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Theatergeschichte bis zur Aufklärung

Von Margarete Lausberg

Die Ursprünge des indischen Sanskrit-Theaters liegen in den religiösen Ritualen, wie sie, den dialogischen Hymnen des Rigveda nach zu urteilen, im 1. Jahrtausend v. Chr. in einer sprachlichen Form vollzogen wurden. Einen Einblick in die Sanskrit-Dichtung und in die altindische Theatertradition gaben der Grammatiker Panini im 5. oder 4. Jahrhundert v. Chr. und der Gelehrte Patanjali. Tanz, Theater und Musik bildeten eine Einheit. Das klassische, meist in Tempeln aufgeführte Sanskrit-Theater erlebte seinen Höhepunkt im 1. Jahrtausend, spätestens ab dem 15./16. Jahrhundert wurde es durch eine Reihe von Theaterstilen in anderen indischen Sprachen ersetzt.

Schon vor dem Kontakt mit der europäischen Kultur entwickelte sich die chinesische Oper, ein „uramerikanisches Theater“ der ersten Bewohner Amerikas (Inka, Maya, Azteken, Pueblos und die Nomaden Nordamerikas) gab es in der Definition von „Theater“ allerdings nicht.

Höhlenbilder der Steinzeitmenschen verraten schon frühe Formen des theatralen Spiels. Man vermutet, dass sich eiszeitliche Jäger z. B. Felle von Tieren überzogen, um so lebenswichtige Vorgänge wie die Jagd im Voraus oder im Nachhinein darzustellen und theatral zu verarbeiten. So entstanden zeremonielle Tänze und theatrale Darstellung, in denen die Welt und die gesellschaftlichen Ereignisse nachgestellt und umspielt wurden. Man könnte das Theater als Urkunst der Menschheit, die alle anderen Künste in sich birgt, sehen.

In der ägyptischen Kunst zeugen verschiedene Darstellungen von Tänzern, Musikern und Akrobaten von der theatralen Entfaltung der weltlichen Vergnügungen am Hof der Pharaonen. Im vierten vorchristlichen Jahrtausend prägten die durch die gesellschaftliche Neuordnung und Staatsverwaltung, sowie die durch herrschende Preisterkönige entstandenen Mythologien die Deutung der Schöpfung und des Seins. Diese geistige Entfaltung sorgte für monumentale Prachtbauten, die als Kulisse des Theaterspiels dienten. Sie entwickelten sich später zum großen Festspieltheater und dienten auch der Präsentation der Staatsreligion.

Das ägyptische Abydos wurde während des mittleren Reiches (2000–1500 v. Chr.) zum Schauplatz alljährlicher religiösen Feste mit theatralen Elementen um Leiden, Tod und Auferstehung des Gottes Osiris. Dank eingemeißelter Zeichnungen auf Stein konnte die Erkenntnis über einige Stationen dieser theatralen Prozesse erlangt werden.

Das Theater der griechischen Antike gilt als Wiege des abendländlichen Schauspiels und markiert mit der Etablierung des Zuschauerraums einen entscheidenden Wendepunkt und Entwicklung in der Theatergeschichte.

Cassirer sieht in Thukydides (ca. 460-395 v. Chr.) den ersten Kritiker der mythischen Geschichtsauffassung. Auch die Altertumswissenschaft bezeichnet ihn als den Begründer der kritischen Historiographie. Jedoch basiert Thukydides´ geschichtliche Einsicht nicht nur auf neuen Tatsachen, sondern „auf einer viel tieferen und umfassenderen psychologischen Einsicht“, denn bevor die Griechen die Geschichte studieren, hatten sie schon die Natur studiert. „Ohne diesen vorbereitenden Schritt, wäre es für sie nicht möglich gewesen, die Macht des mythischen Denkens zum Kampf herauszufordern“.

Mit dieser Aussage trifft er den Kern dessen, was Nestle als Entwicklung „Vom Mythos zum Logos“ bezeichnet. Hätte die griechische - zuerst die ionische - Naturphilosophie nicht damit begonnen, die physischen Phänomene ihrer Umwelt auf rationale Weise zu studieren, hätten es die Griechen am Ende auch zu keiner neuen Theologie und damit Anthropologie bringen können. Das delphisch-sokratische Prinzip „Erkenne dich selbst!“ hätte keine Chance gehabt in einer Welt voller Ehrfurcht vor unsichtbaren Göttern und Heroen zu wirken.

Thukydides´ neue wissenschaftliche Methodik basiert zweifellos auf der Neuauffassung von Natur, Gott und Mensch. Jedoch ist hier der Sachverhalt nach neueren Forschungen der Altertumswissenschaften viel komplexer, als Cassirer scheinbar erkannt hatte, denn die frühe griechische (Natur)Philosophie bildet nur eine der Grundlagen des neuen wissenschaftlich-kritischen Denkens.

Für Platon kann mythos Wahres und Falsches enthalten; Dichter werden dazu aufgefordert, möglichst wahre mythoi zu dichten. Die literarische Gattung des so genannten platonischen Mythos hingegen kann ganz Unterschiedliches umfassen: Ein Gleichnis, eine Metapher oder auch ein Gedankenexperiment. Platon schuf in seinem Dialog Timaios auch einen Mythos von der Entstehung der Welt (Kosmogonie), von dem wesentliche Aspekte durch den Neuplatonismus bis hin zu Georg Friedrich Creuzer rezipiert wurden.

Aristoteles billigt einem Mythos nur die Möglichkeit einer Annäherung an die Wahrheit zu. Er verstand unter Mythos die Nachahmung von Handlung, also von etwas Bewegtem, im Unterschied zu den statischen Charakteren, die seiner Auffassung nach noch keine Dichtung ausmachen. Mythos wäre also, vom Gehen eines Menschen zu sprechen, statt bloß seinen Gang zu charakterisieren. Aristoteles sah seinen Text als eine Art Gebrauchsanleitung für Dichter. Mythos war für ihn ein Merkmal einer gelungenen Tragödie. Ebenfalls bei Aristoteles findet die Verengung des Begriffs Mythos auf die bis heute gebräuchliche Bedeutung statt, nämlich den typischen griechischen Mythos von Göttern und Helden. Im Hellenismus und der römischen Antike wurde der Mythos immer mehr als Erziehungsmittel propagiert und genutzt, so von Dion Chrysostomos. Er erfüllte damit ähnliche pädagogische Funktionen wie die späteren christlichen Legenden.

Schon die antiken Griechen haben sich mit dem Dichter der ,Ilias` und ,Odyssee` beschäftigt. Nach Anton Westermann sind uns 60 Handschriften zusammenhängender Lebensbeschreibungen Homers aus dem Altertum bekannt. Hierzu zählen die Vitae Herodotea. Sie gilt als umfangreichste und ist in einem ionisierendem Griechisch abgefasst. Sie stellt sich unter den Namen Herodotea.

Weitere uns bekannte sind die Vitae Pseudoplutarchi und Pseudoplutarchae, die vermutlich unter dem Namen Plutarchs entstanden sind. Eine weitere Überlieferung schreiben wir einem Grammatiker namens Proklos zu. Durch die Namensdopplung mit dem uns bekannten Proklos aus dem Neuplatonischen, wissen wir nicht, welcher dieser Beiden den Bios verfasst hat.

Neben den Vitae Scorialenses bzw. Vita Romana ist uns noch die im Codex Laurentius 56,1 vorhandene Lebensbeschreibung Homers Certamen Homeri et Hesiodi (der Wettstreit zwischen Homer und Hesiod) bekannt, die wir auch in der Legende wiederfinden.

Wenn man alle diese antiken Quellen miteinander vergleicht und auswertet, so erhält man keine eindeutige Lebensbeschreibung, aus der man genaue Rückschlüsse auf das Leben Homers ziehen kann. Sie sagen alle etwas anderes aus. Nach Latacz sind ,,diese Produktionen ohne historischen Wert".

So kommen wir bei der Aussage des Grammatikers Proklos an, der meint: ,,Von welchen Eltern Homer stammt oder welches seine Heimat ist, das ist nicht leicht darzulegen. Denn er selbst hat nichts darüber gesagt, aber auch diejenigen, die über ihn berichtet haben, stimmem nicht miteinander überein."

Wenn schon die antiken Griechen in ihren Lebensbeschreibungen nicht übereinstimmen, dann können wir auch nicht annehmen, dass Homer tatsächlich der Verfasser der Epen ist und wir können daraus auch nicht schlussfolgern, dass Homer eine Person war, die gelebt hatte. So sind diese Quellen für uns Historiker wertlos, denn das Problem um das Leben Homers ist nicht gelöst.

Wolfgang Schadewaldt veröffentlicht 1959 die ,,Legende von Homer dem fahrenden Sänger". Er versucht Homer als einen wirklichen Menschen zu fassen. So schreibt er in seinem Vorwort: ,,Es birgt im Kern eine echte Überlieferung über die Person des Iliasdichters, in dem wir nach langen Irrwegen heute wieder einen wirklichen Menschen erkennen."

Die uns überleiferten Lebensbeschreibungen und die Legende von Homer scheinen sich darin einig, dass der Dichter mit wirklichen Namen Melesigenes geheißen haben soll. Homer (griech: Homeros, lat: Homerus) steht hier als Gattungsname, der als Beiname den eigentlichen Namen verdrängt und bedeutet im Griechischen ,,Geisel". Benannt wurde er nach dem Fluss Meles an dem er geboren wurde. Der Fluss befindet sich bei Smyrna. Smyrna ist eine Stadt im kleinasiatischen Teil des antiken Griechenlandes. Smyrna ist die heutige türkische Stadt, Izmir. Dies ist jedoch nicht eindeutig belegt. Mehere Städt streiten sich um den Geburtsort Homers. Darunter Chios, Athen, Salamis auf Zypern, Ithaka und das ägyptischen Theben. Naheliegend ist jedoch Smyrna oder Chios, da beide Städte sich in unmittelbarer Nähe zueinander im kleinasiatischen Teil des antiken Griechenlandes befinden. Da die ,Ilias` vom Fall Trojas berichtet, nimmt auch Latacz an, dass er ein adliger kleinasiatischer Ionier war.

Ebenso ungenau zu bestimmen ist die Lebenszeit Homers. Wir datieren sie auf die zweite Hälfte des achten Jahrhunderts v. Chr. Diese Datierung beruht auf die Entstehungszeiten der Epen Ilias und Odyssee.

Die Legende von Homer schildert uns einen Dichter, der teils in ärmlichen Verhältnissen lebte und dem viel Unrecht geschah. Sie berichtet ebenfalls von Homer als einen fahrenden Sänger (Rhapsode), der als Blinder von Stadt zu Stadt reiste, um seine Gesänge den Adligen vorzutragen. In dieser Erzählung lesen wir auch vom berühmten Certamen Homeri et Hesiodi - dem Wettstreit von Homer und Hesiod. Bei diesem Wettkampf, der in der Stadt Chalkis zu Ehren des Todes von Königs Amphidamas stattfand, begneten sich Homer und Hesiod. Sie lieferten sich einen Wettstreit der Dichtkunst. Gewonnen hatte den Kampf Hesiod, da er ,,zu Landbau und Friedensarbeit rufe, statt Kriege und Schlachten zu schildern“ , wie es Homer tat. Gestorben ist Homer auf Ios. So berichtet jedenfalls die Legende.

Selbst diese überlieferte Legende bietet uns nur einen geringen Wert an Material, welches zur Lebensbeschreibung der Person Homers wichtig sein könnte. Für die Richtigkeit dieser Legende fehlt uns der entsprechende Nachweis um sie zu verwenden.

Das Wort Epos kommt aus dem griechischen und bedeutet Wort, Aussprache und/ oder Vers. Die Einheit eines Epos entsteht aus den einzelnen Versen und nicht den Strophen. Das Epos besteht aus einer Länge von daktylischen Hexametern und behandelt in seiner Poesie vor allem Heldensagen.

Die Epen wurden im antiken Griechenland von Aoiden (Sänger), die in einer langen Familientradition standen, übertragen. Sie kannten die Sagen und die Formenlehre. Hieraus entstand das improvisierte Heldenlied mit dem Material von verschiedenen Volksgruppen. Das Heldenlied umfasst Bereiche wie Hochzeit, Leichenspiel und Zweikampf. Gesänge dieser Art finden wir in der Ilias und der Odyssee. So berichtet Homer in der ,Ilias` von den Leichenspielen für den verstorbenen Patroklos. In der ,Odyssee` lesen wir von den Zweikämpfen Odysseus auf Ithaka.

Insbesondere haben sich die Rhapsoden um die Verbreitung der homerischen Epen verdient gemacht. Rhapsoden waren berufsmässig fahrende Sänger, die mit ihrer Phorminx - einem Saiteninstrument der homerischen Zeit - zum Tanze aufspielten. Mitunter konnten sie auf den Fürstenhöfen sesshaft werden. Als eine spezielle Unterform der Rhapsoden gelten die Homeriden. Sie lassen sich in der ersten Generation biologisch direkt auf Homer zurückführen und gelten als ,Nachlasspfleger` der homerischen Epen.

Das homerische Heldenepos war hauptsächlich narrativ, das heißt es erzählt eine Geschichte, in die widerum Geschichten eingefügt werden konnten. Im Gegensatz dazu steht das Sach-Epos, das einen gegebenen Sachkomplex systematisch erzählt, wobei das Erzählen von Geschichten untergeordnet ist.

Einleitend sei vermerkt, dass ich hier nur eine kurze inhaltliche Darstellung der Epen wiedergebe. Die intensive Beschäftigung mit den beiden Epen, das heißt Analyse und Aufbau, Struktur und Interpretation würde für den Rahmen dieser Arbeit unangemessen sein und beide Erzählungen bieten Platz für je eine gesonderte wissenschaftliche Abhandlung.

Das Epos ,Ilias` entstand vermutlich um 730 v. Chr. Es besteht aus einer Länge von 24 Gesängen, die circa 15700 daktylische Hexameter umfassen. Sie gilt als das älteste erhaltene Werk der griechischen Literatur.32 Ob die ,Ilias` von Homer stammt und ob er dem Epos den Titel gab, ist ungewiss.33 Vermutlich wurde der Name von ,Ilios`, der Stadtburg von Troja, abgeleitet.

Erzählt wird die Geschichte von der Belagerung Trojas. Grund für die Belagerung war, dass die Griechen (im Epos vorwiegend Archaier genannt), Helena, die Frau des Königs Menelaos befreien wollten. Sie wurde zuvor von Paris, einem Sohn des trojanischen Königs Priamos, nach Troja verschleppt. Die unter dem Kommando von Agamemnon stehende gewaltige Schiffsflotte belagerte Troja zehn Jahre. Erst im zehnten Jahr gelang es den Griechen mit einer List in die Stadt einzudringen. Odysseus hatte die Idee, mit einem großen aus Holz gebauten Pferd, welches mit Griechen besetzt war, in die Stadt zu gelangen, umso die Troas zu überwältigen. Die Männer wurden getötet, Frauen und Kinder versklavt, die Stadt und Burg wurden verbrannt und die Frau des Königs, Helena, befreit.

Soweit die Gesamtgeschichte, die der Leser benötigt um den Text der ,Ilias` verstehen zu können. Die ,Ilias` selbst erzählt einen winzigen Ausschnitt aus dieser Gesamtgeschichte. Sie berichtet vom Zorn des Achilleus. Diese Geschichte von Achilleus streckt sich auf einundfünzig Tage im zehnten Kriegsjahr und umfasst drei Einheiten. Die erste Einheit, der erste Gesang, erzählt wie es zum Groll des Achilleus kam. Nämlich durch einen Streit mit Agamemnon. Einheit zwei beginnt im zweiten Gesang und wird durch eine Rückschau, die den Beginn des Krieges schilderte, bis zum siebten Gesang unterbrochen. Erst im achten Gesang setzt sich die zweite Einheit fort und erzählt bis zum achtzehnten Gesang, wie sich der Zorn des Achilleus auf das Heer auswirkt. Die letzte Einheit im Epos, vom achtzehnten bis zum letzten Gesang, beschreibt, wie Achilleus erkennt, dass die Folgen seines Zornes schreckliche Auswirkungen auf die Gemeinschaft hat und er diesen auch aufgrund des Todes seines Freundes, Patroklos, aufgibt.

Die ,Odyssee`, vermutlich entstanden um 700 v. Chr., besteht, wie die ,Ilias`, aus 24 Gesängen, die circa 12100 daktylische Hexameter umfassen. Es ist gleichfalls ungewiss, ob Homer der Dichter der ,Odyssee` ist. Die Forscher unserer heutigen Zeit behaupten, dass das Epos nicht Homer zuzuschreiben ist.

Die ,Odyssee` gilt als erster Abenteuerroman der Weltliteratur und behandelt in ihrer Erzählung vor allem mittelmeerische Seefahrergeschichten. Berichtet wird von dem Fürst Odysseus, der nach dem Fall Trojas, auf seinem Heimweg nach Ithaka, viele Katastrophen und Abenteuer durch Tapferkeit und Widerstandskraft bestehen muss.

Am Rande sei noch erwähnt: Nach den Überlieferungen hat Homer nicht nur die ,Ilias` und ,Odyssee` verfasst, sondern noch weitere kleinere Dichtungen, die grundlegend alle als Ehrungen von Götter dienen, geschrieben. So sind uns fragmentarisch die ,homerischen Hymnen`, der ,Margites` oder der ,Kyklos` erhalten. Die Forschungen haben ergeben, dass aufgrund des verschiedenen Alters und Sprache sowie Inhalt, wir diese Dichtungen nicht Homer zuschreiben können.

Es ist fraglich, inwieweit wir die ,Ilias` und ,Odyssee` als Quelle zur Geschichte des antiken Griechenlandes verwenden können. Sie berichten uns von einer Märchenwelt, der wir nicht immer Glauben schenken dürfen. In ihrer Erzählweise verschönern sie das Leben im alten Griechenland. Sie schildern uns das reiche Leben der Adligen und Götter. Durch diesen positivistischen Gedanke könnte man zu den Schluss kommen, die Epen seien so erzählt worden um jenen, die sie hörten, eine Freude zu bereiten.

Die Ilias eines der ältesten schriftlich fixierten Werke Europas, schildert einen Abschnitt des Trojanischen Krieges. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig, heutzutage datiert man die Entstehung ins 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. Das Epos umfasst 24 Bücher bzw. Gesänge, wie diese Abschnitte seit der Übersetzung durch Johann Heinrich Voß bezeichnet werden. Die Ilias beruht auf frühgeschichtlichen Mythen und Erzählungen und wird Homer zugeschrieben (zur Verfasserschaft, auch hinsichtlich der Odyssee.). Die Ilias-Darstellung der Olympischen Götter dürfte erheblich zur Entwicklung einer nationalen griechischen Religion beigetragen haben und prägt bis in die Gegenwart die europäische Kunst- und Geisteswissenschaft.

Gegenstand ist der bereits zehn Jahre währende Trojanische Krieg zwischen Troja und der griechischen Allianz der Achaier. Zentrales Thema der Ilias ist der Zorn, der innerhalb ihres nur 51-tägigen Handlungsverlaufs immer weitere Kreise zieht und dabei Heroen wie auch Götter als unentrinnbares Schicksal ereilt. Den Anfang setzen die Entehrung des Gottes Apollon durch den Raub der Chryseïs und seine Rache an den Achaiern. Als schließlich dem Apollon-Priester Chryses die Tochter zurückgegeben wird, fordert Agamemnon, Oberbefehlshaber der Achaier, Ersatz für seine Beute und gerät so in Konflikt mit Achilleus, der sich in der Folge ebenfalls entehrt sieht und sich aus den Kämpfen zurückzieht. Der „Zorn des Achilleus“ wird zur Klammer des Epos, findet zum Ende hin aber eine neue Ursache. So wendet Achilleus im 19. Gesang die endgültige Niederlage der Achaier durch die öffentliche Versöhnung mit Agamemnon und seinen Wiedereintritt ins Kampfgeschehen ab, um dafür nun dem Zorn auf Hektor nachzugeben, der zuvor seinen besten Freund und Kampfgefährten Patroklos getötet hat. Eine Mäßigung findet Achilleus’ Zorn erst im letzten bzw. 24. Gesang, als er Hektors Leichnam nach 12-tägiger Schändung dessen Vater Priamos zur Bestattung überlässt.

Mythischer Ausgangspunkt für den Trojanischen Krieg ist das Urteil des Paris und dessen Entführung von Agamemnons Schwägerin Helena. Beides wird in der Kypria beschrieben. Die Kenntnis darum wird in der Ilias vorausgesetzt und daher nur einmal kurz angedeutet. Von der List des Odysseus (Trojanisches Pferd) und dem Ende des Trojanischen Krieges wird dann nicht in der Ilias, sondern unter anderem in der Iliu persis des sogenannten Epischen Zyklus erzählt.

Die Ilias zählt zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Die Verwendung als Titel für das noch heute so genannte Werk findet sich zuerst in Herodots Historien (2, 116). Diesem Gebrauch muss eine (nirgendwo belegte) Verbindung wie Ἰλιὰς ποίησις (Ilias poíesis „die sich mit Troja beschäftigende Dichtung“) vorausgegangen sein. Eine syntagmatische Verwendung des Namens findet man vor Herodot schon bei Aischylos, Simonides von Keos und Euripides. Schon Sappho schreibt über die Iliaden. Wann und wieso sich der Name „Ilias“ für ein Werk durchsetzen konnte, das nicht die ganze Geschichte Trojas, nicht einmal den gesamten Trojanischen Krieg, sondern nur eine Episode daraus behandelt, ist unklar; immerhin verwendeten auch die sogenannten kyklischen Epen diesen Rahmen. Vermutlich zeigt sich darin die überragende Stellung, die der Ilias im Vergleich zu den anderen Troja-Dichtungen zugebilligt wurde.

Die Frage nach der Verfasserschaft ist schwierig zu beantworten, da der Autor sein Werk nicht um einen Namen ergänzte. Überliefert ist der Name „Homer“, dem man im 5. Jahrhundert v. Chr. ebenso die Verfasserschaft der Odyssee, der kyklischen Epen, der Trojasage, der Homerischen Hymnen und einiger weiterer Werke zuschrieb. Inwiefern dieser aber an der Ilias gearbeitet hat oder ob sein Name für eine Gruppe mehrerer Bearbeiter steht, ist umstritten.

Für den ersten Fall ergibt sich dann die Frage, inwiefern er zur Ilias beigetragen hat. Strittig ist dabei allerdings schon, was man als „Ilias“ definieren soll. Zur Auswahl stehen dabei der Plot, die poetische Komposition und der Text. Zur heute kaum zu beantwortenden Frage stellt Hermann Fränkel resignierend fest: „Dabei muß die Frage für alle Zeiten offen bleiben, ob Homer, als er die letzte Hand an die Epen legte, viel oder wenig an ihnen geändert hat; ob er ein schöpferischer Geist, ein geschickter Bearbeiter, ein trefflicher Rezitator, ein fleißiger Schreiber – oder vielleicht eben nur der letzte Redaktor war, dem kein Nachfolger mehr den Ehrentitel abnahm.“ Für Aufsehen und heftige Kritik in der Fachwissenschaft sorgte die 2007 von Raoul Schrott aufgestellte These, Homer sei ein Hofschreiber in Kilikien gewesen und nicht im westlichen Kleinasien beheimatet, wie dies in der antiken Literatur vermutet wurde.

Die Frage nach der Datierung der Ilias ist eine der schwierigsten und umstrittensten der Klassischen Philologie– auch in der Antike schwankten die Autoren schon stark, nämlich zwischen dem 13./12. und 7. Jahrhundert v. Chr. Sie hängt stark mit den Homertheorien und der Verfasserschaft zusammen – so ist bisher nicht bewiesen, ob die Ilias über einen längeren oder kürzeren Zeitraum sprachlich geprägt wurde. Sie wird dabei sowohl synchron als auch diachron betrachtet. Seit den Homeriden – einer Gruppe Homer nacheifernder Dichter – wird die Ilias in die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. datiert. Auch heute wird dies noch, unter anderem wegen der steigenden archäologischen Funde dieser Zeit, vom größten Teil der Fachwissenschaftler vertreten. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts argumentieren Philologen wie Walter Burkert und Martin West anhand von Werkstellen intensiver für eine spätere Datierung. So wird auch für eine Redaktion zur Zeit des Tyrannen Peisistratos oder bei den alexandrinischen Philologen plädiert. Kritisiert wird dabei auch, dass Bezugnahmen zeitlich der Ilias nahestehender Dichter, Werke oder Kunstgegenstände sich nicht auf den verschriftlichten Text beziehen müssen, sondern sich auch auf mündliche Überlieferungen des Plots beziehen könnten. Sprachliche Argumente für ein höheres Alter der Ilias gegenüber anderen Werken, wie von vielen Forschern angeführt, werden teilweise mittlerweile bestritten.

Eindeutige Bezüge, durch die ein terminus ante quem sicher zu belegen ist, finden sich in literarischer Form erst bei Alkaios von Lesbos um 600 v. Chr. In der Kunst der Antike werden zwar seit 700 v. Chr. Szenen des epischen Kyklos dargestellt, nicht jedoch die 51 Tage der Ilias. Kunstwerke, die dieses Thema darstellen, sind erst seit 625 v. Chr. zu finden. Es könnten natürlich noch frühere Objekte entdeckt werden, die Frage nach der Bezugnahme auf einen schriftlichen Text kann damit allerdings nicht vollständig geklärt werden.

Waffen- und Gegenstandfunde wie auch die erschlossene Kampftechnik sprechen eher für die erste Hälfte des 7 Jh. v. Chr.. Wie oben erwähnt, versucht man anhand von Textstellen den Terminus post quem genauer zu bestimmen – so wird beispielsweise Hom. Il. 9, 381–384 (Beschreibung des hunderttorigen ägyptischen Thebens) von Martin Litchfield West nicht vor 663 v. Chr. datiert, Walter Burkert geht noch früher; Hom. Il. 12, 3–33 aufgrund der Ähnlichkeit zur Zerstörung von Babylons Stadtmauer wird durch West in die Jahre 689/688 v. Chr., der Wiederaufbau in die Jahre 678/677 v. Chr. angesetzt. Letzteres Datum sieht Martin West als Terminus post quem an, und datiert dabei unter der Annahme einer synchronen Verschriftlichung des Textes nach Hesiod (730 bis 660, genauer 680 bis 670 v. Chr.) – welches damit das älteste schriftlich fixierte Werk der griechischen Literatur wäre –, wie dies vor dem vierten Jahrhundert v. Chr. schon der Fall war. Die Ilias enthält laut Ernst Heitsch und Martin West mehrere belegte Zitate und Bezüge aus Hesiods Werken. Die Argumente für eine frühere Datierung aufgrund von Anspielungen auf Mimnermos und Tyrtaios hält West für nicht kräftig. Abschließend werden die Jahrzehnte von 670 bis 640 v. Chr., spezieller die Jahre 660 bis 650 v. Chr. als mögliche Entstehungszeit des Textes angenommen.

Das Werk umfasst 15.693 Verse in 24 Gesängen, die nach dem Einheitsalphabet von Eukleides im Jahr 403 v. Chr. mit griechischen Großbuchstaben gekennzeichnet sind; die Länge der Bücher variiert etwa zwischen 400 und 900 Versen.

Das Zornmotiv, das das ganze Epos durchzieht, tritt aber nur in einigen wenigen der 24 Bücher stärker in den Vordergrund. Achilleus' Zorn entwickelt sich durch Agamemnons Entehrung, weil er sein Beutemädchen Briseïs raubt, um an ihm ein Exempel seiner Macht zu statuieren. Achilleus beugt sich diesem und tritt in den Streik und damit in den Hintergrund der Ilias. So kann der Erzähler im 2. bis 8. Buch Szenen aus früheren Kriegsjahren einbauen und ein erstes Zusammentreffen der Kriegsparteien darstellen. Erst im 9. Buch wird Achilleus wieder angesprochen, da die anderen Achaier erkannt haben, dass sie ohne ihn und seine Kampfgefährten gegen die Trojaner nicht bestehen können.

Da sich Agamemnon für sein Fehlverhalten aber nicht entschuldigen will und Achilleus’ Zorn noch zu groß ist, lehnt er einen Kompromiss ab und stellt sich damit nicht nur gegen Agamemnon, sondern auch gegen die übrigen Achaier. Er beschließt damit den Tod vieler Gefährten, da Zeus den Trojanern gewährt, bis ans Schiffslager der Achaier zu gelangen. Erst danach soll die Schlacht gewendet werden. Bis es dazu kommt, wird durch die Darstellung der Kämpfe um die Mauer vor den Schiffen und durch göttliche Eingriffe zugunsten der Achaier die Geschichte retardiert.

Im 16. Buch erfüllt sich dann Zeus’ Plan, sodass Achilleus Patroklos gewährt, die Trojaner zurückzudrängen. Übermütig greift dieser dann aber die Stadt an und wird unter anderem von Hektor getötet. Der darauffolgende Kampf um dessen Leichnam und die Fertigung neuer Waffen weisen auf die folgenden Bücher hin. Achilleus, entsetzt über den Verlust des Freundes, versöhnt sich dann im 19. Buch mit Agamemnon und stürmt, immer noch zornig, jetzt aber auf Hektor, in die Schlacht. Bis zum finalen Kampf mit diesem im 22. Buch kämpft er allerdings noch gegen einige andere Gegner und sogar Götter. Die endgültige Überwindung seines Zorns findet dann erst nach dem Misshandeln von Hektors Leichnam und Totenspielen für Patroklos’ Feuerbestattung im 24. Buch statt. Dazu muss er erst den Vater seines Erzfeindes – Priamos – kennenlernen, der wie Achilleus einen schweren Verlust erleiden musste.

Menschen wie Götter werden nicht durch äußere Beschreibungen des Erzählers charakterisiert, sondern tun dies durch ihre Reden, die rund 45 % des kompletten Inhaltes einnehmen. Durch Momentaufnahmen können die Personen nur skizziert werden. Der Held versucht sich Ruhm zu erwerben (gemäß dem Spruch des Peleus: „Immer der Beste und den Anderen überlegen sein“), indem er jedes Wagnis im Krieg eingeht, sich tugendhaft verhält oder durch Reden hervortut, und darf dennoch Gefühle zeigen.

Dabei ist er nicht lebensmüde und versucht, dem Tod zu entgehen, indem er den eindeutig stärkeren Gegner meidet und bei einer Siegeschance den Kontrahenten angreift. Des Weiteren kann man Ruhm durch vornehme Reden erlangen – wer gegen diese Kriterien zum Ehrgewinn handelt, wird dafür getadelt und sogar geschlagen. Die adligen Menschen berufen sich zwar darauf, von den Göttern abzustammen, sind aber keine Halbgötter wie die Helden vor ihrer Zeit und werden nicht kultisch verehrt. Den Personen wird dabei gemäß ihrer Königlichkeit auch die Schönheit zugeschrieben – einfache Menschen werden so weniger schön skizziert. Es gibt auffallend viele Statisten und Personennamen, die nur einmal im Werk auftauchen; alle Statisten werden aber dennoch namentlich erwähnt. In der Ilias passiert es dabei nur einmal, dass eine vormals gestorbene Person, Pylaimenes, später noch einmal lebt. Die starke Charakterzeichnung der Figuren, vor allem ihre Probleme, die es in derselben Art und Weise auch heute noch gibt, sind eine der Hauptursachen, weshalb die Ilias über Jahrtausende hinweg aktuell blieb und den Leser bewegte.

Auf trojanischer Seite, die mit ungefähr 50.000 Personen angesetzt wird, kämpfen neben den Trojanern ), die mit Ausnahme von Hom. Il. 2, 819–823 auch Dardaner heißen – dort stellen sie ein Kontingent unter Aineias dar –, vor allem die Lykier), die von Sarpedon und Glaukos angeführt werden. Daraus lässt sich auch das Sprachgewirr erklären, das in der Ilias betont wird

Trotz der Spracheinheit der circa 100.000 bis 120.000 Griechen werden die Gegner der Trojaner mal Achaier, mal Danaer oder Argeier genannt, je nachdem welches Wort nötig ist, um einen kompletten Hexameter zu bilden. Der Name „Hellene“ wird in der Ilias nicht für das gesamte Kontingent der Achaier verwendet, sondern nur für die Bewohner eines Gebietes, das von Achilleus’ Vater Peleus beherrscht wird. Die gesamtgriechische Verwendung tritt in Hesiods Werke und Tage auf. Die Bedeutung der „Panhellenen“ neben den Achaiern im zweiten Buch der Ilias ist dabei umstritten.

„Die Geschichte vom Groll des Achilleus konnte erzählt werden, fast ohne über die Götter zu sprechen. Fast – aber nicht ganz.“, so schreibt Walter Bröcker über die Götter, Gustav Adolf Seeck dagegen: „Die Götter sind bei Homer fast ohne religiöse Bedeutung, aber sie sind ein wichtiges erzählerisches Mittel; denn […] durch ihre Eingriffe läßt sich eine Erzählung bequem steuern und strukturieren.“ In der Ilias werden die Götter der griechischen Mythologie wie die Menschen vom Autor gezeichnet (allwissender Erzähler) – er gibt ihre Taten, Pläne und Absichten durch die Inspiration der Musen wörtlich wieder. Stellenweise symbolisieren die Götter die Gedankengänge der Menschen – die Menschen können dabei die Intensität der Beeinflussung bestimmen.

Mit der neuen vorchristlichen Gesellschaftsform, der Demokratie, wurde das rituelle Festspiel zur politischen Festversammlung, das kultischen Ursprüngen treu ist. Das heißt, dass sich die Spielzeiten weitgehend an Götter- und Festtage binden. Das nun entstandene Schauspiel zielte nicht mehr darauf ab, eine Verbindung von Schauspieler und Götterwelt zu verkörpern, sondern eine Brücke zum passiven Publikum zu schlagen, um ihnen eine Identität zu vermitteln, die sie auf das staatliche Gemeinwesen verpflichtet.

Im 6. Jahrhundert vereinigte Peisistratos die beliebten Dionisos-Kultspiele zu einem Staatsfest, den Großen Dionysien. Dionysos, Gott der Fruchtbarkeit und des Weins, wurde mit Einführung des Tragödien- Wettbewerbs (Agon) auch zum Schutzpatron des Theaters. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der Spielort von der Agora, Versammlungsplatz der Polis, zu dem eigens errichteten Dionysostheater verlegt, welches an den Südhang der Akropolis erbaut wurde.

Aus dem frühen 5. Jahrhundert werden die ersten Dichternamen und Tragödientitel überliefert, die zu dem Zeitpunkt zwar noch mythologische Motive verwendeten, aber hauptsächlich tagespolitische Fragen verarbeitete und dem Publikum näher bringen sollten. Die Schicksalsgebundenheit der Menschen, eine zentrale Botschaft der Mythen, wurde systematisch in Frage gestellt. Die Betonung auf den freien Willen und die Gestaltungsfreiheit sowie die Idee des rechtsstaatlichen Gemeinwesens und die Konsolidierung der Polis wurde immer stärker, besonders durch Schilderungen in Werken des Aischylos.

Durch im 4. Jahrhundert sinkende Zuschauerzahlen führte der Stadtstaat (Polis) „Schaugeld“ ein, das die Besucher für ihren Dienstausfall entschädigen sollte. Die, vor allem auch politische, Bedeutung des Theaters wuchs immer mehr. Spektakuläre Skenographien und schauspielerische Virtuosität rangen der philosophischen und ernsthaften Tragödie immer mehr den Platz ab und wurden von großen Tragödienschreibern sowie auch von Aristoteles, dem wir die erste Poetik, d. h. Lehre von der Kunst der Dichtung, verdanken, als geltungslos beurteilt.

Die Komödie (ursprünglich: ein ausgelassener tänzerischer Maskenumzug) eignete sich erfolgreich den volkstümlichen Brauch aus dem Dionysoskult an und stieg schließlich zur begehrtesten Gattung der hellenistischer Zeit auf. Im Gegensatz zu dem Satyrspiel, das stets den Abschluss einer Tragödie bildete, war die Komödie spottfreudiger, und sowohl Heroen der Mythen als auch Politiker wurden dem Gespött ausgesetzt. Doch auch Kritik an der herrschenden Politik wurde vor allem durch Aristophanes, der auch mit führenden athenischen Denkern eng befreundet war, sehr unverschlüsselt ausgelassen. Mit Ende der Demokratie jedoch wandte sich die Komödie ab von der Politik und besann sich auf Alltagstypen.

Die Orestie des Dichters Aischylos ist eine der bedeutenden griechischen Tragödien. Das dreiteilige Stück behandelt das Ende des Fluchs, unter dem das Haus Atreus steht. Geschildert wird die Entwicklung des antiken Rechtsverständnisses vom Prinzip der individuellen Rache hin zu einer geordneten Rechtsprechung durch eine die Gesellschaft repräsentierende Gruppe (Richter, Geschworene).

Die Orestie ist die einzige erhaltene antike griechische Trilogie. Der vierte Teil, ein Satyrspiel, gilt als verschollen. Bei der Erstaufführung zu den Dionysien 458 v. Chr. in Athen gewann Aischylos mit dem Stück den Siegespreis.

Agamemnon opferte seine Tochter Iphigenie. Die Mutter von Iphigenie, Klytaimnestra, tötet deshalb ihren Mann Agamemnon nach dessen Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg und ebenso dessen Geliebte Kassandra. Der Sohn Orestes tötet daraufhin seine Mutter Klytaimnestra und deren Geliebten Aigisthos. Orestes – und das ist neu – wird dafür nicht mit dem Tod bestraft; die Rachegeister (Erinnyen) können in einem Gerichtsverfahren besänftigt werden. Göttin Athene spricht bei Stimmengleichheit das Urteil (Freispruch). Der Fluch der Familie wird durchbrochen.

Die Tragödie schildert die Ermordung von Agamemnon, König von Mykene, durch seine Frau Klytaimnestra und ihren Geliebten Aigisthos. Am Anfang steht ein Nachtwächter auf dem Dach des Königspalastes der Atriden und berichtet, wie er seit Jahren hier wacht, dazu abkommandiert von einer "Frau mit männlicher Entschlusskraft". Er bejammert die Lage des Hauses – Klytaimnestra hat ihren Liebhaber Aigisthos, einen Vetter Agamemnons, an der Herrschaft beteiligt –, verspricht aber, still zu bleiben.

Klytaimnestra tritt auf. Sie erwartet die Rückkehr Agamemnons aus dem Krieg um Troja. Anhand der Leuchtfeuer auf den Bergen weiß sie, dass Troja gefallen ist. Klytaimnestra hasst ihren Ehemann, da er ihre Tochter Iphigenie opferte. Sie glaubt, im Recht und in Übereinstimmung mit den Göttern zu sein.

Als Agamemnon in seinem Triumphwagen zurückkehrt, hat er die Seherin Kassandra als Sklavin und Konkubine an Bord, was Klytaimnestra noch mehr erzürnt. Klytaimnestra versucht, Agamemnon zu überreden, auf einem purpurroten Teppich das Haus zu betreten. Das Problem ist, dass Agamemnon sich damit der Hybris schuldig machen würde, wogegen er sich wehrt. Dieser Agon zwischen Klytaimnestra und Agamemnon ist ein zentraler Teil des Stücks. Schließlich überzeugt Klytaimnestra Agamemnon aus Gründen, die in der Forschung noch immer diskutiert werden, mit in den Oikos zu kommen, wo sie ihn im Bad durch drei Schläge mit einer Labrys (griech.= Doppelaxt) ermordet. Agamemnon wird hier auf beinahe die gleiche Art und Weise wie ein Tier getötet, das für ein Opfer mit drei Schlägen getötet wird, wobei der letzte Schlag von einem Gebet zu einem Gott begleitet wird.

Kassandra bespricht mit dem Chor, ob sie den Palast betreten soll oder nicht, da sie weiß, dass dann auch sie ermordet wird. Kassandra ist die Tochter des trojanischen Königs Priamos und der Hekabe. Apollon hat ihr die Weissagekunst zusammen mit dem Fluch gegeben, dass keiner, der ihre Prophezeiungen hört, ihr glaubte. In ihrer Rede evoziert Kassandra viele grausame Bilder der Geschichte des Hauses des Atreus und beschließt schließlich, das Haus zu betreten, wissend, dass sie ihrem Schicksal nicht entfliehen kann. Der Chor, in dieser Tragödie eine Gruppe alter Männer von Argos, hört die Todesschreie von Agamemnon und debattiert sehr aufgeregt über die weitere Vorgehensweise. Dann zeigt Klytaimnestra auf einem Podest die grauenhaft anzusehenden toten Körper von Agamemnon und Kassandra und versucht, ihre Motive zu erklären.

Später tritt Aigisthos auf und hält eine arrogante Rede an den Chor, was fast zu einer Schlägerei zwischen dem Chor einerseits und Aigisthos und seinen Handlangern andererseits führt. Klytaimnestra beendet den Streit und sagt, dass bereits genug Blut geflossen sei.

Das Spiel schließt mit einem Auftritt des Chores, der die Thronräuber an Orest, den Sohn Agamemnons, erinnert, der sicher zurückkommen werde, um Rache zu üben.

Choephoren ist der zweite Teil der Orestie-Trilogie. Er trägt in einigen Übersetzungen auch die Titel Die Totenspende, Die Grabesspenderinnen oder Die Weihgussträgerinnen. Er handelt von der Wiedervereinigung Elektras und Orestes', der Kinder Agamemnons, und ihrer Rache. Das Stück ist – wie damals allgemein üblich – nach dem Chor benannt, der hier von Weihgussträgerinnen gebildet wird, Sklavinnen des argivischen Königshauses, die, mit Weihespenden versehen, Elektra zum väterlichen Grab begleiten.

Orestes ist bei einem Gastfreund des Agamemnon, Strophios, in Phokaia aufgewachsen, wohin ihn Klytaimnestra noch vor der Ermordung Agamemnons geschickt hatte. Nun kehrt er mit seinem Freund Pylades, dem Sohn des Strophios, zurück.

