Pogromstimmung in Randerath
Neonazistische Aktivitäten im Kreis Heinsberg waren in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten. Am 24.08.2005 schlugen zwei Männer aus der rechtsextremen Szene einen 14jährigen Jugendlichen zusammen, weil dieser ein antifaschistisches T-Shirt trug. [1] Ende Juli 2005 fand in Heinsberg-Dremmen der NPD-Landesparteitag statt, auf dem die Partei ihre Landesliste für die Bundestagswahl verabschiedete. Das Stolberger NPD-Ratsmitglied Willibert Kunkel wurde auf Platz 6 der Landesliste gewählt, sein Kollege Oliver Harf auf Platz 13. [2] In der Nacht vom 16. zum 17.8.2008 beschmierten Neonazis das Büro von Bündnis 90/Die Grünen in Heinsberg u.a. mit einem Hakenkreuz.
Anfang des Jahres 2007 gründete sich ein eigener Ortsverband Heinsberg der NPD. Bislang gab es lediglich im Bereich Heinsberg und Mönchengladbach einen NPD-Kreisverband Heinsberg/Mönchengladbach. In einer Mitteilung hieß es, aufgrund „stetig steigende(r) Mitgliederzahl war es möglich, im Kreis Heinsberg endlich Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen werden, demnächst in jedem Ort Präsenz zu zeigen und eine weitere Verankerung in der Bevölkerung zu erlangen.” [3]
„Todesstrafe für Kinderschänder”
Nach Randerath, einem kleinen Ort in der Nähe von Heinsberg, war ein Mann gezogen, der vor über 20 Jahren drei Vergewaltigungen an Schülerinnen begangen und nach Ende seiner Haftzeit in Randerath eine vorläufige Bleibe bei seinem Bruder gefunden hatte. Der rechtskonservative Landrat der CDU, Stephan Pusch, hatte dieses Faktum „aus Sicherheitsgründen” der Öffentlichkeit mitgeteilt. Dass bei dieser Maßnahme Puschs eher die Sorge um seine Wiederwahl als die Aufklärung der Bevölkerung im Vordergrund stand, ist nicht schwer zu erraten. Seitdem gab es allabendliche Proteste von BügerInnen aus Randerath und Umgebung gegen die Anwesenheit des Sexualstraftäters.
Der NPD-Kreistagsabgeordnete Helmut Gudat hatte für den 7. März auf dem Marktplatz von Randerath eine Kundgebung angemeldet, an der mehr als 60 Personen aus der rechtsextremen Szene teilnahmen. [4]
Auf einem Transparent von der Kameradschaft Aachener Land war der Slogan „Todesstrafe für Kinderschänder” mit einem aufgemalten Strick zu sehen.
Um ca. 16h erklärte Helmut Gudat, die „Mahnwache” für beendet. Danach wollte ein großer Teil der rechten DemonstrantInnen in Richtung des Wohnhauses des vorbestraften Sexualstraftäters vordringen. Die anwesende Bereitschaftspolizei drängte die aggressive Menge in Richtung Marktplatz zurück, kesselte sie ein und setzte 63 Personen vorübergehend fest. Als ihre Identität festgestellt worden war, wurde Anzeige gegen die betreffenden Personen gestellt. Danach wurden sie entlassen und des Platzes verwiesen; ein Demonstrant wurde festgenommen, da er dem Platzverweis nicht nachkam. Traurigerweise kam es zu keinerlei antifaschistischer Gegenwehr.
Parallel zur Demonstration in Randerath gab es in Erkelenz eine Mahnwache der örtlichen NPD. Ein Teilnehmer berichtete auf der neonazistischen Internet-Plattform „Altermedia”: [5] „Von dort aus (Randerath M.L.) fuhren wir mit dem Zug nach Erkelenz und machten dort mit ca. 40 Kameraden eine Spontandemo durch die Innenstadt. Wir verteilten unsere Flugblätter und bekamen durchaus Zuspruch von den Bürgern.”
