge Freiheit“ und das Erbe der „Konservativen Revolution“, Würzburg 2006, S. 67
  379.  ↑ Zitiert aus: Stern, F.: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Stuttgart 2005, S. 164
  380.  ↑ Butterwegge, C.: Entwicklung, gegenwärtiger Stand und Perspektiven der Rechtsextremismusforschung, in: Ders./Griese, B./Krüger, C. u.a.: Rechtsextremisten in Parlamenten, Opladen 1997, S. 9-53, hier S. 32
  381.  ↑ Schmid, Die extreme Rechte in Frankreich, a.a.O., S. 32
  382.  ↑ Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, 3. Auflage, München 2001, S. 94
  383.  ↑ Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 26. Dort heißt es weiter: „Politisch gesehen ist der Feind derjenige, dessen Handlungen und Interessen mit unseren Handlungen und Interessen in Konflikt geraten können, und in diesem Sinne gibt es immer einen Feind. Seine Existenz zu ignorieren oder zu leugnen, ist nur dazu angetan, gerade jene Bedingungen zu schaffen, die es diesem Feind erleichtern, die seinen Interessen entspringenden Pläne zu verwirklichen.“ (Ebd., S. 103f)
  384.  ↑ Pfahl-Traughber, A.: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1998, S. 83f
  385.  ↑ Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, 3. Auflage, München 2001, S. 93
  386.  ↑ De Benoist, A.: Aufstand der Kulturen, Berlin 2000, S. 12
  387.  ↑ Ebd., S. 15
  388.  ↑ Globisch, C.: 'Deutschland uns Deutschen, die Türkei den Türken, Israelis raus aus Palästina'. Ethnopluralismus und sein Verhältnis zum Antisemitismus, in: Globisch, C./ Pufelska, A./ Weiß, V.: Die Dynamik der europäischen Rechten. Kontinuität und Wandel, Wiesbaden 2011, S. 202-224 hier S. 203
  389.  ↑ Ebd., S. 204
  390.  ↑ Reinfeldt, S./Schwarz, R.: ,Ethnopluralismus` made in Germany, in: Kellershohn, H. (Hrsg.): Das Plagiat. Der völkische Nationalismus der Jungen Freiheit, Duisburg 1994, S. 213-232, hier S. 214
  391.  ↑ De Benoist, A.: Kulturrevolution von rechts, Krefeld 1985, S. 133
  392.  ↑ Ruhrmann, G.: Medienberichterstattung über Ausländer: Befunde –Perspektiven – Empfehlungen, in: Butterwegge, C./Hentges, G./Sarigöz, F. (Hrsg.): Medien und multikulturelle Gesellschaft, Opladen 1999, 95-108, hier S. 98
  393.  ↑ Reinfeldt, S./Schwarz, R.: ,Ethnopluralismus` made in Germany, in: Kellershohn, H. (Hrsg.): Das Plagiat. Der völkische Nationalismus der Jungen Freiheit, Duisburg 1994, S. 213-232, hier S. 216f
  394.  ↑ Pfahl-Traughber, A.: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1998, S. 86
  395.  ↑ De Benoist, A.: Aufstand der Kulturen, Berlin 2000, S. 15
  396.  ↑ Gessenharter, W.: Intellektuelle Strömungen und Vordenker in der deutschen Neuen Radikalen Rechten, in: Grumke, T./Wagner, B. (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Personen –Organisationen Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, Opladen, 2002, S. 189-200, S. 191
  397.  ↑ Ruhrmann, G.: Medienberichterstattung über Ausländer: Befunde –Perspektiven – Empfehlungen, in: Butterwegge, C./Hentges, G./Sarigöz, F. (Hrsg.): Medien und multikulturelle Gesellschaft, Opladen 1999, 95-108, hier S. 101
  398.  ↑ Pfahl-Traughber, A.: Konservative Revolution und Neue Rechte. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1998, S. 83
  399.  ↑ de Benoist, A.: Aufstand der Kulturen, Berlin 1999, S. 112
  400.  ↑ Ebd., S. 65
  401.  ↑ Ritter, M. : Sturm auf Europa. Asylanten und Armutsflüchtlinge, München 1990
  402.  ↑ JF vom 10.8.2007, 1
  403.  ↑ Ebd.