Im Palast von Argos teilt Klytaimnestra Thron und Bett mit Aigisthos. Sie erwacht aus einem Alptraum, in dem sie einen Drachen zur Welt gebracht hat, welcher an ihrer Brust Blut anstelle von Milch saugte. Beunruhigt, dass das ein Zeichen des Zorns der Götter sei, schickt sie ihre Tochter, die Prinzessin Elektra, Libationen (Trankopfer) auf das Grab Agamemnons zu gießen. Elektra ist faktisch nur Sklavin ihrer Mutter. Die Choephoren (Namensgeber des Titels), sollen Elektra bei der Opfergabe unterstützen.

Am Grab des Vaters trifft Elektra ihren verschollenen Bruder Orestes. Er gibt sich ihr zu erkennen und berichtet, Apollon habe ihn beauftragt, den Mord am Vater zu rächen. Gemeinsam planen sie den Muttermord, während der Chor warnt:

Orestes zögert noch vor dem Mord an seiner eigenen Mutter, wird aber von Apollon und seinem Freund Pylades, dem Sohn des Königs von Phokis, überzeugt. Orestes und Pylades täuschen vor, gewöhnliche Reisende aus Phokis zu sein und bitten um Gastfreundschaft im Palast. Sie erklären der Königin, dass Orestes tot sei. Erfreut über die Nachricht, sendet Klytaimnestra einen Boten, um Aigisthos herbeizurufen.

Orestes tötet zuerst den Thronräuber und dann seine Mutter. Die Todesschreie Aigisthos’ warnen Klytaimnestra nicht rechtzeitig. Verzweifelt versucht sie, an die Gefühle ihres Sohnes zu appellieren, aber Pylades erinnert seinen Freund an Apollons Auftrag.

Sobald Orestes den Palast verlässt, erscheinen – nur ihm selber sichtbar mit ihrem schauderhaften Aussehen – die unbarmherzigen Erinyen, um ihn in den Wahnsinn zu treiben.

Apollon, Hermes und Orestes treten aus dem Tempel des Apollon. Apollon sagt Orestes, dass er nie seinen Feinden Freund und gnädig sein werde. Denn er unterstützte Orestes, seinen Vater zu rächen: „Denn ich gebot’s, dass deine Mutter du erschlugst.“ Das Tempelinnere wird sichtbar: Man sieht die schlafenden Erinyen (Rachegöttinnen), und der Schatten Klytaimnestras steigt empor. Klytaimnestra nimmt Stellung und verlangt Rache, denn sie wurde für den Mord an Agamemnon bestraft, Orestes für den Muttermord jedoch nicht.

Die Erinyen werfen Apollon große Schuld vor: „Blutige Schuld, schuldiges Blut, das verruchteste nahm ja beschützend er auf!“ Doch Apollon verteidigt Orestes und steht auf seiner Seite. Die Göttinnen wollen Orestes unbedingt fassen und Rache ausüben. Apollon wirft sie aus seinem Tempel, doch der Streit über Recht und Unrecht, Blutrache, und Ehe setzt sich fort.

Orestes bittet um gnädige Unterkunft bei Pallas Athene. Die Erinyen finden seine Spur und kommen zum Tempel der Athene. Orestes bittet die Göttin um Tilgung der Schuld. Athene befiehlt beiden Seiten, sich vorzustellen und ihre Absicht zu erklären. Die Führerin der Erinyen gibt ihre Absichten an. Danach stellt Orestes sich Athene vor und erzählt seine Lebensgeschichte bis zum Muttermord. Athene meint, es sei zu schwierig, dass ein Mensch hier über Schuld oder Unschuld urteilen könne.

Es beginnt eine Art Prozess. Danach geht Athene (jetzt auf der Seite Orestes) als letzte zur Urne, um ihre Stimme abzugeben und legte einen Stein für Orestes hinein. Orestes ist frei, da ihn gleich viele Stimmen verurteilen und freisprechen.

Die Erinyen sind voller Wut und beginnen zu jammern und protestieren. Athene versucht, die Führerin zu beruhigen und verspricht ihr Gaben, Heiligtum und Verehrung von den Bürgern, wenn sie nicht schweren Hass über das Land ausschütten. Die Erinyen schlagen jetzt einen anderen Weg ein und verwandeln sich in die Eumeniden ("Wohlgesinnte"): „Nie Rachgier, wechselmordender Schuld lüstern, Blutig zerrütten die Stadt! Freude belohnen, gemeinsam. Gleiches mit allen zu lieben, allen gleich zu hassen auch, das heilt vielen Gram der Sterblichen.“ So legen sie ihren Gram und Hass ab und ehren Athene.

Karl Gustav Vollmoeller hat die Orestie zwischen 1904 und 1905 ins Deutsche übersetzt und mit seiner für das Deutsche Theater Berlin erarbeiteten Bühnenfassung eine nach Aussagen damaliger Kritiker bedeutende Arbeit geleistet. (Karl Vollmoeller – Die Orestie des Aischylos, S. Fischer, Berlin 1911) Vollmoellers Bearbeitung ist für die Entwicklung des deutschen und europäischen Theaters von großer Bedeutung, da er sein Werk, obwohl seit 1905 fertig, durch Max Reinhardt erst 1911 inszenieren ließ, da Reinhardt vorher nicht bereit war, Vollmoellers Vorstellungen von einer den antiken Vorbildern folgenden Großrauminszenierung zu folgen. Vollmoeller beschreibt das selbst so: „In langen nächtlichen Sitzungen im Cafe Victoria Ecke Friedrichstraße und Unter den Linden gelang es mir, Reinhardt davon zu überzeugen, dass eine griechische Tragödie nicht auf der normalen Bühne gespielt werden sollte, sondern in einer großen Arena, am besten im Zirkus, als dem letzten Nachläufer des antiken griechischen Theaters. Ich war nun einmal gelernter Archäologe. Auch diese Idee erregte unliebsames Aufsehen und heftigen Widerspruch bei allen Fachleuten. Max Reinhardt hörte gut zu und fand wieder alles ganz in Ordnung. Er war der beste aller Zuhörer. Nach vier Jahren hatte sich die Idee durchgesetzt und brachte Reinhardt seine größten und lautesten Erfolge.“

Dabei hätte Vollmoellers Orestie um ein Haar bereits 1908 Premiere gehabt. Damals hatte Vollmoeller Edward Gordon Craig, den bekannten Theaterreformer dafür gewinnen können, die Inszenierung seiner Orestie zu übernehmen. Doch Craig und Reinhardt überwarfen sich über das Konzept, so dass nochmals drei Jahre ins Land gingen, bevor unter Reinhardt selbst in München in der Musikfesthalle die Premiere am 31. August 1911 über die Bühne ging. Der bedeutende Kritiker Siegfried Jacobsohn äußerte sich wie folgt: „Vollmoeller hat einen Meisterwurf getan. Wer hätte diese Knappheit, diese Festigkeit, diese männliche Härte von ihm erwartet! Wie weit ist hier die Übersetzung von Wilamowitz, die doch bisher die beste war, in jeder Hinsicht übertroffen! ... Ich habe beide Arbeiten Wort um Wort verglichen und festgestellt, dass in den Chören durchschnittlich auf fünfundvierzig Verse von Wilamowitz einundzwanzig von Vollmoeller kommen. Diese Konzentrationsfähigkeit, schon hier ein eminenter Vorzug, hat erst recht im leidenschaftlich bewegten Dialog Verse von ungeheurer Schlagkraft hervorgebracht ... Ein einziges Beispiel, dem beliebig viele zuzufügen wären. Wilamowitz: Du hast nicht von meiner Pflicht zu reden. Unter meinen Händen sank er, starb er – Meine Hände werden ihn begraben. Vollmoeller: Ich hab’ ihn gefällt. Ich hab’ ihn erschlagen. Ich werd’ ihn begraben. Was gehts dich an! Vollmoellers verdichtende und beschwingende Bearbeitung der ‚Orestie’ ist nach Hofmannsthals preziös gedunsener und auseinander treibender Übertragung des ‚König Ödipus‘, die am allerwenigsten in den Zirkus paßte, eine wahre Wohltat, und einer von den Gründen, warum man diesen Zirkusabend keineswegs mit derselben Entschiedenheit ablehnen darf wie den ersten. Reinhardt hat leider die Aufgabe, jene beiden Elemente der Dichtung, das lyrische und das dramatische, gleichermaßen zu treffen, nicht annähernd so gut gelöst. Seine Behandlung der Chöre ist unmöglich. Unmöglich. Einfach darum, weil sie ihn zwingt, drei Viertel des Textes zu streichen... Für das lyrische Element der ‚Orestie‘ hat also Vollmoeller dem Regisseur Reinhardt deshalb wenig nützen können, weil der Dramaturg Reinhardt dieses Element von vornherein so kläglich verkürzt hatte. Für das dramatische Element, für das Vollmoellers Nützlichkeit sich als außerordentlich groß erwies, ist nun wieder jeder Regisseur auf seine Darsteller angewiesen...“

Der immense Erfolg der Vollmoeller’schen Orestie überzeugte Max Reinhardt schließlich von der Richtigkeit der Vorstellungen Vollmoellers in Bezug auf die notwendige Inszenierung. Dies brachte Reinhardt dazu, sich in Berlin nach einem geeigneten Spielort umzusehen. Es war der Zirkus Schumann, den Reinhardt durch den Architekten zum Großen Schauspielhaus umbauen ließ. Zum Dank für Vollmoellers Anregungen eröffnete Reinhardt den Prunkbau mit dessen „Orestie“. Sie hatte am 28. November 1919 Premiere. Letztmals wurde Vollmoellers Fassung 1942 während des Zweiten Weltkriegs in Bern inszeniert. Dazu hieß es u. a.: „Die Übertragung ins Deutsche durch Vollmoeller lobt der Literaturkritiker Trog als ‚eine Leistung von sprachlich knapper Schlagkraft und lebendigem Fluß, die dem Dichter, nicht dem Philologen dienen will‘.“ In Deutschland kam Vollmoellers Orestie, die Peter Stein und Tankred Dorst inspirierte, nach 1945 nicht wieder auf die Bühne. Walter Mehring adaptierte 1919 den Stoff für ein Puppenspiel im Kabarett, ebenfalls auf Reinhardts Anregung hin, eine Dada-Parodie auf Aischylos.

Die Verse 280–311 im Agamemnon beschreiben die Benachrichtigung vom Sieg im Trojanischen Krieg und von der Einnahme Trojas über eine Staffel von Leuchtfeuern über Hunderte Kilometer hinweg nach Argos – "Von Feuer zu Feuer flog hierher die Flammenpost" – und listen über Ida, Limnos, Athos etc. die beteiligten Bergstationen mit den Feuersignalposten auf.

Kritische Berechnungen halten für die Überbrückung einer Distanz von 180 km einen brennenden Feuerscheit von mindestens 10 m, eher noch von 24 m Höhe für erforderlich, wobei die Posten über Jahre hinweg auf ihren Gipfelhöhen hätten ausharren müssen, dabei stets mit konzentriertem Blick auf einen möglichen Lichtpunkt beim Nachbarposten, und betrachten die "Feuerpost" als Instrument mit literarischer Funktion. Ihre technische Praktikabilität ist für den konkreten Fall unwahrscheinlich, die Erwähnung in derartiger Knappheit wird jedoch als Beleg dafür eingeschätzt, dass der systematische Einsatz von Feuersignalzeichen zu Aischylos Zeiten durchaus dem Stand der Technik entsprach.

Die griechische Tragödie entstand im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten in Athen zu Ehren des Weingottes Dionysos. Der Tyrann Peisistratos (um 600–528/527 v. Chr) erhob den Dionysoskult zum Staatskult von Athen und führte die alljährlichen Großen Dionysien als mehrtägiges Fest ein. Im Jahr 534 v. Chr. führte der Dichter Thespis hierbei die erste Tragödie auf, indem er dem singenden und tanzenden Chor des bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Dithyrambos erstmals einen einzelnen Schauspieler gegenüberstellte. Den zweiten Schauspieler führte Aischylos in die Tragödie ein, den dritten Sophokles, wenn nicht bereits Aischylos. Der Zusammenhang mit den Mythen um den Gott Dionysos wurde bald aufgegeben, doch blieb mythische Thematik verbindlich und wurde nur in Ausnahmefällen nicht beachtet.

Ihre Blütezeit hatte die griechische Tragödie zwischen 490 und 406 v. Chr. Die bekanntesten Tragödiendichter waren Aischylos, Sophokles, Aristophanes und Euripides.

Aristophanes war ein griechischer Komödiendichter. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der griechischen Komödie, insbesondere der Alten Komödie, und des griechischen Theaters überhaupt. Seine Komödien, vor allem Lysistrata, werden immer wieder gespielt.

Über das Leben des Dichters ist wenig bekannt. Er wurde zwischen 450 v. Chr. und 444 v. Chr. als Sohn des Philippos in Kydathen, einem Stadtteil Athens, geboren. Von 430 bis 428 v. Chr. erhielt er vermutlich eine Ausbildung zum Dramatiker. Seine ersten drei Stücke ließ er als anonymer Autor von Kallistratos aufführen. Auch später hat er sich öfter durch diesen oder Philonides vertreten lassen. Seine Söhne Araros und Philippos wurden ebenfalls Komödiendichter. Araros führte die letzten beiden Stücke Kokalos und Aiolosikon seines Vaters auf.

Aristophanes starb nach 388 v. Chr., vermutlich um 380 v. Chr. in Athen, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte.Nach 400 v. Chr. bekleidete er als Prytan ein führendes Amt in der Stadtregierung. Zeitweilig lebte er auf der nahe gelegenen Insel Aigina, welche 431 v. Chr. von Athenern kolonisiert worden war.

Aristophanes werden über 40 Werke zugeschrieben, von denen elf vollständig erhalten sind. Die Zuordnung der erhaltenen Fragmente ist umstritten. Das einzige erhaltene Porträt Aristophanes’ ist eine im Akademischen Kunstmuseum Bonn stehende Doppelbüste, auf deren anderer Seite Menander abgebildet ist.

Mit seinem Werk zielte Aristophanes stets darauf ab, zeitgenössische Personen und Ereignisse der Lächerlichkeit preiszugeben, oft durch drastische Darstellungen und satirische Schärfe. Dabei persiflierte er Stilmittel anderer Dichter, z. B. Euripides , und äußerte sich sowohl kritisch wie spöttisch über Leute wie Sokrates oder die Sophisten. Seine Darstellung des Politikers Kleon in Die Babylonier 426 v. Chr. brachte ihm eine Klage wegen Beleidigung des Volkes ein, die jedoch ohne Folgen blieb. Zwei Jahre später unternahm Kleon, ebenfalls erfolglos, den Versuch, Aristophanes’ athenisches Bürgerrecht auf dem Klageweg anzufechten: Dessen Vater sei angeblich kein gebürtiger Athener gewesen, denn als Einwanderer aus Rhodos oder Ägypten habe er das Bürgerrecht erst zu einem späteren Zeitpunkt erhalten.

Für seine Komödien erhielt Aristophanes bei den Lenäen und Dionysien oftmals hohe Auszeichnungen; drei erste und drei zweite Plätze und wenigstens einmal der dritte Platz sind überliefert. Die Frösche (405 v. Chr.) durfte er bei den Lenäen 404 v. Chr. ein zweites Mal aufführen. Im Altertum sah man in Aristophanes einen der drei großen Dichter der Alten Komödie. Nach Aristophanes’ Tod machte Platon ihn zu einer Figur im Dialog Symposion (Das Gastmahl).

Aristophanes’ Werke haben aber nicht nur unter den Zeitgenossen, sondern auch bei der Nachwelt in Rom und Alexandria Beifall gefunden. Erkennbare Spuren haben sie in der Politsatire der europäischen, insbesondere der englischen Literatur hinterlassen. Goethe, der eine bearbeitete Fassung der Komödie Die Vögel veröffentlichte, nennt Aristophanes im Prolog einen „ungezogenen Liebling der Grazien“. Heine stellt ihn in Deutschland. Ein Wintermärchen als einen großen Dramatiker dar, der, wie er selbst, wegen seiner kritischen Haltung im Deutschland des 19. Jahrhunderts sicherlich verfolgt worden wäre. Picasso illustrierte 1934 Szenen aus Lysistrata für eine US-amerikanische Übersetzung des Stücks von Gilbert Seldes. Peter Hacks löste mit seiner Bearbeitung von Der Frieden (1962) eine Welle neuer Versionen antiker Stoffe in der DDR aus.

Der Komödie Die Vögel entstammen die Redewendungen Wolkenkuckucksheim und Eulen nach Athen tragen. Marcus Tullius Ciceros Ubi bene, ibi patria hat seinen Ursprung im Werk Der Reichtum.

Euripides schrieb das Stück Medea, basiert auf der Argonautensage des griechischen Mythos. Die Königstochter Medea wird von ihrem Mann Jason, für den sie ihre eigene Familie zurückgelassen und verraten hatte, verstoßen und rächt sich grausam, wobei sie auch ihre eigenen Kinder tötet.

Jason hat mit Hilfe der Königstochter Medea das wundertätige Goldene Vlies aus dem Besitz des Königs von Kolchis, Medeas Vater, geraubt und ist mit ihr nach Korinth geflohen. Dort gewährt ihnen König Kreon Asyl.

Wenn die Handlung einsetzt, hat sich Jason bereits von Medea abgewandt und ist eine Verbindung mit Glauke, der Tochter Kreons, eingegangen. Medea ist zutiefst verletzt und schmiedet Rachepläne. In einer großen Auseinandersetzung wirft sie Jason vor, für ihn die Heimat verlassen und alles aufs Spiel gesetzt zu haben, während er sie nun verrät und seine Eide bricht. Eine Rückkehr nach Kolchis ist für sie unmöglich, da sie ihren Bruder ermordet und den Raub des Goldenen Vlieses erst ermöglicht hat. Jason argumentiert rational und pragmatisch: die Verbindung mit der Königstochter käme auch ihr und den gemeinsamen Söhnen zugute, da sie als "Fremde" sonst immer Außenseiter blieben.

König Kreon überbringt Medea seinen Entschluss, sie aus seinem Land zu verbannen. Mit ihren Rache-Drohungen und Zauberkünsten stellt sie für ihn ein Sicherheitsrisiko dar. Medea erwirkt einen Tag Aufschub. Wider besseres Wissen gewährt Kreon ihr die Frist. Daraufhin täuscht sie Jason, indem sie vorgibt, versöhnende Geschenke an die Königstochter senden zu wollen, damit wenigstens die Kinder von der Verbannung verschont würden. Jason geht auf ihren Wunsch ein und begleitet die Kinder. Er überredet Glauke, die Geschenke - ein Kleid und einen goldenen Kranz - anzunehmen. Das Gift, mit dem Medea das Kleid getränkt hatte, tötet die Königstochter wie auch Kreon, der versucht, ihr zu Hilfe zu kommen. Medea ermordet ihre Söhne, um sie der Rache der Korinther zu entziehen und Jason durch den Tod seiner Nachkommen zu strafen. Sie entflieht auf einem Drachenwagen, den ihr der Sonnengott Helios, ihr Großvater, schickt.

Euripides gilt als der Meister des Psychologischen unter den antiken Dramatikern. Das Schicksal seiner Figuren ist weniger von göttlichen Fügungen als viel mehr von ihren eigenen Leidenschaften, Widersprüchen, zwischenmenschlichen Missverständnissen und komplexen Beziehungsproblemen geprägt. Das führt zu einer neuen Qualität der Figurendarstellung bei Euripides, der deshalb auch als der modernste der drei griechischen Tragiker gilt. Das Bild einer von Rachedurst und Hass getriebenen Frau verstörte seine Zeitgenossen jedoch.

Zudem entheroisierte Euripides den seit Homers Zeiten bekannten Argonauten-Mythos in seinem Stück ganz und gar und führte den Konflikt zwischen Medea und Jason auf zutiefst menschliche Motive zurück. Dass Medea ihre Kinder tötet, um sich an Jason zu rächen, ist eine Erfindung des Euripides. In älteren Fassungen wurden die Knaben von den Korinthern aus Hass gegen die Barbaren oder aus Rache für den Mord an Kreon erschlagen. Auch der spektakuläre Abgang im Sonnenwagen des Helios ist eine Zutat des Dichters. Der Mythos erzählt das intrigante Treiben einer Giftmischerin, Euripides gestaltet die tragische Geschichte der Zerstörung einer Familie und den Umschlag von bedingungsloser Liebe in blindwütige Destruktivität. Gleichzeitig verankert Euripides ihre Handlungsweise jedoch in nachvollziehbaren realistischen Motiven: in einer von Männern bestimmten Welt ist sie in jeder Hinsicht "die Fremde", und schon zwischen ihrer gefühlsdominierten Sicht und der rationalen Argumentation Jasons klaffen Welten, die nicht zu vereinbaren sind.

Im jährlichen Agon, in dem die besten Dramen ausgezeichnet wurden, erhielt Euripides für Medea keinen Preis, was bei der allgemeinen Wertschätzung, die er genoss, sehr ungewöhnlich war. Als Meisterwerk wurde das Stück erst von den Dramatikern und Komponisten des Barock erkannt. Seither gehört das Stück zum Standard-Repertoire des Theaters und zu den am häufigsten aufgeführten Stücken der Antike.

Er erlernte nach eigener Aussage bei Aischylos, ob nun persönlich oder als Zuschauer des tragischen Agons, das Handwerk des Stückeschreibens. 468 v. Chr. besiegte er den aus Sizilien zurückgekehrten Aischylos mit seiner ersten Tetralogie, deren erstes Stück Triptolemos war. In seinem Stück Nausikaa trat Sophokles als Lyraspieler auf, in dem Stück Thamyras als Ballspieler. 443/442 v. Chr. war er Hellenotamias. Wahrscheinlich war Sophokles auch 428 v. Chr. Stratege im Krieg gegen die Anaier. 413–411 v. Chr. gehörte er dem oligarchischen Probulenkollegium an. Trotz zahlreicher ehrenvoller Berufungen ausländischer Könige hat Sophokles – anders als Aischylos und Euripides – Athen nicht verlassen.

Sophokles übernahm neben seiner dichterischen Tätigkeit einige wichtige politische Ämter in Athen. Er war zweimal verheiratet. Seine erste Ehe schloss er mit Nikostrate; aus dieser Verbindung ging Iophon hervor, der als Tragödiendichter bekannt geworden ist. Aus der zweiten Ehe mit der Sikonierin Theoris entstammt der Sohn Ariston. Beide sind die Stammväter einer Dynastie von Tragödiendichtern.

Antike Biographien berichten, dass Sophokles, als sein Sohn Iophon ihn für unmündig erklären lassen wollte, vor Gericht Verse aus seinem Stück Oidipous auf Kolonos vorgelesen und damit die völlige Haltlosigkeit der Klage seines Sohnes bewiesen habe. Dokumentiert sind Sophokles' persönliche Beziehungen zu Perikles, Herodot, Ion von Chios und – vielleicht nur anekdotisch – auch zu Nikias. Als Sophokles vom Tod seines großen Konkurrenten Euripides erfuhr, soll er in Trauerkleidern die Dionysien von 406 v. Chr. eröffnet haben.

Etwa neunzigjährig ist Sophokles 406 oder 405 v. Chr. gestorben. Er soll an einer Weinbeere erstickt sein oder dem Tod an der Weinbeere erlegen sein, was wahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht. Er wurde in der Familiengruft an der Straße nach Dekeleia, elf Meilen vor Athen, bestattet. Sein Grabmal war mit einer Sirene oder mit Kaledon geschmückt.

Schon den Zeitgenossen galt Sophokles als Liebling der Götter. Gesegnet mit Genie, Liebenswürdigkeit und Schönheit, gilt er bis heute als eine der überragenden Personen der Geschichte. Ihm wird verbreitet, aber ohne Grund der Ausspruch „Töte nicht den Boten“ zugeordnet.

Sophokles hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Die Suda nennt 123 Stücke (30 vollständige Tetralogien und eine Trilogie). 132 Stücke sind dem Titel nach bekannt; wahrscheinlich haben einige Stücke mehrere Titel gehabt. Außerdem schrieb er Elegien, Paiane und eine Prosaschrift über den Chor. Von Sophokles’ Elegie auf Herodot sind Fragmente bekannt. Sophokles hat 20 oder 24 mal im tragischen Agon gesiegt und niemals den dritten Preis erhalten.

Er selbst hat seine künstlerische Entwicklung in drei Abschnitte eingeteilt. Seine ersten Stücke seien voll aischyleischen Überschwangs gewesen, die Stücke der mittleren Phase voller Herbheit und Künstlichkeit. Erst in der letzten Phase habe er den persönlichen Stil gefunden.

Sophokles sind einige szenische und dramaturgische Neuerungen zu verdanken. Deren bedeutendste war sicherlich die Einführung des dritten Schauspielers und von Bühnenmaschinen; dies muss noch zu Lebzeiten Aischylos’ geschehen sein. Auch hat er die Zahl der Chorsänger von 12 auf 15 erhöht. Anders als Aischylos hat er bis auf eine Ausnahme keine inhaltlich gebundenen Tetralogien geschrieben; doch ist dies keine Neuerung des Sophokles, da man beweisen kann, dass bereits Aischylos die inhaltliche Gebundenheit der Tetralogien aufgegeben haben.

Aischylos, der Sohn des Euphorion, entstammte einem alten Adelsgeschlecht. Als junger Mann erlebte er mit dem Sturz der Söhne des Peisistratos das Ende der Tyrannis und die demokratischen Reformen des Kleisthenes von Athen. Der Sage nach wurde er durch Dionysos selbst im Traum zum Dichter geweiht. An seinen frühen Stücken nahm er noch selbst als Schauspieler teil. Im Alter von 25 Jahren bewarb er sich erstmals um den Siegespreis des Agons der Dionysien, des Dichterwettbewerbs der Stadt Athen, in dem er jedoch unterlag.

Im Jahr 472 v. Chr. gewann er den Siegespreis mit der Uraufführung des Dramas Die Perser, bei dem es sich um eine dramatisierte Fassung seiner Kriegserfahrungen handelt. Im Wettstreit mit Sophokles unterlag er im Jahre 468 v. Chr., doch konnte er bei den Dionysien insgesamt 13 Siege erringen.

Von seiner letzten Sizilienreise kehrte er nicht mehr zurück. Er starb 456 v. Chr. in Gela, wo er auch begraben wurde. Der Legende nach hatte er sich dort auf die Felder zurückgezogen, weil ihm ein Orakel geweissagt hätte, dass er beim Einsturz eines Hauses sterben sollte. Da flog ein Adler mit einer Schildkröte im Schnabel vorbei, die er auf einem Felsen zerschellen lassen wollte, um an ihr Inneres zu gelangen. Der Vogel verwechselte Aischylos' Glatze von oben mit einem Stein, ließ los, und die Beute erschlug den Dichter.

Schon in der Antike fand man es bemerkenswert, dass sein Grab-Epigramm zwar die Teilnahme an den Perserkriegen nennt, nicht aber sein erfolgreiches dichterisches Schaffen. In Athen wurde auf die Nachricht von seinem Tode der Beschluss gefasst, seine Dramen auch weiterhin (außer Konkurrenz) an den Wettbewerben teilnehmen zu lassen.

Die wichtigsten Quellen für das Leben des Aischylos sind eine in mehreren Texthandschriften überlieferte Lebensbeschreibung, der Artikel in dem byzantinischen Lexikon Suda und die Einträge 48, 50 und 59 in der Parischen Chronik, dem so genannten Marmor Parium.

Gemäß Überlieferung gehen 90 Dramen auf Aischylos zurück, von denen aber nur 79 dem Namen nach bekannt sind. Die besonders berühmten 20 Satyrspiele sind allesamt verloren gegangen, das Satyrspiel Diktyulkoi ("Die Netzzieher") ist allerdings durch zwei Papyri in wesentlichen Teilen überliefert. Von den Tragödien sind lediglich sieben noch vollständig erhalten. Von seinen Frühwerken hin zu der kurz vor seinem Tod fertiggestellten Trilogie Orestie ist eine deutliche künstlerische Entwicklung feststellbar – von einem eher schlichten Erzählstil hin zu einem in seiner Tragik und Gedankentiefe kaum übertroffenen Drama der Weltliteratur.

Im Jahre 406 v. Chr. machte Aristophanes in seiner Komödie Die Frösche Aischylos im Wettstreit mit Euripides zum Vertreter der altehrwürdigen Zeit und Vorbild des tragischen Dichters. Gegen Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde seine Statue neben denen des Sophokles und Euripides im Dionysostheater aufgestellt.

Seine Reduzierung der Rolle des Chors und die Einführung des zweiten Schauspielers revolutionierten durch den dadurch ermöglichten Dialog das griechische Theater. Aber auch durch Sprache, Stil und die Wahl des Mythos als Thema der griechischen Tragödie beeinflusste er seine Nachwelt maßgeblich. Seine Charaktere sind keine gewöhnlichen Menschen aus dem Volk, sondern ragen aus ihnen durch ihre übermenschliche Leidenschaft und Charakterstärke, aber auch die kraftvolle, schroffe, erhabene und bilderreiche Sprache heraus. Ferner sind wirkungsvolle Bühneneffekte, ein Polis-Patriotismus und die eigenständige ernsthafte Beschäftigung mit den tradierten Göttermythen charakteristisch für das Werk des Aischylos.

Die philologische Beschäftigung mit den Werken des Dichters setzte um 330 v. Chr. mit der Erstellung eines Staatsexemplars auf Betreiben des Lykurg ein. Ein weiterer wichtiger Schritt war das hauptsächlich von Kallimachos angefertigte Verzeichnis der in der Bibliothek von Alexandria vorhandenen Werke der griechischen Literatur und die kommentierende Tätigkeit der dortigen gelehrten Bibliothekare. Die Auswahl von sieben Tragödien aus dem Gesamtwerk, die mit Kommentaren versehene Heptas (Siebener-Auswahl), wurde zur Zeit Kaiser Hadrians vorgenommen.

Im Mittelalter blieb die Heptas bis zum 9. Jahrhundert anscheinend unbeachtet. Um 850 wurde sie jedoch unter Verwendung der neu aufgekommenen Minuskelschrift abgeschrieben. Die überlieferten Texte der Tragödien gehen alle auf die damals angefertigten Handschriften zurück. Die wichtigste von ihnen und die einzige, die alle sieben – allerdings nicht ganz ohne Lücken – enthält, ist der Codex Laurentianus 32,9 aus der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts.

Im 9. oder 10. Jahrhundert wurde eine neue Auswahl vorgenommen, die nur die drei Stücke, Der gefesselte Prometheus, Die Sieben vor Theben und Die Perser enthält, vielleicht weil sie die am leichtesten lesbaren waren. Sie werden als die Byzantinische Trias bezeichnet. Später wurde die Trias um die beiden zur Orestie gehörenden Tragödien Agamemnon und Die Weihgussträgerinnen erweitert, und auch diese Auswahl, die Pentas (Fünfer-Auswahl), begründete einen Zweig der Überlieferung.

Die Editio princeps, die erste Druckausgabe der Werke des Aischylos, erschien 1518 in Venedig

Die wichtigsten antiken Mitteilungen über die attische Tragödie enthält Aristoteles' Abhandlung mit dem Titel Poetik.

Die griechische Tragödie behandelt die schicksalhafte Verstrickung des Protagonisten, der in eine so ausweglose Lage geraten ist, dass er durch jedwedes Handeln nur schuldig werden kann. Die herannahende, sich immer deutlicher abzeichnende Katastrophe lässt sich trotz großer Anstrengungen der handelnden Personen nicht mehr abwenden. Der tragische Charakter wird auch mit dem Attribut „schuldlos schuldig“ beschrieben. Die behandelten Themen reichen von philosophischen bis zu religiösen und existentiellen Fragestellungen wie:

Das Schicksal oder die Götter bringen den Akteur in eine unauflösliche Situation, den für die griechische Tragödie typischen Konflikt, welcher den inneren und äußeren Zusammenbruch einer Person zur Folge hat. Es gibt keinen Weg, nicht schuldig zu werden, ohne seine Werte aufzugeben (was einem tragischen Akteur nicht möglich ist). Ein gutes Beispiel ist König Ödipus von Sophokles.

Die Handlungen sind so aufgebaut, dass sie dem Gesetz der drei Einheiten folgen, nämlich der Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung. Dies bedeutet, dass die dargestellte Handlung linear verläuft, die dargestellte Zeit identisch ist mit der Dauer der Aufführung und das Geschehen sich – von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – am gleichen Schauplatz abspielt.

Der Aufbau folgt dem Grundschema:

Diese Grundstruktur konnte nicht verändert werden. Eine feste Konvention war der Wechsel zwischen Chören (Liedvers) und den Mono- und Dialogen der Schauspieler (Spielvers). Infolge des linearen Handlungsablaufs waren keine Rückblenden möglich, sondern bereits Geschehenes musste anderweitig zur Kenntnis gebracht werden. Dies galt ebenso für Parallelhandlungen oder wichtige Ereignisse, die dem Publikum wegen der Eigenart der Handlung – etwa Kampfszenen – oder wegen ethischer Konventionen – z. B. wurde die Tötung eines Menschen nicht dargestellt – nicht direkt vorgeführt wurden. Hierfür standen als Mittel etwa die Teichoskopie (Mauerschau), der Botenbericht, der Deus ex machina oder das Ekkyklema zur Verfügung.

Die römische Kultur war das Ergebnis eines gigantischen Eroberungsfeldzuges. Im 3. Jahrhundert verlegten die Römer das Zentrum der hellenistischen Kultur in ihre Stadt. Sie übernahmen die Hierarchie der olympischen Götter, ließen sich von griechischer Kunst und Philosophie inspirieren. Griechische Sklaven wurden zu kulturellen Lehrern. Nach dem Sieg im ersten Punischen Kriege ließ der römische Senat Theateraufführungen in die Ludi Romani, die Stadtfeste einführen.

Alter und Herkunft der ludi romani sind nicht eindeutig geklärt. Mommesens Urteil, nach dem sie 366 v. Chr. als ältestes Jahresfest die vorherigen Votivfeste ersetzten, ist nach neueren Erkenntnissen nicht haltbar

Laut Titus Livius wurden die zunächst nur eintägige Feste von T. Priscus anlässlich seiner Eroberung von Apiolae gestiftet. Nach der ersten Secessio plebis 494 v. Chr. wurde ein dritter Tag ergänzt Zunächst fanden die Spiele jedoch nur unregelmäßig statt, etwa im Zusammenhang mit einem Triumpf. Erst im Laufe des 4. Jahrhunderts etablierten sich die ludi romani als jährliche Spiele.

Organisiert wohl anfangs von den Königen, ging die Verantwortung für die Spiele auf die Konsulen und seit 367/6 v. Chr. auf das neu eingerichtete Amt der Ädile über, während die möglicherweise sogar älteren ludi plebeii von den plebejischen Ädilen ausgerichtet wurden. Dafür stand ihnen ein festgelegter Betrag aus dem Ärar zu Verfügung, das sie aus eigenen Mitteln ergänzen konnten.

Jörg Rüpke nimmt an, dass die ludi romani ursprünglich an den Iden des Septembers, dem 13. September, dem Tag der Weihe des Jupitertempels, stattfanden. Die Dauer der ludi romani erweiterte sich in den folgenden Jahrhunderten. Dauerten sie vor Einführung der Theaterspiele 364 v. Chr. noch vier Tage, waren es 191 v. Chr. bereits zehn. Zum Zeitpunkt von Caesars Tod waren es fünfzehn Tage, vom 5. bis 19. September. Nach Caesars Ermordung wurde ihm zu Ehren der 4. September ergänzt.

Die - damals viertägigen - Circusspiele wurden seit 364 v. Chr. durch ludi scaenici erweitert. Der erste curulische Ädil M.P. Laenas soll sie als Sühnemittel anlässlich einer Seuche gestiftet haben Dabei handelte es anfangs vermutlich um von den Nachbarvölkern übernommene Stegreifspiele. Der Überlieferung nach wurde im Jahre 240 v. Chr. bei den ludi romani zum ersten Mal ein von Livius Andronicus ins lateinische übersetztes Drama aufgeführt. Da dies der früheste Nachweis für Literatur in lateinischer Sprache ist, gilt dieses Jahr als der Übergang Roms von der vorliterarischen in die literarische Zeit. Auch das Thema Ehebruch wurde häufig verwendet, und der importierte griechische Mimus verzichtete als erste Form auf Masken und besetzte Frauenrollen mit Frauen, was für die weitere Entwicklung des Theaters viele Konflikte mit der Kirche bringen sollte.

Seneca verstand sich als Philosoph, der die Lehren der Stoa weiterführte, auf diesem Boden eigene philosophische Erkenntnisse zeitgemäß formulierte und für lebenslanges Lernen plädierte. Er hatte bei der Niederschrift seiner Werke zumeist konkrete Personen als Empfänger vor Augen, auf deren Verhalten und Leben er einwirken wollte, so z. B. seinen Freund Serenus, der unter Lebenszweifeln litt.

Seneca selbst hat zu seinen Intentionen eine Vielzahl klärender Hinweise in seinem Schrifttum hinterlassen, so z. B. im 64. Brief an Lucilius: „Daher verehre ich die Ergebnisse der Weisheit und ihre Entdecker. Gerne nähere ich mich ihnen gleichsam als dem Erbe vieler Menschen. Sie wurden für mich erworben und für mich ausgearbeitet. Aber wir sollten als guter Familienvater auftreten und das Empfangene vermehren. Ein größeres Erbe soll von mir auf meine Nachfolger übergehen. Es bleibt noch viel Arbeit, und es wird auch immer so sein, und auch dem, der nach unzähligen Generationen geboren wird, ist nicht die Möglichkeit genommen, noch etwas zu ergänzen. Doch selbst wenn alles schon von Früheren gefunden wurde, so wird eines doch immer neu sein, nämlich die konkrete Anwendung und zeitgemäße Nutzung dessen, was andere gefunden haben.“

Bedeutung und Nutzen seines Philosophierens beschrieb Seneca im 90. Brief so:

„Unser Leben, mein Lucilius, ist unzweifelhaft ein Geschenk der Götter, das ehrbare Leben ein Geschenk der Philosophie. Es könnte also als bewiesen gelten, dass wir ihr mehr verdanken als den Göttern, wie ja auch das ehrbare Leben gegenüber dem Leben an sich höherwertig ist, wenn die Philosophie selbst uns nicht von den Göttern verliehen wäre. Ihre einzige Aufgabe ist es, im göttlichen und menschlichen Bereich die Wahrheit zu finden. An ihrer Seite stehen stets Götterverehrung, Pflichterfüllung und Gerechtigkeit sowie das übrige Gefolge der Tugenden, die eng miteinander verbunden sind. Sie lehrt, Göttliches zu verehren und die Welt der Menschen zu lieben; dass die Götter herrschen und die Menschen im Schicksal verbunden sind.“„Die Philosophie“, heißt es im 16. Brief, „ist unsere Pflicht und muss uns schützen, gleich ob das Schicksal uns durch sein unerbittliches Gesetz determiniert, ob ein Gott aus seinem Willen das Weltganze angeordnet hat oder ob der Zufall die Handlungen der Menschen chaotisch in ständige Bewegung setzt.“

Die Betonung liegt bei Seneca häufig auf der praktischen tugendhaften Lebensführung, die nicht jedermann erreichen kann. Vielfach stellt er das Philosophieren in diesem Sinne dem Trachten und Treiben der Masse des Volkes gegenüber und unterstreicht den Wert der eigenen Argumente gerade durch diese Abgrenzung. Dafür ist seine Schrift Von der Kürze des Lebens ein Beispiel. Nicht wohl gesetzte Worte, sondern Taten sind demnach entscheidend: „Die Philosophie ist keine Kunstfertigkeit, die man dem Volk präsentiert oder die sich überhaupt zum Vorzeigen eignet, sie beruht nicht auf Worten, sondern auf Taten. Auch wendet man sich ihr nicht zu, um mit angenehmer Unterhaltung den Tag zu verbringen, um die Freizeit vom Makel der Langeweile zu befreien. Sie formt und bildet den Geist, sie ordnet das Leben, bestimmt unsere Handlungen; sie zeigt, was zu tun und zu lassen ist.“

Auch kurz vor seinem Lebensende macht er diese Auffassung noch einmal deutlich: „Ich nehme Vorlesungen bei einem Philosophen. Schon seit fünf Tagen gehe ich in seine Lehranstalt und höre ab der achten Stunde seinen Vortrag. […] Man muß so lange lernen, als man unwissend ist – also ein Leben lang, wenn wir dem Sprichwort glauben. Daraus ergibt sich zwingend der folgende Gedanke: Man muss ein Leben lang lernen, wie man das Leben gestalten soll. […] Ich zeige durch mein Beispiel, dass man auch im Alter noch zu lernen hat. Wie du weißt, führt mein Weg zum Haus des Metronax am Theater von Neapel vorbei. Dort ist es erdrückend voll, und mit lautstarker Begeisterung werden Meinungen über die Qualität eines Flötenspielers diskutiert: auch griechische Trompeter und Ausrufer haben großen Zulauf. Aber in dem Raum, in dem man die menschliche Ethik erforscht, […] haben nur die wenigsten Platz genommen….“

Neben Mark Aurel und Epiktet zählt Seneca zu den wichtigsten Vertretern der jüngeren Stoa. Als Seneca geboren wurde, existierten die Lehren dieser Philosophenschule bereits 300 Jahre. Vom 2. Jahrhundert v. Chr. an hatten sie verstärkt Einzug in führende Kreise der Römischen Republik gehalten, da sie sich als gut verträglich mit deren elitärer Bindung an das Gemeinwohl erwiesen. Daneben hatten aber auch andere philosophische Schulen und die Volksfrömmigkeit ihre Anhänger.