Mit ihren Parolen trafen die Nazis die Stimmung von bürgerlichen EinwohnerInnen des Dorfes. In der taz war zu lesen: [6] „Ich bin zwar kein Rechter, sagt etwa ein Nachbar, aber da müssen mal ein paar Springerstiefel her. Ich wills nicht offen sagen, sagt ein Passant, aber vor 50 (wahrscheinlich ist der NS gemeint, M.L.) Jahren hätte man so was schnell erledigt.” Auch in der konservativen FAZ fand sich folgendes Statement: [7] „Auf die Frage an eine ältere Frau in Randerath, was sie davon hält, dass die NPD die Todesstrafe fordert, sagt sie: ‚Da stehe ich dahinter, ja sicher.’” Auf der Internetseite der NPD/Kreisverband Krefeld wurde die Demonstration als Erfolg gewertet: [8]„Zeitweise stellten sich Anwohner mit zu uns und erklärten ihre Zustimmung für unsere Aktion. Aus vorbeifahrenden Autos konnte man immer zustimmende Gesten sehen, wenn die Insassen unsere Transparente gelesen haben.” Auf den Transparenten der allabendlichen Demonstrationen von „aufgebrachten Bürgern” findet mensch ebenfalls Aufrufe zur Lynchjustiz [9]: „Noch beschützen sie dich, aber wir wissen, wo du wohnst”
Die Kommentare auf „Altermedia” zu der Demonstration sind exemplarisch für den menschenverachtenden Charakter innerhalb des Rechtextremismus. Der User „Berserker” schrieb: „Todesstrafe für diese Mistgeburt (sic), solche Typen haben kein Recht auf irgendwelche Gnade.” Ein anderer User „König” bemerkte: [10] „Arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten, bis zum Totalkollaps! Bei Brot und Wasser einmal täglich.”
„Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen”. NPD und Kindesmissbrauch
Unverständlich bleibt, warum die Polizei in Randerath die Demonstration nicht sofort unterbunden und die Teilnehmer wegen Volksverhetzung verhaftet hat.
Im Jahre 2007 hat das Landgericht Marburg zwei Männer wegen Volksverhetzung verurteilt, weil sie auf einer Demonstration im Oktober 2006 die Todesstrafe für Kinderschänder gefordert hatten. Sie wurden zu 2400 Euro bzw. 900 Euro Strafe verurteilt. Der Präsident des Landesgerichtes Marburg, Christoph Ulrich, begründete das Urteil mit einem Verweis auf den Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches, wonach sich Personen der Volksverhetzung schuldig machten, die zu „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen” gegen Teile der Bevölkerung aufriefen. [11]
Die NPD und andere neonazistische Organisationen setzten in der jüngsten Vergangenheit immer wieder bei ihrer Agitation auf das Thema Kindesmisshandlung. In Berlin wollten sie „Kiezstreifen gegen Kinderschänder” durchführen, in Leipzig wurde nach dem Tod der kleinen Michelle auf Demonstrationen die „Todesstrafe für Kinderschänder” gefordert.
Die Instrumentalisierung des Themas für ihre politischen Zwecke stand im Vordergrund, geschickt wurde an aktuelle Diskurse angeknüpft, um sich als „Vollstrecker einer schweigenden Mehrheit des Volkes” aufzuspielen. Die gesamte Scheinheiligkeit der RechtsextremInnen kommt jedoch zum Vorschein, wenn mensch sich an folgende Fakten erinnert: Ende des Jahres 2006 wurde gegen den ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten Matthias Paul wegen des Verdachts der Kinderpornographie ermittelt. [12] Der NPD-Spitzenmann Udo Pastörs besuchte zweimal die chilenische sektenartige Gemeinschaft „Colonia Dignidad”. Dort traf er sich mit dem Sicherheitsberater des Gründers und
Sektenführers Paul Schäfer und äußerte sich positiv über die Gemeinschaft sowie zu seinem aus Deutschland umgesiedelten Gründer. Dass dieser besagte Schäfer im Mai 2006 wegen Kindesmissbrauchs in 25 Fällen zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, schien Pastörs nicht zu interessieren. [13]
Fußnoten