  404.  ↑ Ebd.
  405.  ↑ Ebd.
  406.  ↑ JF vom 22./29.12.2006, 3
  407.  ↑ JF vom 14.4.2006, 1
  408.  ↑ Ebd.
  409.  ↑ Die Konkordanzdemokratie bezeichnet eine demokratische Regierungsform, in der (gesellschaftliche und) politische Konflikte nicht primär über politische Mehrheiten und (einfache) Mehrheitsregeln, sondern über Verhandlungen, Kompromisse und möglichst breite Übereinstimmung gelöst werden. Um zu Lösungen und zum Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen(-gruppen) bzw. den Parteien zu gelangen und um auch Minderheiten angemessen zu beteiligen, werden (z.T. komplizierte) Vermittlungstechniken und formalisierte Kompromissverfahren angewandt sowie genau festgelegte Proporzregeln eingehalten. Typischerweise wird die Schweizer Direktdemokratie als Konkordanzdemokratie bezeichnet, in der eine permanente "Große Koalition" der vier größten Parteien die Regierung stellt.
  410.  ↑ Ebd.
  411.  ↑ Ebd., S. 4
  412.  ↑ Ebd.
  413.  ↑ Ebd., S. 1
  414.  ↑ JF vom 3.3.2006, 5
  415.  ↑ Laqueur, W.: Die letzten Tage von Europa. Ein Kontinent verändert sein Gesicht, Berlin 2006
  416.  ↑ JF vom 22./29.12.2006, 3
  417.  ↑ Kural, U. :Imago Turci –Antiosmanische Propaganda, in Reulecke, J. (Hrsg.): Spagat mit Kopftuch, Hamburg 1997, 27-34, hier S. 29
  418.  ↑ JF vom 20.7.2007, 18
  419.  ↑ JF vom 10.2.2006, 7
  420.  ↑ JF vom 7.9.2007, 21
  421.  ↑ Vgl. dazu Huntington, S.P. : Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/Wien 1996; Huntington, S.P.: The Clash of Civilizations?, in: Foreign Affairs 72/1993, 22-49
  422.  ↑ JF vom 20.7.2007, 18
  423.  ↑ Karsh, E. :Imperialismus im Namen Allahs. Von Muhammad bis Osama Bin Laden, München 2007
  424.  ↑ JF vom 20.7.2007, 16
  425.  ↑ JF vom 7.9.2007, 22
  426.  ↑ JF vom 20.7.2007, 18
  427.  ↑ JF vom 2.11.2007, 4
  428.  ↑ JF vom 20.7.2007, 18
  429.  ↑ Kural, U. :Imago Turci –Antiosmanische Propaganda, in Reulecke, J. (Hrsg.): Spagat mit Kopftuch, Hamburg 1997, 27-34, hier S. 30
  430.  ↑ z.B. Der Spiegel vom 9.4. 2001 mit dem Titel „Ein Segen für die Familie“, wo es hieß: „So pathetisch das klingen mag: Es geht um den Bestand des deutschen Volkes; Rheinischer Merkur vom 31.7.2003 mit der Titelseite: „Kinder für das Land. Generationenvertrag: Eine neue Bevölkerungspolitik muss her.“
  431.  ↑ JF vom 20.8.1999, 16
  432.  ↑ Ebd.
  433.  ↑ De Benoist, A.: Aufstand der Kulturen, Berlin 2000, S. 12
  434.  ↑ Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen, Berlin 1966, S. 14
  435.  ↑ JF vom 11.1.2008, 1
  436.  ↑ JF vom 23.2.2007, 4
  437.  ↑ JF vom 18,1.2008, 1
  438.  ↑ Ebd.
  439.  ↑ Ebd.
  440.  ↑ Ebd.
  441.  ↑ Ebd.
  442.  ↑ Ebd.
  443.  ↑ Zitiert aus Dornbusch, C.: Mehr als nur ein Wahlkampfthema. Die Debatte um „kriminelle Ausländer“ bei NPD und JF, in: Der Rechte Rand, Nr. 111/März/April 2008, 17-18
  444.  ↑ JF vom 30.3.2007, 6
  445.  ↑ JF vom 11.8.2008, 1