Für Einflüsse anderer philosophischer Schulen war Seneca offen und übernahm manches davon in sein Denken, ohne an seiner Grundeinstellung Zweifel zuzulassen. In ausdrücklicher Abgrenzung von anderen philosophischen Richtungen, denen er Weichlichkeit nachsagte, betonte er, den Stoikern komme es nicht darauf an, dass der Weg reizvoll-angenehm sei, „sondern dass er uns möglichst bald befreie und zu einem hohen Gipfel führe, der weit genug aus der Reichweite von Speeren liegt, um dem Schicksal entronnen zu sein.“

Auf dem von Seneca gemeinten Gipfel erlangt der in zäher Entschlossenheit Aufgestiegene den unerschütterlichen Seelenfrieden, der zugleich ein Frieden mit Natur und kosmischer Ordnung ist. Zur Seelenruhe führen kann nur die Vernunft, die von Seneca als „Teil des göttlichen Geistes, versenkt in den menschlichen Körper“ bezeichnet wird.

Nur die Vernunft kann die Affekte kontrollieren, deren Beherrschung der stoischen Lehre gemäß den Weg zum höchsten Gut ebnet. Nur sie kann den Philosophen zu der Erkenntnis führen, dass die Lebenszeit begrenzt ist, dass alle Menschen vor dem Tod gleich sind und dass der Weise seine kurze Zeit in Gelassenheit und Frieden mit der Mehrung des Gemeinwohls und des philosophischen Wissens zubringen soll.

Senecas frühe philosophische Auseinandersetzung mit dem als größte emotionale Herausforderung angesehenen Zorn zielt auf diesen Zusammenhang: „Warte nur etwas und, siehe, es kommt der Tod, der euch gleichmacht. […] Wir sollten die wenige Zeit, die uns bleibt, lieber in Ruhe und Frieden verbringen. Niemandem soll unser Leichnam verhasst sein.“

Ebenso müssen andere Affekte und Leidenschaften wie Lust, Unlust, Begierde und Furcht überwunden werden. Vernunftbedingte Gelassenheit ist folglich die oberste Tugend des Stoikers. Wiederholt bekennt sich Seneca zu der philosophischen Tradition, in der er steht. Deren Lehren an veränderte Umstände anzupassen, begreift er als wichtige Aufgabe. „Soll ich etwa nicht den Spuren der Vorgänger folgen? Wahrlich, ich werde den alten Weg einschlagen; finde ich aber einen geeigneteren und ebeneren, so werde ich mich an diesen halten. Die Menschen, die vor uns diese Lehren aufbrachten, sind nicht unsere Gebieter, sondern unsere Wegweiser. Die Wahrheit steht allen offen, sie ist nicht vergeben. Künftigen Generationen wird noch ein großer Teil ihrer Erforschung überlassen sein.“

Wie die späte Stoa überhaupt, befasste sich Seneca vornehmlich mit Fragen der rechten Lebensführung, insbesondere mit der Ethik. Als höchstes Gut galt auch ihm die Tugend, unabdingbare Grundlage und Begleiterscheinung der heiteren Gelassenheit und der Seelenruhe, der stoischen Inbegriffe menschlichen Glücks. „Du kannst ja sagen: das höchste Gut ist das ethische Handeln. […] Die Tugend kann aber nicht größer oder kleiner werden; sie ist von immer gleicher Gestalt.“

Das Glück habe nichts mit Reichtum oder dem Urteil der Menschen zu tun, sondern sei geistiger Natur. Der Glückliche verachte, was allgemein bewundert wird, „kennt keinen, mit dem er tauschen möchte“ und „beurteilt einen Menschen nur nach seinem menschlichen Wert“. Die Menschen sollen ein Leben nach den Gesetzen der Natur führen und dabei unterscheiden zwischen dem, was unabwendbar ist, und den Dingen, auf die der Mensch Einfluss nehmen kann. Außerdem forderte Seneca dazu auf, sich aktiv am politischen Leben zu beteiligen, selbstlos soziale Aufgaben zu übernehmen und Freundschaften zu pflegen: „Es kann niemand ethisch verantwortungsvoll leben, der nur an sich denkt und alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du musst für den anderen leben, wenn du für dich selbst leben willst. Wenn diese Verbindung gewissenhaft und als heiliges Gut gepflegt wird – die uns als Menschen den Menschen gesellt und die zeigt, dass es ein gemeinsames Menschrecht gibt –, so trägt sie besonders dazu bei, den genannten Bund, also die Freundschaft, zu fördern.“

Andererseits betonte er aber auch die Doppelgleisigkeit der menschlichen Anlagen: „Man muß dennoch beides miteinander verbinden und abwechseln – Einsamkeit und Geselligkeit. Jene verursacht in uns Sehnsucht nach Menschen, diese nach uns selber, und es dürfte die eine der anderen Heilmittel sein: den Haß auf die Masse heilt die Einsamkeit, den Verdruß gegenüber der Einsamkeit die Masse.“

Den gesellschaftlichen Statusunterschieden setzte Seneca eine ursprüngliche Gleichheitsvorstellung an die Seite: „Dieselben Anfänge haben alle Menschen, denselben Ursprung; niemand ist vornehmer als ein anderer, außer wenn er sich durch eine aufrechte und aufgrund guter Charaktereigenschaften bessere Gesinnung auszeichnet.“

Sich auf Platon berufend, betonte er den Zufall der gesellschaftlichen Position und die Bedeutung der eigenen geistigen Bemühungen. „Platon sagt, es gebe keinen König, der nicht von Sklaven, und keinen Sklaven, der nicht von Königen abstamme. Der Wechsel der Zeit hat all dies durcheinander geworfen und das Schicksal hat alles mehrfach umgekehrt. […] Der Verstand verleiht den vornehmen Rang, und er kann sich aus jeder Lebenslage über das Schicksal erheben.“

Ein glückliches Leben, meinte Seneca, könne nur derjenige führen, der nicht nur an sich selbst denke und alles seinem Vorteil unterordne. Glück spende die Fähigkeit zur Freundschaft mit sich selbst und anderen. Allerdings tadelte Seneca Freunde wegen Fehlverhaltens und Uneinsichtigkeit auch. So äußerte er in einem Brief an Lucilius über den gemeinsamen Freund Marcellinus: „Er besucht uns nur selten und zwar deshalb, weil er die Wahrheit nicht hören möchte. Diese Gefahr besteht für ihn allerdings nicht mehr. Denn davon reden sollte man nur mit jenen, die auch zuzuhören bereit sind.“ Im selben Brief fährt er fort: „Ich gebe unseren gemeinsamen Freund Marcellinus noch nicht völlig verloren. Er kann noch immer gerettet werden, allerdings nur, wenn man ihm schnell die Hand reicht. Dabei könnte es jedoch passieren, dass er denjenigen, der ihm die Hand reicht, mit sich fortreißt. Er besitzt große Geistesgaben, leider mit einem Hang zum Schlechten verbunden….“

Seneca hebt die Bedeutung der Freigiebigkeit hervor: „Geben wir so, wie wir selbst empfangen möchten: vor allem gern, rasch und ohne jedes Zögern.“ Zwar könne man als Wohltäter bei seinen Mitmenschen an die Falschen geraten, doch treffe es ein andermal die Richtigen: „Schon bald würde das Leben in langweiligem Müßiggang erstarren, wenn man die Hand schnell zurückzieht von allem, was einem missfällt. […] Denn man übt sich nicht im Hinblick auf möglichen Vorteil: richtig zu handeln, ist Lohn für sich.“

Dabei redete er aber nicht einer Mitleidsethik das Wort, wie sie etwa gleichzeitig die frühen Christen verbreiteten. Mitleid lehnte er als „benachbart dem Leiden“ explizit ab, da es das Ziel seines Philosophierens, die abgeklärte Seelenruhe, nur störe: „Mitleid ist ein seelisches Leiden wegen des Anblicks fremden Elends oder Trauer auf Grund fremden Unglücks. […] Seelenleid aber befällt einen weisen Mann nicht.“

Der stoische Weise kann nach Seneca durch das Verhalten anderer in seiner souveränen Seelenruhe nicht behindert werden, wird in dieser Hinsicht also gewissermaßen unverletzlich:

Im 90. Brief an Lucilius unterscheidet Seneca zwischen einer Art Naturzustand und dem vorgefundenen entwicklungsgeschichtlichen Zustand der Gesellschaft: „Die Verbundenheit unter den Menschen blieb eine Zeit lang unverletzt, bis die Habgier den Bund zerriss und auch denen, die sie bereicherte, zur Ursache ihrer Armut wurde. Denn Menschen besitzen nicht mehr das Ganze, solange sie Teile davon als ihr Eigentum betrachten. Die ersten Menschen und ihre Nachkommen folgten dagegen unverdorben der Natur.“ Die Führungsfunktionen fielen demnach ebenso natürlich den aufgrund ihrer geistigen Bedeutung dafür Geeignetsten zu.

Das Verhältnis des Philosophen zu den politisch Herrschenden betrachtete Seneca als jemand, der dieses Feld sowohl in gestaltender als auch in leidender Rolle kennen gelernt hatte: „Mir scheint im Irrtum zu sein, wer meint, treue Anhänger der Philosophie seien eingebildete Querköpfe, sie verachteten Behörden, Herrscher und die Verwalter des Staates. Im Gegenteil sind die Philosophen jenen dankbar wie niemand sonst, und dies mit Recht. Denn niemandem erweisen die Hüter der staatlichen Ordnung einen größeren Dienst als denen, die ungestört geistiger Beschäftigung nachgehen können.“

Die Wohltat des Friedens durch die politische Führung des Herrschers erstreckt sich Seneca zufolge zwar auf alle Menschen, „wird aber tiefer von denen empfunden, die einen lobwürdigen Gebrauch davon machen.“ Die Bürger sollen am politischen Leben teilnehmen, auch wenn sie nur geringen Einfluss auf die Ergebnisse nehmen können. „Der Einsatz eines engagierten Bürgers ist niemals nutzlos: Er ist allein schon nützlich, wenn man ihm zuhört oder ihn auch nur sieht, durch seinen Gesichtsausdruck, seine Gestik, seine stumme Anteilnahme, ja allein durch seinen Auftritt.“ Dabei bezog er sich nicht nur auf das eigene Staatswesen, sondern bezeichnete sich im Sinne der Stoa als Weltbürger mit der Aufgabe, die Tugend weltweit zu verbreiten. „Daher sind wir Stoiker […] nicht auf die Mauern einer einzigen Stadt beschränkt, sondern stehen im Austausch mit dem gesamten Erdkreis und erkennen in der ganzen Welt unser Vaterland: So wollen wir für unsere sittlichen Bestrebungen ein größeres Betätigungsfeld gewinnen.“

Manches in Senecas philosophischen Schriften passt nach Villy Sørensen zum Horizont der städtischen westlichen Gegenwartszivilisation. Andererseits lassen seine Äußerungen öfters die spezifischen Prägungen der antiken Kultur erkennen, der er angehörte: "Missgeburten löschen wir aus, Kinder auch, wenn sie schwächlich und missgestaltet geboren worden sind, ertränken wir; und nicht Zorn, sondern Vernunft ist es, vom Gesunden Untaugliches zu sondern."

Die Haltung Senecas gegenüber dem anderen Geschlecht war ambivalent. Der geistigen Hauptströmung seiner Zeit entsprechend bezeichnete Seneca Frauen als minderwertig. Dabei ging er so weit, sie – wenn sie ohne Bildung waren – mit Tieren auf eine Stufe zu stellen. „Manche sind von solchem Irrsinn befallen, dass sie glauben, sie könnten durch eine Frau Herabsetzung erfahren. Was spielt es schon für eine Rolle, wie schön sie ist, wie viele Sänftenträger sie hat, welcher Art ihr Ohrschmuck oder wie bequem ihr Tragsessel ist? Sie ist ein immer gleich unvernünftiges Geschöpf, und wenn sie nicht über Kenntnisse und Bildung verfügt, nichts als ein wildes Tier, seiner Begierden nicht mächtig.“ Von diesem Ansatz her wird auch der Zorn als eine „weibische und kindische Schwäche“ klassifiziert, die aber auch Männer befalle: "Denn auch Männern wohnt kindische und weibische Veranlagung inne."

Während an dieser Stelle die abwertende Tendenz gegenüber Frauen klar überwiegt, geht Seneca in seinen Trostschriften an ihm vertraute Frauen von gemeinsamen Anlagen beider Geschlechter aus. In diesen Trostschriften, die er für Marcia und für seine Mutter verfasst hat, zeigt er sich deutlich weniger misogyn. So schrieb er an Marcia: „Wer sollte denn gesagt haben, dass die Natur bei der geistigen Ausstattung von Frauen bösartig verfahren sei und ihre Vorzüge eng beschränkt habe? Glaube mir, sie haben die gleiche Kraft, die gleiche Fähigkeit zum sittlich Guten, wenn sie nur wollen; Schmerz und Anstrengung ertragen sie genauso gut, wenn sie es nur gewohnt sind.“

Und in der Trostschrift für seine Mutter Helvia nahm er explizit gegen das von seinem Vater vertretene und innerfamiliär durchgesetzte herkömmliche Frauenbild Stellung: „Ich wünschte, dass mein Vater, der vortreffliche Mann, sich weniger an die Tradition der Vorfahren gehalten und vielmehr den Wunsch gehabt hätte, dass du in den Lehren der Philosophie gründlich ausgebildet, nicht nur flüchtig eingeführt worden wärest. Dann brauchtest du die Hilfen zum Ertragen deines Schicksals nicht jetzt erst mühsam aufzubauen, sondern sie nur hervorzuholen. Er hat dir weniger Freiheit für Studien gewährt, da es auch solche Frauen gibt, die sie nicht mit dem Ziel der Weisheit betreiben, sondern nur zur Befriedigung ihrer Eitelkeit.“

Damit erkennt Seneca zwar die Macht seines Vaters als pater familias an, über seine Mutter Entscheidungen zu treffen, bemängelt aber, dass er ihr den Zugang zu Bildung erschwerte und ihr wissenschaftliche Arbeit untersagte. Indirekt unterstützt er damit die Forderung nach Frauenbildung und erweist sich wiederum als Philosoph, der überkommene Denkschablonen verlässt.

Wie die nachrangige Stellung der Frauen gehörten auch Sklaverei und Sklavenhaltung zu den charakteristischen Merkmalen der antiken Gesellschaftsordnung. Rechtlich waren Sklaven dem Sachbesitz gleichgestellt, über den der Besitzer nach Gutdünken verfügen konnte. Senecas Einstellung zu diesen auch zu seiner Zeit noch nahezu Rechtlosen war von humaner Zuwendung bestimmt. „Ich will mich nicht auf ein unerschöpfliches Thema einlassen und die Behandlung der Sklaven diskutieren, denen gegenüber wir so arrogant, grausam und herablassend sind. Doch kurz zusammengefasst lautet meine Lehre folgendermaßen: Du sollst mit deinem Untergebenen so leben, wie du wünschst, dass dein Vorgesetzter mit dir lebe. […] Sei gütig und höflich zu deinem Sklaven, beziehe ihn in die Unterhaltung ein, gib ihm Zutritt zu deinen Besprechungen und Gelagen. […] Einige mögen deine Tischgenossen sein, weil sie dessen würdig sind, doch andere sollten es noch werden. Denn sofern sie aufgrund ihres rohen Umgangs noch das Verhalten von Sklaven zeigen, wird das Tischgespräch mit Gebildeteren sie dieses Verhalten ablegen lassen. Es stimmt nicht, lieber Lucilius, dass du nach einem Freund bloß auf dem Forum oder in der Kurie suchen kannst; wenn du sorgfältig und aufmerksam bist, wirst du ihn auch in deinem Haus finden. Guter Stoff bleibt oft ungenutzt, weil der Bildner fehlt. Versuche es, und du wirst es erleben.“

Mit dieser Auffassung gehörte Seneca zu den wenigen Denkern der Antike, die sich kritisch mit der Sklaverei auseinandergesetzt haben. Diese Einstellung wurde von der römischen Elite wohl nicht geteilt.

Die ausdrückliche Bejahung der Schicksalsvorgaben und der individuelle Freiheitsanspruch gehen in Senecas Denken auf eigentümliche Weise zusammen. Als ein Übel sieht er jede Art von Abhängigkeit an, die die innere Freiheit bedroht: „Die Freiheit geht zugrunde, wenn wir nicht alles verachten, was uns unter ein Joch beugen will.“ Das Lebensglück ergibt sich hingegen aus einer scheinbar einfachen Formel: „Wer die Einsicht besitzt, ist auch maßvoll; wer maßvoll ist, auch gleichmütig; wer gleichmütig ist, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen; wer sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, ist ohne Kummer; wer ohne Kummer ist, ist glücklich: also ist der Einsichtige glücklich, und die Einsicht reicht aus für ein glückliches Leben!“

Dass die Formel in der Lebenspraxis selten ganz aufgeht und dass der Mensch eine diesbezüglich problematische Konstitution hat, wird an anderen Stellen verdeutlicht: „Ich mute dem Weisen nicht Übermenschliches zu, ich behaupte nicht, dass er wie ein Fels ohne Gefühlsregung Schmerz abwehrt. Ich weiß, dass er aus zwei Teilen besteht: Der eine ist vernunftlos und kann somit gekränkt, gebrannt, und gequält werden; der andere ist vernünftig, ihm gehören unerschütterliche Grundsätze an, er ist furchtlos und frei. Auf ihm beruht das höchste Gut des Menschen. Solange es nicht vollkommen ist, ist der Verstand haltlos und unruhig, doch ist es vollkommen, kann der Verstand nicht mehr erschüttert werden.“

Seneca ringt mit der eigenen Unvollkommenheit: „Bleiben wir also bei der Stange und lassen uns durch nichts von unserem Vorhaben abbringen! Was uns noch zu tun bleibt, ist mehr, als was wir bereits hinter uns haben; doch ein Großteil des Fortschritts beruht darauf, den Willen zum Fortschritt zu haben. Dessen aber bin ich mir gewiss: dass ich will, und zwar mit ganzer Seele.“

Solches Bemühen umfasst auch die Unabhängigkeit des Denkens von der Meinung des Volkes. Er zitiert an dieser Stelle Epikur: „Niemals habe ich dem Volk gefallen wollen. Denn was ich weiß, gilt dem Volk nichts, und was dem Volk etwas gilt, das interessiert mich nicht.“ Darin, betont Seneca, seien sich alle bedeutenden philosophischen Schulen einig, und er vollzieht eine scharfe Abgrenzung gegenüber jedwedem Populismus: „Es sind verwerfliche Mittel, durch die man die Gunst des Volkes gewinnt. Du musst dich diesen Leuten angleichen. Ihnen gefällt nur das, was sie kennen. […] Die Zuneigung Nichtswürdiger kann nur durch nichtswürdige Mittel erlangt werden. Was wird also die vielgepriesene und allen Künsten überlegene Philosophie uns dartun? Bestimmt, dass du lieber vor Dir selbst als vor dem Volk bestehen magst, dass du deine Urteilsmaßstäbe nach ihrem Wert bemisst und nicht an der allgemeinen Zustimmungsrate ausrichtest, dass du ohne Furcht vor Göttern und Menschen lebst, dass du die Übel überwindest oder ihnen ein Ende machst.“

Worauf es Seneca im Verlauf des Lebens schließlich ankommt, ist die Annäherung an das Ziel, die Unschuld des Neugeborenen mit den Mitteln der Vernunft und Einsicht zurückzugewinnen: „Wir sind schlechter bei Eintritt des Todes als bei unserer Geburt. Die Schuld liegt an uns, nicht an der Natur; die Natur muss sich über uns beschweren und sagen: ‚Was soll das? Ich habe euch ohne Begeirden geschaffen, ohne Furcht, ohne Aberglauben, ohne Unredlichkeit und ohne die sonstigen Laster: wie ihr ins Leben eintratet, so sollt ihr hinausgehen.‘ Der hat die Weisheit erlangt, der bei seinem Tod genauso sorgenlos ist wie bei der Geburt.“

Senecas Gottesbegriff ist komplex. Je nach Kontext spricht er von „Göttern“, dem „Göttlichen“ oder dem „Gott“. Hinsichtlich der Entwicklung des Individuums schreibt er: „Glaube mir, Lucilius, es wohnt in uns ein heiliger Geist, der unsere schlechten und guten Eigenschaften beobachtet und überwacht. Dieser verfährt mit uns ebenso wie wir mit ihm. Niemand ist ein wirklich guter Mensch ohne Gott. Oder könnte sich jemand ohne seine Hilfe über das Schicksal erheben? Ihm verdanken wir alle unsere großen und erhabenen Entschlüsse. […] Wie die Strahlen der Sonne zwar die Erde erreichen, aber noch ihrem Ausgangspunkt angehören, so steht eine große, heilige Seele, die herabgesandt wurde, um uns das Göttliche besser verstehen zu lassen, zwar mit uns in Austausch, bleibt aber ihrem Ursprungsort verhaftet: von dort geht sie aus, hierher blickt sie und nimmt Einfluss, unter uns wirkt sie gleichsam als höheres Wesen.“

Der Weise schließlich steht für Seneca mit dem Göttlichen in engster Beziehung: „Für den Weisen ist seine Lebensdauer wie für die Gottheit die Ewigkeit. In einem Punkt übertrifft der Weise die Gottheit: wenn diese frei ist von Furcht, so verdankt sie es der Natur, der Weise verdankt es sich selbst. Wahrlich es will etwas heißen, die Schwäche des Menschen mit der Unbesorgtheit der Gottheit zu verbinden. Die Philosophie hat eine unglaubliche Kraft, alle Gewalt des Zufalls aufzufangen.“

Zum Tod, der letztlich doch einen markanten Unterschied setzt zwischen dem Weisen im Sinne Senecas und dem Göttlichen, hat Seneca nach Maßgabe der ihm geläufigen philosophischen Überlieferung Spekulationen angestellt bzw. Raum dafür gelassen „Der Tod, was ist er? Das Ende oder ein Übergang. Ich fürchte beides nicht.“ Und im 70. Brief an Lucilius betont er wiederum das individuelle Selbstverfügungsrecht in Bezug auf das eigene Leben bis hin zu dessen Beendigung: „Es ist ein Trost für uns Menschen, dass niemand unglücklich ist außer durch eigene Schuld. Gefällt es dir, so lebe; gefällt es dir nicht, so kannst du wieder hingehen, woher du gekommen bist.“

Die Seneca zugeschriebenen Dramen sind die einzigen erhaltenen Tragödien der lateinischen Antike. Dabei handelt es sich im Unterschied zu den klassischen griechischen Tragödien nicht um Handlungsdramen, sondern um psychologische Dramen. Das Bindeglied zu den philosophischen Schriften stellt nach Maurach Senecas übergeordnetes Ziel der „Seelenleitung“ dar, das ihn in den Tragödien zum „Verfolger“ von Lastern, des Wahns und der Selbstüberhebung mit theatralischen Mitteln werden lässt: „Als ein solcher gestaltet er das Grauenvolle, Allvernichtende, will erschüttern und erschrecken vor dem, was der Mensch dem Menschen anzutun fähig ist“. Änne Bäumer schreibt dazu: „Dem Dichterphilosophen eröffnet sich durch das Theater eine Möglichkeit zur Breitenwirkung; der Zuschauer wird durch gut formulierte Sentenzen und durch geschickte Bühnenpsychologie beeinflusst, seine eigenen Affekte zu bekämpfen.“ Der Schwerpunkt lag auf der Bekämpfung des Zorns als seelischer Disposition, die durch Aggressivität in der Natur des Menschen liegt. Als weiteres Hauptthema der Tragödien Senecas wird die Verurteilung des destruktiven Tyrannen angeführt. Bei einzelnen Personen dieser Tragödien – am eindrucksvollsten an Clytaemnestra, der Hauptperson der Agamemno-Tragödie – lässt sich deutlich beobachten, wie genau Seneca in Entsprechung zu den psychologischen Anschauungen der Stoa die Genese des furor, des durch keine Rationalität mehr beeinflussbaren Entschlusses zum Verbrechen, darstellt.

Die meisten Forscher glauben heute, dass Seneca nicht als Autor der Octavia in Frage kommt, die ihm traditionell zugeschrieben wird. Es handelt sich dabei um die einzige vollständig erhaltene Praetexta, eine Variation der griechischen Tragödie in römischem zeitgenössischen Kontext. Die Handlung dreht sich um die Verstoßung von Neros Frau zugunsten von Poppaea. Es erscheint unmöglich, dass dieser unverkennbar Nero-kritische Text zu Senecas Lebzeiten veröffentlicht werden konnte. Seneca tritt selbst als Rollenfigur auf und wird aus der Perspektive seiner späteren Opposition zu Nero dargestellt. Neben der Octavia wird auch der Hercules Oetaeus als unecht angesehen.

Mehrheitlich wird vermutet, dass auch die mythologischen Tragödien auf Ereignisse und besonders auf Intrigen am Kaiserhof, vermutlich zur Nerozeit, anspielen, etwa auf den Muttermord. Ein Zusammenhang zur Philosophie Senecas ist auch darin erkennbar, dass die Einordnung des Todes in die indifferentia (die gleichgültigen Dinge, auf die es nach stoischer Lesart nicht ankommt) ein hervorstechendes Motiv darstellt. Dem gewidmet waren auch zeitgenössische Schriften Senatorischer Kreise über heroische Todesdarstellungen. In den Tragödien wird gelehrt, dass die Ablehnung des Freitodes schlimmer zu ertragen sein kann als dieser selbst. So verweigert der Held der Tragödie Hercules Furens nach Raserei und grausamem Verwandtenmord den anschließenden Freitod als eine das Verbrechen nicht hinreichend sühnende Strafe. Da die in der Weltliteratur nahezu beispiellos drastische Darstellung extremer Gewalt teilweise der Beschreibung von Herrschergewalt in Senecas Schrift Über den Zorn ähnelt, ist von einigen Experten eine Datierung in die Verbannungszeit unter Claudius vorgeschlagen worden.

In der Gegenwart werden Seneca-Tragödien kaum auf der Bühne inszeniert. Die Thyestes -Tragödie, die durch ihre besondere Grausamkeit hervorsticht – in ihrem Mittelpunkt steht Thyestes’ Verspeisen der eigenen Kinder – hat allerdings in jüngster Zeit als Beispiel ästhetischer Tabudurchbrechung verstärkt Aufmerksamkeit gefunden.

Nicht nur als Erneuerer einer auf die Lebenspraxis gerichteten stoischen Ethik, sondern auch als Sprachstilist hat Seneca Epoche gemacht. Das auffälligste Merkmal des von ihm geprägten neuen Stils, der so genannten Silbernen Latinität, war nach Fuhrmann die auf den Effekt gerichtete Pointe: „In Senecas Diktion triumphiert das Pathos; es herrscht dort in verschieden starker Intensität, es fluktuiert in ständigen Crescendi und Decrescendi […] Alle psychischen Kräfte, der Verstand ebenso wie das Anschauungsvermögen und die Emotionen, sollen mobilisiert werden, auf daß sie übereinstimmend das eine verwirklichen, auf das es ankommt, das den Erkenntnissen der Philosophie gewidmete Leben.“

Quintilian nennt seinen Stil „überwiegend schlecht und besonders dadurch höchst bedenklich, dass er von Schwülstigkeit aufgeblasen ist“, attestiert aber deutlich Senecas Bekanntheit und würdigt dessen Gelehrsamkeit. Tacitus wiederum hat Seneca bescheinigt, den Geschmack der Jugend getroffen zu haben.

Die Sentenz ist nach Maurach die „stilistische Urzelle“ Senecas und eben nicht wie bei Cicero die Satzperiode. Dies deutet auf ein verändertes Wert- und Lebensgefühl: „Konzentration auf sich selbst, Vereinzelung, Verlust an weitgespannter Einordnung.“ Seneca wende sich sowohl an den Intellekt mit den Mitteln der Darlegung, Klärung und Bewusstmachung als auch an die Emotion, wobei er hier u. a. das Antreiben, Beschämen, Bestätigen oder Korrigieren bis hin zum Begeistern und Hinaufreißen anwende.

Seneca selbst hat sich aber zu Cicero keineswegs in scharfem Gegensatz gesehen, sondern ihm ausdrücklich Wertschätzung bekundet: „Lies den Cicero“, empfahl er Lucilius, „sein Stil ist einheitlich und elegant im Satzrhythmus.“ Inhaltsleere Effekthascherei und Manipulation der Massen lehnte er ab: „Ein Vortrag, dem es um die Wahrheit geht, muss ungekünstelt und einfach sein; ein Vortrag, der das Volk anspricht, hat mit Wahrheit nichts zu schaffen. Sein Ziel ist es, die Masse zu beeinflussen und ungebildete Hörer im Sturm fortzureißen, er entzieht sich jeder prüfenden Beurteilung, verliert sich in alle Winde.“

An anderer Stelle kritisiert er die überladene Ausdrucksweise derer, die sich modischer Ausschweifung hingeben, und hebt die Notwendigkeit klarer und einfacher Rede als Ausdruck eines einfachen würdevollen Lebens hervor. Er zitiert ein griechisches Sprichwort, wonach des Menschen Redeweise seinem Leben gleicht, und bezieht es auf den sittlichen Verfall des Gemeinwesens: „Wie aber die Handlungsweise jedes Einzelnen seiner Ausdrucksweise ähnlich ist, so nähert sich das rhetorische Genre den allgemeinen Sitten an, wenn die Moral einer Stadt leidet und der Vergnügungssucht verfällt. Ausschweifende Rhetorik ist dann Ausdruck der allgemeinen Zügellosigkeit.“

Senecas stilbildende Wirkung hielt nicht lange vor, obwohl es zu einer bahnbrechenden Neuerung in der Folge gar nicht mehr kam. Vielmehr setzte in der Generation nach Seneca eine Rückbesinnung auf die Klassik nach dem Vorbild Ciceros ein und weitere Jahrzehnte darauf sogar die Wiederbelebung der Vorklassik zwischen 240 und 80 v. Chr. Aulus Gellius, dessen Auseinandersetzung mit Senecas Stil im 2. Jahrhundert n. Chr. die letzte für die Antike überlieferte darstellt, bezeichnete ihn als „albernen und läppischen Menschen“ (Noctes Atticae 12, 2). „Dies sind die letzten Worte“, so Fuhrmann, „die das alte Rom über einen seiner Größten an die Nachwelt hat gelangen lassen.“

Hieronymus nahm Seneca als einzigen heidnischen Römer in seine Biographiensammlung De viris illustribus auf. Auch seine Philosophie wurde in die Nähe des Christentums gerückt, da sie z. B. hinsichtlich Schicksalsgehorsam bzw. Ergebung in den göttlichen Willen als individuelle Prüfung und Bewährung Parallelen aufwies, wie auch bezüglich der Gewissensforschung und der mitmenschlichen Verbundenheit. Nicht erst Hieronymus, sondern bereits die altkirchlichen Schriftsteller Tertllian und Laktanz haben Seneca große Wertschätzung entgegengebracht.

Zu Senecas Nachwirken seit der Antike gibt es bisher nur auf spezielle Aspekte oder einzelne Epochen gerichtete Untersuchungen, Zusammenstellungen der verstreuten Literatur oder diesbezügliche summarische Betrachtungen. Im Mittelalter kam er wegen seiner Nähe zu manchen christlichen Lehrsätzen als Moralphilosoph zur Geltung. Dante nannte ihn Seneca morale, da im Mittelalter die Werke Senecas zwei Autoren zugeschrieben wurden, dem Moralphilosophen Seneca und einem Tragödiendichter gleichen Namens.

In der Renaissance waren es vor allem niederländische Humanisten, die sich Seneca intensiv zuwendeten. Erasmus von Rotterdam brachte die erste textkritische Ausgabe von Senecas philosophischen Schriften heraus; Justus Lipsius wurde mit der an Seneca ausgerichteten Schrift De constantia zum Mittelpunkt eines Neustoizismus. Sein Freund Rubens würdigte Seneca u. a. mit dem Bild Der sterbende Seneca.

Besondere Wertschätzung wurde Seneca von jeher in Frankreich entgegengebracht. Aus seinen Tragödien übernahm Corneille das rhetorische Gepräge der Sprache und die Dialektik des Dialogs, Racine fügte aus ihnen gar ganze Szenen in einige seiner Stücke ein. Auch Diderot wurde in seinen späten Jahren zum Lobredner Senecas und meinte, dass er sich selbst viel Kummer hätte ersparen können, wenn er Senecas Grundsätze früher angenommen hätte.

Die Vertreter der neuhumanistischen deutschen Klassik mit ihrer Hochschätzung der Griechen auf Kosten der Römer bewerteten zumeist auch Senecas Philosophie als eine nur abgeleitete. Hegel schließlich fand bei Seneca „mehr Brast und Bombast moralischer Reflexion als wahrhafte Gediegenheit“, während andererseits Schopenhauer Seneca sehr nahestand.

Nach seiner kritischen Auseinandersetzung mit der neueren Seneca-Rezeption gelangt Sørensen zu dem Schluss, dass Seneca „sich als einer der ersten zum Fürsprecher eines zweckbestimmten humanen Rechts machte, das nicht nur die Untat, sondern die gesamte Situation betrachtet. Das setzt gerade die Erkenntnis voraus, dass der Mensch nicht von Natur aus verderbt ist, und es setzt ebenfalls voraus, dass man selbst souverän ist: kurz, der Affekt kann die Handlungen anderer entschuldigen, man kann sie jedoch nicht entschuldigen, wenn man sich selbst im Affekt befindet. Man kann die Handlungen anderer nur von deren Voraussetzungen her verstehen, versteht man jedoch seine eigenen Handlungen nur von den Verhältnissen her, dann hat man sich aufgegeben.“

Sørensen verweist auf eine Vielzahl von Aspekten in Senecas philosophischen Schriften, die dem Erfahrungs- und Vorstellungshorizont insbesondere eines Stadtbewohners der westlichen Gegenwartszivilisation nahestehen. „Rom mit seiner Gigantomanie, seinem Mangel an gemeinsamen geistigen Werten, seinem Reichtum und seiner Armut, seinem Lebensgenuß und seinem Lebensüberdruß, seinem Verlangen nach Unterhaltung und Erlösung, seinem Individualismus und seiner Massenpsychose, dieses Rom ist der Präzedenzfall unserer eigenen Großstadtzivilisation. Deshalb kann man Seneca zwar von unserer eigenen Zeit her verstehen, möglicherweise begreifen wir diese aber besser von der seinen her. Mit den Unterschieden werden auch die Ähnlichkeiten zwischen damals und heute deutlicher.“

Im 10. Jahrhundert forderte das Konzil zu Konstantinopel die Vermenschlichung des Göttlichen. Das sollte ein Wendepunkt der Theaterkultur werden. Textliche Erweiterungen der liturgischen Gesänge und der spielerische Nachvollzug der Vorgänge um Tod und Auferstehung Christi trugen zur Entstehung dramatischer Rollen im Kirchentheater bei und später zu komplexeren Spielen biblischen Inhaltes, die nicht nur das Oster- und Weihnachtsfest theatral umsetzten, sondern auch Mirakelspiele beinhalteten, die das Leben und die Taten von Heiligen und Propheten oder den Kampf zwischen Himmel und Hölle beschworen. Mit der Loslösung der Liturgie wandelte sich auch die streng symbolistische Spielweise. Jesus trat nun als Mensch auf, die geistlichen Spiele verlagerten sich im 13. Jahrhundert vom Kirchenraum auf den Kirchenvorplatz, auch die Bevölkerung wurde mit in das Spiel eingebunden, und Latein wurde gegen die Volkssprache eingetauscht.

Durch diese Entwicklung entstanden dann auch Mysterien- und Passionsspiele, da man nicht mehr an den Ort der Kirche gebunden war und keine Einzelmotive, sondern Heilsgeschichten von der Entstehung der Welt bis hin zum Jüngsten Gericht erzählen wollte. Zunächst waren nur Kleriker im Schauspiel beteiligt, später zog man dann männliche Bürger heran, um den zahlreichen Rollen der tagelang dauernden Festspiele gerecht zu werden, um dann noch später das Schauspiel komplett in die Hände der Bürger zu geben. Die Passionsspiele fanden große Verbreitung und wurden zu nicht mehr nur kirchlichem Ereignis städtischer Festkultur. Im 14. Jahrhundert wurden dann auch inhaltliche Schwerpunkte verändert. Nicht mehr die Verehrung Jesu, sondern die Erniedrigung und das Leiden rückten in den Mittelpunkt. Die Passion und orientierte sich immer mehr an der empirischen Wirklichkeit.

Hans Sachs schrieb 4000 Meisterlieder und 87 Fastnachtsspiele. Am 1. September 1519 heiratete er Kunigunde Creutzer (* 1502). Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, die er jedoch alle überlebte. Nachdem Kunigunde 1560 gestorben war, heiratete er am 2. September 1561 die junge Witwe Barbara Harscher.

Schon früh stellte sich Sachs auf die Seite der Reformation und verbreitete die Lehre Luthers, zum Beispiel mit seinem Gedicht Die Wittenbergisch Nachtigall (1523), einer volkstümlichen Darstellung der Lehren Luthers, mit dem er ersten Ruhm erlangte. In der Folge produzierte Sachs mehr als 6000 Werke, viele davon in Knittelversen (Merkvers: „Der Hans Sachs, der war ein Schuh- / macher und Poet dazu“), und wurde zu einem der bekanntesten Dichter des 16. Jahrhunderts. Hans Sachs starb am 19. Januar 1576 und wurde auf dem Nürnberger Johannisfreidhof bestattet.

Seine Bekanntheit bei den Zeitgenossen verdankte er vor allem seiner Tätigkeit als Meistersinger. Auch war Sachs schon zu seinen Lebzeiten ein gelesener und vor allem auch ein gespielter Autor.

Sachs selbst begann 1558 mit der Ausgabe der Nürnberger Folioausgabe seiner Werke und trug damit maßgeblich zur Verbreitung seiner Fastnachtsspiele, Schwänke, Dramen, Gedichte und Prosadialoge im Druck bei.

Neben diesen Werken wurde Hans Sachs auch weithin als Anhänger und Verfechter der Reformationsbewegung bekannt. So verfasste er vor allem in den Jahren von 1523 bis 1526 Reformationsdialoge und zeitkritische Flugschriften oder auch das Reformationslied Wach auf, dessen Originaltext Wagner in den Meistersingern vertonte.

Dieses Engagement blieb nicht ohne negative Folgen für ihn. Durch die damalige Obrigkeit erhielt Sachs Schreibverbot und musste sich auf seine Tätigkeit als Schuhmacher beschränken. Doch fasste die Reformation schon bald Fuß in Nürnberg, das sich 1529 als protestantisch erklärte; die Beschränkung wurde aufgehoben und Hans Sachs daraufhin zum Volkshelden.

Seine 1568 gemeinsam mit dem Grafiker Jost Amman geschaffene Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden markiert einen frühen Höhepunkt der Ständeliteratur. Mit einprägsamen und charakterisierenden Versen vertextete Sachs die bekannten Darstellungen von weltlichen, geistlichen und beruflichen Ständen entsprechend der damaligen Ständeordnung. Sachs’ Werk gilt als ein bedeutendes Zeugnis der reichsstädtischen bürgerlichen Kultur des 16. Jahrhunderts.

Hans Sachs wird als talentiertester und berühmtester der Meistersinger erachtet. Er ist auch der, über den am meisten bekannt ist. Die strengen Regeln und die handwerkliche Herangehensweise an die Dichtung der Meistersinger produzierte eine Art Dichtung, die bei späteren Generationen nicht allzu viel Anklang fand.

Die historische Bedeutung der Meistersingerbewegung liegt in der Tatsache, dass diese Bürger dazu anregte, Dichtung nur zum eigenen Vergnügen und dem der eigenen Verwandtschaft zu betreiben. Seine Fastnachtsspiele gelten als seine besten Werke und werden heute noch aufgeführt. Darin und in einigen anderen seiner Werke geht er über die Regeln eines echten Meistersangs hinaus.

Hans Sachs schrieb über 6000 Stücke unterschiedlicher Natur, davon mehr als 4000 Meistergesänge. Exakte Angaben variieren je nach Sekundärliteratur stark, hauptsächlich weil es nicht immer klar ist, ob es sich um ein Einzelwerk oder um eines in größerem Kontext handelt. Auch ist der Vergleich der Quellen schwer, da Werke durch verschiedene Autoren in verschiedene Kategorien eingeordnet werden.

Obwohl Sachs weiterhin als Schuhmacher arbeitete, blieb er dennoch künstlerisch produktiv. Der Beruf des Schuhmachers war nötig, weil Meistersinger, soweit bekannt ist, nicht für Geld schrieben oder sangen.

Die in seinen zahlreichen Werken verarbeiteten Stoffe sind unterschiedlicher Natur. So sind seine Lieder fast zu gleichen Teilen geistlichen und weltlichen Inhalts; die Spruchgedichte haben geistliche, historische, politische und schwankhafte Inhalte. Oft bearbeitete er den gleichen Stoff in mehreren Gattungen.

Hervorzuheben unter Sachs’ Werken sind auch seine in der Nürnberger Tradition stehenden Schwänke und Fastnachtsspiele. In seinen Komödien und Tragödien greift er vor allem auf biblische, klassische und mittelalterliche zurück. Diese weisen, angepasst an die kleinbürgerliche Vorstellungswelt, meist einen lehrhaft-satirischen Charakter auf.

Um der städtischen Bevölkerung religiöse und weltliche Bildung nahezubringen, lässt Sachs im Prosadialog fiktive Personen die Probleme der Reformation und der richtigen Lebensführung diskutieren. Sachs ging es hier oft darum, die Interessen des Handel treibenden Bürgertums zu vertreten, indem er Frieden, Ordnung, Ehrbarkeit und Vernunft propagierte.

Die Meistersinger-Bände gehörten früher der Zwickauer Ratsschulbibliothek. Heute findet man den größten Teil des Nachlasses an Meistergesängen und Spruchgedichten im Stadtarchiv von Zwickau. Allein von den weltweit insgesamt noch einundzwanzig vorhandenen Bänden Meisterlieder sind hier vierzehn Bände vorhanden. Dazu kommen noch zwei Quart- und sechs Foliobände Meistergesänge (MG 2,3,4,5,8,12,13 und 15), sechs Foliobände Spruchgedichte (SG 4,11,12,13,16 und 18) sowie das Sachs’ Werkverzeichnis und sein Lebensrückblick Summa all meiner Gedichte.

Die Commedia (italienisch für ‚Komödie‘), in späterer Zeit auch Divina Commedia (‚Göttliche Komödie‘) genannt, ist das Hauptwerk des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265–1321). Sie entstand während der Jahre seines Exils und wurde wahrscheinlich um 1307 begonnen und erst kurze Zeit vor seinem Tod vollendet (1321). Die Divina Commedia gilt als bedeutendste Dichtung der italienischen Literatur und hat gleichzeitig die italienische Sprache als Schriftsprache erst begründet. Zudem wird sie als eines der größten Werke der Weltliteratur angesehen.

Politisch hing die Entstehung und Nachwirkung des Werkes mit dem lang andauernden Konflikt zwischen Ghibellinen und Guelfen (Kaiser- und Papstanhänger) zusammen, der das mittelalterliche Italien beherrschte, worauf hier aber nicht eingegangen wird, zumal Dantes Dichtung sich im Gegensatz zu diesem Konflikt als zeitlos erwiesen hat. Dante selbst war Guelfe, wie sich u. a. aus dem Text ergibt.

Anknüpfend an das Genre mittelalterlicher Visionen vom Jenseits schildert die Commedia in der Ich-Form eine Reise durch die drei Reiche der jenseitigen Welt. Sie führt zunächst durch die Hölle (Inferno), die als ein gewaltiger unterirdischer Trichter bis zum Mittelpunkt der kugelförmig vorgestellten, nur auf der nördlichen Halbkugel bewohnten Erde reicht und in neun Höllenkreise unterteilt ist, die Strafbezirke derer, die für ihre Sünden zur ewigen Verdammnis verurteilt sind. Als Nächstes geht es durch den Läuterungsbereich (Purgatorio, im Deutschen ‚Fegefeuer‘), vorgestellt als auf der südlichen Halbkugel am Südpol aus dem Ozean aufragender Berg, auf dem die Seelen derer, die für ihre Sünden noch Vergebung erlangen konnten, auf einem spiralförmigen Weg durch sieben Bußbezirke zum irdischen Paradies, dem Garten Eden auf dem Gipfel des Berges, pilgern. Aus dem irdischen steigt der Reisende schließlich auf in das himmlische Paradies (Paradiso) mit seinen neun Himmelssphären, über denen im Empyreum die Seelen der Geretteten im Angesicht Gottes die Freuden der ewigen Seligkeit genießen.

Geführt wird der Reisende von verschiedenen Jenseitsführern, durch Hölle und Purgatorio zunächst von dem römischen Dichter Vergil, zu dem sich ab dem fünften Bußbezirk des Läuterungsberges, dem Bußbereich der Geizigen, der Dichter Statius gesellt, der sich nach einer von Dante aufgenommenen Legende zum Christentum bekehrt haben soll.

Vergil selbst ist als Heide der vorchristlichen Zeit in Ermangelung des Sakraments der Taufe von der Erlösung ausgeschlossen. Aber aufgrund seines tugendhaften Lebens und seiner Rolle als Dichter des Weltkaisertums und ahnungsvoller Prophet der Ankunft Christi (in seiner vierten Ekloge) bleiben ihm die Höllenstrafen erspart, und er darf die Zeit bis zum Jüngsten Gericht in dem der eigentlichen Hölle vorgelagerten Limbus verbringen, gemeinsam mit anderen Gerechten der Heidenheit und des Islams. Nur in seiner Eigenschaft als Führer im göttlichen Auftrag darf er den Limbus zeitweise verlassen und den Jenseitsbesucher durch Hölle und Läuterungsbereich begleiten. Als Repräsentant der natürlichen Vernunft, die zumindest zu Lebzeiten Vergils noch nicht durch die biblische Offenbarung erleuchtet war, erläutert er Dante die Einteilungsprinzipien der Straf- und Bußbezirke in Hölle und Purgatorio. Aber nicht nur als philosophisch-ethischer Lehrer, der seinen Schützling unterweist und bei mancher Gelegenheit auch ermahnt, sondern auch als literarisches Vorbild, nämlich als Dichter der Unterweltreise des Aeneas im sechsten Buch der Aeneis, schreitet er Dante voran.

Seine Rolle endet an der Schwelle des irdischen Paradieses, wo Dante von Matelda, einer historisch nicht ganz sicher zu deutenden Frauengestalt, in Empfang genommen und weitergeleitet wird zu Beatrice, seiner verstorbenen Geliebten, die schon im Zentrum seiner Vita Nova stand. Nach einer feierlichen Wiederbegegnung mit der in einer Wolke von Blumen herabschwebenden Beatrice, an die sich eine Bußpredigt Beatrices über vergangene Verfehlungen Dantes anschließt, wird Dante im Auftrag Beatrices von Matelda einem reinigenden Bad im Paradiesfluß Lethe unterzogen, das die Erinnerung an seine bösen Taten austilgt, und ebenso noch einmal später – im Anschluss an eine visionäre Schau allegorisch-zeichenhafter Begebenheiten um den Wagen der Kirche am Fuße des Baumes der Erkenntnis – einem zweiten rituellen Bad, diesmal im Fluss Eunoë, dessen Wasser die Erinnerung an die guten Taten erneuert. Matelda, deren Name nur von Beatrice beiläufig ausgesprochen wird, bleibt eine an das irdische Paradies gebundene Gestalt ohne sehr persönliche oder durch ein bekanntes früheres Verhältnis zu Dante zu beleuchtende Physiognomie, fungiert jedoch als Wächterin des Paradieses und ausführende Dienerin Beatrices in einer herausgehobenen Position und bietet durch ihren Namen, ihre Rolle und literarische Merkmale ihrer Präsentation rätselhafte Züge, die man auf die biblische Eva, auf mythologische Personen wie Proserpina und auf Personen der jüngeren Geschichte, insbesondere die Markgräfin Mathilde von Toskana, beziehen kann.

Versunken in den Anblick seiner geliebten Beatrice wird Dante mit dieser zum Flug durch die Himmelssphären entrückt, wo sie ihm als Führerin und Lehrerin die Ordnung des Universums darlegt, astronomische Rätsel und theologische Probleme auflöst und ihn den Lichtseelen der Heiligen zuführt. Wie schon in der Beziehung zu Vergil ist das Verhältnis Dantes zu Beatrice geprägt von Zärtlichkeit und Verehrung, zusätzlich aber auch durch das ihn immer wieder überwältigende Entzücken und die Freude über die Schönheit der göttlichen Ordnung, die sich im Anblick der Geliebten und insbesondere in ihren Augen widerspiegelt. Beatrice trägt Züge der Donna filosofia (Dame Philosophie) aus Dantes Convivio, ist, hinausgehend über diese und über die ethisch-philosophische Rolle Vergils, zugleich Repräsentantin der Theologie und wird außerdem aufgrund biblischer Vergleiche deutbar als eine Figur der Ecclesia, der Kirche Christi, sogar als Figur Christi selbst oder zumindest Figur mit christustypischen Attributen, wie der Wolke, in der sie, wie Christus bei der Wiederkunft zum Weltgericht, zu ihrem Bußgericht über Dante im irdischen Paradies einschwebt.

Beatrices Rolle endet in dem die Himmelssphären überwölbenden Empyreum, wo sie sich unter die wie Blätter einer Rose angeordneten Heiligen einreiht und auf dem dritten Rang dieser Heiligen, gemeinsam mit der biblischen Rachel und unterhalb der Urmutter Eva, zu den Füßen der Gottesmutter Maria ihren Platz einnimmt und von Dante in einer letzten gebetsartigen Ansprache verabschiedet wird. An ihre Stelle tritt für die Schlussepisode des Werks ein ehrwürdiger Greis, der Heilige Bernhard von Clairvaux, als Verfasser der Schrift De consideratione möglicherweise eine Quelle für Dantes Theologie der Kontemplation und Vision, hier aber vor allem in seiner Bedeutung für die mittelalterliche Verehrung Mariens gewürdigt, zu der er im Namen Dantes ein Gebet spricht, nachdem er ihm die Himmelsrose der Heiligen vorgestellt hat. Mit einem Blick Dantes in die Augen Mariens, die ihrerseits wie alle Heiligen auf Gott schaut, und zuletzt, aufgefordert von Bernhard, mit dem Emporheben der eigenen Augen zu einer unmittelbaren Vision der Trinität, schließt das Paradiso.

In den verschiedenen Bezirken der jenseitigen Welt begegnet der Jenseitsbesucher einer Vielzahl von geschichtlichen oder als geschichtlich vorgestellten mythologischen Personen, an denen die jeweilige Art ihrer Strafe, Buße oder Seligkeit nach dem Prinzip der Wiedervergeltung (contrappasso) widerspiegelt, was sie in ihrem früheren Erdenleben wollten, glaubten und taten. Personen der antiken, der biblischen und vor allem der mittelalterlichen Geschichte, bekannte und minder bekannte oder manchmal auch (heute) unbekannte, werden hierbei als Individuen mit ihren persönlichen Leidenschaften, Erinnerungen und Verfehlungen oder Verdiensten präsentiert, versinnfälligen aber zugleich auch das ethisch und theologisch abstrakte Gedankensystem, das der Rangfolge der Jenseitsbezirke zugrunde liegt. Die Präsentation dieser Personen wird erzählerisch kunstvoll und abwechslungsreich variiert und erfolgt teils in nur kurzen Erwähnungen und katalogartigen Aufzählungen oder auch in ausführlichen Begegnungsszenen, in denen die Seelen der Verstorbenen Zwiesprache mit dem Jenseitsbesucher und seinem Führer halten und ihm ihre Erinnerungen an das vergangene Erdenleben, Nachrichten an noch lebende Personen oder auch Prophezeiungen über Zukünftiges mit auf den Weg geben.

Die Commedia ist eine episch-narrative Verserzählung in gereimten Elfsilblern, insgesamt 14.233 Versen, die nach dem hier zum ersten Mal belegten, möglicherweise von Dante selbst erfundenen Prinzip der terza rima gereimt sind und in drei Bücher oder Cantiche von insgesamt hundert (34, 33 und 33) Gesängen (canti) eingeteilt sind.

Der Titel Commedia verweist zwar auf die dramatische Gattung der Komödie, ist jedoch nicht oder nicht streng im Sinne der klassisch-antiken Gattungspoetik zu verstehen. Er begründet sich, wie der sogenannte Widmungsbrief an Cangrande erklärt, durch Thema, Sprache und Stil des Werkes: Thematisch soll er ein Werk charakterisieren, das in seiner Behandlung eines Stoffes mit widrigen Dingen, hier den abstoßenden Schrecken der Hölle, beginnt und zu einem glücklichen Ende, hier den Freuden des Paradieses, hinführt. In Hinsicht auf die Sprache soll er der Tatsache Rechnung tragen, dass das Werk nicht auf Latein, sondern in der italienischen Volkssprache verfasst ist, „in der sich auch die Weiber unterhalten“ („in qua et muliercule comunicant“). Und in Hinsicht auf den Stil soll er dadurch begründet sein, dass das Werk nicht oder nicht durchgehend in einem erhabenen Stil verfasst ist, sondern in einem „lockeren und niederen“ Stil („remissus est modus et humilis“) – während der Text der Commedia aber tatsächlich alle Stilregister, vom derb Obszönen über das gemessen Lehrhafte bis hin zum hymnisch Ekstatischen, vereint.

Dante hat die Commedia im Paradiso zwar auch als sacrato poema (‚heiliges Gedicht‘) bezeichnet, das Titelbeiwort Divina (‚Göttliche‘) stammt jedoch nicht von ihm selbst, sondern wurde erst später von Boccaccio geprägt, als Ausdruck der Verehrung für die übermenschliche Inspiration und dichterische Qualität dieses Werkes. Seit dem 16. Jahrhundert hat sich dieses Beiwort in den gedruckten Ausgaben als fester Bestandteil des Titels etabliert, während kritische Ausgaben in jüngerer Zeit den Zusatz als spätere Hinzufügung wieder vermeiden.

Die Dreiteilung des Werks und der Jenseitsreiche ebenso wie das Formschema der aus drei Versen bestehenden Terzine wird herkömmlich auf die Drei als Zahl der Trinität bezogen, während man in der Zahl der 34, 33 und 33 Gesänge, von denen der erste oft als prologartige Episode in einer Sonderstellung gesehen wird, einerseits ebenfalls einen Bezug zur Dreizahl (3 × 33 Gesänge und ein Prolog), aber auch einen Bezug zu den Lebensjahren Jesu erkannt hat, da Jesus nach einer der im Mittelalter gängigen Deutungen mit 33 Jahren, vor der Vollendung des 34. Lebensjahres, den Kreuzestod starb.

Auch in der Untergliederung der Jenseitsbezirke, die im Text als neun Kreise des Inferno (zum Teil mit weiteren Unterbezirken), sieben Bußbezirke des Purgatorio (zusammen mit dem Antipurgatorio und dem Garten Eden auch hier neun Bereiche) und (ohne Einbeziehung des Empyreums) neun Himmel des Paradiso erscheinen, hat man zahlhafte Ordnungsprinzipien erkannt, deren Deutung besonders im Purgatorio und im Paradiso dadurch gestützt wird, dass im Purgatorio den Bußbezirken traditionelle Schemata wie der Katalog der sieben Hauptsünden und der Seligpreisungen der biblischen Bergpredigt zugeordnet sind, während im Paradiso die neun Himmelssphären den drei mal drei Chören der Engel zugeordnet sind.

Zahlhafte Korrespondenzen zwischen den drei Teilen des Werkes hat man vielfach durch die vergleichende Gegenüberstellung dieser Jenseitsbezirke und auch ihrer vor- und nachgelagerten Schauplätze, aber auch unter Einbeziehung der formalen Zählung der Gesänge zu deuten versucht. So besteht in der Forschung Einigkeit darüber, dass der jeweils sechste Gesang jeder Cantica in absichtsvoller Weise einem Thema der politischen Geschichte gewidmet ist und sich hierbei in der Abfolge der Themen (Geschichte von Florenz, Italiens und des Kaiserreiches) auch das in der Commedia vielfach herrschende Prinzip gradueller Steigerung bewahrheitet.

Auch innerhalb einzelner Gesänge oder Episoden werden zuweilen zahlhafte Ordnungsprinzipien erkennbar, indem eine scheinbar zufällige Folge von Anaphern, Personen oder Handlungen auf ein traditionelles, für das aktuell behandelte Thema aufschlussreiches Zahlenverständnis verweist. Über solche und über weitergehende Deutungen, die besonders im Verszahlenbau der Commedia auch komplexere Zahlenverhältnisse auf zahlensymbolische Intentionen oder mathematische Berechnungen Dantes zurückführen wollen, besteht jedoch in der Forschung noch wenig Einigkeit und Sicherheit.

Zur Entstehungszeit der Commedia befand sich Dante seit 1302 als von seiner Vaterstadt Florenz Verbannter im Exil und hielt sich an verschiedenen Orten in Oberitalien, darunter besonders in Verona, Padua und Ravenna auf. Er war angewiesen auf die Unterstützung fürstlicher Gönner, aber es ist wenig oder nichts darüber bekannt, unter welchen Bedingungen er lebte und nicht nur seine Werke verfasste, sondern auch die dafür erforderlichen Studien betrieb. An den politischen Vorgängen seiner Zeit nahm er leidenschaftlichen Anteil, aber nicht mehr als aktiver Politiker, sondern vor allem durch seine Briefe, Schriften und Dichtungen, mit denen er Einfluss auf das Geschehen zu nehmen versuchte. Dieses Engagement zeichnet sich auch in der Commedia ab, aber nicht als ein nur tagespolitisches, sondern, wie in allen Werken Dantes, als ein sehr umfassendes Bemühen um eine Verfassung der menschlichen Gesellschaft, die sich an den für Dante kongruenten Prinzipien des biblischen Heilsplanes und der philosophischen Vernunft orientiert.

Der Dichter erzählt in der Ichform seine Reise durch die drei Reiche der Toten. Die Reise soll ihren Anfang am Karfreitag des Jahres 1300 genommen haben. Der Protagonist Dante verirrte sich in einen tiefen Wald, weil er den rechten Weg verloren hatte. Nun strebte der 35-jährige dem Berg der Tugend entgegen, als er von einem Panther (dem Sinnbild der Wollust), einem Löwen (dem Sinnbild des Hochmutes) und einer Wölfin (dem Sinnbild der Habgier) in ein finsteres Tal abgedrängt wird. Dort begegnet er dem von ihm verehrten römischen Dichter Vergil, den er auch sogleich um Hilfe bittet. Vergil entgegnet ihm folgendermaßen vor der Wölfin, die wütend auf Dante schaut: „Du musst auf einem andern Wege gehen […] wenn du aus dieser Wildnis willst entfliehen.“ Dante wird daraufhin von Vergil durch die Hölle und auf den Läuterungsberg begleitet. Mit der Jenseitswanderung des Aeneas hat Vergil in der Aeneis das literarische Vorbild geliefert, auf das in der Commedia immer wieder Bezug genommen wird. Da Vergil aus vorchristlicher Zeit stammt und er nicht getauft ist, ist ihm trotz seiner Rechtschaffenheit der Eintritt ins Paradies verwehrt. Dort wird Dante daher von seiner früh verstorbenen und tugendhaft idealisierten Jugendliebe Beatrice geführt. Aber auch diese wird später vom hl. Bernhard von Clairvaux abgelöst.

Die Hölle ist ein einem antiken Amphitheater gleichender Trichter mit steilen Terrassen zum Erdmittelpunkt hin, entstanden durch den Absturz Luzifers, wodurch auf der Südhalbkugel der Läuterungsberg aus dem Meer getrieben wurde. Die zehn „Kreise“ der Hölle (die Vorhölle und neun Kreise) sind die Orte, Standpunkte, Horizonte oder Charaktere, in und wegen derer sich die Buße und Läuterung der Sünder vollzieht.

In der oberen Hölle büßen die Sünder aus Maßlosigkeit (2.–4. Kreis), in der mittleren Hölle die Sünder aus Bosheit (5.–7. Kreis), in den zwei untersten die Sünder des Verrats (8. und 9. Kreis), deren hoher Rang an Sünde sich aus dem Schicksal des Autors erklärt. Zunächst decken sich Gesänge und Kreise, dann treten Kreise mit Unterkreisen auf, die in einem Teil eines Gesangs, in einem ganzen Gesang oder über mehrere hinweg beschrieben werden. Immer wieder überraschen die starken, in der Weltliteratur häufig verwendeten Bilder, die Symbole der Macht und die hier nicht zu erwartenden Fürsten der Kirche.

Die Höllensequenz ist Geschichtsbuch, Warnung und literarische Vergeltung an den Gegnern Dantes mit manch kritischer Einsicht auch gegenüber der Politik der eigenen Partei. Sowohl die offene Darlegung der eigenen miserablen Lage als auch ein später Triumph Dantes über seine Gegner sind die bestimmenden Gesten. Den Gedanken der Abrechnung mit den Feinden legt er z. B. Sündern in den Mund, die selbst Opfer anderer Täter wurden: „Doch dient mein Wort zum Samen, draus dem frechen Verräter Schande sprießt, den ich hier speise.“ Die Seelen im Fegefeuer erhoffen sich von ihm die Verbreitung der Wahrheit unter den Lebenden oder die Ermahnung der Angehörigen zu eifriger Fürbitte für ihre armen Seelen.

Gottes Gerechtigkeit, in deren Namen ewige Folter und Qual der Hölle und ihre begrenzten Formen im Fegefeuer ausgeführt werden, ist eine zuteilend strafende, ein „gerechter“ Ausgleich für die Sünden der Lebenden. Bauprinzip ihrer Strafen ist eine ironische Umkehrung (contrappasso) ihrer Laster und Verbrechen, eine verspätete Ironie der Geschichte: Habgierige – an den Dingen klebend – schieben auf ewig Felsbrocken vor sich her, Gewalttäter müssen sich in einem kochenden Blutstrom vor den sie beschießenden Kentauren verstecken, Schmeichler sitzen in der Kloake, Wahrsager tragen ihr Gesicht auf dem Rücken – jetzt ewig der Vergangenheit zugewandt, Heuchler schleppen außen vergoldete Kutten aus Blei, Zwietrachtstifter werden von Teufeln wieder und wieder zerhackt, die Verräter – immer auf eine plötzliche Wendung der Geschichte spekulierend – liegen eingefroren im Eissee Cocytus, dem tiefsten Kreis der Hölle.

Laut dem danteschen Weltbild liegt die Hölle im Inneren der nördlichen Halbkugel. Sie ist der Sitz von Luzifer und besteht aus sich zum Erdmittelpunkt hin verjüngenden Kreisen. Der Trichter entstand durch den Sturz Luzifers und seiner Engel, und die solcherart zurückgedrängte Erde bildet den Läuterungsberg, der als einzige Landmasse aus der sonst von Wasser bedeckten Südhalbkugel herausragt. „Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer, Durch mich geht man hinein zum ewigen Schmerze, Durch mich geht man zu dem verlornen Volke. Gerechtigkeit trieb meinen hohen Schöpfer, Geschaffen haben mich die Allmacht Gottes, Die höchste Weisheit und die erste Liebe Vor mir ist kein geschaffen Ding gewesen, Nur ewiges, und ich muss ewig dauern. Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“– Inschrift auf dem Tor zur Hölle, dritter Gesang, Vers 1–9

Hinter dem Höllentor liegt die Vorhölle, der Ort für die lauen Seelen, die weder gut noch böse waren. Diese laufen rastlos in Scharen umher und werden von Ungeziefer gepeinigt. Am ersten Fluss der Hölle, dem Acheron, versammeln sich die bösen Seelen, die von Charon an das andere Ufer gebracht werden. Hier verweigert Charon dem Dichter mit einer dunklen Andeutung auf sein ewiges Geschick die Überfahrt. Wie Dante den Acheron letztlich überquert, bleibt im Dunkeln.

Jenseits des Acheron aus tiefer Ohnmacht erwacht, heult Dante aus der Tiefe des Höllentrichters der Menschheit ganzer Jammer entgegen. Dann schreitet er mit Vergil hinab in die lediglich durch Seufzer getrübte Stille des ersten Höllenkreises. Hier, im Limbus, befinden sich die unschuldig schuldig Gewordenen, alle die sündenfrei sind, aber nicht dem christlichen Glauben angehören (bzw. nicht getauft sind), jedoch nur von ewiger Sehnsucht gepeinigt werden. Nicht nur ungetaufte Kinder sind in diesem Kreis anzutreffen, sondern auch Dichter und Denker der Antike oder des Heidentums. Neben den antiken Dichtern wie Homer, Philosophen wie Aristoteles, den trojanischen und römischen Helden, aber auch mittelalterlichen Gestalten wie Averroes, Avicenna und Sultan Saladin gehört auch Vergil zu denen, die unter falschen, lügnerischen Göttern lebten. Nach der antiken Heldenschau, in deren Verlauf die beiden Dichter von Homer, Horaz, Ovid und Lukan begleitet werden, steigt Dante mit dem römischen Poeten weiter hinab.

Hinter dem ersten Höllenkreis werden die Sünder vom antiken Hadesrichter Minos, hier zum Dämon verzerrt, empfangen. Vor diesem müssen sie alle ihre Sünden beichten. Der Kenner aller Sünden legt mit Hilfe seines Schweifes daraufhin fest, in welchen Kreis der Betroffene hinabsteigen muss. Wie schon zuvor Charon muss auch Minos erst von Vergil beschwichtigt werden. Im zweiten Kreis büßen die Wollüstigen, die vom Höllensturm umher gejagt werden. Dort trifft Dante auf Semiramis, Kleopatra, Dido, Achilles, Helena, Paris und mehrere Ritter. Im 5. Gesang begegnen wir dem ehebrecherischen Liebespaar Paolo und Francesca da Rimini, dessen Schicksal zahlreiche Werke der Musik und der bildenden Kunst inspirierte: Unbefriedigt von ihrem Gatten und ihrer Ehe hatte sich Francesca dessen jüngerem Bruder Paolo hingegeben, war mit ihrem Geliebten vom Gatten ertappt und getötet worden. Aus Mitleid über ihr zeitliches und ewiges Los bricht Dante zusammen.

Im dritten Höllenkreis trifft Dante auf die Seelen der Gefräßigen, die im eisigen Regen auf dem Boden liegen und vom Höllenhund Kerberos – hier Sinnbild der Gefräßigkeit – bewacht und geschunden werden. Eine der Seelen, ein Florentiner mit dem Rufnamen Ciacco, sagt Dante künftige Ereignisse voraus, die Florenz betreffen werden.

Im vierten Höllenkreis befinden sich die Verschwender und die Geizigen, die von Plutos bewacht werden. Die Sünder toben und wälzten Lasten mit der Kraft der Schulter, die sie gegeneinanderstoßen. Der fünfte Höllenkreis ist der Sumpf der zornigen Seelen. Choleriker bekämpfen sich hier unablässig in den Fluten des Flusses Styx, während die Ignoranten und Phlegmatiker für immer in den Fluten des Styx untergetaucht bleiben. Von einem Turm am Flussufer wird ein Feuersignal hinüber gegeben, worauf der Fährmann Phlegyas erscheint und die Dichter übersetzt. In der Begegnung mit dem Choleriker Filipo Argenti stößt Dante erstmals das Böse bewusst von sich.

Noch während der Bootsfahrt erblicken die Dichter am anderen Ufer die Höllenstadt Dis. Legionen von Teufeln verwehren den beiden Wanderern den Zugang. Nach der Begegnung mit den Erinyen und den drei Gorgonen erscheint ein Engel und kam zum Tore, und mit einem Zweiglein/schloß er es auf. Es wird deutlich, dass Dantes Reise den Segen Gottes hat, um auf den rechten Weg zurückgeführt zu werden. Im sechsten Kreis büßen die Ketzer in flammenden Särgen, die sich nach dem Gericht im Tal Josaphat schließen werden. Einer der hierher Verdammten, der Ghibelline Farinata degli Uberti, sagt Dantes Verbannung voraus und erklärt dem Poeten, dass die Verdammten zwar in die Zukunft schauen können, nichts aber von der Gegenwart wissen, wenn ihnen nichts durch Neuankömmlinge mitgeteilt wird.

Im Schatten des Grabmals des Papstes Anastasius II. rasten die Dichter, um sich an den aus der Tiefe emporsteigenden Gestank zu gewöhnen. Vergil nutzt die Rast, um Dante den Aufbau der unteren Hölle zu erklären: Der siebte Kreis der Hölle gehört den Gewalttätigen, der achte und der neunte Kreis gehören der Bosheit – voneinander geschieden als allgemeiner Betrug, der im achten Kreis Vergeltung findet, und als Betrug in einem besonderen Vertrauensverhältnis (Verrat), der im neunten Kreis auf dem Grunde der Hölle bestraft wird. Dante fragt, warum die Bewohner des zweiten bis fünften Kreises separat bestraft werden, worauf Vergil auf die Differenzierung von Unmaß, verwirrtem tierischen Trieb und Bosheit durch die aristotelische Ethik verweist.

Der siebente, achte und neunte Kreis bilden die innere Hölle, deren Eingang von dem Minotauros von Kreta bewacht wird. Hier werden die schlimmsten Sünden bestraft: Gewaltverbrechen, Betrug und Verrat.

Doch weil man drei Personen kann verletzen ist der siebte Kreis in drei Ringe unterteilt. Im ersten Ring werden die Gewalttaten an den Nächsten gebüßt. Mörder, Räuber und Verwüster kochen in einem Blutstrom, in den sie immer wieder von Kentauren zurückgetrieben werden, wenn sie versuchen, ihm mehr zu entsteigen, als ihre Schuld es zulässt. Je nach Schwere ihrer Tat sind sie unterschiedlich tief in dem Blutstrom eingetaucht. Alexander der Große und der Tyrann Dionysios stecken bis zu ihren Brauen im Strom, während Attila am tiefsten Grund gepeinigt wird. Einer der Kentauren, Nessos, trägt auf Geheiß seines Gefährten Cheiron Dante über den Blutstrom.

Selbstmörder (darunter Pier delle Vigne, der Kanzler Friedrichs II.) büßen im zweiten Ring ihre Schuld. Sie müssen als Sträucher und Bäume ihr Dasein fristen, die immer wieder von den Harpyien zerzaust werden, da sie sich mit ihrem Selbstmord selbst von ihrem Körper losgerissen haben – denn was man selbst sich nahm, darf man nicht haben. Auf ihrem Weg durch das Selbstmörderbuschwerk begegnen die beiden Dichter zwei Seelen, die in ihrem Leben ihren Besitz stückweise verprasst haben und dafür von schwarzen Höllenhunden durchs Dickicht gehetzt und stückweise zerrissen werden.

Diejenigen, die Gewalt gegen Gott (Blasphemie), gegen die Natur (Sodomie) und gegen die Kunst (Wucher) verübt haben, büßen im dritten Ring, dessen Boden aus Sand besteht. Die Gotteslästerer liegen ausgestreckt und schreiend auf dem Boden, die Sodomiten laufen ohne Rast und Ruh umher, die Wucherer hocken am Abgrund, wo der dritte Höllenfluss Phlegethon sich in den achten Kreis hinab ergießt, untätig bei ihren Geldsäcken, und auf alle rieseln ständig Feuerflocken herab. Hier begegnet Dante dem Gotteslästerer Kapaneus, aber auch seinem einstigen Lehrer Brunetto Latini sowie drei Florentiner Offizieren.

Insgesamt kommen in diesen Gesängen verstärkt Bezüge zur Politik der Heimatstadt des Dichters zur Sprache, gesehen aus räumlicher und zeitlicher Distanz.

Am Abhang des Phlegethon erblicken sie die mythologische Gestalt Geryon. Dante blickt auf das Ungeheuer mit Erstaunen und beschreibt es folgendermaßen: „Hier kommt das Ungetüm mit spitzem Schwanze, Das Berge nimmt und Mauern bricht und Waffen, Hier kommt es, das die ganze Welt verstänkert.“ Der achte Höllenkreis (Malebolge) ist in zehn Gräben unterteilt. Im ersten schleppen sich die Kuppler und Verführer (unter letzteren die Gestalt des Iason), von gehörnten Teufeln mit Peitschen getrieben, im Gegenzug durch den Graben. Schmeichler und Huren wälzen sich im zweiten Graben in ätzendem Kot.

Im dritten Graben stecken die Simonisten, Betrüger, die schwunghaften Handel mit Kirchenämtern trieben, kopfüber in Felsenlöchern, aus denen nur ihre brennenden Sohlen herausragen. Wie ein Beichtvater spricht Dante mit der Seele des Papstes Nikolaus III., der glaubt, dass sein Nachfolger Bonifatius VIII. schon in der Hölle angekommen sei. Außerdem prophezeit er die Ankunft Clemens V. als Sünder. Dante geißelt den Handel mit Kirchenämtern, der die Verweltlichung der Kirche vorantreibt, mit scharfen Worten.

Im vierten Graben beobachten Vergil und Dante die Zauberer und Wahrsager, deren Körper so verrenkt wurden, dass ihre Gesichter nach hinten gewendet sind – Zum Rücken nämlich standen die Gesichter. Neben etlichen Frauen, die der Zauberei verfallen waren (darunter die mythische Manto, von der Vergils Geburtsstadt Mantua ihren Namen bekommen hat, wie Vergil selbst ausführlich berichtet), fristen Amphiaraos und Teiresias, berühmte Seher der Antike, aber auch Zeitgenossen wie Guido Bonatti dort ihr Dasein.

Der fünfte Graben ist mit kochendem Pech gefüllt, in dem die Bestechlichen büßen. Eine besondere Gruppe von Teufeln, die Malebranche, holt ihre Seelen und bewacht sie: Wer den Kopf aus der Pechflut steckt, wird mit Gabeln an Land gezogen und dort geschunden. Dante und sein Begleiter schaffen es, den Teufeln zu entkommen, und gelangen in den sechsten Graben. Dort müssen die Heuchler in schweren vergoldeten Bleimänteln einherschreiten. Unter ihren Tritten leidend liegen die gekreuzigten Ratsmitglieder der Pharisäer am Boden, darunter Kajaphas, der vor der Jerusalemer Ratsitzung heuchlerisch dazu geraten hatte, Jesus Christus zum Wohle des Staates zu töten.

Im siebten Graben werden Diebe und Räuber unablässig von Schlangen angegriffen, durch deren Bisse sie zu Asche zerfallen, um bald darauf wieder auferstehen zu müssen – die ewige Strafe der Diebe. Nicht alle Sünder werden von den Schlangen lediglich gebissen, andere verschmelzen mit ihnen (oder einem Drachen) zu einem ungeheuerlichen Ungetüm. Hinterlistige Berater und betrügerische Räuber büßen, indem sie wie Glühwürmchen in Flammen gehüllt durch den achten Graben schweben. Hier spricht Dante mit Odysseus, der mit Diomedes für die List, durch welche Troja zu Fall gebracht wurde, büßen muss, sowie mit dem einstigen Ghibellinenführer und späteren Franziskaner Guido da Montefeltro, der sich selbst für seinen trügerischen Rat an Papst Bonifaz VIII., Palestrina zu brechen, um sein ewiges Heil betrogen hat. Im neunten Graben begegnet Dante den Glaubensspaltern und Zwietrachtstiftern, zu denen er auch den Stifter des Islam, Mohammed, und seinen Schwiegersohn Ali zählt. Ein Teufel schlägt ihnen unablässig Gliedmaßen ab und tiefe Wunden – Die waren Stifter von Gezänk und Zwietracht / Im Leben, darum sind sie so zerspalten. Im letzten Graben des achten Höllenkreises leiden die Fälscher, Alchemisten und falschen Zeugen unter ekelhaften Krankheiten und fallen in blinder Raserei übereinander her. Unter ihnen befinden sich die Gattin Potifars, die Josef verleumdet hatte, sowie Sinon von Troja.

Wie Türme ragen Riesen am Rande des neunten Höllenkreises empor. Auf Bitten Vergils setzt Antaeus die beiden Wanderer auf dem Grund des letzten Höllenkreises ab. Dort büßen die Verräter, bis zum Kopf in einen See eingefroren: in der Kaina die Verräter an Verwandten und in der Antenora die politischen Verräter. Die Verräter an Tischgenossen sind rücklings in der Tolomea eingefroren, sodass ihre zu Kristallen gewordenen Augen sich für immer verschließen. Den Sündern in dieser Zone können schon zu Lebzeiten die Seelen vom Körper geschieden werden. In die leblose Hülle schlüpft dann ein Dämon, der sein Unwesen auf der Welt treibt. In der untersten Höllentiefe, der Judecca, liegen vom Eis völlig bedeckt diejenigen Sünder, die ihren Herrn und Wohltäter verraten haben. Und in ihrer Mitte steckt der gestürzte Luzifer im Eis, in seinen drei Mäulern die Erzverräter Judas, Brutus und Cassius zermalmend.

Vergil nimmt Dante und greift sich das zottige Fell Satans, an dem er zwischen Satan und der Eiswand erst nach unten und, da sie sich ja im Erdmittelpunkt befinden, damit auch nach oben klettert: Nur über Satan selbst sei der Ausweg möglich. Vergil findet in der Wand ein Felsloch, in das sie treten können, und sie kommen über einen Gang in eine neue Hemisphäre. Dante ist verunsichert und erhält von Vergil zur Antwort: An Satans Fell seien sie durch den Erdmittelpunkt gekrochen, das Eis sei weg, Ost und West, Oben und Unten seien nun vertauscht. Über einen Pfad gelangen sie entlang einem Bach zurück zur Lichtwelt, zu den Sternen.

Der Läuterungsberg bzw. das Fegefeuer ist als ein hinter einem Tor beginnender Rundweg um einen Berg angelegt, der sich allmählich dem Licht entgegen schraubt. Auf sieben Terrassen büßen die Seelen – zusammen mit dem von Cato bewachten Meeressaum und dem sich anschließenden Bereich für die Säumigen sind es also auch hier neun Stufen.

Gegenüber der Trostlosigkeit der Hölle dominieren nun Buße und Hoffnung der Sünder. Noch immer regiert die ironische Umkehrung die Strafen, die aber endlich sind (wenn sie auch 500 Jahre und länger dauern): Im Fegefeuer bzw. auf dem Läuterungsberg können die Hochmütigen unter der Last von Steinen den Blick nicht mehr vom Boden lösen, den Neidischen wurden die Augen mit Draht zugenäht, die Trägen müssen um den Berg hetzen, die Habsüchtigen liegen mit dem Gesicht im Staub des Weges …

Vor der Pforte des Läuterungsberges zeichnet der wachende Engel mit seinem Schwert sieben P auf Dantes Stirn für die 7 Todsünden (Hochmut, Jähzorn, Neid, Habgier, Wollust, Völlerei und Trägheit), von denen auch er sich zu reinigen habe. Dann erst schließt der Wächter das Tor auf, Dante beginnt seine eigene Buße auf dem Weg zum Licht und sucht sich von falschen Leidenschaften, vor allem von seinem Hochmut, zu befreien.

Auf den ersten drei Terrassen werden die Seelen mit der Liebe zur Untugend geläutert.

Beatrice führt Dante durch die neun himmlischen Sphären des Paradieses. Diese sind konzentrisch und sphärisch, wie im aristotelischen und ptolemäischen Weltbild. Während die Strukturen des Inferno und Purgatorio auf verschiedenen Klassifizierungen der Sünde basieren, wird das Paradiso durch die vier Kardinaltugenden und die drei theologischen Tugenden strukturiert. Dante trifft und unterhält sich mit mehreren großen Heiligen der Kirche, darunter Thomas von Aquin, Bonaventura, der Heilige Petrus und Johannes. Das Paradiso besitzt mehr theologische Natur als die Hölle und das Fegefeuer. Dante räumt ein, dass die Vision des Himmels, die er beschreibt, diejenige ist, die ihm gestattet wurde mit seinen menschlichen Augen zu sehen. Dantes Göttliche Komödie endet mit dem Anblick des dreieinigen Gottes. In einem Erkenntnisblitz, der sich nicht ausdrücken lässt, versteht Dante endlich das Geheimnis von Christi Gottheit und Menschheit, und seine Seele wird verbunden mit der Liebe Gottes.

Dantes Werk wird ausnahmslos als „epochal“ gewertet: Es enthält, erstmals in der von Dante „geadelten“ italienischen Volkssprache, die dreiteilige Wanderung durch „das Reich nach dem Tode“, wie es um 1300 gesehen wurde: erst hinab zur „Hölle“, dann durchs „Purgatorio“ hinauf, dann ins „Paradies“; das Ganze in epischer Form, was dem hohen Anspruch angemessen war.

Das Werk verweist explizit auf das große Versdrama Aeneis des Römischen Dichters Vergil und stellt somit von vornherein extrem hohe Ansprüche. Diese Ansprüche werden in der Tat erfüllt, zumal Dante nicht nur immer wieder Einzelheiten des gesamten politischen Lebens Italiens von der späten Stauferzeit des 11. Jahrhunderts bis zur Zeit der frühen Habsburger und des Kaisers Heinrich VII. aus dem Hause Luxemburg aufgreift. Diese Einzelheiten bedürfen der sparsamen Kommentierung, damit sie für Leser der Jetztzeit verständlich sind und zugleich der „Ton“ des Originals gewahrt wird.

Mit seinem Rückgriff auf Formen der Antike hat Dante mit dazu beigetragen, dass sich in Italien schon sehr früh anstelle des Kunststils der Gotik die Renaissance entwickeln konnte.

Nicht nur im theologischen Weltbild ist Dantes Werk – abgesehen von der überragenden dichterischen Dimension – voll auf der Höhe des Wissens seiner Zeit. So verknüpft er z. B. in den Schlussversen seines Werks explizit die Schwierigkeit des Verständnisses der Dreieinigkeit Gottes mit dem mathematischen Problem der Dreiteilung eines Kreisbogens.

Dantes Commedia hat einen außerordentlichen Einfluss auch auf Werke der bildenden Kunst ausgeübt. Illustrationen setzen in den Handschriften der Commedia bereits wenige Jahre nach seinem Tod ein, älteste datierte illustrierte Handschrift ist der Codex Trivulzianus Nr. 1080 von 1337, möglicherweise schon einige Jahre früher (um 1330?) entstanden die 32 Illuminationen im sogenannten Poggiali Codex (Florenz, BNCF, Palat. 313). In manchen Kirchen, vor allem in Florenz, entstanden im 15. Jahrhundert Gemälde in der Art von Heiligenbildern.

Auch in selbständigen Kunstwerken, insbesondere Darstellungen der Hölle und des Jüngsten Gerichts, machte sich der prägende Einfluss früh bemerkbar, wobei er hier von älteren literarischen und ikonografischen Traditionen nicht immer sicher unterscheidbar ist. Ebenfalls schon um 1340 ist solcher Einfluss Dantes in den Fresken des Camposanto in Pisa (von Buonamico Buffalmacco?) auch durch inschriftliche Zitate angezeigt, während das erst in jüngerer Zeit wiederentdeckte, zwischen 1306 und 1309 entstandene Stundenbuch (Officiolum) des Francesco da Barberino, in dessen Illustrationen man ebenfalls schon ikonographischen Einfluss des Inferno erkennen zu können geglaubt hat, hierfür aufgrund seiner frühen Entstehung vermutlich noch nicht in Frage kommt.

Eine künstlerisch herausragende Stellung unter den Illustrationen des 15. Jahrhunderts nehmen die Zeichnungen zu allen drei ‚Cantiche‘ der Commedia ein, die Sandro Botticelli seit 1480 schuf, aber nicht mehr zur Vollendung brachte, und von denen 93 Stücke erhalten sind, deren Bestand sich heute auf das Kupferstichkabinett Berlin und die Vatikanische Bibliothek in Rom verteilt. Sie bildeten auch die Vorlage für die Holzschnitte, die Baccio Baldini für die erste Druckausgabe des Dantekommentars von Cristoforo Landino (1481) herstellte, und haben aufgrund des enormen Erfolges dieses Kommentars auch die Illustrationen nachfolgender Danteausgaben nachhaltig geprägt.

Weitere Beispiele für die Illustration der Commedia und für ihre Rezeption in der bildenden Kunst:

Eine größere Anzahl von Zeichnungen, die um 1580 von Jan van der Straet (Johannes Stradanus), Federico Zuccaro und Jacopo Ligozzi geschaffen wurden, hat man als zusammengehörige Auftragsarbeit eines Florentiner Druckers für eine geplante Ausgabe der Commedia angesehen, eine These, die jedoch nach dem Befund neuerer Forschung nicht aufrechtzuerhalten ist.

Im 18. Jahrhundert waren die Illustrationen des britischen Künstlers John Flaxman in Europa sehr verbreitet, sie zeichnen sich durch einen minimalistischen Darstellungsstil aus. Achim von Arnim kommentiert in einem Brief an Jacob und Wilhelm Grimm: „Erst jetzt kann ich mir erklären, warum die Zeichnungen des Flaxmann dazu meist so leer sind, wie Regimentsuniformabbildungen, meist nichts anders als der Offizier Virgilius und ein Gemeiner, der Dante, die hinter einander marschieren.“

Bekanntester Illustrator der Göttlichen Komödie im 18. Jahrhundert war Joseph Anton Koch, der neben zahlreichen Zeichnungen und Gemälden auch die berühmten Fresken zur Hölle und zum Fegefeuer im Casino Massimo in Rom schuf.

Im Jahr 1822 malte der französische Romantiker Eugène Delacroix ein Gemälde namens Die Barke Dantes (im Original La Barque de Dante oder Dante et Virgile), das sich heute im Louvre befindet. Es zeigt Dante und Vergil sowie den Sünder Filippo Argenti bei der Überfahrt über den Styx. (Vgl. Inf. Canto VIII.)

Der englische Dichter und Maler William Blake plante und schuf einige Aquarelle zur Göttlichen Komödie. Obwohl der Zyklus bei seinem Tod 1827 unvollendet war, zählen sie auch heute noch zu den beeindruckendsten Interpretationen des Werks. 1850 malte der Künstler William Adolphe Bouguereau ein Gemälde: Dante And Virgil In Hell.

Gustave Doré, der sich schon im Alter von neun Jahren an der Illustration der Göttlichen Komödie versuchte, schuf im Jahr 1861 zahlreiche Holzstiche. Diese zählen heute zu den bekanntesten Illustrationen des Werks. Darüber hinaus malte er auch ein Gemälde mit dem Titel Dante et Virgile dans le neuvième cercle de l’enfer, das Dante und Vergil im neunten Kreis der Hölle zeigt.

Anselm Feuerbach malte im Jahr 1864 das Gemälde des Liebespaars Paolo und Francesca. Franz von Bayros, der vor allem durch seine erotischen Zeichnungen bekannt wurde, illustrierte das Werk im Jahr 1921. In der Mitte des 20. Jahrhunderts entwarf Salvador Dalí einen Bilderzyklus zur Göttlichen Komödie.

1975 wird der britische Künstler Tom Phillips mit der Illustrierung des Inferno beauftragt. Er übersetzt Dantes Text ins Englische und über einen Zeitraum von etwa sieben Jahren entstehen 139 Illustrationen zu Dantes Inferno (Künstlerbuch Talfourd Press 1983, Thames & Hudson 1985). Phillips' Illustrationen stellen einen sehr persönlichen visuellen Kommentar dar, der den mittelalterlichen Text in das 20. Jahrhundert überträgt.

Von Robert Rauschenberg stammt eine Serie von 34 Zeichnungen zum Inferno, die er mit 35 Jahren, dem Alter, als Dante mit der Commedia begann, angefangen und an der er 18 Jahre lang gearbeitet hat. Rauschenberg benutzt dabei eine ganz eigene Technik, wie Frottagen von mit Terpentin angefeuchteten Fotos, die als eine Art Collage auf jeweils 36,8 × 29,2 Zentimeter großem Strathmore-Papier zusammengefügt werden und den Effekt einer Zeichnung erzeugen. Als Vorlagen für Dante und Vergil können Bilder von Adlai Stevenson, John F. Kennedy, antike Statuen, Baseballschiedsrichter oder auch einfach der Buchstabe V dienen. Die Zeichnungen sind oft dreigeteilt und entsprechen hier der Dreiteilung des von Dante verwendeten Versmaßes, der Terzine. Bei intensiver Betrachtung erweisen sich Rauschenbergs Illustrationen als sehr nah an Dantes Text, ja sie erschließen sich dem Betrachter erst bei der Lektüre.

Zwischen 1992 und 1999 illustrierte die deutsche Künstlerin Monika Beisner alle 100 Gesänge (Cantos) der Göttlichen Komödie. Sie ist damit eine der Wenigen, welche die komplette Komödie malerisch umgesetzt haben und die erste Frau, die sich der Illustration des Werks angenommen hat. Dabei übertrug sie Dantes 100 Gesänge detailreich und so wortgetreu wie möglich in Bilder, gemalt mit Eitempera-Farben.

Der Südtiroler Künstler Markus Vallazza hat zwischen 1994 und 2004 zahlreiche Illustrationen (300 Stiche, 9 Bildbände und an die 100 Gemälde) zur Göttlichen Komödie geschaffen. Miquel Barceló schuf 2003 eine umfangreiche Buch-Illustration zum Inferno, die jeweils zweisprachig in Spanien und in Deutschland erschienen ist.

Der Bildhauer Auguste Rodin arbeitete annähernd 37 Jahre am „Höllentor“, einem bronzenen Portal für das Musée des Arts Décoratifs in Paris, wobei er hauptsächlich von der Göttlichen Komödie inspiriert wurde. Auch wenn es nie zur ursprünglichen Ausführung kam, kann dieses Werk wegen seiner zahlreichen daraus isolierten Skulpturen (z. B. Der Denker, welcher Dante Alighieri darstellt) als das Hauptwerk Rodins bezeichnet werden.

Giuseppe Terragni entwarf 1938 ein „Danteum“ an der Via dell’Impero, der heutigen Via dei Fori Imperiali in Rom. Als gebaute Architektur der Vision Dantes von der Einigung Italiens sollte der Entwurf von 1938 zudem die Wiedererrichtung des Italienischen Reiches durch Mussolini verherrlichen. Die Kriegsentwicklung verhinderte jedoch die Ausführung.

Das vom italienischen Architekten Mario Palanti zwischen 1919 und 1923 errichtete Palacio Barolo in Buenos Aires wurde entworfen im Einklang mit dem Kosmos, wie er in Dante Alighieris Göttlicher Komödie beschrieben wurde. Die 22 Etagen sind in drei Sektionen unterteilt. Der Keller und das Erdgeschoss repräsentieren die Hölle, die Etagen 1 bis 14 das Fegefeuer und 15 bis 22 den Himmel. Die Höhe von 100 Metern entspricht den 100 Gesängen der Göttlichen Komödie.

1909–1911 wurde in Italien die Göttliche Komödie in drei Teilen verfilmt. Die Regisseure des Stummfilms waren Francesco Bertolini und Adolfo Padovan. Im Jahr 2004 erschien der Film in einer DVD-Fassung unter dem Titel L’inferno.

1985 drehen Peter Greenaway und Tom Phillips einen 15-minütigen Pilotfilm zu einer geplanten Serie: A TV Dante, der erst drei Jahre später überarbeitet und um weitere Canti (I–VIII) ergänzt wird. A TV Dante wird 1990 beim Montreal International Film and Video Festival als „Best experimental video of 1990“ und 1991 mit dem Prix d’Italia ausgezeichnet. 1989 dreht der chilenische Regisseur Raúl Ruiz sechs weitere Gesänge, die auch unter dem Titel Diablo Chile bekannt sind.

Eine Adaption findet sich auch in dem US-Drama Hinter dem Horizont von 1998, in dem die Rollen Dantes und Vergils mit geänderten Namen durch die Schauspieler Robin Williams und Cuba Gooding, Jr. verkörpert werden. Der Plot ist in die Gegenwart versetzt und verändert, jedoch sind unverkennbare Szenen, beispielsweise die Reise über den Totenfluss, eindeutig als eine Adaption des Originals zu sehen.

Im Jahr 2010 erschien eine Anime-Version unter dem Titel Dantes Inferno: An Animated Epic. Diese Geschichte basiert lose auf Dantes Gedicht und beschreibt Dante als einen gefallenen Kreuzritter, der versucht, seine geliebte Frau Beatrice aus der Hölle zu befreien und sich dabei mit seinen eigenen Sünden und deren Folgen, die zu Beatrices Tod geführt haben, auseinandersetzen muss.

Mit dem Ende des Mittelalters gewann das Theater neue Funktionen in der höfischen und kirchlichen Repräsentanz. Während die Bürger das mittelalterliche Mysterienspiel fest übernommen hatten, erstrahlte an Höfen eine neue Elitekultur. Feiertage wurden mit Opernaufführungen zelebriert. Höfische Theaterbauten, Theater innerhalb fürstlicher Residenzen, in Gartenanlagen integrierte Heckentheater, Kirchenbauten, die die Aufführung von religiösen Opern und Oratorien zuließen, zeugen vom Gebrauchswandel.

Die Neuzeit war geprägt durch einschneidende geographische, naturwissenschaftliche und geistige Entdeckungen, durch das Scheitern der mittelalterlichen Kirche und durch die Besinnung der Philosophie und Kunst auf den Menschen und die Entfaltung der freien Persönlichkeit. Im Theater der Humanisten erkennt man erste Ansätze zur Tradition des „klassischen Dramas“, in dem eine spannende Handlung durch Dialoge vorangetrieben wird. So folgte auch, dass die Orte der Handlung nicht mehr simultan nebeneinander standen, sondern chronologisch durch Szenenumbau belebt wurden.

In Kants Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ finden sich Ansatzpunkte für eine politische Theorie Kants, die in der Hinsicht interessant sind, weil Kant noch nicht gezwungen war, seine schriftstellerische Freiheit zu beschränken, wie es nach dem Tod Friedrichs gewesen ist und den er auch als aufgeklärten Staatslenker betitelt. Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, was „Aufklärung“ für Kant bedeutet und inwieweit Vernünftiges handeln für einen „aufgeklärten“ oder „idealen Staat“ notwendig ist.

Für Kant stellt die Aufklärung eine historistische Epoche dar, deren Aufgabe es ist, die Menschen geistig zu emanzipieren und irrationalem Denken Einhalt zu bieten. Dabei unterscheidet Kant zwischen dem „Zeitalter der Aufklärung“ und dem „aufgeklärten Zeitalter“.7 Ersteres ist als reine historische Epoche anzusehen, in der gesellschaftliche Institutionen aufgeklärten Inhalt behandeln und nicht mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gleichzusetzen ist, denn diese betitelt Kant nicht als aufgeklärt. Vielmehr wird in ihr der Mensch dazu befähigt, aus der „Unmündigkeit“ herauszutreten und sich seiner Vernunft zu bedienen, ohne sich anderen fügen zu müssen.8 Dies soll in vielen verschiedenen Bereichen erfolgen, beispielsweise beim staatlichen Gesetzgebungsprozess oder bei der öffentlichen Meinungsbildung. Gründe für ein Nicht-aufgeklärt-sein sind für Kant Faulheit und Feigheit, die den Menschen seiner Mündigkeit berauben. Es ist bequemer und vermeintlich sicherer, die eigenen Aufgaben anderen Menschen aufzuerlegen. Anstatt sein eigenes Handeln zu reglementieren und zu reflektieren, ist es angenehmer, Seelsorgern oder Ärzten die Verantwortung aufzubürden. Kant geht es hier nicht darum zu sagen, dass das Einholen eines medizinischen oder geistlichen Rates unrühmlich ist, das stellt er gar nicht in Frage. Es ist durchaus „aufgeklärt“, Expertenmeinungen einzuholen und sich selbst und letzen Endes auch die Gesellschaft durch Wissensaustausch voran zu treiben. Was Kant hier jedoch kritisiert, ist zum einen das Abwälzen der eigenen Verantwortung auf andere und somit auch das Über-Gebühr-Belasten dieser, was zur Konsequenz hat, dass diese somit weniger Raum haben, um sich selbst zu entwickeln. Hier findet also eine Art Ausnutzung der Gesellschaft statt. Zum anderen soll der Mensch weiter nach dem Fortschritt streben und die „Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit“ jedes Mal aufs neue ablegen.

Früher, als der Mensch naturbedingt an fremde Leitung (naturaliter maiorennes) gebunden war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich dem Herrschenden zu unterwerfen und sein Schicksal hinzunehmen. Heute steht der Mensch in der Pflicht , sich nicht durch die Meinung oder Herrschaft anderer entmündigen zu lassen. „Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen,“ ist genau die falsche Vorgehensweise, die als „sehr gefährlich“ einzuschätzen ist. Kant ist sich der „Ungemütlichkeit“, seinen eigenen Geist zu bearbeiten, um der Unmündigkeit zu entfliehen, durchaus bewusst und appelliert an jeden Menschen sich in Selbstaufklärung zu betätigen. Hinsichtlich des Begriffes „Aufklärung“ versteht Kant darunter nicht die oder eine Epoche, sondern schreibt jeder Generation eine eigene Aufklärung oder besser Aufgeklärtheit zu, jeweils in ihrem eigenen Sinne. Es findet in jeder Epoche Aufklärung statt, welche die nachfolgende Epoche als Ausgangspunkt für ihr weiteres Aufklären benutzt. Bei Aufklären und Aufklärung handelt es sich im kantischen Sinne um zwei in Relation zueinander stehende Begriffe, wobei nicht jede aufklärende Epoche als aufgeklärt gelten kann. Im Idealfall und als Ziel der Menschengeschichte wird Aufklärung und Aufklären zu ein und derselben Sache und kultiviert durch Vernunft die Gesellschaft.

Kant versteht unter dem Begriff der Aufklärung Erziehung, Bildung und sittliche Vervollkommnung des Menschen. Aufklärung bedeutet jedoch auch Freiheit im Allgemeinen. Der Mensch darf gewissentlich handeln, seine Meinung frei äußern, Überzeugungen offen kund tun, politisch handeln und gesetzgebende Organe kritisieren. Dabei steht der Mensch im Vordergrund, der aktiv seine Handlungen ausführt und seine Vernunft gebraucht. Die Aufklärung stellt ein Symbol der Menschlichkeit dar. Würde der Mensch „roh“ und ohne Vernunft handeln, so wären seine Handlungen naturgetrieben, was ein Zurückwerfen in einen barbarisch-animalischen Zustand zur Folge hätte.

Die Aufklärungsdiskussion ab 1650 nahm Vorstellungen des Renaissance-Humanismus und der Reformation zwischen 1480 und 1550 auf, die das Mittelalter als vergangene Epoche definierten und von der Gegenwart eine Neuausrichtung in Form einer Wiederbelebung der Antike forderten, um dem Mittelalter zu entrinnen. Der Lichtmetaphorik bezüglich des „finsteren“ Mittelalters entsprach nun kontrastierend ein „helleres“ Zeitalter.

Allgemein versteht man unter dem Begriff "Aufklärung" das Vorhaben, durch Wissen und neue Erkenntnisse Antworten auf Fragen zu finden und Zweifel, Vorurteile oder falsche Annahmen auszuräumen. Im Zeitalter der Aufklärung wurde die menschliche Vernunft zum Maßstab eines jeden Handelns erklärt: Wie bereits erwähnt, war einer der Grundsätze der Aufklärung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen - lediglich das, was durch ihn erfasst und erklärt werden konnte, wurde als Grundlage und Maß für Entscheidungen und Handlungen anerkannt. Man spricht auch von der philosophischen Strömung des Rationalismus.

Der Begriff Aufklärung fasste verschiedene geistige, soziale und kulturelle Strömungen zusammen. Die Gemeinsamkeit dieser Strömungen bestand in der Kritik am absoluten Wahrheitsanspruch der Offenbarungsreligionen und an den absoluten Monarchien.

Man war bestrebt, sich von alten Denkweisen und früheren Vorstellungen zu befreien. Die Menschen sollten - anders als früher - ihren Kopf benutzen und nichts als gegeben hinnehmen, ohne es mittels der Vernunft zu hinterfragen. Dies richtete sich vor allem gegen blinden Gehorsam gegenüber der Kirche und anderen Obrigkeiten, gegen Vorurteile und Aberglauben. In den Augen der Aufklärer war allein der Verstand in der Lage, die Wahrheit ans Licht zu bringen und Vernunft und Freiheit das richtige Mittel, um die Menschen von Unterdrückung und Armut zu erlösen.

Durch die Abkehr vom Bösen, Schauernden und Abgründigen gelangt der aufgeklärte Mensch zu einem Optimismus, der ihn dazu anregen sollte, lachend und heiter durch die Welt zu wandern. Auf dem Weg durch das Leben erkannte jener dann die Einfachheit der Welt und beschäftigte sich mit Themen, auf die er geradezu spielerisch einfache Lösungen (er-)fand. Erstmals sollte der Mensch nicht nur ein Teil der Gesellschaft sein. Vielmehr stellte er die Gesellschaft selbst dar, in der er nicht seinem Schicksal ausgeliefert war, sondern es eigenhändig „schmiedete“. Über ganz Europa schwappte eine Welle der Euphorie für Wissen, Verstand und Bildung. In allen Bereichen entwickelte sich dabei ein Verlangen sein eigenes Wissen weiterzugeben, zu lehren und zu erziehen. Vor allem Staatsmänner, Dichter und Pfarrer entdeckten eine Lehrerperson in sich, die nach einfachen Erklärungen zur Weitergabe an das Volk trachtete. Einfachheit statt Komplexität, und damit vollkommene Verständlichkeit, sollten zu einem gebildeten und aufgeklärten Bürgertum führen.

Einen großen Stellenwert erkannten die Philosophen wie Johann Heinrich Pestalozzi und Jean-Jacques Rousseau in den Kindern. Die Erziehung zum eigenständigen und eigenverantwortlichen Denken sollte so früh wie nur möglich im Leben eines Menschen stattfinden. Rousseau fordert dazu am Anfang des ersten Buches aus „Emile oder Über die Erziehung“ folgendes: „Pflege und tränke das junge Gewächs, bevor es stirbt; eines Tages werden seine Früchte deine Wonne sein.“ Er sah im Kind und seinen Fähigkeiten die Chance eine bessere Gesellschaft und einen besseren Staat entstehen zu lassen, der allgemein und gerecht handeln sollte.

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, stellte die Erziehung für John Locke eine essentielle Tätigkeit in der modernen Zeit dar. Vor allem der Erziehung der Kinder räumt er den größten Stellenwert ein und verweist zugleich auf die Pflichten und die Verantwortung, welche die Eltern dabei tragen. Er bedauert aber, dass sich leider nicht allzu viele Menschen damit auseinandersetzen, obwohl nach ihm „das Wohl und der Wohlstand der Nation“ in hohem Maße davon abhängen, wie die nächste Generation erzogen wird. Sein Hauptaugenmerk legt Locke auf seine Erziehung des Gentlemans. Dieser Status wird getragen von der führenden Gesellschaftsschicht, welche in öffentlichen Ämtern und im Staatsdienst ihre Berufung findet. Diese Menschen, die sich als Gentlemen bezeichnen dürfen, haben nach Locke eine edle und vollkommene Erziehung genossen, durch die sie auch Andere dazu bewegen können, ihrem Beispiel zu folgen. Sie müssen dabei nicht unbedingt wissenschaftlich gebildet sein, denn das stand bei Locke nicht an vorderster Stelle. Vielmehr sollte der Mensch erzogen statt ausgebildet werden, tugendhaft statt hochintelligent und Lebenskünstler statt Wissenschaftler sein. Sein Gentleman kann ohne Gefahr auf einen Teil der Bildung verzichten und sich auf die allgemeine Klugheit und das Benehmen konzentrieren, ohne dabei befürchten zu müssen, in seiner Persönlichkeit oder in seinem Beruf Schaden zu erleiden.

Daraus lässt sich auch erkennen, dass er sich auf den Leitspruch „res non verba“ berief, also den Dingen zugewandter war, als der Sprache. Er betrachtete die Diskussion als pure Zeitverschwendung, da sie letztendlich nur wenig oder gar nichts besagt. Die Kunst zu Diskutieren vergleicht er mit der ebenso unsinnigen Fähigkeit Knoten in ein Spinnennetz zu flechten.

Mit Hilfe seiner Erziehungsansätze versucht John Locke nicht das junge Wesen wissenschaftlich zu prägen, sondern dessen Geist und Verstand zu öffnen und vorzubereiten, um ihm die Voraussetzungen zum Erlernen einer Wissenschaft zu geben.

Ohne Zweifel spricht Locke bei seinem Gentleman nicht von den Armen und den Menschen, die der Gesellschaft zur Last fallen. Diese sollten zum Beispiel in der Wollindustrie einer erbarmungslosen und streng religiös geführten Disziplin unterliegen und so ihren Teil in die Gesellschaft beitragen. Hieran erkennt man schnell, dass Locke der erste Aufklärer war, weil er sich nur mit dem höheren Bürgertum abgab. Die unteren Schichten fielen durch sein Raster und wurden wie beschrieben als Arbeiter in den Bienenstock der Gesellschaft eingereiht.

Und doch hatten seine Ansätze großen Erfolg. Seine „Gedanken über Erziehung“ von 1693 (ebd.) wurden für die pädagogische Entwicklung im 18. Jahrhundert ausschlaggebend und für viele Teilbereiche wie das Schulwesen übernommen und weiterhin optimiert.

Ein wichtiger Faktor war dabei die Bildung, denn ein Spruch, den wir heute noch kennen, war ebenfalls einer der Leitsätze der Aufklärung: "Wissen ist Macht". Dieser Satz wurde vom englischen Philosophen Francis Bacon geprägt und bedeutet, dass es einem Menschen erst durch Bildung und Wissen ermöglicht wird, seinen Verstand zu benutzen und eine eigenständige und unabhängige Person zu werden. Bildung und Wissenschaft sollten gefördert und vor allem in allen Schichten der Bevölkerung verbreitet werden. Die Aufklärer wollten Freiheit und Gleichheit für die Menschen sowie Toleranz gegenüber anderen Religionen - eine Forderung, die in der damaligen Gesellschaft äußerst neuartig und einschneidend war.

Eine geschlossene Theorie der Aufklärung gibt es nicht. Eher wurden Theorien der Aufklärung zwischen Gruppen, die das Wort für sich beanspruchten, sich von ihm distanzierten oder einander das Recht absprachen, in der Tradition der Aufklärung zu stehen, diskutiert. Grundgedanken wie die Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, wie sie in die Verfassung der Vereinigten Staaten einflossen, wurden von einzelnen Aufklärern wie Edmund Burke oder Moses Mendelssohn kritisch betrachtet.

An den Humanismus anknüpfend brachte in der philosophischen Auseinandersetzung zuerst der Rationalismus angeführt von Spinoza und Leibniz neue Denktheorien hervor. Das bis dahin hegemoniale System von den angeborenen Ideen von Descartes wurde vom Empirismus (Locke, Hume), die Abhängigkeit allen Wissens von der sinnlichen Erfahrung, kritisiert.

Als Bestandteil des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags betrachtet Locke die Verpflichtung auf das Mehrheitsprinzip, da der Gesamtkörper nun einmal in die Richtung der größeren Kraft bewegt werden müsse. Speziell das Parlament stellt einen wichtigen Anwendungsbereich des Mehrheitsprinzips dar, da es als Gesetzgebungsorgan auf Entscheidungsfähigkeit gegründet sein muss. Zwischen dem Parlament als Legislativorgan und der allein für die ausführende Gewalt (Exekutive) zuständigen Krone sieht Locke eine ausbalancierte Gewaltenteilung vor.

Wie Locke war nach ihm auch der französische Adelsspross Montesquieu, der neben den französischen politischen Gegebenheiten seiner Zeit bei einem längeren England-Aufenthalt auch die britischen Verhältnisse gründlich studierte, Anhänger einer konstitutionellen Monarchie. Dem Modell einer Machtbeschränkung durch Gewaltenteilung (Le pouvoir arrête le pouvoir) zog er mit der Judikative die dritte tragende Säule ein.

Nach rechtswissenschaftlichen Studien in Bordeaux und Paris war Montesquieu für einige Jahre am Gerichtshof (Parlement) von Bordeaux im Amt und in dieser Funktion auch mit der kritischen Prüfung und Registrierung königlicher Erlasse befasst. Ausgeprägter Abstand zu dem im Niedergang befindlichen französischen Absolutismus spricht auch aus seinem 1721 veröffentlichten Werk, den Persischen Briefen (Lettres persanes), in denen die französische Monarchie nicht besser beurteilt wird als die auf literarischer Basis zum Vergleich herangezogene osmanische Despotie.

Auch in seinem epochemachenden staatstheoretischen Standardwerk Vom Geist der Gesetze (De l’esprit des lois) stellt Montesquieu eine Fülle von Vergleichen zwischen Europa und dem Orient an, und zwar bezogen auf die Ebene damals geltender sowie ehedem erlassener Gesetze. Freiheit im politischen Sinne wird aus seiner Sicht nicht durch Volksentscheide bewirkt, sondern gründet in der Sicherheit durch generelle Gesetze. Deren Geltung ist durch eine nach allen Seiten unabhängige Rechtsprechung zu gewährleisten, die allein an die Gesetze gebunden ist.

Gewisse unveräußerliche und schützenswerte Rechte der menschlichen Individuen im staatlichen Rahmen haben Vordenker aufklärerischen staatstheoretischen Denkens wie Grotius, Locke oder Montesquieu mit je unterschiedlichem Akzent in ihren Gesellschafts- und Herrschaftsmodellen bereits berücksichtigt. Als allgemeine Menschenrechte sind solche Vorstellungen in erweiterter Form eingegangen in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776, in die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte durch die Französische Nationalversammlung 1789 und schließlich in die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen 1948.

Das Herrschaftssystem im Übergang zum 18. Jahrhundert ist absolutistisch und hält an seinen Traditionen fest. Hier kann sich das neue Denken nicht entfalten. Auf politischer Ebene entstehen lang andauernde Probleme: Die Staatenbildung ist noch nicht abgeschlossen und die politische Macht in den Händen der Fürsten, die ihren Einfluss über die gewachsenen Abhängigkeitsstrukturen sicheren und ihre maroden Finanzen mit verstärkten Steuereinnahmen auszugleichen suchen. Der absolutistische Herrschaftsanspruch der Fürsten konkurriert mit dem aufsteigenden Besitzbürgertum der großen Städte, die in dieser Zeit aufgrund des erweiterten Handels im Zuge der Kolonialisierungen, dem Ausbau der Infrastruktur, des Bevölkerungswachstums und der immer differenzierter werdenden Bedürfnisse der Menschen nach Dienstleistungen und Waren größer werden; der Konflikt zwischen zentraler Herrschaft und dem alten Adel wird bis ins 19. Jahrhundert andauern.

Die Zeit bringt jedoch noch eine andere Schicht hervor, die zwar keine politischen Einflussmöglichkeiten hat, dessen geistige Dominanz die neue Strömung jedoch durchsetzen kann. Das Bildungsbürgertum. In ganz Europa tauschen sich die Gelehrten (in dieser Zeit noch auf Französisch), aber auch zunehmend nichtuniversitäre Bereiche der Gesellschaft (Frauen, der Adel) über die neuen Fragen aus, in Leipzig, Paris und London, um nur einige größere Zentren zu nennen, entstehen gesellschaftliche Tendenzen, die der ausschweifenden höfischen Rokoko-Kultur eine moralische Instanz entgegensetzen.

Zum ersten Mal wird in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in Deutschland Berufsdichter hervorbringen, die nicht mehr, wie noch um 1700, hauptsächlich den klerikalen oder höfischen Schichten angehören, sondern wie Klopstock oder Gottsched zwar von den Höfen unterstützt, nicht aber aus diesen hervorgegangen sind.

Die soziokulturelle Schere in der Gesellschaft ist nach wie vor weit geöffnet: Mehr als vier Fünftel etwa der deutschen Bevölkerung leben im 18. Jahrhundert von der Landwirtschaft; ihre Haushalte sind bäuerlich und grundherrlich organisiert. Und auch hier gibt es Veränderungen: Die traditionelle Ökonomie der „Hausväter“ innerhalb der Organisationsform des „ganzen Hauses“ löst sich im Laufe des 18. Jahrhunderts auf, weil die Agrarwirtschaft in das komplexe Netz des kapitalistischen Welthandels verstrickt wird und sich neue wirtschaftliche Strukturen ausbilden.

Von „Malerei der Aufklärung“ wird in der Regel so wenig gesprochen wie von „Musik der Aufklärung“. Das Projekt der Aufklärung wird von der Forschung eher in kunstkritischen Diskussionen als in eigenen Kunststilen verortet. Vom Standpunkt eines Konflikts zwischen Barock und Aufklärung mag dies so erscheinen, indem der Aufklärung Kritik und Vernunft zugeschrieben werden und dem Barock die Betörung der Sinne, unter anderem durch Musik und Malerei.

Die Literatur spielte eine sehr wichtige Rolle im Zeitalter der Aufklärung, schließlich war sie die beste Art, nicht nur Reiche und Gelehrte zu erreichen, sondern auch die Allgemeinheit. Denn mit ihrer Hilfe konnten die neuen Ideen angenehm verpackt und so besser vermittelt werden. Die Menschen hatten nicht den Eindruck, belehrt zu werden, sondern erfreuten sich an einem Gedicht oder Theaterstück und bekamen trotzdem die Vorstellungen der Aufklärer mit auf den Weg.

Bestimmte Gattungen ("Textsorten") und Formen der Literatur fanden die Aufklärer besonders geeignet, um die Menschen zu belehren. Zum Beispiel waren Fabeln in der Aufklärung sehr beliebt, in denen Tiere auftraten, die menschliche Züge hatten und sich wie Menschen verhielten. Der berühmte Dichter Gotthold Ephraim Lessing führte außerdem etwas völlig Neues in die Welt des Theaters ein: das bürgerliche Trauerspiel. Vorher war es üblich gewesen, dass die Hauptfiguren in solchen Trauerspielen ausschließlich Adlige waren. Lessing aber setzte Bürgerliche in den Mittelpunkt seiner Theaterstücke. Auch Romane waren in der Aufklärung sehr beliebt, um den Lesern die neuen Ideen zu vermitteln. Zusätzlich zu den in Deutschland entstandenen Werken wurden auch Romane, Erzählungen und Theaterstücke aus dem Französischen und Englischen übersetzt und in Deutschland veröffentlicht.

Das Zeitalter der Aufklärer hat neben G. E. Lessing noch eine ganze Reihe von Dichtern und Denkern hervorgebracht, die wegen ihres großen Einflusses uns noch heute bekannt sind. Der Dichter Christoph Martin Wieland gilt etwa als der bedeutendste Erzähler der Aufklärung, weil er den ersten "Bildungsroman" verfasste. Bekannte Vordenker und Philosophen der Aufklärung sind zum Beispiel der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibniz, der Franzose Descartes, der Brite John Locke oder der Schotte David Hume.

Als bedeutendster Philosoph der Aufklärung wird der deutsche Denker Immanuel Kant angesehen, von dem auch der Leitsatz der Aufklärung, "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!", stammt. Nach Kant ist Aufklärung "der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" - auch dieser Satz ist berühmt geworden. Sein wichtigstes Werk heißt "Was ist Aufklärung?" und erklärt ganz genau, worauf es bei der Aufklärung ankommt.

Zu den bedeutendsten Vertretern der französischen Aufklärung gehört außerdem der Schriftsteller und Philosoph Voltaire, dessen Werke auch übersetzt und in anderen Ländern eifrig gelesen wurden. Er verurteilte den Absolutismus scharf und kritisierte außerdem die Vormachtstellung der katholischen Kirche. Voltaire zeichnete sich dadurch aus, dass seine Schriften leicht verständlich waren und außerdem einen spöttischen Unterton hatten.

Das Zeitalter der Aufklärung stellte einen großen Einschnitt in der Geschichte dar und hatte schwerwiegende Auswirkungen. So wurden die Geschehnisse und Umbrüche zur Zeit der Französischen Revolution von 1789 maßgeblich von der Aufklärung bestimmt. Zwar kann man die "große Revolution" in Frankreich nicht allein auf die aufklärerische Bewegung zurückführen, aber die Revolutionsführer waren allesamt Anhänger der Ideen der Aufklärung - die Leitgedanken der Revolution waren "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit".

Als Folge der Revolution wurde in Frankreich der Absolutismus abgeschafft. Zu den wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung gehört, dass die ersten demokratischen Verfassungen in Kraft gesetzt und unverzichtbare Menschenrechte niedergeschrieben wurden. Die erste dieser Verfassungen, die sich auf die Gedanken und Ideale der Aufklärung stützen, war die Unabhängigkeitserklärung der Gründungskolonien der USA im Jahr 1776, 15 Jahre später folgten die demokratischen Verfassungen von Frankreich und Polen.

Zweifelsohne stellte das Zeitalter der Aufklärung die Weichen für die "moderne Welt". Zum Ausgang des 17. Jahrhunderts wurde das Ideal eines "vernunftgesteuerten Handelns" aber auch zunehmend infrage gestellt - zum Teil kam die Kritik von Vertretern der Aufklärung selbst. So ging der englische Philosoph und Aufklärer Shaftesbury von einem "Sinn für das Moralische" aus, der nicht von Vernunftstrategien, sondern von Gefühlen geleitet werde. Die einseitige "Verstandesherrschaft" wurde von Kritikern als Abkehr von der Gefühlswelt und Fantasie angesehen.

Bemängelt wurde von vielen zeitgenössischen Denkern, Schriftstellern und Künstlern, dass das aufklärerische Menschenbild dem "ganzen Menschen" nicht gerecht werde und ihn auf ein Verstandeswesen reduziere, das in einem maschinenähnlichen Körper wohnt. Ebenso die Fortschrittsgläubigkeit - das naive Vertrauen in die Errungenschaften der Naturwissenschaften und Technik - wurde angeprangert. Es kamen Zweifel auf, ob die Probleme und Konflikte im menschlichen Zusammenleben in einer von der Vernunft geleiteten Gesellschaftsordnung beseitigt werden könnten.

Zwischen 1600 und 1780 verändert sich nicht nur die Position des Menschen im Kosmos. Weltuntergangsszenarien grassieren noch im Jahrhundert nach der Reformation in einer breiten chiliastischen Grundstimmung. In Zukunftsszenarien der 1770er-Jahre geht die Menschheit fortan der Tugend entgegen.

Die Leser, für die Thomas Hobbes 1651 seinen Leviathan verfasste, gingen offenkundig davon aus, dass die Natur des Menschen verderbt sei, und dass nur die Angst vor Strafe die Menschheit davon abhalte, sich selbst zu zerfleischen. Dagegen glaubte der Leser, an den sich Shaftesbury 1696 mit seinem Inquiry Concerning Virtue or Merit richtete, dass der Mensch von Natur aus das größte Glück empfinde, wenn er in Harmonie mit seiner Umwelt lebe. Bernard Mandeville attackierte Shaftesbury in den erweiterten Fassungen seiner Fable oft he Bees 1714 und 1723: Das stimme wohl, denn die meisten Menschen hielten sich in ihrem Innersten für tugendsam und zeigten sogar ein schlechtes Gewissen, wenn niemand ihre Untugend bemerke. Doch sage das nichts über die Natur des Menschen aus, sondern allenfalls über die Erziehung, die ihn solche Tugenden verinnerlichen lasse. In der Folge stabilisiere die Gesellschaft sich selbst, indem sie Menschen, bei denen die Erziehung glückt, mit verantwortlichen Positionen ködere und belohne.

Die Lehren Pufendorfs waren über Gershom Carmichael nach Schottland gelangt. Sein Schüler Francis Hutcheson knüpfte eng an Shaftesbury an und entwickelte mit dem „Moral Sense“ eine Moralpsychologie. Zugleich war er Mitbegründer der Schottischen Schule. In seiner Nachfolge bewegten sich auch Adam Ferguson, David Hume und Adam Smith mit ihren moralphilosophischen Arbeiten. Gegen den Skeptizismus Humes stellte Thomas Reid den „Common Sense“, vertrat aber in der Moralphilosophie ebenfalls einen psychologischen Standpunkt.

Das Verhalten änderte sich zwischen den 1690er- und den 1740er-Jahren. In Romanen des frühen 18. Jahrhunderts wird es noch als Tugend aufgefasst, wenn eine Heldin „Verschlagenheit“ beweist: die Kunst, ihre Affekte in Zaum zu halten und sich beim Verfolgen geheimer Pläne nichts anmerken zu lassen. Christian Thomasius theoretisiert in den 1690ern, dass tugendsame und tugendlose Menschen sich derselben Taktiken der Verstellung bedienten – die einen zu guten und die anderen zu bösen Zwecken. Mitte des 18. Jahrhunderts kommen demgegenüber Dramen auf den Markt, deren Heldinnen erröten, wenn sie ein Geheimnis vor ihren Eltern oder Geschwistern hegen sollen.

In den 1770ern kommen mit Romanen wie Henry Mackenzies Man of Feeling (1771) selbst Männer in Mode, die innerlich zerbrechen, wenn sie nicht mit der Welt in Einklang leben. Für andere Menschen zu leben, bereitet den neuen tugendsamen Helden Mitte des 18. Jahrhunderts das intimste Glück. Sie machen einander Geständnisse, wo ihre Vorgänger im frühen 18. Jahrhundert noch ihre Reputation voreinander verteidigen. Die Helden der Jahrhundertmitte sind von Natur aus zart besaitet, schwach, auf die Hilfe anderer angewiesen – und erhalten diese Hilfe, da sie einander offenherzig begegnen. Durch permanente Enthüllungen begegnet die Kunst des Schriftstellers, Schauspielers oder Malers dem traditionellen Vorwurf der Täuschung, am radikalsten in Rousseaus vor 1770 entstandener Autobiographie (Les Confessions). Dass Denis Diderot in seiner Satire Rameaus Neffe (etwa 1760–75) einen zugleich sensiblen und zutiefst verwerflichen Helden erfindet, ist eine Provokation und lässt sich nicht mehr veröffentlichen. Die Helden des frühen 18. Jahrhunderts zeigten dagegen Stärke, wenn es darum ging, die eigene Reputation offensiv und rücksichtslos öffentlich in Szene zu setzen. Auch die Aufwertung der Faustfigur von einem Verbrecher, den man insgeheim bewundert, zu einem aufklärerischen Vorbild, vollzieht sich in dieser Zeit.

Im hohen Drama erscheint die sinnliche Liebe schon seit 1700 nicht mehr nur als selbstsüchtige Leidenschaft, wie in Antoine Houdar de la Mottes Ballett Le Triomphe des Arts (1700), in dem Pygmalions entfesseltes Begehren auch die Seefahrt und die Landwirtschaft beflügelt. Allmählich wird das Begehren auch in der niederen Komödie zur bürgerlichen Liebe aufgewertet: Die Titelfigur der überaus erfolgreichen Opera buffa La serva padrona (1733) von Giovanni Battista Pergolesi wird noch durch pure Verschlagenheit zur Hausherrin, während die Heldin von Mozarts La finta giardiniera (1775) sich nur aus Liebe verstellt, was durch den deutschen Titel Die Gärtnerin aus Liebe noch zusätzlich betont wurde.

Frauen- und Männerrollen werden zwischen 1650 und 1800 neu definiert. Um 1800 sind Kastraten, Hosenrollen und Travestien von der Bühne verbannt, um zwei „natürliche“ Geschlechter auftreten zu lassen, deren weiblicher Part passiv ist. Dass eine Frau ihre Reputation öffentlich verteidigt, nötigenfalls indem sie publiziert, um ihre Tugend in ein besseres Licht zu stellen, ist im 17. Jahrhundert statthaft. In Romanen fallen bis in das frühe 18. Jahrhundert Heldinnen auf, die sich gegen ihre Eltern stellen und sich, physisch angegriffen, mit Waffengewalt verteidigen. Das zwischen 1660 und 1720 moderne galante Verhalten gesteht es Frauen und Männern zu, einander im Gespräch gleichrangig zu begegnen. Mit den 1720ern, in der Mode der Empfindsamkeit, wird vor allem ein Frauenbild modern, in dem die Frau als das schwache Geschlecht auf den Schutz der Gesellschaft angewiesen ist. Die publizistische Betätigung, die für Frauen wie Madeleine de Scudéry (1607–1701), Aphra Behn (1640–1689), Marie-Catherine d’Aulnoy (1650–1705), Delarivier Manley (1663–1724) legitim war, wird im 18. Jahrhundert neuen Regeln öffentlichen Anstands unterworfen, die von der Frau natürliche Bescheidenheit und Zurückhaltung verlangen.

Hinter den Verhaltensangeboten der Romane und Dramen stehen die erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen: Öffentliche Hinrichtungen als Demonstrationen herrschaftlicher Gewalt geraten im Verlauf des 18. Jahrhunderts als Verstoß gegen die Menschlichkeit und als Beleidigung des Mitgefühls in Verruf. Erziehungsratgeber ändern sich. Eine neue Pädagogik richtet sich im 18. Jahrhundert darauf aus, den Menschen zum moralischen Empfinden zu erziehen. Pädagogische Reformwerke überschwemmen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Markt.

Markant ändern sich nach etwa 1740 die Darstellungen des Privaten. Selbst Adlige lassen sich mit Kindern im Arm und dem Ausdruck der Zärtlichkeit und des Vertrauens porträtieren. Von natürlichen Gefühlen geprägte Bindungen sollten herrschen, wo früher ein schickliches Benehmen demonstriert wurde.

Eigene Gesellschaften werden im 17. und 18. Jahrhundert innerhalb der westlichen Gesellschaften gegründet, mit dem Ziel, erzieherisch auf die Moral und das Bewusstsein einzuwirken: Öffentlich agierende Gesellschaften wie die 1691 in London gegründete Society for the Reformation of Manners und sich der Öffentlichkeit entziehende wie der Illuminatenorden oder die Freimaurerlogen, die gegenüber den religiösen Glaubensangeboten neue, dem Deismus nahestehende philosophischere unterbreiten. Außerdem trafen sich die Aufklärer in Literarischen Salons, die zumeist von gebildeten Frauen geleitet wurden.

Die Sozialisierung wird neuen Idealen unterworfen, die Suche nach einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, in der Seelenverwandtschaften ausgelebt werden, greift aus dem Bereich freikirchlicher religiöser, auf das religiöse Empfinden ausgerichteter Gruppierungen auf die breite bürgerliche Gesellschaft über. Sich mit Gleichgesinnten fest zu assoziieren, wird ein neues Ziel bürgerlicher Individualisierung in den damit zunehmend unüberschaubaren Gesellschaften, in denen Individuen ab dem 19. Jahrhundert deutlich von Orientierungslosigkeit bedroht sind: Der Einzelne muss im Zustand der Aufklärung in den 1770ern und 1780ern zunehmend suchen, um noch Menschen zu finden, mit denen er fühlen kann.

Im späten 17. Jahrhundert kam es mit königlicher Unterstützung zur Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften: 1660 wurde die Royal Society in London gegründet, 1666 die Academie des sciences in Paris. Nach Voltaires Bekunden zeichnete sich speziell Ludwig XIV bei der Förderung der materiellen Unabhängigkeit frühaufklärerischer Literaten aus.

Mit staatlicher Unterstützung formierten sich gelehrte Gesellschaften und Akademien als Einrichtungen, in denen Vertreter eines neuen Gelehrtentypus’ in wechselseitigem Austausch auf methodischer Grundlage nach Erkenntniserweiterung strebten. Vorreiter der Akademie-Gründungen in Deutschland war Gottfried Wilhelm Leibniz, dem 1700 mit kurfürstlicher Förderung die Schaffung einer wissenschaftlichen Akademie in Berlin gelang. Zu deren Zielen gehörte die Sammlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für praktische Zwecke, Impulse für Staat, Wirtschaft und Kultur sollten erarbeitet, die Sprach- und Geisteswissenschaften gefördert werden.

Bezeichnend für das Selbstverständnis vieler frühaufklärerischer Gelehrter war eine kosmopolitische Ausrichtung, wonach die ganze Welt als Heimat und alle Menschen als Brüder angesehen wurden. Reisen und Reiseberichte erlaubten Vergleiche der politischen Verhältnisse und Lebensumstände und forderten eine Abkehr von der Ethnozentrik. Der Schweizer Gelehrte Leonhard Euler zum Beispiel war erst an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg, dann an der Berliner Akademie, blieb beiden verbunden und wurde als technischer Beamter und Wissenschaftler lange Zeit von beiden Regierungen weiter bezahlt.

Eine andere Form gelehrter Gesellschaften stellten die von Gottsched initiierten, hauptsächlich literarisch motivierten „Deutschen Gesellschaften“ dar. Ihnen gehörten vorwiegend Pfarrer, Lehrer und Professoren aus dem gebildeten städtischen Bürgertum an, auch Studenten und einige Adlige. In diesen Gesellschaften galten für den Diskussionsstil bestimmte Regeln, wonach zum Beispiel niemand dem anderen ins Wort fallen oder vom Thema abschweifen durfte.

Frühe Sammelpunkte für aufklärerisch Gesinnte waren neben Akademien und gelehrten Gesellschaften auch Organisationsformen, die sich abseits der das öffentliche Leben dominierenden Wirkungsbereiche von Fürstenhof und Kirche in Freimaurerlogen und Geheimgesellschaften organisierten. Ursprünglich in der Tradition der englischen mittelalterlichen Werkmaurerei und der von den Bauhütten beim Kathedralbau entwickelten Bräuche stehend, kamen als neuzeitliche Freimaurer nun Vertreter der gebildeten bürgerlichen Schichten und von Teilen des Adels in den Logen zusammen, um sich unter Einhaltung spezifischer Gemeinschaftsriten zu Staatsbürgern heranzubilden, die ihr Denken und Handeln in selbstbestimmter Weise an den Geboten einer aufgeklärten Vernunft ausrichteten. Von England ausgehend verbreitete sich die Freimaurer-Bewegung seit Anfang des 18. Jahrhunderts über ganz Europa.

Im von der Öffentlichkeit abgeschirmten Raum der Logen galt die Gleichheit der Mitglieder, die einander Bruder oder Freunde nannten und in diesem Rahmen Standesunterschiede und konfessionelle Trennungen aufhoben. Das galt für Katholiken, Lutheraner und Calvinisten wie für Juden. „Die Sozietäten waren so frei von konfessionellem Geist, dass sie sich gleicherweise in katholischen wie protestantischen Territorien ausbreiten konnten.“

Geheimbünde in diversen Ausprägungen hatten nach dem Zeugnis des Freiherrn Knigge Ende des 18. Jahrhunderts großen Zulauf. Knigge selbst gehörte dem von Adam Weishaupt 1776 gegründeten Illuminatenorden an, der zu Beginn der 1780er Jahre sich über Bayern hinaus in Nord- und Westdeutschland ausbreitete. Zu den Illuminaten stießen vielfach unzufriedene Freimaurer, auch Prominente wie z. B. Goethe, Herder und Herzog Karl August. Bereits 1784/1785 ereilten die Illuminaten aber Verbotsedikte des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor, der beschlagnahmte Papiere Weishaupts publik machte und die darin propagierte radikale Aufklärung als staatsgefährdend betrachtete. So wurde der Illuminatenorden von der konservativen Reaktion später auch zum Entstehungsherd und Auslöser der Französischen Revolution gemacht.

Aufklärerisches Staatsdenken und eine aktive, teils dirigistische Wirtschaftspolitik von Staats wegen entwickelten sich parallel; in England gingen die Anfänge der Industriellen Revolution Hand in Hand mit den theoretischen und praktischen Neuerungen der politischen Verfassung. Kaufleute, Bankiers und Unternehmer blieben einerseits zwar eingebunden in die für sie jeweils maßgeblichen Wirtschaftsstrukturen ihres Landes. Mit ihrer Offenheit für Impulse von außen, ihrer auf nützliche Neuerungen und Gewinnmöglichkeiten gerichteten Wissbegierde und ihrem der Lebenswirklichkeit verbundenen Pragmatismus waren sie einstweilen „unauffällige Vertreter einer Welt im Umbruch.“

Zwar stellten Beamte, Universitätsprofessoren und die durch die Aufklärung häufig zu „Volkslehrern“ sich entwickelnden Pfarrleute und Prediger die Wortführer des aufgeklärten städtischen Bürgertums. Daneben und mit ihnen zunehmend durch Eheschließung verbunden, bezogen aber auch Kaufleute und Handwerksvertreter als traditionelle städtische Eliten aus der Aufklärung neue Reputation, da ihnen die Nützlichkeit für das Gemeinwesen nicht abzusprechen war, nun aber auch das ihnen zugeordnete Motiv des schnöden geldlichen Gewinnstrebens – im Zeichen einer weniger religiös geprägten Betrachtung ökonomischer Sachverhalte – sie nicht mehr aus der „guten Gesellschaft“ ausgrenzte. Das Bürgertum bildete fortan eine erweiterte Wertegemeinschaft, die Meinungsführerschaft in einer zunehmend gebildeten und reformorientierten Öffentlichkeit beanspruchte.

Ständige Orte des geselligen Beisammenseins von Gelehrten und Gebildeten, des Gedankenaustauschs und engagierter Dispute im Zeichen aufklärerischen Denkens waren die zumeist von Frauen unterhaltenen Salons mit berühmten Beispielen in Paris und Berlin. Während Freimaurer und Lesegesellschaften Frauen ausdrücklich ausschlossen, konnten sie im Rahmen der von ihnen geführten Salons an den gelehrten Erörterungen ihrer Gäste sowohl teilhaben als auch eigene Impulse setzen, beginnend bei der durch Einladung bestimmten Zusammensetzung ihrer Gäste-Runden.

Die verschiedenen Salons ergänzten sich zum Teil in Konkurrenz zueinander. Bei der Neugründung eines Pariser Salons durch Madame Necker kam nur mehr der Freitag für eine wöchentliche Zusammenkunft der gewünschten Gäste in Frage. An anderen Tagen der Woche waren sie bereits an andere Salons gebunden. Edward Gibbon, der 1763 mit Empfehlungsschreiben aus London die Pariser Salons besuchte, war an vier Wochentagen regelmäßig Gast bei solchen Gesprächsrunden, die er teils als anregend, aber teils auch als befremdlich erlebte, wenn z. B. von der „Tyrannei der Madame Geoffrin“ oder vom „unduldsamen Eifer der Philosophen und Enzyklopädisten“ die Rede ist.

Als in Deutschland verbreitetste Aufklärungsgesellschaften anzusehen sind die am Ende des 18. Jahrhunderts auf eine Gesamtzahl von 430 geschätzten Lesegesellschaften. Da Bücher relativ teuer und öffentliche Bibliotheken noch rar waren, schlossen Interessierte sich zu Sammelabonnements zusammen und bildeten Lesezirkel, in denen Bücher und Zeitschriften reihum gelesen wurden. In Lesekabinetten gab es nicht nur der Bibliothekslektüre vorbehaltene Räume, sondern auch separate Räumlichkeiten, die dem Gedankenaustausch und der Diskussion über das Gelesene dienten.

Nach englischem Vorbild wurden literarische Kleinformen wie Essay und Traktat zu Hauptverbreitungsformen des aufklärerischen Denkens und neuer philosophischer Anschauungen. Ihr vorwiegender Erscheinungsort waren zu abonnierende Periodika, die zu einer „Leserevolution“ in Deutschland seit Mitte des 18. Jahrhunderts wesentlich beitrugen.

Hervorragende Beispiele für in der Frühaufklärung aktive Frauen in Deutschland sind Friederike Caroline Neuber, die Begründerin des modernen Theaters, Christiana Mariana von Ziegler als Autorin im Umfeld der Gottscheds in Leipzig und Luise Adelgunde Gottsched als Ehefrau und aktive Mitarbeiterin des Verlegers, deren Wirken die Moral und Philosophie der Aufklärung weithin bekannt machte.

Die Reformation löste in den von ihr betroffenen Gebieten Mittel-, West- und Nordeuropas neue theologische und politische Debatten aus, an denen sich große Bevölkerungsteile beteiligten.

Die aus der Reformation hervorgegangenen Konfessionen grenzten sich gegeneinander ab, distanzierten sich aber auch gemeinsam von der Wissenschaftstradition der Scholastik. In Syllogismen über die Folgen von Definitionen nachzudenken und gestützt auf Autoritäten, besonders Aristoteles, zu argumentieren wurde zum Zeichen einer mittelalterlichen Wissenschaftlichkeit. Traditionsbrüche legitimierten sich anfangs fast durchweg als Versuche, zum Urchristentum zurückzukehren oder die gegenwärtige Religionsausübung danach zu reformieren. Das Individuum wurde in diesen Debatten persönlich angesprochen und zur Stellungnahme aufgefordert. Da die Obrigkeiten die konfessionelle Bindung der Bevölkerung nicht allein bestimmen konnten und Gebietsgrenzen sich später veränderten, entstanden konfessionelle Minderheiten. Die Frage ihrer Loyalität gegenüber dem Staat und der Religion, die er privilegierte, wurde juristisch und staatstheoretisch interessant.

In lutherischen Gebieten übernahm der jeweilige Landesherr die Leitung der Landeskirchen. Die reformierte Kirche betonte die grundsätzliche Gleichheit aller Gläubigen und baute neue kirchliche Strukturen auf, teils im Einvernehmen mit der Obrigkeit (so etwa in Genf oder Schottland), teils in Opposition zur katholischen oder lutherischen Herrschaft.

Die Niederlande hatten sich calvinistisch orientiert und republikanisch verfasst. Sie gerieten mit der Dordrechter Synode von 1618/19 in eine Zerreißprobe über die Frage weiterer Teilungen unter den reformierten Protestanten. Danach kam es zu einer fortschreitenden stillschweigenden Liberalisierung. Ab den 1640ern wurden die Niederlande zum ersten Zufluchtsort für französische Hugenotten und verschiedenste Sekten und entwickelten einen gewissen Pluralismus.

In England trennte der König die Church of England zunächst aus politisch-dynastischen Motiven von Rom. Die theologische Reformation unter calvinistischen Vorzeichen folgte. Daher behielt diese Kirche trotz evangelischer Lehre einige katholische Formen und Riten bei. Der König hatte als ihr Oberhaupt einen besonders starken Einfluss auf deren Ausrichtung. Freikirchliche und reformierte Kreise gerieten deshalb in Konflikt mit Landeskirche und Staat zugleich und wurden verfolgt. Daraufhin wanderten viele Angehörige dieser religiösen Minderheiten nach Nordamerika aus. 1641/42 begann der englische Bürgerkrieg, der 1649 mit der ersten Hinrichtung eines Königs – Karl I. - endete. Mit dem Commonwealth of England folgte eine Militärdiktatur, an deren Ende das Parlament die Monarchie wiederherstellte.

Im Kontext dieser politischen Ereignisse fand die zentrale philosophisch-politische Debatte um das zukünftige Verhältnis zwischen Parlament, von ihm ausgehender Regierung, König, Kirche und Bürger statt. Die staatspolitischen Vorschläge von Thomas Hobbes 1651 und John Locke 1688/1689 wurden Meilensteine der Aufklärungsdiskussion. Die Problemlösungen wurden zuletzt nicht mehr in der Theologie, sondern der Philosophie und der von ihr inspirierten Rechtsdiskussion entschieden. Die Theologie verlor auch in den Niederlanden an Macht, wo man sich auf die Liberalisierung einließ, und in Frankreich, wo die Krone als bestimmende Instanz gewann.

Im christlich-orthodoxen Kulturraum Osteuropas dagegen wurde die Aufklärung zunächst vorwiegend vom Adel rezipiert.

Die Kontroversen um die Auslegungen der Bibel bereicherten die philosophischen Debatten des 17. und 18. Jahrhunderts – vor allem in den Niederlanden, wo der Pluralismus konkurrierender Auslegungen auf engstem Raum gedieh. Die neuen theologischen Positionen warfen samt und sonders erkenntnistheoretische Fragen auf: Wie beweist man religiöse Positionen? Worauf kann sich das Individuum bei seiner persönlichen Antwort auf eine theologische Frage berufen? Detailfragen boten den Naturwissenschaften interessante Prämissen. Calvinisten und Lutheraner entzweiten sich mit Blick auf die Determination und die Frage des Freien Willesn: Hatte Gott zu Beginn der Schöpfung als allmächtiger Gott den gesamten Lauf des Universums festgelegt, dann bestand theoretisch für das Individuum kein Raum, etwas zu denken oder zu entscheiden, was Gott nicht schon eben so festgelegt hatte. In der modernen naturwissenschaftlichen Forschung ist Determination eine interessante Prämisse: Gott könnte tatsächlich der Welt Naturgesetze gegeben haben, nach denen alle weiteren Geschehnisse zwangsläufig aufeinanderfolgen.

Die Forschung kann sich dem Projekt widmen, diese Gesetze zu erfassen. Mit dem Zweifel der Antirinitarier an der Dreifaltigkeit Gottes ging es – wieder philosophisch betrachtet – um mehr: um die Frage nach einem universellen Gottesbild, auf das sich eventuell alle Religionen einigen könnten, um die Möglichkeit eines Deismus, einer Vorstellung eines Gottes, die diesem keine menschlichen Züge mehr gibt, ihn eher philosophisch definiert.

Mit der Vielzahl der Strömungen und den Kontroversen der Reformation endete im 17. Jahrhundert zunehmend die Hoffnung, eine einzelne Konfession als die wahre Religion erweisen zu können. Skeptizismus rechtfertigte sich heimlich in Untergrundschriften mit Blick auf die Vielzahl der Positionen. Baruch de Spinoza vertrat in seinem theologisch-politischen Traktat von 1670 die These, Judentum und Christentum seien lediglich vergängliche Phänomene ohne absolute Gültigkeit. John Toland behauptete 1696, die Bibel sei zum Teil eine menschliche Fälschung. In radikalen Schriften des Untergrunds diffamierten Autoren direkt oder indirekt Moses, Jesud und Mohammed als die drei „großen Betrüger der Menschheitsgeschichte“. Von der Zirkulation eines Buches De tribus impostoribus wurde berichtet, bis es schließlich 1716 als subversive Schrift auf den Markt kam. Gegenpositionen vertraten die als Bischöfe kirchlich gebundenen Philosophen Joseph Butler und George Berkeley.

Das bürgerliche Trauerspiel kam auf und richtete sich gegen die Adelsherrschaft und trug quasi revolutionäre Züge. Das bürgerliche Trauerspiel ist ein Theatergenre, das im 18. Jahrhundert in London und Paris aufkam. Denis Diderot bezeichnete es als genre sérieux. Eine deutschsprachige Variante wurde etwa von Gotthold Ephraim Lessing entwickelt. Die Hauptfiguren stammen aus dem Bürgertum oder niederen Adel und das Stück hat ein tragisches Ende. Mit dieser Gattung wird Ende des 18. Jahrhunderts versucht, eine bürgerliche Hochkultur zu schaffen, die sich von den populären Theaterereignissen abhebt.

Der Ausdruck „bürgerliches Trauerspiel“ ist zur Zeit seiner Entstehung ein Oxymoron. Tragödien spielten in der Welt des Adels und waren hauptsächlich für die Hofgesellschaft bestimmt, nicht für einen bürgerlichen Rahmen. Es gab nur ein adliges Trauerspiel und ein bürgerliches Lustspiel. Als Abklatsch der Tragödien für das „gemeine Volk“ gab es die Haupt- und Staatsaktionen. Bürger waren von vornherein lustige Personen, was für viele ein Ärgernis war. Bürgerliche Theaterstücke waren meist grobe Komödien, so wie die Spektakel auf den Pariser Jahrmarktstheatern oder die Hanswurstiaden von Josef Anton Stranitzky. Es galt die Ansicht, der Bürger könne nur in der Komödie als Hauptfigur auftreten, da ihm die Fähigkeit zum tragischen Erleben fehle (Ständeklausel).

Das bürgerliche Trauerspiel entstand somit im Zuge der Emanzipationsbewegung des Bürgertums, das sich damit eine Präsentations- und Identifikationsplattform schuf. Seine Tragik entfaltet sich nicht mehr in der Welt eines für die Menschheit exemplarischen adligen Helden, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Im Einzelfall erweisen sich die gängigen Epochenzuweisungen in der Regel als problematisch. Alexander Pope wird mit seinem Essay on Man (1734) der Aufklärung zugerechnet, das Vanitas-Bild, das er seinem Lehrgedicht voranstellt, würde heute eher dem Barock zugerechnet werden – aus Popes Perspektive war es adäquat. Georg Friedrich Händel wird heute als Komponist dem Barock zugerechnet. In das ihm von Thomas Morell ausgestaltete Libretto seines Oratoriums Jephta (1751) fügte er jedoch eigenhändig aus Popes Essay on Man die Zeile „Whatever is, is good“ für einen großen Chor ein – eine Passage, die Philosophiehistoriker mit ihrem Verweis auf Leibniz und Shaftesbury der Aufklärung zuordnen. Der Barockkomponist selbst wird sich als Musiker der Aufklärung angesehen haben, die Epochenzuteilung Barock ist dazu angelegt, von heute aus seine Kunst als die einer untergehenden Epoche zu werten.

Sucht man nach Debatten, die spezifische Berührungspunkte zur philosophischen Diskussion der Aufklärung aufweisen, kann man diese in den Kontroverse um Malerei, Skulptur und Architektur bis weit ins 17. Jahrhundert hinabverfolgen: Der klassizistische Barock weist mit seinen strengen Symmetrien Zivilisationsideale der Aufklärung, die Hoffnung auf eine zentral und vernünftig geordnete Welt auf. Historienmalerei wird in Frankreich im 17. Jahrhundert zur akademischen Disziplin. Die Autoren, die im frühen 18. Jahrhundert mehr Freiheit des Gefühls denn Regelbefolgung fordern, argumentieren ihrerseits als Aufklärer: Natürlichkeit wird hier der Regelbefolgung entgegengesetzt.

Auf einer anderen Ebene bedient sich die protestantisch-calvinistische Auseinandersetzung mit der Kunst des katholischen Raums, dem italienischen Stil, seinen theatralischen Inszenierungen, seinem Gefallen am Irregulären spezifischer Argumentationen der aufklärerischen Diskussion: der Forderung nach einer Schlichtheit, die der Vernunft Rechnung trägt. Die Bilderstürme setzten eine Diskussion um den „vernünftigen“ Einsatz von Bildern in Gang. Der calvinistische Kunstkritiker Jacob Cats polemisierte zum Beispiel gegen das Sinnliche der katholischen Kunst. In der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts bildete sich ein neuartiges Interesse an realistischen Landschaftsabbildungen und mit wissenschaftlicher Akribie bewältigten Auseinandersetzungen mit der Realität im Feld der Stillleben heraus. Bürgerliche Sujets gelangen in die Bildsprache, bevor sie Ende des Jahrhunderts den europäischen Roman und Mitte des 18. Jahrhunderts die Bühnen erobern.

Strebte die Poesiekritik des 18. Jahrhunderts nach einer Dichtung, die „Sprachbombast“ wie etwa Allegorien meidet, so zeigen sich ähnliche Bestrebungen in den Bereichen der Skulptur, der Architektur und des Kunsthandwerks. Das heute so genannte Barock setzt Mitte des 17. Jahrhunderts auf Hell-Dunkel-Kontraste und monumentale theatralische Effekte. Mit den Strömungen galanter Malerei und Baukunst, die heute als Rokoko bezeichnet werden, siegt ein Interesse am kleinen charmanten Detail und an Zurückhaltung. Man sucht eine „annehmliche“, „bezaubernde“ Gestaltung statt üppiger Prunkentfaltung. Pastellfarben und lockere Girlanden verdrängen großartige Farbeffekte und üppige Staffagen. Man findet die neue Kunst im selben Moment in den Illustrationen aufklärerischer Schriften wieder.

Die Anakreotik war ein Raum, in dem sich antike und moderne Vorbilder trafen. In einem modernisierten Schäferspiel, wie es Watteau abbildete, ersetzten realistisches Landleben, touristische Schaulust, Sehnsucht nach Ungezwungenheit und Idealbilder von einer unberührten Natur die religiösen Vorstellungen vom Paradies.

Nach 1700 bahnen sich zwei Entwicklungen den Weg: die Abkehr von den (französischen) Symmetrien und die Auffassung, dass nicht künstlerische, sondern natürliche Vorbilder nachgeahmt werden sollten. Der englische Landschaftsgarten im Unterschied zum Barockgarten ist sinnfällig für diesen Wandel. Die aristotelische Nachahmung wurde nach wie vor als zentrale Forderung betrachtet, bloß die Vorbilder wechselten. Ein wichtiger Theoretiker in diesem Zusammenhang war Charles Batteux (Les Beaux Arts réduits à un même principe, 1746). Mit der „realistischen“ Abbildung als gesellschaftskritischem Kommentar übertrug William Hogarth Eigenschaften der Aufklärungssatire auf Malerei und Grafik.

Die Neuorientierung der Kunst an Natur an Stelle von vorgegebener Kunst bezog sich nicht zuletzt auf die Antike, deren Motive nach wie vor als Vorbilder galten, bis sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts von realistischen und märchenhaften Motiven verdrängt wurden. Reisen zu antiken Stätten wurden seit Johann Joachim Winckelmann üblich, der den Maler Anton Mengs beeinflusste. Mit seiner These, das allgemeine Kennzeichen der griechischen Meisterstücke sei „eine edle Einfalt, und eine stille Größe“, prägte Winckelmann eine Ästhetik des Schlichten. Im deutschsprachigen Raum entstand so die Vorstellung einer „besseren“, originalgetreueren Klassik, als es die französische gewesen sei. In Italien beschäftigte sich der Künstler Giovanni Battista Piranesi mit der Vermessung originaler Altertümer.

Zum Begründer einer modernen Kunstkritik wird Denis Diderot mit seinen Salons 1759–1781 über die Kunstausstellungen der Académie Royale. Seine Fähigkeit, bildende Kunst literarisch zu vermitteln, als den meisten Lesern weder ein Ausstellungsbesuch noch den Druckern eine adäquate Abbildung der besprochenen Kunstwerke möglich waren, wurde europaweit bewundert.

Der Umbruch im Übergang zur Moderne mit all seinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ist ein krisenhafter, über den sich die europäische Intelligenz Gedanken macht. Wie soll die neue Gesellschaft geordnet sein? Muss eine ordnende Instanz überhaupt in die menschliche Gemeinschaft eingreifen? Oder gibt es einen friedlichen Naturzustand? Wie hat sich der Mensch zu verhalten? Was ist sittlich richtig, wie soll die Erziehung vor sich gehen? In der entstehenden „gelehrte[n] Öffentlichkeit“ und im neuen Duktus der „Geselligkeit“, diskutieren die Intellektuellen um 1700 in Briefwechseln, Universitäten, Buchhandlungen und im privaten Kreis über dieses Thema und so entsteht eine Geistesbewegung in Philosophie, Literatur und Kunst, die Troeltsch „Beginn und Grundlage der eigentlich modernen Periode der europäischen Kultur“ nennt: Die Aufklärung. Sie bringt nicht nur neue Konzepte und Denkweisen mit sich, sondern bildet den Boden, auf dem sich eine Vielzahl neuer Denkrichtungen entfalten.

Es ist ein zentrales Merkmal der Aufklärung, dass sie nach der Lebenssituation des Menschen in seiner vorgefundenen Umwelt fragt. Die DDR-Geschichtsschreibung betont den antifeudalen und antireligiösen Charakter der Aufklärung. Abstrakt kann man den Vorgang sozialer Differenzierung im 18. Jahrhundert auf die Formel des Übergangs von stratifikatorischer (ständischer) Schichtung zu funktionaler Differenzierung beschreiben. Was Aufklärung oder Fortschritt heißt, löst die alten Ordnungen radikal auf. In der Aufklärung gab es eine Steigerung der Rationalität, Organisation und Verwissenschaftlichung. Zudem ersetzte die Rechtsgleichheit ständisch-korporative Herrschaftsbeziehungen. Individualisierung und Rollentrennung sind Folgen der funktionalen Differenzierung, welche das Individuum betreffen. Die räumliche, soziale, kulturelle und psychische Mobilität erhöhte sich. Durch die Einbeziehung der Wissenschaften konnte in der Landwirtschaft die Umstellung von der Subsistenzwirtschaft zur kommerziellen Produktion (landwirtschaftlicher Güter) erfolgen. Es war die soziale Differenzierung im 18. Jahrhundert, welche die Entwicklung des bürgerlichen Individuums ermöglichte.

Strebte die Poesiekritik des 18. Jahrhunderts nach einer Dichtung, die „Sprachbombast“ wie etwa Allegorien meidet, so zeigen sich ähnliche Bestrebungen in den Bereichen der Skulptur, der Architektur und des Kunsthandwerks. Das heute so genannte Barock setzt Mitte des 17. Jahrhunderts auf Hell-Dunkel-Kontraste und monumentale theatralische Effekte. Mit den Strömungen galanter Malerei und Baukunst, die heute als Rokoko bezeichnet werden, siegt ein Interesse am kleinen charmanten Detail und an Zurückhaltung. Man sucht eine „annehmliche“, „bezaubernde“ Gestaltung statt üppiger Prunkentfaltung. Pastellfarben und lockere Girlanden verdrängen großartige Farbeffekte und üppige Staffagen. Man findet die neue Kunst im selben Moment in den Illustrationen aufklärerischer Schriften wieder.

Die Anakreotik war ein Raum, in dem sich antike und moderne Vorbilder trafen. In einem modernisierten Schäferspiel, wie es Watteau abbildete, ersetzten realistisches Landleben, touristische Schaulust, Sehnsucht nach Ungezwungenheit und Idealbilder von einer unberührten Natur die religiösen Vorstellungen vom Paradies.

Nach 1700 bahnen sich zwei Entwicklungen den Weg: die Abkehr von den (französischen) Symmetrien und die Auffassung, dass nicht künstlerische, sondern natürliche Vorbilder nachgeahmt werden sollten. Der englische Landschaftsgarten im Unterschied zum Barockgarten ist sinnfällig für diesen Wandel. Die aristotelische Nachahmung wurde nach wie vor als zentrale Forderung betrachtet, bloß die Vorbilder wechselten. Ein wichtiger Theoretiker in diesem Zusammenhang war Charles Batteux (Les Beaux Arts réduits à un même principe, 1746). Mit der „realistischen“ Abbildung als gesellschaftskritischem Kommentar übertrug William Hogarth Eigenschaften der Aufklärungssatire auf Malerei und Grafik.

Die Neuorientierung der Kunst an Natur an Stelle von vorgegebener Kunst bezog sich nicht zuletzt auf die Antike, deren Motive nach wie vor als Vorbilder galten, bis sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts von realistischen und märchenhaften Motiven verdrängt wurden. Reisen zu antiken Stätten wurden seit Johann Joachim Winckelmann üblich, der den Maler Anton Mengs beeinflusste. Mit seiner These, das allgemeine Kennzeichen der griechischen Meisterstücke sei „eine edle Einfalt, und eine stille Größe“, prägte Winckelmann eine Ästhetik des Schlichten. Im deutschsprachigen Raum entstand so die Vorstellung einer „besseren“, originalgetreueren Klassik, als es die französische gewesen sei. In Italien beschäftigte sich der Künstler Giovanni Battista Piranesi mit der Vermessung originaler Altertümer.

Zum Begründer einer modernen Kunstkritik wird Denis Diderot mit seinen Salons 1759–1781 über die Kunstausstellungen der Académie Royale. Seine Fähigkeit, bildende Kunst literarisch zu vermitteln, als den meisten Lesern weder ein Ausstellungsbesuch noch den Druckern eine adäquate Abbildung der besprochenen Kunstwerke möglich waren, wurde europaweit bewundert.

Der Umbruch im Übergang zur Moderne mit all seinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ist ein krisenhafter, über den sich die europäische Intelligenz Gedanken macht. Wie soll die neue Gesellschaft geordnet sein? Muss eine ordnende Instanz überhaupt in die menschliche Gemeinschaft eingreifen? Oder gibt es einen friedlichen Naturzustand? Wie hat sich der Mensch zu verhalten? Was ist sittlich richtig, wie soll die Erziehung vor sich gehen? In der entstehenden „gelehrte[n] Öffentlichkeit“ und im neuen Duktus der „Geselligkeit“, diskutieren die Intellektuellen um 1700 in Briefwechseln, Universitäten, Buchhandlungen und im privaten Kreis über dieses Thema und so entsteht eine Geistesbewegung in Philosophie, Literatur und Kunst, die Troeltsch „Beginn und Grundlage der eigentlich modernen Periode der europäischen Kultur“ nennt: Die Aufklärung. Sie bringt nicht nur neue Konzepte und Denkweisen mit sich, sondern bildet den Boden, auf dem sich eine Vielzahl neuer Denkrichtungen entfalten.

Es ist ein zentrales Merkmal der Aufklärung, dass sie nach der Lebenssituation des Menschen in seiner vorgefundenen Umwelt fragt. Die DDR-Geschichtsschreibung betont den antifeudalen und antireligiösen Charakter der Aufklärung. Abstrakt kann man den Vorgang sozialer Differenzierung im 18. Jahrhundert auf die Formel des Übergangs von stratifikatorischer (ständischer) Schichtung zu funktionaler Differenzierung beschreiben. Was Aufklärung oder Fortschritt heißt, löst die alten Ordnungen radikal auf. In der Aufklärung gab es eine Steigerung der Rationalität, Organisation und Verwissenschaftlichung. Zudem ersetzte die Rechtsgleichheit ständisch-korporative Herrschaftsbeziehungen. Individualisierung und Rollentrennung sind Folgen der funktionalen Differenzierung, welche das Individuum betreffen. Die räumliche, soziale, kulturelle und psychische Mobilität erhöhte sich. Durch die Einbeziehung der Wissenschaften konnte in der Landwirtschaft die Umstellung von der Subsistenzwirtschaft zur kommerziellen Produktion (landwirtschaftlicher Güter) erfolgen. Es war die soziale Differenzierung im 18. Jahrhundert, welche die Entwicklung des bürgerlichen Individuums ermöglichte.

Als Wegbereiter gelten der Pietismus, die Säkularisierung der politischen Ordnung und die rechtliche Emanzipation. Produktive Arbeit verbindet sich über den Geldmechanismus mit der Wirtschaft, Fähigkeiten und Persönlichkeitsaspekte sind zunehmend im ökonomischen Prozess von Bedeutung. Arbeitsteilung bedingt die Entwicklung sozialer Rollen und die Unterscheidung zwischen Rolle und Person. In der durch soziale Rollen organisierten Gesellschaft kann jeder Bürger Zugang zu allen gesellschaftlichen Funktionen erhalten. Unter dem Gleichheitspostulat wird die allgemeine Rechts- und Geschäftsfähigkeit unter der Aufhebung ständischer Schranken, die Demokratisierung des politischen Lebens, die Realisierung der allgemeinen Schulpflicht und die vollständige Monetarisierung der Wirtschaft subsumiert. Die kapitalistische Konkurrenzfreiheit bildet das ideologische Fundament des neuen Individualismus. Kapitalismus strebt nach monetärem Gewinn und basiert auf freier Arbeit. Zudem setzte sich im 18. Jahrhundert der Entwicklungsgedanke durch. Die menschliche Natur gilt als unbestimmt, Akte determinierender Negation sollen diese aufheben. In der Transzendentalphilosophie erreicht die theoretische Konzeptualisierung des Menschen ihren Kulminationspunkt. Zeit spielte als individuelle und gesellschaftliche Komponente eine zentrale Rolle. Damit einher geht z.B. der Aspekt der Leistungssteigerung in der Wirtschaft. Eigenmenschliches wird kultiviert, das Gefühl verabsolutiert. Mit der gesellschaftlichen Differenzierung und dem damit verbundenen Risiko gestiegener Selektionszwänge steigen die Risiken für das Individuum. Als perfektibles Wesen geriert der Mensch zur letzten Legitimationsbasis seiner selbst. Freundschaft bildet ein wesentliches Konzept zur Selbstverwirklichung des Individuums. Durch die Verfügung über Privateigentum und die Teilnahme am Tauschverkehr realisiert sich die Autonomie der Privatleute in der Familie. Merkmale der Familie sind der freie Einzelne, dauerhafte Liebesbeziehungen und die zweckfreie Entfaltung aller Fähigkeiten der Familienmitglieder. Liebe und Sexualität besitzen gesellschaftliche Relevanz, werden jedoch nicht zuletzt auf Grund von Krankheiten und anderen Problemen als problematisch verstanden. Zweck der in der politischen Ordnung frei gegebenen Wirtschaftsordnung sind die Entwicklung von Kultur und Wohlstand. Dies bedingt zugleich die Idee der gesellschaftlichen Evolution in der bürgerlichen Gesellschaft. Bildung und Kultur können die Wildheit des Einzelmenschen zu Gunsten der Menschheit bändigen. Staat und Gesellschaft sind noch nicht vollständig voneinander getrennt, befinden sich aber im Trennungsprozess. Zentral ist, dass sich der so skizzierte gesellschaftliche Prozess auf der Basis der Vernunft vollzog, welche zugleich einen Rechts- und Machtanspruch in der Öffentlichkeit anmeldete. Entelechie, Individualität und vernunftgebundene Ethik sind die weiteren zentralen Stichwörter der Aufklärung. Die Gesellschaftstheorie der Aufklärung agiert zunehmend in strukturellen Dimensionen.

Charles Louis de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu (1689-1755), vor allem als staatstheoretischer Denker in die Literaturgeschichte eingegangene Autor, Aufklärer und Vorläufer für die wissenschaftliche Begründung fast aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen stammt aus einer Familie der „noblesse parlementaire“. Ein Bettler wird ihm Pate stehen, mit der Absicht, dem Charles sein lebenslang daran zu erinnern, dass die Armen seinesgleichen sind. Von seinem Vater wird Montesquieu in liberalem Geiste erzogen. Er bekommt seine Ausbildung zuerst in einer Privatschule der Oratorianer in Juilly (bei Meaux), studiert dann Rechtswissenschaft an der juristischen Fakultät der Universität von Bordeaux (1705-08). In Jahren 1709-13 praktiziert er als Rechtsanwalt in Paris. Montesquieu entdeckt die Hauptstadt, immer wieder von ihr angezogen fängt er an die Vielfalt ihrer Facetten zu studieren. In nächsten Jahren folgen häufige Aufenthalte Montesquieus in Paris. Ab 1714 ist er Richter am Parlament von Bordeaux, zunächst im unteren Rang eines Rats, dann im höherrangigen Amt eines président à mortier, das er 1716 von seinem Onkel erbt. Bald wird Montesquieu auch als Mitglied der frisch gegründeten Akademie von Bordeaux gewählt. Ein Jahr zuvor heiratet er, seine Frau stammt aus einer protestantischen Adelsfamilie und bringt 100.000 Pfund Mitgift mit. 1718 wird er Direktor der Akademie von Bordeaux. In der Folgezeit bekommt er einen großen Ruf durch seine Vorträge in der Akademie. 1721 wird sein erstes wichtiges Werk, die „Lettres Persanes“, veröffentlicht. Zuerst anonym, wird Montesquieu nach der Bekanntgabe der Autorschaft berühmt. Das Werk wird bewundert und sein Autor in den Pariser Salons gefeiert (Club de l’Entresol, die Salons von Marquise du Deffand, Marquise de Tencin, Mme. Geoffrin etc.). Dort trifft der Autor u.a. den Chevalier de Ramsay, dessen freimaurerischen Ideen der Toleranz und Wohltätigkeit auch seine Weltanschauung weiter beeinflussen werden Trotz großer Anerkennung wird er mit der Kritik der konservativen Gegner, vor allem Vertreter der katholischen Kirche konfrontiert (u.a. Kardinal Fleury). Seine erste Kandidatur zur Académie française wird abgelehnt, Montesquieu wird ihr Mitglied erst 1728, beim zweiten Anlauf, möglicherweise nach Publikation einer “korrigierten“ Version des Buches. Nach dem Verkauf des Amtes des Präsidenten des Parlaments von Bordeaux (wegen finanzieller Schwierigkeiten) tritt er 1728 eine dreijährige Reise durch Europa an. Der Autor besucht Österreich, Ungarn, Republiken von Venedig und Genua, wird Gast des Benedikts XIII in Rom, bereist dann mehrere deutsche Staaten, Niederlande und England, wo er u.a. von der Königin empfangen wird[11]. In London wird er Mitglied der Royal Society und in die Freimaurerei eingeweiht. Das politische Klima Englands und die dort herrschenden Toleranz und Meinungsfreiheit - die liberté anglaise hinterlassen bei Montesquieu einen tiefen Eindruck. London erscheint dem Autoren als „la métropole européenne la plus ouverte à la liberté comme à la égalité“. 1734 erscheint sein zweites großes Werk „Considérations sur les causes de la grandeur et de la décadence des Romains“, das zu den ersten bedeutenden Werken der Geschichtsphilosophie gehört. Die während seiner Reisen und Studien gesammelten Ideen dienen als Grundlage zu seinem Hauptwerk „l’Esprit des Lois“, das 1748 in Genf herausgegeben wird. In dem Buch, das drei Jahre später auf den Index gesetzt wird, versucht Montesquieu einerseits die Faktoren zu bestimmen, gemäß denen einzelne Staaten ihr jeweiliges Regierungs- und Rechtssystem entwickelten (z.B. geographische Lage, Klima, wirtschaftliche und religiöse Verhältnisse, Sitten und Gebräuche).

Andererseits versucht er, nach John Locke, die theoretischen Fundamente eines universell möglichen Staatssystems zu entwickeln, das auf der sog. Gewaltenteilung beruht, d.h. auf der Trennung von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Staatsgewalt (Legislative, Jurisdiktion und Exekutive). Seine Theorie der Gewaltentrennung wird später die Entwicklung der modernen Demokratie prägen. 1746 wird Montesquieu in die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin und 1751 in die Akademie von Stanislaus in Nancy aufgenommen. Er arbeitet in dieser Zeit auch an einigen Artikeln für Diderots Enzyklopädie. Während der letzten Jahrzehnte seines Lebens leidet er an einer fortschreitenden Kurzsichtigkeit, ist fast völlig erblindet. 1755 erkrankt er an einer Grippe. Während der Krankheit, die ihn innerhalb zwei Wochen zum Grab bringt, schickt Ludwig XV. den Herzog de Nivernais an den Kranken, um sich nach dessen Zustand zu informieren. Auch der Papst Benedikt XIV. lässt sich regelmäßig unterrichten, ob Montesquieu endlich gebeichtet und Frieden mit der Kirche geschlossen habe. Nach seinem Tod wird der Philosoph in der Kapelle Sainte-Geneviève der Pariser Kirche Saint-Sulpice beigesetzt. Während des Terrors der französischen Revolution wird seine letzte Ruhestätte von den wütenden Massen zerstört. Als man 1796 erkennt, wie revolutionär das Werk Montesquieus wirklich war und seine Gebeine nach Vorschlag des Ältestenrates der Revolution in das Panthéon bringen will, bleibt von seinen Überresten keine Spur.

Eine gravierende Krise der Staatsfinanzen war es, die den französischen Monarchen Ludwig XVI schließlich nötigte, 1789 die Generalstände zwecks Finanzmittelbewilligung wieder einzuberufen – 175 Jahre nach ihrer letzten Tagung. Dabei spielten die Auseinandersetzungen um die Gründung der USA eine beachtliche Rolle, weil der noch absolutistisch herrschende französische König sich in einem kostspieligen Kriegseinsatz in Übersee an die Seite der amerikanischen Aufständischen gestellt hatte, um England als rivalisierende Großmacht zu schwächen. Als dann der Dritte Stand sich zur Nationalversammlung erklärte, die französische Ständegesellschaft mit den Privilegien für Adel und Klerus beseitigte und ihrerseits eine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verabschiedete, ergaben sich weitere Rückkopplungseffekte zu den Entwicklungen in Nordamerika.

Eine wichtige Rolle in der ersten, der konstitutionellen Phase der Französischen Revolution spielte beispielsweise der Marquis de la Fayette, der als gelernter französischer Offizier nach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung aus eigenem Antrieb an der Seite der Kolonisten gegen die Briten gekämpft hatte und von 1789 bis 1791 in der Nationalversammlung wie auch an der Spitze der Nationalgarde Kurs auf ein konstitutionelles Staatssystem mit Gewaltenteilung und monarchischer Regierungsspitze hielt. Auch die überwältigende Mehrheit der ersten französischen Nationalversammlung strebte eine gewaltenteilende konstitutionelle Monarchie nach den Vorstellungen Montesquieus an. Die Verfassung von 1791 beließ dem König eine über Exekutivbefugnisse hinausgehende starke Stellung, auch indem er gegenüber dem alleinigen Legislativorgan, der Nationalversammlung, ein aufschiebendes Veto von bis zu vier Jahren geltend machen konnte.

Anders als Wilhelm von Oranien einhundert Jahre zuvor in England war Ludwig XVI. aber auf Dauer nicht bereit, die ihm von der Verfassung zugewiesene Funktion zu übernehmen. Er hatte sich nur vorübergehend und situationsbedingt dem Druck der Volksaktion gebeugt, blieb aber auf Wiederherstellung dessen bedacht, was er als sein angestammtes Recht als absolutistischer Herrscher betrachtete. Dafür suchte er auch die Unterstützung unter den ihm nahestehenden Monarchen im Ausland. Als sein ebenfalls darauf zielender Fluchtversuch in Varennes kurz vor dem Erreichen der Landesgrenze scheiterte, hielten die maßgeblichen politischen Kräfte in der Nationalversammlung dennoch an ihm als einem unverzichtbaren Kernelement ihrer Verfassungskonstruktion auch als Person fest, trafen Vorkehrungen gegen sein neuerliches Entweichen und ließen ihn den Eid auf die Verfassung von 1791 ablegen. An der Spitze der von ihm berufenen Regierung kooperierte Ludwig XVI. fortan notdürftig mit seinen ungeliebten Unterstützern unter den politischen Führungskräften der Zeit und machte bei den seine Interessen berührenden Gesetzen öfters Gebrauch von seinem suspensiven Veto.

Eine Stabilisierung des neuen politischen Systems in Frankreich gelang auch deshalb nicht, weil im Ausland, wie von der Königsfamilie erhofft, mit der Pillnitzer Deklaration tatsächlich eine gegenrevolutionäre Drohkulisse errichtet wurde. Dagegen wiederum erhob sich in der Nationalversammlung eine breite Strömung, die das Heil in der Vorwärtsverteidigung der Revolutionserrungenschaften sah und den Revolutionskrieg gegen das „aristokratische Komplott“ im In- und Ausland propagierte – auch gegen vereinzelte Warnungen wie die von Robespierre , dass niemand die bewaffneten Missionare liebe. Die verfassungsbedingt nötige Zustimmung des Königs zum Kriegsbeschluss wurde von Ludwig XVI. gern gewährt: Er durfte hoffen, im Falle der erwarteten französischen Niederlage von den ihm wohlgesinnten und auf die eigene Stellung bedachten Monarchen in Wien und Berlin in seine alten Rechte wieder eingesetzt zu werden. Dazu kam es jedoch auch deshalb nicht, weil in militärisch äußerst bedrohlicher Lage 1792 bewaffnete Freiwilligenverbände aus ganz Frankreich die regulären Truppen verstärkten– und die von dem Volkstribunen Danton mobilisierten Pariser Volksmassen sich mit der Erstürmung der Tuilerien gegen den nun als Feind wahrgenommenen König wendeten. Tatsächlich hatte Ludwig XVI., wie der mit seinem Todesurteil endende Prozess gegen ihn aufdeckte, eine Geheimkorrespondenz mit den offiziellen Kriegsgegnern unterhalten.

Mit der Absetzung des Königs durch eine zunehmend radikalisierte Revolutionsbewegung war die Verfassung von 1791 hinfällig: In Frankreich begann 1792 das Jahr I der Republik. Die revolutionäre Entwicklung trat damit in ein Stadium, das den Vorstellungen und Absichten des Rousseau-Anhängers Robespierre weit entgegenkam. Noch Student der Rechtswissenschaft, hatte Robespierre den von ihm verehrten Rousseau in dessen Sterbejahr 1778 besucht und gesprochen. Schon bei den Verfassungsberatungen 1789 hatte Robespierre sich gegen jede Art von Vetorecht des Königs ausgesprochen und nach dessen gescheiterter Flucht für eine gerichtliche Untersuchung und Bestrafung. Nun aber eröffnete sich für ihn die Chance einer Republik im Zeichen des allgemeinen Willens  im Sinne Rousseaus.

Allerdings waren die Rahmenbedingungen mit der fortdauernden Bedrohung von außen, die in Wechselwirkung stand mit der revolutionären Gärung im Innern, für einen solchen Anlauf alles andere als stabil oder günstig. Die nicht in Kraft getretene Verfassung von 1793 proklamierte in Artikel 1: „Das Ziel der Gesellschaft ist das allgemeine Glück.“ Vorgesehen waren unter anderem ein allgemeines Wahlrecht mit jährlichen Wahlen zur Nationalrepräsentation, Volksabstimmungen über umstrittene Gesetze (Art. 19), ein anstelle einer Regierung an das Gesetzgebungsorgan angebundener Vollzugsrat (Art. 77), der die allgemeine Verwaltung leiten und überwachen sollte (Art. 65), Geschworenengerichte (Art. 96) und vom Volk gewählte Strafrichter (Art. 97).

Der Nationalkonvent trat phasenweise als bestimmendes Organ hinter den Initiativen und Maßnahmen des als Revolutionsregierung fungierenden Wohlfahrtsausschusses, des Sicherheitsausschusses und des Tribunals deutlich zurück. Anstelle von Volkssouveränität und demokratisch-rechtsstaatlicher Ordnung entwickelte sich eine Revolutionsdiktatur, die allen wirklichen und vermeintlichen Gegnern mit Verhaftung und Aburteilung nach dem Leben trachtete. In mehreren Wellen fraß die Revolution im sprichwörtlichen Sinn ihre Kinder, denn nach und nach wurden die führenden Köpfe der aufeinander folgenden Revolutionsphasen als nunmehrige Feinde des Volkes der Guillotine zugeführt. Mit den Mitteln des Terrors sollte der republikanischen Tugend der Weg bereitet werden. Robespierre selbst wurde 1794, wenige Wochen vor seinem Sturz und dem Ende unter dem Fallbeil, zum Propagandisten einer von Rousseau inspirierten Vernunftreligion und zur zentralen Figur bei einem eigens neu eingeführten „Nationalfest zu Ehren des höchsten Wesens.“

Mit der Hinrichtung Robespierres und seiner Weggefährten endete nicht nur die Schreckensherrschaft der Revolutionsregierung, sondern auch die auf soziale Gleichheit aller Franzosen gerichtete radikale Phase der Französischen Revolution. In der von den Folgeentwicklung spielten neben der persönlichen Sicherheit auch der Schutz besitzbürgerlicher Eigentumsinteressen wieder eine zentrale Rolle. In der durch den Volksentscheid gebilligten dritten Verfassung vom August 1795 wurde der Gleichheitsbegriff neu gefasst und in dieser Form maßgeblich für alle künftigen Rechts- und Verfassungsstaaten: „Die Gleichheit besteht darin, daß das Gesetz für alle das gleiche ist.“ Neben die Erklärung der Rechte wurde nun eine Erklärung der Pflichten des Bürgers gestellt, mit Vorrang für die Respektierung der Gesetze. Die Zwangsmaßnahmen gegen Priester, Kirche und Christentum wurden beendet und Religionsfreiheit hergestellt. Anstelle der Unterwerfung der Kirche unter den Staat wurde mit der Trennung von Kirche und Staat eine neue Entwicklung eingeleitet.

Man lehrte das „antike Drama“ auch schon im Mittelalter in den Schulen, jedoch war die Vorstellungskraft für die antike Aufführungspraxis nicht vorhanden. Erst den Humanisten der Neuzeit gelang es, antike Spielformen zu rekonstruieren. Aristokraten griffen die neue „klassische Kulturwelle“ mit Begeisterung auf, waren jedoch weniger an einer genauen Rekonstruktion klassischer Dramen interessiert, wie es die humanistischen Gelehrten waren, sondern mehr an prunkvoller Ausstattung und später dann an der Auflockerung des Spieles durch Zugabe von burlesken Tänzen. Während die Tragödie in der Renaissance kaum Aufmerksamkeit erhielt, wurde die Komödie geradezu verehrt. Am Hofe von Ferrara entstand das erste glanzvolle Zentrum für die Wiederbelebung antiker Komödien und wenig später die Schöpfung der Commedia erudita , einer volkssprachlichen Gelehrten-Komödie. Doch die berühmtesten Renaissancekomödien schrieb Machiavelli, der die antiken Vorbilder beiseite warf und ein scharfes Portrait der Sitten und Laster seiner Zeit in die Werke einbaute. Mit der Tragödie setzen sich Gelehrte hauptsächlich theoretisch auseinander und leiteten aus dem Werk Poetik von Aristoteles Dichtungsnormen ab. Zu seinen wichtigsten Gesetzen gehörte die Beachtung der drei Einheiten von Ort, Handlung und Zeit im Drama.

In England entwickelte sich das Renaissancetheater eigenständig und wird English Renaissance theatre, deutsch auch Elisatbethanisches Theater, genannt, einschließlich der darauffolgenden Jacobean theatre und Caroline theatre.

Zu keiner Zeit wurde das Theater mehr geliebt als während des europäischen Barocks. Das Spiel auf der Bühne war im 17. Jahrhundert ein Abbild und Sinnbild einer glanzvollen Welt. Der Niedergang des Feudalismus und der Sieg des Absolutismus stürzten alte Werte und schärften das Bewusstsein für Schein und Sein. Der Mensch als wahres Abbild der Gesellschaft und Seinesgleichen, Gott als Regisseur und Zuschauer – diesem Bild wurde in der gesamten Barockkultur nachgeeifert und entfaltete sich in glanzvoller Theatralik. Am absolutistischen Hofe wurde sogar das Alltagsleben theatralisch arrangiert, und mit jeder Inszenierung wollte man die vorherige übertreffen. Das Verlangen nach Dramatik und theatralen Festlichkeiten wurde immer stärker, welches den Berufsstand des Dramatikers in eine Blütezeit versetzte. In den Großstädten kam ein urbaner, kommerzieller Theaterbetrieb (zu den Betrieben der ebenfalls Geld verlangenden fahrenden Spielleute) hinzu, und es kam zu Feier von besonders beliebten Schauspielern wie bei heutigen Stars. Immer größer werdender Andrang und Erweiterung des Spiels forderten bald die Abwandlung vom höfischen Theater zum Volkstheater – die ersten Guckkastenbühnen entstanden, später wurden dann Zuschauerräume eingerichtet, mit Rängen und Logen, die eine Hierarchie der Gesellschaft abbilden sollten. Die zur Aufführung gelangenden Stücke kosteten Tragik und Komik aus, und lebten von gekonnten Gewaltinszenierungen, Tanz und Musikeinlagen. Zuschauer aller Schichten besuchten die Aufführungen. Weniger fixierbar entwickelte sich der kontinentale kommerzielle Theaterbetrieb für das bürgerliche Publikum, dem feste Aufführungsorte und lokal ansässige Truppen fehlten. Städtische Festsäle konnten hier wie Marktplätze Funktionen im Theaterbetrieb übernehmen. Textgrundlage der Truppen wurden in aller Regel nur in Manuskripten fixiert. Die Unternehmen reisten mit Repertoires von bis zu 80 Stücken durch Europa und wählten oft vor Ort das, was hier länger nicht gespielt worden war, für die Inszenierung aus. Kaum mehr als die in den 1720ern in Wien fixierte Handvoll Haupt- und Staatsaktionen haben aus diesem Theaterbetrieb im Druck überlebt. Die gegen Ende der Epoche errichteten Gymnasien integrierten Theateraufführungen in den Schulbetrieb – der Aufführungsort der meisten der heute als Barockdramen gehandelten Stücke.

Das Barocktheater war ein Auffangbecken verschiedenster theatraler Gattungen der vorherigen Epochen und ein Sammelbecken verschiedenster kultureller Kunstrichtungen, die von reisenden Theatergruppen immer wieder aufgenommen wurden und in ihre Inszenierungen eingebaut wurden. Improvisationskunst und ein Feuerwerk mimischer Einfälle waren ihr Merkmal und begeisterten nicht nur das Bürgertum mit ihrer kommerziellen Ausrichtung. Höher angesiedelt war demgegenüber das höfische Theater, das bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts europaweit Opern und Komödien privilegierte. Keineswegs darf dies missverstanden werden: Die Opern waren seit 1600 das hohe Theater – die Stücke erschienen in der Regel gedruckt, um während der Aufführungen gelesen zu werden, um nach der Aufführung an das Stück zu erinnern, um als Poesie gelesen und geschätzt zu werden.

1576 baute James Burbage das erste Londoner Theater und übernahm dabei die runde Form von damaligen Tierarenen. Mit diesem Bau gab James Burbage den Anstoß für einen wahren Theaterboom, alle Gesellschaftsschichten wurden von einer Theaterbesessenheit gepackt. Diese Hochkonjunktur ist vor allem auch Elisabeth I. zu verdanken, die mit ihrem Kunst- und Geschäftssinn nach dem Bürgerkrieg im 16. Jahrhundert ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum formte. Der Theaterbetrieb der Shakespearezeit gewann Einfluss in England und später auf das Repertoire der kontinentalen Theatertruppen. Die englischen Schauspieltruppen umfassten ca. 15 Mitglieder, die auf genossenschaftlicher Basis arbeiteten. Die Darsteller lebten von ihrem Teil des Erlöses der Vorstellungen. Es spielten ausschließlich Männer in einer Gruppe, auch die Frauenrollen, meist Jungen wegen ihrer höheren Stimmlage. Man spielte während des Tages, um das Beleuchtungsproblem zu umgehen. Bühnendekoration war kaum vorhanden, auch der Vorhang war unbekannt. Kostüme wurden angedeutet.

Die Schauspieler brachten als Gesellschafter Betriebskapital ein und wurden am gemeinsamen Gewinn beteiligt. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1642 wurden in England ca. 5000 Stücke aufgeführt, von denen heute 620 im Druck erhalten sind.

Die bezeichneten Häuser waren ähnlich gebaut: Eine Grube bildete die Stehplätze für die ärmere Bevölkerung. Um diese herum lief eine mehrgeschossige, überdachte Galerie mit Sitzplätzen für die Reichen, die sich mittlerweile gerne vom höfischen Theater abwandten und die öffentlichen Gebäude aufsuchten. In der Mitte der Grube befand sich ein erhöhtes Spielpodest, das auch von den Galerien gut einsehbar war. Auf der großen Bühne befand sich noch mal eine kleine Bühne und die Garderobe für die Darsteller. Auf der Garderobe befand sich ein Balkon, der von einem Strohdach überdeckt wurde. Auf diesem Strohdach befand sich der Turm für den Trompeter, der den Vorstellungsbeginn ankündigte. Im Turm befand sich die Flugmaschine für besondere Auftritte der Schauspieler. Auf dem Dach des Turmes wehte die Fahne mit dem Emblem des entsprechenden Theaters.

Das Theater des spanischen Barocks wurzelte – im Gegensatz zur sonstigen europäischen Theaterkultur – tief im Katholizismus. Das traditionelle allegorische Fronleichnamsspiel erfreute sich bis ins 18. Jahrhundert großer Beliebtheit, und Spaniens Theater stand stets im Dienst und unter Schutz der katholischen Kirche. Anfang des 16. Jahrhunderts kehrten die ersten italienischen Schauspielreisetruppen in Spanien ein, spielten ihre Stücke in den Innenhöfen der religiöser Bruderschaften und später in den eigens erbauten „Teatro de Corral“, erstellt nach dem Vorbild der Innenhof-Bühnen und den englischen Bühnen wenig unähnlich. Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts bespielten schon heimische Schauspieltruppen die im ganzen Land errichteten Bühnen und formten somit die auf begeisterten Anklang stoßende iberische Theaterkultur. Als im 17. Jahrhundert die Weltmacht Spaniens zu zerfallen schien, hielten die Bürger ihren Glauben an Macht und prunkvollem Leben durch das Theater aufrecht.

Das Mantel- und Degenstück stellte sich als erfolgreichste und europaweit berühmteste Gattung heraus. Gegenstand der Handlung war das Leben der Hofgesellschaft, und der Mantel als Symbol der Vermummung wurde die wichtigste Requisite der unverzichtbaren Liebesintrige. Lope de Vega, einer der bekanntesten Dramatiker dieser Zeit, war der aristotelischen Poetik zwar vertraut, jedoch mehr auf die Gunst des Publikums erpicht, und versuchte sowohl tragische als komische Elemente zu vereinen. Die spanische Barockdramatik war eher ein Gleichnistheater, weniger auf realistische Charaktere oder neuzeitliche Problematik ausgerichtet, sondern vielmehr darauf, das himmlische und das weltliche Ordnungssystem nachzubilden.

Die Demokratisierung des Theaters war ein wichtiger Schritt für die am antiken Theater Interessierten, denn damals durfte niemand ins Theater, der nicht die Erlaubnis dazu hatte. Meist war dies nur der König mit seinem Hofstaat bis hinunter zum einfachen Gesinde. Die Sitz- und Stehplätze hatten eine Rangordnung und waren ebenerdig, nicht ansteigend wie sie es heute meist sind.

Den beiden gegensätzlichen Linien des europäischen Barocktheaters, das monumentale Hoftheater und das klassizistische Drama, galt in Frankreich gleichermaßen Aufmerksamkeit. Am Hofe Ludwig XIV. erlebte das Theater eine oberflächliche prunkvolle Entfaltung mit unter anderem dem Ballet de cour, einer theatralen Sonderform, bei dem nicht nur Männer und Frauen des Hofes auftraten, sondern auch der König selbst. Literarisch jedoch markierte die französische Klassik  den Höhepunkt dieser Epoche, und unter dem wachsamen Auge des Kardinal Richelieu und seiner 1635 gegründeten Academie francaise wurden die Normen des Regeldramas durchgesetzt. Unter deren Zensur stand auch der Dichter Pierre Corneille  mit seinem Werk Le Cid. Von der Académie kritisiert, vom Publikum bejubelt und als Nationalheld stilisiert, entschied sich Corneille, der 1647 selbst in die Académie aufgenommen wurde, nach dem Cid nur noch stilreine Dramen zu verfassen. Dabei schuf er den Prototyp eines von individuellen Zügen freien tragischen Helden, der die Ideale des französischen Barock, Schicklichkeit und Ehrbarkeit, preisen sollte. Jean Racine hingegen verlieh seinen Akteuren einen individuellen Charakter und empfand die klassizistischen Dramenstrukturen als außerordentlich hilfreich, um psychologische Intensität zu verdeutlichen. Nachdem sein Hauptwerk Phedre 1677 durch das gefälligere, heute vergessene Werk des Rivalen Jacques Pradon überspielt wurde, verließ er das Hoftheater und zog sich mit Esther (1689) und Athalie (1691) in die religiöse Thematik zurück. Racines größter Rivale war Moliere, zuvor sein Mentor, dessen Truppe er nach seinem Theaterdebüt verließ und zum konkurrierenden Hotel de Bourgogne wechselte. Doch Molière stand in der Gunst des Königs und verfasste unzählige Typenkomödien und bediente sich dabei aus dem Repertoire der „Comedia dell'arte“. Er entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Jean-Baptiste Lully das Genre des „Comédie-ballet“, in dem Tanzszenen nicht nur schmückendes Beiwerk waren, sondern Teil der Handlung. Sein literarischer Höhepunkt bildeten die Charakterkomödien, in denen er einen einzigen Charakterzug des Protagonisten personifiziert und überspitzt und ihn damit der Lächerlichkeit preisgibt. Er hielt die Bühne für einen theatralischen Pranger, in dem Verstöße gegen Vernunft und Sitte durch die Komödie aufgedeckt und verspottet werden sollten. Von seinen Mitstreitern gehasst, ist Molière bis heute einer der bekanntesten und meistgespielten französischen Dramatiker.

Molière (eigentlich Jean-Baptiste Poquelin) war einer der großen Klassiker und machte die Komödie zu einer der Tragödie potenziell gleichwertigen Gattung. Vor allem erhob er das Theater seiner Zeit zum Diskussionsforum über allgemeine menschliche Verhaltensweisen in der Gesellschaft.

Molière ist ein Künstlername, den der Schauspieler und spätere Autor wohl ab 1643, spätestens jedoch seit Juni 1644 benutzte. Die Herkunft des Namens ist unklar, vielleicht stand eine gleichnamige südfranzösische Ortschaft Pate. Geboren wurde Molière als ältester Sohn eines wohlhabenden Pariser Händlers für Heimtextilien (tapissier), der 1631 das Amt eines Tapissier du Roi kaufte, d. h. eines königlichen Dekorateurs und Raumausstatters.

Mit zehn Jahren verlor der Junge seine Mutter, mit knapp 15 dann auch seine Stiefmutter, beide starben im Kindbett. Die Schulzeit absolvierte er auf dem von Jesuiten geführten Pariser Collège de Clermont, wo er eine solide klassische Bildung erhielt und einige Mitschüler hatte, die später für ihn eine besondere Rolle spielten. Sein Großvater mütterlicherseits, ein Theaterliebhaber, nahm ihn immer wieder zu Aufführungen mit, insbesondere zum volkstümlichen Jahrmarktstheater (théâtre de la foire), wo er Einblicke in eine Welt erhielt, die ihn früh faszinierte.

Mit knapp 16 legte er den Amtseid als künftiger Nachfolger seines Vaters im Tapissier-Amt ab und studierte wenig später Jura in Orléans. Zurück in Paris erhielt er die Zulassung als Anwalt. Ob er je als solcher tätig war, ist nicht bekannt. Um dieselbe Zeit frequentierte er die Vorlesungen des Naturforschers und Philosophen Pierre Gassendi, was ihm eine gewisse Distanz zu den Dogmen der Kirche vermittelte. Offenbar verfasste er damals eine Vers-Übertragung von De rerum natura des römischen Philosophen Lukrez, die aber verlorengegangen ist.

1641 oder 1642, also um die 20, lernte er die vier Jahre ältere Schauspielerin Madeleine Béjart kennen, die ihn in seinem Drang zum Theater bestärkte – gegen den Willen seines Vaters, der ihn im Sommer 1642 nötigte, in Ausübung seines Tapissier-Amtes Ludwig XIII. auf einer längeren Reise zu begleiten und ihm die wechselnden Nachtquartiere einzurichten.

1643 übertrug Molière das ungeliebte Amt seinem jüngeren Bruder, ließ sich einen Vorschuss auf das Erbe seiner Mutter auszahlen und gründete, noch unter dem Namen Poquelin, gemeinsam mit Madeleine Béjart, ihren Geschwistern Louis und Geneviève sowie fünf weiteren Komödianten mit Vertrag vom 30. Juni 1643 eine Theatergruppe, das L’Illustre Théâtre. Dieses ging 1645 bankrott und Molière wurde vorübergehend in Schuldhaft genommen. In der Folge schloss er sich mit den Béjarts der Wandertruppe des Schauspielers Charles du Fresne an, die vom Duc d’Épernon finanziell unterstützt wurde und hauptsächlich in West- und Südfrankreich auftrat.

Bald stieg er zum Direktor der Truppe auf und gewann 1653 für einige Jahre den Gouverneur des Languedoc als Förderer, den Prince de Conti, den er von der Schule her kannte. Das Repertoire der Truppe umfasste neben Tragödien, Tragikomödien und Komödien zeitgenössischer Autoren auch komische Farcen und lustige Theaterstücke im Stil der italienischen Commedia dell’arte. Ab 1655 nahm Molière auch eigene Werke ins Programm, z. B. die in Versen verfasste Komödie L’Étourdi ou Les Contretemps (Der Tollpatsch oder die Querstreiche), in der ein gewitzter und pfiffiger Diener und sein notorisch ungeschickter junger Herr die Hauptrollen spielen.

Nach 13 Wanderjahren, in denen er Menschen aus allen Schichten kennengelernt hatte und sein Handwerk als Schauspieler, Theaterdirektor und schließlich auch Autor von Grund auf gelernt hatte, gastierte Molière 1658 in Rouen, wo er dem berühmten Dramatiker Pierre Corneille begegnete. Vor allem aber kam er hier in Kontakt mit „Monsieur“, d. h. dem jüngeren Bruder von Ludwig XIV, Herzog Philippe I. d’Orléans. Dieser lud die Truppe an den Hof nach Paris ein, wo Molière die Tragödie Nicomède von Corneille und seine eigene Farce Le médecin amoureux (Der verliebte Arzt) aufführte. Letztere gefiel dem jungen, gerade erst 20-jährigen König so sehr, dass er der Truppe erlaubte, im Saal des an den Louvre grenzenden Hôtel du Petit-Bourbon zu spielen. Die Sonntage, Dienstage und Freitage gehörten dort allerdings schon einer italienischen Truppe um den Komödianten Tiberio Fiorilli (1608–1694), der wegen seiner Paraderolle als Scaramouche berühmt war.

Den Durchbruch erzielte Molière im November 1659 mit seiner in Prosa verfassten Komödie Les précieuses ridicules (Die lächerlichen feinen Damen), seinem ersten für ein überwiegend Pariser Publikum konzipierten Stück. Am Beispiel der beiden Protagonistinnen, zweier etwas exaltierter, möchte-gern-adelig und gebildet tuender Bürgermädchen, verspottet er hier die gekünstelte Sprechweise und die wirklichkeitsfremden Denkweisen der Preziösen, wie sie inzwischen auch im Bürgertum zu finden waren. Der Erfolg des Stücks verschaffte ihm erste Neider, das Thema erste Feinde, darunter den Chef der Verwaltung der königlichen Schlösser, der pünktlich zu Beginn der Spielzeit 1660/61 den Abriss des Petit-Bourbon verfügte. Molière blieb drei Monate ohne Spielstätte, bis er vom König den Saal des Palais Royal zugewiesen bekam.

Ein weiterer Schlag war 1661 der komplette Misserfolg der Tragikomödie Dom Garcie de Navarre, mit der Molière sich offenbar dem gehobenen Genus der Tragödie anzunähern gedachte. Mit dem zentralen Thema des Stücks, der exzessiven Eifersucht, bearbeitete er sicher aber auch ein persönliches Problem, denn der 40-Jährige umwarb zu dieser Zeit die offenbar kokette 18-jährige Armande Béjart, die jüngste Schwester (oder Tochter?) von Madeleine und ebenfalls Schauspielerin in seiner Truppe.

Der nächste große Erfolg war erst Ende 1662 L’École des femmes eine Verskomödie, in der Molière (dem soeben Armande ihr Jawort gegeben hatte) für eine gemäßigte Emanzipation der jungen Frauen wirbt und für ihr Recht auf eine Liebesheirat. Die heftige Kontroverse, die er hiermit auslöste, heizte er 1663 weiter an mit den Prosastücken La Critique de l’École des femmes und L’Impromptu de Versailles (Das Stegreifspiel von Versailles) an. Dem König scheint dies gefallen zu haben, denn er setzte Molière eine jährliche Pension von 1000 Livres aus. Im Januar 1664 wurde der König sogar Taufpate Molières ersten (allerdings bald danach verstorbenen) Kindes Louis, was er wohl auch deshalb tat, um das Gerücht zu widerlegen, Armande sei ein Kind Madeleine Béjarts und Molières und dieser habe somit seine eigene Tochter geheiratet.

In den Jahren 1663 bis 1665 wurde Molière für kurze Zeit zum Protektor des noch unbekannten Nachwuchsdramatikers Jean Racine. Er beauftragte ihn mit einer Tragödie über den Ödipus-Stoff, die er Anfang 1664 wenig erfolgreich inszenierte unter dem Titel La Thébaïde. Ou les frères ennemis (Die Thebais. Oder die feindlichen Brüder). 1665 spielte er mit immerhin mäßigem Erfolg Racines Tragikomödie Alexandre le Grand.

Molière erlebte allerdings, dass der mit der Inszenierung unzufriedene Jungautor mit seinem Stück zu der Truppe des Hôtel de Bourgogne abwanderte, die auf Tragödien spezialisiert war. Dabei nahm Racine eine von Molières beliebtesten Schauspielerinnen mit, Mademoiselle du Parc, die sich mit Racine liiert hatte und ihm zur Konkurrenz folgte. Das Verhältnis der beiden Männer war hiernach naturgemäß gespannt. Molière rächte sich, indem er in der Folgezeit häufig ältere Stücke von Racines Rivalen Pierre Corneille wieder aufnahm oder neue uraufführte.

Im Mai 1664 – inzwischen war er zum Vergnügungsdirektor Ludwigs XIV. avanciert – organisierte Molière ein mehrtägiges Hoffest im neuangelegten Park von Versailles. Dort spielte er zunächst, mit Balletteinlagen, die sein jüngerer Freund Jean-Baptiste Lully komponiert und choreographiert hatte, die unverfänglichen (eigenen) Komödien La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis), Le Mariage forcé (Die Zwangsheirat) und Les Fâcheux. Am sechsten Tag führte er eine neue Verskomödie in drei Akten auf, die zum Politikum wurde: Tartuffe.

Schon im Vorfeld hatten etliche fromme Höflinge die Aufführung dieses Stücks um einen scheinbar strenggläubigen, in Wahrheit aber herrschsüchtigen, raffgierigen und lüsternen Schwindler zu verhindern versucht. Nach der Aufführung brach Empörung beim gesamten „alten Hof“ aus, einer Gruppierung meist älterer Höflinge, die sich um die fromme Königinmutter Anna von Österreich scharten und der Zeit vor 1661 nachtrauerten, wo man unter ihr und ihrem Minister Kardinal Mazarin die Macht gehabt hatte. Dem König war Molières Attacke auf die auch ihm lästigen Frömmler zunächst sehr recht gewesen, unter dem Druck des „alten Hofes“ hielt er es aber doch für geraten, das Stück zu verbieten. Die nächsten Jahre Molières waren bestimmt von seinem Kampf für den Tartuffe und gegen die Intrigen des „Klüngels der Frommen“, wie er sie nannte. Diese waren teilweise in einem bigotten Geheimbund organisiert, der Compagnie du Saint-Sacrement, der auch sein ehemaliger Gönner Conti angehörte, der nach einer Syphilisinfektion fromm geworden war.

Molière verfolgte unterdessen das Thema der Heuchelei weiter: Ende 1664, also bald nach dem ersten Verbot des Tartuffe, verfasste er Don Juan, ein Prosastück über einen hochadligen Heiratsschwindler, Betrüger und Libertin, der, um sich den Nachstellungen empörter Geschädigter zu entziehen, eine Bekehrung zu christlicher Moral und Frömmigkeit heuchelt, aber schließlich zur Hölle fährt. Auch dieses Stück wurde nach wenigen Aufführungen verboten, vermutlich wegen der nicht eindeutig negativen Darstellung von Don Juans Freidenkertum.

Immerhin sah sich Molière vom König insofern unterstützt, als er im Sommer 1665 seine Jahrespension von 1000 auf 6000 Livre erhöht bekam und mit seiner Truppe den Titel Troupe du roi annehmen durfte, beides kurz nach der Geburt seiner Tochter Esprit-Madeleine, die als einziges Kind überleben sollte.

Im Juni 1666 brachte Molière die Verskomödie Le Misanthrope (Der Menschenfeind) heraus, eine Satire auf die unehrliche Schmeichelei am Hof und die geheuchelte Nettigkeit in den Pariser Salons. Die ungewöhnlich stark autobiographisch geprägte Figur des Misanthropen Alceste, von Molière selbst gespielt, spiegelt sichtlich dessen eigenes Unvermögen und seine Unlust wider, sich auf dem glatten Parkett der Hofgesellschaft opportunistisch und angepasst zu verhalten. In der enttäuschten Liebe Alcestes zu der koketten jungen Célimène spiegelt sich die Enttäuschung Molières über seine 20 Jahre jüngere Frau Armande wider, die sich gerade (vorübergehend) von ihm getrennt hatte.

Im Sommer 1667 versuchte er eine auf fünf Akte verlängerte, überarbeitete und in L’Imposteur (Der Schwindler) umbetitelte Version des Tartuffe in sein Programm aufzunehmen, wobei er den Protagonisten in „Panulphe“ umbenannte und nicht mehr priesterähnlich, sondern als Adeligen kostümierte. Doch der Präsident des Pariser Parlements, der für den auf einem Feldzug in Flandern befindlichen König die Polizeigewalt ausübte, reagierte sofort mit einem Verbot; der Erzbischof von Paris drohte Molière sogar mit Exkommunikation. Als dieser zwei Schauspieler mit einer Bittschrift zum König schickte, signalisierte der zwar Wohlwollen, tat aber nichts. Immerhin duldete er, dass sein Bruder Philippe und danach der Fürst de Condé (der ältere Bruder Contis) 1668 das Stück in ihren Schlössern privat aufführen ließen.

Nach dem Verbot auch der zweiten Tartuffe-Version übte Molière 1668 in der Verskomödie Amphitryon erstmals leise Kritik an seinem wenig zuverlässigen Gönner Ludwig, den er verschlüsselt in der Rolle Iupiters ganz ungeniert seinem sexuellen Lustgewinn nachgehen lässt. In George Dandin (Prosa, ebenfalls 1668) brandmarkte er die Arroganz, mit der Adlige, selbst wenn sie verarmt sind, glauben, die gesellschaftlich nützliche Bourgeoisie verachten und ausbeuten zu dürfen.

Erst am 5. Februar 1669, nachdem der „alte Hof“ nach Annas Tod 1666 endgültig entmachtet, die Compagnie du Saint-Sacrement verboten und Ludwigs Macht nach innen- und außenpolitischen Erfolgen so gefestigt war, dass er keine Rücksicht mehr auf die frommen Gegner Molières nehmen musste, konnte dieser das nochmals überarbeitete, nun als Tartuffe, ou l’Imposteur betitelte Stück frei aufführen. Die Aufführung war ein triumphaler Erfolg und gilt als eines der großen Ereignisse der französischen Theatergeschichte.

Insgesamt aber hatte sich Molière nach 1667 auf unverfänglichere Themen zu verlegen begonnen. Mit gefälligen Stücken, insbesondere sogenannten Ballettkomödien zu Musik von Lully, versuchte er sein Theater zu füllen und den König bei Laune zu halten. Neben etlichen anderen, heute vergessenen Stücken schrieb er:

Diese letzten Lebensjahre Molières waren gekennzeichnet von einem sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand, bedingt durch den beruflichen Stress sowie das lange Hin und Her um den Tartuffe. Häufige Eheschwierigkeiten setzten ihm zusätzlich zu. 1671 kam es bei der Einstudierung der Ballett-Tragödie Psyché (deren letzte zwei Drittel Corneille verfasst hatte) zum Bruch mit Partner Lully. Anfang 1672 erkrankte und verstarb seine langjährige Weggefährtin Madeleine Béjart. Ende desselben Jahres starb ein drittes Kind bald nach der Geburt, und Molière musste erleben, wie Lully zum Rivalen wurde, den der König vorzuziehen begann.

Le Malade imaginaire sollte in bitterer Ironie sein letztes Stück bleiben und die Hauptrolle des eingebildeten Kranken seine letzte Rolle. Bei der vierten Aufführung am 17. Februar 1673 erlitt er einen Schwächeanfall und starb wenig später in seiner nahe gelegenen Wohnung. Nur mühsam gelang es seiner Frau Armande, den Widerstand des Gemeindepfarrers zu brechen und über den König beim Erzbischof von Paris zu erreichen, dass eine halbwegs ehrbare Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof genehmigt wurde.

Die Truppe Molières blieb unter Armandes Leitung zunächst bestehen. Sie schloss sich aber bald, als Rivale Lully den Saal des Palais Royal zugesprochen bekam, der Truppe des Théâtre du Marais an, wobei Armande einen von deren Schauspielern heiratete. 1680 verschmolz die neue Truppe auf Anweisung von Ludwig XIV. mit der Truppe des Hôtel de Bourgogne: Die noch heute bestehende Comédie-Française war geboren. Erst 1752 wurden seine Lustspiele ins Deutsche übersetzt.

Das Theater des 18. Jahrhunderts verabschiedete sich schnell von der strengen Regelhaftigkeit des Klassizismus. Die berühmten Drei Einheiten des Theaters des 17. Jahrhunderts  (Zeit, Ort und Handlung) standen im Widerspruch zur hoch angesehenen Vernunft und wurden durch eine realistische Darstellung ersetzt. Die moralisierende Wirkung des Theaterstückes sollte verstärkt werden, was zur Folge hatte, dass die positiven Helden der Tragödien am Ende des Stückes nicht mehr sterben durften. Jedoch ohne dramatischen Ausgang wurde die Tragödie ad Absurdum geführt.

Auf Grund dieser intensiven Tragödienkritik wurden nur sehr wenige Stücke verfasst. Lediglich Voltaire , Crébillon  und Houdar de La Motte nahmen sich der Tragödie an, wobei Voltaire  sich durch sein großes Talent deutlich abhob. Trotz vehementer Kritik blieb er der klassischen Form der Tragödie treu, passte aber die Inhalte seiner Stücke dem aufklärerischen Zeitgeist an. Voltaire  gestaltete die Handlung lebendiger und fand seine Helden im Mittelalter  und in der Renaissance . Die Bühnengestaltung und die Kostüme entsprachen bei ihm der Zeit und dem Herkunftsland der handelnden Personen. Vor Allem nutzte Voltaire  die Tragödie, um seine philosophischen Ideen zu propagieren. Z.B. stellt er in seinem Werk Brutus die konstitutionelle Monarchie über die Tyrannei des Absolutismus und lässt die Werke Zaïre und Mahomet von antiklerikalischen Gedanken durchdringen.

Die Komödie des 18. Jahrhunderts knüpfte an den Erfolg von Molière  an. Gemäß dem Zeitgeist bewegte sie sich jedoch weg vom ausschließlich komischen zum einfühlsamen Theater. Einen entscheidenden Schritt in diese Richtung tat Pierre de Marivaux , der eine analytische Komponente in die Komödie einführte. Sein Hauptthema war die Liebe, die er mit übertrieben galantem Stil in allen Schattierungen beschrieb.

Nivelle de la Chaussée, Michel Sedaine und Diderot  gingen noch weiter und eliminierten konsequent jegliche Komik aus ihren Werken, die sie durch Einfühlsamkeit ersetzten. Dadurch entstand die sogenannte Comédie larmoyante – ein rührseliges Stück, das zwischen Tragödie und klassischer Komödie angesiedelt ist. Die Autoren beschreiben hier nicht die Charaktere, sondern die Lebensumstände der handelnden Personen mit eindeutig moralisierender Absicht. Die Rührseligkeit ist nicht durch die spannende Handlung bedingt, sie entsteht aus der hohen Identifizierung des Publikums mit den bürgerlichen Helden der Comédie larmoyante.

Der Höhepunkt der französischen Komödie des 18. Jahrhunderts ist die Figaro-Trilogie von Beaumarchais . Vor Allem die ersten beiden Stücke Der Barbier von Sevilla und Die Hochzeit des Figaro stellen eine bissige Satire der Gesellschaft dar, wobei der positive Held aus dem einfachen Volk stammt und auf Grund seiner geistigen Qualitäten die Oberhand über die Aristokratie gewinnt. Indem er das herrschende Privilegiensystem aufs Schärfste kritisierte, das auf der Herkunft des Menschen und nicht auf dessen Fähigkeiten basierte, trug er wesentlich zum schnelleren Untergang des Ancien Régime bei.

Nach dem Niedergang des Ancien Régime wurde das Theater auf Grund der allgemeinen gesellschaftlichen Politisierung zur politischen Tribüne und zum Instrument der revolutionären Propaganda. Oft griffen die Autoren dabei auf Ereignisse in der römischen Republik (Vincent Arnault und Népomucène Lemercier) oder in der französischen Geschichte (Marie-Joseph Chénier) zurück. Nicht selten verlies man die engen Theaterräume, um Revolutionsfeste im Freien wie Theaterstücke zu inszenieren, bei denen die Errungenschaften der Revolution prachtvoll gefeiert wurden.

Das bürgerliche Trauerspiel ist ein Theatergenre, das im 18. Jahrhundert in London und Paris aufkam. Denis Diderot bezeichnete es als genre sérieux. Eine deutschsprachige Variante wurde etwa von Gotthold Ephraim Lessing entwickelt. Die Hauptfiguren stammen aus dem Bürgertum oder niederen Adel und das Stück hat ein tragisches Ende. Mit dieser Gattung wird Ende des 18. Jahrhunderts versucht, eine bürgerliche Hochkultur zu schaffen, die sich von den populären Theaterereignissen abhebt.

Der Ausdruck „bürgerliches Trauerspiel“ ist zur Zeit seiner Entstehung ein Oxymoron. Tragödien spielten in der Welt des Adels und waren hauptsächlich für die Hofgesellschaft bestimmt, nicht für einen bürgerlichen Rahmen. Es gab nur ein adliges Trauerspiel und ein bürgerliches Lustspiel. Als Abklatsch der Tragödien für das „gemeine Volk“ gab es die Haupt- und Staatsaktionen. Bürger waren von vornherein lustige Personen, was für viele ein Ärgernis war. Bürgerliche Theaterstücke waren meist grobe Komödien, so wie die Spektakel auf den Pariser Jahrmarktstheatern oder die Hanswurstiaden von Josef Anton Stranitzky. Es galt die Ansicht, der Bürger könne nur in der Komödie als Hauptfigur auftreten, da ihm die Fähigkeit zum tragischen Erleben fehle (Ständeklausel).

Das bürgerliche Trauerspiel entstand somit im Zuge der Emanzipationsbewegung des Bürgertums, das sich damit eine Präsentations- und Identifikationsplattform schuf. Seine Tragik entfaltet sich nicht mehr in der Welt eines für die Menschheit exemplarischen adligen Helden, sondern in der Mitte der Gesellschaft.

Der Terminus „bürgerlich“ ist nicht nur unter soziologischen, sondern auch unter ethischen Gesichtspunkten zu betrachten, da es sich um eine Gesinnungsgemeinschaft handelt, der Personen vom niederen Adel bis zum Kleinbürgertum angehören können, die sich aber durch einen ausgeprägten Moralkodex vom Hochadel abzugrenzen versuchen. – Die Herkunft aus einer „guten Familie“ ist nicht machbar, aber ein vorbildlicher Lebenswandel ist machbar. Der Wert eines bürgerlichen Individuums ist nicht vorgegeben wie der des Adligen (Geburtsadel), sondern ergibt sich erst durch sein lobenswertes Verhalten (Tugendadel). Es „hat“ keinen Namen von sich aus, sondern ist gleichsam ein Schauspieler, der sich erst einen Namen machen muss. Daraus ergab sich die bürgerliche Aufwertung des Theaterspiels im 18. Jahrhundert.

Paul Landois bezeichnete sein Drama Silvie (Paris 1741) schon als „tragédie bourgeoise“. Ein weiterer Vorläufer der bürgerlichen Tragödie ist George Lillos „domestic tragedy“ The London Merchant (London 1731). Die Pioniere des bürgerlichen Dramas, Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais und Denis Diderot hielten sich dagegen mit dem tragischen Ende zurück, das eher der Oper vorbehalten blieb oder schnell einmal zum Schocker oder Reißer in der Art des aufkommenden Melodrams tendierte. Das tragische Ende signalisierte zwar aus konservativer Sicht, dass das Drama zur höchsten Theatergattung gehörte, erschien aber manchen Neuerern nicht konstruktiv und optimistisch genug. Die meisten bürgerlichen Dramen sind daher Rührende Komödien, also Stücke mit ernster Handlung und glücklichem Ausgang. Vor allem Diderot entwickelte eine Theorie des bürgerlichen Dramas (Entretiens sur le fils naturel, 1757, Discours sur la poésie dramatique, 1758). Seine Dramen waren hingegen nicht so erfolgreich wie diejenigen von Beaumarchais.

Von seinen Stoffen her geht es im deutschsprachigen bürgerlichen Trauerspiel entweder um unpolitische Familienkonflikte, die soziale Gegensätze möglichst nicht berühren und auf das Verbindende einer „reinen Menschlichkeit“ setzen, oder es handelt vom politischen Kampf gegen die Unterdrückung durch den Adel, später auch von der Kritik der entstehenden Arbeiterklasse an der bürgerlichen Wertordnung.

Die antiken mythologischen (oder historischen adligen) Hauptfiguren der französischen Klassik werden im bürgerlichen Trauerspiel zu „einfachen“ Menschen gemacht. Die in der Tragödie bisher übliche Versform wird im bürgerlichen Trauerspiel selten übernommen. Charakteristisch ist es ein Widerspruch zum Regeldrama. Die Haltung zu den klassischen Vorbildern hat der Germanist Volker Klotz mit der Unterscheidung geschlossene und offene Form im Drama zu beschreiben versucht.

Von den meisten Literaturhistorikern wird Lessings Miss Sara Sampson (1755) als das erste deutschsprachige bürgerliche Trauerspiel betrachtet. Aber auch andere deutschsprachige Autoren stellten sich diese Aufgabe wie Christian Martini 1755). Statt der Politik, der Öffentlichkeit und der Historie herrscht in Miss Sara Sampson eine private, mitmenschliche und familiäre Atmosphäre vor, in der nichts Übermenschliches mehr anzutreffen ist. Lessing geht es vor allem um die Identifikation und das Mitleid der Zuschauer, das zu ihrer sittlichen Besserung führen soll. Hier wird der Ständekonflikt so gut wie gar nicht thematisiert, die Handlung spielt auch recht häufig im privaten Umfeld adliger Kreise.

Der Konflikt zwischen Bürgertum und Adelswillkür erscheint erstmals in Lessings Emilia Galotti (1772) und findet in Schillers Kabale und Liebe (1784) die sprachlich und dramatisch geschlossenste Ausformung.

Mit Friedrich Hebbels Maria Magdalena (1844) richtet sich der Fokus auf kleinbürgerliche Moralvorstellungen und pedantische Sittenstrenge mit den daraus resultierenden Konflikten innerhalb des Standes. Die Dramen von Ludwig Anzengruber übertragen dieses Prinzip auf eine ländliche Welt. Die naturalistischen Dramen von Gerhart Hauptmann oder Henrik Ibsen offenbaren die Lebenslügen selbstzufriedener Bürger.

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass diese literarischen Trauerspiele nur ein schmales gebildetes Publikum erreichten. Wirkung auf das breitere bürgerliche Publikum erzielten seit Ende des 18. Jahrhunderts neue Formen der Tragödie oder Tragikomödie wie das Melodram, das Rührstück, die große Oper. – Das Publikum des Alt-Wiener Volkstheaters betrachtete es mehrheitlich nicht als Problem, dass ihm die Possen einen Zerrspiegel entgegenhielten und dem Bürgertum damit die Würde des ernsten Schicksals versagten. Johann Nestroy hat die bürgerliche Tragödie des Volkstheaters als „traurige Posse“ karikiert (Der Talisman, 1840).

Commedia dell’arte (italienisch für „Berufsschauspielkunst“, wobei commedia allgemein für das Theater steht und arte mit „Kunst“ im Sinne von „Handwerk, Beruf“ zu übersetzen ist) bezeichnet Varianten traditionellen Theaters in den italienischen Gebieten des 16. bis 18. Jahrhunderts.

Andere Bezeichnungen für die Commedia dell’arte sind oder waren commedia degli zanni (Theater der Zanni als bestimmte Gruppe von Masken), commedia a soggetto (Szenen- oder Szenariumstheater), commedia improvvisa oder all’improvviso (Improvisationstheater) und commedia delle maschere (Maskentheater). Auf Deutsch wird auch der Begriff „Stegreiftheater“ verwendet.

Um den Begriff und die Stellung der Commedia dell’arte in den Wissenschaften einzugrenzen und ihre Sonderstellung innerhalb vergleichbarer Gattungen hervorzuheben, entwarf Wolfram Krömer eine Übersicht über die typischen Merkmale dieser Theaterform. Nach Krömer ist die Commedia dell’arte ein Theater, das

Die Commedia dell’arte entwickelte sich in Italien im 16. Jahrhundert aus traditionellen Zusammenschlüssen von Jahrmarktskünstlern verschiedener Professionen wie buffoni oder ciarlatani (zusammengefasst unter dem Begriff „arte giullaresca“). Hier gelten besonders der venezianische Schauspieler Angelo Beolco, genannt Il Ruzzante („der lärmende Spieler“), und seine Truppe als Urheber. Sie bespielten, im Paduanischem Dialekt und als Bauern verkleidet, die Jahrmärkte, aber auch bereits die Höfe, etwa des Herzogs von Mantua.

Sie erlebte ihren Höhepunkt im 17. und fand ihr Ende im 18. Jahrhundert. Dabei entwickelte sich diese Theaterform zunächst in den beiden Hochburgen Venedig (die nördliche Commedia dell’arte) und in Neapel (die südliche Commedia dell’arte). Üblicherweise wurde sie, im Gegensatz zum damaligen gelehrten Prosatheater (der commedia erudita), dessen Darsteller Dilettanten waren, von professionellen Akteuren betrieben, die im Familienverband agierten. „Professionell“ bedeutet hier, dass sie zum Zweck des Gelderwerbs auftraten, in Gütergemeinschaft zusammenlebten und an den Einnahmen beteiligt waren. Auch durften hier bereits Frauen spielen, was ihnen, außer in der Oper, zur damaligen Zeit verboten war. Die Commedia dell’arte wurde von Wandertruppen wie etwa der Compagnia dei Comici Gelosi über ganz Europa verbreitet.

Das Zentrum der Commedia dell'arte war im 18. Jahrhundert nicht mehr Italien, sondern Paris, die größte Stadt Europas. Dort war sie auf dem Pariser Jahrmarktstheater und in der Comédie-Italienne zu sehen. Während der Französischen Revolution wurde die Commedia dell’arte in Frankreich, wo sie seit Ludwig XIV. ihren festen Platz hatte, verboten. Verschiedene Quellen berichten aber darüber, dass diese Theaterform schon am Hofe selbst in Ungnade gefallen war, sei es, weil ein Stück nicht genehm war, sei es, weil eine boshafte Bemerkung eines Schauspielers über eine anwesende Adlige das Missfallen des Königs hervorrief. Die Gruppen zogen sich auf die Pariser Jahrmärkte zurück, wo ihnen bald das Wort verboten wurde. Danach hatte die Commedia dell’arte so gut wie nichts mehr mit ihren italienischen Ursprüngen zu tun.

Spätestens in der Zeit Napoléons war diese einst dominierende europäische Theaterform praktisch verschwunden. Weiter existierte sie nur noch als sogenannte Pantomime auf der Ballettbühne

Ihre Geschichte ist eng mit den Ensembles und diese wiederum eng mit den Schauspielern verknüpft. Nachdem sie innerhalb des Rahmens ihrer Figuren eine Perfektion erreicht hatten, wurden diese zunehmend inhaltsleer, während die von der Zensur zunehmend geforderte Fixierung der Texte zu einer Routine führte. Auch der spätere Kontakt zum gehobenen Bürgertum und zum Adel, was dem ursprünglichen Charakter einer Volkskomödie widersprach, sowie die Erstarkung des Hoftheaters mögen zum Niedergang beigetragen haben.

Im 20. Jahrhundert wurde die Commedia dell’arte in den unterschiedlichsten Formen in ganz Europa wiederentdeckt und belebt (siehe hierzu den Abschnitt „Bedeutung“).

Das berufliche Rüstzeug für die Schauspieler der Commedia dell’arte liegt in der Perfektionierung der entsprechenden Figur, hier auch „Maske“ genannt. Jeder Schauspieler war in der klassischen Form zeitlebens auf eine Figur festgelegt. Oft führten die Darsteller ihre eigenen Namen ein oder legten sich Theaternamen zu, aus denen dann die Namen der Figuren wurden. Manche schafften es, geradezu berühmt mit ihrer Maske zu werden, wie etwa der Komiker Angelo Constantini in Paris, der als Mezzetino zuerst am Hof Ludwigs XIV. für einen Eklat sorgte und es sich darauf in Dresden mit August dem Starken verdarb. Die Schauspielerin Isabella Andreini, Frau von Francesco Andreini, die mit der Gruppe der Gelosi reisten (siehe das zweite Bild von oben: Die weibliche Figur wird üblicherweise als Isabella Andreini identifiziert.), erschuf unter ihrem eigenen Namen eine der berühmtesten weiblichen Liebenden. Der Bischof von Lyon ließ ihr zu Ehren nach ihrem Tod während der Rückreise nach Rom eine Gedächtnistafel an der Kirche anbringen und sie ins Kirchenbuch eintragen. Für ein Kind des in Frankreich gefeierten neapolitanischen Darstellers des Scaramuz Tiberio Fiorelli übernahmen Kardinal Mazarin und Anna von Österreich die Patenschaft und Molière übte sich bei ihm in Gestik und Mimik. Eine in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gefeierte Schauspielertruppe in Venedig trug den Namen ihres capocomico. Die Truppe Sacchi spielte die Stücke von Carlo Gozzi, dem Kontrahenten Carlo Goldonis, und trat im Teatro San Samuele in Venedig auf.

Die Schauspieler hatten für jede Situation ein Repertoire an einstudierten akrobatischen Kunststücken, Gesten, Körperhaltungen und sprachlichen Mitteln parat. Improvisationen mit diesem Repertoire waren wesentlicher Teil der Vorstellungen, für die lediglich eine knapp beschriebene Szenenfolge (canevas oder canavacchio) vorher festgelegt wurde. Schlagfertige Bemerkungen, die sogenannten „battute“, wurden von den comici aufgezeichnet und durch Lektüre klassischer Werke ergänzt. Damit waren sie auch ihr eigener Autor. Die lazzi, Späße, waren ein zentraler Bestandteil ihres Repertoires.

Die von den Schauspielern präsentierten Figuren mit ihren jeweils festgelegten Eigenschaften wurden, abgesehen von den innamorati, den Liebenden, stets mit Halb-Gesichtsmasken und charakteristischen Kostümen dargestellt. Die Präsentation erfolgte mit Mitteln des gesamten Körpers und war nicht etwa konzentriert auf Ausdrucksmittel der Sprache und des Gesichts, was außerordentliche Fähigkeiten verlangte. Die Schauspieler interagierten mit dem Publikum. „Mit unglaublicher Abwechslung unterhielt es mehr als drei Stunden“ schreibt Goethe über einen Besuch einer Aufführung im venezianischen Theater St. Lukas in einem Tagebucheintrag seiner Italienischen Reise vom 4. Oktober 1786: „Doch ist auch hier wieder das Volk die Base, worauf dies alles ruht, die Zuschauer spielen mit und die Menge verschmilzt mit dem Theater in ein Ganzes.“ Über die Schauspieler schreibt er: „Ich habe aber auch nicht leicht natürlicher agieren sehen als jene Masken, so wie es nur bei einem ausgezeichnet glücklichen Naturell durch längere Übung erreicht werden kann“ und am nächsten Tag: „[…] stets öffentlich lebend, immer in leidenschaftlichem Sprechen begriffen … Hinzu kommt noch eine entschiedene Gebärdensprache, mit welcher sie die Ausdrücke ihrer Intentionen, Empfindungen und Gesinnungen begleiten.“

Die beiden Hauptgruppen der Masken sind die zanni oder zanoni wie z. B. Arlecchino und die vecchi, die Alten wie z. B. Pantalone; dazu kommen die amorosi bzw. innamorati, die ohne Maske auftreten. Bei der Beschreibung der einzelnen Figuren und Masken ist zu beachten, dass sich sowohl die Figuren und Masken als auch die Commedia dell’arte selbst in einem ständigen Wandel befanden. Die Beschreibungen müssen ferner immer im historischen Kontext gesehen werden. So gehört beispielsweise Arlecchino nicht von Anfang an zum Personal dieser Theaterform und verändert sich im Laufe der Zeit stark. Es kann daher nur ein ungefährer Eindruck übermittelt werden, nicht jedoch eine konkrete und allumfassende Beschreibung der Figuren und Masken.

Die Figuren der Commedia dell’arte erinnern an die klassischen lateinischen Komödien des Plautus und des Terenz. In diesen oft beinahe wörtlich aus griechischen Vorbildern übertragenen Komödien gab es ebenfalls eine begrenzte Anzahl von Charakteren, die durch Konvention festgelegt waren. Die Hauptrolle spielt der gerissene und intrigante Sklave. Er steht meist auf der Seite der jungen Liebenden, die nicht zueinander kommen dürfen, weil die Eltern andere Heiratspläne mit ihren Kindern haben. Der alte Vater ist meist ein untreuer Ehemann, während seine Frau ein strenges häusliches Regiment führt. Am Schluss droht gewöhnlich ein völliges Chaos, doch durch einen unerwarteten Zufall lösen sich alle Knoten. Die jungen Liebenden bekommen sich, und die Alten müssen sich in ihr Schicksal fügen. Inwieweit diese Komödien direkten Einfluss auf die Commedia dell’arte hatten, ist jedoch unklar.

Die „soziale“ Interpretation der Masken (die beispielsweise die zanni einengend als Dienerrollen beschreibt) geht auf die Reform der Commedia dell’arte durch Carlo Goldoni (Der Diener zweier Herren) im 18. Jahrhundert zurück, dem Carlo Gozzi wiederum Verrat an dieser Theaterform vorwarf (siehe den Abschnitt über Gozzi und Goldoni). Seit dem 20. Jahrhundert deuten insbesondere die italienische Forschung und die Theatermacher, die sich mit der Materie befasst haben bzw. befassen, die Figuren im Wesentlichen mythologisch. Das „bürgerliche“ Bild von der Commedia dell’arte ist in Deutschland allerdings immer noch weit verbreitet.

Die Gruppe der Zanni stellt eine untere Schicht der Bevölkerung dar, die meist aus bäuerlichen Verhältnissen stammte und deren Mitglieder als Diener, Mägde und Köchinnen ihr Glück in der Stadt versuchten. Sie symbolisieren das einfache Volk der damaligen Zeit, ihre Wünsche und ihre Kritik an der Gesellschaft. Der Begriff stammt von der früheren Theaterfigur Zanni.

Arlecchino ist die wohl berühmteste Figur der Commedia dell’arte. Ihren Ursprung findet sie in einem nordfranzösischen und germanischen Sagenkreis und entstand durch den historischen Differenzierungsprozess des Zanni. In einer geladenen Atmosphäre verschmolz Tristano Martinelli 1584/85 in Paris die mythologische Figur mit dem Zanni und hatte damit schlagartig Erfolg. Nach Martinelli verkörpert Arlecchino Gegensätze wie Gut und Böse oder Komik und Tragik. Er sprach seiner Figur die Fähigkeit zu, sowohl ins Diesseits als auch ins Jenseits zu reisen. Domenico Biancolelli spielte ab 1661 den Arlecchino in einer veränderten Situation. Er passte sein Spiel dieser Situation und seinen Vorstellungen an. Ab 1730 kam es dann durch Luigi Riccoboni zu einem Wandel des Arlecchino zu einem Moralisten. Mit dem Ziel, die regelmäßigen italienischen Komödien und Tragödien des 15. und 16. Jahrhunderts aufzuwerten, wurde der Figur seine Differenz ausgetrieben und zunehmend auf seine bürgerliche und diesseitige Existenz reduziert. Schauspieler des „neuen“ Arlecchino waren beispielsweise Domenico Biancolelli oder Tommaso Visentini.

Arlecchino ist die Figur, die sich auf der Bühne alles herausnehmen darf. Typisch für ihn sind seine naive Fröhlichkeit und seine Verfressenheit. Manchmal dient er sogar zwei Herren gleichzeitig, damit er mehr Essen bekommt, was zu meist lustigen Verstrickungen führt. Mit seiner ironischen Art ist er die Stimme des gemeinen Volkes zu der Zeit. Arlecchino wird mit einer lustigen Maske und dazu noch mit einem Hut und einem Mantel dargestellt, der aus bunten Flicken besteht. Aus der Figur des Arlecchino entwickelte sich mit der Zeit der typische, naive Spaßmacher, wie man ihn heutzutage vor allem als Kasperle aus dem Puppentheater kennt.

Brighella stammt ursprünglich aus dem Bergamo. Er ist hinterhältig, immer etwas verschlagen und meistens skrupellos auf seinen eigenen Vorteil bedacht, dabei zu akrobatischen Kunststücken fähig und Arlecchino intellektuell überlegen. Er lässt auch gerne andere für sich arbeiten. Seine Maske ist üblicherweise die eines gewöhnlichen Dieners oder aber sie zeigt seine listigen Wesenszüge und ist meist von schwarzer Farbe.

Mit seiner gelben Gesichtsmaske und/oder gelb bemehltem Gesicht und seinem weißleinenen, viel zu großen Gewand ist er bzw. die verwandte Figur Pedrolino ein Vorläufer Pierrots. Pagliaccio ist ein tollpatschiger Knecht und Nachäffer, in Worten kühn, aber in Wahrheit ein außerordentlicher Feigling. Für seine Fehlleistungen wird er oft mit Prügel bestraft.

Colombina ist ebenfalls eine Person der unteren sozialen Schicht. Meistens spielt sie die Rolle der Magd oder Köchin. Ihr fehlt jedes gekünstelte Element der Oberschicht und sie ist eine lebenslustige und selbstsichere Figur. Durch ihre dominante und verführerische Art zieht sie oft Verehrer (zum Beispiel Brighella) an, gegen die sie sich zu wehren weiß. Die Figur der Colombina hat keine Maske und trägt meistens schlichte Frauenkleider.

Die Gruppe der Vecchi stellt die reiche Oberschicht der Zeit dar. Für sie ist typisch, dass sie sehr viel Geld haben und sich gebildet ausdrücken. Sie schätzen vor allem Kultur und Wissen. Meistens versuchen sie sich vom einfachen Volk abzuheben, da sie sich als etwas Besseres sehen. Gerade diese Eigenschaften wirken auf den Zuschauer äußerst unsympathisch, teilweise schon lächerlich.

Pantalone ist meistens ein wohlhabender Kaufmann aus Venedig, der aufgrund seines hohen Alters oft kränklich ist. Obwohl er viel Geld hat, ist er sehr geizig. Pantalone mischt sich gerne in Dinge ein, die ihn gar nichts angehen. Außerdem hat er häufig Verhältnisse zu jüngeren Frauen, auch wenn er verheiratet ist, und hält seine Tochter in engen Grenzen. Er hat einen großen, lange währenden Hass auf Dottore, genauso wie dieser auf ihn. Man erkennt Pantalone an einer braunen Maske mit gebuckelter Nase, einem Ziegenbart sowie einem schwarzen Umhang und einer eng anliegenden roten Hose.

Dottore verkörpert meistens den gebildeten Juristen oder Gelehrten aus Bologna. Dies zeigt er auch gerne durch die häufige Verwendung von Denkerposen. Jedoch wirkt sein Wissen eher belustigend, da er die Verkörperung des Wissens ohne wahres Wissen darstellt. So stellt er bei jeder Gelegenheit zur Schau, über welches Wissen er verfügt, dies jedoch selten zur Situation passend. Obwohl er sehr kurzsichtig ist, sind seine Bewegungen auf der Bühne fließend und geschmeidig. Wie Pantalone einen tiefsitzenden Hass gegen Dottore hat, so hasst auch Dottore die Figur des Pantalone ohne Einschränkung. Häufig trägt die Figur des Dottore eine schwarze Maske mit einer Knollennase, kugelförmiger Stirn und roten Wangen. Für seine Kleidung ist vor allem die weiße Halskrause sowie schwarze Jacke, Hose, Schuhe und Kappe kennzeichnend.

Außerdem gibt es noch die Liebenden, die immer ohne Maske auftreten, etwa verkörpert durch Octavio/Ottavio. Der Soldat Il Capitano (Spavento) gibt immer vor, ein Held zu sein, ist in Wahrheit jedoch ein ausgemachter Feigling, der Angst vor seinem eigenen Schwert hat. Scaramuccia (Scaramuz) ist der Aufschneider, Angeber und Großsprecher.

Weitere bekannte Masken und Figuren sind: Arlecchina, Bramante, Clarice, Coviello, Donna Martina, Il Farmacista (mit Klistierspritze), Florindo, Franceschina, Fritellino, Isabella, Graziano/Gratiano, Julia/Giulia, La Ballerina, Leandro, Leda, Mattaccino, Menego, Pa(s)quar(i)ello, Pierro(t), Pulcinella, Silvio, Smeraldina, Spaventino, Stenterello, Rimella, Tartaglia, Tognino und Truffaldino. Einige davon sind jedoch Alternativnamen der oben genannten Hauptfiguren, die ihnen von den jeweiligen Schauspielern gegeben wurden.

Während die Commedia dell’arte nördlich der Alpen zunehmend an Bedeutung gewann, tobte in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Venedig der Krieg zwischen Carlo Gozzi und Carlo Goldoni. Während Goldoni das Theater nach dem Vorbild Molières modernisieren wollte, ging es Gozzi um den Erhalt der alten Commedia dell'arte.

Goldoni plädierte für eine wortgetreue Wiedergabe des Textes, einen natürlichen Schauspielstil und realistischere Figuren. Er wollte echte Charaktere statt der typisierten Figuren der Commedia dell'arte und deswegen auf die Masken verzichten, damit die Mimik der Schauspieler sichtbar wird. Wie er in seiner Autobiografie berichtet, ging er jedoch Kompromisse ein, da die Masken beim Publikum beliebt waren.

Sein Gegenspieler Gozzi, dem Adel angehörig, begegnete diesem Realismus mit seinen fiabe teatrali (Theatermärchen, z. B. in Die Liebe zu den drei Orangen). Diese situierte er in fremd anmutenden Reichen und schöpfte aus exotischen Geschichten wie Tausendundeine Nacht. Dabei ließ er den traditionellen Masken Truffaldino und Tartaglia ihre Improvisationsszenen, indem er eine Mischform aus Dramentext und Szenario wählte. Gozzis fiabe teatrali sind Tragikomödien, die von starken Effekten leben.

Die Commedia dell’arte hatte seit ihrem Entstehen einen großen Einfluss insbesondere auf das französische (comédie italienne, Molière) Theater. Die Größe des Einflusses auf das spanische und das englische Theater wird unter Wissenschaftlern diskutiert; fest steht jedoch, dass dieser dort eher als gering einzustufen ist.

Auf das deutschsprachige Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts, das Alt-Wiener Volkstheater und die „Haupt- und Staatsaktionen“ der deutschen Wanderbühnen übte sie jedoch einen größeren Einfluss aus. Auch der österreichische Hanswurst wurzelt wahrscheinlich in dieser Theaterform. Für Deutschland ist ein erstes überliefertes Szenario in deren Geschichte überhaupt verbürgt: eine Aufführung am Hof des Herzogs Albrecht V. von Bayern anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten seines Sohns Wilhelm mit Renata von Lothringen im Jahr 1568 unter der musikalischen Leitung von Orlando di Lasso, der den Hofmusiker Massimo Troiano beauftragte, ein Lustspiel im Stil der italienischen Komödie zu schreiben. Letzterem ist ein Skript der Aufführung zu verdanken.

Im 19. Jahrhundert wurde E. T. A. Hoffmann von den Figuren der Commedia dell’arte zu den Phantasiestücken in Callots Manier inspiriert, welche wiederum Robert Schumann zu einem Zyklus von Klavierstücken anregten, den Fantasiestücken op. 12.

Im 20. Jahrhundert kehrte die Commedia dell’arte in der einen oder der anderen Art wieder ins europäische Theater zurück. Das berühmteste Beispiel stellt die Oper Ariadne auf Naxos von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal aus den Jahren 1912/1916 dar. Weiter sei hier die Komödie Zerbinettas Befreiung (auch unter dem Originaltitel Die Fürstin von Cythera) von Fritz von Herzmanovsky-Orlando erwähnt.

Ebenso wurde die Commedia dell’arte in Russland zu Anfang des Jahrhunderts wiederentdeckt und in unterschiedlichster Form -belebt, wobei sich hier insbesondere Meyerhold hervortat. Ähnliche Anstrengungen waren auch im übrigen Europa, vor allem in Italien zu beobachten. Besonders Max Reinhardt, Giorgio Strehler, David Esrig, Dario Fo und Alessandro Marchetti haben sich um die Revitalisierung der Methoden der Commedia dell’arte verdient gemacht. In neuerer Zeit, also gegen Ende des 20. bzw. anfangs des 21. Jahrhunderts, sind Carlo Boso in Paris, Markus Kupferblum in Wien und die Gruppe I MACAP in Frankfurt am Main zu nennen, welche versuch(t)en, die Tradition der Commedia dell’arte im heutigen Theater lebendig zu halten. Besonderes Ziel ist es dabei, mit den dramaturgischen Regeln und der hierarchischen Struktur der Charaktere heutige Geschichten zu erzählen.

Da die Commedia dell’arte auf einem heute kaum mehr verfügbaren schauspieltechnischen Können beruht, ist es schwer, eine konkrete Vorstellung von der Theaterform zu gewinnen. Zudem setzte die Erforschung dieser Theaterform erst ein, als es keine originalen Aufführungen mehr gab. Sie erscheint uns heute vielfach verklärt, worauf Krömer hinweist: „Um sie hat sich eine Art Mythos gebildet“ und diese Verklärung „wird dadurch erleichtert, daß man kein echtes Stegreiftheater mehr sehen kann, sondern bestenfalls ihr nahestehende Stücke in Interpretationen von nicht für das Stegreifspiel ausgebildeten Schauspielern“. Unterschiedliche Typen, verschiedene Masken und Handlungsgerüste lassen sich aus unterschiedlichen Textquellen herleiten und variieren im Verlauf der Geschichte. Rückschlüsse auf die Dramaturgie der Commedia sind nur bedingt möglich, da sich die Hinweise meist nur auf das Standardwerk Histoire du théâtre Italien von Luigi Riccoboni beschränken und dieser die Improvisationskomödie nach seinen eigenen reformatorischen Gedanken historisierte.

Neben Goldonis und Gozzis Komödienreform prägen histografische Konstrukte des 19. und 20. Jahrhunderts das Bild der Commedia dell’arte. Hierbei wird die Commedia als romantische Volkskomödie verstanden. Dabei verweist „Volk“ auf das Verständnis der Commedia als eine subversive Kunstform der Unterprivilegierten. Weiterhin ist die Vorstellung der Commedia als eine subversive Kunstform unter Theatergeschichtsschreibenden verbreitet, aber nicht korrekt. Meist waren die Truppen wie die Gelosi, Confidenti und Accesi aus ökonomischer Sicht zu einer engen Verbindung zum Hof gezwungen, was wiederum für die Truppen eine ambivalente Angelegenheit bedeutete, denn einerseits verfügten sie über einen Patentbrief und konnten ein Vorrecht gelten machen, andererseits waren sie den Launen ihres Herren ausgeliefert und wurden von ihm auf Reisen geschickt.

Die Abbildungen dieses Artikels sind, sofern nicht anders vermerkt, einem Werk des 19. Jahrhunderts entnommen, der zweibändigen Ausgabe Masques et Buffons von Maurice Sand aus dem Jahre 1860. Der Verfasser beschäftigte sich wissenschaftlich, literarisch und als Maler mit der Commedia dell’arte. Sein Rekonstruktionsversuch aus der Sicht der französischen Bohème kann nicht als authentisch gelten, berücksichtigt aber alle wesentlichen bekannten Erkenntnisse über das Erscheinungsbild der Figuren.

Die Commedia dell’arte war jedoch auch Motiv vieler weiterer Künstler. Der Zeichner, Grafiker, Radierer und Kupferstecher Jacques Callot fertigte mehrere Stiche, insbesondere des Pantalone an. Weitere bildende Künstler wie der oben gezeigte Watteau, Cézanne, Picasso und viele weitere ließen sich von der Commedia dell’arte inspirieren.

Einzigartig ist die sogenannte „Narrentreppe“ in der Burg Trausnitz in Landshut, die über vier Stockwerke hinweg in lebensgroßen Figuren Szenen aus der Commedia dell'arte zeigt, die nicht nur am Hofe des bayerischen Erbprinzen Wilhelm V. sehr beliebt war. Die Entwürfe stammen von Friedrich Sustris, die Ausführung übernahm Alessandro Padovano um 1575 bis 1579.

Vom Modellierer von Porzellanfiguren Franz Anton Bustelli der Porzellanmanufaktur Nymphenburg existieren 16 Figuren nach Charakteren des Volksschauspiels, die 1760 erstmals in der Geschichte der Manufaktur genannt wurden und zu den schönsten seiner Figuren zählen. Sie werden weiterhin nach seinen Vorlagen gefertigt, nachdem sie zuvor begehrte Sammlerobjekte gewesen waren.

Goethe beschreibt gegenüber Johann Peter Eckermann in dessen Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens vom 14. Februar 1830 seine Besuche im Theater Gozzis in Venedig, wobei es ihm besonders die Maske des Pulcinella angetan zu haben schien: „Ein Hauptspaß dieser niedrig-komischen Personnage […] bestand darin, daß er zuweilen auf der Bühne seine Rolle als Schauspieler auf einmal ganz zu vergessen schien“, und weiter: „Der Pulcinell ist in der Regel eine Art lebendiger Zeitung. Alles, was den Tag über sich in Neapel Auffallendes zugetragen hat, kann man abends von ihm hören. Diese Lokalinteressen, verbunden mit dem niedern Volksdialekt, machen es jedoch dem Fremden fast unmöglich, ihn zu verstehen.“

Franz Grillparzer vergleicht in den Notizen seiner Reise nach Italien aus Neapel vom Mai 1823 u. a. einen „Pulcinella der Neapolitaner“ mit einem „Arlechin der Franzosen“ und kommt zum Schluss, dass Ersterer „eine Natürlichkeit und Gutmütigkeit“ hat, die Letzterem fremd sei.

Die meisten dieser neuentstandenen Bühnen waren reine Unterhaltungsbetriebe. Die theatrale Unterhaltungskunst prosperierte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und entwickelte immer neue Genre, wie die Operette oder das Kabarett. Der Erfolg dieser Bühnen spricht gegen das weitläufige Bild, die Theater des 19. Jahrhunderts hätten Schillers Ideal vom Theater als Bildungsanstalt entsprochen. Das gilt nicht nur für die rein gewinnorientierten, privat geführten Geschäftstheater, sondern wird zunehmend auch für die, durch Bürgerinitiativen und kommunale Förderungen subventionierten, bürgerlichen Theaternbetriebe diskutiert.

Das Deutsche Theater (DT) in der Friedrich-Wilhelm-Stadt im Ortsteil Mitte (Bezirk Mitte) in Berlin wurde 1850 als Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater eröffnet und pflegte zunächst ein Unterhaltungsrepertoire. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts war es eine privat geführte und finanzierte Bühne mit bildungsbürgerlichem Spielplan. Im 20. Jahrhundert diente es überwiegend der Aufführung von Schauspielen, mit einem großen Anteil klassischer Stücke und eher konservativem Publikum. Seit den 1990er-Jahren gehört es zu den vier subventionierten, als Regiebetriebe geführten Sprechbühnen Berlins.

Das Gebäude des Theaters wurde 1849/1850 von Eduard Titz im Auftrag von Friedrich Wilhelm Deichmann erbaut. Dieser betrieb ein Casino, in dessen Garten bereits über den Sommer eine kleinere Bühne erfolgreich Lustspiele und Possen darbot. Eröffnet wurde das neue Gebäude 1850 als Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater mit rund 600 Plätzen. Die Theatermacher verfolgten einen volkstümlich-unterhaltenden Anspruch, in einer Zeit, als das Königsstädtische Theater – mit ursprünglich derselben Zielsetzung – am Ende war. Ab 1860 wurden hier auch Operetten aufgeführt. Das Woltersdorff-Theater, das sich ab 1883 Neues Friedrich-Wilhelm-Städtisches Theater nannte, wurde wegen der Namensähnlichkeit oft mit diesem neuen Possentheater verwechselt.

1883 begründete der Schriftsteller und Theaterkritiker Adolph L’Arronge mit einer Gruppe vermögender Schauspieler ein Theater mit einem anspruchsvolleren Programm, das die beliebten volkstümlichen Stücke mit Klassikern mischte. Er leitete dieses Deutsche Theater, das nun das Wilhelmstädtische Gebäude übernahm, bis 1894 selbst. Ihm folgte von 1894 bis 1903 Otto Brahm. Brahm, der als Kritiker noch gegen L’Arronge eingewandt hatte, dieser habe zu wenig „gute Stücke“ inszeniert, brachte neben der Aufführung der Klassiker nun auch zeitgenössische Stücke des Naturalismus auf die Bühne und setzte Autoren wie Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Arthur Schnitzler durch.

Ab 1905 übernahm der schon 1895 als Schauspieler engagierte Max Reinhardt die Leitung des Hauses, das er 1906 auch erwarb. 1906 ließ Reinhardt einen 1850 ebenfalls von F. W. Deichmann auf dem Nachbargrundstück erbauten Ballsaal durch William Müller zu einem weiteren Theater umbauen, das 1906 als Kammerspiele eröffnet wurde. In engerem Rahmen und privat anmutender Atmosphäre sollte hier die damalige dramatische Moderne zugänglich gemacht werden. Für die Ausstattung der Lobby der Kammerspiele schuf Edvard Munch den zwölf Gemälde umfassenden Reinhardt-Fries, eine Variation seines so genannten Lebensfrieses

Am 4. April 1933 verkündete die mit dem Machtantritt Hitlers neu angetretene Direktion Achau und Neft des Reinhardt gehörenden Theaters, dass sie Max Reinhardt nach einer Besprechung mit dem Kommissar z.B.V. Hans Hinkel des preußischen Kultusministeriums entlassen habe. Hinkel war ein einflussreicher NSDAP - Politiker, der auch eine wichtige Rolle im KdK spielte. Heinz Hilpert wurde ab 1934 Intendant und führte das Haus durch die Zeit des Nationalsozialismus bis zur Schließung 1944. Verglichen mit seinem Hauptkonkurrenten – dem repräsentativen Staatstheater am Gendarmenmarkt – war das Deutsche Theater Reinhardts und Hilperts eine Bühne der feinen Nuancen und der leisen Töne mit einem klassisch-humanistischen Programm.

Am 7. September 1945 wurde das Theater unter dem Aristokraten und Kommunisten Gustav von Wangenheim wiedereröffnet. Die Berliner standen nach Karten für die erste Aufführung nach dem Ende des Krieges an, es gab Lessings Nathan der Weise und die deutsche Erstaufführung von Unsere kleine Stadt von Thornton Wilder. Nach von Wangenheim war von 1946 bis 1963 Wolfgang Langhoff Intendant, der zu einer Polarisierung zwischen Ost- und West-Berliner Theatern beitrug.

Von 1949 bis 1954 beherbergte das Deutsche Theater Bertolt Brechts Berliner Ensemble als Gast unter der Intendanz von Helene Weigel. Die Inszenierung von Brechts Mutter Courage und ihre Kinder gilt bis heute als eine der bedeutendsten Theateraufführungen der Nachkriegszeit. Der legendäre Planwagen aus der Inszenierung vom 11. Januar 1949 und die Kostüme von Helene Weigel, die in dieser Aufführung zum ersten Mal die Rolle der Mutter Courage spielte, sind im Brecht-Weigel-Haus in Buckow ausgestellt.

Nach Langhoffs Zerwürfnis mit den Kulturverantwortlichen im Zentralkomitee der SED folgten ihm Wolfgang Heinz (1963–1970), Hanns Anselm Perten (1970–1972), Gerhard Wolfram (1972–1982), Rolf Rohmer (1982–1984) und Dieter Mann (1984–1991) als Intendanten.

Unter vielen erfolgreichen Inszenierungen dieser Ära ragen zwei Arbeiten des Regisseurs Benno Besson heraus: Die Uraufführung der Aristophanes-Komödie Der Frieden in der Fassung von Peter Hacks mit 45 Minuten Schlussapplaus und 16 Eisernen Vorhängen am 14. Oktober 1962 sowie die DDR-Erstaufführung von Jewgeni Schwarz Märchenparabel Der Drache die mit 580 Vorstellungen seit ihrer Premiere am 21. März 1965 über 16 Jahre lang auf dem Spielplan blieb.

1989 beteiligten sich auch DT-Schauspieler an der Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz, die als Meilenstein der friedlichen Revolution in der DDR gilt.

Außer für Theateraufführungen dienten das Deutsche Theater und die angeschlossenen Kammerspiele auch als anspruchsvoller Veranstaltungsraum für Konferenzen oder Jugendweihefeiern.

Nach der Wende übernahm Wolfgang Langhoffs Sohn Thomas Langhoff die Intendanz des Theaters (1991–2001). Von 2001 bis 2008 wurde das DT von Bernd Wilms geleitet. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Haus erneut zu einer der führenden Bühnen des Landes. Besonders die vier festen Regisseure Barbara Frey, Dimiter Gotscheff, Jürgen Gosch und Michael Thalheimer wirkten prägend. Thalheimer war von 2005 bis 2008 Mitglied der Künstlerischen Leitung des Hauses. In der Spielzeit 2008/09 war Oliver Reese interimistisch Intendant. Ab der Spielzeit 2009/2010 übernahm Ulrich Khuon die Intendanz.

2005 wurde das DT als „Theater des Jahres“ ausgezeichnet. Die Produktionen Wer hat Angst vor Virginia Woolf? von Edward Albee (Regie: Jürgen Gosch), Die Orestie von Aischylos (Regie: Michael Thalheimer), sowie im Jahr 2008 Die Ratten von Gerhart Hauptmann (Regie: Michael Thalheimer) und Anton Tschechows Onkel Wanja (Regie: Jürgen Gosch) wurden zum Berliner Theatertreffen, dem jährlichen Best of-Festival der deutschsprachigen Bühnen, eingeladen. 2008 bekam das DT insgesamt 6 von 9 Auszeichnungen: Es wurde „Theater des Jahres Jürgen Goschs Version Onkel Wanja ist die „Inszenierung des Jahres“ und zeigt auch die Schauspieler des Jahres: Für ihre Darstellung der Jelena sowie für ihre Frau John in Die Ratten wählte die Jury Constanze Becker zur „Schauspielerin des Jahres“. Niklas Kohrt spielt den Bruno Mechelke in Die Ratten und ist „Nachwuchsschauspieler des Jahres“. Ensemblemitglieder wie Nina Hoss, Ulrich Matthes und Niklas Kohrt wurden mit Darsteller-Preisen geehrt. Internationale Preise gingen an Gastspiele wie Emilia Galotti von Gotthold Ephraim Lessing (Regie: Michael Thalheimer) und Lolita von Vladimir Nabokov (Regie: Oliver Reese).

Das Deutsche Theater beherbergt drei Bühnen: Das Große Haus mit ca. 600 Plätzen in einem Saal von 1850 mit überwiegend klassischem Repertoire, die Kammerspiele mit ca. 230 Plätzen (1906 von Max Reinhardt in modernem Design eingerichtet), die sich zeitgenössischer und moderner Dramatik widmen und die 2006 neu eröffnete Box – eine kompakte Blackbox im Foyer der Kammerspiele mit achtzig Zuschauerplätzen für hautnahes Theater, neue Texte und aktuelle Themen. Im Jahr 2010 beschloss der Senat von Berlin, auf der Rückseite des Gebäudekomplexes ein neues Probebühnenzentrum errichten zu lassen. Das L-förmige Gebäude auf dem Hof, von dem Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner entworfen, wird drei Probebühnen übereinander besitzen und außerdem Werkstätten, Garderoben- und Büroräume enthalten. Baubeginn des mit rund 9,9 Millionen Euro veranschlagten Neubaus wird im Sommer 2013 sein.

Auch international ist das Deutsche Theater erfolgreich präsent. Bei mehr als 200 Gastspiel-Vorstellungen seit 2001 sahen zehntausende Besucher Produktionen wie Emilia Galotti, Faust II Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und Die Perser in Europa, Südamerika, USA und Japan. Durch die Offenheit und Vielfalt seines Programms und das Bekenntnis zu großen Schauspielern, Regisseuren und Dramatikern wahrt das DT bis heute seinen historischen Anspruch.